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Full text of "Jahresbericht des Frankfurter Vereins für Geographie und Statistik"

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Jahresbericht 

des 

Frankfurter  yereins 

für 

Gieographie  und  Statistik 


Siebzigster  Jahrgang. 
1906-1906. 


Im  Namen  des  Vorstandes  herausgegeben 


Ton 


Dr.  Hermann  Traut^ 

BlbllothekAr  an  der  SUdtbibllothek, 
OeneralMkreUr  dM  Veniiif . 


Frankfurt  am  Main. 

Drack  nnd  Verlag  tob  Gebrüder  Knaoer. 

1907. 


Wissenschaftliche  Mitteilungen. 


Die 

Niederschlagsyerhältnisse  der  Atlasländer. 


Von 

Dr.  Karl  Knoch. 


Bodenplastik  der  Atlasländer« 

Scharf  sich  aus  ihrer  Umgebung  heraushebend,  bezeichnen 
die  Atlasländer,  im  äußersten  Nordwesten  Afrikas  gelegen,  in 
vielen  Beziehungen  ein  Land  für  sich,  was  schon  die  Araber 
in  ihrer  Bezeichnung  dieses  Gebietes  als  „Insel  des  Westens" 
andeuteten. 

Da  das  Gebiet  auf  drei  Seiten  durch  das  Meer  begrenzt 
wird,  so  ist  nur  noch  die  Grenze  nach  Südwest,  also  gegen  das 
übrige  Afrika,  oder  genauer  gegen  die  Sahara,  zu  bestimmen. 
Diese  Grenze  gegen  die  Wüste  hin  ist  «rographisch  gut  ange- 
deutet. Von  Osten  her  erstreckt  sich  von  der  kleinen  Syrte  die 
Schott-Depression  mit  den  beiden  größten  Schotts,  dem  Schott 
el  Djerid  und  dem  Schott  el  Melrir,  weit  in  das  Innere  hinein 
und  wird  noch  auf  eine  weitere  Strecke  von  300  km  durch  das 
Tal  des  Wed  Djedi  nach  Westen  hin  verlängert.  Im  Westen 
bildet  das  breite  Tal  des  Wed  Draa  vom  Ozean  aus  einen  Ein- 
gang in  das  Innere  bis  auf  ungefähr  600  km.  Diese  Depression 
scheint  sich  dann  unmittelbar  noch  weiter  nach  Osten  bis  zum 
Wed  Saura  fortzusetzen.  Zwischen  diesen  beiden  von  Osten 
und  Westen  sich  erstreckenden  Depressionslinien  bliebe  nun  noch 
die  Grenze  auf  eine  Strecke  von  500  km  festzulegen.  Da  sich 
in  diesem  Gebiete  die  gefalteten  Kreideschichten  des  Atlas- 
gebirges allmählich  verflachen  und  langsam  in  die  tafellagernden 
Schichten  der  Wüste  übergehen,  ist  die  Grenze  zwar  hier  nicht 


O 


72121 


—    6    — 

so  deutlich  ausgeprägt,  doch  würde  eine  einfache  Verbindung  der 
Endpunkte  der  soeben  bezeichneten  Tiefenlinien  eine  für  unsere 
Zwecke  vollkommen  genaue  Begrenzung  des  Atlasgebietes  in 
diesem  Teile  darstellen. 

Das  so  umgrenzte  Gebiet  erstreckt  sich  lang  und  schmal 
von  Südwesten  nach  Nordosten,  indem  es  gleichzeitig  in  dieser 
Richtung  auch  an  Breite  abnimmt.  Die  größte  Länge  beträgt 
27öOkm,  die  Breite  450  km,  bei  einem  Flächeninhalt  von  rund 
1  Mill.  nkm.  '  '    - 

Die  lange,  schmale  Erstreckung  beruht  auf  dem  Falten- 
gebirge, dessen  Beziehungen  zu  dem  eurasischen  Faltensystem 
leicht  zu  erkennen  sind  und  an  seinen  beiden  Enden  am  deut- 
lichsten hervortreten.  In  diesem  afrikanischen  Faltensystem 
haben  wir  durchaus  nichts  Einheitliches  zu  erblicken,  vielmehr 
besteht  es  aus  zwei,  wenn  nicht  sogar  aus  drei  Faltenzügen, 
die  ihi*er  Richtung  und  der  Zeit  ihrer  Emporfaltung  nach  von 
einander  verschieden  sind.  Es  sind  dies :  1)  der  an  der  Mittel- 
meerküste sich  hinziehende  Teil-Atlas,  früher  auch  Kleiner  Atlas 
genannt,  mit  vorwiegend  westöstlicher  Richtung,  2)  südlicTi  da- 
von der  Sahara-Atlas  mit  mehr  Südwest-nordöstlicher  Richtung 
und  3)  der  Marokkanische  Atlas.  Auf  die  Betrachtung  dieser 
einzelnen  Teile  soll  im  folgenden  nun  näher  eingegangen  werden. 

Zuvor  muß  aber  noch  ein  Gebiet  Betrachtung  finden,  das 
sich  zwischen  dem  Marokkanischen  Atlas  und  dem  Atlantischen 
Ozean  ausbreitet :  das  Atlasvorland  von  Marokko.  Wenn  es  sich 
auch  jetzt  nicht  mehr  als  Faltungsland  darstellt,  so  hat  die  Er- 
forschung des  betreffenden  Gebietes  doch  erwiesen ;  daß  es  aus 
einem  alten  gefalteten  Grundgebirge  besteht,  das  aber  von  den 
Brandungswogen  in  der  geologischen  Vergangenheit  vollständig 
abgetragen  wurde  und  nuo  von  Schichten  bedeutend  jüngeren 
Alters  überdeckt  ist.  Orographisch  zerfällt  das  Atlasvorland  in 
zwei  Stufen:  eine  untere  schmale  aü  der  Küste  uod  eine  etwa 
100  m  höher  gelegene  im  Innern.  In  einer  mittleren  Breite  von 
60  km  erstreckt  sich  die  Küstenlandschaft  ungefähr  von  Mogadof 
bis  ztti-  Meerenge  von  Gibraltar.  D^r  Aufstieg  aus'  dem  llleei'e 
ist  sehr  steil  und  setzt  sich  dann  in  langsamem  Anstieg  nach 
dem  Innern  fort,  so  daß  am  Fuße  der  oberen  Stufe  eihe  mittlel^ 
Höhe  von  etwa  250m  erreicht  wird.  Außei*  diesem  westöstlich6n 
Anstieg  findet  noch  ein  solcher  in  nordsüdlichei*  Richtung  statt. 


—    7    — 

Dies  alles  geht  aber  so  allmählich  vor  sich,  und  außerdem  ist 
die  Landschaft  so  wenig  durch  Täler  zerschnitten,  daß  sie  sich 
weithin  als  tischgleiche  Ebene  darstellt.  Steil  erhebt  sich  dann 
die  obere  Terrasse  über  der  unteren  und  steigt  bei  einer  mitt- 
leren Breite  von  150  km  bis  zu  600  m  Höhe  an  dem  sich  scharf 
ausprägenden  Fuße  des  Gebirges  empor.  Die  Einförmigkeit  dieser 
Stufe  ist  bei  weitem  nicht  so  groß  wie  die  der  unteren,  da  das 
Grundgebirge  durch  Erosion  und  Denudation  hier  häufiger  heraus- 
gearbeitet ist  und  so  Unregelmäßigkeiten  in  der  Erhebung  der 
Oberfläche  bedingt. 

Mauerartig  wird  das  Atlasvorland  von  Marokko  von  der 
Sahara  durch  die  steil  sich  bis  zu  einer  relativen  Höhe  von 
2500  m  erhebenden  Ketten  des  Marokkanischen  Atlas  abge- 
schlossen. Dieser  ist  der  zuerst  zum  Gebirge  aufgerichtete  Teil 
des  ganzen  Atlaslandes,  und  zwar  ist  in  ihm  die  Auffaltung 
80  kräftig  gewesen,  daß  er  an  Ausdehnung  und  Höhe  sehr  wohl 
mit  den  Alpen  zu  vergleichen  ist.  Der  Marokkanische  Atlas  be- 
steht aus  drei  in  Sädwest-Nordost-Richtung  streichenden  Zügen. 
Diese  schieben  sich  kulissenartig  in  der  Weise  voreinander,  daß 
der  mittlere  Zug,  der  als  die  Hauptkette  anzusehen  ist,  von 
seinen  beiden  Nebenketten  durch  zwei  Längstäler  geschieden 
ist,  von  denen  das  nördliche  vom  Wed  Muluja,  das  sttdliche 
vom  Wed  Sus  durchflössen  wird.  Die  jetzt  allgemein  angenom- 
menen Bezeichnungen  der  einzelnen  Züge  sind:  Hoher  Atlas 
für  den  Hauptzug,  Mittlerer  Atlas  für  die  nördliche  und  Anti- 
Atlas für  die  südliche  Nebenkette. 

Der  Mittlere  Atlas  steigt  im  Nordosten  von  Marrakesch 
auf  und  endet  an  dem  Wed  Muluja  ungefähr  in  der  Gegend 
des  Wed  Msun.  Im  Südwesten  ist  er  noch  von  niedrigen  platten 
Vorbergen  begleitet,  erst  wo  diese  aufhören,  jenseits  des  Wed 
el  Abid,  erhebt  sich  der  Kamm  zu  bedeutender  Höhe,  mehrere 
Gipfel  erreichen  hier  ungefähr  3000m  Höhe,  der  Djebel  Saian 
höchstwahrscheinlich  sogar  3500  m.  Der  Nordabfall  der  Ketten 
vollzieht  sich  in  drei  Terrassen,  die  sich  nach  Westen  hin  aus- 
breiten. 

Während  der  Mittlere  Atlas  aus  einer  ganzen  Reihe  von 
Parallelketten  besteht,  wird  der  Hohe  Atlas  in  seinem  größten 
Teile  nur  von  einer  einzigen  Haupt  kette  gebildet.  Diese  nimmt  ihren 
Anfang  an  der  Asif-Ig^Schlucht  und  erreicht  in  ihren  letzten 


—    8    — 

Aasläufern  in  nordöstlicher  Richtung  den  Nordrand  des  Schott 
Tigri,  während  ein  südlicher  Nebenkan^m,  in  einzelne  Massive 
aufgelöst,  den  Schott  im  Süden  umzieht,  alsdann  nach  Nord- 
osten schal  f  umbiegt  und  erst  im  südöstlichen  Winkel  des  Schott 
esch  Schergi  endet.  In  dem  Hohen  Atlas  haben  wir  in  ganz 
besonderem  Maße  einen  trennenden  Wall  vor  uns,  sein  Kamm 
besitzt  eine  recht  bedeutende  Höhe  und  wird  von  mehreren 
Gipfeln  von  3000— 4000  m  überragt.  Die  Höhe  nimmt  von  SW 
nach  NE  schnell  zu,  im  Meridian  von  Marrakesch  ist  sie  schon 
am  bedeutendsten.  Als  Hochgebirge  erreicht  der  Atlas  sein  Ende 
in  dem  Tisi  n  Telghemt  (2180  m),  weiter  nach  Osten  hin  stellt 
er  sich  nur  als  eine  stark  erodierte  Hochfläche  dar. 

Gewöhnlich  wird  das  eigentliche  Hochgebirge  in  einen  West- 
und  einen  Ostflügel  eingeteilt.  Der  Westflügel  besitzt  bei  weitem 
die  größte  Kammhöhe,  im  Tisi  n  Tamdjurt  gipfelt  er  mit  4700m 
Höhe,  im  Ostflugel  wird  wohl  mit  Ausnahme  des  Teiles  am 
Djebel  Aiaschin  nirgends  die  Höhe  des  westlichen  Kammes  er- 
reicht. 

Die  südliche  Nebenkette,  der  Anti -Atlas,  begleitet  vom 
Meere  aus  den  Hauptzug  fast  in  seiner  ganzen  Länge  bis 
zur  algerischen  Grenze.  In  seinen  Pässen  erreicht  er  im  Mittel 
etwa  2000  m,  über  welche  der  gleichförmige  Kamm  wenig  her- 
vorragt. Jenseits  des  Durchbruches  des  Wed  Draa  hebt  sich 
der  Gebirgszug  noch  einmal  im  Djebel  Saghro  (2300  m)  zu  be- 
deutender Höhe,  senkt  sich  dann  aber  rasch  und  nimmt  immer 
mehr  Hochflächengestalt  an. 

Als  letzte  Erhebung  des  Atlassystemes  im  Südwesten  ist 
der  Vollständigkeit  wegen  noch  der  Djebel  Bani  anzuführen. 
Man  kann  ihn  als  eine  schmale  Felsleiste  bezeichnen,  die  durch 
das  Herauspräparieren  widerstandsfähiger  Sandsteinschichten  ent- 
standen ist,  mit  einer  absoluten  Höhe  von  900  m  und  einer  Breite 
von  nur  2  km.  Seine  Erhebung  über  die  umgebende  Wüste  be- 
trägt nur  200— 300  m,  seine  Streichungsrichtung  ist  der  des 
Atlassystemes  vollkommen  parallel.  An  vielen  Stellen  ist  der 
Gebirgszug  durch  Schluchten  durchbrochen,  deren  Ursprung 
wahrscheinlich  in  der  Pluvialzeit  liegt. 

Der  lang  und  schmal  sich  an  der  Küste  des  Mittelmeeres 
hinziehende  Teil- Atlas  ist  in  zwei  orographisch  gut  geschiedene 
Teile  zu  zerlegen,  zuerst  das  Küstengebirge  und  dann  der  eigent- 


—    9    — 

liehe  Teil- Atlas,  der  von  dem  Kttstengebirge  durch  eine  Tiefen- 
linie getrennt  ist.  Der  gesamte  Gebirgszug  hat  westöstliche 
Richtung,  doch  ist  diese  nicht  durchaus  vorherrschend,  so  haben 
z.  B.  mehrere  Ketten  in  den  Landschaften  von  Mostagenem,  von 
Mascara  und  von  Saida  eine  Südwest -nordöstliche  Richtung. 
Überhaupt  handelt  es  sich  hier  nicht  um  längere  Ketten,  die 
den  ganzen  Gebirgszug  der  Länge  nach  durchziehen,  sondern 
meist  sind  es  nur  kleine  Massive,  die  ihn  zusammensetzen,  und 
nur  hier  und  da  treten  ganz  kurze  Ketten  in  seinem  Aufbau  auf. 
Die  Höhe  des  ganzen  Teil -Atlas  ist  relativ  bedeutend.  Das  Ge- 
birge steigt  steil  aus  dem  Meere  heraus  und  läßt  nur  ganz  un- 
bedeutend Raum  zur  Entwicklung  einiger  Küstenebenen.  Höhen 
von  20C0  m  finden  sich  schon  in  ganz  geringer  Entfernung  von 
der  Küste. 

-  Die  bereits  erwähnten  Gebirgsmassen  der  Küstenkette, 
die  meist  elliptische  Formen  aufweisen,  bestehen  vorwiegend  aas 
kristallinischen  Gesteinen,  die  als  der  Kern  des  alten  Falten- 
gebirges anzusehen  sind.  Von  Osten  nach  Westen  reihen  sich  so 
die  folgenden  Massive  aneinander :  am  Golf  von  Bona  der  Djebel 
Edough,  eine  kristallinische  Masse,  die  vollständig  von  jüngeren 
Anschwemmungen  umgeben  ist,  am  Numidischen  Golf  der  Sahel 
von  Collo.  Hieran  schließen  sich  dann  an:  die  kleine  Kabylei 
mit  dem  Djebel  Babor  und  die  große  Kabylei  mit  ihrem  höch- 
sten Teil  dem  Djebel  Djurdjnra,  dieser  erreicht  seinen  höchsten 
Gipfel  in  der  Lella  Khedidja  mit  2308  m.  Diese  beiden  letzt- 
genannten Gebiete  sind  von  der  europäischen  Kultur  und  Kolo- 
nisation nur  in  geringem  Maße  erschlossen  worden,  obgleich  die 
Fruchtbarkeit  sehr  groß  und  auch  die  Bevölkerung  durch  Berber- 
stämme sehr  dicht  ist.  Die  Küstenketten,  die  sich  westwärts 
von  Algier  hinziehen,  unterscheiden  sich  in  manchen  Punkten, 
auf  die  noch  später  eingegangen  werden  wird,  von  den  eben 
aufgeführten  Massiven.  Vorläufig  soll  hier  nur  erwähnt  werden, 
daß  ihre  Höhe  nirgends  die  der  Berge  der  Kabylei  erreicht. 
Der  sich  zunächst  anschließende  Sahel  von  Algier  ist  beispiels- 
weise nur  400  m  hoch.  Es  folgen  dann  das  Massiv  von  Miliana 
und  das  bedeutendere  Dahra-Gebirge ,  das  im  Süden  von  der 
Ebene  des  Ch^Iiff-Flusses  begrenzt  wird.  In  ihm  kann  man  eine 
Plateauzone  mit  einer  mittleren  Höhe  von  500  m  und  eine  höhere 
Gebirgszone  unterscheiden.  Nach  Westen  anschließend  folgt  nun- 


i 


—    10    — 

mehr  der  Sahel  von  Oran,  an  welchen  sich  das  wilde  und  zer- 
rissene Gebirgsland  de»  Rif  anschließt.  Im  Rif  ändert  sich  die 
Richtung  der  Atlasketten,  indem  die  Falten  nicht  mehr  von 
Ostnordost  nach  Westsüdwest  streichen,  sondern  von  Osten 
nach  Werten  und  schließlich  nach  Nordwesten  und  Norden  ver- 
laufen, so  daß  dieses  Gebirge  jenseits  der  Straße  von  Gibraltar 
seine  Fortsetzung  in  den  westlichen  Verbergen  der  Sierra  Nevada 
Spaniens  findet. 

Wie  schon  erwähnt,  ist  diese  Küstenkette  von  dem  eigent- 
lichen Teil-Atlas  durch  eine  scharf  angedeutete  Tiefenlinie  ge- 
trennt, die  ihrer  Entstehung  nach  wohl  als  eine  Reihe  von 
Einsturzbecken  aufzufassen  ist.  Im  Osten  bezeichnet  das  Tal  des 
Medjerda  den  Eingang  zu  dieser  Linie.  Durch  die  Ebenen  von 
Constantine,  S6tif  führt  sie  dann  zum  Tale  des  Wed  Soummam, 
in  das  Becken  von  M^d6ah  und  schließlich  in  das  Tal  des  Ch61iff. 
Die  Ebenen  von  Oran,  Sidi  bei  Abbös,  Tlemcen  bezeichnen  ihren 
weiteren  Verlauf  nach  Westen,  bis  sie  zuletzt  im  Tale  des  Wed 
Sebu  am  Ozean  ausmündet.  Diese  Tiefenlinie  bildet  die  wich- 
tigste Verkehrsstraße  von  Westen  nach  Osten,  was  schon  äußer- 
lich darin  zum  Ausdruck  kommt,  daß  sie  schon  jetzt  in  ihrem 
größten  Teil  von  einer  Eisenbahn  durchzogen  wird. 

Südlich  dieser  Verkehrslinie  erhebt  sich  der  eigentliche 
Teil- Atlas,  aus  Jura-,  Kreide-  und  Eocän-Schichten  aufgebaut. 
Er  muß  also  als  der  sedimentäre  Außengürtel  des  alten  Falten- 
gebirges angesehen  werden.  Zwei  Reihen  einzelner  Massive 
lassen  sich  erkennen:  eine  nördliche  Reihe  mit  den  Massiven 
der  Ouarsenis,  von  Mascara,  der  Tessala  und  die  M6keiTa 
und  das  Massiv  der  Traras.  Die  bedeutendste  Erhebung  unter 
diesen  Massiven  besitzt  das  der  Ouai*senis ,  sein  höchster  Gipfel 
der  Kef  Sidi  Amar  hat  1995  m.  Die  übrigen  Ketten  erreichen 
bei  weitem  nicht  diese  Höhe.  Die  südliche  Reihe  wird  von  den 
Ketten  von  Souk-Ahras,  dem  Massiv  von  Bellezma,  der  Hodna 
Kette,  den  Massiven  von  Sa'ida  und  Tlemcen  gebildet.  E^  finden 
sich  hier  keine  größeren  Erhebungen  mehr.  Der  Landschaft»- 
charakter  ähnelt  immer  mehr  dem  nun  folgenden  Gebiet,  das 
sich  zwischen  dem  Teil- Atlas  und  dem  Sahara-Atlas  erstreckt 
und  dem  man  die  Bezeichnung  ^  Gürtel  der  inneren  Hochbecken 
und  Hochsteppen"  gegeben  hat. 

Dieser  Gürtel  beginnt  im  Westen  von  Tebessa;  hier  ver^ 


—  11  — 

einigen  sich  die  nördliche  nnd  südliche  Umwallang  dieses  Ge- 
bietes zu  den  Gebirgen,  die  Tunis  durchziehen.  Das  Steppen- 
hochlaitd  ist  im  Osten  etwa  800m,  in  der  Mitte  900m  ti^d  im 
Westen  1100m  hoch,  weist  also  eine  langsame  Neigung  von 
Westen  nach  Ost^n  auf.  Da  aber  diese  Senkung  nicht  einheit- 
lich ist,  so  kommt  es  nicht  zur  Entwicklung  eines  Flußsystemes, 
nur  im  Osten  und  Westen  werden  die  Steppen  zum  Meere  hin 
entwässert.  Die  Breite  des  Gebietes  nimmt  von  Westen  nach 
Osten  in  dem  Maße  der  Annäherung  von  Teil-  und  Sahara-Atlas 
ab,  im  Mittel  beträgt  sie  150km.  Das  ganze  Plateau  zeiiällt 
in  eine  Reihe  von  Einzelbecken,  deren  tiefste  Stellen  von  Salz- 
seen, den  Schotts,  eingenommen  werden.  Die  größten  unter  ihnen 
sind :  das  Hodnabecken,  die  Schotts  el  Gharbi  und  ech  Chergui. 
In  der  Regenzeit  sammelt  sich  in  ihnen  das  Wasser,  in  der 
Trockenzeit  stellen  sie  jedoch  nur  eine  Salzfläche  dar  mit  einem 
Sumpf  in  der  Mitte.  In  diesem  trockenen  Gebiete  hat  äolische 
Denudation  eine  bedeutende  Rolle  gespielt.  Es  handelt  sich  hier 
meist  um  Auffüllungsbecken,  in  denen  loses  Material  lagert,  das  nur 
von  einer  festen  Kruste  überdeckt  ist.  Die  Landschaft  ist  aber 
durchaus  nicht  eben,  im  Osten  kann  man  sie  slogar  als  bergig  be- 
zeichnen, während  sie  sich  nur  nach  Westen  hin  der  Ebene  immer 
mehr  nähert.  Die  Unregelmäßigkeiten  im  Relief  kommen  dadurch 
hervor,  daß  das  alte  Gebirge  noch  aus  den  jüngeren  Aufschüttungs- 
massen hervorragt.  Diese  Schuttmassen  stammen  größtenteils  aus 
dem  südlichen  Teil  des  Atlas,  dem  Sahara- Atlas. 

Dieser  ist  dem  Teil- Atlas  nicht  streng  parallel,  er  bildet 
mit  ihm  einen  nach  Westen  hin  geöffneten  spitzen  Winkel.  Im 
einzelnen  besteht  dieser  etwa  100  km  breite  Wall  aus  einer 
großen  Zahl  kurzer  Ketten,  deren  Richtung  nicht  mit  dem  all- 
gemeinen Streichen  übereinstimmt.  Im  großen  und  ganzen  ist 
die  Faltung  wenig  intensiv  gewesen,  namentlich  setzt  sich  der 
westliche  Teil  nur  aus  flachen  Bodenwellen  zusammen.  Dazu 
kommt,  daß  der  Sahara-Atlas  in  höherem  Maße  der  äolischen 
Abtragung  unterliegt  als  der  Teil-Atlas.  Da  die  Schuttmassen 
meist  im  Gebirge  selbst  liegen  bleiben,  kleiden  sie  die  Gehätige 
ein  und  mildern  so  die  schroffen  Gegensätze.  Der  Sahara-Atlas, 
der  sich  ungefähr  in  derselbe!!  Breite  erhebt,  in  der  der  Mat^ök- 
kanische  Atlas  endigt  und  am  Kap  Bon  ausläuft,  läßt  sich 
leicht  in  Vier  große  Faltenbündel  zerlegen.  Den  am  westlichsten 


—     12    — 

gelegenen  Teil  pflegt  man  jetzt  allgemein  als  das  Massiv  von 
Figaig  und  die  Berge  der  Ksoor  zu  bezeichnen.  Das  Oebirge 
besteht  hier  ans  einer  großen  Zahl  flacher  Rttcken,  zwischen 
denen  sich  Ebenen  erstrecken.  Die  höchste  Erhebung  beträgt 
2200  m.  Kurz  sei  auch  auf  die  eigenartigen  Tafelberge  hin- 
gewiesen, die  man  hier  antrifft  und  deren  Vorkommen  nach 
Osten  hin  immer  zahlreicher  wird.  Ihre  Bildung  hängt  mit  dem 
Auftreten  wenig  gestörter  Sandsteinschichten  zusammep,  die 
durch  Erosion  und  Denudation  in  Einzelberge  zerlegt  wurden. 
Das  sich  anschließende  Massiv  des  Djebel  Amour  zeichnet  sich 
ganz  besonders  durch  schwere  Zugänglichkeit  aus,  trotzdem  es 
in  seinem  höchsten  Punkte,  dem  Djebel  Touila,  nur  eine  Höhe 
von  1940  m  erreicht.  Hier  macht  sich  auch  der  Höhenunterschied 
zwischen  Steppenhochland  und  Wüste  am  stärksten  bemerkbar. 
Vom  Hochland  aus  steigt  das  Gebirge  nur  in  verhältnismäßig 
sanftem  Anstieg  an,  um  dann  einen  steilen  Abfall  zur  Wflste  hin 
zu  bilden.  Nur  nach  Osten  erniedrigt  sich  die  Kette  nach  dem 
Hodnabecken  zu  ganz  bedeutend,  so  daß  hier  der  Sahara-Atlas 
bequem  Überschritten  werden  kann.  Oleich  darauf  steigt  das 
Gebirge  aber  noch  einmal  steil  auf  und  erreicht  seine  größte 
Höhe  im  Auresmassiv  (Dj.  Chelia  2330  m).  Dieses  wild  zerklüftete 
Gebirge  ist  besonders  klimatologisch  sehr  interessant  und  wird 
von  dieser  Seite  aus  später  noch  genauer  betrachtet  werden. 

Bei  dem  Eintritt  des  Sahara-Atlas  in  tunesisches  Gebiet 
ändert  sich  der  Charakter  des  Gebirges.  Seine  Falten  öffnen 
sich  hier  gleich  einem  Fächer,  sie  divergieren,  ohne  jedoch  das 
Meer  zu  erreichen.  Wir  befinden  uns  in  dem  letzten  der  vier 
Faltenbündel,  in  die  wir  den  Sahara-Atlas  zerlegten,  im  Gebiet 
der  tunesischen  Dome.  Die  charakteristischsten  ZQge  dieses  Ge- 
bietes sind  die  große  Anzahl  verhältnismäßig  kurzer,  oft  unter- 
brochener Ketten  mit  sehr  unregelmäßiger  Richtung  und  die 
Häufigkeit  der  kleinen  Massive  mit  kreisähnlicher  oder  ellip- 
tischer Grundfläche,  der  Dome.  Die  Unregelmäßigkeit  der  Ketten 
ist  einem  doppelten  Faltungssystem  zuzuschreiben,  von  denen  das 
eine  von  Südwest  nach  Nordost  streicht,  während  das  andere 
System  sich  der  Nord-Süd-Richtnng  nähert,  ja  manchmal  auf 
dem  Hauptsystem  senkrecht  steht. 

Die  Frage,  ob  man  das  ganze  tunesische  System  als  eine 
Fortsetzung  des  Sahara-Atlas  ansehen,  oder  ob  man  die  nörd- 


—    18    — 

liehe  Zone  d.  h.  die  kleine  Küstenkette  des  Djebel  Ahmar  und 
die  Massive  der  Khroamirie  und  der  Mogods  zu  dem  Tell-AÜas 
Algeriens  rechnen  soll,  ist  bis  jetzt  noch  nicht  ganz  entschieden 
Es  kann  natürlich  nicht  in  den  Rahmen  vorliegender  Arbeit  ge- 
hören, zu  entscheiden,  welche  von  den  beiden  herrschenden  An- 
schauungen den  größeren  Anspruch  auf  Richtigkeit  machen  kann, 
es  sei  hier  nur  erwähnt,  daß  die  erstere  Ansicht  sich  doch 
immer  mehr  zu  einer  verbreitemderen  Aufnahme  durchzuringen 
scheint,  so  daß  wir  also  kurz  sagen  können:  das  tunesische 
Gebirgssystem  ist  eine  Verlängerung  des  Sahara-Atlas  (s.  Per- 
vinquiöre).  Die  bedeutendste  Anschwellung  findet  in  der  mitt- 
leren Zone  oder  in  Zentral-Tunesien  statt.  Diese  besteht  größten- 
teils aus  sttdwest- nordöstlich  streichenden  Antiklinalen,  die  im 
südlichen  Teile  im  Djebel  Chambi  mit  1590  m  ihre  größte  Höhe 
erreichen.  Als  Kernpunkt  des  zentralen  Massivs  ist  jedoch  die 
fast  8  km  lange  und  3— 5  km  breite  Tafel  von  Kessera  und  der 
häufig  zerschnittene  Gebirgskomplex  von  Mactar  und  Souk-el- 
Djemaä  aufzufassen.  Die  inneren  Teile  Zentral-Tunesiens  sind 
ganz  vorwiegend  die  Gebiete  der  Tafelberge.  Sie  treten  hier  in 
ihrer  reinsten  Form  auf  und  führen  den  Namen:  Kalaat.  Wie 
schon  erwähnt,  biegen  nach  Osten  hin  die  Falten  mehr  nach 
nördlicher  Richtung  um  und  haben  im  Djebel  Si  bou  Gobrine 
und  im  Djebel  Nasser  Allah  direkt  südnördliche  Richtung. 
Die  äußersten  Ausläufer  nach  Osten  zu  münden  am  Golf 
von  Tunis,  im  Djebel  Bou  Koumine  bei  Hammam  Lif.  Ihre 
letzte  große  Erhebung  erreichen  die  Züge  noch  einmal 
im  Djebel  Zaghouan  (1295  m).  Wenn  dieser  auch  nicht 
der  höchste  Gipfel  Tunesiens  ist,  so  ist  doch  seine  Erhebung 
über  die  ihn  umgebende  Ebene  die  bedeutendste.  Die  an 
seinem  Fuße  gelegene  Stadt  Zaghouan  hat  nui*  eine  Höhe 
von  150  m. 

Zwischen  diesen  zum  größten  Teile  wenig  bewaldeten  und 
daher  einer  starken  Denudation  ausgesetzten  Gebirgszügen 
dehnen  sich  weite  Täler  aus.  Zwischen  der  nördlichen  Küsten- 
kette und  dem  Hochplateau  fließt  der  Medjerdah  in  einem 
breiten  Tale.  Er  nimmt  die  Gewässer  der  nördlichen  Abdachung 
auf  und  führt  sie  zum  Golf  von  Tunis.  Im  Süden  der  tunesischen 
Gebirge  vereinigen  sich  die  Gewässer  im  Zeroud,  der  in  den 
Golf  von  Hammamet  mündet. 


r-.       14       - 

Längs  d^r  ganzen  Erstreckung  des  Ostabfalles  des  tunesi- 
schen Berglaodes  zieht  sich  zwischen  dem  Meer  und  dem  Ge- 
birge mit  wechselnder  Breite  ein  Tieflandgebiet  hin.  Man  kann 
es  jedoch  nicht  als  eine  gleichförmige  Ebepe  bezeichnen^  son- 
dern es  handelt  sich  hier  um  eine  ganze  Reihe  muldenförmiger 
flacher  Senken.  Sie  sind  durch  westöstlich  streichende  niedrige 
Höhenzüge  kammerartig  abgeteilt,  und  in  ihnen  sammeln  sich  die 
von  dem  O^tabhange  strömenden  Gewässer  in  kleinen  Seen  an. 

LIteratar« 

Nachschrift  einer  Vorlesimg  des  Herrn  Geh.  Beg.-Bates  Prof.  Dr.  Th.  Fischer 
,Länderkande  von  Afrika'.   Marburg  W.-S.  1904/05. 

Tb.  Fischer:  ,Zar  Klimatologie  von  Marokko.    2.  Bodenplastische  Skisse". 
Zeitschr.  d.  Ges.  f.  Erdk.   Berlin  1900. 

Schnell:  «Das  Marokkanische  Atlasgebirge*.  Pet.  Mitt.  Ergagshft.  Nr.  103. 
1892. 

Bernard,  Aogostin,    and   ^niile  Ficheur:    ,Les  i^gions  naturelles" de 
rAlg^rie".    Annales  de  Geographie  1902.  XI. 

Pervinqaidre,  L. :  ,£tnde  g^ologique  de  la  Tunisie*.   Paris  1903. 

4 

Laftdrack  und  WindTerhSltnlsse. 

:  Eine  genaue  kartographische  Darstellung  der  Luftdruck- 
Verhältnisse  des  Gebietes  der  Atlasländer  existiert  heutzutage 
uoch  nicht,  und  man  kann  auch  sage;),  daß  eine  solche  mit 
dem  bis  jetzt  vorliegenden  Beobachtungsmaterial  noch  unmöglic|i 
ist.  In  Algerien  und  Tunesien  werden  ja  allei'dings  schon  seit 
einigen  Jahrzehnten  Beobachtungen  angestellt,  aber  es  ist  leider 
ein  großer  Mangel  der  französischen  Stationen,  daß  an  ihnen 
Jiäuflg  nur  ganz  kurze  Zeit  oder  mit  häufigen  mehr  oder  minder 
langen  Unterbrechungen  beobachtet  wird.  Es  sind  nur  ganz 
wenige  Stationen,  die  eine  ununterbrochene  und  homogene 
'Beobachtungsreihe  aufweisen  und  die  so  als  Vergleichsstationen 
zur  Reduktion  der  Übrigen  Reihen  auf  eine  längere  Periode 
dienen  könnten,  doch  sie  liegen  über  das  ganze  Gebiet  so  un- 
gleichmäßig verteilt,  daß  es  für  größere  Teile,  überhaupt  an 
einer  geeigneten  Vergleichsstation  fehlt,  ganz  abgesehen  davon, 
daß  es  gerade  fär  die  bis  jetzt  vorliegenden  Beobachtungen 
durchaus  notwendig  erscheint,  daß  9ie  einer  genauen  Prüfung 
und  Reduktion  nach  mehreren  Stationen  unterzogen  würden. 


—    16    — 

FQr  den  ganzen  Westen,  ftlr  Marokko,  liegt  augenblicklich 
noch  sozusagen  gar  kein  geeignetes  Material  vor,  wenigstens 
kommt  das  bis  jetzt  vorliegende  zum  Zeichnen  von  Isobaren- 
karten noch  kaum  in  Betracht.  Die  einzigen  vollständigen 
Reiben  sind  die  der  Lloydstation  am  Kap  Sparte!,  die  mit 
Oktober  1894  beginnt  (leider  sind  es  nur  2  mal  tägliche  Be- 
obachtungen, 9  a.  und  9  p.),  und  von  Mogador  mit  April  1894 
beginnend.  Was  an  älteren  Beobachtungen  vorliegt,  besteht 
meist  aus  ganz  kurzen  Reihen,  die  zudem  auch  noch  wenig 
Anspruch  auf  Zuverlässigkeit  machen  können.  Die  neueren 
Beobachtungen,  die  im  Auftrage  der  Deutschen  Seewarte  in 
Saffi  und  Casablanca  ansgeftkhrt  werden,  umfassen  erst  ganz 
wenige  Jahre.  Zu  der  geringen  Anzahl  der  Stationen  kommt  nun 
noch  weiter  hinzu,  daß  ihre  Verteilung  vollkommen  ungenfigend 
ist;  außer  Marrakesch,  wo  seit  Juli  1902  beobachtet  wird, 
werden  Beobachtungen  nur  in  Efistenplätzen  angestellt.  Von 
einem  über  das  ganze  Land  verteilten  Beobachtungsnetz  ist 
man  also  noch  weit  entfernt. 

In  dem  1904  zu  Kopenhagen  erschienenen  Atlas  der  Ver- 
teilung des  Luftdruckes  über  Europa  von  Rung  sind  auch  die 
wenigen  längeren  Reihen  von  Algerien  und  Tunesien  mit  ver- 
wandt worden,  um  die  Isebaren  nach  Nordafrika  hinein  verlängern 
zu  können,  und  auf  diese  Quelle  sttttzt  sich  auch  folgende  Dar- 
stellung, die  natürlich  nach  dem  oben  angeführten  nur  einen  ganz 
bedingten  Wert  haben  kann.  *    '''*■ 

'  Als  Teil  des  westlichen  Mittelmeergebietes  werden  die 
Atlasländer  in  ihren  Luftdruck  und  Windverhältnissen  ganz  von 
der  Lage  des  sogenannten  subtropischen  Maximums  an  der 
Ostseite  des  Atlantischen  Ozeans  beherrscht.  Der  Kern  desselben 
liegt  bekanntlich  im  Januar  zwischen  dem  20  und  80®  nördl. 
Br.  südwestlich  von  den  Canarischen  Inseln,  und  eine  Zunge 
hohen  Luftdruckes  erstreckt  sich  nach  Nordosten  über  das  gante 
Atlasgebiet  hinaus.  Im  Juli  dagegen  hat  sich  der  Gürtel  .^es 
hohen  Luftdruckes  dem  scheinbaren  Laufe  der  Sonne  folgend 
um  ungefähr  10®  nach  Norden  verschoben,  die  Atlasländer 
liegen  mitbin  jetzt  südlich  des  Gürtel  hohen  Luftdruckes.  Neben 
dieser  Lage  zum  subtropischen  Maximum  spielt  besonders  für 
den  östlichen  Teil  noch  seine  Lage  zum  Mittelmeer  und  den 
sich  über  diesem  bildenden  Depressionen  eine  große  Rolle« 


—    16    — 

Wie  schon  erwähnt,  sendet  das  subtropische  Maximum  im 
Januar  einen  Ausläufer  in  der  Isobare  von  764  mm  nach 
Nordosten.  Diese  Isobare  umschließt  die  ganze  iberische  Halb- 
insel, von  dort  verläuft  sie  das  tyrrhenische  Meer  umschließend 
und  der  KQste  von  Algerien  und  Tunesien  folgend,  bis  in  die 
Oegend  von  Tripolis,  wo  sie  auf  das  afrikanische  Festland 
fibertritt  und  nun  in  sfidwestlicher  Richtung  die  Sahara  durch- 
schneidet. Von  den  Küsten  steigt  der  Luftdruck  nach  dem 
Innern  zu  bis  Ober  766  mm,  und  man  ist  vielleicht  zu  dem 
Schluß  berechtigt,  daß  sich  fiber  dem  Atlasgebiet  innerhalb  der 
Isobare  von  764  mm  ein  ffir  sich  abgeschlossenes  Luftdruck- 
mazimum  bildet,  ähnlich  dem,  das  ttber  der  iberischen  Halb- 
insel lagert.  Der  Verlauf  der  Isobaren  dttrfte  hierbei  im  großen 
und  ganzen  der  Kfiste  parallel  sein.  Über  den  Inseln  Korsika 
und  Sardinien  liegt  ein  Minimum,  dessen  Kern  einen  Luftdruck 
von  weniger  als  762  mm  aufweist.  Dieses  Qebiet  geringeren 
Luftdruckes  ist  anscheinend  auch  ffir  die  Windverteilung  fiber 
den  östlichen  Atlasländern  ausschlaggebend,  während  die  Wirkung 
der  Luftdruckabnahme  nach  der  Sahara  hin  durch  die  hohen  Ge- 
birgszfige  sehr  abgeschwächt  wird.  Nordwest-,  Wiest-  und 
Sfidwest- Winde  sind  Aber  dem  größten  Teile  vorherrschend, 
hervorgerufen  durch  die  das  Mittelmeer  häufig  durchquerenden 
Teildepressionen.  In  Marokko  werden  dagegen  die  Wind- 
verhältnisse durch  die  Lage  zum  Gebiete  des  hohen  Luftdruckes 
bestimmt.    Es  wehen  vorwiegend  Nordost-  und  Ost-Winde. 

In  den  folgenden  Monaten  findet  ein  Sinken  des  Luft- 
druckes aber  dem  ganzen  Gebiet  statt.  Im  April  verlaufen  die 
Isobaren  ähnlich  wie  im  Januar  nur  mit  dem  Unterschiede,  daß 
fiberall  der  Luftdruck  um  ungefähr  4  mm  gesunken  ist,  d.  h., 
daß  sich  die  Zunge  des  subtropischen  Maximums  jetzt  vollständig 
zurfickgezogen  hat.  Während  im  Mai  der  Luftdruck  wieder 
etwas  zunimmt,  ändert  sich  im  Juni  die  Verteilung  von  hohem 
und  niederem  Luftdruck  fiber  dem  Lande  und  dem  Meere  sehr 
wesentlich.  Im  Mai  bestand  noch  ein  Gradient  vom  Lande  zum 
Meere.  Im  Juli  ist  die  Verteilung  entgegengesetzt.  Obgleich 
der  Luftdruck  fiber  dem  Lande  im  wesentlichen  derselbe  ge- 
blieben ist,  ist  er  fiber  dem  Meere,  sowohl  fiber  dem  Mittelmeer 
als  auch  fiber  dem  Atlantischen  Ozean,  bedeutend  gestiegen,  es 
besteht  somit  ein  Gefälle  vom  Meere  zum  Lande.    Dies  ist  die 


-    17    — 

Zeit,  in  der  das  subtropische  Maximum  seine  nördlichste  Lage 
erreicht  hat,  was  den  hohen  Luftdruck  im  Norden  der  Atlas- 
länder bedingt.  Diese  Luftdruckverteilung  ruft  natürlich  häufige 
Winde  aus  nördlichen  Richtungen  hervor,  die  in  Marokko  einen 
passatähnlichen  Charakter  annehmen.  Mit  dem  Vorrücken  nach 
Süden  wird  dieser  NE.  Passat  immer  ausgesprochener.  Im 
Süden  des  Atlasgebietes  macht  sich  die  starke  Erwärmung  der 
Sahara  durch  ein  Gebiet  niederen  Luftdruckes  bemerkbar,  das 
im  Juli  bis  zu  30^  u.  Br.  vorgerückt  ist,  um  sich  dann  aber 
wieder  zu  verflachen,  bis  es  im  Oktober  wieder  vollständig 
verschwunden  ist.  Der  Luftdruck  nimmt  in  diesem  Monat 
langsam  von  Westen  nach  Osten  hin  ab.  Das  Minimum  über 
dem  Mittelroeere  hat  sich  wieder  ausgebildet.  Im  November 
findet  ein  allgemeines  Steigen  des  Luftdruckes  statt,  das  sich 
im  Dezember  noch  fortsetzt  und  so  wieder  die  schon  beschriebene 
Luftdruckverteilung  des  Januar  herbeiführt.  Das  subtropische 
Maximum  ist  jetzt  wieder  nach  Süden  gewandert  und  greift 
zuugenförmig  über  das  Atlasgebiet  hinaus. 

Unterzieht  man  nun  die  Windbeobachtungen,  wie  sie  an 
den  einzelnen  Stationen  angestellt  worden  sind,  einer  genaueren 
Betrachtung,  so  muß  man  von  vornherein  bemerken,  daß  nur 
bei  wenigen  Stationen  die  soeben  beschriebene  mittlere  Luft- 
druckverteilung in  den  Winden  ihren  Ausdruck  finden  wird. 
Es  hat  dies  seinen  Grund  erstens  in  der  Lage  der  Stationen, 
die  natürlich  in  einem  solchen  Terrain  mit  großem  Wechsel 
von  Hoch  und  Tief,  wie  es  die  Atlasländer  darstellen,  ganz 
besonders  wichtig  ist.  In  einem  Gebirgslande  sind  eigentlich 
nur  die  Gipfelstationen  zu  Windbeobachtungen  geeignet,  sie 
allein  geben  den  Verlauf  der  atmosphärischen  Strömungen 
rein  wieder,  während  an  den  tiefergelegenen  Stationen  meist 
nur  solche  Winde  beobachtet  werden,  die  schon  vorher  von 
ihrer  ursprünglichen  Richtung  durch  den  Verlauf  der  Gebirgs- 
züge abgelenkt  worden  sind.  Für  diesen  Einfluß  der  topo- 
graphischen Verhältnisse  des  Landes  auf  die  Windrichtung 
seien  hier  nur  wenige  Beispiele  herausgegriffen.  Die  Beob- 
achtungen auf  Kap  Sparte!  müssen  naturgemäß  ganz  besonders 
von  der  schmalen  Meerenge  beeinflußt  sein.  Durch  alle  Jahres- 
zeiten hindurch  ist  E.  der  bei  weitem  häufigste  Wind,  er  umfaßt 
meist  nahezu  30 ^/o,  im  Sommer  sogar  38®/o  aller  Windrichtungen. 

2 


—    18    — 

Zur  vollen  Entwicklung  kommt  daneben  nur  der  über  den 
Ozean  herwehende  SW.-  und  einigermaßen  auch  der  W.-Wind 
Alle  übrigen  Windrichtungen  sind  mehr  oder  weniger  selten, 
da  sie  durch  die  im  Norden  und  Süden  anlagernden  hohen 
Landmassen  in  ihrer  Entwicklung  gehindert  werden.  Ähnliche 
Verhältnisse  weisen  die  in  dem  mit  der  Straße  von  Gibraltar 
parallel  verlaufenden  großen  Längstale  zwischen  der  Küsten- 
kette und  dem  eigentlichen  Tell-Ätlas  liegenden  Stationen  auf. 
So  werden  an  der  Station  Orleansville  durch  alle  Jahreszeiten 
hindurch  vorwiegend  W.-Winde  beobachtet,  am  häufigsten  nach 
ihnen  sind  die  E.-Winde,  während  die  übrigen  Windrichtungen, 
besonders  die  direkten  N.-  und  S. -Winde  fast  gar  nicht  vor- 
kommen. Daß  in  jeder  Jahreszeit  durchschnittlich  an  60  ^/o 
Calmen  notiert  werden,  dürfte  auch  bei  der  eingeschlossenen 
Lage  der  Station  nicht  wundernehmen.  Nahezu  ebensooft 
werden  in  Gonstantine  Windstillen  beobachtet. 

Noch  wesentlicher  als  der  soeben  betrachtete  Einfluß  der 
topographischen  Verhältnisse  auf  die  mittlere  Windrichtung 
eines  Ortes  ist  ferner  der  Umstand,  daß  in  Wirklichkeit  sehr 
selten  der  mittlere  Zustand  der  Luftdruckverteilung  erreicht 
wird,  und  gerade  hier  im  Mittelmeergebiet  ist  dies  zu  beachten. 
Im  Winter  ist  das  Mittelmeer  bedeutend  wärmer  als  seine 
Umgebung,  was  zur  Bildung  von  Teildepressionen  Veranlassung 
gibt,  die  im  Mittel  3-4  monatlich  sich  im  westlichen  Mittel- 
meer bilden  und  es  meist  in  seiner  ganzen  Länge  durchziehen. 
Im  Winter  kann  es  sogar  vorkommen,  daß  3  Teilminima  zu 
gleicher  Zeit  das  Mittelmeer  oder  die  im  Norden  in  dasselbe 
hineinragenden  Halbinseln  durchqueren.  Die  Teilminima  bilden 
sich  besonders  oft  an  der  spanischen  und  an  der  marokkanischen 
Küste.  Die  letztgenannten  Depressionen,  die  uns  natürlich  am 
meisten  interessieren  müssen,  ziehen  gewöhnlich  nach  ENE.  den 
Atlas  entlang  oder  nach  NNE.  über  Korsika  und  Sardinien 
hinweg.^)  Die  Schnelligkeit,  mit  welcher  diese  Depressionen  ihren 
Weg  an  der  afrikanischen  Küste  zurücklegen,  ist  eine  je  nach 
der  Jahreszeit  wesentlich  verschiedene.  Es  liegt  dies  in  dem 
Gegensatze  der  Erwärmung  von  Land  und  Meer  begründet. 
Im  Sommer  empfangen   die  Minima  im  Osten,  also  auf  ihrer 

*)  Jedina,  die  Teildepressionen  des  Mittelmeeres  und  die  Borastttrme 
Triests.  Metr.  Zeitschr.  1892, 


—     19     — 

Stirnseite,  die  stark  erwärmte  Luft,  die  von  den  Hochplateaus 
und  aus  der  Sahara  zuströmt,  während  auf  ihrer  Westseite 
nördliche  Winde  wehen,  die  kältere  und  feuchtere  Luft  herbei- 
führen. Durch  die  warmen  Winde  auf  der  Ostseite  wird  hier 
eine  fortwährende  Luftverdünnung  hervorgerufen,  und  dies 
bewirkt,  daß  die  Depression  sich  schnell  nach  dieser  Seite  hin 
weiter  bewegt.  Im  Winter  wehen  dagegen  auf  der  Vorderseite 
Winde,  die  von  den  nunmehr  erkalteten  Hochflächen  herab- 
kommen. Daher  kommt  es  in  dieser  Zeit  häufig  vor,  daß  die 
Minima  mehrere  Tage  lang  an  derselben  Stelle  verweilen  oder 
doch  wenigstens  nur  ganz  langsam  nach  Osten  weiterziehen.^) 

Unter  diesen  Verhältnissen  ist  es  natürlich  erklärlich, 
daß  besonders  an  der  Mittelmeerküste  es  nicht  zur  Entwicklung 
einer  einheitlichen  Windrichtung  kommt,  da  bei  dem  Vorbeizuge 
einer  Depression  nördlich  der  Küste  der  Wind  auch  sämtliche 
Richtungen  von  S.  über  W.  nach  N.  durchläuft.  Nur  im  Osten 
der  Atlasländer,  in  Tunesien  machen  sich  hierbei  die  nördlichen 
Windrichtungen  und  von  ihnen  besonders  die  NW.-Winde  ganz 
besonders  bemerkbar.  Sie  haben  hier  das  ganze  Jahr  hindurch 
die  Vorherrschaft.  Je  weiter  nach  Westen,  um  so  mehr  treten 
noch  südliche  Winde  hinzu,  die  in  T6n6s,  Oran,  Kap  Falcon 
besonders  im  Winter  häufig  sind.  Doch  diese  Zunahme  der 
südlichen  Winde  findet  auch  ihre  Grenze.  Auf  Kap  Spartel 
treten  sie  immerhin  noch  in  einem  ziemlich  starken  Prozent- 
satze auf,  aber  an  den  übrigen  marokkanischen  Stationen, 
sowohl  an  den  Küstenstationen  als  auch  in  Marrakesch,  gehören 
sie  zu  den  am  seltensten  beobachteten  Windrichtungen.  Der 
Einfluß  des  Mittelmeeres  und  seiner  Depressionen  findet  also 
südlich  von  Tanger  seine  Grenze,  das  übrige  Marokko  steht 
in  seinem  Windsystem  ganz  im  Bereiche  des  höheren  Luft- 
druckes, der  sich  nordwärts  von  ihm  befindet. 

Durch  eine  der  neuesten  Untersuchungen  der  deutschen 
Seewarte  *)  sind  wir  glücklicherweise  mit  dem  Verlauf  der  Luft- 
strömungen auf  dem  Mittelmeere  selbst  vertraut  geworden.  Die 
Kenntnis  dieser  Luftströmungen  ist  gerade  für  vorliegende  Zwecke 

^)  Tb^venet,  Essai  de  climatologie  alg6rienne.    S.  102. 

')  Wind,  Strom,  Luft-  ond  Wassertemperatar  auf  den  wichtigsten 
Dampierwegen  des  Mittelmeeres.  Nach  den  Beobachtungen  deutscher  Dampfer 
bearbeitet  von  der  Deutschen  Seewarte.    190ö. 

2* 


—    20    — 

von  großer  BedeutuDg,  da  die  Regenverh&ltnisse  des  größten 
Teiles  der  Atlasländer  gerade  durch  sie  bestimmt  werden.  Es 
handelt  sich  hierbei  um  eine  Verarbeitung  des  Materiales,  wie 
es  in  den  Schiffstagebüchern  aufgespeichert  ist.  Da  gerade  zwei 
wichtige  Schiff ahrtswege,  nämlich  Gibraltar-Neapel  und  Gibraltar- 
Port-Said  vor  der  algerischen  Küste  ihren  Verlauf  nehmen,  der 
westlichste  Teil  naturgemäß  von  allen  Dampfern  durchfahren 
werden  muß,  so  stützen  sich  die  Ergebnisse,  die  man  für  diesen 
Teil  des  Mittelmeeres  gefunden  hat,  auf  ein  verhältnismäßig 
reiches  Material.  Bei  der  Bearbeitung  des  Beobachtungsstoffes 
ist  man  nun  in  der  Weise  vorgegangen,  daß  man  sämtliche 
Beobachtungen,  die  in  einem  Gradfelde,  das  sich  über  zwei 
Breitengrade  und  fünf  Längengrade  erstreckt,  zusammengefaßt 
und  in  einem  Windstern  graphisch  aufgezeichnet  hat.  Von 
diesen  Windsternen  kommen  für  unser  Gebiet  folgende  vier  in 
Betracht:  1.  der  westliche  Teil  des  Mittelmeeres  Se^'— 38^  N., 
5o_o«  W.;  2.  Küste  von  Algerien  36«— 38<>  N.,  0^—5»  E., 
3.  Zwischen  Sardinien  und  der  Küste  von  Algerien  36® — 40®  N., 
5®— 10®E.;  4.  Zwischen  Sizilien  und  Tunis  36®— 38®  N.,  10®- 15®  E. 
Da  die  Seeleute  nach  der  16  teiligen  Windi*ose  beobachten  und 
diese  Einteilung  auch  in  der  Arbeit  der  Seewaite  beibehalten 
ist,  schien  es  notwendig,  diese  Beobachtungen  auf  die  8-Strich- 
Windrose  zu  reduzieren,  um  sie  mit  den  Beobachtungen  der 
Landstationen  direkt  vergleichbar  zu  machen.  Die  Umrechnung 
geschah  nach  der  fast  allgemein  üblichen  Methode: 

Tj     AI'       MI    NNW.-f-NNE. 
z.  B. :  N'  =  N  -f-    -         ' 

Der  westliche  Teil  des  Mittelmeeres  weist  natürlich  ganz 
ähnliche  Verhältnisse  auf,  wie  wir  sie  schon  am  Kap  Spartel 
angetroffen  haben.  Östliche  und  westliche  Winde  streiten  das 
ganze  Jahr  hindurch  um  die  Vorherrschaft.  Nur  der  Juli  weist 
NE.  mit  17,7  ®/o  als  häufigsten  Wind  auf,  aber  es  ist  zu  be- 
denken, daß  längere  Beobachtungsreihen  die  Zahlen  leicht  um- 
ändern können.  Die  Häufigkeit  von  E.  und  W.  spricht  sich 
jetzt  aber  auch  schon  darin  aus,  daß  ersterer  mit  14,1  und 
letzterer  mit  15,5  ®/o  auftritt.  NE.  und  SW.  weisen  dann  die 
nächst  größten  Häufigkeitsziffem  auf.  E.-  und  W.-Winde  spielen 
auch  noch  weiter  nach  Osten  hin  eine  große  Rolle.  In  den 
Gewässern  vor  der  algerischen  Küste  weht  vom  Oktober  bis 


—    21    — 

zum  März  vorwiegend  W.-Wind,  vom  Mai  bis  September  vor- 
wiegend E.-Wind,  daneben  wie  im  Westen  häufige  NE.-  und  SW.- 
Winde  und  auch  schon  NW.-Winde.  Je  weiter  man  nun  nach 
Osten  fortschreitet,  um  so  mehr  machen  sich  auch  NW.-Winde 
bemerkbar,  was  ja  auch  die  Beobachtungen  der  Landstationen 
feststellten.  Zwischen  Sardinien  und  der  algerischen  Ettste 
herrschen  sie  in  allen  Wintermonaten  bei  weitem  vor,  zwischen 
Sizilien  und  Tunis  erreichen  sie  sogar  in  allen  Monaten  außer 
August  die  größte  Häufigkeit.  Der  Monat  August  weist  23,8^0 
SE.  und  21,5  ®/o  NW.  auf.  Der  NW.  wird  also  in  seiner  Häufig- 
keit auch  hier  so  wenig  übertroffen,  daß  man  wohl  annehmen 
kann,  daß  spätere  Untersuchungen  seine  Vorherrschaft  auch  in 
diesem  Monat  erweisen  können. 

In  seiner  Darstellung  des  Klimas  von  Algerien  betrachtet 
Th^venet  das  Verhalten  der  meteorologischen  Elemente  bei  dem 
Vorbeizuge  einer  Depression  längs  der  algerischen  Küste.  *) 
Die  Fälle,  die  für  die  Regenverteilung  charakteristisch  sind, 
seien  auch  hier  kurz  angeführt  und  beschrieben.  Am  24.  Februar 
1890  erscheint  eine  Depression  vor  der  Meerenge  von  Gibraltar, 
in  Algerien  wehen  Südwinde  und  erhöhen  die  Temperatur.  Am 
folgenden  Tage  ist  die  Depression  weiter  nach  Osten  vorgerückt, 
ihr  Kern  liegt  ungefähr  über  Nemours.  Da  die  Südwinde  noch 
andauern,  kommt  es  im  östlichen  Gebiet  noch  nicht  zur  Regen- 
bildung, nur  Nemours  mißt  4  mm.  Mit  größter  Wahrscheinlich- 
keit darf  hier  aber  nun  angenommen  werden,  daß  westlich  von 
Nemours,  also  auf  marokkanischem  Gebiete,  die  dort  auf  der 
Rückseite  der  Depression  herrschenden  Nord-  und  Nordwest- 
winde Regen  herbeiführen;  leider  liegen  hierüber  keine  gleich- 
zeitigen Beobachtungen  vor.  Am  26.  liegt  die  Depression  über 
dem  Golf  von  Bona.  Der  Wind  ist  nach  West  gedreht,  die 
Regenzone  ist  weiter  nach  Osten  fortgeschritten,  sie  dehnt  sich 
nunmehr  über  ganz  Algerien  aus.  Am  27.  befindet  sich  die 
Depression  an  der  tunesischen  Küste.  Es  regnet  immer  noch 
über  dem  ganzen  Gebiete  und  zwar  mit  größerer  Heftigkeit 
als  am  vorhergehenden  Tage.  Als  Beispiel  einer  Depression, 
die  vom  Nordwesten  Frankreichs  aus  über  den  Golf  von  Genua 
nach  SE.  hin  wegzieht,  wird  die  vom  12.  Januar  1899  angeführt. 


')  Th^venet,  Essai  de  cUmatologie  alg^rienne.     S.  105  o.  S. 


—    22    — 

An  diesem  Tage  fiudet  man  das  Zentrum  der  Depression  im 
nordwestlichen  Frankreich  liegen,  sie  rfickt  schnell  nach  Süd- 
Osten  vor  und  liegt  am  folgenden  Morgen  Über  dem  Golf  von 
Genua;  in  Algerien  ist  allgemeiner  Regenfall  eingetreten.  Am 
14.  hat  sich  die  Depression  weiter  ausgedehnt,  indem  sie  noch 
ein  wenig  nach  SE.  vorgerückt  ist.  Der  Regen  fällt  in  gi-oßen 
Mengen,  in  den  höher  gelegenen  Stationen  in  Form  von  Schnee. 
Die  Niederschläge  halten  auch  noch  während  des  folgenden 
Tages  an,  da  die  Luftdruckverteilung  mit  nur  einer  geringen 
Verflachung  der  Depression  dieselbe  geblieben  ist. 

Ganz  neuerdings  besitzen  wir  von  demselben  Verfasser 
eine  allgemeine  Untersuchung  über  die  Vorhersage  des  Wetters 
in  Algerien,^)  oder  vielmehr  genauer  gesagt,  für  zwei  bestimmte 
Witterungstypen,  nämlich  Regenwetter  an  mehreren  aufeinander- 
folgenden Tagen  und  mindestens  fünf  Tage  lang  anhaltendes 
trockenes  Wetter.  Die  Untersuchung  erstreckt  sich  hierbei 
nur  auf  die  Wintermonate.  Für  alle  die  diesen  Perioden  vor- 
hergehenden Tage  wurden  nunmehr  die  Luftdruckwerte  nicht 
nur  der  meteorologischen  Stationen  von  Algerien  und  Tunesien, 
sondern  auch  der  des  Mittelmeeres  und  des  größten  Teiles  des 
übrigen  Europas  gesammelt,  zu  Mittelwerten  vereinigt,  und  so 
die  typische  Luftdruckverteilung  für  eine  herannahende  Regen- 
periode oder  Trockenzeit  dargestellt.  Diese  Bearbeitung  wurde 
zuerst  getrennt  für  die  drei  Wintermonate  Dezember,  Januar 
und  Februar  durchgeführt,  doch  konnten  schließlich  diese  drei 
Karten  ihrer  großen  Ähnlichkeit  wegen  zu  einer  einzigen  ver- 
einigt werden. 

Die  für  herannahendes  Regenwetter  typische  Karte  der 
Luftdruckverteilung  zeigt  eine  Depression  mit  einem  Kern,  der 
unter  759  mm  herabgeht,  über  dem  westlichen  Mittelmeerbecken, 
ein  Hochdruckgebiet  über  Osteuropa,  ein  nur  wenig  geringeres 
zweites  Hochdruckgebiet  über  dem  Atlantischen  Ozean  und 
schließlich  ein  Gebiet  mittleren  Luftdruckes,  das  sich  zwischen 
den  beiden  Maxima  vom  Mittelmeer  nach  der  Nordsee  hinzieht, 
wo  der  Luftdruck  immer  mehr  abnimmt.  Die  meisten  Mittel- 
meerdepressionen kommen  vom  Atlantischen  Ozean  her,  doch 
können  sie  an  sehr  verschiedenen  Stellen  auf  den  europäischen 


')  Th^venet.  Rteherches  aar  1a  prtvision  du  Temps  en  Algfrie.  Algier,  1905. 


—    23    — 

Kontinent  übertreten.  Das  Studium  einer  sehr  großen  Anzahl 
von  Wetterwarten  hat  nun  ergeben,  daß  die  Wahrscheinlichkeit 
des  Übertritts  einer  gut  ausgeprägten  Depression  auf  das  Mittel- 
meer von  dem  Orte  ihres  ersten  Auftretens  an  der  europäischen 
Küste  abhängt.  Erscheint  die  Depression  bei  Gibraltar,  so  be- 
trägt die  Wahrscheinlichkeit  72,  bei  Spanien  92,  bei  Frankreich 
59,  bei  England  37,  bei  Norwegen  33  und  bei  Nordrußland 
14°/o.  Liegt  aber  gleichzeitig  noch  eine  Anticyclone  über  Ost- 
europa, so  steigert  sich  die  Wahrscheinlichkeit,  daß  eine  bei 
Gibraltar  und  Spanien  auftretende  Depression  auf  das  Mittel- 
meer übertreten  wird,  fast  bis  zur  Gewißheit.  Für  die  Bahnen 
über  Frankreich,  England  und  Norwegen  steigt  die  Wahrschein- 
lichkeit ebenfalls,  während  sie  für  Nordrußland  vollkommen 
Null  wird.  Die  Gegenwart  der  Anticyclone  im  Osten  bewirkt 
also,  daß  die  Depressionen  stärker  als  sonst  zum  Mittelmeer 
hingezogen  werden.  Mit  großer  Wahrscheinlichkeit  vermag  man 
demnach  beim  Erscheinen  einer  Depression  über  Gibraltar, 
Spanien  oder  Frankreich  in  Verbindung  mit  dem  hohen  Drucke 
über  Osteuropa  eine  Reihe  von  Regentagen  vorherzusagen.  Die 
dritte  Bedingung  der  Typenkarte,  das  Maximum  im  Westen, 
zeigt  nur  an,  daß  die  allgemeinen  Regenfälle  erst  dann  wahr- 
scheinlich werden,  nachdem  die  Depressionen  nach  Westen  hin 
durch  einen  Wall  hohen  Druckes  abgeschlossen  sind.  Ist  dieser 
Wall  noch  nicht  vollständig  entwickelt,  so  wird  der  Eintritt 
der  Regen  sich  noch  um  einige  Tage  verzögern.  Das  Gebiet 
mittleren  Luftdruckes  zwischen  Mittelmeer  und  Nordsee  erklärt 
sich  nur  dadurch,  daß  zahlreiche  Depressionen  durch  diesen 
Teil  von  Europa  nach  dem  Mittelmeer  hinziehen. 

Steht  jedoch  eine  mindestens  5  Tage  andauernde  Trocken- 
zeit bevor,  so  befindet  sich  unser  Gebiet  im  Bereiche  hohen 
Luftdruckes  von  etwa  770  mm,  und  dieser  nimmt  von  Süden 
nach  Norden  ab.  Die  Isobaren  zeigen  eine  konvexe  Form, 
und  zwar  ist  die  konvexe  Seite  nach  Norden  nach  dem  niederen 
Luftdruck  zu  gerichtet,  der  im  Norden  von  Europa  auf  747  mm 
herabsinkt.  Von  der  Isobare  760  mm  an,  die  südlich  von  Irland 
nach  Nordnordwesten  bis  nach  Moskau  verläuft,  ändert  sich 
die  Form  der  Isobaren,  sie  kehren  nunmehr  ihre  konvexe  Seite 
nach  Südep.  Die  Bedingung  für  trockenes  Wetter  scheint  also 
offenbar  darin  zu  bestehen,  daß  die  Bahnen  der  Depressionen 


—    24    — 

einen  mehr  nördlichen  Verlauf  nehmen,  ohne  das  Mittehneer  zu 
berühren. 

Betrachten  wir  nun  noch  kurz  die  Winde  nach  ihrer 
Fähigkeit,  dem  Lande  Regen  zuzuführen.  Für  unsere  Breiten 
kommen  als  Regenbringer  hauptsächlich  die  Westwinde  in  Be- 
tracht. Sie  frischej)  die  Atmosphäre  auf  und  bringen  genügenden 
Wasserdampf  mit  sich,  der  durch  das  Dasein  zahlreicher  Er- 
hebungen mit  der  aufsteigenden  Luftbewegung  zur  Verdichtung 
und  zur  Ausscheidung  von  Regen  gebracht  wird.  Anders  liegen 
die  Verhältnisse  in  den  Atlasländern.  Den  wohltätigen  Einfluß, 
den  die  Westwinde  in  Europa  ausüben,  können  sie  hier  nur 
auf  einem  ganz  beschränkten  Gebiete  geltend  machen.  Ihr 
Wasserdampfgehalt  kommt  nur  dem  westlichen  Teil,  also  Marokko, 
zugute.  Die  gewaltige  Erhebung  des  marokkanischen  Atlas- 
gebirges bewirkt  nahe  an  der  Küste  schon  einen  aufsteigenden 
Luftstrom,  wobei  der  größte  Teil  des  Wasserdampfes  ausge- 
schieden wird.  Das  übrige  Atlasgebiet  liegt  für  die  Westwinde 
im  Regenschatten  des  marokkanischen  Atlas.  Weiter  nach 
Osten  vermag  sich  immerhin  der  Einfluß  der  Südwestwinde  zu  er- 
strecken, da  ihre  Richtung  mit  dem  Streichen  des  marokkanischen 
Atlas  übereinstimmt.  Sie  vermögen  noch  im  westlichen  Algerien 
Regen  herbeizuführen.  Für  das  übrige  Algerien  und  für  Tunesien 
sind  aber  die  Winde  aus  nördlichen  Richtungen  die  Hauptregen- 
bringer.  Sie  streichen  über  das  Mittelmeer  hinweg  und  haben 
so  Gelegenheit  Wasserdampf  aufzunehmen.  Zieht  man  hierbei 
in  Betracht,  daß  die  Wassertemperatur  des  Mittelmeeres  eine 
ganz  besonders  hohe  ist  und  man  hier  eine  jährliche  Verdunstung 
bis  zu  3  m  und  mehr  annehmen  kann,  so  wird  man  wohl  auf 
einen  hohen  Wasserdampfgehalt  dieser  vom  Meere  herwehenden 
Winde  schließen  können.  Andrerseits  werden  wir  später  aber 
auch  sehen,  daß  nur  unter  ganz  bestimmten  Verhältnissen  die 
nördlichen  Winde  Regen  auszuscheiden  vermögen. 

Literatur  nnd  Beobachtangsmaterial. 

Die  bis  jetzt  über  das  Klima  der  Atlasländer  und  speziell 
über  die  Niederschlagsverhältnisse  derselben  vorliegende  Literatur 
verteilt  sich  sehr  ungleichmäßig  über  das  ganze  Gebiet.  Die 
häufigste  Bearbeitung  haben  die  Niederschlagsverhältnisse  Al- 
geriens erfahren,  gemäß  den  hier  am  weitesten  zurückreichenden 


—    25    — 

Beobachtuugen.  Schon  1870  konnte  Raulin^)  die  ersten  Er- 
gebnisse der  Regenmessungen  an  16  algerischen  Stationen  ver- 
öffentlichen. Es  handelt  sich  hierbei  allerdings  nur  um  eine 
Mitteilung  von  Mittelwerten,  aus  denen  dann  Schlüsse  auf  die 
Regeuverteilung  des  Landes  gezogen  wurden.  Eine  genauere 
Bearbeitung  erfuhren  dann  die  algerischen  Regenbeobachtungen 
durch  Angot.*)  Von  dem  nunmehr  in  umfangreicherem  Maße 
vorliegenden  Material  wurden  20  Jahre  (1860—79)  heraus- 
gegriffen, die  kürzeren  Reihen  wurden  mittelst  der  von  Angöt 
aufgestellten  Formel  auf  die  längere  Periode  reduziert  und  die 
so  vergleichbar  gemachten  Ergebnisse  der  einzelnen  Stationen 
zu  einer  Regenkarte  vereinigt.  Eine  zweite  Regenkarte  von 
Algerien  wurde  dann  1888  von  der  Akademie  zu  Algier  heraus- 
gegeben.») Sie  stützt  sich  auf  10jährige  Mittel  1877-86  von 
31  Stationen.  (Leider  war  mir  diese  Darstellung  nicht  zu- 
gänglich.) Ungefähr  zur  selben  Zeit  erschien  eine  Bearbeitung 
der  Beobachtungen  über  die  Hagelfälle.*)  Die  neueste  Arbeit 
über  die  Regenverhältnisse  Algeriens  ist  die  von  Th6venet, 
dem  Direktor  des  „Service  Meteorologique  Alg6rien".*)  Sie  wurde 
mir  von  dem  Meteorologischen  Institut  in  Algier  in  sehr  liebens- 
würdiger Weise  zur  Verfügung  gestellt,  wofür  ich  mir  auch 
hier  erlaube  nochmals  meinen  Dank  auszusprechen.  Die  Arbeit 
stellt  einen  recht  ansehnlichen  Band  dar  mit  einem  für  die 
algerischen  Verhältnisse  ungewöhnlich  reichem  Material,  es  ist 
scheinbar  eine  vollständige  Sammlung  des  bis  dahin  vorhanden 
gewesenen  Beobachtungsstoffes.  Was  nun  aber  die  Bearbeitung 
anbetrifft,  so  muß  man  leider  feststellen^  daß  sie  eine  nicht  ge- 
nügende ist,  daß  vor  allen  Dingen  die  angewandte  Bearbeitungs- 
methode sich  nicht  dazu  eignet,  um  ihre  Ergebnisse  kartographisch 
niederlegen  zu  können.  Den  von  Th^venet  angegebenen  Mittel- 
werten fehlt  besonders  eine  Eigenschaft,  die  ein  Haupterfordernis 


>)  Comptes  Rendus.  T.  XXVIII,  S.  942.  Anszag  Met.  Zeitscbr.  V.  1870 
S.  495. 

')  Angot,  Le  climat  de  TAlg^rie.  Annales  du  Bureau  Central  M^ 
t6oro1ogique  de  France.     1881.  I. 

')  Quantit^s  de  pluies  receuillies  en  Alg^rie  de  Pann^e  1877—86. 
Algier  1888.  Hrrsg.  v.  d.  Akad.  z.  Algier.  [Ref.  Met.  Zeitschr.  1889  S.  40.] 

*)  Statistique  de  la  grele  tomb^e  en  Alg^rie  pendant  les  dix  ann^es 
1876-85.     Service  Meteorologique  Algerien.     [Ref.  Met.  Zeitschr.  1889  S.  39.] 

')  Tbevenet,  Essai  de  Cümatologie  Alg^rienne.  Alger  1896. 


-    26    — 

aller  klimatologischen  Untersnchungen  ist:  nämlicli  die  direkte 
Vergleichbarkeit  der  einzelnen  Mittel.  In  vorliegender  Arbeit 
wurde  nicht  auf  die  Länge  der  Beobachtungsreihen  Riicksicht 
genommen,  auch  wurden  sie  nicht  auf  die  gleiche  Periode 
reduziert.  Eine  Angabe  über  die  Art  der  Bearbeitung  des 
Materials  wird  nicht  gegeben,  bei  der  Tabelle  der  Monats-  und 
Jahresmittel  findet  sich  nur  die  Angabe:  Moyennes  r6duites  de 
toutes  les  observations  receuillies.  Dadurch,  daß  es  versäumt 
wurde  einheitliche  Mittelwerte  abzuleiten,  wird  z.  B.  einer  Reihe 
von  Algier  von  58  Jahren  dasselbe  Gewicht  gegeben,  wie  der 
großen  Anzahl  der  sehr  viel  kürzeren  Beobachtungsreihen.  Diese 
Mittelwerte  ffir  Algier  werden  zudem  aus  einer  Reihe  gebildet, 
die  sich  ihrerseits  wieder  aus  nichts  weniger  als  vier  verschie- 
denen kürzeren  Reihen  zusammensetzt  und  zwar:  1838-47 
M.  Dou,  Ingenieur  des  dess^chements,  1848—70  Mole  de  la 
Marine  et  Ponts  et  Chaussöes,  1871—83  Höpital  militaire  du 
Dey,  1884-95  Hotel  de  ville  d' Alger.  Bedenkt  man,  daß  bei 
diesem  Zusammenschmelzen  von  ganz  verschiedenen  Reihen  gar 
nicht  beachtet  wurde,  daß  die  Aufstellung  der  verschiedenen 
Regenmesser  bei  den  ziemlich  beträchtlichen  Höhenunterschieden 
keine  absolut  gleiche  ist,  so  wird  man  den  für  Algier  berechneten 
Mitteln  nur  einen  geringen  Wert  zuschreiben  können. 

Der  Vollständigkeit  wegen  seien  schließlich  hier  noch  zwei 
Arbeiten  angeführt,  die  sich  ganz  speziell  mit  den  Regenverhält- 
nissen der  Stadt  Algier  beschäftigen:  Lambuc,  Recherches  sur 
le  climat  d'Alger,  Toulon  1897  und  Gauckler,  La  pluie  ä  Alger, 
Annales  de  Geographie  1903.  S.  327. 

Nicht  so  häufig  ist  die  Verteilung  der  Niederschläge  in 
Tunesien  bearbeitet  worden,  ganz  analog  den  ja  auch  hier 
kürzeren  Beobachtungsreihen.  Die  erste  Untersuchung :  Jacques, 
Meteorologie  et  climatologie  de  la  Tunisie,  Nancy  1896,  war 
mir  leider  nicht  zugänglich.  Um  so  größeren  Dank  schulde  ich 
der  Direction  G6n6rale  de  TEnseignement  Public,  Service  Mfeteoro- 
logique  in  Tunis  für  die  liebenswürdige  Überlassung  von:  Gi- 
nestous,  Les  pluies  en  Tunisie,  Tunis  1901.  Ich  beschränke  mich 
hier  anf  eine  bloße  Erwähnung  der  Untersuchung,  da  ich  später 
noch  häufig  Gelegenheit  haben  werde  näher  darauf  einzugehen. 

Für  den  dritten  hier  in  Betracht  kommenden  Staat,  für 
Marokko  ist  die  Literatur  noch  geringer.    Eine  klimatologische 


—    27     — 

UntersachuDg  besitzen  wir  bis  jetzt  nur  in  der  Darstellung 
Tli.  Fischers.*)  Es  ist  dies  eine  Bec'irbeitung  des  Beobachtungs- 
raateriales,  das  von  den  wenigen  Küstenstationen  und  von  Marra- 
kescli  vorlag,  mit  Einschluß  der  Beobachtungen,  die  der  Ver- 
fasser auf  seinen  Reisen  im  Atlasvorlande  angestellt  hatte. 

Von  der  Eiwägung  ausgehend,  daß  es  bis  jetzt  noch  an 
einer  einheitlichen  Karte  der  Regenverteilung  der  Atlasländer 
mangelt,  und  ferner,  daß  die  spärlichen  Beobachtungen  Marokkos 
jetzt  immerhin  einige  kurze  Reihen  aufweisen,  empfahl  mir  Herr 
Geheimer  Regierungs  -  Rat  Prof.  Dr.  Th.  Fischer  vorliegenden 
Stoff  zur  Untersuchung.  Jedoch  muß  hier  gleich  bemerkt  werden, 
daß  die  nunmehr  vorliegende  Arbeit,  die  auch  mehr  eine  klima- 
tologisch-geographische  sein  soll,  nicht  den  Anspruch  macht 
eine  streng  meteorologische  zu  sein,  dazu  fehlte  es  an  genügen- 
dem Beobachtungsmaterial,  vielmehr  mußte  für  manche  Gegenden 
die  Regenverteilung  noch  eine  rein  hypothetische  bleiben,  wenn 
man  auch  möglichst  bemüht  war,  sie  in  diesem  Falle  von  an- 
deren Gesichtspunkten  aus  zu  bestimmen.  Die  Periode,  für  die 
man  die  Mittelwerte  des  Niederschlags  bilden  mußte,  war  ohne 
weiteres  durch  die  Arbeit  von  Ginestons  gegeben.  Hier  sind 
die  Beobachtungen  der  Jahre  1886—1900  verwertet  worden, 
und  obgleich  es  ein  leichtes  gewesen  wäre,  für  Algerien  längere 
Beobachtungsreihen  zu  bekommen,  so  mußte  man  auch  hier  mit 
Rücksicht  auf  die  für  Tunesien  vorliegenden  15jährigen  Mitteln 
dieselbe  Periode  wählen.  Dies  hat  ja  auch  den  Vorteil,  daß 
man  auf  diese  Weise  die  mehr  oder  weniger  unzuverlässigen 
älteren  Beobachtungen  ausschaltet.  Natürlich  lagen  nicht  für 
sämtliche  algerische  Stationen  volle  15jährige  Beobachtungs- 
reihen vor,  sondern  man  mußte  die  kürzeren  Reihen  mit  Hilfe 
von  geeigneten  Vergleichsstationen  auf  die  längere  Reihe  redu- 
zieren, was  unter  Anwendung  der  von  Angot  angegebenen  und 
jetzt  allgemein  angewendeten  Methode  geschah.  In  dem  Falle, 
wo  es  zweifelhaft  erschien,  ob  die  gewählte  Vergleichsstation 
auch  wirklich  für  das  Regenregime  der  betreffenden  Gegend 
maßgebend  war,  wurde  noch  eine  zweite  Station  zum  Vergleiche 
herangezogen  und  aus  beiden  Ergebnissen  das  Mittel  genommen, 


1)  Th.  Fischer,  Zur  Klimatologie  von  Marokko.    Zeitschr.  d.  Ges.  für 
£rdk.    Berlin  1900.  35. 


—    28    — 

das  nunmehr  verwendet  warde.  Dieselbe  Methode  der  Yer- 
arbeitang  ist  auch  von  Ginestous  angewendet  worden,  so  daß 
die  algerischen  und  tunesischen  Stationen  durch  direkt  ver- 
gleichbare Mittel  dargestellt  werden  konnten.  Leider  war  es 
bei  einigen  wenigen  algerischen  Stationen  aus  Mangel  an  einer 
geeigneten  Yergleichsstation  nicht  möglich,  sie  auf  die  einheit- 
liche Periode  zurückzuführen.  Bei  den  weit  in  die  Wüste  vor- 
geschobenen Stationen  El  Golea  und  Ghardaja  dürfte  dieser 
Umstand  auch  nicht  allzusehr  ins  Gewicht  fallen,  da  die  obere 
Grenze  der  Niederschläge  hier  eine  sehr  niedrige  ist,  die 
Schwankung  also  nicht  sehr  bedeutend  sein  kann.  Die  übrigen 
algerischen  Stationen,  deren  Reihen  nicht  auf  die  Periode  1886 
bis  1900  reduziert  werden  konnten,  liegen  sämtlich  nahe  der 
tunesischen  Grenze.  Da  ihre  Mittelwerte  aus  den  kürzeren 
Reihen  iu  genügender  Weise  mit  den  reduzierten  Mitteln  der 
unter  gleichen  Verhältnissen  liegenden  tunesischen  Stationen 
übereinstimmen,  so  scheinen  sie  auch  nicht  allzu  beträchtlich 
von  dem  Mittel  der  längeren  Reihe  abzuweichen.  Schwerer 
fällt  es  immerhin  schon  ins  Gewicht,  daß  die  marokkanischen 
Stationen  nicht  direkt  untereinander  vergleichbar  gemacht  werden 
konnten,  aber  man  mußte  sich  mit  den  Ergebnissen,  wie  sie 
bis  jetzt  vorliegen,  begnügen,  sie  umzuarbeiten  ist  leider  noch 
ein  Ding  der  Unmöglichkeit. 

Das  der  vorliegenden  Untersuchung  zugrunde  liegende 
Beobachtungsmaterial  ist  den  Veröffentlichungen  des  franzö- 
sischen meteorologischen  Zentralbureaus  entnommen,  die  Er- 
gebnisse des  tunesischen  Beobachtungsnetzes  entstammen  der 
schon  erwähnten  Ginestousschen  Arbeit.  Für  Marokko  lag 
dagegen  bis  jetzt  nur  ein  sehr  kleiner  Teil  der  dort  angestellten 
Beobachtungen  gedruckt  vor.  W  enn  ich  aber  trotzdem  annehmen 
darf,  daß  es  mir  gelungen  ist,  mir  das  vorliegende  Beobachtungs- 
material vollständig  zu  beschaffen,  so  verdanke  ich  dies  in  erster 
Linie  der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Geheimen  Regierungsrates 
Prof.  Dr.  Th.  Fischer,  der  mir  zum  Teil  das  Material  selbst 
verschaffte,  was  manchmal  mit  nicht  geringen  Schwierigkeiten 
verknüpft  war,  femer  mir  die  Beobachtungen,  die  in  seinem 
Privatbesitz  waren,  zur  Verfügung  stellte  und  mir  schließlich 
auch  bei  der  Herbeischaffung  des  übrigen  Materiales  zu  jeder 
Zeit  mit  seinem  Rat  zur  Seite  stand.    Großen  Dank  schulde 


—    29    — 

ich  ebenfalls  der  Deutschen  Seewarte  in  Hamburg,  die  mir  die 
noch  nicht  veröffentlichten  Beobachtungen  von  Mogador,  Saffi 
und  Casablanca  zur  Verfügung  stellte.  Da  diese  marokkanischen 
Beobachtungen  also  noch  vollkommen  unbekannt  sein  dürften^ 
halte  ich  es  für  angebracht  auf  sie  näher  einzugehen. 

Die  Beobachtungen,  die  an  der  Lloydstation  auf  Kap 
Spartel  angestellt  werden,  wurden  Herrn  Th.  Fischer  von  dem 
Beobachter  Herrn  Hathaway  in  sehr  liebenswürdiger  Weise  in 
einer  Abschrift  zur  Verfügung  gestellt.  Sie  umfassen  den 
Zeitraum  vom  16.  Mai  1893  bis  Dezember  1904,  mit  Ausnahme 
des  Jahres  1903.  Es  scheinen  allerdings  auch  für  diese  Zeit 
Beobachtungen  vorzuliegen,  doch  sind  sie  scheinbar  durch  ein 
Versehen  nicht  mit  den  anderen  Jahrgängen  übersandt  worden. 
Die  Höhe  des  Regenmessers  ist  ö8,5  m  über  dem  Meeresspiegel. 
Die  Beobachtuugsreihe  ist  vollständig. 

Von  dem  benachbarten  Tanger  liegen  immer  nur  noch  die 
alten  Beobachtungen  vor,  die  von  dem  deutschen  Minister- 
residenten Weber  vom  1.  Oktober  1879  bis  zum  30.  September 
1885  angestellt  wurden.  Sie  sind  von  J.  Hann  in  der  Zeit- 
schrift  der  Osterreichischen  Gesellschaft  für  Meteorologie  1887 
S.  26  bearbeitet  und  veröffentlicht.  Das  Jahresmittel  (815  mm) 
stimmt  zufällig  sehr  mit  dem  auf  Kap  Spartel  gewonneneu 
(819  mm)  überein. 

Die  zu  Rabat  von  dem  Leibarzt  des  Sultans  angestellten 
Beobachtungen  umfassen  noch  nicht  ein  Jahr  (Juli  1881  bis 
Februar  1882).  Sie  seien  nur  der  Vollständigkeit  wegen  mit 
aufgeführt.  ^) 

Von  Casablanca  liegen  zwei  kürzere  Reihen  vor.  Die 
ältere  Reihe  umfaßt  die  Beobachtungen  des  Herrn  Konsul 
Fernau  und  erstreckt  sich  auf  die  vier  Regenperioden  von 
September  1896  bis  Mai  1900.  Diese  Reihe  wurde  von  Herrn 
Th.  Fischer  in  seiner  Klimatologie  von  Marokko  (S.  391)  be- 
arbeitet. Die  in  der  neuesten  Zeit  auf  Antrag  des  Herrn 
Th.  Fischer  im  Auftrage  der  Deutschen  Seewarte  durch  Herrn 
H.  Ficke  ausgeführten  Beobachtungen,  deren  Ergebnisse  hiermit 
veröffentlicht  werden,  umfassen  lückenlos  die  Zeit  vom  Januar 
1902  bis  Dezember  1905.     Die    von    Herrn  Th.  Fischer  ein- 


1)  Mitgeteilt  von  HanD,  Met.-Z.  1886  S.  369. 


—    30    — 

gerichtete  Station  liegt  ungefähr  60  m  von  der  Küste  entfernt 
in  einer  Höhe  von  15  m. 

Die  für  Saffi  vorliegenden  Beobachtungen  beginnen  mit 
Februar  1896,  Niederschlagsmessungen  ei*st  mit  September  1896. 
Die  Beobachtungen  sind  leider  nicht  einheitlich,  sie  umfassen 
mehrere  kurze  Reihen.  Die  erste  Reihe  reicht  von  September 
1896  bis  Dezember  1897,  es  fehlen  aber  die  Beobachtungen 
für  Mai  und  August  1897.  Dann  beginnen  die  Regenmessungen 
wieder  mit  Juli  1899  und  reichen  bis  Januar  1900.  Auf- 
genommen wurden  sie  dann  wieder  mit  Oktober  1900,  fanden 
aber  ihr  Ende  schon  bereits  mit  dem  nächstjährigen  Oktober. 
Die  neueste  Reihe,  die  wir  Herrn  Vizekonsul  Junker  verdanken, 
nimmt  ihren  Anfang  dann  mit  Juli  1902;  benutzt  wurden  von 
ihr  die  bis  Dezember  1904  angestellten  Beobachtungen.  Die 
Höhenlage  der  Station  und  die  Lage  zur  Küste  hat  leider 
wiederholt  infolge  von  Todesfällen  und  Wohnungswechsel  der 
Beobachter  gewechselt  und  ist  auch  noch  nicht  genau  fest- 
gestellt. Sie  war  bis  Januar  1900  wahrscheinlich  Meeresniveau, 
alsdann  bis  Oktober  1901  in  vorzüglich  geeigneter  Lage  un- 
gefähr 95  m^  seitdem  1  km  davon  entfernt  und  40  m  Höhe. 
Es  ist  in  Marokko  außerordentlich  schwierig,  wirklich  geeignete 
einwandfreie  Aufstellung  der  Instrumente  zu  ermöglichen. 

Ungleich  größeren  Wert  besitzen  die  von  Heri  n  Vizekonsul 
v.  Maur  in  Mogador  angestellten  Regenmessungen.  Sie  beginnen 
mit  April  1894  und  werden  noch  heute  fortgesetzt,  es  fehlen 
nur  die  Beobachtungen  für  Februar  und  März  1897  und  für 
Januar  1902.  Die  Station  liegt  etwa  100  m  vom  Meere  entfernt 
in  einer  Höhe  von  ungefähr  10  m. 

Von  der  einzigen  meteorologischen  Station  im  Inneren, 
Marrakesch,  umfassen  die  älteren  Beobachtungen,  die  im  franzö- 
sischen Konsulat  angestellt  wurden,  die  Zeit  vom  Januar  bis 
März  1886  und  von  September  1886  bis  März  1887.  Seit 
Januar  1900  werden  Beobachtungen  an  einer  von  Herrn 
Th.  Fischer  auf  seiner  letzten  Reise,  in  dem  Kaufhofe  des 
Herrn  H.  Marx  eingerichteten  Station  angestellt.  Die  zur 
Ableitung  der  mittleren  Regen  Verhältnisse  von  Marrakesch  be- 
nutzten Beobachtungen  umfassen  die  beiden  vollständigen  Jahr- 
gänge 1900  und  1901  und  ferner  die  Zeit  vom  Mai  1902  bis 
Mai  1905. 


—    Si- 
lin ganzen  liegen  der  entworfenen  Regenkarte  die  Mittel 
aus  82  Beobachtuugsreihen  zugrunde. 

Yerteilnng  der  Niederschläge. 

Der  am  stärksten  hervortretende  Zug  in  der  Verteilung 
der  jährlichen  Regenmengen  im  Atlasgebiet  sind  die  ungeheuren 
Unterschiede,  die  die  Jahressummen  der  verschiedenen  Stationen 
aufweisen.  Hält  man  an  den  drei  Stufen  fest,  in  die  Supan 
die  Regenverteilung  einteilt:  regenarm  unter  250mm,  mäßige 
Niederschläge  von  250— 1000  mm  und  regenreich  über  1000  mm*) 
und  wendet  man  sie  auf  die  Verhältnisse  der  Atlasländer  an, 
so  findet  man,  daß  hier  auf  verhältnismäßig  kleinem  Gebiete 
alle  drei  Stufen  vertreten  sind.  Mit  den  zu  Ain  Draham  ge- 
messenen 1641  mm  im  Jahre  nimmt  es  Anteil  an  der  regen- 
reichen Stufe,  während  als  regenarm  die  Steppengebiete  und 
der  südliche  Rand  des  Sahara- Atlas  zu  bezeichnen  sind.  Zwischen 
diesen  Grenzen  sind  alle  möglichen  Stufen  vertreten. 

Im  großen  und  ganzen  betrachtet  nimmt  die  Regenmenge 
von  Norden  nach  Süden,  also  von  der  Küste  nach  dem  Innern 
ab.  Am  ausgesprochensten  ist  diese  Abnahme  auf  tunesischem 
Gebiet  und  im  östlichen  Algerien,  weiter  nach  Westen  hin  wird 
sie  durch  eine  mit  der  Erhebung  des  Sahara-Atlas  verbundene 
geringe  Zunahme  der  Niederschlagsmenge  etwas  unterbrochen, 
im  allgemeinen  bleibt  die  Abnahme  aber  auch  hier  gewahrt. 
In  Marokko  liegen  die  Verhältnisse  anders,  wir  haben  hier  erst 
eine  langsame  und  nicht  kontinuierliche  Zunahme,  dann  eine 
schnelle  Abnahme  der  Niederschläge  in  westöstlicher  Richtung. 

Das  am  meisten  durch  die  Regen  begünstigte  Gebiet  ist 
der  sich  am  Mittelmeer  hinziehende  Teil-Atlas.  Die  Regen- 
mengen, die  hier  im  Laufe  eines  Jahres  fallen,  sind  ziemlich 
beträchtlich,  ja  an  manchen  Punkten  höher  als  diejenigen,  die 
im  größten  Teile  Europas  fallen.  Auf  diesem  schmalen  Gebiet 
vereinigen  sich  alle  Faktoren,  die  zur  Bildung  kräftiger  Regen 
nötig  sind:  die  unmittelbare  Nähe  eines  stark  erwärmten  und 
damit  einer  starken  Verdunstung  ausgesetzten  Meeres  und  das 
Vorhandensein  beträchtlicher  Erhebungen,  an  denen  die  durch 


^)  Supao,  Physische  Erdkunde,  II.  Aofl.  S.  149. 


—    32    — 

gttnstige  Winde  herbeigef&hrten  Wasserdampfmassen  zur  Ver- 
dichtung and  Ausscheidung  gelangen  können. 

Aber  nicht  an  jedem  Teile  des  Küstengebietes  kommen 
diese  günstigen  Verhältnisse  voll  zur  Geltung.  Die  Regen- 
mengen sind  im  Gegenteil  sehr  ungleichmäßig  über  das  Gebiet 
des  Teil-Atlas  verteilt,  es  findet  eine  deutliche  Abnahme  der 
jährlichen  Regenmengen  von  Osten  nach  Westen  hin  statt.  Die 
Beobachtungen  an  den  Eüstenstationen  lassen  diese  Abnahme 
deutlich  erkennen:  Tabarka  1094mm,  Dellys  893  mm,  Algier 
733  mm,  T6n6s  467  mm,  Oran  414  mm,  Nemours  616  mm.  Auch 
die  auf  den  Höhen  des  Teil-Atlas  gelegenen  Stationen  weisen 
ganz  genau  die  gleiche  Abnahme  auf:  Ain  Draham  1641  mm. 
Fort  National  1056  mm,  M6d6ah  848  mm,  Sidi  Bei  Abb^s  463  mm, 
Tlemcen  648  mm.  Die  erneute  Zunahme  der  Regen,  die  sowohl 
aus  den  Messungen  von  Nemours  als  auch  aus  denen  von 
Tlemcen  hervorgeht,  dürfte  wohl  auf  den  sich  schon  hier  geltend 
machenden  Einfluß  des  Atlantischen  Ozeans  zurückzuführen  sein. 
Ob  diese  größere  Regenmenge  jedoch  auch  dem  nach  Westen 
sich  ausbreitendem  Küstengebiet  zuzuschreiben  ist,  oder  ob  sie 
vielleicht  durch  die  örtliche  Lage  der  Stationen  bedingt  ist 
(dies  scheint  allerdings  sehr  wahrscheinlich  zu  sein),  läßt  sich 
bis  jetzt,  da  noch  keine  Regenmessungen  aus  dem  Rif  vorliegen, 
nicht  feststellen.  Aus  einer  Beobachtung,  die  de  Segonzac  auf 
einer  Reise  in  diesen  Gegenden  machte,  muß  man  eigentlich 
schließen,  daß  im  Rifgebirge  die  Regenmenge  eine  geringe  ist, 
daß  sie  auf  jeden  Fall  weit  unter  600  mm  liegt.  De  Segonzac 
trifft  ungefähr  10— 20  km  westlich  von  Melilla  in  den  Tälern 
reiche  Gerstefelder  an,  doch  es  wird  ihm  auf  seine  Fragen 
hin  von  den  Eingeborenen  mitgeteilt,  daß  dieser  augenblick- 
liche Wohlstand  ein  ganz  außergewöhnlicher  ist.  Er  erklärt 
sich  durch  die  in  jenem  Jahre  gefallenen  sehr  starken  Früh- 
lingsregen. In  gewöhnlichen  Jahren  sind  die  Ernten  nicht 
so  ergiebig,  seit  sechs  Jahren  genügten  sie  nicht,  um  alle 
Einwohner  zu  ernähren,  und  fast  alle  jungen  Männer  waren 
gezwungen  auszuwandern. ')  Daraus  muß  man  schließen, 
daß  die  Niederschlagsmenge  sogar  noch  unter  400  mm  ge- 
sunken ist. 


^)  de  SegonsAC,  Voyages  en  Maroc  (1899—1901).    Paris  11)03.  S.  52. 


—    33    — 

An  der  Tatsache  der  Abnahme  der  Regenmengen  von 
Osten  nach  Westen  an  der  Mittelmeerküste  ist  also  nicht  zn 
zweifeln,  es  gilt  nur  noch  die  Grttnde  festzustellen.  Als  Haupt- 
ursache erkennt  man  sogleich  die  starke  Differenz  in  der  Breite 
des  Mittelmeeres,  das  den  einzelnen  Teilen  vorgelagert  ist,  es 
stehen  z.  B.  den  aber  700  km  Wasserfläche,  die  im  Meridian 
von  Bougie  dem  Atlasgebiet  vorgelagert  sind,  nur  etwa  200  km 
in  dem  Meridian  von  Oran  gegenüber.  Diese  Verschmälerung 
nimmt  nach  Westen  immer  noch  mehr  zu,  doch  wird  dies  öst- 
lich von  Tanger  schon  wieder  durch  den  Einfluß  des  Ozeans 
ausgeglichen,  dem  westlichen  Teil  des  Bif-6ebirges  darf  man 
wohl  mit  Recht  eine  mittlere  Regenmenge  von  600— 800  mm 
zuschreiben.  Daß  mit  der  abnehmenden  Breite  des  Mittel- 
meeres auch  der  Wasserdampfgehalt  der  Luftmassen  ein  ge- 
ringerer sein  muß,  ist  ohne  weiteres  erklärlich.  Hierzu  tritt 
nun  noch  als  verstärkender  Grund  der  Umstand,  daß  nach 
Westen  hin  die  Bedingungen  zur  Kondensation  des  Wasser- 
dampfes nicht  mehr  dieselben  sind  wie  im  Osten.  In  der 
orographischen  Skizze  ist  als  ein  großer  Unterschied  der  Ge- 
birge östlich  und  westlich  von  Algier  festgestellt  worden,  daß 
diese  bei  weitem  nicht  mehr  die  großen  Höhen  aufzuweisen 
haben,  wie  wir  sie  im  Djebel  Babor  und  Djebel  Djurjura 
vorfinden.  Von  Osten  nach  Westen  nimmt  die  Höhe  der  Küsten- 
kette beträchtlich  ab.  Als  dritter  und  letzter  Grund  kommt 
das  Dasein  einer  kühleren  Meeresströmung  in  Betracht.  Diese 
Meeresströmung  macht  sich  allerdings  nicht  durch  eine  ganz 
besonders  tiefe  Temperatur  bemerkbar,  aber  es  genügt  immerhin, 
daß  man  sie  aus  verschiedenen  Anzeichen  nachweisen  kann. 
Th.  Fischer  war  wohl  der  erste,  der  in  seiner  grundlegenden 
Arbeit  über  das  Klima  der  Mittelmeerländer  auf  sie  aufmerksam 
machte  und  den  Einfluß  des  kühleren  einströmenden  Ozean- 
wassers durch  folgende  Angaben  zu  beweisen  suchte:  „Oran 
hat  eine  mittlere  Jahrestemperatur  von  nur  17  ®C,  wie  Tarifa, 
mehr  als  3^C  weniger  als  Algier,  und  zwar  ist  der  Februar 
der  kälteste  Monat,  der  März  noch  kühler  als  der  Januar,  was 
sich,  falls  die  Beobachtungen  verläßlich  sind,  kaum  anders  als 
durch  eine  kühle  Meeresströmung  erklären  läßt.  Auch  die  Tem- 
peraturen des  wärmsten  Monats  bleiben  um  mehrere  Grad 
hinter  der  von  Algier  zurück.    Es  wird  dies  erst  nachzuweisen 

S 


-    84    — 

sein,  wenn  einmal  Beobachtungen  der  Meerestemperatur  von 
Oran  vorliegen,  die  voraassichtlich  sich  als  sehr  viel  niedriger 
erweisen  wird  als  weiter  östlich  im  Mittelmeer.  ^  ^)  Diesen 
großen  Unterschied  der  Jahresmittel  der  Temperaturen  von 
Oran  und  Algier  haben  die  neueren  Beobachtungen  allerdings 
als  nicht  richtig  erwiesen.  Nach  Angot  hat  Oran  eine  mittlere 
Jahrestemperatur  von  17,2®  und  Algier  von  18,2®  C.  (Mittel  aus 
1860/79);  nach  den  von  Th6venet  angegebenen  Monatswerten 
habe  ich  für  beide  Orte  aus  längeren  Reihen  16,6  und  17,5®  C. 
berechnet  (die  Temperaturen  sind  aufs  Meeresniveau  reduziert). 
Eine  Temperaturabnahme  von  1®C.  bleibt  also  in  jedem  Falle 
trotz  dem  Breitenunterschied  bestehen.  Daß  die  Temperaturen 
des  wärmsten  Monats  an  den  Stationen  von  Algier  an  nach 
Osten  zu  höhere  sind  als  an  den  westlicher  gelegenen  Stationen, 
geht  auch  aus  den  neueren  Beobachtungen  hervor.  Ob  das 
Minimum  im  Februar  reell  ist,  oder  ob  es  nur  von  der  Länge  der 
Beobachtungsreihen  abhängt,  ließ  sich  noch  nicht  genau  fest- 
stellen. Nach  den  Angaben  von  Th^venet  fällt  das  Minimum 
der  Temperatur  bei  Nemours,  Arzeu  und  T6n6s  allerdings  auf 
den  Februar,  bei  Oran  dagegen  auf  den  Januar.  Sicher  ist 
ferner  auch,  daß  an  den  Stationen  östlich  von  Algier  das 
Minimum  immer  auf  den  Januar  fällt  und,  daß  mit  dem  Fort- 
schreiten nach  Osten  hin,  die  Zunahme  der  Temperatur  vom 
Januar  zum  Februar  immer  größer  wird.  Ihre  Beträge  an  den 
einzelnen  Stationen  sind  folgende:  Algier  0,0,  Dellys  0,1®, 
Bougie  0,2®,  Djidjelli  0,4®,  Bone  0,8®,  La  Calle  0,9®.  Dies 
würde  also  sehr  wohl  mit  einem  nach  Osten  hin  abnehmenden 
Einfluß  des  Ozeans  zu  erklären  sein.  Viel  auffallender  ist  aber 
die  durch  die  schon  erwähnte  von  der  Deutschen  Seewarte 
angestellte  Bearbeitung  der  Temperaturmessungen  an  Bord  der 
im  Mittelmeer  verkehrenden  Dampfer  gefundene  Tatsache,  daß 
sich  im  westlichsten  Teil  des  Mittelmeeres  die  mittlere  Zunahme 
der  Temperatur  vom  April  zum  Mai  in  den  Gewässern  zwischen 
Gibraltar  und  Tunis  nur  auf  0,9®  C.  beläuft,  dagegen  auf 
2,5®  C.  in  den  nördlich  davon  gelegenen  Gebieten.  Weder  im 
Tyrrhenischen  Meer,  noch  im  Jonischen  Meer,  noch  auch  in 
den   Ägyptischen   Gewässern    kommen    ähnliche    Verhältnisse 

1)  Th.  FiBcher,  Klima  der  Mittelmeerländer.    Pet.  Mitt.  Ergshf  t.  No.  58. 
Gotha  1879.  S.  26. 


—    35    — 

vor.  Auch  für  die  Wassertemperatur  gilt  dasselbe.  Sie  steigt 
gleichzeitig  im  Norden  um  1,8®  C,  im  Süden  nur  um  1,3®  C. 
Die  Unterschiede  sind  in  diesem  Falle  zwar  nicht  so  auf- 
fallend, aber  sie  sind  doch  immerhin  noch  vorhanden.  Die 
Erklärung  findet  die  Deutsche  Seewarte  auch  in  einem 
Einfluß  des  Atlantischen  Ozeans,  und  zwar  indem  einesteils 
die  kühleren  Luftmassen,  die  vom  Ozean  herkommen,  das 
Ansteigen  der  Wärme  auf  der  Strecke  Gibraltar  bis  Tunis 
verlangsamen,  andernteils,  daß  die  verzögerte  Erwärmung  der 
Wassertemperatur  durch  eine  in  das  Mittelmeer  hereinkommende 
Oberflächenströmung  bedingt  ist.  ^) 

In  dem  so  reichlich  mit  Regen  gesegneten  östlichen  Teile 
des  Teil-Atlas  befindet  sich  auch  das  Gebiet,  das  überhaupt 
den  stärksten  Niederschlag  von  dem  gesamten  Atlasgebiet  auf- 
zuweisen hat.  Es  ist  die  schon  erwähnte  Station  Am  Draham, 
auf  tunesischem  Gebiet  gelegen.  Sie  liegt  in  einer  Höhe  von 
805  m  auf  dem  Rücken  zwischen  dem  Djebel-Fersig  (900  m) 
and  dem  Djebel  Bir  (1050  m).  An  dieser  Stelle  kommen  die 
günstigen  Verhältnisse,  die  die  reichlichen  Niederschläge  des 
ganzen  Teil  im  allgemeinen  bedingen,  am  stärksten  zur  Wirkung. 
Es  kommt  nicht  selten  vor,  daß  es  an  10,  12  und  selbst  17  auf- 
einanderfolgenden Tagen  hier  regnet,  und  meist  ist  der  Regen 
von  Nebel,  heftigen  Winden,  und  manchmal  auch  Hagel  und 
Schnee  begleitet.  An  manchen  Tagen  kann  die  Regenmenge 
sehr  beträchtlich  sein,  so  wui*den  z.  B.  im  März  1900  gemessen: 

9.  März 58  mm 

10.  „        145     „ 

11.  „        ■     32     , 

285  mm  2) 
Weit  weniger  günstig  als  die  tunesische  und  die  algerische 
Küste  ist  das  marokkanische  Küstengebiet  in  bezug  auf  die 
Niederschläge  gestellt.  Trotzdem  dieses  im  Angesicht  des 
Atlantischen  Ozeans  liegt,  weist  keiner  seiner  Punkte  ähnlich 
große  Jahressummen  auf,  wie  wir  sie  im  östlichen  Teil- Atlas 
antreffen.    Der  nördlichste  Teil  Marokkos  hat  noch  die  größten 

^)  Wind,  Strom,  Luft-  und  Wassertemperatur  auf  den  wichtigsten 
Dampferwegen  des  Mittelmeeres.   Bearbeitet  von  der  Deutschen  Seewarte.  S.  27. 

')  Ou^rard  n.  Bontineau,  La  Khronmirie  et  sa  colonisation.  Paris 
1892.    S.  19. 

3* 


—    86    - 

Begenmengen  aufzuweisen:  KapSpartel  819 mm,  Tanger  815 mm. 
Dies  ist  offenbar  eine  Folge  seines  gebirgigen  Landschafts- 
charakters. Für  das  Innere  des  nördlichen  Marokko  und  die 
Rif-Küste  liegen  nnr  die  Beobachtungen  vor,  die  Marquis  de 
Segonzac  auf  seiner  Reise  angestellt  hat.  Natürlich  handelt 
es  sich  hierbei  nicht  um  genaue  Regenmessungen,  sondern  eigent- 
lich nnr  um  eine  Angabe  der  Regentage  und  um  die  gebräuch- 
lichen Aufzeichnungen  über  Wind  und  Wetter.  Gerade  während 
dieses  Teiles  seiner  Reise  hatte  der  Marquis  fast  fortwährend 
unter  heftigen  Regengüssen  und  häufigen  Nebeln  zu  leiden. 
Ungefähr  eine  Woche  nach  der  Abreise  von  Tanger  begann 
bei  Nord-West-  und  West- Winden  die  Regenzeit.  Während  des 
mehrwöchigen  Aufenthaltes  in  Fes,  von  Anfang  Februar  bis 
Mitte  März  1901,  regnete  es  fast  ununterbrochen  und  mehrmals 
findet  man  unter  den  Aufzeichnungen  die  Angaben:  Pinie 
torrentielle,  pluie  diluvienne.  Meist  waren  es  West- Winde, 
die  hier  den  Regen  herbeiführten,  nur  ganz  wenige  Male 
regnete  es  bei  Südwest- Winden.  Der  West- Wind  hat  überhaupt 
in  diesem  Teile  einen  weiten  Einfluß,  trotz  des  gebirgigen 
Landes,  über  das  er  hinstreichen  muß.  An  dem  Punkte,  wo 
de  Segonzac  das  Mittelmeer  erreichte,  bei  Qacba  Selouen,  am 
innersten  Teile  der  Bucht  von  Melilia  gelegen,  kam  es  noch 
bei  West- Winden  zu  Niederschlägen.  Auch  auf  dem  weiteren 
Marsche  an  der  Küste  entlang,  wurde  bei  West- Winden  noch 
eine  dichte  Wolkenbedeckung  beobachtet.  Andererseits  führen 
Nord- Winde  in  diesem  Teile  wenig  oder  gar  keine  Niederschläge 
herbei,  in  Am  Bou  Adel,  das  ungefähr  70  km  von  der  Küste 
entfernt  liegt,  hatte  man  bei  Nordwinden  vollkommen  klaren 
Himmel. 

Von  Tanger  aus  nimmt  nach  Süden  die  Regenmenge  im 
marokkanischen  Küstengebiet  dann  schnell  ab.  In  üasablanca 
ergibt  das  vierjährige  Mittel  1897/1900  als  Jahressumme  457  mm, 
das  Mittel  aus  der  neueren  Reihe  1902/04  dagegen  nur  380  mm. 
Das  wahre  Mittel  wird  voraussichtlich  wohl  nur  wenig  über 
400  mm  hinausgehen.  Eine  noch  geringere  Niederschlagsmenge 
weist  die  Station  Saffi  auf,  die  Jahressumroe  aus  den  Jahrgängen 
1896/1904  beträgt  nur  351  mm.  Da  diese  Reihe  aber  sehr 
große  Lücken  aufweist,  möchte  ich  ihr  keine  absolute  Bedeutung 
beilegen.    Überraschenderweise  wurde  jedoch  auch  das  Mittel, 


—    37    — 

das  man  seither  Megador  beizulegen  pflegte,  in  sehr  wesent- 
licher Weise  verändert.  Das  aus  den  Jahrgängen  1894/98  be- 
rechnete Mittel  für  die  Jahressamme  ergab  490  mm.  Nachdem 
nan  die  Beobachtnngen  weiter  fortgeführt  worden  waren,  konnte 
die  Reihe  auch  um  weitere  sieben  Jahre  verlängert  werden. 
Diese  vollständige  Reihe  setzte  die  mittlere  Jahressumme  auf 
nur  402  mm  fest.  Bei  diesen  Angaben  muß  man  natürlich 
immer  in  Betracht  ziehen,  daß  sie  zunächst  nur  für  einen  sehr 
schmalen  Eüstengürtel  gelten  können.  Mit  dem  Ansteigen 
des  Atlasvorlandes  nach  dem  Innern  zu  werden  die  Nieder-* 
schlage  auch  an  Menge  zunehmen.  Dazu  kommt  noch,  daß  die 
Luft  stets  einen  hohen  Feuchtigkeitsgehalt  hat,  Nebel-  und 
Dunstbildung  eine  häufige  ist  und  daß  vor  allen  Dingen  die 
Taufälle  in  sehr  starkem  Maße  auftreten,  was  dem  Boden  auch 
eine  nicht  zu  unterschätzende  Feuchtigkeitsmenge  zuführt.^) 

Gehen  wir  nun  zur  Betrachtung  der  Regenverhältnisse  im 
Innern  der  Atlasländer  über.  In  Tunesien  umschließt  die  Isohyete 
von  500mm  einen  beträchtlichen  Teil  des  Atlas,  die  außen- 
liegenden Teile  haben  immerhin  noch  fast  durchweg  eine 
mittlere  Jahressumme  von  400  mm  und  mehr  aufzuweisen.  Die 
Küstengebiete,  die  im  Regenschatten  liegen,  empfangen  bedeu- 
tend geringere  Niederschläge.  Tunis  hat  eine  Regenmenge  von 
nur  471mm,  trotz  seiner  großen  Nähe  zu  dem  regnerischsten 
Gebiete.  Sousse  mit  415  mm  und  Sfax  mit  216  mm  können  als 
Repräsentanten  für  die  nach  Süden  zunehmende  Niederschlags- 
armut gelten.  Das  Gebiet,  das  trotz  seiner  Entfernung  vom 
Mittelmeere  noch  bedeutendere  Niederschläge  aufweist,  sind  die 
Gebirgszüge  südlich  von  Orleansville,  die  von  dem  Bogen  des 
Ch^liff  eingeschlossen  werden.  Hier  fallen  an  der  Station  Tiaret 
in  einer  Höhe  von  1086  m  im  Durchschnitt  noch  808  mm  im  Jahre. 
Der  Grund  hierfür  ist  darin  zu  suchen,  daß  die  vorliegende 
Eüstenkette  hier,  wie  schon  mehrfach  erwähnt,  westlich  von 
Algier  eine  bedeutende  Erniedrigung  erfahren  hat,  so  daß  die 
Regenwolken  sie  überfliegen  können,  ohne  zu  bedeutenderer 
Regenabgabe  veranlaßt  zu  werden ;  erst  die  weiter  vom  Meere  ab 
folgenden  größeren  Erhebungen  bewirken  stärkere  Regenfälle. 
Sonst   nimmt  die  Regenmenge   auf  algerischem  Gebiete   sehr 


^  Th.  Fischer,  Zur  Klimatologie  von  Marokko.     8.  394. 


-    38    — 

schnell  von  der  Kttste  nach  dem  Innern  za  ab;  es  folgen  die 
Gebiete  der  algerischen  Steppen  mit  geringen  Niederschlägen. 
El  Aricha  mit  270mm  gehört  schon  ganz  der  Steppe  an.  Erst 
mit  der  Annäherung  an  den  Sahara-Atlas  nimmt  die  Regen- 
menge wieder  zu.  Sonderbarerweise  ist  auf  keiner  der  bisher 
gezeichneten  Niederschlagskarten  Algeriens  eine  derartige  Zu- 
nahme der  Regenmengen  verzeichnet,  und  doch  scheint  sie  ganz 
sicher  festzustehen.  66ryville  (498  mm)  und  Aflou  (384  mm) 
weisen  eine  größere  jährliche  Regensumme  auf,  als  sie  das 
Steppengebiet  empfängt.  Zudem  ist  es  noch  sehr  unwahrschein- 
lich, daß  gerade  diese  Stationen  einen  wirklichen  Begriff  von 
den  dortigen  Verhältnissen  geben,  in  den  höheren  Teilen  mag 
die  Jahresmenge  immerhin  noch  einen  etwas  größeren  Betrag 
erreichen.  Ein  Teil  des  Sahara-Atlas  ist  allerdings  auch  ebenso 
sicher  von  der  Zunahme  der  Niederschläge  auszuschließen.  Es 
ist  dies  der  Teil  zwischen  dem  Djebel  Amour  und  dem  Aures 
Massiv.  Hier  sind  die  Höhen  zu  unbedeutend,  als  daß  sie  als 
Wolkenverdichter  wirken  müßten.  Für  den  übrigen  Sahara-Atlas 
spricht  aber  auch  die  wieder  zunehmende  Bewaldung,  wie  wir 
später  sehen  werden,  für  größere  Niederschläge. 

Im  Innern  von  Marokko  haben  wir  ebenfalls  eine  selir  be- 
deutende Niederschlagsabnahme  zu  verzeichnen.  Der  Rand  der 
oberen  Stufen  des  Atlasvorlandes  bringt  hier  die  Wasserdampf- 
massen zur  Verdichtung,  wenn  auch  sicher  nur  zum  geringen 
Teile.  Der  größere  Teil  fällt  sicher  erst  als  Regen  am  Fuße 
des  Marokkanischen  Atlas.  Die  einzige  Station  in  diesem  Gebiet 
geringerer  Niederschläge  ist  Marrakesch ;  sie  weist  als  mittlere 
Jahressumme  237  mm  auf,  also  einen  sehr  geringen  Betrag,  der 
keinen  Anbau  ohne  künstliche  Berieselung  mehr  zuläßt.  Mit 
dem  Ansteigen  des  Marokkanischen  Atlas  ist  dann  auch  eine 
Zunahme  der  Regen  verbunden.  Aus  den  Beobachtungen  des 
Marquis  de  Segonzac  im  Mittleren  und  Hohen  Atlas  kann  man 
für  dieses  Qebiet  etwa  folgendes  herauslesen :  Die  Regenverhält- 
nisse des  Mittleren  und  des  Hohen  Atlas  werden  vorzugsweise 
durch  NW.-,  W.-  und  SW.-Winde  bestimmt.  Hiervon  kann  der 
SW.  seinen  Einfluß  am  weitesten  geltend  machen,  da  das  Ge- 
birge und  also  auch  die  Lücken  in  demselben  in  gleicher  Rich- 
tung verlaufen.  In  Reggou,  am  südöstlichen  Abhänge  des  Mitt- 
leren Atlas  nahe  an  dem  Wed  Muluja  gelegen,  regnete  es  bei 


—    39    — 

SW.  während  des  ganzen  Tages  und  der  Nacht  (27.  Juli).  NW.- 
Winde  können  natürlich  auf  diese  Seite  des  Atlas  als  die  Regen- 
schattenseite keine  Feuchtigkeit  mehr  herbeiführen.   Die  Reise 
de  Segonzacs  in  dem  Tale  des  Muluja,  also  im  Schutze  des 
Mittleren  Atlas,  war  von  gutem  Wetter  begüustigt,  während 
nach  seinem  Übertritt  auf  die  SW.- Seite  sich  auch  wieder  die 
Regen  einstellten.   Besonders  wichtig  fOr  die  Regenverhältnisse 
des  Mittleren  und  Hohen  Atlas  scheinen  die  Gewitter  zu  sein, 
die  hier  im  Sommer  mit  großer  Regelmäßigkeit  abends  beobachtet 
werden.   Bei  seiner  Abreise  von  Azrou  sagt  de  Segonzac  unter 
dem  6.  Juni:  «Wir  kommen  in  die  Region  der  Gewitter.  Man  hat 
ans  mitgeteilt,  daß  wir  in  dieser  Jahreszeit  an  jedem  Tage 
Regen  und  Donner  haben  würden.  Diese  Mitteilung  scheint  sich 
zu  bewahrheiten,  seit  dem  2.  Juni  haben  wir  jeden  Abend  Gewitter 
gehabt**.*)  Diese  Stürme  werden  dann  während  der  Überschrei- 
tung des  Mittleren  Atlas,  der  Besteigung  des  Hohen  Atlas  und 
der  Reise  im  Tale  des  Muluja  bis  nach  Reggou,  also  bis  zum 
28.  Juli  beobachtet.    Auch  später  treten  sie  noch  einige  Male 
auf,  aber  bei  weitem  nicht  mit  dieser  Regelmäßigkeit.  An  den 
57  Tagen  (vom  2.  Juni  bis  28.  Juli)  wurden  an  34  Tagen  Gewitter 
konstatiert;  und  zwar  war  er  an  18  Tagen  von  Regen  oder 
von  Hagel  begleitet.    Da  diese  Gewitter  den  Eingeborenen  be- 
kannt waren,  dürfen  wir  schließen,  daß  sie  in  jedem  Jahre 
wiederkehren;  da  ferner  mit  ihnen  sehr  häufig  Niederschläge 
verknüpft  sind,  die  in  einer  sonst  regenarmen  Zeit  fallen,  sind 
sie  für  die  Bebauung  des  Landes  von  großer  Wichtigkeit.    Sie 
können  auch  dem  Boden  in  vollem  Maße  zugute  kommen,  da 
sie  meist  am  Abend  fallen  und  ihre  Wirkung  nicht  durch  starke 
Verdunstung,  der  sie  am  Tage  ausgesetzt  sein  würden,  wieder 
aufgehoben  werden  kann.    Etwas  über  die  Natur  dieser  Stürme 
zu  sagen,  ist  noch  nicht  möglich.  De  Segonzac  beschränkt  sich 
nur  auf  folgende  Angaben:    „11.  VI.  Heute  Abend  haben  wir 
sogar  zwei  Gewitter  gehabt,  von  denen  das  eine  besonders  heftig 
war.     Diese  meteorologischen  Störungen   stellen  sich  mit  einer 
ganz  einzigartigen  Regelmäßigkeit  und  Plötzlichkeit  ein.   Gegen 
ein  Uhr  sieht  man  im  Süd-Osten  einige  kleine  Wolken  aufsteigen, 
sie  sind  die  Vorläufer  des  Gewitters.   Der  Himmel  überzieht  sich 


^)  de  Segonzac  a.  a.  0.  S.  131. 


—    40    — 

mit  einem  dichten  grauen  Schleier,  der  Wind  erhebt  sich,  das 
Gewitter  bricht  los  unter  Begleitung  von  Regen  und  dauert  eine 
oder  zwei  Stunden.  Alsdann  verschwindet  der  Wolkenvorhang, 
die  Atmosphäre  nimmt  jene  wunderbare  Durchsichtigkeit  an, 
bei  der  das  Auge  fast  unbegrenzt  in  die  Feme  schweifen  kann. 
Die  Dämmerungen  sind  kurz,  die  Nacht  legt  sich  fast  unver- 
mittelt auf  die  Täler  und  auf  die  Ebene,  während  die  entfern- 
teren Spitzen  noch  von  den  Strahlen  der  untergehenden  Sonne 
bestrahlt  werden."  *) 

Daß  die  Verteilung  der  Niederschläge  eng  mit  dem  Relief 
der  Atlasländer  zusammenhängt,  folgt  ganz  augenscheinlich  aus 
einem  Vergleiche  der  Regenkarte  mit  einer  topographischen  Karte. 
Um  diese  Tatsache  noch  anschaulicher  zu  machen,  wurden  drei 
Regenproflle  beigefügt:  Oran-Wed  Namous,  Kap  Bougaroun- 
Schott  Melrir,  Tabarka- Schott  el  Djerid.  Sie  sind  ohne  weiteres 
klar  und  bedürfen  keiner  weiteren  Erklärung. 

Die  jahrliche  Periode  der  Niederschläge. 

Außer  der  mittleren  jährlichen  Menge  der  Niederschläge 
ist  ihre  jahreszeitliche  Verteilung  von  großer  Wichtigkeit.  Da 
Verdunstung  und  absolute  Feuchtigkeit  während  der  Sommer- 
monate am  größten  sind,  so  d&rfte  man  auch  erwarten,  daß 
das  Sommerhalbjahr  größere  Niederschlagsmengen  aufzuweisen 
hat  als  das  Winterhalbjahr.  Diese  Regenverteilung  wäre  also 
die  natürliche  und  ist  auch  für  das  Festland  die  Regel.  Für 
die  Meere,  mit  Ausnahme  der  niederen  Breiten,  gilt  jedoch 
gerade  das  Entgegengesetzte.  Winterregen  sind  also  als  der 
ozeanische,  Sommerregen  als  der  kontinentale  Typus  anzusehen.') 

Im  Mittelmeergebiet  schiebt  sich  der  ozeanische  Typus 
weit  in  die  große  Festlandmasse  Europa-Asien-Afrika  hinein 
und  hat  weite  Landräume  für  sich  erobert.  Th.  Fischer  hat 
1878  den  heute  selbstverständlich  genauer  zu  bestimmenden 
Verlauf  der  Grenzlinien  zwischen  den  Gebieten  mit  ausge- 
sprochenen Sommer-  und  Winterregen  festzulegen  versucht. 
Die  Linie,  innerhalb  der  die  Gegenden  noch  eine  sommerliche 
Regenmenge  von  150  mm  haben,  greift  im  Mittelmeer  auch 
noch  verhältnismäßig  weit  nach  Norden  hinauf.    Südlich  dieser 

»)  De  Segonzac  a.  a.  0.   8. 140. 

')  Sapan,  Physische  Erdkunde  S.  158. 


—    41    — 

Orenzlinie  nehmen  aber  die  sommerlichen  Regenmengen  in  dem 
Maße  ab,  daß  auf  einen  schmalen  Gürtel  mit  regenarmen 
Sommer  ein  sehr  breiter  mit  völlig  oder  so  gut  wie  völlig 
regenlosen  Sommer  folgt.  Rechnet  man  den  Sommer,  der  eine 
geringere  Niederschlagsmenge  als  50  mm  aufzuweisen  hat,  als 
regenlos,  so  hat  die  Polargrenze  im  Mittelmeergebiet  folgenden 
Verlauf:  „Südlich  Coimbra  beginnend  krümmt  sie  sich  über  dem 
Iberischen  Tafellande  bis  zum  42.  Parallel  nach  Norden,  erreicht 
das  Mittelmeer  unter  dem  40.,  schließt  den  Südwesten  von 
Korsika,  Sardinien,  Sizilien  und  ganz  Ealabrien  ein,  dann  den 
Küstensaum  der  Balkan  Halbinsel  südlich  vom  40.  Parallel,  den 
größten  Teil  von  Griechenland  und  Klein- Asien,"  ^) 

Das  Gebiet  der  Atlasländer  liegt  also  innerhalb  dieser 
Grenze,  ist  also  vorzugsweise  ein  Gebiet  der  Winterregen. 
Inwiefern  Ausnahmen  von  dieser  Regel  vorhanden  sind,  wird 
ans  dem  weiteren  Verlauf  der  Darstellung  folgen. 

Wie  kommt  es  aber,  daß  eine  derartige  Verteilung  der 
Niederschläge  in  den  Atla^ländem  eintreten  kann?  Man  sollte 
doch  auch  erwarten,  daß  die  nördlichen  Winde,  die  ebenfalls 
im  Sommer  mit  genügender  Häufigkeit  vom  Mittelmeer  nach 
Afrika  hineinwehen,  reichlichen  Wasserdampf  mit  sich  führen 
sollten  und  so  auch  für  {genügenden  Regen  sorgen  könnten. 
Daß  dem  aber  nicht  so  ist,  liegt  in  den  thermischen  Verhält- 
nissen des  Mittelmeeres  begründet.  Im  Sommer  kommen  die 
Winde  vom  Mittelmeere  dampfärmer  und  mit  relativ  niederer 
Temperatur  an.  Nur  in  den  höher  gelegenen  Teilen  des  Landes 
kann  es  noch  zur  Kondensation  des  Wasserdampfes  kommen. 
Die  geringe  Feuchtigkeit,  die  die  nördlichen  Winde  im  Sommer 
mit  sich  führen,  schlägt  sich  meist  als  Nebel  nieder,  die  den 
Boden  oft  für  den  ganzen  Tag  einhüllen.  Man  hat  dann  nur 
den  Anblick  eines  verschleierten  Himmels,  ohne  daß  es  zu  einem 
Regengusse  kommt.  Zudem  verdampft  die  Hitze  des  Tages  eine 
bedeutende  Menge  der  Bodenfeuchtigkeit,  die  dann  wieder  durch 
die  Kühle  der  Nacht  verdichtet  wird  und  sich  am  Boden  nieder- 
schlägt. In  den  trockenen  Jahren  sind  die  Taufälle  von  großem 
Nutzen  für  die  Vegetation.«) 


'  Th.  Fischer,  Studium  ttber  das  Klima  der  Mittelmeerländer.  S.  9. 
'  Wahl,  L'Algfoie,  Paris  1897  Kap.  IV. 


-     42    — 

Im  ganzen  Küstengebiet  von  Algerien  and  Tunesien  tritt 
die  sommerliche  Trockenheit  scharf  hervor.  Die  Regenzeit 
beginnt  hier  meist  im  September  und  hält  bis  zum  Mai  an. 
Platzregen  können  immerhin  noch  in  den  Sommermonaten  auf- 
treten, aber  ihre  großen  Tropfen  sind  so  schnell  vertrocknet, 
daß  man  sie  gar  nicht  in  Betracht  ziehen  kann,  sie  sind  sozu- 
sagen nur  für  den  Regenmesser  da.  In  den  mittleren  Werten 
für  die  Jahreszeiten  kommen  an  den  meisten  Stationen  noch 
5^/0  der  Gesamtsumme  der  Niederschläge  auf  den  Sommer,  in 
den  einzelnen  Monaten  kann  dieser  Wert  jedoch  bis  auf  0,2, 
ja  0,1^/0  heruntersinken.  Die  anderen  Monate  sind  ziemlich 
ungleichmäßig  mit  Regen  bedacht.  Die  Verteilung  des  Regens 
ist  unregelmäßig  und  in  den  einzelnen  Monaten  sehr  verschieden. 

Eine  Prüfung  der  Tabellen  lehrt,  daß  das  Maximum  des 
Regenfalles  im  westlichen  Algerien,  an  den  Stationen  Nemours, 
Kap  Falcon,  Oran  im  Januar  liegt,  Algier,  Dellys,  Djidjelli, 
La  Galle,  Tabarka,  Bizerta,  Tunis,  also  die  östlicher  gelegenen 
Stationen,  den  meisten  Regen  durchschnittlich  im  Dezember 
aufzuweisen  haben.  (Wenn  auch  einige  dieser  Stationen  ein 
Maximum  im  Januar  haben,  so  steht  ihnen  der  Dezember  doch 
nur  so  wenig  nach,  daß  man  diese  Stationen  wohl  zusammen- 
fassen durfte).  Einige  Stationen,  wie  Tabarka  und  Tunis, 
haben  noch  ein  zweites  nicht  so  stark  hervortretendes  Maximum 
im  März.  Allen  diesen  Stationen  ist  jedoch  noch  gemeinsam, 
daß  bei  einer  Zusammenfassung  der  monatlichen  Mengen  zu 
Jahreszeiten  der  Winter  den  größten  Prozentsatz  hat.  Gehen 
wir  aber  weiter  nach  dem  Innern  zu,  so  verändern  sich  diese 
Verhältnisse  sehr  wesentlich.  Um  diese  Unterschiede  in  der 
Regenverteilung  an  den  verschiedenen  Stationen  kennen  zu 
lernen,  ist  es  vielleicht  angebracht,  einmal  eine  Reihe  von 
Stationen  zu  betrachten,  die  ungefähr  unter  demselben  Meridian 
liegen.  Fassen  wir  also  zuerst  die  Reihe  ins  Auge,  die  uns  die 
Stationen  im  Meridian  von  Oran  darbieten: 

Die  am  Mittelmeergestade  liegenden  Stationen  Nemours, 
Kap  Falcon,  Oran  können  zusammengefast  werden.  An  ihnen 
stimmt  der  jährliche  Gang  der  Regenverteilung  sehr  genau 
überein.  Die  Kurven  weisen  ein  Maximum  im  Januar  und  von 
da  nach  beiden  Seiten  hin  eine  Abnahme  nach  dem  Sommer  zu 
auf.   Das  sommerliche  Minimum  ist  sehr  stark  ausgeprägt,  es 


—    43     - 

liegt  bei  Nemours  mit  0,5  ^/o  im  Juli,  bei  Kap  Falcon  fällt  es 
in  demselben  Monat  sogar  auf  0,3  ^/o,  Oran  hat  im  August  mit 
0,3  ®/o  die  größte  Trockenheit.  In  starkem  Gegensatze  stehen 
liierzu  die  Regenkurven  der  Stationen  Sidi-bel-Abb^s  (475,5  m), 
Saida  (867  m)  und  EI  Aricha  (1330  m).  Das  Wesentliche  ist, 
daß  sich  mit  der  Zunahme  der  Höhe  die  Regenzeit  mehr  in 
den  Frühling  hinein  verlängert  hat,  in  Saida  und  El  Aricha 
fällt  das  Maximum  sogar  in  den  April.  Nach  der  Verteilung 
auf  die  einzelnen  Jahreszeiten  hat  Sidi-bel-Abb^s  noch  ein  sehr 
ausgesprochenes  Wintermaximum  mit  44,5  ^/o,  Saida  weist  im 
Winter  wie  im  Frühling  dieselben  Mengen  auf,  in  Aricha  hat 
jedoch  der  Frühling  mit  38,5  °/o  den  Hauptanteil  an  der  jähr- 
lichen Regenmenge.  Weiter  geht  aus  den  Tabellen  hervor, 
daß  mit  der  Zunahme  der  Höhe  auch  die  sonunerliche  Trocken- 
heit nicht  mehr  so  ausgesprochen  ist,  die  Verteilung  der  Nieder- 
schläge über  das  ganze  Jahr  ist  eine  viel  gleichmäßigere  als 
an  den  Küstenstationen.  Die  weiter  im  Süden  jenseits  der 
Hochplateaus  zum  Teil  schon  im  Sahara- Atlas  gelegenen  Stationen 
zeigen  ebenfalls  ein  stark  ausgeprägtes  Frühlingsmaximum. 
In  den  Reihen  von  M6cheria  und  G6ryville  weist  der  April  die 
größte  Niederschlagsmenge  auf.  Am  Sefra  empfängt  seine  meisten 
Regen  sogar  erst  im  Mai.  Die  Mengen  im  Frühling  sind: 
M6ch6ria  (1176  m)  37,9%,  G6ryville  (1305  m)  41%  und  Ain 
Sefra  (1072  m)  44,9  ^/o.  Neben  den  Frühlingsregen  treten  im 
Sahara-Atlas  noch  die  Herbstregen  deutlich  hervor. 

Ähnliche  Ergebnisse  folgen  aus  den  Reihen  für  die  un- 
gefähr im  Meridian  von  Algier  liegenden  Stationen.  Ten6s  (60  m), 
Algier  (38,5m),  OrleansviUe  (117,1m),  M6d6ah  (917,1m),  Tizi 
Quzou  (234  m)  und  Fort  National  (930,2  m)  empfangen  sämtlich 
den  größten  Teil  ihrer  Niederschläge  als  Winterregen,  wenn 
auch  bei  den  letzten  vier  Stationen  schon  eine  Verlängerung 
der  Regenzeit,  d.  h.  eine  Zunahme  der  Frühjahrsregen  hervor- 
tritt. Sämtlichen  Stationen  ist  ebenfalls  ein  sehr  tiefes  Minimum 
der  Niederschläge  im  Juli  und  August  gemeinsam.  Mit  der  Sta- 
tion T6niet-el-Haad  (1139  m)  wird  dann  wieder  die  Region  der 
Frühjahrsregen  erreicht.  Hier  entfallen  auf  die  verschiedenen 
Jahreszeiten  an  Regen:  Winter  32,7%,  Frühling  37,2^/0,  Som- 
mer 1,8  ^/o  und  Herbst  24,5%.  Das  sommerliche  Minimum  tritt 
hier  noch  stark  hervor.    Weiter  nach  Süden,  an  den  Stationen 


—    44    — 

Bon  Saada,  Djelfa  und  Laghouat,  ist  es  wesentlich  gemildert. 
Der  Anteil  des  Sommers  an  den  Regen  beträgt  hier  noch  18,1, 
14,9  and  15,4  ^/o.  Das  Frühlingsmaximum  ist  jedoch  ähnlich 
dem  von  Teniet-el-Haad  vorhanden. 

Ein  weiteres  Profil  könnte  man  in  gleicher  Weise  nun  noch 
mittels  der  weiter  nach  Osten  gelegenen  algerischen  Stationen 
konstruieren,  aber  es  mag  die  Angabe  genügen,  daß  die  zu 
findenden  Ergebnisse  vollständig  mit  den  bereits  gefundenen 
übereinstimmen.  Nähere  Betrachtung  sollen  jedoch  noch  die 
Verhältnisse  des  östlichsten  Teiles  der  Atlasländer  finden,  in- 
dem wir  auch  hier  in  ähnlicher  Weise,  wie  wir  es  bei  den 
algerischen  Stationen  getan  haben,  die  Kurven  der  jährlichen 
Regen  Verteilung  von  der  Küste  aus  nach  dem  Süden  zu  fort- 
schreitend betrachten.  Die  Küstenstation  Tabarka  hat  ihr  Maxi- 
mum im  Dezember  mit  einem  nur  wenig  geringeren  zweiten 
Maximum  im  März,  die  Regenmenge  des  Winters  mit  46,2^0 
steht  über  der  der  übrigen  Jahreszeiten.  Der  Sommer  ist  äußei^st 
trocken,  nur  3,3^0  des  Gesamtniederschlags,  davon  entfallen 
1,6^/0  allein  auf  den  Juni.  Die  Kurve  der  Station  mit  der 
größten  jährlichen  Niederschlagsmenge,  Ain  Draham,  hat  einen 
sehr  einfachen  Verlauf  mit  dem  Maximum  im  Dezember,  dem 
Minimum  im  Juli.  Die  folgenden  Stationen  Feidja  Grandprey, 
Souk  el  Arba,  Souk  el  Khmis,  Sidi  Youssef  haben  ebenfalls 
noch  das  Niederschlagsmaximum  im  Winter.  Den  37,7  ^/o  Anteil 
an  der  Jahressumme  bei  Souk -el- Arba  und  den  33,8  ®/o  bei 
Souk -el- Khmis  stehen  aber  schon  für  dieselben  Stationen  an 
Frühlingsregen  35,2  ^/o  und  32,7  ®/o  entgegen.  Hier  stehen  also 
die  im  Frühjahr  fallenden  Regen  den  Winterregen  nur  sehr 
wenig  nach.  In  Le  Kef  haben  dann  die  Frühjahrsregen  die 
Winterregen  wieder  an  Stärke  überholt,  und  dieses  Regen- 
regime bleibt  weiter  nach  Süden  hin  bis  nach  Gafsa,  ja  bis  in 
die  Gegend  des  Schott  Djerid  bestehen.  An  allen  in  diesem 
Teile  liegenden  Stationen,  wie  Souk  el  Djemmaä,  Feriana,  Gue- 
mouda,  Gafsa,  Tozeur,  Nefta,  überwiegen  die  Regen  im  Frühjahr. 

Über  die  jährliche  Regenverteilung  der  an  dem  Ostabhange 
des  Atlas  und  in  der  sich  ihm  vorlagernden  Küstenebene  liegen- 
den tunesischen  Stationen  sei  hier  nur  ganz  weniges  angeführt, 
im  übrigen  muß  auf  die  Tabellen  verwiesen  werden.  Tunis  weist 
ein  sehr  deutlich  ausgesprochenes  doppeltes  Maximum  im  März 


—    46    — 

und  im  Dezember  auf.  In  Mactar,  Kairouan  und  Sousse  sind 
die  starken  Herbstregen,  in  Zaghouan  die  Frtthlingsregen  noch 
zu  erwähnen. 

Faßt  man  die  in  den  vorhergehenden  Ausfahrungen  gewon- 
nenen Tatsachen  noch  einmal  kurz  zusammen,  so  kann  man 
sie  dahin  vereinigen:  Die  für  das  Mittelmeer  charakteristische 
periodische  Regen  Verteilung  ist  in  dem  algerischen  und  tunesi- 
schen Küstengebiet  ganz  besonders  ausgesprochen,  mit  einem 
Maximum  der  Niederschläge  im  Winter  und  einem  tiefen  Mini- 
mum im  Sommer.  Mit  der  Zunahme  der  Höhe  wird  die  Regen- 
armut der  Sommermonate  etwas  gemildert;  zu  gleicher  Zeit 
verschieben  sich  die  Hauptregen  nach  dem  Frühling  zu.  In 
manchen  Gegenden  ist  dies  so  ausgeprägt,  daß  das  Maximum 
der  Niederschläge  auf  den  Frühling  fällt. 

Das  Gebiet  mit  ausgesprochenen  Frühlingsregen  schließt 
demnach  in  Algerien  die  südlichen  Ketten  des  Teil-Atlas,  die 
Hochplateaus  und  den  Sahara  -  Atlas ,  in  Tunesien  Zentral- 
tunesien südlich  von  Medjerdah  bis  zum  Schott-Djerid  in  sich  ein.^) 

Die  Erklärung  für  diese  eigenartigen  Verhältnisse  liegt 
in  folgendem:  „Die  Wasserdünste  und  Wolken,  die  aus  dem 
Mittelmeere  kommen,  verdichten  sich  im  Winter  hauptsächlich 
an  der  wenngleich  niedriggelegenen  Küste,  denn  diese  erste 
Landfläche,  mit  der  sie  zusammentreffen,  ist  kalt.  Im  Frühling, 
wenn  die  Erde  sich  erwärmt^  übersteigen  die  Dünste  diese  und 
verdichten  sich  über  den  Plateaus,  die  wegen  ihrer  Höhe  noch 
kalt  sind.  Im  Sommer  widersetzt  sich  die  hohe  Temperatur 
7on  Luft  und  Erde  jeglicher  Verdichtung  längs  der  ganzen 
Küste  (Gewitter  ausgenommen);  sie  lassen  sich  nur  mehr  auf 
den  höchsten  Plateaus  nieder,  allein  der  größere  Teil  der 
Wasserdünste  verteilt  und  verliert  sich  im  großen  Luft-Ozean 
durch  die  Saharawüste  und  ganz  Inner-Afrika.  Im  Herbst 
endlich,  wo  die  Erde  sich  allmählich  wieder  abkühlt,  ist  die 
Regenmenge,  die  auf  die  Küste  fällt,  relativ  größer  als  die, 
welche  auf  den  höheren  Plateaus  statthaben  kann.^) 

Mit  Absicht  sind  die  Verhältnisse  der  jährlichen  Regen- 
verteilung an  den  marokkanischen  Stationen  bis  jetzt  von  der 


')  Vergl.  die  Karten:  Verteilang  der  Gebieten  mit  Frühlingsregen. 
')  Raulin,  Über  das  Regensystem  Algeriens.  Met.  Zeitschr.  V.   S.  499. 


—    46     - 

Betrachtung  ausgeschlossen  worden.    Da  die  Regen  in  diesem 
Teile  des  Atlasgebietes  unter  anderen  Bedingungen  zustande 
kommen,  schien  auch  ihre  jährliche  Verteilung  eine  gesonderte 
Betrachtung  zu  erfordern.     Die  Niederschläge  sind  auch  auf 
marokkanischem  Gebiete  durchaus  periodischer  Natur,  doch  ist 
ein  Unterschied   zwischen  dem  nördlichen  und  dem   südlichen 
Teil  Marokkos  festzustellen.    Im  Norden  weisen  die  Sommer- 
monate immerhin   noch  eine,  wenn  auch  nur  geringe  Nieder- 
schlagsmenge im  Mittel  mehrerer  Jahre  auf.    So  fällt  nach  den 
Beobachtungen  auf  Kap  Spartel  in  den  Monaten  Juli  und  August, 
die  die  geringsten  Niederschläge  haben,  noch  eine  Regenmenge, 
die  0,3  ^/o   der  gesamten  Jahresmenge  ausmacht.    Die  Mittel- 
weite  der  Stationen  Saffi  und  Mogador  geben  dagegen  Juli  und 
August  als  vollkommen  regenlos  an.    In  den  einzelnen  Jahren 
kann  die  Trockenheit  jedoch  noch,  wie  später  gezeigt  werden 
wird,   eine   bei   weitem   längere   Dauer    erreichen.     Nach   der 
längeren  Beobachtungsreihe  auf  Kap  Spartel  fällt  das  Maximum 
des  Niederschlags  auf  den  November,  von  da  nimmt  die  Menge 
zum  Februar  hin  ab,  um  im  März  wieder  etwas  zu  steigen. 
Tanger  weist  nach  den  vorliegenden  Beobachtungen   allerdings 
eine  wesentlich  andere  Regenverteilung  auf,  was  aber  auf  die 
Kürze  der  Beobachtungen  zurückzuführen  sein  dürfte.    Auch 
die  Reihen  vou  Saffi  und  Gasablanca  sind  noch  zu  ungenau,  um 
sichere  Schlüsse  auf  die  jährliche  Verteilung  der  Regen  zuzu- 
lassen.    In  Mogador  ist  die  Verteilung  eine  derartige,  daß  das 
Hauptmaximum  im  Dezember  erreicht  wird,  ein  zweites  Maxi- 
mum  dann   aber    nochmals   im   März    auftritt.     Allen '  diesen 
Küstenstationen,  die  einigermaßen  sichere  Beobachtungsreihen 
aufzuweisen  haben,  ist  gemeinsam,  daß  die  Summe  der  winter- 
lichen  Niederschläge    sich   bedeutend    gegen   die   der   übrigen 
Jahreszeiten  abhebt.    Bei  der  im  Innern  des  Landes  gelegenen 
Station  Marrakesch  kommt  jedoch  die  Menge  der  Frühlings- 
regen derjenigen  der  Winterregen  sehr  nahe;  auf  den  Winter 
entfallen  36,7  %,  auf  den  Frühling  34,6  ^lo.     Die  Verteilung  in 
den  einzelnen  Monaten  weist  ein  Herbstmaximum  im  November 
und  ein  Frühjahrsmaximum  im  März  auf.     Es  findet  hier  also 
dieselbe  Verschiebung  in  der  jährlichen  Verteilung  der  Nieder- 
schläge statt,  wie  wir  sie  schon  beim  Vordringen   nach  dem 
Innern  zu  in  Algerien  und  Tunesien  feststellen  konnten.     Die 


-     47    — 

sommerliche  Trockenzeit  ist  im  Innern  wesentlich  kürzer  als 
an  der  Küste.  In  Marrakesch  setzen  sich  die  Regen  zuweilen 
noch  bis  in  den  Jani  hinein  fort,  (Juni  1900  hatte  noch 
26,3  mm  Niederschlag).  Ganz  ausnahmsweise  kann  auch  der 
Juli  noch  eine  größere  Menge  aufweisen  (im  Juli  1904  wurden 
noch  19,5  mm  gemessen.)  Die  Trockenheit  dauert  meist  nur 
bis  Mitte  September,  die  Monate  September  der  Jahre  1901 
und  1904  hatten  bereits  wieder  16,3  und  14  mm  Niederschlag. 
Die  vorjährige  Regenzeit  hat  zwar  erst  im  Oktober  eingesetzt, 
aber  in  ganz  besonders  starkem  Maße.  Seitdem  die  Beobach- 
tungen angestellt  werden,  hat  man  noch  keinen  so  regen- 
reichen Oktober  wie  den  vorjährigen  gehabt.  Die  Regen  ver- 
teilen sich  auf  zwei  Perioden,  vom  11.  bis  16.  und  vom  23.  bis 
26.  Oktober.  Die  Gesamtsumme  des  Monats  an  Niederschlägen 
beträgt  109,7  mm. 

Aus  dem  Innern  von  Nordmarokko  liegen  allerdings  leider 
noch  keine  Messungen  vor,  aber  nach  den  Mitteilungen  der 
einzelnen  Reisenden  herrschen  hier  dieselben  Verhältnisse,  wie 
wir  sie  in  Marrakesch  vorfinden.  „Nach  dem  gewöhnlichen 
Verlauf  der  Dinge  sollen  die  Frühjahrsregen  das  Hauptereignis 
des  Wetterjahres  und  die  wichtigste  Vorbedingung  für  eine  gute 
Ernte  sein.  Sie  setzen  meist  Ende  Dezember  ein  und  dauern 
dann,  mit  einer  sehr  merklichen  Unterbrechung  im  Januar,  bis 
in  den  Mai  hinein.'^  ^)  De  Segonzac  beobachtete  in  Nordmarokko 
die  ersten  Regen  nach  der  eben  erwähnten  Unterbrechung  der 
Regenzeit  im  Januar  am  31.  Januar.  Wie  die  Regenverteilung 
sich  in  den  höheren  Gebirgsgegenden  verhält,  darüber  wissen 
wir  noch  fast  gar  nichts.  Wir  sind  nur  auf  die  spärlichen 
Berichte  der  wenigen  Reisenden  angewiesen,  die  in  das  Gebirge 
vorgedrungen  sind.  Aus  diesen  Angaben  geht  nun  aber  mit 
ziemlicher  Bestimmtheit  hervor,  daß  die  Regen  sich  hier  sehr 
weit  in  den  Sommer  hinein  ausdehnen  können,  ja  daß  sie  häufig 
als  Begleiter  der  Gewitter  in  allen  Monaten  auftreten.  Im 
Innern  sind  Gewitter  eine  sehr  häufige  Erscheinung  und  vor- 
zugsweise gehen  in  ihrer  Begleitung  Regengüsse  nieder.  Nach 
de  Foncauld  begann  im  Hohen  Atlas  die  Regenzeit  Mitte 
Oktober.    Es  regnete  von  Ende  Oktober  bis  Mitte  November 

>)  Genthe,  Marokko.    S.  79. 


—    48    — 

fast  täglich  bei  Tazenacht,  das  1500  m  hoch  im  Quellbecken 
des  Draa,  also  schon  jenseits  der  Hauptkette  liegt.  Auf  die 
Dauer  der  Regenzeit  läßt  sich  aus  den  Aufzeichnungen  des 
Marquis  de  Segonzac  schließen.  Im  mittleren  Atlas  wurden 
noch  häufige  Regenfälle  bis  gegen  Ende  Juni  beobachtet,  auf 
dem  weiteren  Marsche  im  Tale  des  Muluja  zwischen  dem  Hohen 
Atlas  und  Mittleren  Atlas  kam  es  noch  an  mehreren  Tagen  im 
Juli  zu  Regenfällen.  Vereinzelte  Regen  fielen  sogar  auch  noch 
im  August.  Ende  August  begann  dann  schon  wieder  die  Regen- 
zeit am  Mittleren  Atlas,  der  22. — 26.  und  der  28. — 31.  August 
waren  sämtlich  Regentage. 

Fttr  die  Verteilung  der  Regenmengen  auf  die  verschiedenen 
Monate  hat  Angot  einen  sehr  deutlichen  Ausdruck  aufgestellt. 
Er  beruht  darauf,  daß  man  die  Regenmenge  eines  Monats  in 
Prozenten  der  Jahressumme  ausgedrückt  mit  dem  Prozentsatz 
vergleicht,  der  diesem  Monate  im  Verhältnis  zu  seiner  Länge 
zukommen  würde,  wenn  die  Regen  ganz  gleichmäßig  über  alle 
Monate  gleich  verteilt  sein  würden.  Die  Differenz  zwischen 
beiden  Zahlen  wird  der  relative  Exzess  des  Regenfalles  in  dem 
betreffenden  Monat  genannt.  Die  Monate  mit  positiver  Differenz 
sind  nasse  Monate,  die  mit  negativer  Differenz  sind  trockene 
Monate.  Statt  der  Differenzen  kann  man  aber  auch  den 
Quotienten  bilden  und  erhält  dann  das  Verhältnis  der  wirklich 
gemessenen  mittleren  Regenmenge  eines  Monats  zu  jener,  welche 
diesem  Monate  bei  ganz  gleichförmiger  Verteilung  über  das 
Jahr  zukommen  würde.  Angot  nennt  diesen  Quotienten  den 
relativen  pluviometrischen  Koeffizienten.  Ist  derselbe  größer 
als  1,  so  ist  der  Monat  relativ  naß,  ist  er  kleiner  als  1, 
relativ  trocken.*) 

Die  Bestimmung  des  pluviometrischen  Koeffizienten  ist 
auch  für  vorliegende  Arbeit  durchgeführt  worden,  doch  hat  man 
von  einer  Bestimmung  desselben  für  die  einzelnen  Monate  abge- 
sehen und  die  Berechnung  nur  für  die  Jahreszeiten  ausgeführt. 

Ein  allgemeiner  Überblick  der  Tabelle  zeigt  die  ausge- 
sprochene Tatsache,  daß  der  Sommer  in  den  Atlasländern  sehr 
trocken  ist,  und  zwar  in  dem  Maße,  daß  die  tiefergelegenen 
Stationen  größere  sommerliche  Trockenheit  zeigen  als  die  höher 


^)  Hann,  Lehrbach  derlieteorologie,  II.  Auflage,  S.  252. 


gelegenen.  Der  winterliche  Überschuß  an  R^en,  die  Gebiete 
mit  FrQblingsregen  treten  auch  deutlich  hervor.  Diese  Ergeb- 
nisse decken  sich  also  vollständig  mit  den  schon  früher  ge- 
fundenen, es  genüge  daher  nur  dieser  kurze  Hinweis. 

Diese  in  den  vorhergehenden  AusfUhrangen  dargestellte 
Verteilung  der  Niederschläge  in  den  einzelnen  Monaten  findet 
in  Wirklichkeit  nur  höchst  selten  statt.  Der  Gang  der  Nieder- 
schläge ist  in  den  verschiedenen  Jahren  sehr  verschieden.  Das 
Maximum  der  monatlichen  Mengen  liegt  durchaus  nicht  immer 
in  ein  und  demselben  Monat,  es  finden  hierbei  im  Gegenteil 
ganz  bedeutende  Abweichungen  statt.  Zur  Veranschanlichung 
dieser  Verhältnisse  mf^  folgende  kleine  Tabelle  dienen.  Es  sind 
hierbei  nur  wenige  Stationen  herausgegriffen,  doch  liegen  sie 
über  das  ganze  Gebiet  zerstreut  und  verra&gen  also  sehr  wohl 
einen  guten  Überblick  zu  geben.  Die  Tabelle  besagt,  wievielmal 
das  Mazimam  der  jährlichen  Regenperiode  auf  einen  bestimmten 
Monat  gefallen  ist.  Die  Zahlen,  die  den  Slationsnamen  in 
Klammem  beigefügt  sind,  geben  die  Anzahl  der  Jahrgänge  an, 
die  der  Auszählung  zugrunde  liegen. 


Das  Regenmaximnm  schwankt  im  allgemeinen  zwischen 
den  Monaten  November  bis  März  bin  und  her.  An  den  Stationen 
mit  Regen  im  FrQhjabr  verschiebt  es  sich  jedoch  auch  häufig 
bis  in  den  April  und  Mai  hinein,  ja  Ain  Sefra  hat  in  den 
Jahren  1895  und  1899  Aas  Maximum  sogar  im  Juni;  dasselbe 
var   bei    Laghouat  im  Jahre  1900  der  Fall.    Als  Gegenstück 


-    60    — 

daza  setzte  1886  die  Regenzeit  an  der  letztgenannten  Station 
so  kräftig  ein,  daß  in  diesem  Monat  schon  das  Maximnm 
erreicht  wnrde. 

Interessant  ist  anch  ein  Vergleich  zwischen  der  größten 
nnd  der  kleinsten  Regenmenge,  die  die  einzelnen  Monate  im 
Lanfe  einer  l&ngeren  Reihe  erhalten  haben.  Man  hat  zn  diesem 
Zwecke  die  monatlichen  Maxima  nnd  Minima  von  einer  Reihe 
Stationen,  die  fiber  möglichst  lange  nnd  vollständige  Beobach- 
tungen verfQgen,  zusammengestellt.  Die  Tabelle  ist  ohne 
weiteres  verständlich,  allen  Gegenden  sind  sehr  große  Schwan- 
kungen in  den  Monatsmengen  gemeinsam.  Die  größte  Monats- 
menge, die  im  Atlasgebiet  in  dem  Zeitraum  1886—1900  gefallen 
ist,  ist  die  auf  der  Station  Ain  Draham  gemessene  Menge  des 
Januar  1891,  die  1155  mm  beträgt.  Diese  Menge  fiel  in  einem 
Zeitraum  von  13  Tagen.  ^) 

Auch  die  Mengen,  die  die  einzelnen  Regenperioden  auf- 
weisen, sind  meist  sehr  verschieden.  Trockene  und  nasse 
Jahre  wechseln  immer  mit  einander  ab,  oder  die  Trockenheit 
und  die  größere  Feuchtigkeit  halten  ffir  mehrere  Jahre  an, 
so  daß  trockene  und  nasse  Perioden  aufeinanderfolgen.  Nicht 
allzu  selten  kommt  es  vor,  daß  ganz  besonders  trockene  und 
ganz  besonders  nasse  Jahrgänge  einander  ablösen.  Die  lange 
BeobachtUDgsreihe  von  Algier  gibt  hierfür  eiuige  schöne  Beispiele  : 

1844/45  882  mm  1856/57        1049  mm 

45/46  291     „  57/58  581     „ 

46/47  826     „ 

47/48        1072     ,  1860/61  796     „ 

48/49  588     „  61/62  374     „ 

Auch  an  allen  übrigen  Stationen  kehren  diese  Verhält- 
nisse in  mehr  oder  minder  stark  ausgeprägter  Weise  wieder. 

In  den  Reihen  der  monatlichen  Verteilung  der  Niederschläge 
an  den  einzelnen  Stationen  wiesen  auch  die  Sommermouate  noch 
im  Mittel  eine  gewisse,  wenn  auch  meist  sehr  geringe  Niederschlags- 
menge auf.  Dies  gibt  aber  eigentlich  nur  in  sehr  schlechter 
Weise  den  wirklichen  Zustand  wieder  und  kann  auch  leicht  den 
Anschein  erwecken,  daß  es  auch  in  den  Sommermonaten  noch 
regelmäßig  zu  einer  ganz  schwachen  Regenbildung  komme.   In 


^)  Ginestoos,  Les  plaies  en  TunlBie,  S.  57. 


—    61    — 

Wirklichkeit  liegen  aber  die  Verhältnisse  ganz  anders.  Die 
mittleren  Zahlen  werden  sehr  durch  einzelne  starke  Gewitter- 
regen beeinflaßt,  sie  sind  jedoch  nicht  das  Normale.  Es  ist 
deshalb  für  gat  befunden  worden,  einige  längere  Beobachtungs- 
reihen auf  diese  sommerlichen  Trockenperioden  hin  durchzu- 
sehen. Hierbei  wurden  zwei  Stufen  unterschieden,  einmal  die 
Sommer,  die  eine  Niederschlagssumme  von  20  mm  und  weniger 
haben,  und  dann  die  Sommer,  die  vollkommen  niederschlagslos 
sind.  In  ihrer  Wirkung  könnte  man  die  Sommer  mit  einer 
geringeren  Niederschlagsmenge  als  20  mm  allerdings  auch  als 
niederschlagslos  bezeichnen,  denn  diese  geringen  Regen  nützen 
der  Vegetation  fast  gar  nichts,  sie  tragen  nichts  zur  Durchfeuchtung 
des  Bodens  bei,  sondern  fallen  bald  der  starken  Verdunstung 
anheim.  (Die  eingeklammerten  Zahlen  bezeichnen  wieder  die 
Anzahl  der  Jahrgänge.) 


Anzahl  der  Sommer  mit  einer  Regensamme. 


<  20  mm 

=  0  mm 

Cap  Sparte! 

(11) 

5 

'           1 

Megador 

(11) 

11 

6 

Oran 

(16)   . 

12 

4 

Sidi  bei  Abb^ 

(15) 

10 

2 

Algier 

(15) 

10 

0 

Fort  National 

(16) 

6 

0 

Ain  Sefra 

(11) 

8 

0 

Laghouat 

(15) 

8 

0 

Bizerta 

(14)  . 

9 

1 

Tnnifl 

(8)   , 

4 

0 

Mactar 

(9)   . 

0 

0 

«  «          -rr«            *        • 

^  • 

1    t 

m     1       11           1  •«  / 

ll          »1              .    . 

Als  Ergebnis  dieser  kleinen  Tabelle  läßt  sich  ungefähr 
folgendes  sagen:  Die  Häufigkeit  der  Trockenperioden,  sowohl 
der  absoluten  als  auch  derjenigen  mit  geringen  Niederschlägen, 
nimmt  von  Westen  nach  Osten  und  von  der  Küste  nach  dem 
Innern,  also  mit  der  Höhe,  ab.  Für  das  Innere  Marokkos  läßt 
sich  ebenfalls  aus  den  Beobachtungen  von  Marrakesch  sagen, 
daß  hier  die  Trockenperioden  nicht  mehr  die  Häufigkeit  haben, 
mit  der  sie  an  der  Küste  Südmarokkos  auftreten.  In  fünf 
Jahren  hatten  drei  Sommer  eine  geringere  Niederschlagsmenge 
als  20  mm,  und  ein  Sommer  war  vollkommen  niederschlagslos. 

4* 


—    62    — 

Auf  Kap  Sparte!   treten  natürlich  mit  dem  größeren  Regen- 
reichtum  auch  die  Trockenperioden  bedeutend  zurück. 

Hin  und  wieder  kommt  es  jedoch  auch  vor,  daß  die  Trocken- 
zeit Ober  die  Sommermonate  herausreicht,  so  daß  eine  alleinige 
Betrachtung  der  niederschlagsarmeren  oder  niederschlagslosen 
Sommer  die  mögliche  Länge  einer  solchen  Trockenperiode  nicht 
vollkommen  würdigen  läßt.  In  Mogador  ist  z.  B.  die  Zeit  vom 
Mai  bis  September  1894  vollkommen  niederschlagslos  gewesen. 
Die  vorhergehende  Regenperiode  schloß  am  9.  April  mit  2,5  mm, 
die  Herbstregen  setzten  erst  am  8.  Oktober  mit  2,7  mm  ein,  es 
fiel  also  nahezu  sechs  Monate  lang  kein  Regen.  Diese  lange 
Trockenzeit  wiederholte  sich  dann  nochmals  während  derselben 
Zeit  im  Jahre  1902.  Oran  weist  nur  eine  viermonatliche  nieder- 
schlagslose Zeit  in  1898  auf.  An  den  übrigen  Stationen  umfassen 
die  Trockenperioden  in  den  Jahrgängen  1886/1900  nur  die 
Sommermonate.  Dies  wurde  allerdings  nur  nach  den  Monats- 
summen festgestellt,  die  eigentliche  Trockenperiode  kann  also 
möglicherweise  ihren  Anfang  schon  im  Mai  und  ihr  Ende  erst 
im  Laufe  des  September  haben,  wodurch  ihre  Dauer  sich  natür- 
lich Vergrößert. 

Anzahl  der  Regentage,  ßegenwahrscheinliehkeit. 

Von  großer  Wichtigkeit  für  die  Darstellung  der  Regen- 
verhältnisse eines  Ländergebietes  ist  auch  die  Angabe  der  An- 
zahl der  Regentage.  Gerade  für  die  Vegetation  ist  es  sehr  von 
Bedeutung,  ob  die  jährliche  Regenmenge  langsam  an  vielen 
Tagen  oder  rasch,  in  heftigen  Güssen,  an  wenigen  Tagen  fällt. 
Den  Quotient  aus  der  Anzahl  der  Regentage  einer  Periode 
dividiert  durch  die  Gesamtheit  der  Tage  der  betreffenden  Periode 
nennt  man  die  Regen  Wahrscheinlichkeit. 

Die  Mittelwerte,  die  für  die  einzelnen  Stationen  berechnet 
worden  sind,  konnten  natürlich  nicht  alle  aus  ein  und  derselben 
Periode  abgeleitet  werden,  man  war  jedoch  darauf  bedacht, 
nur  möglichst  lange  Beobachtungsreihen  hierzu  zu  verwenden. 
Dies  war  um  so  leichter,  da  für  die  Zeiten,  während  der  die 
regelmäßigen  Regenmessungen  aussetzten,  doch  noch  in  den 
meisten  Fällen  die  Anzahl  der  Tage  mit  Regen  notiert  wurde. 
Auch  muß  man  bedenken,  daß  es  zur  Ableitung  eines  einiger- 


-    53    — 

maßen  sicheren  Mittelwertes  der  Anzahl  der  Regentage  ffir 
einen  bestimmten  Ort  nicht  einer  so  langen  Beobachtnngsreihe 
bedarf  wie  sie  zu  einem  Mittel  der  jährlichen  Regensnmme  nötig, 
ist.  Hier  ist  die  obere  Grenze,  die  der  Mittelwert  erreichen 
kann,  sozusagen  unbegrenzt,  während  die  Anzahl  der  Nieder- 
schlagstage ihre  obere  Grenze  in  der  Anzahl  der  Monatstage 
findet. 

Sehr  auffallend  ist  in  dem  ganzen  Gebiet  die  geringe  An- 
zahl der  Tage  mit  Regen,  auch  in  den  Teilen,  wo  die  Jahres- 
summe beträchtlicher  ist.  Die  größte  Anzahl  der  Regentage  im 
Jahre  hat  Djidjelli  zu  verzeichnen.  Sie  beträgt  aber  auch  hier 
nur  133,  was  eine  Niederschlags  Wahrscheinlichkeit  von  0,36 
bedeutet,  oder  mit  anderen  Worten:  auf  100  Tage  kommen 
36  Tage  mit  Niederschlag.  An  diese  Zahl  reichen  nur  wenige 
Stationen,  wie  Algier,  Rouiba,  Fort  National,  Tebessa,  Mateur, 
mehr  oder  weniger  nahe  heran,  die  anderen  folgen  erst  in 
weiten  Abständen.  Mehr  als  die  Hälfte  der  Stationen  weist 
noch  nicht  einmal  100  Regentage  im  Jahre  auf.  Dies  ganze  ist  ein 
Beweis  dafttr,  daß  in  den  Atlasländern  die  Regen  nicht  wie  bei 
uns  sozusagen  tropfenweise,  sondern  in  heftigen,  starken  Güssen 
fallen.  In  Marokko  scheint  die  Anzahl  der  Tage  mit  Regen 
besonders  klein  zu  sein.  Sie  nimmt  von  Norden  nach  Süden  ab, 
Tanger  hat  95,  Mogador  51.  Marrakesch  hat  im  Mittel  55  Tage 
mit  Regen  gezählt.  An  der  algerischen  Küste  werden  diese 
geringen  Beträge  nicht  erreicht.  An  den  Küstenstationen  nimmt 
die  Regenhäufigkeit  von  Westen  nach  Osten  zu:  Nemours  97, 
Algier  125,  Tabarka  113  Regentage  im  Jahre.  Die  auf  den 
Höhen  des  Teil-Atlas  und  in  seinen  Längstälern  gelegenen  Sta- 
tionen stehen  den  Küstenstationen  noch  nahezu  gleich.  Dann 
nimmt  die  Regenwahrscheinlichkeit  nach  dem  Innern  zu  ab. 
Von  den  Stationen  im  westlichen  Teil  des  Sahara-Atlas  hat 
keine  100  Regentage  im  Jahr  aufzuweisen.  Nur  Batna  und 
Tebessa  im  östlichen  Teile  erreichen  110  und  sogar  132.  Wenn 
diese  Zahlen  jetzt  auch  noch  nicht  als  feststehend  angesehen 
werden  können,  so  kommt  doch  auch  hier  die  größere  Nähe 
des  Meeres  neben  der  Höhe  und  der  Lage  vor  dem  hohen  Aures- 
gebirge  zum  Ausdruck.  Auch  in  Tunis  nimmt  die  Regenwahr- 
scheinlichkeit schnell  von  Norden  nach  Süden,  sowohl  in  dem 
gebirgigen  Teile   als  auch  in   dem  flacheren  Küstengebiete,  ab. 


—    54    — 

Nördlich  vom  Medjerdah  finden  wir  noch  Stationen  mit  100  und 
mehr  Niederschlagstagen  im  Jahr,  südlich  davon  verteilt  sich 
die  jährliche  Regenmenge  nnr  auf  70 — 80  Tage  im  Mittel,  noch 
weiter  nach  Süden  sinkt  dann  diese  Zahl  auf  50,  ja  an  einigen 
Orten  auf  40  herab. 

In  den  einzelnen  Monaten  erreicht  die  Regen  Wahrschein- 
lichkeit natürlich  erheblich  größere  Beträge.  In  den  Winter- 
monaten ist  es  gar  nichts  seltenes,  daß  im  Mittel  jeder  zweite 
Tag  ein  Regentag  ist.  Ziemlich  gering  ist  die  Regenhäufigkeit 
an  den  marokkanischen  Eüstenstationen.  Nach  der  kurzen 
Reihe  von  Tanger  wäre  allerdings  im  März  jeder  zweite  Tag  ein 
Regentag,  doch  ist  dem  aus  den  aui  Kap  Spartel  angestellten 
Beobachtungen  abgeleisteten  Mittelwerte  größere  Sicherheit  bei- 
zulegen, wonach  der  März  13  Tage  mit  Regen  aufzuweisen  hat. 
Denselben  Wert  hat  allerdings  auch  der  Dezember  der  Reihe 
von  Casablanca,  doch  die  Werte  dieser  Reihe  stimmen  noch 
so  wenig  mit  den  übrigen  längeren  Reihen  überein,  daß  sie 
noch  sehr  weit  von  ihrem  Mittelwert  entfernt  zu  sein  scheinen, 
was  sich  natürlich  aus  der  Kürze  der  Reihe  erkläii.  An  den 
übrigen  Stationen  werden  diese  Werte  nicht  erreicht,  9  Regen- 
tage in  einem  Monat  dürfte  wohl  der  höchste  Mittelwert  auch 
aus  längeren  Beobachtungsreihen  bleiben.  In  Marrakesch  erreicht 
die  Regenwahrscheinlichkeit  mit  0,25  im  Februar  ihren  höch- 
sten Wert.  An  der  algerischen  Mittelmeerküste  ist  sie  an  allen 
Stationen  in  den  Wintermonaten  sehr  groß.  Sie  übersteigt  im 
Mittel  für  die  Jahreszeit  längs  der  ganzen  Küste  und  auch  an 
den  schon  höher  im  Teil  Atlas  gelegenen  Stationen  0,30.  Die 
höchsten  Werte  erreicht  sie  in  Rouiba  mit  0,51,  Djidjelli  mit 
0,52,  La  Galle  mit  0,52,  Tabarka  mit  0,54  und  Ain  Draham 
mit  0,54.  Und  dies  schon  im  Mittel  der  3  Wintermonate.  Für 
die  einzelnen  Monate  erhöhen  sich  zum  Teil  diese  Werte  noch 
sehr.  In  Rouiba  haben  der  März  und  der  Januar  eine  Regen- 
wahrscheinlichkeit von  0,55,  in  Djidjelli  ist  dieser  Wert  für 
den  Februar  sogar  0,61.  Ähnlich  große  Regenhäufigkeit  weisen 
noch  viele  andere  Stationen  auf,  wie  aus  den  Tabellen  zu  er- 
sehen ist.  Im  Sommer  ist  die  Niederschlagswahrscheinlichkeit 
überall  sehr  gering.  Es  treten  hier  nur  die  höher  gelegenen 
Stationen  hervor,  die  sich  auch  in  bezug  auf  die  Regenmenge 
schon  aus  den  übrigen  Stationen  hervorheben. 


—    56    — 

Die  SchneeTerhältnisse. 

Über  das  Vorkommen  der  Niederschläge  in  fester  Form 
stand  mir  wirkliches  Beobachtnngsmaterial  nur  in  sehr  be- 
schränktem Maße  zur  Verfügung.  Zugänglich  waren  mir  nur 
die  in  den  Annalen  des  französischen  Zentralbureaus  veröfFent- 
lichten  Angaben  über  die  Anzahl  der  Tage  mit  Schnee.  Um 
das  gleiche  Material  auch  für  die  tunesischen  Stationen  zu 
bekommen,  wandte  ich  mich  an  den  tunesischen  meteorolo- 
gischen Landesdienst,  aber  mein  Brief  blieb  unbeantwortet. 
Ich  kann  mich  also  außer  dem  eben  erwähnten  Material  für 
die  algerischen  Stationen  nur  auf  die  spärlichen  Angaben  stützen, 
die  in  der  einschlägigen  Literatur  zu  finden  waren.  Da  auf 
die  Schneefälle  in  den  meisten  Arbeiten  gar  nicht  eingegangen 
wird,  ist  es  ziemlich  wenig,  was  ich  vorgefunden  habe. 

Die  Beobachtungen,  die  für  den  marokkanischen  Teil 
unseres  Gebiets  vorlagen,  sind  von  Th.  Fischer  schon  zum 
größten  Teil  bearbeitet  worden.  Sie  seien  hier  nur  in  ihren 
Hauptzügen  wiederholt:  Mann  darf  annehmen,  daß  von  etwa 
1000  m  Höhe  an  jeden  Winter  vom  November  bis  April  Schnee- 
fälle verkommen.  Vereinzelt  können  sie  auch  noch  im  Mai 
auftreten,  denn  Hooker  hatte  noch  Mitte  Mai  1871  südöstlich 
von  Marrakesch  einen  Schneefall  beobachtet.  Die  Dauer  der 
Schneedecke  wächst  mit  der  Höhe.  Thomson  und  de  Foucauld 
glauben  das  Vorkommen  ewigen  Schnees  annehmen  zu  müssen. 
Beide  Forscher  fanden  mitten  im  Sommer  auf  dem  Hohen  Atlas 
noch  reichliche  Schneelager.  Th.  Fischer  scheint  es  auch  keinem 
Zweifel  zu  unterliegen,  daß  im  Süden  und  Südosten  von  Marra- 
kesch größere  Schneeanhäufungen  das  ganze  Jahr  ausdauern.  ^) 
Als  Davidson  den  Versuch  machte,  den  Atlas  von  Marrakesch 
aus  zu  besteigen,  wurde  er  in  ungefähr  1500  m  durch  die  lockere 
Beschaffenheit  des  Schnees  zur  Umkehr  gezwungen.^)  Hans 
Fischer  bemerkt  hierzu,  daß  es  wohl  möglich  sei,  daß  der  Reisende 
in  einen  Lawinenrest  geraten  wäre. ')  Hierzu  kommen  nun  noch 
die  Beobachtungen,  die  Marquis  de  Segonzac  bei  seiner  Be- 


^)  Th.  Fischer,  Zur  Klimatologie  von  Marokko,  S.  407  n.  408. 
«)  Journal.  R.  Geogr.  S.  VII  S.  153. 

')  Hans  Fischer,  Äquatorialgrenze  des  Schneefalles.  Mitt.  d.  6.  f.  Erdk. 
ra  Leipzig  1887.    S.  141. 


—    56    — 

Steigung  des  Ari  Aiach  am  7.  Juli  1900  machte.  In  einer 
Höhe  von  ungefähr  3000  m  traf  man  auf  die  ersten  Schnee- 
massen, die  sich  an  schattigen  und  geschützten  Stellen  erhalten 
hatten.  Der  Schnee  hatte  ein  rötliches  Aussehen,  da  er  mit 
dem  feinen  Verwitterungsstaub  der  Felsen  bedeckt  war.  Nach- 
dem mit  dem  Ersteigen  des  Gipfels  ein  Überblick  über  den 
übrigen  Kamm  des  Hohen  Atlas  gewonnen  war,  wurde  festge- 
stellt, daß  auch  auf  den  übrigen  Gipfeln  noch  Schneeflecken 
vorhanden  waren:  La  crete  6tait  mouchet6e  de  neiges,  also 
keine  zusammenhängende  Schneedecke  ^).  Das  Vorhandensein  von 
ewigem  Schnee  darf  man  also  als  sicher  annehmen,  und  zwar 
für  die  ganze  Ausdehnung  des  Hohen  Atlas.  Gletscherbildungen, 
wie  sie  Hans  Fischer  in  der  Nähe  des  Tagherut  Passes  ver- 
mutet*), sind  jedoch  mit  der  größten  Wahrscheinlichkeit  ausge- 
schlossen. Eine  zeitweilige  Schneebedeckung  kann  natürlich 
auch  im  Mittleren  Atlas  und  seinen  Yorbergen  eintreten.  So 
fand  de  Segonzac  Ende  Januar  die  Berge  von  Ech-Chaoun, 
von  Lekhmes,  Cenhaja  mit  Schnee  bedeckt.  An  den  Küsten- 
stationen dürften  Schneefälle  wohl  gar  nicht  vorkommen  oder 
äußerst  selten  sein,  in  den  Beobachtungsjournalen  ist  in  der 
Zeit,  seit  der  die  Beobachtungen  angestellt  wurden,  kein  ein- 
ziger Schneefall  verzeichnet  worden.  Ähnlich  liegen  die  Ver- 
hältnisse an  den  algerischen  Küstenstationen.  Hier  kommen 
erst  in  einer  ganzen  Reihe  von  Jahren  vereinzelte  Schneefälle, 
die  sich  auf  den  Dezember  und  Januar  verteilen,  vor.  Nemours 
hat  z.  B.  in  14  Jahren  4  Tage,  Kap  Falcon  in  15  Jahren  nur 
2  Tage  mit  Schnee  verzeichnet.  Mit  der  Zunahme  der  Höhe 
nimmt  dann  auch  die  Anzahl  der  Schneetage  schnell  zu. 
Nemours  mit  4,2  m  Höhe  hatte  in  14  Jahren  4  Schneetage,  im 
Mittel  also  0,3  im  Jahr,  Tlemcen  in  824  m  Höhe  hatte  dagegen 
schon  im  5  jährigen  Mittel  4,2  Schneetage  jährlich,  während 
El  Aricha  (1330  m)  sogar  11,7  Tage  mit  Schnee  aufweist.  Zu 
einem  direkten  Vergleiche  sind  ganz  besonders  die  beiden 
Stationen  Tizi  Ouzou  (234  m)  und  Fort  National  (930  m)  geeignet. 
Für  beide  Stationen  konnten  Mitteln  aus  der  gleichen  Periode 
1886-1900  berechnet  werden,  und  zwar  kommen  hiernach  auf 


0  de  Segonjsac  8.  171. 

')  Hans  Fischer,  Äquatorialgrenze  des  Schneefalles.    S.  144. 


—    57    — 

Ttzi  Onzon  jährlich  1,9  und  auf  Fort  National  jährlieh  16,1 
Schneetage.  Häufige  Schneefälle  kommen  dann  besonders  an 
den  auf  den  Hochplateaus  und  im  Sahara-Atlas  liegenden 
Stationen  vor,  was  mit  dem  direkt  als  kontinental  zu  bezeich- 
nenden Elima  dieser  Gegenden  zusammenhängt.  Das  Mittel  für 
Sai'da  aus  14  Beobachtungsjahren  ist  8,0,  für  Tiaret  14,0,  für 
T6niet-el-Haad  19,2  (Mittel  aus  12  Jahren)  und  für  S6tif  aus 
einer  6  järigen  Reihe  14,5  Schneetage  im  Jahr.  Die  Mittelwerte 
für  die  Stationen  im  Sahara  Atlas  sind :  M6cheria  8,3  (86,  88-89), 
Gferyville  16,9  (87-00),  Aflou  16,8  (86-88,  90/96,  98/00),  Tebessa 
10,2  (88-92).  Laghouat  dagegen  am  Rande  der  Wüste  hat  als 
15  jähriges  Mittel  nur  1,9  Schneetage  im  Jahr. 

Gewöhnlich  treten  die  ersten  Schneefälle  im  November 
auf,  nur  ganz  selten  auch  schon  im  Oktober  und  kommen  dann 
bis  zum  März  vor.  An  einigen  Stationen  fällt  Schnee  nicht 
selten  noch  im  April  und  ganz  selten  sogar  im  Mai.  El  Aricha, 
Setif,  MechSria,  Geryville,  Aflou,  T6bessa  sind  die  Stationen, 
die  innerhalb  einer  längeren  Beobachtungsreihe  ein  oder  auch 
zweimal  im  ganzen  Schnee  im  Mai  verzeichneten.  Die  Haupt- 
anzahl der  Schneefälle  fällt  aber  in  die  Monate  Dezember  bis 
Februar. 

Im  Teil  muß  man  in  die  Berge  steigen,  um  einen  wirklichen 
Winter  zu  finden.  Schnee  fällt  hier  in  jedem  Monat  mehrmals,  aber 
er  hüllt  die  Gegend  meist  nur  auf  eine  ganz  kurze  Zeit  in 
eine  dünne  Schneedecke  ein.  Meist  schmilzt  er  wieder  unter 
dem  Hauch  des  Scirocco,  oder  eine  wärmere  Periode  und 
auch  nur  die  normale  Tageswärme  genügen,  um  ihn  zu 
zerstören.  Nur  auf  den  höchsten  Berggipfeln  kann  ei;  sich  für 
eine  längere  Zeit  halten  und  auch  eine  größere  Dicke  erreichen. 
Der  Gipfel  des  Djurjura  ist  oft  bis  Ende  Juli  mit  Schnee  be- 
deckt, während  er  auf  den  weniger  hohen  Gipfeln  mit  1500 
bis  18(K)  m  Höhe  bis  Mitte  April  liegen  bleibt.  ^)  In  den  Bergen 
der  Ehroumirie  fällt  Schnee  auch  ziemlich  häufig,  im  Mittel 
2—3  mal  im  Jahr.  Die  Schneedecke,  die  hier  immer  einige 
Zeit  liegen  bleibt,  hat  eine  durchschnittliche  Dicke  von  10  bis 
15  cm,  kann  jedoch  auch  bedeutend  höher  werden.    Im  Winter 


1)  Battandier  and  Trabnt,  L'Alg^rie.  S.  13. 


-    58    — 


1890/91  erreichte  sie  z.  B.  2,10  m.    Nach  den  MessnDgen  yod 
Am  Draham  verteilte  sie  sich  auf  folgende  Tage: 


8.  Januar 

1891  . 

.  .  15  cm 

14.   , 

II 

.  .  20  , 

16.   „ 

« 

.  .  20  , 

18.   , 

T> 

.  20  , 

19.   , 

» 

.   5  , 

20.   , 

W 

.  .  30  , 

7.  Februar 

» 

.  20  , 

8.   . 

J» 

.  10  . 

15.   „ 

» 

.  70  , 

2.10  m 

Der  Schnee  blieb  natürlich  nicht  in  seiner  ganzen  Masse 
während  dieser  Periode  liegen,  aber  er  schmolz  anch  nicht  voll- 
ständig weg,  nnd  der  Boden  war  häufig  mit  einer  Schneedecke 
von  75 — 80mm  Dicke  bedeckt.^)  In  der  am  Fuße  der  Khron- 
mirie  liegenden  Station  Tabarka  ist  der  Schnee  fast  unbekannt. 
Nach  langer  Zeit  fiel  er  1891  mit  einer  Dicke  von  25  cm  und 
hielt  sich  auch  während  eines  ganzen  Tages.')  Im  Massif  von 
Mactar  gehören  die  Schneefälle  auch  zu  den  gewöhnlichen 
winterlichen  Erscheinungen.  In  den  Ebenen  kommt  der  ^chnee 
weniger  vor,  da  die  Flocken  nur  in  geringem  Maße  fallen  und 
sofort  schmelzen.  Im  Gebirge  kann  es  aber  vorkommen,  daß 
starke  Schneefälle  das  Reisen  für  mehrere  Tage  verhindern 
oder  doch  wenigstens  stark  erschweren.  Da  die  Bevölkerung 
gar  nicht  auf  derlei  starke  Schneefälle  vorbereitet  ist,  können 
sie  sehr  verhängnisvoll  werden.  Es  soll  schon  vorgekommen 
sein,  daß  Kinder  und  Greise,  die  im  Freien  vom  Schneegestöber 
überrascht  wurden,  umkamen.  Im  Februar  1898  brachen  zehn 
Häuser  unter  dem  Gewicht  der  auf  ihnen  lastenden  Schnee- 
massen zusammen.') 

Sicher  ist  aber  trotzdem  bei  den  manchmal  sehr  heftigen 
Schneefällen,  die  auf  algerischem  und  tunesischem  Gebiet  vor- 
kommen können,  daß  die  Schneemassen  niemals  von  einem  Jahr 


')  Ga6rard  und  Bontineaii,  La  Khronmirie  et  sa  colonisation.  Paris 
1892,  S.  19. 

')  Ebenda  S.  23. 

")  Monchicoart,  Le  Massif  de  Mactar.    Annales  de  Geographie  X.  1901« 
S.  354. 


-    69    - 

zum  andern  liegen  bleiben.    Im  ganzen  Atlasgebiet  kann  von 
ewigem  Schnee  nur  im  Hohen  Atlas  die  Rede  sein. 

Hans  Fischer  sacht  die  mittlere  Grenze  des  Schneefalls  in 
dem  algerischen  Atlasgebiete  zu  bestimmen,  worunter  er  die 
Linie  versteht,  bis  zu  welcher  Schneefall  im  Mittel  jeden  Winter 
vorkommt.  Gestützt  auf  die  Tatsache,  daß  zu  Tlemcen  in  einer 
Höhe  von  824  m  fast  jeder  Winter  Schneefall  bringt,  und  ferner 
darauf,  daß  im  südlichen  Spanien  (Granada  669  m)  die  Hälfte 
aller  Winter  als  schneefrei  konstatiert  werden  konnte,  kommt 
Fischer  zu  dem  Ergebnis,  daß  für  die  Gegend  von  Tlemcen 
die  mittlere  Schneegrenze  zu  etwa  850 — 900  m  zu  veranschla- 
gen sei.*) 

Ob  die  neueren  Beobachtungen  zu  einer  Bestätigung  dieser 
Annahme  herangezogen  werden  können,  erscheint  sehr  zweifel- 
haft. Leider  umfassen  die  Aufzeichnungen  in  Tlemcen  eine  zu 
kurze  Zeit,  als  daß  sie  wirklich  beweiskräftig  sein  könnten. 
In  den  mir  zur  Verfügung  stehenden  Jahrgängen  wurde  in 
jedem  Winter  Schneefall  beobachtet.  Auffällig  ist  auch  ferner 
der  Umstand,  daß  in  dem  bedeutend  tiefer  gelegenen  Sidi  bei 
Abbös  in  476m  unter  14  Winter  sich  11  befinden,  in  denen 
Schneefall  vorkam ;  im  Mittel  kommen  an  dieser  Station  2,8  Tage 
mit  Schnee  auf  das  Jahr.  Zieht  man  nun  in  Betracht,  daß 
es  in  diesen  Gegenden,  wo  mancher  Schneefall  nur  aus  einigen 
Flocken  bestehen  wird,  sehr  leicht  möglich  ist,  daß  der  Beob- 
achter manchen  Schneefall  übersehen  kann,  so  hat  die  An- 
nahme, daß  durch  künftige  sorgfältige  Beobachtungen  Tlemcen 
in  die  mittlere  Schneegrenze  mit  einbezogen  werden  muß,  einigen 
Grund.  Im  Osten  liegen  die  Verhältnisse  etwas  anders.  Hier 
hat  Tizi-Ouzou  in  234  m  Höhe  schon  in  drei  Vierteln  aller 
Winter  Schneefall  zu  verzeichnen,  während  Fort  National  (430  m) 
natürlich  in  jedem  Winter,  und  zwar  im  Mittel  schon  16,1 
Schneetage  aufzuweisen  hat.  Diese  Station  liegt  mithin  be- 
reits bedeutend  über  der  mittleren  Schneegrenze , der  man  viel- 
leicht eine  Höhe  von  etwa  500  m  geben  darf.  Es  findet  also 
ein  Herabsteigen  der  Schneegrenze  von  Westen  nach  Osten 
hin  statt. 


*)  Hans  Fischer,  Die  Äqaatorialgrenze  des  Schneefalles.  Mitt.  des  Ver. 
f.  Erdkunde.  Leipag  1887.  S.  140. 


—    60     - 

Die  WasserfBhmiig  der  Flflsse. 

Die  WasserfiihruDg  wechselt  in  allen  Flüssen  mit  der 
Menge  der  Niederschläge  im  Flußgebiet  und  daher  teils  perio- 
disch mit  den  Jahreszeiten,  teils  unperiodisch  infolge  ungewöhn- 
lich starker  Regen,  besonders  Gewitterregen.  In  einem  Gebiete 
mit  einer  solch  ausgeprägten  periodischen  Regen  Verteilung,  wie 
wir  es  im  Atlasgebiet  vor  uns  haben,  muß  man  erwarten,  daß 
in  ganz  besonderem  Maße  die  Wasserführung  der  Flüsse  sich 
an  die  Regenperioden  anschließt. 

Betrachtet  man  eine  beliebige  Karte  der  Atlasländer,  so 
wird  man  in  dieser  ein  ziemlich  dichtes  Flußnetz  eingezeichnet 
finden.  Dies  ist  aber  leider  nur  allzusehr  geeignet,  eine  falsche 
Vorstellung  von  der  Hydrographie  des  Gebietes  zu  erwecken. 
Die  Flüsse  haben  hier  nicht  den  Wert,  den  wir  den  Strömen 
unserer  Breiten  beizulegen  gewohnt  sind.  Da  der  größte  Teil 
der  Wasserläufe  nur  periodischer  Natur  ist  und  der  Wasser- 
stand derselben  fast  ausschließlich  von  den  Niederschlägen,  die 
in  dem  Flußgebiet  fallen,  abhängt,  so  ist  ihr  Wert  sehr  gering; 
für  eine  geregelte  Schiffahrt  kommen  sie  beispielsweise,  außer 
in  Zukunft  vielleicht  Sebu  und  Um-er-Rbia,  gar  nicht  in  Betracht. 
Große  Schuld  an  diesen  Verhältnissen  trägt  auch  die  stark  vor- 
geschrittene Entwaldung  der  Gehänge.  In  dem  größten  Teile 
existiert  keine  neunenswerte  Humusschicht,  die  einen  geregel- 
teren Abfluß  der  atmosphärischen  Wasser  bewirken  könnte,  im 
Gegenteil  geschieht  der  Abfluß  noch  meist  unter  starker  Ab- 
tragung des  Bodens  und  unter  Mitführung  von  viel  Geröll  und 
Geschiebe.  In  den  regenarmen  Sommern  versiegen  die  Flüsse 
fast  ganz,  oder  nur  ein  schmaler  Wasserfaden  bezeichnet  die 
Stelle  des  während  der  Regenzeit  mächtig  dahinbrausenden 
Stromes.  Bei  dieser  Lage  der  Dinge  ist  es  nun  offenbar  von 
sehr  großer  Wichtigkeit ,  in  welchem  Gebiete  der  Niederschläge 
der  Fluß  seine  Entstehung  findet.  Entspringen  die  Quellfiüsse 
in  einem  Gebiete,  das  Frühlingsregen  hat,  oder  werden  sie 
^ekt  durch  die  Schmelzwässer  der  in  den  höheren  Gebirgs- 
tälern lagernden  Schneemassen  gespeist,  so  ist  es  möglich,  daß 
der  Fluß  auch  die  sommerliche  Trockenheit  gut  überwindet, 
d.  h.  daß  er  in  dieser  Zeit  von  dem  Überschuß  an  Nieder- 
schlägen zehren  kann,  der  in  den  Wintermonaten  gefallen  ist. 


—    61     - 

Doch  nur  wenige  Flüsse  der  Atlasländer  vermögen  diese  Be-* 
dingungen  zu  erfüllen. 

Im  Osten  ist  der  Medjerdah  der  einzige  Fluß  Tunesiens, 
der  auch  wirklich  diese  Bezeichnung  verdient,  Sein  Flußgebiet 
umfaßt  ungefähr  25000  Q  km  ^),  und  zu  ihm  gehört  fast  das 
ganze  tunesische  Gebiet,  das  einen  reichlicheren  Kegenfall 
aufzuweisen  hat,  ja  in  seinem  Einzugsgebiet  liegt  das  Gebiet 
der  stärksten  Niederschläge  überhaupt.  Doch  nicht  nur  die 
große  Menge  der  Niederschläge  ist  für  die  beständige  Wasser- 
führung des  Medjerdah  ausschlaggebend,  es  kommt  vielmehr 
noch  die  Verteilung  der  Niederschäge  auf  die  einzelnen  Monate 
und  auch  das  Vorhandensein  von  Schneemassen,  wenn  diese 
auch  nur  von  kurzer  Dauer  sind,  in  Betracht.  Die  Nieder- 
schläge reichen  hier  weiter  in  den  Frühling  hinein,  als  es  ge- 
wöhnlich der  Fall  ist,  auch  ist  die  sommerliche  Trockenheit 
nicht  so  ausgeprägt  wie  in  den  tiefergelegenen  Gegenden, 
ferner  ist  hier  eine  immerhin  gute  Regelung  der  Abflußver- 
hältnisse durch  die  hier  und  da  örtlich  noch  besonders  dichte 
Bewaldung  gegeben.  Alle  diese  Umstände  vereinigen  sich  und 
bewirken,  daß  der  Fluß  auch  im  Sommer  noch  eine  beträchtliche 
Wassermenge  aufweisen  kann.  Alle  übrigen  Flüsse  Tunesiens 
sind  mit  Ausnahme  des  Wed  Milianah  periodischer  Natur, 
zuweilen  sind  sie  stark  angeschwollen  im  Winter  und  im  Frühling, 
gegen  Sommer  vertrocknen  sie  aber  vollständig.  Eine  große 
Zahl  erreicht  überhaupt  nicht  das  Meer,  sondern  verliert  sich 
in  den  Sebkhas  und  Schotts.  Der  oben  erwähnte  Wed  Milianah 
erfreut  sich  einer  reicheren  Wasserführung,  da  er  auf  der 
Nordseite  der  Berge  von  Zaghouan  sein  Quellgebiet  hat  und 
so  von  den  hier  noch  in  reichlichem  Maße  fallenden  Nieder- 
schlägen gespeist  wird. 

Reich  an  fließenden  Gewässern  scheint  auch  das  ganze 
algerische  Teilgebiet  zu  sein,  das  in  seiner  ganzen  Ausdehnung 
von  Westen  nach  Osten  von  einem  wirklichen  Netz  von  Flüssen 
durchzogen  wird.  Und  doch  ist  kein  einziger  dieser  Flüsse  schiff- 
bar. „Im  Sommer  ist  jener  ungeheure  Einschnitt  in  der  Ebene, 
an  dessen  Grunde  man  vielleicht  bei  genauem  Hinsehen  einen 


')  L^^ude  Bcientiüqae  de  la  Tanisie.     Revue  generale  des  sciences 
pures  et  appliqii6es.     1896.  S.  343. 


-    62     - 

dttnnen  Wasserfaden  sich  hinschlängeln  sieht,  vielleicht  der 
Seyboase,  der  Habra,  der  ChelifF.  In  einigen  Monaten  wälzen 
sich  jedoch  hier  gelbliche  Wassermassen  und  überfluten  die 
Ufer/')  Unter  den  algerischen  Flüssen  ist  immerhin  der  CheliJS 
noch  der  beträchtlichste  und  seine  Wasserführung  noch  am  regel- 
mäßigsten. Er  ist  auch  der  einzige  Flußlauf,  der  sowohl  das 
Hochsteppengebiet  als  auch  das  Teil  durchschneidet.  Von  seiner 
Quelle  aus  im  Djebel  Amour  beschreibt  er  einen  großen  nach 
Westen  hin  geöffneten  Bogen  und  mündet  bei  Mostagenem  in 
das  Meer,  nachdem  er  eine  Lauflänge  von  mehr  als  700  km 
erreicht  hat.  Trotzdem  ist  er  mit  den  europäischen  Strömen 
verglichen  nur  ein  sehr  bescheidener  Fluß,  der  nur  zur  Be- 
wässerung der  weiten  Ebene,  die  er  durchzieht,  ausreicht.  Seine 
mittlere  Wassermenge  beträgt  bei  OrI6ansville,  also  ganz 
nahe  an  der  Mündung,  im  Mittel  3—5  Kubikmeter  in  den 
Monaten  Mai  bis  Oktober  und  15—60  Kubikmeter  von  November 
bis  zum  Februar.')  Die  übrigen  algerischen  Flüsse  stehen  dem 
Cheliff  an  Wasserführung  noch  nach,  sie  geben  ein  vollständiges 
Abbild  der  trockenen  und  feuchten  Jahreszeit.  Die  Umstände, 
die  bei  den  Medjerdah  in  dem  Abfluß  ausgleichend  wirken, 
kommen  hier  nicht  in  Betracht.  Es  bestehen  ungeheure  Diffe- 
renzen zwischen  der  sommerlichen  und  der  winterlichen  Wasser- 
menge. Wie  bedeutend  diese  sein  können,  kann  man  aus 
folgenden  Angaben  ersehen: 

Schwankungen  in  der  Wasserführung  einiger  algerischer 
Flüsse : ») 

Cheliff:  von  1,5  Kubikmeter  bis  14050  Kubikmeter. 

Mina:  ,  0,6           „            „  1000          , 

Macta:  „  2,0           „            „  800          , 

Seybouse:  „  150       Liter         „  1000          „ 

Weit  günstiger  sind  die  hydrographischen  Verhältnisse  des 
westlichen  Teiles  der  Atlasländer:  Marokkos.  Die  bedeutende- 
ren Flußsysteme  haben  hier  meist  ihre  Quellen  in  dem  Marok- 
kanischen Atlas.  Auf  diese  Weise  steht  ihre  Wasserführung 
unter  dem  Einfluß  der  hier  sich  bis  in  den  Frühling,  ja  mauch- 

>)  Wahl,  Maurice:  L'Alg6rie.    Paris  1897.  Kap.  V. 

')  Battandier  and  Trabnt,  L'Alg^rie.    Paris  1898.  S.  7  u.  66. 

')  Wahl,  Maarice:  L'Alg6rie.    Paris  1897.  Kap.  V. 


—    83    - 

mal  sogar  bis  in  den  Sommer  hinzielienden  Regenzeit  und 
unter  den  in  dieser  Zeit  ergiebigen  Gewitterregen.  Vor  allem 
aber  bilden  die  Schneelager  das  Reservoir  der  Flüsse  während 
der  sommerlichen  Trockenzeit,  so  daß  deren  Einfluß  in  bedeu- 
tendem Maße  gemildert  wird.  Alle  die  größeren  Flüsse,  die  das 
Atlasvorland  durchschneiden,  wie  der  Wed  Sebu,  der  Bu  Begreg, 
die  Um-er-Rbia,  der  Tensift,  führen  das  ganze  Jahr  hindurch 
dem  Ozean  eine  beträchtliche  Wassermenge  zu.  Es  kommt  ja 
allerdings  auch  vor,  daß  zeitweilig  der  Wasserstand  ein  beson- 
ders niederer  ist,  wenn  das  Jahr  vielleicht  besonders  trocken 
war  und  wenn  auch  noch  andere  Umstände  mitsprechen.  So  fand 
Th.  Fischer  1899  auf  seiner  Reise  im  Atlasvorlande  von  Marokko, 
daß  der  Tensift  bei  Sidi  A'lssa  Bu  Chabia  einen  sehr  niedrigen 
Stand  hatte.  Bei  einer  Breite  von  48  m  hatte  er  nur  eine  größte 
Tiefe  von  0.8  m.  Dieser  niedrige  Wasserstand  war  aber  nur 
momentan,  1888  konnte  Thomson  den  Strom  an  derselben  Stelle 
nur  mit  Lebensgefahr  überschreiten.  Der  niedrige  Wasserstand 
von  1899  erklärte  sich  übrigens  daraus,  daß  der  verflossene 
Winter  in  Süd -Marokko  überhaupt  regenarm  gewesen  und 
daher  um  so  mehr  Wasser  in  dem  subatlantischen  Gürtel  der 
Berieselungsoasen  zu  Berieselungszwecken  verbraucht  worden 
war.  Anderseits  hatte  auch  die  Schneeschmelze  im  Atlas,  die 
bald  nachher  den  Flüssen  den  Hochstand  verleiht,  noch  nicht 
begonnen.*)  Die  Schiffbarkeit  der  üm-er-Rbia  konnte  Th.  Fischer 
nicht  feststellen,  doch  ist  anzunehmen,  daß  der  Fluß  wenigstens 
im  Winter  und  Frühling  bis  zur  Vereinigung  mit  dem  Tasaut 
befahren  werden  könnte.  An  der  Meschra  Ben  Challu  hatte  er 
eine  Tiefe  von  1,5  m  und  eine  Breite  von  60  m.  Die  Strömung 
war  stark,  ja  unterhalb  von  Meschra-esch-Schaer  könnte  man 
geradezu  von  Stromschnellen  sprechen.')  Außer  Frage  gestellt 
ist  jedoch  die  Schiffbarkeit  des  Sebu,  der  im  Jahre  1905  von 
einer  französischen  Expedition  unter  Dr.  Samn6  daraufhin  sorg- 
fältig untersucht  wurde.  Hierbei  ergab  sich,  daß  der  Fluß  für 
flachgehende  Boote  bis  200  km  von  seiner  Mündung  hinauf  schiff- 
bar ist,  und  daß,  außer  bei  sehr  niedrigem  Wasserstand,  die 


^)  Tb.  Fischer,  Wissenschaftliche  Ergebnisse  einer  Reise  im  Atlasvor- 
lande von  Marokko.  Petermanns  Mitteilungen,  Ergzgshft.  133.  Gotha  1900. 
8.65. 

*)  Tb.  Fischer,  ebenda  S.  107. 


-     64     - 

Schiffahrt  bis  nach  Fes  nnterhalten  werden  kann.*)  Die  An- 
gaben fiber  die  Hydrographie  des  nördlichen  Marokkos,  die  sich 
in  dem  Reise  werke  des  Marqnis  de  Segonzac  vorfinden,  sind 
leider  nicht  allzu  zahlreich,  genauere  Messungen  über  Wasser- 
tiefen sind  scheinbar  gar  nicht  vorgenommen  worden.  Was  die 
Wasserfflhrung  der  Nebenflüsse  des  Wed  Sebu  anbetrifft,  so 
war  diese  allerdings  sehr  bedeutend,  doch  wäre  es  gewagt, 
hieraus  einen  Schluß  auf  ihren  Zustand  während  der  Trocken- 
zeit ziehen  zu  wollen,  da  der  erste  Teil  der  Reise  des  Marquis 
de  Segonzac  unter  fortwährenden  starken  Regengüssen  zu  lei- 
den hatte,  die  offenbar  ein  starkes  Anschwellen,  ja  zum  Teil 
auch  Überschwemmungen  der  Flüsse  bewirkt  hatten.  Bedeutend 
interessanter  ist  aber  die  Beobachtung,  die  an  den  Quellflüssen 
des  Wed  Muluja  gemacht  wurde.  Dieser  wird  durch  drei  Flüsse 
gebildet:  den  Assiff  Agersif,  der  vom  Mittleren  Atlas  kommt, 
wo  er  am  Fuße  des  Ari  Bou  Safou  entspringt,  die  eigentliche 
Muluja  und  schließlich  den  Assif  Anzgemir.  Der  wichtigste 
dieser  drei  Quellflüsse  ist  der  Assif  Anzgemir,  seine  Strömung 
und  Wassermenge  kommen  dem  doppelten  der  vereinigten  bei- 
den anderen  Ströme  gleich.  Bei  seinem  Überschreiten  wurde 
bei  sehr  starker  Strömung  eine  Breite  von  30  m  und  eine  Tiefe 
von  60  cm')  festgestellt.  Die  niedrige  Temperatur  mitten  im 
Sommer  (am  5.  Juli)  und  die  für  einen  Quellfluß  sehr  große 
I  Wassermenge    lassen    leicht   erkennen,   daß   er  hauptsächlich 

I  durch  die  Schmelzwasser  des  Hohen  Atlas  gespeist  wird. 

Ein  von  den  soeben  angeführten  marokkanischen  Flüssen 
gänzlich  abweichendes  Verhalten  zeigt  der  Wed  Draa.  Er  führt 
nur  in  seinem  Oberlaufe  eine  geringe  Wassermenge,  in  seinem 
Unterlaufe  liegt  er  meist  ausgetrocknet  da,  doch  lassen  die  an 
und  in  seinem  Flußbette  liegenden  Oasen  auf  unterirdisches 
Wasser  schließen. 

Regenmenge  und  Yegetation. 

Es  ist  ohne  weiteres  zu  erwarten,  daß  die  Verteilung  der 
Niederschläge  einen  bedeutenden  Einfluß  auf  die  Vegetation, 
die  doch  vor  allem  von  der  Bodenfeuchtigkeit  abhängt,  aus- 
üben muß.   Bedenkt  man  nun,  daß  gerade  in  den  Atlasländern 


*)  Geogr.  Zeitschrift.    1906.   XII.   2.  Heft,  S.  109. 
•  *)  de  Segonzac  S.  164  u.  165. 


—    65     - 

die  NiederschlagsmeDgen  an  den  verschiedenen  Orten  sehr  große 
Differenzen  auf  einem  verhältnismäßig  kleinen  Gebiete  aufwei- 
sen, so  wird  man  auch  dieselben  Unterschiede  in  der  Vegetation 
erwarten  dürfen.  Im  allgemeinen  unterscheidet  man  gewöhnlich 
folgende  Typen  der  Vegetation: 

1)  das  Waldland.  ,,Es  vergegenwärtigt  die  höchste  Lei- 
stung vegetativer  Arbeit,  indem  hier  organische  Substanz  in 
mächtigen  Holzstämmen  durch  viele  Jahrzehnte  aufgespeichert 
wird."  0  Der  Wald  hat  einen  dauernden  Wasservorrat  im  Boden 
nötig,  daher  ist  er  in  der  Regel  an  Gegenden  gebunden,  die 
eine  größere  Regenmenge  aufweisen  können.  Es  kommt  hierbei 
nur  auf  die  Jahressumme  an;  die  Verteilung  der  Regenmengen 
auf  die  einzelnen  Jahreszeiten,  die  jährliche  Periode,  vermag 
keinen  so  großen  Einfluß  auszuüben,  der  Wald  überwindet  meist 
eine  sommerliche  Trockenzeit.  Der  Grund  hierfür  ist  in  der 
Humusdecke  zu  suchen,  die  sich  in  jedem  Waldgebiet  bildet 
und  das  Ansammeln  des  Grundwassers  bewirkt.  Die  Baum- 
wurzeln suchen  die  Feuchtigkeit  in  der  Tiefe,  und  es  kann 
sogar  zur  Entwicklung  von  immergrünen  Blättern  kommen. 
Da  wo  die  Niederschläge  minder  reichlich  sind,  geht  der  Hoch- 
wald in  Buschwald  und  schließlich  in  Gesträuch  über. 

2)  das  Grasland.  Werden  die  Niederschläge  und  damit 
auch  die  Bodenfeuchtigkeit  noch  geringer,  so  daß  sie  nicht 
mehr  genügen,  um  Holzgewächse  irgendwelcher  Art  hervorzu- 
bringen, so  tritt  an  Stelle  des  Waldes  das  Grasland  mit  seinen 
Halbsträuchern  und  Stauden,  den  Kräutern  und  Gräsern.  Auch 
im  Grasland  muß  man  noch  Unterschiede  machen,  in  unserem 
Gebiete  haben  wir  es  vorzugsweise  mit  einer  der  dürftigsten 
Arten,  der  Steppe,  zu  tun. 

3)  die  Wüste.  Sie  repräsentiert  den  äußersten  Grad  von 
Vegetationsarmut  bis  zur  Vegetationslosigkeit.') 

Dieser  natürliche  Znstand  der  Natur  ist  aber  meist  nicht 
unverändert  geblieben.  Mehr  oder  weniger  hat  sich  der  Mensch 
den  Boden  Untertan  gemacht  und  so  das  Kulturland  geschaffen. 

Im  großen  und  ganzen  ist  in  den  Atlasländern,  vielleicht 
mit  Ausnahme  des  marokkanischen  Teiles,  die  Anordnung  der 

*)  Wagoer,  Allgemeine  Erdkunde  S.  629. 

*}  Die  Einteilung  geschah  in  Anlehnung  an  Wagner,  Allgemeine  Erd- 
kunde S.  628  ff. 


—    66    - 

Formationeii  eine  derartige,  daß  man  auf  einer  Wanderung  von 
der  Ettste  ans  nach  dem  Innern  die  Beihenf olge :  Wald,  Steppe, 
Wfiste  durchschneiden  würde.  Doch  wäre  die  Vorstellung,  es 
handele  sich  hier  um  drei  ununterbrochene  Gürtel  mit  gleicher 
Breite,  durchaus  falsch.  Es  finden  sich  bewaldete  und  angebaute 
Inseln  in  der  Steppe  und  in  der  Wüste,  anderseits  findet  sich 
Steppe  im  Waldgebiet. 

Das  Gebiet,  das  den  stärksten  jährlichen  Niederschlag  auf- 
zuweisen hat,  sind  die  Berge  der  Ehroumirie,  im  nördlichen  Teile 
Tunesiens  gelegen.  Sie  sind  durch  ihr  Relief  und  die  große  Nähe 
des  Meeres  dazu  ganz  besonders  geeignet,  die  schönsten  Wälder 
Tunesiens,  ja  des  ganzen  Mittelmeergebietes  zu  tragen.  Und 
zwar  bezeichnet  man  in  diesem  Falle  mit  Wald  nicht  das,  was 
man  in  den  Mittelmeerländern  so  häufig  darunter  versteht,  son- 
dern es  handelt  sich  hier  um  wirklichen  Hochwald  aus  Kork 
und  Zenneichen  gebildet  mit  einem  dichten  Unterholz.^)  Diese 
dichte  Bewaldung  erstreckt  sich  nahezu  auf  die  ganze  Ober- 
fläche der  Ehroumirie,  da,  wo  die  Eichenwälder  fehlen,  sind  sie 
durch  ein  mehr  oder  minder  dichtes  Buschwerk  ersetzt,  das  an 
Höhe  abnimmt  je  mehr  man  sich  der  Küste  nähert.') 

Hier  ist  es  angebracht,  gleich  im  Zusammenhange  die 
übrigen  Waldbestände  Tunesiens  zu  besprechen.  Daraus  ist  zu 
ersehen,  daß  sie  ganz  analog  den  jährlichen  Regenmengen  nach 
Süden  hin  immer  mehr  an  Dichte  und  Ausdehnung  abnehmen. 
Die  tunesischen  Waldgebiete  lassen  sich  leicht  in  drei  große 
Gruppen  einteilen,  die  durch  den  Medjerdah  voneinander  ge- 
trennt werden.  Die  nördliche  Gruppe  umfaßt  die  Berge  der 
Khroumirie,  mit  einem  Flächeninhalt  von  ungefähr  100000  Hekt.,  es 
sind  dies  die  Wälder  von  Nefza,  der  Mogods  und  von  Porto 
Farina.  Der  Waldbestand  des  westlichen  und  zentralen  Tunesiens 
ist  von  viel  geringerer  Bedeutung,  zu  ihm  gehören  die  Wälder, 
die  zwischen  Tunis,  Zaghouan  und  Hammamet  liegen,  dann  die 
Wälder  des  oberen  Tales  des  Wed  Milianah,  die  Bestände  von 
la  Kessera,  der  Zlaß,  von  Sidi  Youssef,  des  Wed  Mellögue,  von 


')  ätade  scientifiqae  de  la  Tanisie.  Dubois,  La  Nature  Tunisienne, 
8.  945. 

')  Qa6rard  und  Bontinean,  La  Khroamirie  et  sa  colonisation.  Paris 
1892.   S.  3. 


—    67    — 

Nebenr,  der  Massive  von  Haidra  und  von  Mactar.  Ihre  Gesamt- 
fläche ist  nicht  sehr  groß,  sie  umfaßt  ungefähr  30000  Hektar. 
Ausgedelinter  ist  der  Wald  von  F6riana  mit  50000  Hektar, 
und  ihm  folgen  zuletzt  noch  15000  Hektar  zwischen  Mehdia 
und  Sfax.') 

Im  allgemeinen  zeigt  die  Nordseite  der  einzelnen  Berg- 
ketten eine  besser  entwickelte  Vegetation,  da  hier  die  winterlichen 
Niederschläge  unter  dem  Einfluß  der  Nordwinde  reichlicher  sind, 
während  die  im  Begenschatten  gelegene  Seite  den  verheerenden 
Wirkungen  des  Scirocco  ausgesetzt  ist.  Die  Dichtigkeit  der 
Bewaldung  und  der  immergrünen  Buschvegetation  nimmt  nach 
Sfiden  fortschreitend  graduell  ab.  Nur  tiefeingeschnittene  Weds 
zeigen  neben  zahlreichen  Oleanderbuschen  üppigere  Vegetation.^) 

Entsprechend  der  Regenmenge,  die  derjenigen  der  Berge 
der  Khroumirie  wenig  nachsteht,  weisen  die  im  Westen  gelegenen 
Massive  der  großen  und  kleinen  Eabylei  einen  ähnlichen  Wald- 
bestand auf.  Auch  hier  sind  die  Eichenwälder  am  stärksten 
vertreten,  nur  am  Djebel  Djurjura  weichen  sie  in  einer  Höhe 
von  1300m  den  Koniferen,  den  Zedern  und  ihrem  Unterholz, 
dem  Wachholder.  Im  Gegensatz  zu  der  Khroumirie  sind  in  der 
Kabylei  die  Wälder  nicht  mehr  so  dicht,  nicht  mehr  so  aus- 
gedehnt. Sie  sind  mehr  von  Kultur  durchdrungen  worden,  und 
Kultur  ist  in  diesem  Falle,  wie  in  den  meisten  Mittelmeerlän- 
dern, gleichbedeutend  mit  Wald  Verwüstung  gewesen.  Dies  hat 
einesteils  seinen  Grund  in  der  größeren  Sicherheit,  die  ein 
gebirgiges  Terrain  bietet,  andernteils  aber  auch  in  einem  klima- 
tischen Faktor,  nämlich  in  der  größeren  Regenmenge,  die  die 
Oebirgsländer  empfangen:  „Dans  TAfrique  du  Nord,  les  mas- 
sifs  montagneux  sont  non  pas  des  poles  des  divergences,  mais 
des  centres  d'attraction".') 

Die  Waldbestände  nehmen  von  hier  aus  nach  dem  Teil- 
gebiet nach  Westen  hin  immer  mehr  an  Fläche  ab.  Diese  Ab- 
nahme tritt  besonders  in  der  Verbreitung  der  Korkeiche  zu  Tage, 


^)  £tade  scientifique  de  la  Tunisie.  G.  Lotb,  Les  forets  et  la  qaestion 
du  reboisement  en  Tuoisie.  8.  1076. 

')  Fitzner,  Die  Regentschaft  Tunis.  Streif zttge  und  Stadien.  Berlin 
1890.    S.  325. 

')  Bemard  n.  Ficheor,  Les  r^gions  naturelles  de  TAlg^rie.  Annales  de 
Geographie  XI. 

5* 


-     68    — 

die  in  dem  ganzen  Teil- Atlas  zu  finden  ist.  Die  Gesamtheit  der 
Eorkeichenwälder  von  Tunis  umfaßt  ein  Areal  von  116000  ha. 
Von  diesen  befinden  sich,  wie  bereits  erwähnt,  die  schönsten 
und  ausgedehntesten  Bestände  in  dem  Bergland  der  Ehrou- 
mirie,  hier  nehmen  sie  allein,  mit  Quercus  Mirbeckii  vermischt, 
eine  fast  ununterbrochene  Fläche  von  100000ha  ein.  Auf  alge- 
rischem Boden  besitzt  das  Departement  Constantine  die  präch- 
tigsten und  umfangreichsten  Eorkeichenwälder.  Sie  bedecken 
ein  Gebiet  von  403402  ha,  von  denen  306  531  ha  allein  auf  die 
Ettstenbezirke  Bougie,  Djidjelli,  Collo,  Philippeville ,  Böne  und 
La  Galle  entfallen.  Im  Innern  des  Departements  sind  die  Eorkeichen- 
wälder um  die  Stadt  Constantine  selbst  hervorzuheben.  Viel 
geringer  sind  die  Bestände  des  nach  Westen  hin  sich  daran  an- 
schließenden Departements  Algier  mit  42  07 1  ha.  Die  korkreich- 
sten Gebiete  sind  hier  die  Nordabhänge  des  Djurjuragebirges. 
Die  Bezirke  Tizi  Ouzou  und  Azarga  weisen  allein  die  Hälfte 
der  Eork Wälder  des  Departements  auf,  nämlich  24000  ha.  Die 
andere  Hälfte  entfällt  auf  die  Bezirke  Bouira  und  Anmale  am 
Südabhange  des  Djurjura  und  auf  die  Eüstenbezirke  T6n^, 
Clierchel  und  Algier.  Das  Departement  Oran  besitzt  nur  wenig 
mehr  als  den  fünften  Teil  der  Eorkwälder  des  Departements 
Algier,  nur  8347  ha.  Ihr  größter  Teil  liegt  in  der  Umgebung 
der  Städte  Tlemcen  und  Oran.  In  den  Wäldern  des  Rif  kommt 
die  Eorkeiche  immerhin  noch  vor^  aber  nicht  mehr  in  so  reinen 
Beständen  wie  in  Algerien  und  Tunesien.  Größere  Bestände 
finden  sich  erst  wieder  in  dem  Gebiete  reichlicherer  Nieder- 
schläge in  der  Nähe  der  Stadt  Tetuan,  in  welcher  sich  viele 
Spanier  niedergelassen  haben,  um  den  Eorkeichenbau  daselbst 
zu  betreiben.  Auch  die  Landschaft  Andjira  zwischen  Tanger 
und  Oeuta  ist  vielfach  mit  Eorkeichen  bewaldet,  zumal  auf  den 
Bergen  um  die  Stadt  Genta  selbst.^) 

Im  übrigen  trägt  die  Flora  des  Tel]  durchaus  mediterranen 
Gharakter,  und  zwar  ähnelt  sie  sehr  der  Flora  der  südfranzö- 
sischen Eüste,  z.  B.  der  Gegend  von  Montpellier,  nur  mit  dem 
Unterschiede,  daß  die  exotischen  Pflanzen,  wie  Opuntien,  Agaven, 
Eukalypten,  Orangen  und  der  Dattelbaum,  im  Teil  häufiger  vor- 

M  Anton  Müller,  Über  die  Korkeiche.  Abhandlangen  der  K.  K.  Geogra- 
phischen Gesellschaft  in  Wien.    1900  Nr.  7.   S.  18—22. 


-     «9    - 

kommen.  Doch  gilt  dies  soeben  Gesagte  streng  genommen  nnr 
für  die  Gegend  von  Algier  selbst.  Westlich  von  Algier,  in  der 
Nähe  von  Nemours,  mischt  sich  mit  Mediterranflora,  wenn  auch 
nur  in  geringem  Maße,  die  Steppenflora.^)  Dieser  Umstand  in 
Verbindung  mit  der  Waldabnahme  nach  Westen  hin  ist  eben- 
falls ein  Beweis  für  die  schon  konstatierte  geringere  Nieder- 
schlagsmenge, die  die  Küsten  dieses  schmälsten  Teiles  des 
Mittelmeeres  empfangen. 

Mit  vorläufiger  Überspringung  der  dazwischen  liegenden 
Steppenzone  wenden  wir  uns  nun  der  Betrachtung  des  Sahara- 
Atlas  zu,  der  wegen  der  Zunahme  der  Niederschläge  auch  noch 
in  gewissem  Sinne  für  einige  seiner  Teile  zum  Waldland  zu 
rechnen  ist.  Auf  jeden  Fall  nimmt  er  aber  eine  Zwischenstel- 
lang  zwischen  der  Steppe  einerseits  und  der  Wttste  anderseits 
ein.  Vom  Djebel  Amour  kann  man  sogar  sagen,  daß  er  allgemein 
genommen  „das  Teil  der  Sahara^  ist.  Durch  sein  gemäßigtes 
Klima,  seine  ausreichenden  Quellen,  seine  schönen  Weideplätze, 
seine  Wälder  sticht  er  in  sehr  vorteilhafter  Weise  gegen  die 
Steppen  ab,  die  ihm  im  Norden  vorgelagert  sind.  „II  est  tou- 
jours  apparu  aux  indigönes  comme  un  pays  f6erique  que  leur 
imagination  a  par6  de  couleurs  enchanteresses.^  ^)  Weniger 
gunstig  gestellt  sind  die  sich  nach  Osten  hin  anschließenden 
Berg;e  der  Ouled  Nayl  und  der  Zab,  In  diesen  überragt  der  Sahara- 
Atlas  die  Hochebene  nur  um  100— 200  m,  und  diese  geringe 
Höhe  verhindert  eine  wesentliche  Zunahme  der  Niedei*schläge. 
Dies  spricht  sich  auch  in  der  Vegetation  aus;  wenn  auch  die 
Kämme  noch  etwas  bewaldet  sind,  so  ist  doch  die  Steppe  all- 
gemeiner.') Die  im  Aures-Gebirge  erfolgende  nochmalige  starke 
Erhöhung  des  Sahara- Atlas  und  die  damit  verbundene  Zunahme 
der  Niederschläge  verschiebt  sozusagen  den  Teil -Atlas  nach 
Süden.  Die  Berge  von  Tebessa  gehören  in  tektonischer  Hin- 
sicht zum  Sahara-Atlas,  in  klimatischer  und  landwirtschaftlicher 
Hinsicht  muß;  man  sie  jedoch  zum  Teil- Atlas  rechnen.^) 


*)  Battandier  a.  Trabnt,  L'Alg^rie,  le  sol  et  les  habitants.  Paris  1898. 
8. 15  u.  16. 

')  Bernard  u.  Fichear,  Les  r§gions  naturelles  de  TAlg^rie.  Annales  de 
Geographie.  1902.  XI.  S.  429. 

*)  Ebenda  S.  430. 

*)  Ebenda  S.  435. 


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—    70    — 

Im  Ettstengebiet  von  Marokko  genttgen  die  Niederschlag 

wiederum,  um  Wald  hervorzubringen.   Nord-Marokko  kann  ms 

sogar  in  seiner  Ausdehnung  nördlich  vom  Sebu  als  natfirlich< 

Waldland  bezeichnen.    In  den  südlichen  Provinzen  macht  si( 

die  zunehmende  Trockenheit  allerdings  schon  bemerkbar,  ab< 

da,  wo  die  dem  Baumwuchs  ungünstige  ISchwarzerde  nicht  vo 

herrscht,  finden  sich  doch  lichte  Haine  mit  Beständen  des  fl 

Südwest-Marokko  eigentümlichen  Arganbaumes.^)  Die  Eorkeicl 

tritt  in  diesem  Eüstengürtel  natürlich  mit  zahlreichen  und  groß< 

Unterbrechungen   von  Tanger   im  Norden   bis  nahe  bei  Gas 

blanca  im  Süden  auf,  wo  sie  nahe  dem  33.  Parallel  ihre  sü 

lichste  Vegetationsgrenze  überhaupt  erreicht.  Einige  der  groß 

ren  Bestände  sind  hier  im  Süden:  nordöstlich  von  Rabat  z^ 

sehen  Sebu  und  Bu  Begreg  der  Korkeichenwald  von  Mamoi 

dann  die  Wälder  im  Süden  und  Nordosten  von  El  Araüch,  d 

Wald  an  dem  kleinen  See  Daiat  es  Skhira  und  die  Bestäni 

auf  dem  sich  östlich  von  der  Straße  von  Tanger  nach  Kaa 

el-Kebir  erhebenden  Dar-el-Akläou.   Im  Innern  erstrecken  si( 

die  Eorkeichenwälder  über  die  Grenze  bis  zum  Becken  d 

Muluja.')   Die  Regenmenge,  die  für  das  Wachstum  und  das  G 

deihen  der  Korkeiche  erforderlich  ist,  nimmt  Müller  mit  mi 

destens  600  mm  an.')   Ganz  allgemein  genommen  scheint  di 

unzweifelhaft  richtig  zu  sein,  doch  glaube  ich  diese  Anga 

nun  genauer  dahin  aussprechen  zu  dürfen,  daß*  größere  und  diel 

Korkeichenbestände  eine  jährliche  Regenmenge  von  mindeste 

700  mm  nötig  haben. 

Der  der  Küste  parallele  Landgürtel  in  Marokko,  c 
noch  unter  dem  direkten  Einfluß  des  Ozeans  steht,  ist  v< 
hältnismäßig  schmal  und  geht  nach  dem  Innern,  wenigstens 
Mittel-  und  Süd-Marokko,  durch  einen  sehr  schmalen  Üb< 
gangsgürtel  in  das  Steppenland  über.  Nach  Norden  reu 
dieses  jedoch  nur  ungefähr  bis  zum  Sebu,  da  hier  infolge  ( 
allgemeinen  Verschmälerung  des  Atlasvorlandes  die  Form  ( 
Hochfläche  gegen  Berg  und  Hügelland  sehr  zurücktritt, 
daß  mit  der  Zunahme  der  Regenmenge  in  diesen  nördlich  | 


>)  Th.  Fischer,  Zar  KUmatologie  von  Marokko.   S.  395. 
*)  Anton  Müller,  Über  die  Korkeiche.  S.  23. 
i  •)  Ebenda  S.  17. 


•i; 


—    71    — 

legenen  Gegenden  das  ganze  Land  znm  Enltnrlandgttrtel  zn 
rechnen  ist.^) 

Mit  der  Annäherung  an  das  Gebirge  nehmen  dann  natür- 
lich die  Niederschläge  wieder  zu,  da  ja  selbstverständlich  das 
Gebirge  als  Wolkenerzenger  wirken  muß.  Nach  Durchschreitung 
des  Steppengürtels  findet  man  hier  die  meisten  Holzgewächse 
wieder,  die  nur  im  Küstengebiet  vorkommen  und  die  Steppe 
ganz  meiden.  Aber  die  Zunahme  der  Feuchtigkeit  und  die  da- 
mit verbundene  kräftigere  Vegetation  scheint  verhältnismäßig 
rasch  eine  obere  Grenze  zu  erreichen,  denn  die  Dürftigkeit  des 
Pflanzenkleides,  die  kahlen  Hänge,  die  Geröllhalden  zeugen  doch 
immerhin  von  einer  gewissen  Trockenheit.')  Eichen  und  Zedern 
scheinen  am  weitesten  in  die  Höhe  hinauf  vorzudringen.  De  Segon- 
zac  macht  hierüber  bei  seiner  Überschreitung  des  Mittleren 
Atlas  in  der  Gegend  südlich  von  Azrou  folgende  Beobachtungen : 
Am  Fuße  der  Berge  ist  die  Vegetation  nur  schwach  und  dürf- 
tig, sie  besteht  meist  aus  verkrüppelten  Eichen.  Mit  der  Zu- 
nahme der  Höhe  wachsen  die  Eichen  jedoch  dichter  und  er- 
reichen auch  einen  höheren  Wuchs.  In  600  m  Höhe  über  der 
Ebene  befindet  man  sich  in  dem  schönsten  Eichenwald,  er  ist 
sehr  buschig,  von  Lichtungen  und  natürlichen  Wegen  durch- 
zogen. Nach  einer  weiteren  Erhöhung  um  1000  m  treten  zu 
den  Eichen  noch  die  Zedern,  die  schließlich  ganz  die  Stelle  der 
ersteren  einnehmen.')  Auch  die  Höhen  des  nordöstlichen  Teiles 
des  Hohen  Atlas  sind  mit  Zedern  bedeckt ;  6—8  m  Umfang  und 
20m  Höhe  sind  nicht  selten.  Doch  auch  hier  schreitet  die  Ent- 
waldung stark  vorwärts.  Teils  zerstört  die  Axt  des  Menschen 
den  wunderbaren  Wald,  teils  wird  aber  auch  bedeutender  Scha- 
den durch  die  Blitzschläge  verursacht.  Dadurch,  daß  die  Zedern 
das  Niveau  des  übrigen  Waldes  überragen,  geben  sie  günstige 
Leitungen  für  die  sehr  häufigen  elektrischen  Entladungen  ab. 
De  Segonzac  hatte  mehrmals  Gelegenheit,  diese  verheerende 
Wirkung  des  Blitzes  beobachten  zu  können.^) 

An  Steppenland  haben  wir  in  den  Atlasländern  hauptsäch- 
lich  zwei   zusammenhängende  Gebiete   zu  unterscheiden,   das 

>)  Th.  Fischer,  Zar  Klimatologie  von  Marokko.  S.  397. 

*)  Ebenda  8.  407. 

'^  de -Segonzac,  Voyages  an  Maroc  (1899—1901).  Paris  1903.  8.  125. 

«)  Ebenda  8. 130. 


—    72     - 

weit  ausgedehnte  Steppenhochland  zwischen  dem  Teil-  und  dem 
Sahara-Atlas  und  das  marokkanische  Steppengebiet.  Ein  klei- 
neres und  unbedeutenderes  Steppengebiet  schaltet  sich  noch 
auf  tunesischem  Gebiet  zwischen  dem  Ostabfalle  des  Atlas  und 
dem  fruchtbaren  Sahel  ein.  Ihrer  Entstehung  nach  sind  diese 
Steppen  als  Windschattengebiete  (nach  Supan)  zu  bezeichnen. 
Bei  den  algerischen  Steppen  wirkt  die  Teilkette  schon  wasser- 
dampfverdichtend  auf  die  Begenwinde  ein,  so  daß  sie  als  relativ 
trocken  auf  der  anderen  Seite  ankommen.  Das  ziemlich  flache 
Steppenland  vermag  keinen  aufsteigenden  Luftstrom  und  somit 
auch  keine  Kondensation  des  wenigen  etwa  noch  vohandenen 
Wasserdampfes  herbeizuführen.  Diese  Umstände  bewirken  hier 
die  geringen  Niederschläge,  die  erst  am  Fuße  des  Sahara-Atlas 
wieder  zunehmen.  Daß  die  tunesischen  Steppen  im  Regenschatten 
des  nordwärts  davon  liegenden  hohen  Gebirgslandes  mit  sehr 
reichlichen  Niederschlägen  liegen,  ist  leicht  begreiflich.  Nicht  so 
klar  liegen  die  Verhältnisse  bei  dem  marokkanischen  Grebiet. 
Es  ist  nicht  durch  eine  nennenswerte  Erhebung  vom  Meere 
abgetrennt,  doch  ist  es  wohl  als  ganz  sicher  anzunehmen,  daß 
in  diesem  Falle  die  Meerferne  des  Gebietes  eine  bedeutende 
Rolle  spielt.  Verdichtet  werden,  wenn  auch  in  geringem  Maße, 
die  Wasserdampf massen  schon  vorher  an  dem  100  m  relativ 
hohen  Steilanstieg  von  der  unteren  Stufe,  was  dieser  zugute 
kommt.  Die  hauptsächlichste  Kondensation  findet  jedoch  erst 
jenseits  der  Steppe  durch  Windstau  an  dem  Atlasgebirge  statt. 

Die  Feststellung  der  Regenmenge,  bei  deren  Fehlen  die 
Form  der  Steppe  auftritt,  ist  schon  mehrfach  versucht  worden. 
Th.  Fischer  nimmt  für  das  marokkanische  Steppengebiet  eine 
Niederschlagsmenge  von  200— 400  mm  an,  und  zwar  wohl  meist 
näher  an  200  mm  als  an  400  mm.')  Auch  Monchicourt  gibt  an, 
daß  bei  dem  Sinken  der  Niederschläge  unter  400  mm  man  ge- 
wöhnlich Steppe  vorfindet.*)  Aus  einem  Vergleiche  der  vor- 
liegenden Karte  der  Regenverteilung  und  der  Karte  für  die  Ver- 
teilung von  Waldland,  Steppe  und  Wüste  kann  man  nur  eine 
Bestätigung  dieser  Ansicht  finden;  wo  die  mittlere  Nieder- 
schlagsmenge  nicht  mehr  400mm  erreicht,   kann  kein  regel- 


*)  Th.  Fischer,  Zar  Elünatologie  von  Marokko.  S.  405. 

*)  Monchicoart,  La  r^gion  de  Tanis.  Annalee  de  Geographie.  1904.  S.  151. 


—    73    — 

mäßiger  Anbau  mehr  getrieben  werden,  die  Form  der  Steppe 
herrscht  vor.  Nur  an  den  wenigen  Punkten,  wo  eine  Quelle 
dem  Boden  entspringt,  ist  Anbau  mit  Hilfe  künstlicher  Beriese- 
lung möglich.  Der  Khreider  in  der  Nähe  des  Schott  Chergui 
ist  einer  dieser  wenigen  Punkte,  an  denen  eine  reichliche  Quelle 
entspringt,  unter  deren  Benutzung  man  üärten  unterhalten  kann. 
In  vielen  Teilen  der  Steppe  fehlen  aber  auch  die  Quellen,  so 
daß  die  Karawanen  auf  dem  Rücken  ihrer  Kamele  das  nötige 
Trinkwasser  mit  sich  führen  müssen.^)  Fließendes  Wasser  kennt 
man  in  den  algerischen  Steppen  nicht.  Was  man  hier  mit  dem 
Namen  Wed  bezeichnet,  gleicht  absolut  nicht  einem  Flußbett. 
Es  sind  nur  lange  schmale  unregelmäßige  Depressionen,  die  in 
den  Schotts  ausmünden.  Der  Boden  wird  gewöhnlich  von  Grä- 
sern und  Kräutern  bedeckt,  ein  Wasserlauf  ist  nur  nach  den 
starken  Regen  zu  sehen.^)  In  diesem  ganzen  Steppengebiet  sind 
die  einzigen  festen  Wohnungen  die  befestigten  Stationen  der 
Bahn  von  Arzew  nach  Am  Sefra.  Nur  selten  trifft  man  die  zu 
einem  Duar  vereinigten  Hütten  der  arabischen  Hirten. 

Unter  den  Steppengräsern  ist  das  am  meisten  vertretene 
das  Haifagras.  Es  tritt  in  den  algerischen  Steppen,  besonders 
in  dem  breiteren  westlichen  Teile,  in  solch  großen  Flächen  auf, 
daß  die  Eingeborenen  häufig  von  einem  „mer  d^halfa"  sprechen.') 
Zwischen  dem  Verbreitungsgebiete  der  Haifa  und  der  Regen- 
menge besteht  ein  auffälliger  Zusammenhang.  Eine  allzugroße 
jährliche  Regenmenge  scheint  an  vielen  Stellen  das  Gedeihen 
der  Haifa  unmöglich  zu  machen.  Wallrafi  hat  durch  einen  Ver- 
gleich einer  Niederschlagskarte  mit  der  Karte  der  Verbreitung 
der  Haifa  gefunden,  daß  dieselbe  nirgends  in  die  Gebiete  mit 
mehr  als  600  mm  jährlichen  Niederschlag  hineinreicht.*)  Die  An- 
gabe, daß  sie  selbst  an  den  Grenzen  der  Wüste,  in  Gegenden, 
deren  Regenmenge  nicht  einmal  200  mm  beträgt,  noch  vortretE- 
Uch  gedeiht,^)  läßt  sich  mit  Berücksichtigung  der  neueren  Regen- 
messungen nicht  mehr  ganz  aufrecht  erhalten.  Die  von  Wall-' 
raf(  angegebenen  Regenmessungen,  die  er  Reclus,  Nouvelle  G6o- 

^)  Battandier  und  Trabat,  L'Alg6rie.  S.  114. 
«)  Ebenda  S.  111. 
*)  Ebenda  S.  124. 

^)  Wallraff,  Geographische  Verbreitung-,  Geschichte  and  kommerzielle 
Bedentang  der  Haifa.   Deutsche  Geogr.  Blätter  Hill:  1890.  Heft  3,  S.  141. 
»)  EbendaS.  142. 


—    74    — 

graphie  universelle  Bd.  XI  Abt.  2  S.  360  entnommen  hat,  haben 
sich  meist  als  beträchtlich  zn  niedrig  erwiesen. 

Nicht  so  ungünstige  Verhältnisse,  wie  sie  das  algerische 
Steppenhochland  der  Bewohnbarkeit  darbietet,  weist  das  marok- 
kanische Steppenland  anf.  Leider  durchqueren  die  großen  Flttsse 
das  Atlasvorland  nur  in  tief  eingeschnittenen  Tälern,  so  daß  sie  in 
nicht  allzu  weitgehendem  Maße  zu  Berieselungszwecken  benutzt 
werden  können.  Hinreichenden  Ersatz  bieten  aber  die  in  großer 
Zahl  vorhandenen  Brunnen,  so  daß  das  Steppengebiet  überall 
dauernd  durch  Hirtenstämme  bewohnt  ist,  zumal  es  ein  gutes 
Weideland  für  die  großen  Herden  abgibt.  An  einigen  Stellen  liegen 
die  Verhältnisse  sogar  so  günstig,  daß  Ackerbau,  wenn  auch  nur 
unter  Mißernten  in  den  trockenen  Jahren,  getrieben  werden  kann.^) 

Die  Grenze  der  im  Süden  des  ganzen  Atlas-Gebietes  sich 
hinziehenden  Wüste  ist  häufig  nicht  scharf  ausgesprochen.  Sie 
greift  mehrfach  auf  die  Anhänge  des  Sahara-Atlas  über,  ja  so- 
gar auf  der  nach  den  Steppen  zu  gelegenen  Seite  finden  sich 
wüstenhafte  Inseln.  In  der  Umgegend  der  Schotts  und  in  der 
Nähe  der  Berge  bilden  sich  Sanddünen,  die  ganz  den  Anblick 
der  Wüste  bieten.  Im  übrigen  fällt  das  Wüstengebiet  außer- 
halb der  Atlasländer  und  gehört  nicht  in  diese  Betrachtung. 

Doch  wollen  wir  nicht  verfehlen,  das  Gebiet  etwas  näher 
zu  betrachten,  wo  Wüste  und  Kulturland  am  engsten  zusammen- 
stoßen, das  Aures-Gebirge.  Da  sich  die  Breite  des  Atlas-Hochlands 
stetig  von  Westen  nach  Osten  zu  verringert,  so  nähern  sich 
gleichzeitig  die  parallelen  Zonen  des  Klimas  und  der  Vegetation 
einander  immer  mehr.  Da  das  Aures-Gebirge  sehr  weit  nach  Osten 
liegt,  so  befindet  es  sich  dem  Mittelmeer  näher  als  irgend  ein  anderer 
Teil  des  Sahara-Atlas.  Die  nördlichen  Winde  können  hier  also 
noch  verhältnismäßig  wasserdampfreich  ankommen  und  vermögen 
ihre  Feuchtigkeit  als  Regen  abzugeben.  Batna  hat  hier  im 
Mittel  461mm  Regen,  für  die  höhergelegenen  Teile  kann  man 
eine  noch  höhere  Jahressumme  annehmen.  Der  Nordabhang  ist 
somit  unbedingt  als  Kulturland  anzusehen,  der  Südabhang  ge- 
hört jedoch  schon  mehr  der  Wüste  als  der  Steppe  an.  Die 
Höhenunterschiede  auf  beiden  Seiten  sind  beträchtlich,  Batna 
1058m,  Biskra  124m.  Letztere  Station,  schon  ganz  in  der 
Wüste  gelegen,  repräsentiert  mit  154mm  die  Niederschlags ver- 

>)  Th.  Fischer,  Zar  KUmatologie  von  Marokko.  S.  405. 


—    76    — 

bältnisse  des  Sfldabhangs.  Besonders  hervorzuheben  ist  hierbei, 
daß  sich  diese  gewaltigen  Unterschiede  auf  eine  Entfernung 
von  weniger  als  100 km  vollziehen.  Der  Übergang  der  Wüste 
zur  Kulturregion  läßt  sich  ganz  besonders  schön  im  Tale  des 
Wed  Abdi,  der  seine  Wasser,  soweit  sie  nicht  schon  gleich 
bei  dem  Austritt  aus  dem  Gebirge  verdunsten,  dem  Schott  el 
Melrir  zuführt.  Die  Vegetationsverhältnisse  lassen  sich  in  fol- 
gender Weise  darstellen:  In  dem  südlichen  Teile  des  Tales 
lassen  die  sehr  geringen  Regenmengen,  die  jährlich  fallen,  dem 
Boden  noch  seiue  ganze  Trockenheit.  Dagegen  bringt  in  einer 
Höhe  von  500  m,  also  ungefähr  400  m  über  Biskra,  Djemora 
im  Norden  von  Branis  seine  70000  Palmen  hervor.  Diese 
Oasen,  die  sich  an  Quellen  und  an  den  Fluß  anlagern,  bieten 
aber  noch  rein  den  Anblick  von  Sahara-Oasen  dar.  Die  Palmen- 
haine setzen  sich  dann  noch  den  Fluß  entlang  auf  eine  Strecke 
von  8—9  km  fort,  dann  wird  das  Bett  des  Flusses  immer  enger, 
die  Palmen  verschwinden  immer  mehr,  und  die  Oleanderbäume 
bleiben  allein  zurück.  Amentac  in  700  m  Höhe  bringt  die  letzten 
Datteln  hervor,  sie  sind  auch  schon  von  sehr  geringer  Güte. 
In  926  m  werden  bei  Menaa  Palmen  nur  noch  als  Zierbäume 
angepflanzt,  die  Früchte  würden  hier  doch  niemals  reifen.  In 
1100  m  bringen  es  die  Aprikosen-  und  Feigenbäume  von  Chetr 
Anfang  April  kaum  zum  Knospen,  aber  nun  erscheinen  schon 
neue  Bäume,  und  zwar  sind  sie  alle  laubabwerfend.  Besonders 
zahlreich  sind  die  Nußbäume.  Gleichzeitig  dehnen  sich  aber 
auch  die  Felder  im  Grunde  des  Tales  aus,  sie  nehmen  immer 
mehr  an  Ausdehnung  zu  und  erstrecken  sich  sogar  über  die 
untersten  Gehänge  der  Berge.  Die  Gipfel  derselben,  die  bis 
hierher  kahl  und  stark  von  den  Atmosphärilien  angegriffen 
waren,  zeigen  sich  mehr  und  mehr  bewaldet.  Amentac  war 
die  letzte  Sahara-Oase,  Menaa  war  der  Typus  einer  Steppen- 
Oase,  Cheir  zeigt  schon  den  Beginn  der  Eulturregion.  Dies 
wird  einesteils  durch  die  in  Cheir  schon  stärker  gewordenen 
Kegen  bewirkt,  andernteils  machen  die  Schneemassen  des  Mahmel 
in  der  Nähe  des  Ghelia  aus  dem  ganzen  Lande  zwischen  Cheir 
und  Batna  in  einer  Höhe  von  mehr  als  1000  m  eine  gleichsam  ge- 
mäßigte Region  mit  zahlreichen  Weiden  und  imposanten  Wäldern.^) 

*)  BassoD,  Les  vall6e8  de  TAar^s.   Annales  de  Geographie  IX.    1900 
S.  46  o.  47. 


TerifliehBis  der  Stationen 
mtt  Angaben  der  Höhen  nnd  der  geogr.  Koordinaten. 


Hohe 

nOrdl-Br. 

LftDge 
V.  Qt. 

Bobe 

DßtdLBr. 

Lau» 
T.  Gr 

CkpSpuul   . 

58.6 

35*  47' 

5'65'W.I 

llAghoa&t       .    . 

752 

33»  48' 

■   2*51' 

T«gM      .     .     . 

43 

35"  45' 

5»  52'  .  j 

,  Djelfa  .     .    .    . 

1167 

34*40' 

3»   8' 

CuabluKt    .    . 

17 

33«  37' 

7«  35'  ,  ; 

Bon  Saada    .    . 

658 

35»  10- 

3' 15' 

Mogador   .    .    . 

10 

31»  31' 

9"  4G' , : 

Biskra       .    .    . 

122 

34»  51' 

5*40' 

UuKkeKta    . 

442? 

31»  35' 

12»  17'  ,  j 

Batoa  .     .    .    . 

1054 

35«  22- 

6'10- 

SftfB      .    .     . 

indar- 

32"  18' 

9°  13'  ,  ; 

TfebMWl     .     .     . 

881 

35'  24' 

8»    6' 

ligh 

Ohudaja  .     .    . 

520 

32°  35' 

:    3*40' 

Nemoon    .    .    . 

4.2 

35'    6' 

1«  51'    ,   : 

:  El  Qolea  .     .     . 

383 

30"  33' 

3"    4' 

Cftp  Fftlcon   .    . 

78 

36*  46' 

0»  47'  ,  , 

,Tabarka   .    .    . 

_ 

36"  58' 

8*46' 

Orao     .    .     .    . 

60 

35"  42' 

0*39'  .  1 

Bicerta      .    .     . 

e 

37"  17' 

9'60' 

Tlomcen    .    . 

824 

34"  52' 

1"  18-  .  ! 

,Tania    .     .    .     . 

43 

36"  47' 

;io*ii' 

8idi-b«l-Abb«t   . 

475 

35»    2' 

0*39'  ,  1 

La  UoDletto 

_ 

36'  50' 

'  10"  19' 

Bl  Aiiclw     . 

1330 

34«  18' 

1*  13'  ,  1 

Utttfeville       .     , 

_ 

36"  41' 

10*20' 

Stida    .     .    .    . 

867 

34'  51' 

0*  10'  E. 

jCrombalia      .     . 

_ 

36"  38' 

10*  30* 

T6d«i    .    .    . 

60 

36"  31' 

1°  19'  .  1 

.K61ibia      .    .     . 

— 

36'  50' 

,10*68' 

Orltonarille  .    . 

118 

36°  lO- 

1"20'  ,  I 

1  Feidja  Orondpre; 

_ 

36"  32' 

8*24' 

TUrel  .     .    . 

1086 

36»  24' 

1'22'  . 

Ain  Draham 

805 

3G«  48' 

;  8*42- 

Tenietel-HMd  . 

1139 

35"  53' 

2*    1'  . 

lB*da      .     .     ,     . 

— 

3ß"  42' 

9*12' 

BonlM-ik  .    .    . 

Ö8 

36' 34' 

2»  56'  , 

;Haleur      .     .     . 

_ 

37"    3' 

9*39- 

auonfeli    .    . 

125 

36"  44' 

2»  55'  , 

.  Sonk-«l-Arb« 

130 

36'  SO- 

8' 48' 

Algier  .    .    . 

38.5 

36"  48' 

3»    3'  ,  1 

Hettjei-el-Bab    . 

_ 

36' 37' 

,   9"  36' 

343 

3S"  48' 

3"    2'  . 

'Souue       .     .     . 

40 

35"  49' 

1 10»  41' 

Eonib»     .    . 

28 

36'  44' 

3«  10'  , 

■Sfai      .     .    •     . 

14 

34"  44' 

10*  46' 

BlBür    .    . 

239 

36"  46' 

3»    2'  .  1 

BI  Djem    .     .     . 

165 

35»  21' 

10*38' 

HUteh     .    . 

917 

36»  IG' 

2"  45'  .  i 

E&ironan  .    .     . 

160 

35*40' 

ilO*    7' 

Anmalfl     .     .    . 

905 

36"    9' 

3*41'  .  . 

iZagbonan      .    . 

270 

.H6"  26' 

10*   8' 

Ml,».    .     . 

59 

36"  65' 

3*55'  ,  1 

Le  K«I      .    .     . 

_ 

36*  11' 

1   8'44' 

TUiouBOii 

234 

36"  22' 

4"    3'  . 

Sidi  YoDuel 

_ 

36*  17' 

8"  22' 

Fort  NktfoDkl 

930 

36"  38' 

4»  12'  ,  1 

,ThaU    .     .   ..     . 

_ 

35"  36' 

i   8°  40- 

S«tif     .     .     .    . 

1066 

36'  11' 

6*26'  , 

IHaotar      .     .    . 

_ 

36*  51' 

1  9*   9' 

DJidJelli    .    . 

13 

36*50' 

6"  43'  . 

Sonk-el-Ojemaft 

— 

35*  54' 

1   8"  55' 

ConiUntine  . 

660 

32"  22' 

6"  36'  , 

Ffiriana     .     .     . 

_ 

34*58' 

,   8*34' 

»nelma     .    . 

27Ö 

36'  28' 

7^  27'  .  1 

Ouemonda     .    . 

— 

35*    7' 

9*18' 

La  Ctlle  .     , 

8 

36"  54' 

H"26'  . 

ToMnr      .     .     . 

— 

33*  56' 

8«    8- 

Ain  Seira 

1072 

32"  65' 

0'23'W.| 

Xefta    .     .     .    . 

_ 

33"  52' 

1    7*63' 

HiclierU  .     . 

1176 

33«  37' 

0«]2'  , 

Oabea   .     .    .     . 

8 

33*  54' 

'10«    6' 

OoTvill«  .     .    . 

1305 

33"  45' 

1«  IC  B, 

1  Djerba      .    .     . 

4 

38*48' 

IlO*  50' 

Aflon    .    .    . 

1426 

34»  13' 

2»    3'  .  i 

Uedeoine      .    . 

— 

33*23' 

IlO"  29- 

Die 
de  France«  SM 
der  Karte  in 
die  vier  äutioneo: 
in  oben  genannter 


der  taneBiKhen  Stationen   Bind    den 


■tindigkeit  w^;eii  mit  TerSlIestlicht 


en  Tnnisie*, 
Chniggoi, 

■iod.    Ihre 


.Annales  da  Burean  Cent 

grOStentelle  ni 

var  diea  : 

mOglicb,   da 

werden  nor  der  V( 


—    77    — 


L  Mittlere  Regenmengen  In  den  einzelnen  Monaten  nnd  Jahreszeiten. 

Die  Mittelwerte  sind  auf  die  Periode  1886—1900  redoziert  worden,  mit  Ausnabme  der 
Stationen,  bei   welchen  die  Jahre,   aas  denen  die  Mittel  gebildet  wurden,  in  Klammern 

beigefügt  sind. 


Cap  Spartel  (1894-04) 
Tanger  (1879-85)  .  . 
Rabat  (1881—82)     .    . 

Casablanca  |  ^'^^'-^^ 
l  (02—04) 

Mogadar  (94—04)    . 

Marrakeech  < 

loO-Ol,  02- 

Saffi  (96-04)  lückenhaft 

Nemours 
Cap  Falcon 
Oran .    .    . 
Tlemcen 
Sidi-bel-Abbes 
£1  Aricha  . 
Saida     .    . 
Tfenfes     .     . 
Orl^ansTÜle 
Tiarei    . 
Teniet-el-Haad 
Boufarik 
Htaou^li .     . 
Algier     .     . 
BoQzarfeah 
Bouiba   .     . 
El  Biar  .     . 
MM^ah  .     . 
Anmale  .     . 
Üellys     .     . 
Tijuouzon   . 
Fort  National 
8*tÜ  .    .     . 
Djidjelli 
Constantine 
Üoelma  (86—91) 
U  Galle  (86-88) 
Ain  Sefra  (89—99) 
M6ch6ria  (86  -  98) 
ticrytille     .     .     . 
Aflou      .... 


05J 


343|214|  19  243 
318  31o!  73  104 


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162  77 
197  110 
1278 183 


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169 


86 


6 


90 


151 


49104 
193193 


222 
165 


109: 
132 


2881320 
174198 
370228! 


334 
327 
246 


155 
177 
179 


313  167 
356197 
35l|248 
163191  i 


454 
367 


182' 
247 


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122189' 
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11  125 

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24,246 
13  227 
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19  254 
27  222 
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32  266 
86  93 

29  257 
48  147 

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61 1  67 
76^  43 
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61  76 
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91  97 
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58  54 
123  114 

73  87 
87  93 

135  41 
22  36 
18  44 
46  71 
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7    28   55 


56  35  24'  3;  4; 

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59  42  41 1  3;  l' 

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54  371  9  ll  5 

53  47!lO  5|  4 
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8  3, 
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25  14 
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12'  32 

23  53 
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26 1  39 
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28  71 
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44 
52 
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126 


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59  58  19;  4  19 
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7  43  10  14  21. 

41106  46  31  66 

66124  46  31  54 

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14     0  2     5, 

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19 183  124  78   67 

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27105   66  55   53 

37142    50  55   34 

19    78    53  58   20 

14 111  72  52  46 
24   68  249171156 

80352  328  190195 

19132   78  67   98 

43217  lU  38110^ 

27 102   m  55   68 

55170120  32127 

21  136   72  58   48 

31    «t   70  47   &T 

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27  163   50!  40  30; 

5  87    25  30    I81 

13131    m  46  20; 

31  120  32  38  42 
28.121  60  68  74 
49101  7»'  64  63' 
64  115  54  55!  n» 
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32  97  R4  45  52 
39,138  64  46  54, 
38128    62  56    70 

9'  91    23  20  40 

13    49    46  4  114 

15   4«   23  17   MI 


3    19 
5    17 


22  2514  6121 
6660  25,18  24; 
42  32|18  12  20 
2015:  2'  1 
6157  10  7  24 
6563  202125 
812  1  0  1. 
4  2  0  0  1 
862818  610 
5123'  7,  6  6 
47'23I1  910 
40  2114  21 
86  56  14  3  20 
4831  8  2 
5131:  82  4 
126  91  8  610J 
176  893317  30 
6820' 10'  7 
77  46  1021  12 
604M1: 
49  «'26  1613! 
5023'  8 
63  31  15 
541713  6  6 
40i21  9  7111! 
3215  2 
5419  5 
42  32  13  8  3 
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30  31  38 
24    19   22 


20      7 


I   24 


19   66:  49   40  10    I 


3   0 


23    40   43  53 

43    47   34'  37 

12  20 

3  24 
48  101117,217 
51'  63   79113 

37   69  68 

28'  32   45!  67 
30i  42 

1;  24,  36  70 

16    29   66  71 

15    21    32159 

49' 132, 171 '231 

87119 

891  68   60  72 

26.  33   43  62 

,44|  75   öl|  71 

'20'  46!  70  65 

191  25   391  61 

'30'  66!  58'  82 

!35i  63   75'  44 

2ü|  36   31!  35 

50 1  38   43  64 

.36   46  27 

49'  47  77 

29   41  61 

30!  29i  561  68 

38    46j  57  74 

|34| 

i56j  60'  32  76 
'ssj  43   4 

9   38!  33 

30      7    12'  17 

13'  13   22  22 

9  15 

8  13 

15    30'  23  26 

17   32  27 

16i  70  31 


"1 


Werte  lind  entnommen:  Qinestoiu,  Lea  plniee  en  Toniüe.    Diraction 
it  Public,  Serrlcu  U^tiorologlqne.  Tonil  1901. 


Urllehe  Periode  der  NlederaehlagHinengeii,  dargestellt  darch  Prozente 
der  Jahressarame. 


I 
I 

I 


—    82    — 


IT.  PluTiometrischer  Koefftcient  nach  Angot. 


M 

mmer 

inter 

1 

:0 

^ 

£ 

QQ 

.a 


a 

s 

o 

00 


13 


Cap  Spartel    .     . 
Tanger  .    .     .     . 

Safli 

Casa-  { 

Mogador    . 
Marrakesch 
Nemours    . 
Cap  FalcoD 
Oran      .     . 
Tlemcen 
Sidi-bel-Abbes 
El  Aricba  . 
Sai'da     .     . 
T6n^    .     . 
Orl^ansville 
Tiaret    .     . 
T6niet-el-Haad 
Boafarik    . 
Staoa61i 
Algier    .     . 
Boazar6ab . 
Rooiba  .     . 
El  Biar      . 
M6d6ah .     . 
Anmale .     . 
Dellys    .     . 
Tizi  Ouzon 
Fort  National 
S^tif.    . 
Djidjelli 
Constantine 
Gnelma 
La  Galle 
Ai'n  Sefra 
M^cb6ria 
G^ryville 
Afloa 
Lagboaat 
Djelfa    . 
Bon  Saada 


.70  1.04 
.59|  1.51 
.96:  0.97 
.37J  1.39 
.73  1 16 
.98  0.93 
.49|  1.37' 
.711  1.05| 
.02'  0.94! 
.93  1.06: 
.75  1.12 
.81  1.29 
0.73  1.53J 
.471  1.43J 
.93|  0.93 
.48  1.16 
.45!  I.57I 
.33|  1.48| 
.731  1.04' 
.86  0.85! 
.82'  0.96: 
M,  1.16! 
.74'  0.91 
.75!  0.95 
.68j  1.16 
.25: 1.43i 
.061  0.81 
.74  1.14' 
.63|  1.26; 
.Or  1.53, 
.01|  0.94 1 
.61  1.20! 
54,  1.26' 
.So  0.56 
0.85|  1.78 
.07  1.50 
.02;  1.63 
0.96'  1.45 
1.04'  1.24 
0.83  1.70 
0.83'  1.55 


*)  Nach  Ginestons  S. 


0.09;  1.19 
0.09J  0.83^ 
0.07:  103, 
0.03;  1.21' 
0.08  1.05i 
0.03;  1.09 
0.20'  0.95] 
0.20;  1.07 
0.11  0.96' 
0.16J  0.88| 
0  28|  0.88: 
0.21' 0.71; 
0.82|0.9r 
0.30|0.81i 
0.10  1.08, 
0.08  1.30' 
0.24J  0.76 
0.22  0.98i 
0.11  1.14 
0.07  1.25 
0.09i  ^l^l 
0.11;  1 11 
0.08!  1.30 
0.09'  1.23 
0.13, 1.05 
0.30'  1.03 
0.15  1.01 
0.10!  1.05 
O.I2I  1.01 
0.70  0.76 
0.11  0.97 
0.30  0.91 
0.25  0.96 
0.18  1.44: 
0.35  i  1.03 
0.35  1.09 
0.40;  0  95 
0.55  1.05 
0.61  1.12 
0.60  0.48 

0.72'  o.9o; 

44. 


Biskra  .  . 

Batna    .  . 
T^bessa 

Ghardaja  . 

El  Golea  . 

Tabarka*) . 
Bizerta  .     . 
Tunis    .     . 
La  Goulette 
Crfet6ville  . 
Grombalia . 
K^libia  .    . 
Feidja.Grandprey 
Ai'n  Draham  . 
B6ja.     .     .     . 
Mateur  .     .     . 
Souk-el-Arba  . 
Sonk-el-Khmis 
Medjez-el-Bab 
Chuiggui    . 
Mabtonha  . 
Sonsse   .     . 
Sfax .     .     . 
El  Djem    . 
Kaironan    . 
Zagbonan  . 
Ai'n-el-Asker 
Le  Kef  .    . 
Sidi-Yoasse! 
Thala    .     . 
Mactar  .     . 
Sonk-el-Djemaä 
Feriana .     . 
Guemoada . 
Gafsa     .     . 
Tozeur  .     . 
Nefta     .     . 
Gabes    .     . 
Djerba  .     . 
M6denine 


1.27, 
1.15 
0.97  j 
1.71 
2.52! 

t 
I 

1.88' 

1.94 

1.59, 

1.64' 

1.34 

1.95 

1.75! 

1.841 

I.8I; 

1.81J 

1.27 

1.52i 

1.32 

1.67' 

1.191 

1.67 

1.31 

1.48 

1.48 

1.08 

1.60 

1.60 

1.32 

1.52 

1.67 

1.51 

118 

1.04 

0.84 

1.18 

1.32 

1.34 

1.51 

0.88 

1.52 


1.45  0.18  1.12 
1.59;  0.35,  0.92 
1.43,  0.55  1.05 
1.37  0.09  0.86 
1.04  0.10  0.38 

1.03  0.12  0.37 
0.84  0.11;  1.09 
1.16.  0.25  1.01 
1.09^0.25  1.01 
1.39' 0.28  1.02 

1.03  0.19^  0.83 
I.I3I  0.12  1.00 

1.4  ij  0.09  0.26 
lll|  0.19  0.86 
1.17' 0.13  089 

1.28  0.23'  1.21 
1.40  0.21,0.85 

1.29  0.32' 1.01 
1.01' 0.17,  1.15 
1.39|  0.27  0.73 
0.91  0.19,  1.23 
0.35' 0.26  1.58 
1.04  0.07;  1.39 
0.99'  0.13,  1.39 
1.26  0.34'  1.32 
1.25' 0.21!  0.93 
1.19!  0.38  0.82 
1.35  0.46  0.85 
0.95  0.43'  1.09 
1.06  0.31  0.96 
1.09  0.30'  1.10 
1.11' 0.29  1.00 
1.45;  0.27;  1.23 
2.25  0.27!  0.61 
1.62'  0.28'  0.90 
1.94  0.09  0.59 
1.88  0.17  0.60 
1.00  0.05  1.31 
1.12' 0.09' 1.03 
1.14' 0.05' 1.2H 


—    83    — 


y.  Anzahl  der  Regentage. 


2 

o 


bfi! 

a 


9 


OB 


^  £-g!l 


■n  !tz] 


Cap  Spartel  .  . 
Taoger  .  .  .  . 
Mogador  .  .  .  . 
Marrakesch  .  .  . 
Casablanca  (02/04) 
Saffi 


33  28  5  22 

34  36  619 
2216  1  12 
2016  613 


24,25  7 


Nemonr    .     . 
Cap  Falcon  . 
Gran    .    .     . 
Tlemcen  .     .     . 
Sidibel-Abb^ 
B)  Aricba 
Saida  .     .     . 
T6nte       .     . 
Orl^ansYille  . 
Tiaret      .    . 
T6niet-et-Haad 
Bonfaiik  .     . 
Suoa^li   .    . 
Algier      .     . 
Boiisar6ah 
Roniba     .    . 
]f6d6ah    .     . 
Anmale    .    . 
Tiri-Ovsoo   . 
Fort  National 
S6tU    .    .     . 
I)jidljeUi   .    . 
Ck>n8tantine . 
Gnelma    .    . 
U  Galle.    . 
Ain  Sefra     . 
M6ch6ria .     .     . 
Qeiyville  .    . 
Aflon  ... 
Laghonat 
Pjelfa.    .     . 
fion-Saada    .     . 
Biikra     .     .     . 
Batna.    .     .     . 


2413 


14 


113 


31  31 12  23 
31  26  9  25 
2619!  6,19 


34  33 
!32|27 
126  30 


10 

8 

23 


18 
18 
24 


i29;3114  22 
!^|23i  7  23 
1^,26,  7  20 

34  3310  30 

35  33|l3  22 

37  31  10  27 

44  3210  26 

44  3512  34 

3224    7  23 

,46  42  1133 

J43  35    7  24 

^7!25!  9;18 

Ii40  3110|27 

43  38  14  31 

i3l|361525 

.47I38;  14^34 

;37|34  13'26 

|45  4112  29 

47  271129 

J14  19  15  17 

25  29  19  22 

ä6  29  19  20 

25  29  19  25 

12|l9 

23  23 


1516 
1420 


10  1213    8  7 

12  1215  13  8 

7    8    9    4  3 

7775!  4 

5    610   9  6! 


9:  6    5 


12 


5   3 


31 
3  2 
1  0 
3  2 

1  0 


1 
1 
0 
1 
2 
0 


4 
2 
1 
2 
2 
1 


913  9  9 
12  9 12  8  6 
10|  7|  9  6  4 
121011,1111 
12'l010'l0l  7 
10'  811  9  10 
11  91211  8 
10|  9|  9  8,  6 
11  910  9i  7 
1211  13  12    8 


5 
4 

3 
6 
4 
8 
5 
3 
4 


3 

2! 
I 

1  I 

2 

2 

7 

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2- 

1 


4 
3 
2 
2 
2 
8 
4 
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2    5 


7 
7 
5 
3 
4 

I 

9 

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81011 
9  810 
5  6  7 
5  6  6 
5    7  13 


7|  9|10 
81010 

51012 
6   810 


8 

8 

71111 
51010 


13111311 
I4I1OI2I1O 


9 
9 


161212112'  8| 
16131511  9' 
11  10 10  8  6 
1714  171411 
16151511!  9 
10  s!  9  8  8 
1412;1211    8 

14  1314;1311 
10  12  13  12  11 

15  1714  14^10 
10' 
10' 

4 


5  3 
4'B 

5  3 

6  3 
3  2 


4  3 '3  7  131011 
4  6,7  911 
2  '  6  I  9  12!l3 
3i6|  9  11  16 
4  9  11 14  15 
2    5'  81011 


12121212 
15171615 


17  15  12 


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9 
10 
8 
4 
9 
8 
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4    7 
7  10 


11 

6!  6 


22  2517  21 
!l7j20  10  18 
b4'3313  30  11  12  1211110: 


8  10 

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4    6 

6 

6 

6 


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10 

10 

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6    7 


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5 
4 
5 

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6 
4 
4 
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7 
6 


2|81114 

2    5  j  8  11 
4'  6l  8 


2 
3 
4 

6 


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8  10 
8'  9 


15 

12 

9 


4  10121215 


1214 

13|16 

8    9 


4    7 


816 
5  4 


6 
7 
4 
6 


4i 
I 

5; 

2 
3 


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1113 
1213 
13  15 


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7 
7 
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95 
51 

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70 
51 

97 

91 

70 

95 

85 

103 

96 

83 

83 

107 

103 

105 

112 

125 

86 

132 

109 

79 

108 

126 

107 

133 

110 

127 

114 

65 

95 

94 

98 

62 

80 

85 

a5 

110 


*)  Ans  UiDeatous:  Les  iiluiea  en  Tanisie. 


Tl.  Kittlere  Begenwafarseheiitllehbelt. 


Inhaltsübersicht. 


Seite 

Bodenplaatik  der  Atlasländer       5 

Lnftdmck  und  Windverhältnisse 14 

Literatur  und  fieobachtnngsmaterial 24 

Verteilung  der  Niederschläge       31 

Die  jährliche  Periode  der  Niederschläge 40 

Anzahl  der  Regentage,  Regenwahrscheinlichkeit        52 

Die  Schneeverhältnisse 55 

Die  Wasserftthrang  der  Flüsse 60 

Regenmenge  und  Vegetation        64 

Tabellen. 

I.  Verzeichnis  der  Stationen  mit  Angabe  der  Höhen  and  geographischen 

Koordinaten 76 

II.  Mittlere  Regenmengen  in  den  einzelnen  Monaten  und  Jahreszeiten  77 

III.  Jährliche  Periode  der  Niederschlagsmengen,  dargestellt  durch  Pro- 

zente der  Jahressumme 79 

IV.  Maxima  and  Minima  der  Monatsmengen        81 

V.  Plnviometrischer  Koeffizient  nach  Angot        82 

VI.  Anzahl  der  Regentage 83 

VII.  Mittlere  Regenwahrscheinlichkeit 86 

Karten. 

Verteilung  der  mittleren  jährlichen  Regenmenge  im  Atlasgebiet.    Hierzu  als 
Deckblatt:    Die  Hauptregionen  der  Vegetation  in  den  Atlasländern. 
Das  Gebiet  mit  Frühlingsregen  in  den  Atlasländern. 

Regen-Profile. 
Oraa — Wed  Namons. 
Kap  Bongaronn— Schott  Melrir. 
Tabarka— Schott  el  Djerid. 


Aus  den  Vorträgen 

Tom  18.  Oktober  1905  bis  2.  Mai  1906. 

Mit   Benutzung  der  Mitteilungen  der  Herren  Redner 

zosammengestellt 
von 

Dr.  H.  Traut. 


Mittwoch,  den  18.  Oktober  1905. 

Herr  Hofrat  Dr.  Bernhard  Hagen-Frankfurt  a.  M.: 
Berieht  Ober  meine  diesjährige  Reise  nach  Sumatra  und  Banka. 

(Lichtbilder  und  phonographische  Vorführungen.) 

Mein  heutiger  Vortrag  boU  Ihnen  nnr  eine  allgemeine  Übersicht  geben 
über  den  Verlan!  und  die  Ergebnisse  der  Beise,  welche  wir,  meine  Frau  und 
ich,  im  vergangenen  Frühling  nach  meinem  alten  Forschangsgebiet,  der  Insel 
Samatra,  und  zwar  nach  dem  südöstlichen  Teil  derselben,  nach  der  Stadt  und 
Provinz  Palembang,  sowie  der  nahebei  liegenden,  darch  ihre  Zinnproduktion 
weltbekannten  Insel  Banka  unternahmen. 

Ich  hatte  diese  Örtlichkeiten  deshalb  gewählt,  weil  ich  glaubte,  drei 
Aufgaben,  die  ich  mir  gestellt  hatte,  dort  am  besten  lösen  zu  können. 

Die  erste  und  im  Vordergrande  stehende  Aufgabe  war,  möglichst  viel 
und  authentisches  Material  über  die  Kultur  der  eigentlichen  Malayen  für 
unser  Frankfurter  Völkermuseum  zu  sammeln. 

Die  Stadt  Palembang  schien  mir  deshalb  am  geeignetsten  für  diesen 
Zweck,  weil  das  alte  Sultanat  Palembang  der  direkte  Nachfolger  und  gewisser- 
maßen Erbe  der  beiden  höchsten  Kulturen  war,  welche  die  malayische  Basse 
beeinflußt  und  gemodelt  haben,  nämlich  des  alten  autochthonen  Malayenreiches 
von  Menangkabau  im  südlichen  Zentral-Sumatra  und  des  bramanisch-buddhisti- 
sehen  Hindureiches  von  Madjapahit  auf  der  Nachbarinsel  Java,  und  weil  es 
drittens  der  Brenn-  und  Gipfelpunkt  der  später  auf  den  Trümmern  der  beiden 
vorgenannten  sich  aufbauenden  islamitischen  Kultur  war.  Ich  will  Ihnen  dies 
kurz  des  Näheren  erläutern. 

Palembang,  heute  eine  Stadt  von  70—80000  Einwohnern  und  Haupt- 
stadt einer  der  größten  und  fruchtbarsten  Provinzen  Sumatras,  liegt  etwa 
75—80  km  landeinwärts  in  der  großen  sumpfigen  Alluvialebene  des  Südost- 


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liehen  Teiles  der  iDSel  zu  beiden  Seiten  der  Ufer  des  großen  Mnsi-FIasses, 
der  ein  nngehenres,  sich  über  zwei  Breitegrade  erstreckendes  Quellgebiet 
entwässert,  eben  jenes  obengenannte  reiche  nnd  fruchtbare  Gebiet  des  alten 
Malayenreiches  von  Menangkaban,  zu  dem  Palembang  also  den  Schlüssel,  die 
Eingangspforte  bildet.  Übervölkerung  nnd  angeborene  Reiselust  veranlaßten, 
daß  dieses  Reich  seinen  Überschuß  an  Menschenkräften  in  die  Feme  hinaus- 
sandte.  Der  Strom  dieser  Auswanderung  ging  natürlich  ebenfalls  über 
Palembang,  so  daß  es  begreiflich  ist,  wenn  diese  Stadt  schon  an  die  2000  Jahre 
als  bedeutender  Handelsplatz  bekannt  und  berühmt  war.  Die  Fürsten  von 
Madjapahit,  dessen  Macht  zu  seiner  Blütezeit  (im  11.— 13.  Jahrhundert)  über 
den  ganzen  malayischen  Archipel  ausgebreitet  war,  hatten  ebenfalls  in  Palem- 
bang festen  Fuß  gefaßt  und  es  znletzt,  im  14.  und  15.  Jahrhundert,  fast  ganz 
unter  ihren  Einfluß  gebracht,  so  daß,  als  der  Islam  die  alten  Hindureiche 
auf  der  Mutterinsel  Java  stürzte,  die  Nachkommen  der  letzten  Fürsten  nach 
ihrer  besten  Kolonie  Palembang  auswichen.  Aber  die  um  ihres  Glaubens 
willen  Geflohenen  entgingen  ihrem  Schicksal  nicht ;  sie  wurden  in  Palem- 
bang selbst  zum  Islam  bekehrt  und  das  Herrscherhaus  von  Palembang 
ward  ein  rein  muhammedanisches.  Es  regierte  von  1520  ab  bis  1823,  in 
welchem  Jahre  der  letzte  nominelle  Sultan  von  den  Holländern  abgesetzt  nnd 
verbannt  wurde,  und  hat  während  dieser  300  Jahre  dem  Lande  17  zum  Teil 
hochbegabte  Herrscher  geschenkt.  Die  Blütezeit  des  Sultanats  war  das 
18.  Jahrhundert,  namentlich  die  zweite  Hälfte  desselben.  Die  Entdeckung 
des  Zinns  aof  Banka  im  Jahre  1710,  welche  Insel  damals  zu  Palembang 
gehörte,  schüttete  ungeheure  Reichtümer  über  das  Sultanat  ans.  Unter  den 
drei  großen,  klugen  nnd  weisen  Herrschern,  Machmud  Badarudin  (1716—1751), 
Achmad  Nadjamudin  (1751—1776)  nnd  Mohamad  Bahandin  (1776-1804) 
blühten  Handel,  Gewerbe  und  Kunst,  und  die  beutige  hochentwickelte  Industrie, 
Brokatweberei,  Spitzenklöppelei,  Lackwaren,  Metallarbeiten  besonders  Waffen- 
schmiede, Töpferei,  Schiffbau,  ist  ein  Nachklang  aus  der  alten  Sultans- 
herrlichkeit. Der  konservative,  pietätvolle  Sinn  der  Malayen  hat  noch  eine 
Menge  von  Überresten  aus  jener  großen  Zeit  bewahrt  Der  Überfluß  an 
indischen  Stoffen,  persisches  und  siamesisches  Steingut  und  Porzellan,  prächtige 
Waffen  und  Edelmetallarbeiten  aus  Java,  von  denen  ich  gar  Vieles  für  unser 
Völkermuseum  erwerben  konnte,  sind  heute  noch  stumme  Zeugen  der  reichen 
ausgebreiteten  Handelsverbindungen  des  palembangschen  Reiches  im  18.  Jahr- 
hundert. 

Heute  ist  Palembang  trotz  seiner  immer  noch  bltlhenden  Industrie  nnd 
seines  auch  jetzt  nicht  unbeträchtlichen  Handels  doch  hauptsächlich  eine 
Toten-  und  Gräberstadt,  in  der  noch  Hunderte  von  Nachkommen  der  alten 
Herrscherfamilie  düster  ihren  Erinnerungen  an  die  alte  Herrlichkeit  nach- 
hängen, deren  letzte  Augenzeugen  vor  noch  gar  nicht  langer  Zeit  dahin- 
gegangen sind.  Noch  steht,  zur  Kaserne  herabgewürdigt,  das  feste,  imposante, 
gewaltige  Mauerviereck  des  «Kraton^,  der  ehemaligen  Sultansfeste,  erbaut 
von  Mohamad  Bahaudin,  noch  wandelt  man  am  Freitag  fromm  zu  der  großen, 
vom  Sultan  Machmud  Badarudin  erbauten  Moschee,  lange  Zeit  der  schönsten 
und  größten  des  ganzen  Ostens,  und  das  dankbare  Volk  legt  heute  noch  in 
treuer  Verehrung  seine  Basilicum  (Ocimum-)  Sträußchen  auf  den  sorgfältig 


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gepflegten  Gräbern  in  den  Mausoleen  seiner  alten  geliebten  Fürsten  und 
Fürstinnen  nieder. 

In  der  Umgebung  Palembangs  aber  erinnert  ein  wunderbares,  viele 
Meilen  langes,  verwildertes  Lotosfeld  zu  beiden  Seiten  des  Ogan-Flusses,  wohl 
das  ausgedehnteste  Lotosfeld  der  Welt,  an  die  alte,  vorislamitische  halb 
sagenhafte  Hinduseit. 

Wie  Alles  auf  Erden  seine  Zeit  hat,  so  auch  die  Trauer  um  Gewesenes. 
Die  ungeheuren  Schätze  an  Petroleum,  die  der  Boden  Sumatras,  speziell 
der  Provinz  Palembang  seit  10  Jahren  ergeben  hat,  haben  dicht  neben  der 
alten  dahintrauernden  Sultansstadt  eine  neue,  modern  europäische,  mit  aus- 
gedehnten Raffinerien,  Reservoirs,  Leitungsanlagen  usw.,  mit  allem  Lärm  und 
Getöse  eines  modernen  Industriezentrums  entstehen  lassen,  die  Ansiedlung 
Peladju.    Eine  neue  Zeit  ist  für  Palembang  angebrochen. 

Meine  zweite  Aufgabe  war,  einen  Volksstamm  aufzusuchen  und  zu 
studieren,  von  dem  in  der  wissenschaftlichen  Welt  bisher  nur  äußerst  wenig 
bekannt  war,  nämlich  die  Orang  Kubu,  oder  Waldnomaden,  die  in  den  un- 
geheuren Urwaldgebieten  zwischen  dem  Musi-  und  dem  nördlich  davon  gelegenen 
Pjambi-  oder  Batang  hari-Fluß  hausen.  Es  sollte  den  Erzählungen  nach 
ein  Menschenstamm  von  äußerst  niedriger  Kulturstufe  sein,  ohne  Kleidung 
außer  einem  Rinden-Schamgürtel,  ohne  Ackerbau  oder  sonstige  geregelte 
Nahrungsgewinnung,  ja  selbst  ohne  feste  Wohnung.  Die  wenigen  Bedürfnisse, 
die  sie  sich  nicht  selbst  verschaffen  können,  z.  B.  eiserne  Lanzenspitzen,  sollten 
sie  auf  dem  Weg  eines  äußerst  primitiven  Tauschhandels,  wobei  die  beiden 
Parteien  sich  gegenseitig  nicht  zu  Gesicht  bekommen,  gegen  Waldprodukte 
(Guttapercha,  Harz,  Rottan)  von  den  Malayen  eintauschen.  Über  ihre  körperliche 
Beschaffenheit  war  ebenfalls  kaum  etwas  Sicheres  bekannt;  zwei  Skelette, 
die  der  englische  Forscher  Forbes  nach  London  gebracht  hatte,  sollten  so 
äußerst  niedrige  Merkmale  aufzeigen,  wie  man  sie  noch  bei  keinem  anderen 
Volk  gefunden  hatte. 

Diese  scheuen  Menschen  in  ihren  Urwäldern  aufzusuchen,  wäre  ver- 
gebliches Bemühen  gewesen ;  ein  derartiger  Versuch  war  mir  schon  vor  zehn 
Jahren  mißglückt,  und  ich  hatte  auch  diesmal  wenig  Hoffnung.  An  den 
sogen,  zahmen  Kubu,  die  schon  seit  Jahrzehnten  ihr  Nomadenleben  auf- 
gegeben und  an  den  Ufern  des  Lalang-Flnsses  sich  in  festen  Wohnsitzen  unter 
Annahme  malayischer  Sitten  und  Kleidung  niedergelassen  hatten  und  nahezu 
gänzlich  Malayen  geworden  waren,  konnte  mir  wenig  liegen.  Da  kam  mir 
ein  gütiges  Geschick  zu  Hilfe.  Wenige  Monate  vor  meiner  Ankunft  waren 
aus  politischen  und  militärischen  Gründen  die  noch  wild  herumschweifenden 
Kubu  halb  mit  Güte,  halb  mit  Gewalt  zur  zwangsweisen  Ansiedlung  gebracht 
worden;  , wilde"  Kubu  gibt  es  jetzt  in  Palembang  also  nicht  mehr.  Mit 
Hilfe  meines  alten  Freundes,  des  jetzigen  holländischen  Residenten  der  Pro- 
vinz Palembang,  der  diese  Maßregel  veranlaßt  hatte,  war  ich  so  glücklich, 
dort  in  Muara  Bahar  —  so  heißt  diese  Ansiedlung  —  eine  größere  Anzahl 
dieser  bisherigen  wilden  Kubu  noch  in  ihrer  ganzen  Urwaldfrische  und  Un- 
berührtheit mit  aller  Maße  und  Bequemlichkeit  zu  studieren,  anthropologisch 
zu  messen,  zu  photographieren  und  zu  —  phonographieren.  Es  war  ein 
Häuflein  äußerst  liebenswürdiger  und  gutmütiger  Menschen,   die  bald  ihre 


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anfängliche  Sehen  nns  gegenüber  —  meine  Fran  war  mir  während  dieser 
ganzen  Expedition  ein  tapferer  und  hilfreicher  Begleiter  —  ablegten.  Leider 
wird  dieses  harmlose  Völkchen  sehr  bald  aasgestorben  sein,  denn  es  herrscht 
bedeutender  Männerüberschnß  and  yon  4  Kindern,  die  eine  Fran  im  Dorch- 
schnitt  gebiert,  bleibt  gewöhnlich  nar  eins  am  Leben.  Die  ganze  Kaba- 
Bevölkerang  mag  heute  noch  ca.  3000  Seelen  zählen,  die  auf  31  Stämme, 
jeder  zu  etwa  100  Personen,  verteilt  sind.  An  Waffen  besitzen  sie  nur  eine 
lange  Warflanze  and  ab  and  za  ein  von  den  Malayen  erhandeltes  Hiebmesser. 
Die  Kleidang  bei  beiden  Geschlechtern  besteht  nar  aas  einem  Schamgürtel 
aas  Baumrinde,  infolgedessen  leiden  die  Menschen  fürchterlich  an  Hautkrank- 
heiten ;  doch  führt  die  holländische  Regierung  jetzt  allmählich  die  malayische 
Tracht  ein.  Ebenso  unterweist  sie  die  Leute  im  Anlegen  von  Reisfeldern. 
Bisher  lebten  sie  nur  von  dem,  was  der  Wald  und  die  mit  großem  Geschick 
mittelst  Fallen  und  Netzen  betriebene  Jagd  und  Fischerei  jeweils  bot.  Der 
Kubu  hat  keine  eigene  Sprache,  sondern  spricht  nur  ein  verdorbenes  Ma- 
layisch.  Von  Häuptlingen  kennt  er  nur  die  von  der  Regierung  eingesetzten 
halbmalayischen  aPasirah's'.    Die  Ehe  ist  meistens  monogam. 

Anthropologisch  gehören  die  Kubu  zweifellos  zu  den  Urmalayen;  sie 
zeigen  dieselbe  Körperbeschaffenheit  wie  die  übrigen  Ur\'ölker  Sumatras,  die 
Batak,  Gajo  usw.;  in  ethnographischer  Hinsicht  stellen  sie  sogar  die  tiefste 
Schicht  derselben  dar.  Doch  sind  auch  sie  bereits  bedeutend  mit  fremden 
Elementen  gemischt ;  denn  wie  bei  den  obengenannten  anderen  samatranischen 
Urvölkem  kann  man  auch  bei  den  Kuba  zwei  Typen  unterscheiden:  einen 
kleinen  Typus  mit  langem  Kopf,  niederem  breitem  Gesicht  und  kurzer  platter 
Nase  —  der  malayische  Urtypus  —  und  einen  zweiten  größeren  mit  kürzerem 
Kopf,  langem  Gesicht  und  langer,  oft  sogar  Überhängeader  Nase,  wahr- 
scheinlich ein  Misch typus  mit  fremden  Elementen.  Drei  Skelette,  die  ich  so 
glücklich  war,  zu  erhalten,  werden  gestatten,  diese  Verhältnisse,  sowie  die 
Angaben  des  englischen  Forschers  Forbes  näher  zu  prüfen. 

Ich  habe  dann  noch  auf  einer  mehrtägigen  anstrengenden  Kahnfahrt 
auf  einem  von  Krokodilen  wimmelnden  Fluß,  dem  Batang  Leko,  mitten 
durch  wundervollen  Urwald,  eine  andere,  schon  längere  Jahre  bestehende 
Kubu  -  Ansiedlung ,  Ikan  lebar,  besucht  und  dort  dieselben  Verhältnisse 
gefunden.  Diese  Ansiedlung  war  kurz  vorher  durch  die  Pocken  entsetzlich 
dezimiert  worden. 

Die  Petroleumindustrie  hat  auch  in  das  Leben  der  Kubu  gewaltig 
eingegriffen.  Dutzende  von  Petroleumgeologen  durchstreifen  die  Urwälder, 
errichten  Bohrtürme  an  Orten,  wo  bisher  noch  keines  Europäers  Faß  hin- 
gedrungen war  und  scheuchen  die  armen  Waldmenschen  aus  ihren  ver- 
stecktesten Schlupfwinkeln  auf.    Schade  um  dieses  harmlose  Volk! 

Meine  dritte  Aufgabe  führte  mich  nach  der  nar  24  km  von  der  Mündung 
des  Musi-Flasses  und  der  Küste  Sumatras  entfernten  Insel  Banka,  der  be- 
kannten Zinninsel.  Eben  dieses  Zinnes  wegen  ist  Banka  geologisch  so  gut 
durchforscht,  wie  kaum  eine  andere  Insel  des  malayischen  Archipels ;  zoologisch 
dagegen  ist  sie  nur  sehr  mangelhaft  bekannt.  Und  doch  ist  das  genaue  Be- 
kanntwerden mit  der  Tierwelt  dieser  Insel  von  zoogeographischem  Stand- 
punkte aus  von  äußerstem   Interesse.     Trotz    der  großen  Nähe  Sumatras 


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gehört  Banka  geographisch  wie  geologisch  za  Maiakica.  Von  Valkanismas, 
der  auf  Sumatra  eine  so  große  Bolle  spielt,  findet  sich  auf  Banka  keine  Spar, 
ebensowenig  von  den  beiden  großen  Erdperioden,  welche  wir  die  sekundäre 
(mesozoische)  and  tertiäre  (känozoische)  nennen.  Das  quartäre  Dilavium  and 
Allavinm  liegt  hier  direkt  aal  den  alten  paläozoischen  Urgesteinen,  Schiefer 
and  Granit  aal,  ein  Zeichen,  daß  die  Insel  seit  der  paläozoischen  Epoche  nie 
wieder  unter  das  Meer  getaucht  war.  Wo  diese  An-  und  Aufschwemmungen 
fehlen,  da  liegen  die  Urgesteine  offen  zu  Tage  und  sind  bis  tief  hinab  zu 
einer  eisenschüssigen  roten  Laterit-Erde  verwittert.  Aus  diesem  Laterit-Meer 
mit  seiner  ziemlich  dürftigen  Vegetation  (Eichen,  Myrthaceen,  Laurineen, 
Dipterocarpeen,  als  Bodenpflanzen  viele  stachelige  Gleichenia-Farne  und  Un- 
mengen von  Kannenpflanzen  (Nepenthes),  während  die  Bambusen  merk- 
würdigerweise fast  gänzlich  fehlen),  ragen  dann  die  Granite  als  einzelne  oder 
zasammenhängende,  ziemlich  niedrige  (Durchschnitt  4— 500  m)  Bergkegel 
hervor.  Das  Zinn  ist  fast  ausschließlich  an  den  Granit  gebunden,  aus  dessen 
Verwitterungsprodukten  es  die  Tageswässer  heraus-  und  zu  Tal  waschen, 
wo  es  von  Chinesen  im  Tagesbau  als  Seifenzinn  gewonnen  wird,  ca.  4  bis  ö 
Hill,  kgm  per  Jahr. 

Um  mit  Erfolg  zoologische  Sammlungen  anlegen  zu  können,  war  es 
nötig,  von  der  Küste  ab  ins  Innere  des  Landes  sich  zu  begeben.  Ich  wählte 
als  Standort  den  Pasanggrahan  (das  von  der  Regierung  erbaute  Rasthaus 
für  europäische  Beamte  auf  Dienstreisen)  Simpang  im  Distrikt  Muntok  am 
Treffpunkt  dreier  vorzüglich  unterhaltener  Staatsstrassen  als  den  einzigen 
Fleck,  wo  noch  etwas  von  dem  früheren,  durch  die  schonungslos  betriebenen 
Holzkohlenbrennereien  für  die  Zinnschmelzen  auf  ganz  Banka  nahezu  ver- 
nichteten Urwald  stehen  geblieben  war.  Hier  inmitten  einer  herrlichen  Natur 
verlebten  wir  eine  wundervolle,  köstliche  Jagd-  und  Sammelzeit.  Der  hollän- 
dische Resident  in  Muntok,  der  Hauptstadt  Bankas,  hatte  Auftrag  gegeben, 
daß  die  ganze  Bevölkerung  aller  Dörfer  auf  viele  Meilen  in  der  Runde  uns 
im  Fangen  und  Sammeln  von  Tieren  behilflich  sein  solle,  und  diesem  Befehl 
kam  man  in  der  umfassendsten  und  liebenswürdigsten  Weise  nach.  Tagtäglich 
ward  so  viel  Material  angebracht,  daß  ich  es  mit  Hilfe  des  von  mir  abge- 
richteten malayischen  Präparators  kaum  bewältigen  konnte.  Ich  erhielt  in 
sechs  Wochen  über  hundert  Felle  und  Skelette  von  28  verschiedenen  Säuge- 
tieren, 170  Vogelbälge  von  70  verschiedenen  Arten,  23  Arten  Schlangen 
(darunter  3  giftige)  in  nahezu  150  Exemplaren,  30  verschiedene  Süßwasser- 
fische, 7  Arten  Schildkröten,  10  Arten  Frösche  und  Kröten,  sowie  an  2000 
Insekten.  Diese  Zahlen  mögen  ein  Bild  von  der  Reichhaltigkeit  des  dortigen 
Tierlebens  geben.  Ein  charakteristisches  Tierchen  ist  der  Gespenst-Maki 
(Tarsius  spectrum),  der  auf  Malakka,  Sumatra  und  Bomeo  sehr  selten,  auf 
Banka  aber  sehr  häufig  vorkommt,  femer  der  ebenfalls  sehr  charakteristische 
fliegende  Maki  (Galeopithekus)  und  das  Schuppentier  (Manis).  Sehr  häufig 
sind  femer  Hirsche,  Eichhörnchen,  Wildschweine,  von  Vögeln  besonders 
Tauben  und  ein  in  großen,  lärmenden  Schwärmen  fliegender  Papagei  (Palae- 
orais  longicauda),  sowie  Eisvögel. 

Interessant  und  wichtig  war  das  Fehlen  mancher  Tiere  und  Tier- 
gruppen,   die  auf  den  benachbarten  Inseln  häufig  vorkommen;   so  fehlen  auf 


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Banka:  Alle  menschenähnliclien  Affen,  alle  Raubtiere,  alle  Dickhäater,  die 
BrilleDBchlange,  die  Landblategel  and  von  Schmetterlingen  einige  auffallende 
Gruppen,  allen  voran  die  sogenannten  Giftschmetterlinge  oder  Aristolochien- 
Falter  (Pharmakophagen),  zu  denen  die  große  herrliche  Gattung  Ornithoptera 
gehört. 

An  der  Hand  des  von  mir  gesammelten  Materials  kann  ich  vorläufig 
Folgendes  tlber  die  Fauna  Bankas  sagen:  Die  Tierwelt  ist  im  allgemeinen 
diejenige  der  großen Sunda-Inseln  mit  näherer  Hinneigung  zuBorneo 
als  zu  Sumatra  oder  Malakka.  Durch  das  Überwiegen  uralter  Säugetier- 
formen, wie  Tarsius,  Galeopithekui,  Manis  und  das  Fehlen  von  Katzen  und 
Dickhäutern  bekommt  sie  jedoch  einen  eigenen  archaischen  Zug,  der  sehr 
stark  mit  dem  Ergebnis  der  Geologie  harmoniert,  wonach  Banka  eine  uralte 
Erdscholle  ist. 

Eine  weitere  Eigentümlichkeit  ist,  daß  die  Bankaformen  fast  alle  in 
mehr  oder  minder  starkem  Grade  abgeändert  sind.  In  unsere  heutigen  An- 
schauungen übersetzt  heißt  das,  daß  Banka  nicht  lange  und  dauernd  genug 
isoliert  gewesen  ist,  um  die  altüberkommenen  Familien  zu  eigenen  Formen 
umzuprägen,  daß  aber  die  Trennung  doch  lange  genug  dauerte,  um  gering- 
fügigere lokale  Abänderungen  hervorzubringen  als  Beginn  neuer  Artenbildung. 

Mittwoch,  den  25.  Oktober  1905. 

Herr  Missionar  H.  Jannasch-Stnttgart:  Labrador^ 
Land  und  Leute.    (Lichtbilder.) 

Die  Halbinsel  Labrador  übertrifft  an  Größe  ungefähr  4  mal  das  Deutsche 
Reich.  Sie  gehört  etwa  10  bis  15  Meilen  landeinwärts  politisch  zu  Neufund- 
land, während  der  übrige  größere  Teil  zu  Ranada  gerechnet  wird.  Die 
fjordenreiche  Küste  wird  bespült  von  dem  Labradorstrom,  dessen  Temperatur 
durchschnittlich  -|-  1^  R.  beträgt  und  der  das  ganze  Jahr  Massen  von  Treibeis 
und  ungeheuren  Eisbergen  mit  sich  führt  und  dadurch  das  Klima  des  Landes 
beeinflußt.  So  beginnt  beispielsweise  der  Winter  schon  Ende  September,  zu 
Weihnachten  beträgt  die  Temperatur  durchschnittlich  —  25^  R.  und  steigt 
bis  Ende  Februar  bis  —  28  ^  (Vortragender  hat  während  seines  25  jährigen 
Aufenthaltes  in  Labrador  mitunter  sogar  —  37^  erlebt),  um  dann  wieder 
Ende  Mai  und  Anfang  Juni  dem  Frühjahr  Raum  zu  geben.  Das  Eis,  welches 
mehrere  Meilen  weit  in  die  See  hinausgeht,  erreicht  eine  Dicke  von  etwa  2  m 
und  hält  bis  Ende  Juni  die  Küste  in  seiner  starren  Umarmung,  sodaß  von 
Oktober  bis  Anfang  Juli  aller  Verkehr  nach  außen  hin  vollständig  ruht.  Der 
Juni  ist  der  Frübjahrsmonat,  Juli  und  Anfang  August  bilden  den  Sommer 
und  Ende  August  bis  Mitte  September  den  Herbst,  dann  setzt  der  Winter 
wieder  ein.  Dennoch  ist  zuweilen  die  Hitze  im  Sommer  fast  unerträglich, 
da  die  Temperatur  bis  auf  -^  30°  R.  steigen  kann,  um  gelegentlich  bei  ein- 
setzendem Ostwind  in  einigen  Stunden  bis  auf  -f-  2®  herabzusinken,  so  daß 
selbst  die  zahlreichen  Muskiten  von  dem  Umschwung  der  Temperatur  recht 
belästigt  werden,  von  den  dort  lebenden  Europäern  ganz  zu  schweigen, 
Selbst  die  Eskimos  haben  stets  an  Erkältungskrankheiten  zu  leiden  und  be- 


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haapten,  sogar  die  Hunde  bekämen  den  Schnapfen.  So  bildet  in  Labrador 
der  Sommer  die  nngesuDde  Zeit,  während  der  Winter  mit  seiner  strengen, 
trockenen  Kälte  dem  menschlichen  Organismus  viel  zuträglicher  ist. 

Natürlich  ist  die  Vegetation  des  Landes  eine  recht  dürftige,  sie  läßt 
sich  nur  mit  der  der  Hochalpen  vergleichen,  wie  denn  auch  die  Flora  des 
Landes  eine  durchaus  alpine  ist.  Das  Land  selbst  besteht  eigentlich  nur 
aus  Berg  und  Tal ;  im  Norden  kommen  Höhen  bis  zu  2000  m  vor.  Im 
Gestein  herrschen  Gneis  der  laurentischen  Formation  und  Granit  vor,  selten 
durchbrochen  von  Basaltadern.  An  der  Küste  kommt  auch  der  bekannte 
Labradorit  vor,  ein  Feldspat,  der  seines  schönen,  in  allen  Farben  schillernden 
Glanzes  wegen  sehr  beliebt  ist.  Banmwuchs  findet  sich  im  Norden  des  Landes 
gar  nicht;  der  Wald  beginnt  an  der  Küste  erst  bei  dem  57.**,  erstreckt 
sich  dann  aber  auch  in  reicher  Abwechslung  mit  großen  Flüssen  und  Seen 
tief  ins  Innere  des  Landes,  das  von  gewaltigen  Urwäldern  bedeckt  ist.  Am 
weitesten  nördlich  gehen  Tannen  und  Fichten,  im  Süden  gedeihen  Lärchen 
und  Pappeln.  Und  doch  ist  die  alpine  Flora  herrlich  und  liefert  einem 
Botaniker  reiche  Ausbeute  an  schönen  Blumen,  sogar  auch  an  verschiedenen 
Beerenarten.  Hauptsächlich  wachsen  Empetrum  nigrum,  (schwarze  Rausch- 
beere), und  verschiedene  Vaccinienarten  in  reicher  Fülle,  von  denen  besonders 
ersteres  die  ausschließliche  Pflanzennahrung  der  Eskimo  bildet.  Außerdem 
genießen  sie  noch  die  Blätter  der  Weiden,  die  im  Frühjahr  abgestreift  und 
als  Salat  mit  Seehundsöl  gemischt  werden.  Auch  verschiedene  wohlschmeckende 
Rubusarten  wie  rubus  arcticus  (nordische  Himbeere)  gedeihen  noch,  sie  bleiben 
aber  klein  und  niedrig  und  kommen  auch  nicht  in  solchen  Mengen  vor  wie 
etwa  Empetrum.  Die  Fauna  des  Landes  entspricht  der  des  übrigen  nörd- 
lichen Amerikas.  Die  verschiedenen  Pelztiere,  als  Füchse,  Marder,  Luchse, 
Bären,  Fischottern,  Moschusratten,  Wölfe  u.  s.  w.  werden  ihres  Felles  wegen 
eifrig  gejagt,  ebenso  auch  mehrere  Robbenarten,  deren  fettiges  und  traniges 
Fleisch  dem  Eskimo  hauptsächlich  als  Fleischnahrnng  dient.  In  großen  Herden 
kommt  dann  noch  das  wilde  Renntier  vor,  dessen  Fleisch  und  Baut  ebenfalls 
hoch  geschätzt  wird,  nicht  zu  vergessen  die  Sehnen  dieses  Tieres,  welche 
den  Eingeborenen  den  so  kostbaren  Zwirn  zur  Anfertigung  ihrer  Stiefel  und 
Fellkleider  liefern.  Von  kleinerem  Wild  wären  noch  zu  erwähnen  die  Polar- 
hasen, das  Stachelschwein  und  Schneehuhn,  die  kanadische-  und  die  Schnee- 
gans, die  besonders  im  Herbat  und  Frühjahr  auf  ihren  Zügen  von  den  Eskimo 
erlegt  werden.  Dazu  kommt  dann  außer  Raben,  einigen  Eulen-  und  Adler- 
arten noch  eine  unbegrenzte  Zahl  von  Seevögeln,  die  aber  leider  an  Zahl 
abnehmen,  da  sie  von  den  neufnndländischen  Fischern,  die  im  kurzen  Sommer 
die  Küste  des  Kabeljaufanges  wegen  besuchen,  zu  Tausenden  erlegt  werden. 
Aber  auch  an  kleineren  Singvögeln  ist  das  Land  nicht  arm,  doch  ziehen 
diese  meist  im  Winter  nach  Süden. 

Mit  der  Frische  seiner  Lebensmittel  nimmt  es  der  Eskimo  nicht  so 
sehr  genau,  er  verschmäht  sie  nicht,  wenn  Fleisch  und  Fisch  auch  schon 
einen  recht  bedenklich  vorgeschrittenen  Hautgout  angenommen  haben. 
Hauptsächlich  gilt  dieses  von  den  Fischen,  die,  besonders  der  Kopf,  so  lange 
in  ein  und  demselben  Wasser  liegen  müssen,  bis  sich  das  Fleisch  von  den 
Knochen  löst;  in  diesem  Zustande    werden  sie  dann  von   den  Eskimo  ge- 


—     ge- 
nossen, die  nach  solcher  Mahlzeit  einen  Geruch  verbreiten,  der  für  Earop&er 
unerträglich  ist. 

Von  Naturerscheinungen  sei  nur  kurz  auf  das  Nordlicht  hingewiesen, 
das  hier  in  Labrador  in  ganz  besonderer  Schönheit  fast  alljährlich  am  Himmel 
erscheint  und  mit  seinem  herrlichen  Qlanz  die  dunkeln  Wintemächte  er- 
leuchtet. 

Seit  dem  Jahre  1780  entfaltet  die  Mission  der  Brüdergemeinde  an  der 
Küste  Labradors  eine  segensreiche  Tätigkeit  und  hat  unter  dem  Einfluß  des 
kulturbringenden  Christentums  aus  dem  einst  so  gransamen,    rachsüchtigen 
und  tückischen  Eskimo  einen  recht  gesitteten  und  entschieden  liebenswürdigen 
Menschenschlag  gemacht,  unter  welchem  sich  gar  nicht  schwierig  leben  läßt, 
wie  mancher  meinen  könnte.    Die  südlichste  Station  der  Brüdergemeinde  ist 
Makowik,  das  der  Vortragende  vor  8  Jahren  hat  bauen  helfen,  die  nördlichste 
Hebron,  das  der  fürchterlichen  StUrme  wegen  nur  aus  einstöckigen  Häusern 
besteht.    Die  Eskimo,  die  sich  selbst  Innuit,  d.  i.  Menschen  nennen,  während 
die  Missionare  Kablunat,  d.  i.  Fremdlinge  heißen,  sind  nicht  die  Ureinwohner 
des  Landes ;  es  hat  viiAmehr  vor  ihnen  ein  anderer  Volksstamm  hier  gewohnt, 
die   Tunnit,    die  von  den  mongolischen   Eskimo,  welche  über  das  Berings- 
meer  von  Asien  herüber  kamen,  verdrängt  wurden.    Nach  den  Erzählungen 
der  Eskimo  sind  diese  Tunnit  nach  Grönland  ausgewandert,  und  noch  heute 
finden  sich  die  Überreste  ihrer  Wohnungen  auf  den  Küsteninseln.  Sie  wohnten 
in  steinernen  Häusern,  wenigstens  solchen  mit  steinernen  Umfassungsmauern, 
und  man  wundert  sich  heute  noch,  wie  sie  die  großen  Steinblöcke  sosammen- 
gefügt  haben  mögen,   aus  denen  die  Ruinen  dieser  Häuser  bestehen.     Auch 
sie  haben  wohl  ausschließlich  von  Hobbenfang  gelebt,  denn  die  alten  Gerät- 
schaften, die  man  noch  gelegentlich  bei  Miesen  Ruinen  ausgräbt,  sind  bedeckt 
mit  einer  Schicht  halbversteinerten  Seehundstranes.    Die  Eskimos  behaupten 
von  den  Tunnits,  sie  seien   noch  viel  schmutziger  gewesen  als  sie  selbst. 
Der  Eskimo  von  heute  ist,  wie  schon  erwähnt,   durch  die   Zivilisation   und 
durch  das  Christentum  ein  anderer  geworden  als  der  von  vor  100  Jahren. 
Zwar  haben  die  Missionare  versucht,  so  viel  als  möglich  ihren  Pflegebefohlenen 
die  alte  Lebensweise  als  die  ihnen  dienlichste  zu  erhalten,  sie  haben  so  lange 
es   irgend  ging,   sich   der  Einführung  von  Luxusartikeln,   als   Kaffee,   Tee, 
Alkohol  u.  s.  w.  durch  die  Tauschhändler  widersetzt,  aber  schließlich  konnten 
sie  das  auf  die  Dauer  nicht  hindern,   und  so  hat  dann  auch  hier  die  Kultur 
nicht  blos  Segen  gestiftet.    Zwar  hat  zum  Glück  für  das  Volk  die  neufund- 
ländische  Regierung,  welche  die  LabradorktLste  als  zu  ihrer  Interessensphäre 
gehörig   betrachtet,    wieder   ein   strenges   Verbot  gegen  jede   Einfuhr   von 
Alkohol  erlassen,   aber  die  Widerstandsfähigkeit  der  Eskimo  hat  bereits  er- 
heblich abgenommen.     Daß   aber   der   Untergang   des  Volkes   nur  dadurch 
beschleunigt  würde,  läßt  der  Vortragende  dahingestellt,  er  betont  aber  aus- 
drücklich,  daß  in  der  von  vielen  Philantropen  gepriesenen  Ueidenzeic  Mord 
und  Blutrache  so  furchtbar  unter  dem  Volke  aufgeräumt  haben,   daß   ihm 
ein  alter  Eskimo  einst  gesagt  habe:  , Wäret  ihr  nicht  gekommen  und  hättet 
uns  das  Evangelium  gebracht,  so  hätte  die  Blutrache  uns  schon  längst  auf- 
gerieben und  es  gäbe  jetzt  keine  Eskimo  mehr.* 

Für  die  Seehundsjagd   bedienen  sie  sich  auf  offener  See  des  Kajak, 


—    97    — 

eines  langen,  achmalen  Fellbootes,  welches  oben  nur  eine  so  große  Öffoang  hat, 
daß  der  Eskimo  darin  sitzen  kann,  der  von  da  aus  den  Seehund  entweder  mit 
der  Flinte  oder  der  Harpune  erlegt.  Im  Herbe t  dienen  auch  Netze  zum  Fang, 
der  im  Frühling  auf  dem  Eise  vor  sich  geht,  das  bis  zum  Juni  die  See  be- 
deckt und  von  vielen  sich  sonnenden  Seehunden  bevölkert  wird.  Doch  er- 
fordert auch  diese  Jagd  viel  Geschicklichkeit,  da  dem  bei  aller  Neugierde 
sehr  vorsichtigen  Tiere  nur  schwer  beizukommen  ist.  Je  nach  der  Größe 
wird  für  einen  ausgewachsenen  Seehund  ein  Preis  von  28  bis  30  Mk.  erzielt. 
Leidenschaftlich  betreibt  der  Eskimo  auch  den  sehr  gefährlichen  Wallroßfang, 
bei  dem  sich  leider  oft  ernstliche  Unglücksfälle  ereignen.  Ebenso  eifrig 
huldigt  er  auch  der  Eisbärenjagd,  auf  der  er  erstaunliche  Kaltblütigkeit  an 
den  Tag  legt.  So  war  der  Vortragende  einmal  Zeuge,  wie  ein  alter  Eskimo, 
der  nur  mit  einer  noch  älteren  Flinte  mit  gewöhnlichem  Schrottlauf,  der  an 
dem  Schaft  mit  Bindfaden  befestigt  war,  einen  mächtigen  Bären  annahm  und 
ihn  erlegte.  Das  Fell  dieses  Bären,  das  1 1  Fuß  9  Zoll  englisch  maß,  wurde 
von  den  Uissionaren  dem  Fürsten  Bismarck  zugeschickt.  Auch  die  Jagd  auf 
Bennüere,  die  im  Innern  des  Landes  in  großen  Herden  vorkommen,  ist 
aoßerordentlich  beliebt,  besonders  zur  Zugzeit,  d.  i.  im  Herbst  und  Frühjahr. 
Sie  ist  anstrengend,  da  die  Eskimo  den  Tieren  zuweilen  14  Tage  bis  3  Wochen 
nachsetzen  müssen,  dafür  aber  auch  oft  reiche  Beute  erlegen.  Die  getöteten 
Tiere  werden  auf  dem  Platze,  wo  sie  erlegt  wurden,  ausgenommen,  mit 
Schnee  und  Steinen  zugedeckt,  damit  Wölfe  und  Füchse  sich  nicht  an  ihnen 
vergreifen  können,  und  im  Winter  in  gefrorenem  Zustand  aus  diesem  natür- 
lichen Eiskeller  nach  Hause  geschleppt.  Zwischen  den  Wölfen  und  Renntieren 
herrscht  erbitterte  Feindschaft,  und  aus  den  häufigen  Kämpfen  gehen  die 
letzteren  oft  als  Sieger  hervor,  da  sie  mit  ihren  scharfen  Hufen  den  Wölfen 
die  Seiten  aufreißen. 

Aber  der  Eskimo  liebt  nicht  nur  die  Jagd,  er  ist  auch  empfänglich 
für  idealere  Güter.  Wohl  jeder  christliche  Eskimo  kann  lesen  und  schreiben, 
auch  für  das  Zeichnen  haben  sie  ein  entschiedenes  Talent,  am  liebsten  treiben 
sie  aber  doch  Musik,  und  es  ist  wunderbar,  mit  welcher  Schnelligkeit  sie 
z.  B.  Melodien  erfassen.  Auch  im  Gebrauch  der  Instrumente  erlangen  sie 
eine  gewüto  Fertigkeit,  und  es  ist  daher  gar  nicht  so  schwierig,  auf  jeder 
Station  eine  kleine  Kapelle  zu  bilden,  die  mit  ganz  respektablen  Leistungen 
aufweisen  kann.  Sonntags  kommen  sie  gern  ins  Missionshaus  und  sind 
glücklich,  wenn  man  ihnen  etwas  vorspielt  oder  mit  ihnen  etwas  einübt. 
Eine  nngUabliche  Menge  von  Zuhörern  drängt  sich  so  —  oft  eine  Gefahr 
für  das  Hans  —  in  der  Stube  des  Missionars  zusammen,  und  die  Luft,  die 
üch  da  entwickelt,  spottet  aller  Beschreibung. 

Die  Reisen  in  Labrador  werden  im  Winter  nur  zu  Schlitten  gemacht, 
im  Sommer  nur  zu  Boot.  Wege  gibt  es  nicht,  höchstens  getretene  Fußpfade, 
die  im  Winter  vollständig  verschneien.  Man  sucht  sich  dann  seinen  Weg 
einfach  nach  der  Himmelsrichtung.  Bei  Fahrten  durch  den  Wald  helfen  sich 
die  Eingeborenen  dadurch,  daß  sie  die  Bäume  anhacken  und  sich  so  einen 
Weg  bilden,  der  aber  auch  nur  kurze  Zeit  kenntlich  ist.  Der  Schlitten  ist 
ein  langes,  schmales  Vehikel,  ca.  18  bis  20  Fuß  lang  und  2  Fuß  breit.  Er 
besteht  nur  ans  2  starken  Brettern  als  Kufen  und  kleinen  aufgebundenen 

7 


—    98    — 

Brettehen  and  ist  außerordentlich  leistnngsfäliig.  Als  Zagtier  dient  der 
Eskimohand,  ein  dem  Wolfe  nahe  verwandtes  bissiges  Tier,  das  nar  darch 
Farcht  in  Zacht  gehalten  werden  kann.  Za  16  bis  18  Stück  werden  sie  yor 
den  Schlitten  gespannt,  jeder  Hand  an  seiner  eigenen  bis  15  m  langen,  aas 
festem  Seehandsleder  angefertigten  Leine.  Es  dauert  oft  Standen  lang,  bis 
der  Treiber  die  Tiere  gltlcklich  zusammen  hat,  da  sie  gern  das  Weite  suchen, 
wenn  sie  ihn  mit  den  Leinen  sich  nähern  sehen.  Sind  sie  glttcklich  ein- 
gefangen, so  wird  die  Ladung  sodann  auf  den  Schlitten  festgeschntlrt,  damit 
sie,  wenn  dieser  auf  der  rauhen  Bahn  gelegentlich  auch  einmal  sich  um  sich 
selber  wälzt,  keinen  Schaden  leidet.  Aber  auch  jetzt  dauert  es  mit  der  Ab- 
fahrt noch  geraume  Weile,  da  die  Hunde,  die  sich  bis  dahin  niedergelegt 
haben,  aufgetrieben,  jedesmal  eine  regelrechte  BeiAerei  in  Szene  setzen,  die 
nur  durdi  Fußtritte  und  dergleichen  Gewaltmittel  der  Umstehenden  abgekürzt 
wird,  sonst  würden  die  sich  gegenseitig  zerfleischen.  Infolgedessen  hinkt 
zuerst  eine  ganze  Anzahl  auf  3  Beinen  davon  und  erst  nach  geraumer  Weile 
hat  sich  die  Schar  gewissermaßen  eingerenkt,  so  daß  die  Reise  nun  im 
rechten  Tempo  losgehen  kann.  Ist  die  Bahn  eben  und  hart,  so  kann  ein 
gutes  Hundegespann  bei  den  längeren  Tagen  des  Frühjahrs  etwa  80  km  gut 
zurücklegen,  Redner  kann  sogar  95  km  aufweisen;  anders  ist  es  freilieb, 
wenn  tiefer  Schnee  das  Land  bedeckt.  Da  muß  der  Beisende  seine  Indianer- 
Schneeschuhe  zur  Hand  nehmen  und  vor  den  Hunden  hergehen,  um  ihnen 
erst  eine  etwas  festere  Bahn  zu  treten,  da  sie  sonst  in  dem  tiefen,  pulver- 
artigen Boden  versinken  würden.  Dann  freilich  ist  man  froh,  wenn  man 
5  bis  höchstens  10  km  pro  Tag  zurücklegt,  und  das  ist  noch  ein  hartes 
Stück  Arbeit.  Kommt  nun  der  Abend  heran  und  es  ist  keine  menschliche 
Wohnung  in  der  Nähe,  so  muß  man  ein  Schneehaas  bauen  lassen,  worin  die 
Eskimo  große  Fertigkeit  besitzen  und  es  in  einer  halben  Stunde  herstellen. 
Ein  solches  bienenkorbartiges  Schneehaus  ist  ein  herrliches  Nachtquartier; 
auf  dem  Boden  werden  die  Hundeleinen  ausgebreitet,  damit  sie  die  Hunde 
nicht  auffressen,  die  sich  an  allem  Lederartigen  vergreifen,  darüber  kommt 
dann  ein  Eisbärfell,  und  auf  diesem  werden  die  von  dickem  Pelz  gefertigten 
Schlafsäcke  ausgebreitet.  Trotz  der  gproßen  Kälte  von  —  25  bis  SO*  R  and 
noch  mehr  ist  es  doch  in  solchem  Schneehaus  verhältnismäßig  warm,  und 
in  seinem  Schlafsack  genießt  man  meist  eine  ausgezeichnete  Nachtruhe.  Die 
Hunde  bleiben  draußen ;  sie  wissen,  daß  sie  vom  Menschen  ihr  Futter  erhalten, 
und  es  wird  ihnen  daher  nicht  einfallen,  wegzulaufen.  Braust  gelegentlich 
ein  tüchtiger  Schneesturm  über  das  Land  dahin,  so  lassen  sie  sich  einschneien, 
und  wenn  dann  der  Schnee  zu  schwer  auf  ihnen  lastet,  so  schütteln  sie  ihn 
ab,  um  sich  wieder  einschneien  zu  lassen.  Bei  einem  solchen  Schneesturm 
kann  einem  die  Zeit  im  Schneehause  recht  lang  werden,  besonders  wenn  er, 
wie  gewöhnlich,  3  Tage  anhält,  aber  bei  schönem  Wetter  gibt  es  nichts 
Herrlicheres  und  Anziehenderes  als  eine  solche  Schlittenreise.  Auch  die 
Nächte  auf  solchen  Reisen  haben  etwas  Erhabenes.  Gar  oft  ist  der  Vor- 
tragende noch  vor  dem  Schlafengehen  hinausgegangen  und  hat  sich  an  der 
wunderbaren  Ruhe  in  der  Natur  erquickt.  Über  dem  stillen  Lande  und  das- 
selbe hell  erleuchtend,  erstrahlt  am  Himmel  in  allen  Farben  das  herrlichste 
Nordlicht,  wie  es  nur  Labrador  hervorzaubern  kann,  ab  und  su  hört  man 


—    99    — 

das  Krachen  des  Seeeises,  and  ans  dem  Schnee  heraus  leaohtet  das  Hans 
wie  ein  glühender  Phosphorhanf en.  Wahrlich  auch  Labrador  hat  seine  Poesie, 
und  es  gehört  ein  sehr  abgestumpftes  Gemüt  dazu,  um  nicht  auch  hier  sich 
Aber  die  Wunder  der  Allmacht  zu  freuen  und  dieses  Land  lieb  zu  gewinnen. 

Mittwoch,  den  1.  November  1905. 

Herr  Leutnant  Wilhelm  Filchner-Berlin:  Bericht  über 
meine  Expedition  znm  Oberlauf  des  Hoanglio  in  Osttibet. 

(Lichtbilder.) 

Der  Hauptzweck  der  yon  dem  Vortragenden  in  Gemeinschaft  mit  seiner 
jungen  Gattin  und  dem  Geologen  Dr.  med.  Tafel  auf  Kosten  des  Expeditions- 
leiters im  Jahre  1904  ausgeführten  Expedition  war  die  Erforschung  Osttihets, 
nnd  zwar  des  Oberlaufes  des  Hoangho  und  des  Gebietes  zwischen  dem  S-för- 
migen Knie  des  Hoangho  nnd  Snng-pan-ting,  also  des  Territoriums  der 
räuberischen  Ngolok.  Wiederholt  war  die  Erforschung  dieser  Gegenden  die 
Aufgabe  von  hervorragenden  Reisenden  in  den  letzten  Jahrzehnten  gewesen, 
aber  keiner  hatte  das  Ziel  erreicht.  Prjeyalsky  hatte  am  oberen  Hoangho 
infolge  der  Schwierigkeiten  der  Verpflegung  und  der  Angriffe  seitens  der 
Ränberstämme  umkehren  müssen;  ebensowenig  gelang  RockhiU  1892  und 
Roboroyski  1895  die  Durchführung  ihrer  Pläne.  Die  Deutschen  Futterer 
und  Holderer,  die  von  Kaschgar  aus  über  den  Kuku-nor  zum  Ostknie  des 
Hoangho  vordrangen,  kamen  knapp  mit  dem  Leben  davon,  und  von  den 
beiden  französischen  Forschern  Dutreuil  du  Bhins  nnd  Grenard,  die  von  Süd- 
westen vorstießen,  wurde  ersterer  bei  Tambuda  im  Jangtsegebiete  von  den 
Ngolok  ermordet,  während  Grenard  sich  nordwärts  nach  Sining  durchschlug. 

Der  Plan  Filchners  war,  auf  demselben  Wege  wie  Grenard,  nur  in 
umgekehrter  Bichtnng,  von  Nordosten  an  den  Hoangho  vorzudringen,  östlich 
von  der  Route  des  verdienstvollen  Russen  Koslow,  dem  es  1900  gelungen 
war,  die  Qnelle  des  Hoangho  festzulegen. 

Za  Weihnachten  1903  verließ  Filchner  Shanghai,  fuhr  den  Jangtse 
aufwärts  bis  Hankou  und  den  Han-kiang  bis  Hsi-ngang,  überschritt  den  von 
West  nach  Ost  streichenden  Tsin-ling-schang  auf  einem  bisher  unbekannt  ge- 
bliebenen Übergang  und  gelangte  nach  der  alten  Kaiserstadt  Si-an-fu  und 
?on  dort  über  Lan- tschon  durch  das  Tatung-Tal  nach  Sining-fu,  östlich  vom 
Kuku-nor.  Hier  blieb  seine  Gattin  zum  Zwecke  meteorologischer  Beobach- 
tungen nnd  znm  Anlegen  von  Sammlungen  verschiedener  Art  zurück,  wäh- 
rend Filchner  in  Begleitung  von  Dr.  Tafel  mit  einer  Karawane,  bestehend 
tos  ö  chinesischen  Soldaten,  3  Dolmetschern,  15  Mafus,  mehreren  Dutzend 
Pferden  und  Yaks  und  Lebensmitteln  für  sechs  Monate  am  13.  Juli  1904  das 
Grenzstädtchen  Tscharakuto  verließ.  Er  beabsichtigte,  auf  der  Route  Gre- 
ntrds  zum  Hoangho  vorzustoßen,  von  dort  aus  nach  Süden  zu  den  Bajen- 
kara-Bergen  vorzudringen,  sodann  den  Marsch  nach  Osten  zum  S-förmigen 
Knie  des  Hoangho  zu  wagen  und,  diesem  folgend,  zu  versuchen,  nach  Sung- 
pan-ting  in  der  chinesischen  Provinz  Setschuan  durchzubrechen,  eine  riesen- 
hafte Aufgabe,  die,  wenn  sie  gelingen  sollte,  an  die  Energie  und  Tatkraft 
des  Leiters  der  Expedition  und  an  die  physischen  Kräfte  von  Menschen  und 

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Tieren  die  grOfiten  Anforderungeii  stellte.  Dia  Gllldc  war  den  Tapferen  hold^ 
sie  wnrde  glänzend  gelöst. 

Der  Weg  fflhrte  znn&chst  am  Kuku-nor  vorbei  aber  die  einfönnigen 
bis  6000  m  beben  Bftcken  des  Si-an-si-bei ,  an  dessen  südlichem  Fuße  der 
Tosso-nor  liegt,  sodann  über  die  nach  Ostsüdost  streichenden  Ketten  des 
Amnje-matschin-Gebirges  bis  zur  Hoanghoebene.  Von  Feindseligkeiten  blieb 
die  Expedition  auf  dieser  Strecke  Terschont,  was  wohl  in  dem  raschen  und 
unvermuteten  Vordringen  seine  Ursache  hatte,  am  so  mehr  aber  litt  sie  in  dem 
öden  Lande  durch  anhaltende  Schneestürme  nnd  durch  die  großen  Schwierig- 
keiten beim  Passieren  zahlreicher  Sümpfe  und  dorch  Fattermangel.  Die 
chinesische  Begleitung,  die  nach  ihren  späteren  Aussagen  insgeheim  von 
ihren  Oberen  den  Befehl  erhalten  hatte,  die  Beisenden  umzubringen,  meuterte 
fast  täglich.  Trotz  aller  dieser  widrigen  Umstände  gelang  es  aber,  die 
geologische  Beschaffenheit  der  Qebirge  eingehend  zu  studieren  und  karto- 
graphische Aufnahmen  zu  machen ;  insbesondere  wurde  die  Lage  des  von  neueren 
Forschern  verschieden  angegebenen  Tosso-nor  genau  bestimmt.  Da  sich  ein 
Übersetzen  über  den  Hoangho  wegen  der  starken  Strömung  als  unmöglich 
herausstellte,  wandte  sich  die  Expedition  stromaufwärts  dem  Oring-nor  zu, 
entdeckte  westlich  von  diesem  ein  bis  dahin  unbekanntes,  nordwärts  gerich- 
tetes Knie  des  Flusses  und  gelangte  südlich  davon  zu  dem  20qkm  großen 
Kala-nam-nor.  Den  riesigen  Windungen  des  Bitzü,  eines  Nebenflusses  des 
Hoangho,  folgend,  der  sich  wieder  ostwärts  wandte,  stieß  die  Expedition 
nach  Mühseligkeiten  aller  Art,  nach  empfindlichen  Tierverlusten  Mitte  August 
in  dem  sich  stetig  verbreiternden  Flußtal  aaf  das  erste  größere  Nomaden- 
lager Bischowarma,  dessen  militärische  Bedeckung  zum  großen  Teil  abwesend 
war,  weshalb  Filchner  und  seine  Leute  diesmal  von  Feindseligkeiten  unbe- 
helligt blieben.  Ungefähr  einen  Monat  lang  folgte  die  Elxpedition  in  ost- 
südöstlicber  Bichtung  dem  Strom  entlang  bis  zur  Mündung  des  von  Süden 
kommenden  Scbatörtsch  und  des  Dotzü  und  traf  unterwegs  noch  mehrere 
Ngolokdörfer  an,  so  Korgan,  Dodi  und  Dojnng,  die  alle  unter  dem  Einfloß 
fem  gelegener  Klöster  stehen  und  den  Fremden  mit  größtem  Mißtrauen  be- 
gegneten. So  war  man  in  dieser  unsicheren  Gegend  bis  nach  Wasserr,  einem 
700  Zelte  zählenden  Hanptorte  der  Ngolok,  gekommen,  da  sperrte  dessen  Häupt- 
ling, der  in  den  Beisenden  Europäer  vermutete,  diesen  den  Weg.  Die  Gefahr 
war  groß,  bestätigte  sich  der  Verdacht  des  Häuptlings,  so  stand  den  kühnen 
Forschern  Blendung  und  Pfäblung  bevor.  Die  Gefahr  ging  glücklich  vor ttber; 
die  Beisenden  gaben  sich  als  mohammedanische  Priester  aus  dem  westlichen 
China  aus  nnd  spielten,  besonders  Dr.  Tafel,  bei  den  rituellen  Zeremonien 
ihre  Bolle  so  vollendet,  daß  selbst  einige  anwesende  mohammedanische  Kauf- 
leute sich  täuschen  ließen  und  das  Mißtrauen  des  Häuptlings  so  völlig  be- 
seitigt wurde,  daß  er  ihnen  sogar  noch  zwei  seiner  besten  Freunde  als  Führer 
mitgab,  die  in  der  Folge  noch  wertvolle  Dienste  leisteten.  Trotzdem  hatten 
die  Beisenden  auf  dem  Weitermarsch  mit  stetig  wiederkehrendem  Verdacht 
und  gelegentlichen  Gewalttätigkeiten  zu  kämpfen,  denen  man  nur  durch  die 
größte  Wachsamkeit  und  Kaltblütigkeit  des  Leiters  der  Expedition  entging. 
Aber  noch  Schlimmeres  stand  bevor.  Durch  die  Verräterei  der  Chinesen  ge- 
langte die  Expedition  auf  dem  schwierigsten  Gelände  und  unter  den  größten 


—    101     — 

Entbelmiiigen  mitten  in  das  in  einem  schmalen  Scblnchttale  anf  5000  m  Hohe 
gelegene  Hanpträabernest  der  Ngolok  hinein,  in  die  Stadt  Qnaba,  die  aoB 
iweistOckigen,  steinernen  Hänserreihen  besteht.  Hier  wurde  die  Expedition 
flberfallen  und  konnte  nnr  durch  schleunigste  Umkehr  bei  Nacht  und  Um- 
gehung der  Stadt  nach  Osten  der  Gefangenschaft  entrinnen.  An  einen  Kampf 
mit  der  erdrückenden  Übermacht  war  infolge  Patronenmangels  nicht  zu 
denken,  so  gingen  alle  Vorräte,  die  Yaks  und  die  gesamte  Ausrüstung  ver- 
loren, und  nur  die  wissenschaftliche  Ausbeute  wurde  gerettet.  Mit  Aufbietung 
der  letzten  Kräfte  mußte  jetzt  versucht  werden,  die  chinesische  Stadt  Snng- 
pan,  das  Endziel,  zu  erreichen,  denn  die  Not  war  aufs  höchste  gestiegen. 
Der  Vortragende  und  Dr.  Tafel  eilten  dortbin  voraus,  um  der  ermatteten 
Expedition  Hilfe  entgegen  zu  senden.  In  der  letzten  Zeit  hatte  man  mehrere 
Pferde  zu  Nahrungszwecken  schlachten  müssen,  die  noch  übrigen  Pferde 
glichen  Gerippen.  Die  zu  Tode  erschöpften  Leute  drohten  mit  Meuterei  und 
Verrat,  und  nur  die  Todesfurcht  trieb  sie  an,  die  unaufhörlich  miteinander 
abwechselnden  Gebirgsrücken  und  Flnßlänfe  zu   überschreiten.     Endlich  am 

11.  Oktober  1904  wurde  Sungpan  erreicht.  Von  der  weit  über  hundert  Pferde 
und  Taks  starken  Expedition  Filchners  kamen  nur  wenige  Tiere  zurück, 
dagegen  war  trotz  aller  Gefahren  kein  Menschenleben  verloren  gegangen. 
Sechs  Tage  blieb  die  Expedition  in  Sungpan ,  dann  setzte  sie  ihren  Weg 
nordwärts  fort,  und  nach  22tägigem  Gewaltmarsch  erreichten  Filchner  und 
Tafel  Sining-fu,  wo  ersterer  seine  Gattin,  die  unterdessen  ihre  Beobachtungen 
und  Sammlungen   fortgesetzt  hatte,   wohlbehalten   antraf  und  mit  ihr  am 

12.  November  die  Rückreise  nach  Shanghai  antrat. 

Die  Expedition  hatte  ihre  Aufgabe  glänzend  erfüllt.  Großes  war  ge- 
leistet worden.  Ununterbrochene  Routenaufnahmen  Filchners  haben  die  ganze 
durchforschte  Strecke  festgelegt,  insbesondere  ist  die  Lage  der  Seen  am  oberen 
Hoangho  genau  bestimmt,  das  große,  unbekannte  Gebiet  läng^  der  Bajenkara- 
kette  und  seine  Höhenlagen  sind  erschlossen ,  wir  kennen  selbst  die  Richtung 
der  überschrittenen  Gebirge  und  durch  Dr.  Tafeis  Untersuchungen  auch  ihre 
geologische  Beschaffenheit.  Filchner  hat  astronomische,  meteorologische  und 
erdmagnetische  Messungen  vorgenommen  und  ethnographische,  zoologische  und 
botanische  Sammlungen  angelegt;  dazu  kommen  noch  800  pbotographische 
und  photogrammetrische  Aufnahmen  Filchners  in  Tibet. 

Von  den  von  dem  kühnen  Forscher  geplanten  Veröffentlichungen  seiner 
hochinteressanten  Erlebnisse  und  wissenschaftlichen  Ergebnisse  ist  bis  jetzt 
erschienen :  Das  Kloster  Kumbum  in  Tibet.  Ein  Beitrag  zu  seiner  Geschichte. 
Berlin,  Mittler  &  Sohn,  1906. 

Mittwoch,  den  8.  November  1905. 

Herr  Hauptmann  Ph.  Engelhardt-Ingolstadt:  Meine 
Reise  Ton  Ost  nach  West  durch   den  Sfiden   yon  Kamerun. 

(Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  wurde  im  Herbst  1900  vom  Auswärtigen  Amte  mit 
der  Leitung  einer  größeren  Expedition  beauftragt,  die  gemeinsam  mit  einer 


—     102    — 

französischen  wichtige  Punkte  and  Teile  der  Grenze  des  Schutzgebietes  Ka- 
merun gegen  das  französische  Kongogebiet  vermessen  und  feststellen  sollte.  Die 
Südkamerun-Grenzexpedition  und  die  Mission  de  d^Iimitation  Congo-Kameroun, 
wie  die  beiden  Expeditionen  offiziell  hießen,  begannen  ihre  Arbeiten  im  Januar 
1900  am  Campe  im  äußersten  Südwesten  von  Kamerun,  wo  es  ihre  Aufgabe 
war,  den  Schnittpunkt  des  10.  Meridians  östlich  Greenwich  und  des  Talweges 
des  Campoflusses  festzustellen,  um  darnach  den  sogenannten  Parallel  des 
Campo  d.  i.  den  Breitenkreis  zu  bestimmen,  auf  dem  der  genannte  Schnittpunkt 
liegt.  Dieser  Parallel,  dessen  ziffernmäßiger  Wert  mit  f  =  2^2'  20"  nördl. 
Breite  bestimmt  wurde,  bildet  auf  ungefähr  600  km  die  Südgrenze  unserer 
Kolonie.  Nach  neunmonatlicher  entbehrungsreicher  Arbeit  in  dem  ungesunden 
Urwaldklima  Kameruns,  während  der  die  beiden  Expeditionen  fast  die  Hälfte 
ihres  weißen  Personals  wegen  schweren  Erkrankungen  nach  Hause  entlassen 
mußten,  begaben  sie  sich  nach  der  Südostecke  von  Kamerun,  dem  Langa 
Nyoko-Gebiet,  um  hier  eine  längere  Grenzlinie  zu  vermessen.  Die  Festlegung 
der  Grenze  war  in  diesem  Gebiet  in  besonderem  Maße  notwendig  geworden, 
weil  hier  die  Konzessionsgebiete  zweier  Handelsgesellschaften,  der  deutschen 
Gesellschaft  Südkamerun  und  der  französischen  soci6t6  de  Nyoko  aneinander 
stießen  und  sich  infolge  des  Mangels  einer  festen  sichtbaren  Grenze  wiederholt 
Differenzen  zwischen  beiden  Gesellschaften  ergeben  hatten.  Nach  Beendigung 
der  Grenzvermessungsarbeiten,  die  am  15.  Oktober  1902  ihren  Abschluß 
fanden,  nahm  Hauptmann  Engelhard t  seinen  Rückweg  durch  Kamerun.  Auf 
dieser  Forschungsreise,  die  den  Hauptgegenstand  seines  Vortrags  bildete, 
beabsichtigte  Engelhardt  insbesondere  die  Schiffbarkeit  des  Kadei  und  des  Long 
(Nyong)  zu  erkunden  und  durch  astronomische  Längen-  und  Breitenbestim- 
mungen und  Routenaufnahmen  die  Kartographie  des  Landes  zu  fördern. 
Mit  20  schwarzen  Polizeisoldaten  und  30  Trägern  schiffte  sich  Hauptmann 
Engelhardt  am  22.  Oktober  1902  auf  den  Dampfern  Kamerun  und  Dr.  Plehn 
bei  der  früheren  deutschen  Station  am  Nyoko  ein.  Die  Expedition  wurde 
von  dem  Grafen  Schlippenbach  f,  dem  Direktor  der  Gesellschaft  Südkameruo, 
begleitet.  Die  Dampferreise  führte  von  Wesso  aus  den  Sanga  aufwärts  nach 
Nola,  von  dort  in  den  wenig  befahrenen  Kadei  hinein,  wo  die  Stromschnellen 
beim  Dorfe  Sangoma  der  Weiterfahrt  unerwartet  rasch  ein  Ziel  setzten. 
Während  Graf  Schlippenbach  mit  den  Fahrzeugen  zurückkehrte,  folgte  Engel- 
hardt dem  Laufe  des  Kadei  aufwärts  bis  Beri,  soweit  als  möglich  den  Floß 
im  Kanu  befahrend.  Von  Beri  begab  er  sich  nach  Bertua.  Nach  mehr- 
wöchentlichem Aufenthalte  in  diesem  Sultanate,  wo  Engelhardt  wie  schon 
vorher  in  Bua-Besimbo,  eine  geographische  Längenbestimmung  vornahm, 
wandte  er  sich  nach  Westen  und  durchquerte  das  noch  unbekannte  von 
Menschenfressern  bewohnte  Gokuin-  und  Makäland,  folgte  einige  Tagemärsche 
dem  Laufe  des  Long  und  erreichte  anfangs  Februar  1903  über  Simekoa  die 
Station  Jaunde.  Von  hier  reiste  Engelhardt  durch  Bakoko  über  Lolodorf,  dann 
durch  das  Buliland  zur  Küste  nach  Kribi,  wo  er  am  19.  April  1903  eintraf. 
Der  Redner  schilderte  in  seinem  Vortrage,  der  von  Lichtbildern  nach  selbst- 
gemachten Aufnahmen  begleitet  war,  nicht  nur  eingehend  Land  und  Leute, 
sondern  besprach  auch  die  Produktions-,  Handels-  und  Verkehrs  Verhältnisse 
der  von  ihm  bereisten  Gebiete  und  beleuchtete  deren  Eutwickelungsmöglich- 


—     103    — 

keiten.  Hauptmann  Engelhardt  sieht  in  dem  Znsammengreifen  einer  ver- 
nflnftigen  Eingeborenenpolitik,  die  die  Neger  durch  Einführung  von  Ein- 
geborenenkultnren  zur  Arbeit  erzieht,  mit  einer  Verkehrspolitik,  die  planmäßig 
und  energisch  mit  dem  Bau  von  Eisenbahnen  und  anderen  Verkehrswegen 
Torgeht,  das  einzige  Mittel,  unsere  große  und  fruchtbare  Kolonie  Kamerun 
wirtschaftlich  zu  heben  und  es  zu  ermöglichen,  daß  wir  entsprechenden  Ge- 
winn ans  ihrem  Besitze  ziehen. 

Mittwoch,  den  15.  November  1905. 

Herr  Dr.  Gottfried  Merzbacher-Mfinchen:  Die  Er- 
forsehiiDg  der  Hochregionen  des  Tian-Schan.   (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende,  welcher  zwei  Jahre,  1902  und  1903,  darauf  ver- 
wendete, um  die  höchsten,  bisher  nahezu  unbekannten  Regionen  dieses  ent- 
legenen und  schwer  zugänglichen  Gebirges  zu  erforschen,  ist  seit  Jahrzehnten 
als  Hochgebirgsforscher  weithin  bekannt  geworden  und  hat  sich  besonders 
durch  sein  monumentales  Werk  »In  den  Hochregionen  des  Kaukasus"  ^)  unter 
den  Reisenden,  welche  sich  diesem  schwierigsten  Teile  der  geographischen 
Forschung  zugewendet  haben,  einen  rühmlichen  Namen  erworben. 

Als  Einleitung  seiner  Darlegungen  gab  der  Redner  zunächst  seinen 
Zuhörern  ein  allgemeines  Bild  vom  orographischen  Baue  des  Tian- Schau- 
Gebirges.  Dieses  erstreckt  sich  mit  einer  Hauptachsenrichtung  von  NO.  nach 
SW. ;  etwa  in  der  Breitenlage  des  mittleren  Italiens,  d.  h.  zwischen  dem  40. 
und  46.  Orad  nördlicher  Breite,  auf  eine  Länge  von  etwa  2000  km,  ist  dem- 
nach mehr  als  doppelt  so  lang,  als  die  europäischen  Alpen.  Rings  von 
Steppen  und  Wüsten  umgeben,  durchzieht  es  das  russische  Tnrkestan  und 
das  südliche  Sibirien  bis  in  die  hochgelegenen,  plateaugleichen  Steppen  der 
Mongolei  hinein.  Wenn  der  Tian-Schan  auch  ein  Kettengebirge  ist,  so  zeigt 
er  doch  nicht  den  komplizierten  Bau  unserer  Alpen.  Die  einzelnen  Ketten- 
züge und  Glieder  weisen  viel  gewaltigere  Verhältnisse  auf,  aber  einfachere 
Formen.  Es  wirkt  hier  mehr  die  ungeheure,  erdrückende  Wucht  der  Massen, 
als  die  Mannigfaltigkeit  der  Gliederung.  Infolge  des  Steppen-  und  Wüsten- 
gttrtels  ist  die  Besiedelung  schon  am  Rande  des  Gebirges  auf  nur  verhältnis- 
mäßig wenige  Punkte  beschränkt ;  das  Innere  des  ungeheuren  Gebirgslandes 
ist  mit  Ausnahme  der  für  menschliche  Niederlassungen  vorzüglich  geeigneten 
großen  Senkungsbecken:  Ferghanna,  Issyk-kul,  Ili  und  Bagrasch-kul  fast 
menschenleer  nnd  wird  nur  von  nomadisierenden  Kirgisen  und  Kalmaken 
durchzogen. 

Den  Flüssen  ist  infolge  der  Anordnung  der  Kettenzüge  der  Lauf  in 
Längstälem  vorgeschrieben,  einzelne  von  ihnen  aber  schwenken  jäh  in  die 
Quertalrichtung  ab  und  durchbrechen  die  Kettenglieder.  Das  Entwässerungs- 
system ist  aber  ein  durchaus  kontinentales,  da  kein  Tropfen  der  den  großen 
Eis-  nnd  Schneemassen  entströmenden  Flüsse  das  Weltmeer  erreicht.  Diese 
versiegen  entweder  in  den  ungeheuren  Transportanhäufungen  am  Rande  des 


^)  Leipzig,  Duncker  &  Humblot  1901. 


—     104    — 

Gebirges,  oder   ergießen  sich  in  Binnenseen,  welche  in  weiter  Entfemnng 
vom  Rande  des  Gebirges  sich  erstrecken. 

Die  vertikale  Gliederung  des  Tian-Schan  übertrifft  die  der  Alpen  nm 
über  2000  m.  Wenn  es  dort  nnn  auch  eine  große  Zahl  von  Bergen  gibt, 
die  bis  zn  6000  m  nnd  darüber  ansteigen,  so  erreicht  doch  nnr  ein  einziger 
die  Höhe  von  etwa  7200  m;  es  ist  dies  der  Khan-Tengri;  seine  schlanke 
Pyramide  ragt  isoliert  aus  der  weiten  Gebirgsmasse  ohne  jeden  Rivalen  noch 
um  800  m  über  ein  Meer  von  Gipfeln  hinaus.  Dieses  eigenartige  Verhältnis 
gab  Veranlassung,  ihn  für  den  Knotenpunkt  des  ganzen  Tian-Schan-Systems 
anzunehmen,  von  dem  aus  die  hauptsächlichsten  Ketten  auslaafen.  Aach 
glaubte  man,  daß  in  ihm  eine  vermutete  kristallinische  Achse  des  Gebirges 
ihr  höchstes  Hebungsniveau  erreiche.  Selbstverständlich  bildete  daher  dieser 
wichtige  Berg,  dem  bisher  noch  niemand  nahezukommen  vermochte,  ein 
Hanptforschungsobjekt  Dr.  Merzbachers.  Aber  erst  nach  vielen  vergeblichen 
Versuchen  und  nach  mehrjährigen  Anstrengungen  konnte  das  ersehnte  Ziel 
erreicht  werden,  wobei  sich  dann  herausstellte,  daß  beide  eben  besprochenen 
Voraussetzungen  falsch  waren. 

Da  das  Gebirge  im  Herzen  des  größten  Kontinentes  liegt  und  demnach 
der  vollen  Wirkung  des  kontinentalen  Klimas  ausgesetzt  ist,  so  hielt  man 
bisher  die  Ausdehnung  seiner  Vergletscherung  für  verhältnismäßig  gering, 
wiewohl  bei  der  bedeutenden  vertikalen  Erhebung  der  Kämme  diese  schon 
von  ferne  den  Schmuck  ihrer  FimschneehüUen  zeigen.  Dr.  Merzbacher  hat 
im  Laufe  seiner,  mit  ungeheuren  Schwierigkeiten  verbundenen  Wanderungen, 
den  Nachweis  erbringen  können,  daß  die  großen  inneren  Längstäler  nng^ 
heure  Vorräte  an  Firn  bergen,  welche  Gletscher  entsenden,  die  zu  den 
größten  kontinentalen  Eisströmen  gerechnet  werden  müssen.  Anknüpfend 
an  diese  Tatsache  widerlegte  der  Vortragende  die  in  der  Wissenschaft  bisher 
festgehaltene  Hypothese  von  einer  gegenwärtig  noch  zunehmenden  Aastrock- 
nung Zentralasiens. 

Wenn  diese  nnd  viele  andere  neue  Tatsachen,  besonders  auf  dem 
Gebiete  der  Urographie,  Geologie  und  Stratigraphie  sowie  der  jetzigen  und 
einstigen  Vergletschernng  des  zentralen  Tian-Schan  bedeutungsvolle  Ergebnisse 
der  Merzbacherschen  Expedition  sind,  so  liegt  dies  daran,  daß  er  eben  der 
erste  Forscher  war,  der  die  innersten  Täler  des  zentralen  Tian-Schan,  diese 
ungeheuren  Eiswildnisse  bis  zu  ihrem  Ursprünge  durchwanderte  und  ihre 
Umrandungen  an  vielen  Stellen  erklomm,  wozu  ihn  seine  große  Erfahrung 
und  Übung  in  der  Bereisung  vergletscherter  Hochgebirge  befähigte,  indem 
er  also  den  Alpinismus  in  den  Dienst  der  Wissenschaft  stellte. 

Keineswegs  verschwieg  der  Forscher  jedoch  die  großen  und  rühmlichen 
Verdienste,  welche  seine  Vorgänger  in  der  Erforschung  des  Tian-Schan  sich 
erworben  haben,  und  gab  einen  kurzen  Rückblick  auf  die  Erschiießungs- 
geschichte ,  wobei  er  der  berühmten  rassischen  Forscher  P.  P.  Semenow, 
N.  Sewerzow  and  J.  W.  Muschketow  in  besonders  warmen  Worten  gedachte. 
Aach  die  Förderung  seiner  schwierigen  Pläne,  welche  ihm  auf  Veranlassung 
der  kaiserlich  russischen  Geographischen  Gesellschaft  durch  die  rassischen 
Behörden   zuteil  wurde,  hob  Dr.  Merzbacher  mit  dankbaren  Gefühlen  hervor. 


—    105    — 

Am  15.  Kai  1902  yerließ  der  Vortragende  München  in  Beg^leitnng  djM 
bekannten  trefflichen  Alpinisten,  Herrn  Ingenieurs  Hans  Pfann  aas  Mflnchen, 
des  jungen  Geologen  Herrn  Hans  Keidel  ans  Freibarg  i.  Br.,  eines  zoologi- 
schen Präparators  and  eines  Tiroler  Bergführers.  Die  Reise  führte  anf  der 
tnrkestanischen  Bahn  bis  Taschkent  and  von  dort  durch  die  Steppen  Turkestans 
and  des  südlichen  Sibirien  bis  zum  See  Issyk-kul,  wo  das  Städtchen  Prsche- 
walsk,  am  Ostnfer  des  Sees  gelegen,  den  Ausgangspunkt  für  die  Gebirge- 
forschang  bildete. 

Die  ungewöhnlichen  Schwierigkeiten,  welche  auf  einem  mehr  als  1000  km 
langen,  der  richtigen  Fahrstraßen  meist  entbehrenden  Landwege  bis  zum  Faße 
des  Gebirges,  der  Transport  der  umfangreichen  Ausrüstung,  besonders  aber 
der  der  empfindlichen  und  unersetzlichen  Instrumente  und  Apparate  ^hervor- 
ruft, beleuchtete  der  Redner  und  erwähnte  hierbei,  daß  ihm  hierin  die  Er- 
fahrungen zu  statten  kamen,  welche  er  bei  seiner  10  Jahre  früher  unter- 
nommenen ersten  Tian-Schan-Expedition  gemacht  hatte.  Die  Erzählung  von 
der  Überschreitung  des  San-tasch-Passes  gab  dem  Redner  Gelegenheit  zur 
Schilderung  des  berühmten  Kirgisenjahrmarktes  von  Karkara,  dessen  Schau- 
platz ein  etwa  2000  m  hochgelegenes,  in  der  Tertiärzeit  von  einem  See  aus- 
gefüllt gewesenes  ungeheures  Becken  ist,  dessen  Boden  nunmehr  von  den 
üppigsten  Alpdnwiesen  mit  einer  prachtvollen  Flora  bedeckt  ist  und  von 
einem  Kranze  mannigfaltig  geformter,  mit  kleinen  Gletschern  geschmückter 
Berge  umschlossen  wird.  Für  die  in  den  Tälern  des  zentralen  Tian-Schan 
nnd  in  den  weiten  Steppen  an  seinem  Foße  nomadisierenden  Kirgisenstämme 
bietet  dieser  während  des  ganzen  Sommers  dauernde  Jahrmarkt  Gelegenheit 
zum  Austausch  der  Produkte  ihrer  Vieh-  und  Pferdezucht  gegen  die  Erzeng- 
nisse der  Landwirtschaft  und  Industrie.  Es  spielt  sich  dort  ein  Verkehr  ab 
in  Wirtschaftsformen,  die  einer  in  Europa  seit  Jahrhunderten  entschwundenen 
Kulturepoche  angehören  und  er  hat  einen  Wechsel  von  Bildern  zur  Folge, 
die  an  malerischem  Reize  und  Eigenart  nicht  leicht  zu  übertreffen  sind. 
Unter  den  dortigen  Kirgisen  hatte  der  Vortragende  nicht  nur  die  für  seine 
Hochgebirgsexpedition  nötigen  Pferde  zu  kaufen,  sondern  auch  gebirgskundige 
Führer  anzuwerben,  welche  dazu  bestimmt  waren,  die  Ausrüstung,  Instru- 
mente, Apparate  und  Vorräte  über  weite  Schnee-  und  Eisgefilde  zu  tragen  bis  zu 
extremen  Höhen.  Von  der  Möglichkeit,  hierzu  geeignete  Leute  zu  finden,  hing 
überhaupt  der  Erfolg  der  Expedition  ab.  Da  aber  die  Kirgisen  ein  Reitervolk 
sind,  nicht  gewöhnt  an  Lasten  tragen  und  an  lange  Fußmärsche,  ganz  beson- 
ders nicht  an  solche  über  Schnee  und  Eis,  so  entstanden  dem  Reisenden  schon 
bald  die  größten  Schwierigkeiten,  welche  die  Ausführung  mancher  Pläne  stark 
beeinträchtigten,  andere  auch  ganz  verhinderten.  Indrasti  scheu  Darlegungen 
erweckte  der  Redner  eine  anschauliche  Vorstellung  von  diesen  schwierigen 
Verhältnissen  und  ging  dann  zur  Schilderung  der  ersten  Vorstöße  ins  eigent- 
liche Hochgebirge  über,  wobei  er  die  Beschreibung  der  wundervollen  Hoch- 
gebirgstäler durch  sehr  gelungene  Lichtbilder  ergänzte. 

Insbesondere  wurde  der  große  Wildreichtum  des  Gebirges  hervorge- 
hoben (Wildschafe  und  Steinböcke).  Die  ausgedehnten  Waldbestände  wurden 
geschildert,  welche  hauptsächlich  von  einer  prächtigen  Fichtenart,  der  Picea 
Sohrenkeana  gebildet  werden.    Auch  der  üppigen  Alpenflora,  die  sich  dort 


—    106    — 

entfaltet,  wntde  gedacht,  besonders  der  Häafi^^eit  und  weiten  Verbreitung 
des  Edelweis. 

An  der  Hand  der  bisherigen,  vom  rassischen  Generalstab  hergestellten 
Karten,  die  der  Vortragende  projiäerte,  und  dorch  Projektion  einer  anf 
Grand  seiner  eigenen  Aafnahmen  hergestellten  provisorischen  Karte,  welche 
den  in  Petermanos  Mitteilnngen,  Ergänznngsheft  149,  veröffentlichten  Reise- 
bericht begleitet,  erläuterte  der  Vortragende,  wie  unrichtig  die  bisherigen 
Darstellungen  vom  Baue  des  zentralen  Tian-Schan  waren,  und  in  wie  weit- 
gehender Weise  sie  berichtigt  werden  müssen ;  namentlich  mit  bexug  auf  die 
Position  des  Khan-Tengri  ergab  sich  sofort  die  Unhaltbarkeit  der  bisherigen 
Annahmen  und  die  Unrichtigkeit  der  Darstellung  der  bisherigen  Karten. 

Um  die  wirkliche  Position  des  Riesenberges  zu  erkunden,  wurde  nan 
eine  Reihe  von  Hochgebirgstälern  besucht,  znnächst  eines  der  größten  nörd- 
lichen Qaertäler,  das  Bayumkol-Tal  durchforscht,  wobei  nicht  nar  die  bisher 
unbekannten  ausgedehnten  Gletscher  in  dessen  Schlußweitnngen  vermessen 
warden,  sondern  auch  zum  erstenmale  ein  geologisches  Qaerprofil  durch  den 
zentralen  Tian-Schan  gelegt  worde. 

Die  Schwierigkeiten  und  Fährlichkeiten,  welchen  die  Expedition  bei 
Darchführung  dieser  Unternehmungen  ausgesetzt  war,  entsprangen  teils  ans 
der  wilden  Natur  der  Gegend,  teils  aus  dem  üblen  Willen  der  kirgisischen 
Begleitmannschaft,  wofür  der  Vortragende  dramatische  Episoden  anführte, 
zum  guten  Teile  aber  auch  aus  den  eigenartigen,  hier  herrschenden  und 
außerordentlich  unbeständigen  Witterungsverhältnissen.  An!  diese  und  ihre 
klimatischen  Ursachen  näher  eingehend,  griff  der  Reisende  zugleich  auf  die 
Eigenart  des  zentralasiatischen  Klimas  überhaupt  über  und  erläuterte  hierbei, 
wie  sehr  er  auf  Grund  der  von  ihm  im  Tian-Schan  entdeckten  ausgedehnten 
Längstalgletscher  und  der  ungeheuren  in  ihren  Nährbassins  aufgestapelten 
Firn-  und  Schneemassen  die  bisher  in  der  Wissenschaft  geltende  Hypothese 
von  einer  jetzt  noch  zunehmenden  Austrocknung  Zentralasiens  anzweifeln  müsse. 

Hieran  knüpften  sich  interessante,  durch  Lichtbilder  anschaulich 
gemachte  Darstellungen  über  die  Technik  des  Reisens  im  zentralen  Tian- 
Schan,  insbesondere  über  die  Überschreitung  von  hohen  vergletscherten  Pässen 
mit  beladenen  Pferden  und  über  das  primitive  und  harte  Leben  der  Forscher 
in  den  im  Banne  des  Schnees  und  Eises  liegenden  Hochregionen.  Dort,  unter 
den  ungünstigsten  Witterungs-  und  Verpflegungsverhältnissen  muß  in  niedrigen 
Zeltchen  von  der  Form  und  Größe  einer  Hundehütte  biwakiert  werden  und 
die  dabei  zu  ertragenden  Entbehrungen,  liühseligkeiten  und  Sorgen  bezeichnete 
der  Redner  weit  schlimmer,  als  alles,  was  unter  normalen  Verhältnissen 
Nordpolfahrer  bei  ihren  Forschungen  zu  erdulden  haben. 

Ein  weiterer  Teil  des  Vortrages  handelte  von  der  Durchwandernng 
des  großen  Längstales  Sary-dschaß  und  der  trigonometrischen  Aufnahme  des 
in  seinem  Hintergrunde  sich  dehnenden,  etwa  30  km  langen  Gletschers,  den 
man  zn  Ehren  des  berühmten  rassischen  Forschers  Semenow-Gletscher  be- 
nannt hat.  Daran  schlössen  sich  Mitteilungen  über  die  in  der  Umrandung 
dieses  ungeheuren  Eisfeldes  ausgeführten  Bergbesteigungen,  welche  haupt- 
sächlich zu  dem  Zwecke  unternommen  wurden,  um  durch  photographische 
Aufnahmen  Unterlagen  für  die  Darstellung  des  Baues  der  schwer,  oder  gar 


—     107    — 

nicht  sagänglicheD,  entfernten  Teile  des  gänzlich  in  Schnee  und  Eis  gehüllten 
Hochgebirges  zu  gewinnen. 

Dabei  erläuterte  der  Redner  an  Beispielen,  wie  sehr  dieser  Zweck 
durch  die  Telephotographie  gefördert  wurde.  Prachtvolle  Panoramen  von 
4  bis  6  m  Länge,  von  dem  Vortragenden  zar  Ausstellung  gebracht,  mit 
Darstellangen  der  in  wunderbar  kühnen  Formen  aufgebauten  gänzlich  ver- 
eisten, großen  Parallel-Kettenzüge  des  zentralen  Tian-Schan  bewiesen,  bis 
zu  welcher  Vollendung  die  Technik  der  Telephotographie  auf  dieser  Expedition 
entwickelt  wurde.  Ein  anderer  Zweck  dieser  Besteigungen  war  der,  die 
wirkliche  Position  des  Khan-Tengri  zu  entdecken,  doch  gelang  es  vorerst 
nicht,  dieses  schwierige  Problem  zu  lösen.  Bei  einer  der  Besteigungen  — 
es  handelte  sich  um  einen  über  6000  m  hohen  Berg  —  wären  die  Teilnehmer 
an  der  Expedition  beinahe  zugrunde  gegangen,  indem  sie,  schon  ganz  nahe 
dem  Qipfel,  mit  der  lockeren,  oberen  Schneedecke,  die  dem  gefestigteren 
darunter  liegenden  Altschnee  auflag,  abwärts  glitten;  nur  durch  einen  zu- 
fälligen Umstand  wurde  der  in  Bewegung  befiodlichen  Schneemasse  etwa 
200  m  tiefer  Halt  geboten  und  so  entgingen  die  Bergsteiger  einem  tragischen 
Schicksale. 

Dieser  Umstand  gab  dem  Reisenden  Veranlassung  zu  erklären,  daß 
im  zentralen  Tian-Schan  infolge  solcher  in  den  Höhenlagen  über  5000  m 
als  normal  anzusehender  Schneeverhältnisse  die  Besteigung  der  höchsten 
Gipfel  immer  mit  bedeutender  Gefahr  verbunden  ist  oder  ganz  unmöglich 
sei.  Hieran  knüpfte  er  Erläuterungen  über  die  eigenartigen  meteorologischen 
und  klimatischen  Verhältnisse,  welche  die  trockene  und  pulverige  Be- 
schaffenheit des  Hochschnees  im  Tian-Schan  hervorrufen. 

Ein  weiteres  Forschungsziel  der  Expedition  war  das  große  Längstal 
Inyltschek,  wo  sich  ein  bisher  für  12  km  lang  gehaltener  Gletscher  dehnt, 
der  jedoch  nach  der  durch  Dr.  Merzbacher  ausgeführten  Vermessung  in 
Wirklichkeit  eine  Länge  von  mehr  als  70  km  besitzt,  bei  einer  Breite  von 
3  bis  5  km.  Das  untere  Drittel  dieses  gewaltigen  Eisstromes  ist,  wie  bei 
den  meisten  Tian-Schanischen  Gletschern,  von  einer  etwa  100  m  mächtigen 
Schnttdecke  gänzlich  verhitllt,  die  infolge  verschiedener  Ursachen  die  Form 
eines  Gebirges  im  Kleinen  angenommen  hat.  Die  Begehung  des  Gletschers 
ist  daher  in  seinem  unteren  Teile  außerordentlich  mühevoll  und  mit  großem 
Zeitverluste  verbunden,  weshalb  die  Forscher  bei  ihrem  ersten  Besuche  nur 
wenig  leisten  konnten,  zumal  die  Begleitmannschaft  den  Dienst  versagte 
und  die  Verproviantierung  der  Kolonne  sich  als  unzureichend  erwies.  In 
begeisterten  Worten  schilderte  der  Redner  die  gewaltige,  den  Gletscher  im 
Süden  begrenzende  Hochgebirgskette:  «Eline  Riesenkette  der  schroffsten  und 
wildesten  Fimgipfeln  in  den  mannigfaltigsten  Formen,  welche  gipfel bildende 
Kräfte  je  ausgemeißelt  haben,  dehnt  sich  in  einer  Länge  von  mehr  als  SO  km 
gegen  Osten,  eines  der  großartigsten  Hochgebirgsbilder  der  Erde !" 

Doch  selbst  jetzt  konnte  die  wirkliche  Lage  des  Khan-Tengri  noch 
nicht  festgestellt  werden,  wie  wohl  man  ihn  auch  hier  an  einigen  Stellen  in 
großartiger  Weise  zu  Gesicht  bekam.  Von  einem  Phänomen,  einem  starken 
Brdbeben,  das  hier  erlebt  wurde,  berichtete  der  Redner,  daß  durch  die 
starke  £^chtttterung  ungeheure  Bismassen  von  zerborstenen  Hängegletscbern 


—     108    — 

sich  ablösten  nnd  mit  entsetzlichem  Oetöse  in  die  Schlacbten  des  Gebirges 
hinabstürzten,  von  wo  sodann  Schnee  and  Etsstanb  in  mächtigen  Sftnlen 
emporstieg.  Nach  einem  zunächst  nnr  flüchtigen  Einblick  in  die  weiter 
südlich  gelegenen  bisher  anbekannten  Längstäler  Kaündü  and  Koi-ka!  warde 
die  Expedition  durch  heftige  Schneefälle  gezwangen  sich  wieder  einen  Weg 
nach  Norden  za  bahnen,  wobei  das  prächtige  Hochalpen tal  Kap-kak  seiner 
ganzen  Länge  nach  durchwandert  warde.  Nach  einem  abermaligen  Besuche 
des  Bayumkol-Tales ,  bei  welchem  die  geologischen  und  topographischen 
Arbeiten  dort  ihren  Abschloß  fanden,  sah  sich  die  Expedition  infolge  der 
bereits  im  September  aufgetretenen,  winterlichen  Wittemng  gezwungen,  auf 
dem  Wege  über  den  vergletscherten  Musart-Paß  den  Hauptkamm  zu  über- 
schreiten und  zu  versuchen,  ob  nicht  noch  eine  Fortführung  der  Arbeiten  am 
Südabhange  ausführbar  sei.  In  bewegten  Worten  schilderte  der  Vortragende 
einen  schweren  Verlust,  von  dem  er  hierbei  betroffen  wurde:  Als  man  einen 
reißenden  Bergstrom  überschritt,  fiel  ein  Lastpferd  in  die  Fluten,  wobei 
infolge  Durchnässung  eines  Gepäckstückes  60  große  photographieche  Negative 
vernichtet  wurden:  „Meistens  Panoramas  und  Telepanoramas,  aufgenommen 
von  heben  Standorten,  die  Frucht  unsäglicher  Mühe  und  Sorgfalt,  waren 
unwiderbringlich  dahin." 

Da  auf  diese  wichtigen  geographischen  Dokumente  nicht  verzichtet 
werden  konnte,  war  die  Expedition  im  folgenden  Jahre  gezwungen,  schon 
besuchte  Örtlichkeiten  nochmals  aufzusuchen,  was  in  der  Folge  der  Gründ- 
lichkeit der  Forschungen  und  ihren  Ergebnissen  sehr  zu  statten  kam. 

Durch  ausgezeichnete  Lichtbilder  war  die  Schilderung  begleitet,  welche 
der  Reisende  von  der  schwierigen  Durchschreitnng  der  Seracs  des  Dschiparlik- 
Gletschers  entwarf,  der  den  Musart-Paß  bedeckt,  sowie  der  Bericht  über  die 
Wanderung  durch  das  in  vieler  Hinsicht  merkwürdige  80  km  lange,  südliche 
Musart-Tal,  wo  Wüste  und  vereistes  Hochgebirge,  wie  selten  irgendwo,  in 
unmittelbare  Berührang  treten. 

Die  Reise  der  Expedition  entlang  dem  Südrande  des  Tian-Schan  nnd 
durch  die  Steppen  von  chinesisch  Turkestan  konnte  nur  in  flüchtigen  Strichen 
erwähnt  werden,  wobei  jedoch  verschiedenes  Charakteristische  von  den  dortigen 
großen  Handelsstädten  Ak-su,  Maralbaschi,  Kaschgar  und  Bai  mit  ihrer 
gemischten  türkisch-chinesischen  Bevölkerungen  hervorgehoben  und  durch 
Lichtbilder  anschaulich  gemacht  wurde.  Kaschgar  bildete  das  Standquartier 
der  Expedition  während  des  Winters,  doch  wnrde  von  dort  aus  eine  Reihe 
von  Ausflügen  in  die  südlichen  Randketten  und  Täler  des  Tian-Schan  unter- 
nommen, vorzugsweise  um  paläontologische  Sammlungen  anzulegen,  was 
zur  Aufbringung  eines  für  die  Stratigraphie  Zentralasiens  wichtigen,  umfang- 
reichen Materials  führte. 

Dem  Studinm  der  tektonischen  Störungen,  welche  sich  dort  gerade  zu 
jener  Zeit  fortgesetzt  in  besonders  verheerender  Weise  in  Form  von  Erd- 
beben äußerten,  wurde  speziell  Aufmerksamkeit  zugewendet. 

Im  Frühjahr  1903  nahm  die  neuorganisierte  Expedition,  die  nun  über 
besseres  und  geschulteres  Trägerpersonal  verfügen  konnte,  die  Arbeiten  im 
Hochgebirge  wieder  auf,  indem  sie  zunächst  das  große,  am  Südrande  entlang 
ziehende  Längstal  Kok-schaal,  das  in  seinem  weiteren  Laufe  Tausohkan-daija 


—     109    — 

Spenannt  wird,  dnrchforsohte,  dann  aber  sich  weiter  nach  Osten  wendete,  am 
einen  bisher  gänzlich  unbekannten  Teil  des  Tian-Schan,  den  Chalyk-Tau  in 
den  Kreis  der  Forschongen  einzabeziehen.  Als  Ausgangspunkt  hierzu  diente 
die  große  sarto-chinesische  Handelsstadt  Bai.  Nachdem  man  die  wichtigsten 
Qaertäler  dieses  Gebietes  kennen  gelernt  und  das  auf  den  bisherigen  Karten 
unrichtig  dargestellte  hydrographische  System  des  Chalyk-Tau  festgelegt 
hatte,  wandte  man  sich  wieder  gegen  Westen.  Es  galt  die  bisher  unbekannten 
großen  stldlichen  Qaertäler  des  zentralen  Tian-Schan  kennen  zu  lernen,  wo- 
bei ein  wichtiges  Problem  gelöst  werden  sollte :  Die  aus  den  ungeheuren 
Qletschern  der  großen  Längstäler  des  zentralen  Tian-Schan  entspringenden 
Flüsse  vereinigen  sich  schließlich  in  einer  Rinne,  welche,  beiläufig  meridional 
laufend,  die  sämtlichen  Ketten  durchbricht  und  so  die  vereinigten  Gewässer 
dem  Tarim  zuleitet.  Man  nahm  bisher  an,  daß  dieser  Durchbrach  im  Tale 
des  Dschannart  stattfinde,  und  so  wurde  die  Sache  auch  auf  allen  bisherigen 
Karten  dargestellt.  Es  ist  ein  Verdienst  der  Merzbacherschen  Expedition, 
nach  allerdings  mühevollen  Wanderungen  festgestellt  zu  haben,  daß  diese 
Ansicht  falsch  war.  Es  gelang  dem  Forscher  schließlich,  die  wirkliche  Durch- 
bruchsstelle im  Tale  des  Kum-aryk  zu  entdecken. 

In  den  südlichen  Quertälern  konnte  eine  besonders  überraschende 
Tatsache  festgestellt  werden,  daß  nämlieh  auch  hier,  am  Rande  der  heißesten 
Zone,  also  in  einem  Gebirge,  das  der  vollen  Witkung  des  kontinentalen 
Klimas  ansgeseizt  ist,  verhältnismäßig  große  Vorräte  an  Firnschnee  ange- 
häuft sind,  die  bedeutende  Gletscher  entsenden,  von  denen  der  Sabawtschö- 
Gletscher  mit  etwa  18  km  Länge  der  größte  ist. 

Auf  dem  Rückwege  nach  Norden  wurde  das  Bedel-Tal  durchforscht  und 
der  vereiste  Bedel-Paß  überschritten.  Nach  einer  Wanderung  über  eine  Serie 
ca.  4000  m  hochgelegener  Plateaus,  zwischen  den  großartigen  gänzlich  ver- 
gletscherten Ketten  Ak-schirjak  und  Borkoldai,  querte  man  die  Kette  des 
Terskei-Ala-Tau  über  den  schwierigen  Paß  Souka  und  gelangte  durch  das 
gleichnamige,  an  landschaftlichen  Reizen  reiche  Quertal  wieder  an  den 
Issyk-kal-See. 

Nun  wurden  die  Forschungen  am  Nordabhange  wieder  aufgenommen. 
Die  Vermessung  der  großen  Gletscher  Semenow,  Muschketow  und  Inyltschek 
wurden  anter  ungemein  großen  Schwierigkeiten  zu  Ende  geführt.  Bei 
der  Vermessung  des  Inyltschek-Gletschers  gelang  es  Dr.  Merzbacher,  nach 
Besiegung  immer  neu  auftauchender  Hindernisse  endlich,  nach  unerhörten 
Anstrengungen  sich  dem  höchsten  Berge  des  Tian-Schan,  dem  Khan-Tengr, 
zu  nähern  und  seine  Lage  festzustellen.  In  dramatisch  bewegter  und  ge- 
steigerter Schilderung  gab  der  Redner  unter  Vorführung  trefflicher  Lichtbilder 
Kunde  von  seinen  Erlebnissen  auf  dem  ungeheuren  Eisfelde  und  von  der 
Besiegung  aller  Schwierigkeiten,  aber  auch  von  der  stolzen  Befriedigung,  die 
ihn  erfüllte,  als  es  ihm  gelungen  war,  den  geheimnisvollen  Schleier  zu  lüften, 
der  bisher  um  den  riesenhaften  Berg  gelegen  hatte.  ,Der  Riesenberg,  der 
Beherrscher  des  Tian-Schan,  zeigte  sich  jetzt  meinen  entzückten  Blicken  in 
seiner  ganzen,  nackten  Größe,  von  dem  im  Eise  des  Gletschers  wurzelnden 
Faße  bis  zu  seinem  von  ziehenden,  sonnendurchleuchteten  Nebeln  umspielten 
Haupte.     Nicht  die  geringste  Vorlagerung  verdeckte  mehr  etwas  von  dem 


—     HO    — 

80  lange  geheimnisvoll  versteckten  Fuße  des  Berges.  Unmittelbar  an 
seinem  Südfaße  befand  ich  mich  nad  betrachtete  staunend,  bewundernd, 
forschend  die  nackte  Gestalt.  Die  Spannung  der  letzten  Wochen,  bis  zor 
Üoerträglichkeit  in  den  letzten  Tagen  gesteigert,  war  mit  einem  Male 
gelöst,  das  mit  aller  Kraft  des  Denkens  und  Wollens  erstrebte  Ziel  war 
erreicht.* 

Mit  diesem  Erfolge  war  nun  auch  festgestellt,  daß  der  Tian-Schan 
keineswegs,  wie  bisher  vermutet,  ein  Hauptknotenpunkt  ist,  und  daß  ihm  im 
Baue  des  zentralen  Tian-Schan  überhaupt  nur  eine  untergeordnete  Rolle  zu- 
kommt, indem  er  sich  gar  nicht  im  Hauptkamme,  sondern  in  einem  von 
diesem  weit  nach  Westen  vorspringenden  Nebenaste  erhebt.  Als  eigentlicher 
Knotenpunkt  im  Tian-Schan  ist  vielmehr  ein  von  Dr.  Merzbacber  im  Bay- 
umkol-Tale  entdeckter  gewaltiger  Berg  anzusehen,  den  der  Forscher  zu 
Ehren  des  ersten  Präsidenten  der  kaiserlich  russischen  Geographischen  Gesell- 
schaft, des  Großfürsten  Nikolai  Michailowitsch,  mit  dessen  Namen  taufte. 
Gleichzeitig  ergaben  die  überall  bei  der  Annäherung  zum  Hauptkamme  ge- 
machten Beobachtungen,  daß  die  höchste  und  zentralste  Achse  des  Tian- 
Schan  nicht,  wie  bisher  allgemein  angenommen  wurde,  eine  kristallinische 
sei,  sondern  aus  alten  Sedimenten  (Schiefer  und  paläozoischen  Kalken)  auf- 
gebaut sei,  die  wie  z.  B.  am  Khan-Tengri  selber  zum  großen  Teile  in  Marmor 
umgewandelt  sind. 

Nach  diesen  großen  Erfolgen  wandte  sich  der  Forscher  wiederum  nach 
Süden,  um  die  noch  unbekannten  großen  Längstäler  Kaündü  und  Koi-kaf 
und  deren  Gletscher  genauer  zu  untersuchen.  Im  letztgenannten  Tale  bot 
jedoch  der  streckenweise  cannönförmige  Zusammenschluß  der  Tal  wände, 
zwischen  denen  gewaltige  Wassermassen  dahintosen,  der  Expedition  uner- 
wartet Halt  und  zwang  sie  zur  Umkehr. 

Es  folgte  sodann  die  Festlegung  des  nördlichen  Teiles  des  Sary-dschaß- 
Durchbruches,  die  Aufnahme  des  unteren  Inylcschek-Laufes,  worauf  die  Ex- 
pedition in  das  große  nördliche  Längstal  Tekes  zurückkehrte.  Von  hier  aus 
unternahm  Dr.  Merzbacher  die  Durchwanderung  und  Erforschung  der  be- 
deutenden nördlichen  Qnertäler  Klein  Musart  und  Dondukol  und  ihrer  Glet- 
scher, bis  endlich  gegen  Ende  Oktober  die  Kälte  besonders  bei  den  nächtlichen 
Biwaks  in  den  Hochtälern  unerträglich  wurde  und  zum  Abbruch  der  Forscher- 
tätigkeit zwang. 

Den  Rückweg  nahm  die  Expedition  im  Tekes-Tale  abwärts,  wo  nach 
etwa  100  km  das  berühmteste  der  buddhistischen  Heiligtümer  im  westlichen 
China,  das  Lamakloster  Sumbe  erreicht  wurde.  Ein  unfreiwilliger,  mehrtägiger 
Aufenthalt,  veranlaßt  durch  heftige  Schneefälle,  gab  dem  Reisenden  Gelegen- 
heit von  dieser  prächtigen  Kultusstätte  sehr  interessante  photographische 
Aufnahmen  zu  machen,  die  er  am  Schlüsse  seines  Vortrages  vorführte. 

Über  die  nördlichen  Vorketten  des  Tian-Schan,  den  Temurlik-Tau 
querend,  erreichte  die  Expedition  unter  anhaltenden  Schneestürmen  die  Stadt 
Kuldscha  am  Nordrande,  von  wo  die  Weiterreise  nach  Turkestan  erfolgte, 
bei  welcher  indes  mitten  in  der  Strenge  des  Winters  die  nördlichen  Vor- 
ketten über  die  Ischigart-Ketmen-Pässe  nochmals  überschritten  wurden. 


—  111  — 


Mittwoch,  den  29.  November  1905. 

Fräulein  Katharina  Zitelmaun-Berlin:  Die  Frau  in 
Indien  nnd  Ostasien.    (Lichtbilder.) 

Typische  Züge  sind  allen  Völkern  des  Ostens  gemeinsam.  Einer 
Ton  ihnen  ist  die  Stellung  der  Fran,  die,  kleine  nationale  Unterschiede  ab- 
gerechnet, in  Indien,  China  and  Japan  ungefähr  die  gleiche  ist.  Die  Frau 
wird  als  ein  minderwertiges  Geschöpf  betrachtet,  das  nur  als  Geschlechts- 
wesen Bedeutung  hat.  Im  öffentlichen  Leben  spielt  die  anständige  Frau  der 
besseren  Kreise  gar  keine  Rolle,  sie  bringt  ihr  Leben  in  der  Zenana,  dem 
Frauengemach,  zu.  Es  hält  sehr  schwer,  einen  Einblick  in  das  Familienleben 
der  Ostasiaten  zu  gewinnen.  Nur  die  Missionärinnen,  die  an  der  Spitze  der 
Waisenhäuser  und  Erziehungsanstalten  stehen,  haben  Eintritt  in  die  Zenana 
and  erwerben  so  eine  intime  Kenntnis  des  Volkes.  Mit  ihrer  Hilfe  gelang  es 
der  Vortragenden,  etwas  mehr  von  den  Frauen  Indiens  zu  sehen,  als  es  sonst 
möglich  ist. 

Mit  dem  dravidischen  Sttden  beginnend,  besprach  Fräulein  Zitelmann 
zunächst  den  traurigen  Zustand  des  Paria,  das  Kastenwesen,  die  Stellung 
des  einzelnen  zur  Familie,  deren  Fortbestehen  nur  der  Sohn  sichert,  die 
Kinderheiraten,  die  noch  häufig  vorkommenden  Morde  neugeborener  Mädchen, 
die  Stellung  der  Frau  im  Hause,  zu  ihrem  Gatten,  den  Schwiegereltern  und 
den  Kindern.  Der  Vortrag  wandte  sich  dann  den  Muhammedanerinnen  au, 
Parsi  und  Jainfrauen,  schilderte  die  Sitten  der  buddhistischen  Himalaja- 
Tölker  und  führte  die  Hörer  nach  ßirma,  in  das  Land  der  Sonne  und  der 
goldenen  Pagoden.  Hier  ist  von  einer  Unterdrückung  der  Frauen  nicht  die 
Rede ;  geschäftsgewandt  erfreuen  sie  sich  vielmehr  eines  geachteten  Wirkens. 
Ganz  anders  aber  als  die  reizenden,  stets  lachenden  und  tabakrauchenden 
Birmaninnen  wirken  die  Chinesinnen  mit  ihren  verkrüppelten  Füßen.  Fast 
ausschließlich  auf  das  Haus  angewiesen,  dessen  Fenster  nur  nach  dem  Hofe 
führen,  verbringt  die  Frau  im  großen  und  ganzen  ein  trauriges  Dasein,  sie 
wird  gering  geachtet  aber  nicht  mißhandelt.  Es  hält  für  den  Fremden 
schwer,  in  ein  chinesisches  Haus  zu  gelangen,  das,  wie  in  der  Türkei,  für 
ihn  abgeschlossen  ist.  Die  Stellung  der  Tänzerinnen  und  Sängerinnen  gleicht 
der  der  griechischen  Hetären.  Auch  im  japanischen  Familienleben  läßt  sich 
von  Beformen  noch  nicht  viel  reden,  wenngleich  die  soziale  Stellung  der 
Frau  hier  eine  höhere  ist  als  in  China.  Doch  da  die  Frauen  in  Japan  jetzt 
Unterricht  erhalten,  wird  sich  ein  Umschwung  mit  der  Zeit  von  selbst  voll- 
ziehen. Vorderhand  verlangen  die  Japanerinnen  allerdings  noch  gar  nicht 
nach  der  Frauenemanzipation.  Von  den  Ehen  wird  ein  Drittel  geschieden, 
die  übrigen  sollen  sehr  glücklich  sein.  Der  Japanerin  fehlt  es  an  Indivi- 
dualität; ihre  Kleidung,  eine  Art  Schlafrock,  ist  monoton,  ihr  Gang  wegen 
des  fcblechten  Fußwerks  plump.  Die  Geishas  sind  anmutiger  und  infolge 
ihres  Verkehrs  mit  Männern  auch  gebildeter.  Zum  Schluß  erzählte  die  Vor- 
tragende noch  von  dem  segensreichen  Wirken  deutscher  Landsmänninen, 
welche  Japaner  geheiratet  haben. 


~    112    — 

Mittwoch,  den  6.  Dezember  1905. 

Herr  Professor  Dr.  Otto  Maas-Mfinchen:  Streifsfige 
aaf  der  iBsel  Cj'pern.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  hat  sich  zu  marin-ioologischen  Stadien  längere  Zeit 
auf  der  Insel  Cypern  aufgehalten.  Die  Tierwelt  des  östlichen  lüttelmeer- 
beckens  bietet  viele  Besonderheiten  und  ist  noch  wenig  erforscht  im  Vergleich 
zu  der  des  westlichen  Beckens.  Als  Stützpunkt  für  Meeresuntersnchungen 
konnten  auch  nach  den  eigenen  Erfahrungen  des  Vortragenden  türkische 
Häfen  nicht  in  Betracht  kommen;  es  wurde  darum  Cjpem  gewählt,  wo  die 
englische,  seit  1878  bestehende  Herrschaft  zu  geordneten  Verhältnissen  ge- 
führt hat.  Redner  bespricht  kurz  das  englische  Verwaltungssjstem ,  seine 
erfolgreiche  Tätigkeit  in  Flußregulierung ,  Straßenbau,  sanitären  Maßregeln 
und  die  politische  Bedeutung  der  Insel. 

Die  Landung  geschieht  im  Haupthafen  Larnaca  an  der  Südküste,  wo 
aber  weder  von  der  historischen  Vergangenheit  der  Insel,  noch  von  ihren  land- 
schaftlichen Schönheiten  Besonderes  zu  sehen  ist.   Den  Vortragenden  hielten 
dort  seine  Küstenuntersuchungen  auf,  sowie  die  Erforschung  eines  im  Sommer 
trockenen,  im  Winter  ausgefüllten  und  von  mannigfachem  llerleben  strotzen- 
den Salzsees.  Eine  Fahrt  quer  durch  die  Insel  gibt  Gelegenheit  zur  Orientie- 
rung über  die  allgemeine  Konfiguration,  die  Hauptgebirgszüge,  den  Troodos, 
die  vorgelagerten  Tafelländer  und   das  zackige  Kalkgebirge  der  Nordküste. 
Ein  Aufenthalt  in  der  Hauptstadt  Nicosla  galt  weniger  zoologischen  Studien, 
als  den  zahlreichen  geschichtlichen  Erinnerungen,  besonders  an  die  Kreuz- 
fahrer und  das  Königtum  der  Lusignans,  das  dort  als  ein  Zeichen  eigen- 
artiger Vermengung  von  abendländischer  Kultur  und  morgenländischen  Sitten, 
wie  sie  sich  in  vielen  bekannten  Ritterromanen  des  Mittelalters  spiegelt, 
lange  bestanden  hat.    Von  Nicosia  aus  wurde  die  Kalkkette  der  Nordküste 
auf  dem  Bogaspaß  überquert  und  dann  in  Kerynia  längere  Zeit  Quartier  ge- 
nommen, einem  idyllischen  Hafenort  der  Nordküste,  die  durch  Qrottenbildung 
und  Felsen  nicht  nur  malerisch,  sondern  auch  für  den  Zoologen  ergiebig  ist. 
Mit  den  bald  eingeschulten  Fischern  wurden  Dredgezüge  der  Küste  entlang 
gemacht,  dabei  das  alte  Kloster   Acheropitu  besucht;  ferner  zu  Land  die 
merkwürdige  mittelalterliche  Abtei  Bellapai's  und  die  großartige  Bergfeste 
St.  Hilarion ,  die  stets  in  den  Kämpfen  um  die  Insel  eine  bedeutende  Rolle 
gespielt  hat.    Von   byzantinischen  Kaisern  erbaut,   von  Richard  Löwenhers 
besetzt,  von  den  Lusignans  weiter  ausgebaut,  noch  unter  genuesischer  Herr- 
schaft wichtig,  verlor   dies  Kastell  unter  den  Venetianern  seine  Bedeutung 
durch  das  Aufkommen  der  Geschütze  und  hatte  bei  der  Einnahme  der  Insel 
durch  die  Türken  keinen  Wert  mehr.  Heute  ist  es  noch  eine  der  großartig- 
sten Burgruinen  des  Morgen-  und  Abendlandes;  eine  kleine  Stadt  hat  darin 
Platz,   und  die  Aussicht  von  der  Höhe  über  die  Insel,  die  fruchtbare,  fluß- 
durchzogene Nordküste    bis   übers  Meer   nach  Kleinasien   und   dem   schnee- 
bedeckten Taurus  gehört  zu  den  landschaftlich  schönsten  Bildern  des  ganzen 
Mittelmeers. 

Ein  weiterer  Aufenthalt  galt  der  Ostküste,  wo  in  der  ehemals  berühm- 
testen Stadt  der  Insel,  Famagusta,  ein  längerer  Halt  gemacht  wurde.  Von 


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der  «Iten  Herrlichkeit  der  Lasignans  künden  noch  die  Ruinen  zahlreicher 
gotischer  Dome,  die  sich  zwischen  den  üppig  wachsenden  Palmen  fremdartig 
genug  ausnehmen.  Die  Festungsanlagen,  strategisch  noch  heute  bewundert, 
sind  Zeugen  der  Macht  der  Eepublik  Venedig,  als  deren  Gouverneur  unter 
andern  Othello  hier  wohnte.  Aus  der  Zeit  des  Widerstandes  gegen  die  Türken- 
belagenmg  sind  zahlreiche  Erinnerungen  vorhanden  Der  ehemals  günstige 
Hafen  ist  heute  zum  größten  Teil  versandet,  soll  aber  wieder  in  stand  ge- 
setzt und  dann  durch  eine  Eisenbahn,  die  bis  jetzt  auf  der  Insel  fehlt,  mit 
der  Hauptstadt  verbunden  werden.  Dann  wird  Cypem  auch  militärisch  wich- 
tiger und  ein  wirklicher  Stützpunkt  für  die  Flotte  sein,  bei  etwaigen  Unter- 
nehmungen in  diesem  politisch  so  umstrittenen  Teil  der  Türkei.  Auch  der 
Fremde,  der  nach  Cypem  gelangt  und  hier  zuerst  landen  wird,  wird  dann 
sofort  den  Eindruck  bekommen,  den  er  sich  aus  Sage  und  Geschichte  von 
dieser  wunderbaren  Insel  gemacht,  den  einer  eigenartigen  Vermischung  von 
morgen-  und  abendländischer  Kultnrwelt  inmitten  einer  wunderbaren  Natur. 

Eine  Reihe  von  Lichtbildern  nach  eigenen  Aufnahmen  des  Vortragenden 
wurden  nach  Beendigung  der  Ausführungen  vorgezeigt,  darunter  die  Haupt- 
punkte Lamaca,  Nicosia,  Eerynia,  Bellapai's,  St.  Hilarion,  Famagusta. 

Mittwoch,  den  13.  Dezember  1905. 

Herr  Prof.  Dr.  Georg  Steindorff-Leipzig:  Die  neue- 
sten deutschen  Ausgrabungen  in  Ägypten.    (Lichtbilder.) 

Nachdem  die  preußische,  von  Richard  Lepsius  geführte  Expedition  in 
den  Jahren  1842—45  die  wichtigsten  Ruinenstätten  Ägyptens  und  Nubiens 
untersucht  hatte,  sind  von  deutscher  Seite  systematische  Grabungen  im  Niltale 
nicht  wieder  unternommen  worden.  In  den  Jahrzehnten  des  19.  Jahrhunderts, 
in  denen  Engländer  und  Franzosen  wetteiferten,  wichtige  Ruinenstätten  des 
Pharaonenlandes  vom  Schutt  zu  befreien  und  längst  vergessene  Kunst-  und 
Kulturdenkmäler  wiedererstehen  zu  lassen,  haben  sich  die  deutschen  Gelehrten 
meist  darauf  beschränkt,  das  zutage  liegende  oder  von  anderen  Forschern 
gefundene  Material  zu  sichten  und  zu  verarbeiten.  Erst  im  Jahre  1898  ist 
Deutschland  in  Ägypten  wieder  erschienen  und  hat  auch  praktisch  begonnen, 
an  der  Erschließung  des  ägyptischen  Altertumes  mitzuarbeiten. 

Schon  Lepsius  hatte  sein  Hauptaugenmerk  auf  die  Untersuchung  der 
Pyramiden  und  der  sie  umgebenden  Gräberstätten  gerichtet,  und  durch  einen 
eigentOmlichen  Zufall  des  Schicksals  haben  sich  über  50  Jahre  später  die 
deutschen  Untersuchungen  wieder  der  Erforschung  dieser  ältesten  und  größten 
Totenstadt  der  Welt  zugewendet.  Die  größten  Pyramiden  sind  die  von 
Uise,  die  fast  vor  den  Toren  Kairos  nur  12  km  von  der  Chalifenstadt  ent- 
fernt liegen.  Sie  sind  aber  nur  eine  von  mehreren  Gruppen,  die  sich  am 
Rande  der  libyschen  Hochebene  in  einer  Gesamtlänge  von  110  km  ausdehnen 
und  insgesamt  die  Totenstadt  des  alten  Memphis  bilden. 

Über  die  Bedeutung  der  Pyramiden  ist  man  sich  seit  langer  Zeit  im 
klaren.  Man  weiß,  daß  diese  berghohen,  einfachen  und  schmucklosen  Bauten 
nichts  anderes  als  die  Gräber  der  alten  Könige  aus  dem  dritten  vorchristlichen 

8 


—    114    — 

JahrtauseDd  sind.  Im  Innern  führt  ein  schmaler  Gang  schr&gabwärU  in 
eine  Kammer,  in  der  der  Leichnam  des  Königs  mhte.  Die  Pyramiden  sind 
aber  nicht  die  einzigen  Banwerke  in  der  Totenstadt.  Zu  jeder  Pyramide 
gehört  noch  ein  Tempel,  der  dem  Kultus  des  verstorbenen  Herrschers  geweiht 
war  und  von  dem  meist  noch  Trttmmer  vorhanden  sind.  Von  der  Anlage 
dieser  Heiligtümer  wußte  man  bisher  so  gut  wie  nichts.  Außerdem  gruppieren 
sich  um  die  Pyramiden  zahlreiche  größere  und  kleinere  Gräber.  Manche  von 
ihnen  waren  schon  aufgedeckt  und  zeigten  in  ihren  Kammern  Inschriften 
und  Bilder,  die  für  die  Kunst  und  Kulturgeschichte  von  größter  Wichtigkeit 
waren.  In  vielen  dieser  Gräber  waren  auch  Statuen  aufgestellt.  Endlich 
wußte  man,  daß  bei  den  südlich  von  Gise  gelegenen  Pyramiden  von  Abusir 
Heiligtümer  des  Sonnengottes  liegen  mußten,  über  die  die  Wissenschaft  fast 
ganz  im  Unklaren  war.  So  bot  das  am  meisten  bekannte  und  besuchte 
Pyramidenfeld  von  Memphis  noch  wissenschaftliche  Probleme  und  dankbare 
archäologische  Aufgaben  in  großer  Fülle.  Sie  zu  lösen  hat  jetzt  die  deutsche 
Wissenschaft  ihre  Kraft  eingesetzt  und  dabei  in  Betracht  gezogen,  daß  aus 
den  Grabungen  auch  unseren  heimischen  Museen  Denkmäler  der  ägyptischen 
Kunst  und  Kultur  zugeführt  würden. 

In  den  Jahren  1898—1905  sind  drei  Denkmälerstätten  näher  unter- 
sucht worden: 

1.  Das  Sonnenheiligtum  von  Abu-Guräb,  durch  das  Berliner  Museum 
auf  Kosten  des  Freiherm  Dr.  v.  Bissing,  unter  Leitung  von  Dr.  Borchardt 
und  Professor  Schäfer. 

2.  Der  Totentempel  und  die  Gräber  bei  der  Pyramide  des  Königs 
Nuserr6  in  der  Nähe  von  Abusir  (1902—04)  von  der  Deutschen  Orientgesell- 
schaft, unter  Leitung  Dr.  Borchardts. 

3.  Die  Nekropole  bei  der  Cheopspyramide  (1903 — 1905)  durch  den 
Vortragenden. 

Der  Sonnentempel  vonAbu-Guräb  ist  von  dem  Könige Nuserr6 
um  das  Jahr  2700  v.  Chr.  erbaut  worden.  Damals  war  es  Sitte,  daß  jeder 
Pharao  seinem  Schutzheiligen,  dem  Sonnengotte,  ein  besonderes  Heiligtum 
erbaute.  Der  Tempel  erhob  sich  auf  einem  der  Wüste  vorgelagerten  Sand- 
hügel. Vor  seinem  nordöstlichen  Abhänge  lag  die  zu  dem  Heiligtum  gehörige 
Stadt,  vielleicht  die  Residenz  des  Pharao.  Von  ihr  aus  führte  der  Eingang 
der  Tempelstraße  durch  einen  auf  einer  Kaianlage  errichteten  gewaltigen 
Torbau.  Er  wurde  gebildet  durch  eine  auf  vier  granitenen  Palmensäulen 
ruhenden  Vorhalle,  von  der  aus  ein  Gang  zum  Haupttor  führte.  Rechte  und 
links  lagen  in  den  Seitenfronten  noch  Nebeneingänge.  Von  diesem  stattlichen 
Portal  führte  nun  auf  einer  mächtigen  Steinrampe  ein  etwa  100  m  langer, 
allseitig  geschlossener  schmaler  Gang,  der  durch  schmale  Schlitzfenster  im 
Dache  nur  spärlich  erhellt  wurde,  zu  dem  Eingangstor  des  eigentlichen 
Heiligtums.  Dieses  bestand  aus  drei  Hauptteilen:  Einem  Hof  mit  großem 
Alabasteraltar;  einem  36  m  hohen  Obelisken,  der  sich  auf  einem  20  m  hohem 
Unterbau  erhob,  und  einer  Reihe  von  Magazinräumen  und  Schatzkammern. 
Außerdem  lagen  im  Hofe  noch  zwei  Schlachthöfe  und  eine  kleine,  mit  schönen 
Reliefs  ausgeschmückte  Kapelle,  vielleicht  der  Raum,  in  dem  der  König  ange- 
kleidet und  geschmückt  wurde,  wenn  er  die  Festfeiern  im  Tempel  beging. 


—    115    — 

Mit  Reliefs  waren  auch  die  überdeckten  Gänge  verziert,  die  zum  Obelisken 
and  den  Schatzkammern  führten. 

Ein  in  der  Anlage  vOlIig  abweichendes  Bauwerk  istderPyramiden- 
tempel  des  Nnserr^  bei  Abnsir.  Aach  hier  führt  vom  Tale  ein  mit 
einem  Torbaa  beginnender  Aafweg,  dessen  Wände  tnit  den  feinsten  Reliefs 
geschmückt  waren,  zn  dem  Haapteingang  des  Heiligtams.  Hat  man  diesen 
darchschritten,  so  gelangt  man  in  einen  Vorhof  and  weiterhin  in  einen  ofienen 
Säalenhof,  dessen  Hallen  von  granitenen  Papyrussäulen  getragen  worden. 
Die  folgenden  Ränme,  die  sich  nordwärts  am  Faße  der  Pyramide  hinzogen, 
enthielten  n.  a.  das  Allerheiligste,  in  dem  eine  riesige  Scheintür  den  Eingang 
zam  Jenseits  bezeichnete.  Bei  dem  Totentempel  liegen  noch  größere  Grab- 
bauten  aus  der  Zeit  des  Nuserr6,  Priestergräber  aus  der  Zeit  um  200()  v.  Gh., 
Massengräber  aus  der  Zeit  des  ,  Neuen  Reichs*  und  der  Spätzeit.  Außerdem 
wurde  ein  kleiner  griechischer  Friedhof  mit  sehr  interessanten  Särgen  entdeckt. 
Bei  einem  fand  man  eine  über  1  m  lange  Papyrusrolle,  die  zur  Zeit  Alexanders 
des  Großen  geschrieben  war  und  somit  das  älteste  bisher  bekannte  griechische 
Buch  ist.  Es  enthält  eine  epische  Schilderung  der  Schlacht  bei  Salamis  aus 
der  Feder  des  Timotheus  von  Milet  (400  ▼.  Chr.). 

Durch  die  Ausgrabungen  des  Vortragenden  in  der  Nekropole 
bei  der  Cheopspyramide  wurden  etwa  70  große  aus  Stein  oder  Ziegeln 
errichtete  wohlerhaltene  Grabbauten  freigelegt.  Sie  entstammen  der  Zeit  der 
ö.  ägyptischen  Königsdynastie  (2850-2600  v.  Chr.)  und  gehören  ein  und 
derselben  Gattung  an,  die  man  wegen  ihrer  äußeren  Form  in  der  Altertums- 
wissenschaft mit  dem  Namen  Mastaba,  d.  i.  „Bank"  zu  bezeichnen  pflegt. 
Es  sind  dies  Bauwerke  mit  rechteckiger  Grundfläche  und  schrägen  Wänden. 
An  ihrer  Ostseite  bezeichnet  eine  flache  Nische  die  Stelle,  an  der  man  sich 
den  Eingang  ins  Totenreich  dachte  und  wo  auch  die  Hinterbliebenen  ihre 
Qaben  für  den  Toten  niederlegten.  Gelegentlich  wurde  diese  Nische  durch 
ein  oder  mehrere  Kammern  ersetzt,  die  meist  mit  Reliefs  geschmiickt  waren. 
So  war  in  einer  Kammer  der  Verstorbene  an  der  Seite  seiner  Gattin  vor  dem 
Speisetische  sitzend  dargestellt;  Diener  kommen  und  bringen  dem  Paar 
allerlei  Speisen  und  Getränke.  Auch  sonst  wiederholen  sich  an  den  Wänden 
die  Bilder  von  Dienern  und  Dienerinnen,  die  ihre  Opfergaben,  Körbe  und 
Schüsseln  mit  Ess waren,  Gänse,  Bierkrüge,  feine  Öle,  Schmucksachen  usw. 
dem  Veratorbenen  spenden.  —  Unter  der  Mastaba  waren  in  gewachsenen 
Felsen  Kammern  angelegt,  in  welchen  man  durch  tiefe  Schächte  gelangte 
und  in  denen  man  die  Toten  beigesetzt  hatte.  Hier  fanden  sich  bei  den 
Skeletten  allerhand  Beigaben,  Perlenketten,  kupferne  Gefäße  und  Nachbildun- 
gen von  allen  möglichen  Werkzeugen,  Krüge  für  die  Eingeweide  des  Toten, 
tteineme  Kopfstützen,  Alabastervasen  und  anderes  mehr.  In  vielen  Mastabas 
war  im  Gemäuer  auch  noch  ein  kleiner  Raum  angelegt,  in  dem  die  Statuen 
des  Verstorbenen  und  seiner  Familienmitglieder,  häufig  auch  die  seines  Haus- 
gesindes ihren  Platz  gefunden  hatten.  So  traf  man  im  Grabe  eines  Toten- 
priesters, namens  Zascha,  auf  nicht  weniger  als  18  zum  Teil  vorzüglich  erhaltene 
Kalksteinfiguren.  Zwei  davon  stellen  den  Verstorbenen  selbst  in  ehrwürdiger 
Haltung,  auf  einem  Sessel  sitzend,  dar;  in  zwei  anderen  sehen  wir  seine 
^ttin  und  seinen  jagendlichen  Sohn,  die  übrigen  zeigen  das  gesamte  Haus- 

8* 


—    116    — 

gesinde  bei  seioen  verschiedenen  Beschäftigangen :  Den  Koch  bei  seinem 
Fleischtopfe,  den  Müller,  der  mit  der  Handmühle  das  Korn  zerreibt,  eine 
Dienerin,  die  das  Mehl  siebt,  einen  Braner,  der  ähnlich  wie  es  noch  heute  in 
Ägypten  geschieht,  das  Gerstenbier  bereitet,  einen  Mann,  der  die  Erttge  für 
das  abzufüllende  Bier  zurechtmacht,  einen  Bauern,  der  das  Korn  in  kleine 
Vorratskammern  schüttet  u.  a.  m. 

So  ist  uns  auch  hier  in  überaus  charakteristischen  Bildern  ein  kleines 
Stück  altägyptischen  Lebens  wieder  greifbar  vor  Auge  getreten. 

Mittwoch,  den  3.  Januar  1906. 

Herr  Sekundarlehrer  Ullrich  Kollbrunner-Ztirich: 
Meine  Reise  nach  Abessinien^  Land^  Tolk  und  Herrseher« 

(Lichtbilder.) 

Das  koptisch-christliche  Reich  Abessinien  stößt  im  Norden  an  den 
Ostsudan,  im  Westen  nahezu  an  den  weißen  Nil,  im  Süden  an  die  GhaUa- 
länder  und  im  Osten  an  die  Wüste  der  Somali  und  Daneali.  Eingeschlossen 
von  fanatischen  Verehrern  des  Islam  und  tiefstehenden  Fetischanbetem,  hat 
es  doch  trotz  aller  Angriffe  sein  im  4.  Jahrhundert  erhaltenes  Christentum 
bewahrt.  In  dieses  Land  kam  vor  28  Jahren  ein  Freund  des  Vortragenden, 
der  schweizerische  Ingenieur  1 1  g ,  der  sich  das  Vertrauen  des  gegenwärtigen 
Kaisers  Menelik  II.  erwarb  und  sich  zu  seinem  Minister  und  Batgeber  empor- 
geschwungen hat.  Seinen  unablässigen  Bemühungen  ist  die  Wüsteneisen- 
bahn zu  verdanken,  die  von  Djibouti  am  Boten  Meere  nach  Diridaua  am 
Bande  des  abessinischen  Hochlandes  führt,  das  Gebiet  der  wilden  Somali  und 
Daneali  durchzieht,  unter  beständiger  militärischer  Bedeckung  der  Arbeiter 
vollendet  wurde  und  bei  deren  Bau  manchmal  das  Wasser  30 — 35  km  weit 
her  auf  Eamelsrücken  hergeschleppt  werden  mußte.  Von  Diridaua,  dem  End- 
punkt dieser  Bahn,  ab  muß  man  mit  der  Karawane  Weiterreisen.  Es  geht  aber 
nicht  aufwärts  zum  Plateau  auf  einer  ziemlich  gleichförmig  geneigten  Ebene, 
sondern  lange  Zeit  immer  über  Bergketten  hinunter  in  heiße  Talgegenden. 
In  H  a  r  a  r ,  einer  ummauerten  Stadt  von  35 — 40  000  Einwohnern,  trifft  man 
in  besonderem  Viertel  die  Aussätzigen  und  lernt  während  der  Nacht  die 
Hyänen  als  Straßenreiniger  kennen.  Weiter  geht  es  durch  Gegenden  mit 
wunderschön  farbigen  Vögeln  und  den  prächtigen  Guereze- Affen  zum 
H  a  w  a  s  c  h ,  dem  Strome,  der  Schoa  von  den  Gallaländem  trennt,  und  in  dem 
Krokodil  and  Nilpferd  massenhaft  vorkommen.  Die  Weiterreise  führt  durch 
viehreiches  Weideland  mit  warmen  Quellen  und  Wasserstellen,  durch  Wälder, 
in  denen  die  Sykomore  in  prachtvollen  Exemplaren  vorkommt  und  die  von 
zahlreichen  Affenberden  bevölkert  sind.  Auf  ungefähr  dreiwöchentlichem  Bitt 
gelangt  man  dann  von  Harar  zur  Hauptstadt  Adis  Abeba,  der  Besidenz 
Meneliks  mit  etwa  80000  Einwohnern. 

Auf  dem  abessinischen  Plateau  erheben  sich  Gipfel  bis  zu  4600  m 
Höhe.  Fast  das  ganze  Land  ist  vulkanischen  Ursprungs.  Das  Klima  auf 
den  Hochebenen  ist  ziemlich  gesund  und  gemäßigt;  in  den  Tälern  dagegen 
quälen  den  Beisenden  Hitze  und  Fieber,  gegen  das  nur  der  regelmäßige 
Genuß  von  Chinin  schützt.    Angebaut  werden  Durrahkom,  Banane,  Zucker- 


—    117    — 

röhr,  Kaffee,  Hülsenfrüchte  nnd  europäische  Getreidearten.  Seit  dem  Bau 
der  Wttstenbahn  kommt  der  vortreffliche  abessinische  Kaffee  mehr  zur  Geltung, 
nnd  die  wilden  Kaffeebaumwäldchen  in  den  Gallaländern,  auf  deren  Boden 
mehrere  cm  hohe  Schichten  von  Bohnen  liegen ,  werden  nach  nnd  nach  ver- 
schwinden. Die  Tierwelt  Abessiniens  ist  ungemein  reichhaltig,  und  die  Jagd 
lohnt  reichlich  alle  ausgestandenen  Strapazen.  Wo  Herden  und  Versteck 
vorhanden  sind,  findet  sich  der  Löwe.  Der  geschmeidige  Leopard  jagt  die 
Affen  auf  den  Sykomoren  wie  das  Wildschwein  am  Flosse;  kaum  ist  am 
Abend  das  Zelt  aufgeschlagen,  so  wird  man  begrüßt  von  Schakal  und  Hyäne. 
An  den  größeren  Flüssen  sieht  man  die  ausgetretenen  Gänge  des  Rhinoze- 
rosses und  im  Errer,  einer  warmen,  vegetationsreichen  Niederung  gibt  es 
noch  Elefantenherden  von  300  Stück.  Auf  den  Hochflächen  weiden  Scharen 
von  Antilopen  und  in  den  Lüften  kreist  Baabgesindel  aller  Art. 

Der  Abessinier,  der  sich  nach  der  Unterwerfung  der  Galla  als 
Herr  des  Landes  fühlt,  hat  dunkelbraune  Hautfarbe,  ist  mittelgroß,  kraus- 
haarig, arbeitsscheu.  Eheliche  Treue  gehört  nicht  zu  seinen  Tugenden. 
Angenehm  berührt  die  Anhänglichkeit  der  Kinder  an  die  Eltern;  dagegen 
steht  die  geistige  Kultur  noch  tief ;  nur  wenige  Bevorzugte  können  schreiben 
und  lesen.  Aus  ausgewachsener  Gerste  bereiten  die  Abessinier  ihr  Bier 
(Data),  aus  wildem  Honig  ihren  Wein  (Detsch).  Selbst  in  der  ärmsten  Hütte 
wird  jeden  Tag  frisches  Brot  gebacken  und  zur  Bereitung  des  Mehles  das 
Dnrrah  zwischen  zwei  Steinen  zerrieben.  Als  Zahlmittel  gelten  der  Menelik- 
nnd  Mariatheresientaler ;  dann  Goldzylinderchen  im  Gewichte  von  26  Gramm, 
Patronen,  Salzstangen,  Kaurimuscheln  und  Baumwollstücke. 

Die  Geschichte  Abessiniens  zeigt  einen  beständigen  Kampf 
gegen  die  Mohammedaner  (Mahdisten)  im  Norden  und  die  Heiden  (Galla)  im 
Süden.  Womöglich  noch  ernstere  Bewegungen  fanden  im  Innern  des  Landes 
statt,  wenn  sich  beim  Ableben  eines  Herrschers  verschiedene  Große  (Ras,  Kasai) 
um  den  Thron  stritten.  So  kamTheodorusI.  empor,  der  nach  erfolgreicher 
aber  despotischer  Regierung  schließlich  mit  den  Engländern  in  Kampf  ge- 
riet, von  ihnen  in  Magdala  belagert  wurde  und  sich  selbst  den  Tod  gab. 
Sein  Nachfolger  war  Johannes,  der  im  Kampfe  gegen  die  Mahdisten  fiel, 
und  nun  wurde  der  König  von  Schoa,  M  e  n  e  1  i  k  Negus  Negesti,  d.  h.  König 
der  Könige.  Menelik,  eine  energische  und  intelligente  Persönlichkeit,  ist  haupt- 
sächlich bekannt  geworden  durch  seinen  Sieg  über  die  Italiener.  Verschiedene 
unliebsame  Erfahrungen  mit  den  Weißen  haben  den  König  mißtrauisch  und 
weniger  nahbar  gemacht.  Seine  Arbeitskraft  ist  unglaublich;  jeden  Morgen 
steht  er  um  vier  Uhr  auf  und  arbeitet  den  ganzen  Tag  über.  Sein  Gedächtnis 
ist  von  seltener  Stärke;  betrunken  oder  auch  nur  angeheitert  sieht  man  ihn 
nie.  Seine  Lembegierde  trieb  ihn  eines  Tags  dazu,  sich  unter  Ilg*s  Anleitung 
die  Kunst  des  geometrischen  Zeichnens,  des  Entwerfens  von  Grund-  und 
Aufriß  eines  Hauses  mit  den  nötigen  Schnitten  und  der  vollständigen 
Ausführung  eines  solchen  Baues  zu  eigen  zu  machen.  Hoffen  wir,  daß 
die  bestehende  nnd  noch  weiter  fortzusetzende  Eisenbahn  immer  nur  fried" 
liehe  Pioniere  der  Kultur,  strebsame  Handelsleute,  geschickte  Handwerker 
and  .fleißige  Kolonisten  in  das  Reich  dieser  merkwürdigen  schwarzen  Maje- 
stät führe. 


—    118    — 

Mittwoch,  den  10.  Januar  1906. 

Herr  Geh.  Reg. -Rat  Professor  Dr.  Theobald  Fischer- 
Marburg:  Marokko,  nach  den  Ergebnissen  meiner  drei 
Forschungsreisen.    (Lichtbilder.) 

Wir  stehen  unmittelbar  vor  der  Konferenz  von  Alge^iras.  Aach  bei 
nns  sind  hente  alle  Blicke  an!  Marokko  gerichtet.  Es  bedurfte  aber  des  Ein- 
greifens des  Deutschen  Kaisers,  um  das  zu  erreichen.  Bis  dahin  war  die 
Haltung  unserer  amtlichen  Kreise  dem  Bestreben,  die  Aufmerksamkeit  auf 
Marokko  zu  lenken,  eher  ungünstig.  Marokko  war  aber  auch  bis  vor  kurzem 
ein  völlig  unbekanntes  und  ist  bis  heute  ein  wenig  gekanntes  Land.  Erst 
in  den  letzten  Jahren  ist  es  von  den  Franzosen,  zum  Teil  um  nicht  hinter 
den  Deutschen  zurückzustehen,  mit  Feuereifer  erforscht  worden,  allerdings 
im  Anschluß  an  die  bewundernswerten  Forscherleistungen  eines  de  Foucauld 
und  de  Segonzac.  Aber  auch  deutsche  Forscher,  wie  Rohlfs  und  Lenz,  sind 
mit  Ehren  zu  nennen.  Geschichtliche  und  geographische  Qrttnde  haben  die 
solange  aufrecht  erhaltene  Abgeschlossenheit  bedingt.  Die  Küsten  von  Ma- 
rokko, solange  von  den  Christen,  im  Norden  Spanier,  an  der  Ozeanküste 
Portugiesen,  besetzt,  bildeten  jahrhundertelang  die  heißesten  Reibungsflächen 
zwischen  Christentum  und  Islam.  Die  aus  Spanien  verjagten  Mauren  wurden 
vorzugsweise  die  Träger  des  Seeräuberunwesens,  das  die  Seehandel  treibenden 
europäischen  Staaten  solange  zu  Tributzahlungen  an  Marokko  gezwungen 
und  jahraus  jahrein  Tausende  von  Christen  in  die  Sklaverei  geführt  hat. 
Gelegentliche  Bombardements  der  schlimmsten  Seeräubernester  erhöhten  nur 
den  mit  Verachtung  gepaarten  Christenhaß.  Dazu  kam  seit  der  Besetzung 
Algeriens  durch  die  Franzosen  eine  neue  Reibungsfläche  zu  Lande.  Die  Eifer- 
sucht der  Mächte  verhinderte  jedes  energische  Vorgehen.  So  war  jede  Erfor- 
schung ausgeschlossen.  Aber  auch  die  Landesnatur  erschwerte  dieselbe.  Die 
Ktlsten  von  Marokko,  zumal  die  Rifküste  am  Mittelmeer,  eine  Längs-  und 
Abschließungküste,  so  buchtenreich  sie  auch  ist,  wie  die  Küste  am  Ozean, 
eine  wenig  gebuchtete  Schollenkttste,  sind  hafenlos.  Diese  entbehrt  auch  der 
Landmarken  und  wird  durch  heftige  Brandung  und  Nebel  schwer  zugänglich 
gemacht.  Das  Innere  birgt  in  den  Gebirgslandschaften  des  Atlas  und  des  Rif 
große  natürliche  Festungen,  deren  Besatzungen,  freiheitliebende  Berbern,  zu 
allen  Zeiten  fremde  Eroberer  fernzuhalten  vermocht  haben  und  sich  bis 
heute  der  Unabhängigkeit  erfreuen. 

Unter  Hinweis  und  als  Erläuterung  einer  eigens  für  diesen  Vortrag 
angefertigten  Kartenskizze  legte  der  Redner  dar,  daß  Marokko  weder  ein 
Land,  noch  ein  Staat  ist,  sondern  eine  Ländergruppe,  die  allerdings  im  Besitz 
einer  zentralen  Landschaft,  des  Atlasvorlandes,  die  Möglichkeit  eines  festen 
staatlichen  Zusammenschlusses  bietet,  die  noch  dadurch  erhöht  wird,  daß 
diese  Ländergruppe  ein  Sondergebiet  der  Welt  des  Islam  bildet,  in  dem  der 
Sultan  von  Marokko  als  Nachkomme  des  Propheten  zugleich  kirchliches  Ober- 
haupt ist,  eine  Rolle,  die  er  freilich  mit  dem  Scherifen  von  Wazan  teilt 
Das  Atlasvorland,  die  einzige  große  offene  Landschaft  von  etwa  SöOOOqkm 
Flächeninhalt,  steht  durch  die  geologisch,  geographisch,  orographisch,  für 
friedlichen  und  kriegerischen  Verkehr  so  wichtige  Tiefenlinie,  die  von  Ffts, 


—    119    — 

der  nördlichen  Hauptstadt,  zwischen  dem  Rifgehirge  und  dem  Atlas  hindurch 
Ober  das  so  viel  genannte  Tasa,  den  Schlüssel  desselben,  nach  Udjda  und 
Tlemcen  führt,  mit  der  ebenfalls  offenen  Landschaft  im  Flußgebiet  der  Muluja 
in  Verbindung.  Nehmen  wir  nun  die  Oasenlandschaft  von  Tafilelt,  die  von 
Fäs  aus  am  leichtesten  erreichbar  ist,  das  Stammland  der  herrschenden  Dynastie 
der  Filali  hinzu,  so  bilden  diese  offenen  Landschaften  fast  allein  den  Staat 
Marokko,  das  BIed  el  Makhsen,  von  den  etwa  600000qkra  des  ganzen  Ge- 
biets nur  etwa  180000.  Alles  andere,  also  fast  ausschließlich  die  verschlos- 
senen Geblrgsländer,  bilden  das  unabhängige  Gebiet,  das  Bled-es-Ssiba. 

Der  Redner  schilderte  nun  an  der  Hand  von  30  Lichtbildern  die  Küsten 
und  die  drei  Gürtel  des  Atlasvorlandes,  den  Küstengürtel,  der,  zu  etwa 
20000qkm  mit  fruchtbarster  Schwarzerde  bedeckt,  reiche  Ernten  an  Getreide 
hervorbringt,  den  Steppengürtel,  ein  Viehland,  das  aber  unter  künstlicher 
Berieselung  am  Fuße  des  Atlas  als  Fruchthain  schon  heute  ungeheure  Mengen 
von  Olivenöl,  Mandeln  und  dergleichen  zu  liefern  imstande  ist.  Diese  drei 
Gürtel  ergänzen  einander  so  in  ausgezeichneter  Weise.  Marokko  könnte  eine 
der  Kornkammern  Europas  bilden  und  wird  sie  bilden  im  Augenblicke,  wo 
der  heutigen  Mißwirtschaft  ein  Ende  gemacht  sein  wird. 

Marokko  ist  das  reichste  der  drei  Atlasländer.  Es  scheint  namentlich 
noch  große  innere  Schätze  des  Bodens  zu  besitzen.  Aber  alles  ist  unent- 
wickelt. Alles  Kulturgerät  europäischer  Staaten,  Straßen,  Eisenbahnen,  Häfen 
n.  s.  w.  ist  noch  zu  schaffen,  für  europäische  Betätigung  liegt  hier  ein  reiches 
Arbeitsfeld.  Wenn  Marokko  heute  nur  eine  Handelsbewegung  von  100  Mill. 
Francs  hat,  so  kann  diese  in  fünfzig  Jahren  auf  1  Milliarde  steigen.  Und 
die  Bevölkerung  von  heute  etwa  8  Millionen  kann  auf  40  Millionen  an- 
wachsen. Dies  außerdem  durch  eine  Ecklage  und  eine  Lage  an  der  wich- 
tigsten Handelsstraße  der  Welt  so  wichtige  Land  hat  also  eine  große  Zu- 
kunft vor  sich. 

Mittwoch,  den  17.  Januar  1906. 

Herr  Prof.  Dr.  Emil  Deckert-Berlin  (jetzt  Frankfurt 
a.  M.) :  StreifzOge  und  Stadien  auf  der  Insel  Kuba.  (Licht- 
bilder.) 

In  seiner  Achsenrichtung  und  Tektonik  auffällig  von  dem  kaum  200  km 
fernen  Nordamerika  abweichend,  und  hinsichtlich  seiner  Tier-  und  Pflanzen- 
welt Nord-  und  Südamerika  fast  ebenso  selbständig  und  fremdartig  gegenüber- 
stehend wie  Neuseeland  Australien  und  Asien  —  bis  auf  die  Gattungen  Capro- 
mys  und  Solenodon  und  eine  Anzahl  Flatterer  ganz  ohne  einheimische  Säuge- 
tiere, mit  einer  höchst  eigenartigen  Vogel-,  Beptilien-,  Fisch-,  Insekten-  und 
Molluskenfanna  —  beansprucht  Kuba  zusammen  mit  den  anderen  Antillen 
ein  hohes  wissenschaftliches,  als  erstes  Tabakland  und  erstes  Bohrzuckerland 
der  Erde  aber  zugleich  ein  hohes  wirtschaftspolitisches  Interesse.  Ganz  besour 
ders  hat  Deutschland  viel  Veranlassung,  ihm  seine  Aufmerksamkeit  zuzuwen- 
den, da  Deutsche  sowohl  an  der  wissenschaftlichen  Durchforschung  der  Insel 
als  auch  an  ihrer  wirtschaftlichen  Entwicklung  in  hervorragendster  Weise 
beteiligt  gewesen  sind.   Alexander  von  Humboldt  schuf  im  Anschluß  an  seine 


—    120    — 

Reisebeobachtniig^en  die  erste  gründliche  kultor-  and  wirtschaftsgeograpbische 
Charakteristik  von  der  Insel.  August  Grisebach  verarbeitete  das  kubanische 
Herbarienmaterial  zu  klassischen  Werken.  Job.  Gnndlach  brachte  durch  seine 
auf  54  Jahre  ausgedehnten  Streüzüge  und  Sammlungen  die  zoogeographische 
Kenntnis  von  Kuba  auf  einen  festen  Fuß.  Hann  schrieb  das  Beste  über  die 
Insel  in  klimatologischer,  Sueß  in  geologischer  Hinsicht.  Die  deutschen  Fir- 
men Bock  &  Co.,  Upmann  und  Henry  Clay  dürfen  als  die  ersten  kubanischen 
Tabakfirmen  gelten ,  und  in  Havana,  Matanzas,  Cienf uegos,  Trinidad  u.  s.  w. 
vermitteln  deutsche  Häuser  zugleich  den  größten  Teil  der  kubanischen  Zucker- 
ausfuhr. In  morphologischer  Beziehung  fällt  an  verschiedenen  Orten  der  Rüste 
ein  schöner  Terrassenbau  auf,  der  auf  ein  ruckweises  Emporsteigen  des  Landes 
während  der  Tertiärzeit  schließen  läßt.  Die  untersten  Terrassenstufen  sind 
gehobene  Korallenriffe,  während  in  den  höheren  Stufen  korallines  Qefüge  nur 
stellenweise  sichtbar,  die  herrschende  Felsart  aber  Kalkstein  ist.  Im  Nord- 
westen ist  der  Terrassenbau  am  vollkommensten  erhalten,  und  ebenso  tritt 
hier  der  paläozoische  Grundbau  am  deutlichsten  hervor,  wahrscheinlich  im 
Zusammenhange  mit  der  verhältnismäßigen  Freiheit  dieser  Scholle  von  Erd- 
erschütterungen. Im  Osten  und  ganz  besonders  im  Südosten  ist  die  gesamte 
Entwicklungsgeschichte  der  Insel  unruhiger  gewesen,  was  schon  die  weite 
Verbreitung  älterer  Eruptivgesteine  im  Inneren  andeutet,  und  öftere  seismische 
Katastrophen  in  der  Gegend  von  Santiago  de  Cuba  zeigen,  daß  die  Unruhe 
in  gewissem  Umfange  andauert.  Der  ungeheure  Grabeneinbruch  der  Bartlett- 
Tiefe  zwischen  den  phänomenalen  Steilhängen  der  kubanischen  Sierra  Maestra 
und  der  jamaikanischen  Blue  Mountains  scheint  in  weiterer  Ausbildung  be- 
griffen zu  sein.  Auf  ausgedehnteren  Strecken  begleitet  indes  Seichtsee  mit 
Koralleninselfluren  die  kubanische  Küste,  und  riffbauende  Ifäandrinen,  Asträen 
u.  s.  w.  arbeiten  an  deren  weiterer  Ausgestaltung.  Im  Inneren  ist  Kuba  in  den 
weitesten  Gebieten  ein  tropisches  Karstland  voller  Höhlen,  unterirdischer  Flufi- 
läufe,  Dollinen  und  Poljentäler  und  mit  großartigen  Anhäufungen  von  roter 
Verwitterungserde  (tierra  colorada),  die  eine  vorzügliche  Grundlage  der  kuba- 
nischen Landwirtschaft  bildet.  Das  tropische  Klima  ist  durch  den  herrschen- 
den Passatwind  und  öfters  einbrechende  Nordwestwinde  im  Nordwestteile 
auch  für  Europäer  zuträglich,  während  die  Verheerungen  des  Gelbfiebers 
gutenteils  auf  die  Rechnung  mangelhafter  sanitärer  Vorkehrungen  kommen 
und  nach  dem  Zusammenbruche  der  spanischen  Herrschaft  viel  von  ihrer 
Bedrohlichkeit  verloren  haben.  Unter  den  zahlreichen  sackförmigen  Hafen- 
buchten der  Nordküste,  deren  Abschnürung  von  der  offenen  See  durch  ge- 
hobene Korallenriffe  bewirkt  wurde,  ist  die  von  Havana  für  die  große  See- 
schiffahrt die  zugänglichste  und  beste,  und  hier  ist  durch  den  schmalen  und 
niedrigen  Isthmus  von  Batabano  zugleich  der  bequemste  Übergang  zur  Südktkste 
und  der  natürlichste  Verknüpfungspunkt  aller  Küstenfahrerlinien  gegeben, 
während  westlich  von  Havana  die  Vnelta  Abajo  mit  ihrer  berühmten  Tabak- 
produktion und  östlich  die  Vuelta  Arriba  (die  Provinzen  Matanzas  und  Santa 
Clara)  mit  der  großen  Mehrzahl  der  kubanischen  Zuckerrohrpflanzungen  und 
Zuckerfabriken  (ingeniös)  liegen.  Das  Zuckerrohr  braucht  in  den  meisten 
Gegenden  erst  nach  dreißig  Jahren,  in  manchen  Gegenden  erst  nach  fünfzig 
Jahren   neu   angepflanzt  zu  werden,   und  manche  Fabriken  fördern  Über 


—    121    — 

500000  Zentner  Zucker  im  Jahre,  während  die  ganze  Insel  nach  dem  Unab- 
hängigkeitskampf  wieder  ttber  1  Hill.  Tonnen  im  Jahre  erzengt  hat  nnd  nach 
sachverständigen  Gutachten  an  6  Mill.  Tonnen  zu  erzeugen  fähig  ist.  Die  16000 
vorhandenen  Tabakpflanzungen  (vegas)  sind  meist  in  der  Hand  von  Klein- 
bauern, und  die  höchste  Qualität  des  Krauts  wird  unter  ganz  besou deren 
klimatischen  und  natürlichen  Bewässerungs-  und  Bodenverhältnissen  erzeugt, 
80  daß  als  .echte  Vuelta*  nur  der  Landstrich  zwischen  dem  Rio  Hondo  und 
Rio  Cuyaguatege  gilt.  Mittelkuba  (Puerto  Principe)  mit  seinen  Savannen  ist 
die  Hauptstätte  der  kubanischen  Rinderzucht',  Ostkuba  mit  seinem  echten 
Tropenklima  die  Hauptstätte  der  KaSee-,  Kakao-,  Kokos-,  Bananen-  und 
Ananaskultur. 

Die  kubanischen  Streif züge  und  Studien  des  Vortragenden  fielen  in  die 
Zeit  des  Aufstandes  und  des  spanisch-amerikanischen  Krieges  (1896  und  1898) 
und  waren  dadurch  mannigfach  behindert. 

Mittwoch,  den  24.  Januar  1906. 

Herr  Dr.  Alfred  Goetze-Berlin:  Troja  and  seine  Aus- 
g^abnng.    (Lichtbilder.) 

Die  sagenhaften  Lieder  der  Dias  haben  durch  Schliemanns  Ausgrabungen 
auf  der  Stätte  des  alten  Troja  einen  historischen  Hintergrund  erhalten.  Wäh- 
rend sich  die  gelehrte  Welt  in  Hypothesen  ttber  seine  Lage  auf  Grund  der 
literarischen  Berichte  und  oberflächlicher  Betrachtung  umherstritt,  nahm 
SchUemann  den  Spaten  zur  Hand  und  grub  mit  eiserner  Energie  viele  Jahre 
hindurch  auf  der  Trttmmerstätte  des  Hügels  Hissarlik  (türkisch  =  Schloßberg), 
bis  er  nicht  weniger  als  9  Ansiedlungen  aus  verschiedenen  Epochen  der  Vorzeit 
vor  unsem  Augen  hat  erstehen  lassen.  Wenn  er  sich  auch  in  der  Datierung 
der  einzelnen  Städte  vergriff,  so  hat  er  doch  zweifellos  die  richtige  Lage  des 
alten  Troja  aufgefunden  und  die  Grundlage  dafür  geschaffen,  daß  in  deti 
beiden  nach  seinem  Tode  unter  Dörpfelds  Leitung  ausgeführten  Ausgrabungen 
das  wirkliche  homerische  Troja  festgestellt  und  freigelegt  werden  konnte. 
Von  den  9  Ansiedelungen  gehört  die  älteste  und  kleinste  noch  der  jüngeren 
Steinzeit  an,  aber  schon  hatte  sie  eine  Umfassungsmauer ;  ihre  Zeit  ist  min- 
destens auf  2500—3000  v.  Chr.  anzusetzen.  Die  II.  Stadt  nahm  schon  einen 
größeren  Raum  ein.  Die  Kultur  ihrer  Bewohner  ist  die  einer  vollentwickelten 
Bronzezeit.  Sie  war  es,  die  von  Schliemann  für  das  homerische  Troja  gehalten 
wurde,  nicht  zum  mindesten  wegen  des  Reichtums  an  wertvollen  Funden, 
unter  denen  die  Goldfunde  eine  gewisse  Berühmtheit  erlangt  haben.  Für  die 
Prähistoriker  ist  sie  von  besonderem  Interesse,  weil  sich  in  der  Keramik 
Einflflsse  ans  dem  Gebiete  der  europäischen  Steinzeit  bemerkbar  machen.  In 
der  als  Periode  HI—V  bezeichneten  Folgezeit  war  der  Hügel  mit  geringeren 
Ansiedelungen  dorfartigen  Charakters  besetzt,  die  Stilformen  namentlich  in 
der  Keramik  schließen  sich  untrennbar  an  diejenigen  der  IL  Stadt  an.  Erst 
gegen  das  Ende  dieser  Periode  treten  neue  Erscheinungen  auf,  die  Vorboten 
der  nun  folgenden  VI.  Periode,  welche  einen  Glanzpunkt  in  der  Besiedelungs* 
geschiebte  des  Hügels  darstellt.  Der  Hügel,  welcher  durch  die  Sohutt- 
ablageniDgen  an  Höhe  und  Umfang  inzwischen  erheblich  sugenommen  hatte, 


—    122    — 

wird  jetzt  in  Terrassen  angebaut  nnd  dnrcli  riesige  Maaem  an  einer  festen 
Borg  ausgestaltet.  Die  Ergebnisse  der  letzten  Ausgrabungen  lassen  keinen 
Zweifel,  dass  es  die  homerische  Barg  ist,  deren  Blütezeit  in  die  mykenische 
Periode  fällt.  Daneben  bestand  eine  ausgedehnte  Unterstadt,  von  welcher 
bisher  aber  nur  spärliche  Reste  freigelegt  wurden. 

Nach  der  Zerstörung  Trojas  siedeln  sich  zu  Beginn  des  1.  Jahrtausends 
Y.  Chr.  Leute  an,  deren  Kulturformen  sie  als  Griechen  erkennen  lassen  (Periode 
Vn  und  VIII).  Eine  Ünterbrechang  findet  nur  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahr- 
tausends statt  durck  eine  zeitweise  Besetzung  des  Hügels  durch  Barbaren- 
horden thrakischer  Herkunft. 

In  der  römischen  Eaiserzeit  erhob  sich  Ilion  unter  der  Protektion  der 
auf  ihre  sagenhafte  Stammburg  stolzen  Kaiser  nochmals  zu  hoher  Blüte. 
Der  alte  Burghügel  wird  zu  einer  einzigen  großen  Plattform  umgestaltet 
und  für  einen  heiligen  Bezirk  der  Athena  und  andere  öffentliche  Gebäude 
reserviert.  Die  bürgerliche  Ansiedelung  breitet  sich  auf  dem  Plateau  südlich 
der  Akropolis  in  großem  Omfange  aus  und  wird  mit  einer  über  3  km  langen 
Mauer  befestigt. 

Wenn  auch  die  Schuttschichten  von  Hissarlik  unser  Interesse  in  erster 
Linie  als  die  Baustelle  des  alten  Troja  in  Anspruch  nehmen,  so  haben  sie 
darüber  hinaus  noch  die  Bedeutung,  daß  sie  in  ihren  Überresten  einer 
kontinuierlichen  Besiedelung  einen  Ausschnitt  aus  der  Kulturgeschichte  der 
Menschheit  von  der  jüngeren  Steinzeit  bis  in  die  römische  Kaiserzeit 
darstellen. 

Mittwoch,  den  31.  Januar  1906. 

Herr  Dr.  Theodor  Koch-Grtinberg-Berlin  (Nikolas- 
see):  Zwei  Jahre  unter  den  Indianern«  Reisen  am  Oberen 
Bio  Negro  und  Yapur&.    (1903—1905.)    (Lichtbilder.) 

Die  Reise  wnrde  im  Auftrag  des  Kgl.  Mnsenms  fttr  Völkerkunde  zu 
Berlin  ausgeführt  und  diente  in  erster  Linie  ethnologischen  Forschungen 
unter  den  Indianerstämmen  des  nordwestlichen  Brasiliens,  der  Grenzgebiete 
zwischen  Brasilien,  Colombia  und  Venezuela. 

Von  Man&os,  der  bekannten  Handelsstadt  nahe  der  Mündung  des  Rio 
Negro  in  den  Amazonenstrom ,  brach  ich  mit  meinem  deutsch-brasilianischen 
Diener  am  1.  Juli  1903  auf.  Ein  kleiner  Flußdampfer  und  endlich  Indianer- 
boote brachten  uns  über  die  Stromschnellen  nach  Säo  Felippe,  einer  kleinen 
Ansiedlung  am  oberen  Rio  Negro,  die  ich  zum  Ausgangspunkt  meiner  weiteren 
Unternehmungen  wählte. 

Die  erste  Reise  hatte  das  Flußgebiet  des  Rio  Igana,  eines  rechten 
Nebenflusses  des  Rio  Negro,  zum  Ziel,  wobei  der  südlicher  fließende  Rio  Uaupte 
auf  einer  kurzen  Uberlandtour  berührt  wurde.  —  Auf  der  zweiten  Reise  wurde 
zuerst  das  Curicuriary-Gebirge  bestiegen  und  dann  durch  den  gleichnamigen 
Fluß  mit  Überschreitung  der  Wasserscheide  der  untere  Rio  Uaup6s  erreicht. 
Die  nächsten  Monate  galten  der  Erforschung  seines  rechten  Nebenflusses,  des 
RioTiqui6  und  der  zahlreichen,  anwohnenden  freien  Indianerstämme.  —  Die 
dritte  Reise  war  dem  Rio  Uaup6s  selbst  gewidmet,  jenem  gewaltigen  Tributär 


-    123    — 

des  Bio  Negro,  der  infolge  seiner  sahllosen  Stromschnellen  and  Fälle  einer 
Befahmng  die  größten  Hindernisse  entgegenstellt.  Ich  gelangte  his  sehn 
Tage  oberhalb  des  Tampary-Cachoeira,  des  größten  westlichen  Wasserfalles, 
an  dem  seinerzeit  Graf  Stradelli  nmkebren  mußte.  Darauf  wurde  der  Rio 
Cadniary,  ein  linker  Nebenfloß,  bis  in  sein  Qnellgebiet  befahren.  —  Auf  der 
vierten  und  letzten  Reise  verfolgte  ich  den  Rio  Tiqm6  abermals  bis  in  einen 
Qaellflaß,  ttberschritt  mit  Booten  nnd  Qepäck  die  sehr  kurze  Wasserscheide 
und  schiffte  mich  in  einen  Zufluß  des  Rio  Yapur&  ein,  den  ich,  da  uns  unsere 
indianischen  Begleiter  aus  Furcht  vor  den  Stämmen  des  Yapurä  hier  yer- 
ließen,  mit  meinem  Diener  allein  abwärts  fuhr,  bis  wir  nach  mancherlei 
Mfihen,  Gefahren  und  Entbehrungen  am  Apaporis  wieder  Indianer  trafen. 
Mit  ihrer  Hilfe  gelangten  wir  weiter  bis  zum  Yapurä,  an  dessen  Unterlauf 
wir  ein  kleines  brasilianisches  Flußboot  trafen  nnd  damit  den  Anschluß  an 
die  Heimat  erreichten.  Am  4.  Hai  1905  kamen  wir  wohlbehalten  wieder  in 
Hanäos,  dem  Ausgangspunkt  der  Reise,  an. 

In  zweijährigen  Fahrten  wurde  so  ein  großes,  teils  wenig  bekanntes, 
teils  gänzlich  unbekanntes  Gebiet  durchreist.  Der  Lauf  der  Flüsse  wurde 
bestimmt  und  der  nahe  Zusammenhang  der  Flußgebiete  des  Orinoko  bezw. 
Guayiare,  des  Rio  Negro  bezw.  Uaup6s  und  des  Yapurä  an  mehreren  Punkten 
festgestellt,  woraus  sich  Schlüsse  ziehen  lassen  auf  die  Wanderungen  der 
sahireichen  Indianerstämme,  die  in  wohlgebauten  Sippenbäusem  die  frucht- 
iMtren  Ufer  bevölkern.  Dadurch,  daß  ich  mich  monatelang  bei  den  einzelnen 
Stämmen  aufhielt,  nicht  nur  unter  den  Indianern,  sondern  auch  mit  ihnen 
lebte  und  allmählich  mehrere  ihrer  Idiome  hinreichend  beherrschte,  war  es 
mir  möglich,  in  ihr  Leben  und  Treiben  und  in  ihre  geistigen  Anschauungen 
einen  tiefen  Einblick  zu  tun. 

Meine  große  ethnographische  Sammlung,  die  meist  neue  Stücke  ent- 
hält, darunter  circa  140  aus  bunt  bemaltem  Baststofi  verfertigte  Tang- 
maskenanzüge und  eine  riesige,  aus  einem  Baumstamm  gearbeitete  Signal- 
trommel, befindet  sich  im  Egl.  Museum  für  Völkerkunde  zu  Berlin.  Eine 
kleine  botanische  Sammlung,  u.  a.  mehrere  neue  Orchideenarten  und  eine 
neue  Orchideengattung  überließ  ich  dem  dortigen  Botanischen  Museum,  eine 
Sammlung  von  Gesteinen  aus  allen  von  mir  besuchten  Gebieten  dem  Musenm 
fflr  Naturkunde  zu  Berlin.  Ein  reiches  linguistisches  Material,  das  über  vierzig 
sar  Hälfte  bisher  unbekannte  Sprachen  mit  zahlreichen  Texten  enthält,  stellt 
die  Gruppierung  der  Indianerstämme  in  vielen  Punkten  richtig.  Über  tausend 
wohlgelungene  Photographien  geben  ein  getreues  Bild  von  der  großartigen 
Natur,  ihren  Schönheiten  und  Schrecknissen ,  von  dem  Leben  der  Expedition, 
dem  steten  Kampf  mit  den  Stromschnellen,  Typen  der  einzelnen  Indianer- 
stämme, von  ihren  Arbeiten  in  Haus  und  Feld,  ihren  Spielen  und  Tänzen. 

Mittwoch,  den  7.  Februar  1906. 

Herr  Hans  Hermann  Graf  von  Schweinitz-Char- 
lottenburg:   Im  Innern  Kleinasiens.    (Lichtbilder.) 

Bedner  berichtete  tiber  eine  Reise,  welche  er  gemeinsam  mit  seiner 
Gfattin  im  Sommer  1906  im  Innern  Rleinasiens  ausgeführt  hatte.    Er  begann 


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seine  SchildeniDgen  mit  einem  knrsen  historischen  Bückblick,  bei  dem  et 
besonders  an!  die  Glanzperioden  persischer,  römischer  und  seldschackischer 
Herrschaft  hinwies. 

Die  Reittonr  nahm  ihren  Anfang  in  Konia  und  führte  zunächst  nach 
dem  Westen  in  das  Gebiet  des  Beschehir-  and  des  Sogla-Sees.  Dieses  Gebiet 
ist  interessant,  einmal,  weil  es  ein  Kampfgebiet  zwischen  der  deutschen  und 
der  englischen  Bahn  ist,  und  zweitens,  weil  sich  hier  ein  größeres  deutsches 
Bewässerungsuntemehmen  vorbereitet.  Durch  letzteres  soll  das  Wasser  aus 
diesen  Seenbecken,  welches  jetzt  in  den  unterirdischen  Schlünden  des  Sogla- 
Sees  verschwindet,  nach  der  Eonla-Ebene  geleitet  werden,  wodurch  die  heute 
nicht  kultivierbare  Ebene  kulturfähig  gemacht  werden  soll. 

Der  Vortragende  hebt  die  Schönheiten  des  durch  seine  Lage  und  die 
schneebedeckten  Berge  an  den  Genfer  See  erinnernden  Beschehir-Sees  hervor, 
welchen  die  Reisenden  ebenso  wie  den  Sogla-See  während  mehrerer  Tage 
befuhren,  und  schildert  dann  weiter  den  Ritt  durch  das  wildromantische 
Sogla-  und  Tschertschembe-Defile,  welches  vorher  noch  von  keinem  Europäer 
durchquert  worden  ist.  Alsdann  begaben  sich  die  Reisenden  in  das  Taurns- 
gebirge.  Im  Ibristal  begann  der  Aufstieg,  den  schneebedeckten  Oktis-Kedik 
erstiegen  sie  und  besichtigten  dessen  Silber-  und  Bleiminen,  dann  ging  es 
weiter  auf  der  großen  Heerstraße  nach  Süden  durch  die  dlicische  Pforte 
hindurch,  bis  hoch  oben  von  den  Bergen  herab  das  Mittelmeer  zu  sehen  war; 
dann  wandten  sie  sich  wieder  nach  Norden,  an  den  verfallenen  Festungswerken 
Ibrahim  Paschas  vorbei,  auf  anderen  Wegen  in  das  Hochland  zurück.  Bei 
dem  alten  Tyana  traten  sie  aus  dem  Taurus  heraus  und  ritten  dann  nach 
dem  alten  Cäsarea,  dem  heutigen  Eaisseri,  an  dem  Nordfusse  des  Erdschies, 
des  ArgäuB  mens  der  Alten. 

Fünf  Tage  weilten  die  Reisenden  in  Eaisseri,  wo  noch  die  Spuren  der 
armenischen  Greuel  zu  sehen  waren  und  besuchten  darauf  eine  Tochterstadt 
Eaisseris,  Sinsidere,  die  am  Abhänge  des  Erdschies  liegt.  Dieser  Ort  bildet 
heute  den  geistigen  Mittelpunkt  des  anatolischen  Griechentums.  Von  hier 
aus  ging  es  in  das  Höhlengebiet  Kapadoziens.  Ausgedehnte  Gebiete  sind 
hier  mit  eigenartigen  Tuffgebilden  bedeckt,  die  durch  ihre  bizarren  Formen 
und  durch  ihr  massenhaftes  Auftreten  dem  ganzen  Gebiete  ein  eigenartiges 
Gepräge  aufdrücken.  In  jenen  Tuffgebilden  befinden  sich  längst  verlassene 
Höhlenwohnongen,  man  trifft  ausgedehnte  Troglodytendörfer  und  Troglodyten- 
städte.  Besonders  im  Soganli  Dere  sieht  man  viele  Tausende  dieser  Höhlen- 
wohnungen  in  vielen  Etagen,  oft  bis  zu  15  übereinander.  Unter  den  Licht- 
bildern, die  Redner  über  alle  berührten  Gebiete  voriührte,  befanden  sich  auch 
Bilder  aus  dieser  Troglodytengegend  und  besonders  waren  es  Bilder  aus 
einer  Höhlenkapelle,  welche  zeigten,  daß  Künstler  vor  Jahrhunderten  hier 
die  Höhlenbauten  ausgeführt  haben  mußten.  Am  Halys  endet  dieses 
Märchenland. 

In  vielen  Kreuz-  und  Querzügen  wurde  sodann  das  Land  östlich  des 
KyssyMrmak  und  seines  Nebenflusses  Dilidscher-Irmak  durchstreift.  Di^ 
Reisenden  berührten  den  Ort  des  Heiligen  Hadschi  Bektasch,  die  schöne  aus- 
gedehnte und  mächtig  emporblühende  Gartenstadt  Kirschehir,  dann  die  alte 
Ruine  Uetsch-AjiÜL,  Joskat,  das  alte  Tavium  und  die  alte  Fettung  Pteria 


—    12&    — 

and  besichtigteii  die  Fdssktilpttireii  der  sagenhaften  Cbetiten  in  Bogas-Köi 
und  Oejttck.  Nach  anitrengenden  Bitten  erreichten  sie  dann  am  71.  Tage, 
nachdem  sie  Ronia  verlassen  hatten,  Angora  nnd  henatzten  von  da  ab  wieder 
die  Bagdadbahn. 

Bezüglich  der  Bahn  hob  Kedner  den  gewaltigen  Einfloß  hervor,  den 
sie  auf  das  ganze  Land  ausgeübt  hat,  nur  bedauerte  er,  daß  sich  die  Ver- 
waltung heute  in  einem  deutschfeindlichen  Fahrwasser  befindet. 

Der  Vortrag  schloß  mit  dem  Hinweis  darauf,  daß  Kleinasien  aus 
politischen  Rücksichten  als  Auswanderungsgebiet  nicht  in  Frage  komme,  daß 
aber  der  deutsche  Kaufmann  und  der  deutsche  Unternehmer  hier  noch  ein 
weites,  zukunftsreiches  Feld  habe.  Wenn  man  bedenke,  daß  der  Weg,  auf 
dem  anderthalb  Jahrtausende  hindurch  der  ostindische  Weltverkehr  statt- 
gefunden hat,  über  kurz  oder  lang  durch  die  Bagdadbahn  wieder  gangbar 
gemacht  sein  wird,  dann  könne  man  heute  mit  den  größten  Hoffnungen  auf 
die  Entwickelung  des  Landes  blicken. 

Mittwoch,  den  14.  Februar  1906. 

Herr  Prof.  Dr.  Johann  Jakob  Heß-Freiburg  (Schweiz) : 
Sitten  nnd  Oebräncihe  der  Beduinen.  (Lichtbilder,  phonogra- 
phische Reproduktion  von  Liedern  und  Ausstellung  von  Kostümen.) 

Bäduwi,  oder,  wie  die  Beduinen  selbst  sagen,  Bedüwi,  kommt  von 
b&die,  die  Wüste,  und  bezeichnet  also  den  Wüstenmenscben  oder  Nomaden, 
da  die  Wüste  die  Menseben  wegen  der  Dürftigkeit  der  Hilfsmittel,  die  sie 
ihnen  gewährt,  zum  Wandern  zwingt.  Die  Wüste  ist  freilich  nicht  eine  öde 
Sandebene,  sondern  sehr  mannigfaltig  geartet,  manchmal  geradezu  großartig 
als  Landschaft,  und  im  Winter  nach  dem  Regen  mit  einem  Teppich  grünender 
Vegetation  überzogen.  Zu  dieser  Zeit  lagern  die  Beduinen  in  zerstreuter 
Ordnung  in  der  Wüste,  im  Sommer  aber  schlagen  sie  die  Zelte  in  Form 
einer  Linie  oder  in  einem  Kreise  am  Rande  des  Kulturlandes  auf.  An  der 
Seite,  Ton  der  man  den  Gast  und  den  Feind  erwartet,  steht  das  Zelt  des 
Sch§che8.  Die  schwarzen  Zelte  sind  aus  Stoff  yon  Ziegenhaar  gefertigt  und 
haben  die  Form  eines  länglichen  Viereckes,  das  in  eine  Männer- und  in  eine 
Weiberabteilung  zerfällt.  In  letzterer  wird  auch  das  Kleinvieh  oft  unter- 
gebracht. 

Die  Kleider  sind  einfach  und  bestehen  bei  Männern  und  Weibern  aus 
einem  Hemde  mit  enorm  langen  Ärmelschößen  und  einem  schweren  wollenen 
Mantel,  der  meistens  schwarz  und  weiß  oder  braun  und  weiß  gestreift  ist. 
Die  Männer  tragen  ein  Kopftuch,  das  mit  der  Kopfschnur  zusammengehalten 
wird.  Alle  sind  auf  dem  bloßen  Leibe  mit  einem  wohl  30  Fuß  langen, 
dünnen  Gürtel  aus  Gazellenhaut  umgürtet,  der  eng  umgewunden  wird.  Bei 
den  Männern  ist  er  geflochten,  bei  den  Frauen  ein  einfacher  Riemen.  Sein 
Tragen  soll  verhindern,  daß  der  Leib  herabsinke. 

Ihre  Wafien  sind  Dolch,  Pistole,  Lanze  und  Feuerstein-  oder  Lunten- 
flinte, deren  sie  sich  mit  einer  erstaunlichen  Geschicklichkeit  bedienen.  Ihr 
Essen  ist  meist  sehr  primitiv :  scheibenförmiges,  aus  ungesäuertem  Teige  ge- 


—    126    — 

bftckenes  Brot  wird  in  Stflcke  serrissen  and  in  der  hölzernen,  küvettenartig 
ansseheDdeR  Eßschüssel  mit  Butter  gemischt.  Man  ißt  etwas  unappetitlich, 
indem  man  die  ganze  Hand  in  die  Schüssel  steckt  und  das  Essen  zu  Kugeln 
ballt,  die  in  den  Mund  gestrichen  werden.  Wenn  Gäste  da  sind,  wird  Hammel- 
fleisch mit  Reis  aufgetischt.  Die  Heuschrecken  werden  in  Salzwasser  gekocht, 
gedorrt  und  in  Säcken  aufbewahrt,  um  später  genossen  zu  werden. 

Das  Kamel  ist  für  den  Beduinen  das  wichtigste  Haustier,  da  es  Pferd, 
Rind  und  Schaf  ersetzt;  man  ißt  sein  Fleisch,  kleidet  sich  mit  seiner  Wolle, 
und  als  Reittier  ist  es  unersetzlich.  Es  spielt  daher  eine  große  Rolle,  nicht 
nar  im  Leben,  sondern  auch  in  der  Poesie  der  Beduinen.  ,0  mein  Kamel*, 
ruft  die  Qattin  beim  Tode  ihres  Mannes  aus,  d.  h.  |,du  hast  mich  ernährt  und 
durchs  Leben  getragen*.  Mit  einem  sehr  guten  Reitkamele  kann  man  150 km 
in  30  Stunden  und  100  km  Tag  für  Tag  zurücklegen.  Im  Sommer  hält  es 
den  Durst  5—6  Tage,  im  Winter,  wenn  es  sich  von  den  Wtlstenkräutern 
ernähren  kann,  14  Tage  und  noch  mehr  aus.  Die  Menschen  trinken  dann 
seine  Milch,  und  so  wird  es  möglich,  auch  die  größten  Wüsten  trotz  gänz- 
lichem Wassermangel  zu  durchziehen.  Unter  den  Beduinen  wird  von  einem 
wilden  Kamele,  Hiti  genannt,  erzählt,  das  sich  im  Rüba  el-Ch&li,  ,dem  leeren 
VierteV,  d.  i.  die  große  Wüste  im  zentralen  und  südlichen  Teile  der  arabischen 
Halbinsel,  aufhalten  soll.  Es  ist  klein,  grau  und  soll  auf  jeder  Seite  nur  drei 
Rippen  haben. 

Theoretische  Studien,  Lesen  und  Schreiben  beschäftigen  die  Beduinen 
nicht.  Man  kann  in  dieser  Beziehung  nur  von  ihrer  Kenntnis  des  gestirnten 
Himmels  sprechen.  Sie  kennen  viele  Konstellationen  und  haben  hübsche  Stem- 
legenden.  So  fassen  sie  die  sieben  Sterne  des  großen  Bären  als  sieben  Mäd- 
chen auf,  die  die  Totenbare  ihres  Vaters  herumtragen.  Der  Polarstem,  der  als 
Freier  von  dem  Vater  der  Sieben  abgewiesen  worden  war,  schlug  diesen  tot. 
Die  Mädchen  schwören,  ihren  Vater  nicht  zu  beerdigen,  bevor  sie  sich  ge- 
rächt haben,  und  daher  tragen  sie  den  Leichnam  beständig  im  Kreise  hemm. 
Die  beiden  Sterne  des  Drachen,  die  zwischen  dem  großen  Bären  und  dem 
Polarsterne  stehen,  verlassen  nie  ihre  Stelle,  um  letzteren  vor  der  Blutrache 
der  Mädchen  zu  schützen. 

Handwerke  werden  bei  den  Beduinen  nicht  betrieben  außer  der  Schmiede- 
kunst, die  jedoch  nur  von  Pariahstänunen  ausgeübt  wird.  Dagegen  steht  die 
Dichtkanst  in  hohen  Ehren.  Ihre  Gedichte  sind  sehr  formvollendet  und  oft 
reizenden  Inhaltes.  Es  werden  etwa  fünf  Gattungen  dem  Metrum  nach  unter- 
schieden, und  ftlr  jeden  Vers  einer  jeden  Gattung  gibt  es  nur  eine  Melodie. 
Ein  Reitmarschlied,  das  der  Vortragende  von  Leuten  aus  den  verschiedensten 
Teilen  Arabiens  hörte  und  von  dem  einige  Verse  vor  fast  hundert  Jahren 
von  L.  Burkhardt  in  der  syrischen  Wüste  aufgezeichnet  wurden,  lautet  in 
der  Übersetzung: 

0  Onkel,  steh   auf  und  gib  mir  ein  schlankes  Kamel,  ein  rötliches 
von  den  auserlesenen, 

Refestige  auf  ihm  den  schönen  Sattel  mit  einem  Schlauche  aus  treff- 
licher Schafhaut, 

Und  laßt  uns  damit  nach  dem  W&di  es-Summ&n  gehen,  dem  Lande 
mit  wenig  Wasser, 


—    127    — 

Damit  wir  nach  derjenigen  fragra,  die  mein  Hers  geraobt  hat,  ein  Mäd- 
chen von  dem  Stamme  der  Aor&zim  aas  dem  Clan  des  Raschid. 

Ihre  Brüste  sind  wie  Kaffeetassen,  ihr  Hals  ist  wie  der  Hals  der 
Gazelle, 

Ihre  Zöpfe  könnten  einem  jnngen  Kamel  als  Sattelgart  dienen,  und 
ihr  Ange  ist  das  Ange  der  Antilope. 

Die  Melodie  dieses  Liedes  ist: 


RPP  J|.^JJ'J|JT^^^ 


Ja     'amm     gnm     den-ni    li  ham-rä. 

Von  ErsiehnDg  kann  nicht  gesprochen  werden,  die  Kinder  werden  ridi 
selbst  überlassen.  Sie  zeigen  große  Ehrfurcht  vor  ihren  Eltern,  folgen  aber, 
sowie  sie  entwickelt  sind,  niemandem  mehr  als  ihrem  eigenen  Willen.  Die 
Ebezeremonien  sind  sehr  einfach;  Brantkauf  ist  nicht  üblich,  und  die  Frau 
wird  nm  ihre  Zustimmung  befragt.  Selten  hat  ein  Beduine  mehr  als  ein  Weib, 
aber  man  entschädigt  sich  dafür,  daß  man  oft  wechselt.  Die  Scheidung  liegt 
ganz  im  Belieben  des  Mannes,  der  der  verstoßenen  Frau  nur  ein  Kamel 
mitzugeben  hat.  So  oft  er  ein  solches  anwenden  will  oder  kann,  kann  er 
auch  scheiden.  Eigentümlich  ist  das  Recht,  das  jeder  auf  seine  Cousine  hat. 
Diese  darf  niemanden  ohne  die  Einwilligung  ihres  Vetters  heiraten  und  muß 
ihm,  wenn  er  es  wünscht,  ihre  Hand  reichen.  Wenn  der  Vetter  auf  dieses 
Recht  verzichtet,  so  tut  er  es  mit  dem  Ausspruche:  Sie  war  mein  Pantoffel, 
und  ich  hab  ihn  weggeworfen  (vgl.  Buch  Ruth  4,  7). 

Eine  staatliche  Gewalt  in  unserem  Sinne  gibt  es  nicht.  Der  Schech 
regiert  nicht,  da  er  keinerlei  Macht  oder  Polizeimittel  zu  seiner  Verfügung 
hat,  sondern  lenkt  den  Stamm  bloß  durch  sein  Ansehen;  man  gehorcht  ihm, 
nicht  weil  man  muß,  sondern  weil  man  ihn  für  den  Klügsten  hält.  Dasselbe 
gilt  vom  Richter,  der  nach  uraltem,  ungeschriebenem  Recht,  manchmal  auch, 
in  schwierigen  Fällen,  nach  dem  Ausgange  von  Gottesgerichten  urteilt.  Letz- 
teres besteht  gewöhnlich  darin,  daß  der  Angeklagte  einen  rotglühenden  Löffel 
ablecken  muß.  Verbrennt  er  sich  dabei  die  Zunge,  so  gilt  er  als  schuldig.  ' 
Wenn  trotz  des  Mangels  an  staatlicher  Ordnung  die  Stammes  verbände  zu- 
sammenhalten, so  ist  es  hauptsächlich  wegen  der  Blutrache,  die  verhindert, 
daß  der  einzelne  in  die  Rechtssphäre  des  andern  üb^greift. 

Im  Kampfe  sind  die  Beduinen  tapfer,  aber  lieben  es  nicht,  sich  un- 
nütz zu  opfern ;  man  sucht  daher  mit  möglichst  großer  Übermacht  eine  kleine 
Minderzahl  ohne  Kampf  zu  überwältigen,  schon  um  keine  Blutrache  herauf- 
zubeschwören. Daher  unternehmen  sie  die  Raubzüge  nach  möglichst  weit 
entfernten  Gegenden,  um  den  Feind  völlig  unvorbereitet  zu  überrumpeln. 
Solche  Raubzüge  sind  in  der  arabischen  Halbinsel  überaus  häufig,  sie  sind 
geradem  eine  Erwerbsquelle  für  den  Beduinen. 

Was  ihren  allgemeinen  Charakter  betrifft,  sind  sie  gegen  Gäste,  Freunde 
und  Schutzbefohlene  überaus  ehrlich  und  zuverlässig;  sittlich  stehen  sie  im 
Gegensätze  zn  den  ansässigen  Arabern  sehr  hoch.  Dabei  sind  sie  voll  von 
Witz  und  Humor  und  geradezu  gemütlich. 


—    128:  — 

Mittwoch,  den  21.  Februar  1906. 

Herr  Alexander  Wagner -Wien:  Das  kanadische  Do- 
miniam^  Skizzen  und  Bilder  aas  einem  werdenden  Knltnr- 
grofistaate«    (Lichtbilder.) 

Das  Riesengebiet  des  kanadischen  Dominiams,  durch  dessen  9  Provinzen 
der  Vortragende  vor  Jahresfrist  eine  längere  Studienreise  unternahm,  macht 
den  dritten  Teil  des  gesamten  britischen  Kolonialbesitzes  oder  den  fünfzehnten 
Teil  der  Landmasse  unseres  Planeten  aus.  Es  erstreckt  sich  über  90  Meri- 
diane und  reicht  vom  42.  Breitegrad  bis  zum  magnetischen  Nordpol.  Es  ist 
um  ca.  185  000  qkm  größer  als  die  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  mit 
allen  ihren  Kolonien  und  Dependenzen  (Portorico,  Havaii-Gruppe,  Philippinen 
und  Alaska)  zusammengenommen.  Freilich  reicht  die  eigentliche  Enltarzone 
nur  vom  südlichsten,  dem  Breitegrade  Roms,  bis  zum  60.  oder  dem  Breitegrade 
von  St.  Petersburg,  aber  dieser  Raum  genügt  vollauf,  um  einer  Bevölkerung 
von  50  bis  60  Millionen  ausgiebigstes  Fortkommen  zu  sichern. 

Die  geographischen  Charaktereigenheiten  Kanadas  sind: 
Die  Großzügigkeit  und  Einfachheit  seiner  vertikalen  Glie- 
derung: Das  laurentinische  Hochplateau,  das  fast  ^/6  des  Areals  einnimmt, 
die  Kordilleren  im  Westen  und  die  Appalachen- Ausläufer  im  Südosten,  die 
alle  drei  der  archaischen  Formation  angehören,  in  der  Mitte  die  über 
paläozoischer  Unterlage  sich  erstreckende  unermeßliche  Tiefebene.  —  Die 
Menge  großer  Ströme  und  Flüsse,  die  das  Gebiet  nach  allen  Rich- 
tungen durchziehen  und  eine  Fülle  vou  Wasserverbindungen  geben,  (vier  Welt- 
ströme ersten  Ranges :  St.  Lorenz,  Saskatchewan-Nelson,  Mackenzie  und  Yukon). 
—  Ungeheurer  Reichtum  an  Süßwasserseen,  über 20 000 innerhalb 
der  Kulturzone  allein.  Das  Gesamt-Seenareal  des  Dominiums  einschließlich  der 
großen  Seen  beträgt  200000  Quadratmeilen  =  ^'s  Million  qkm.  Gegen  40000 
Inseln  aller  Formen  und  Größen  finden  sich.  Das  Klima  der  Kulturzone  ist  im 
Innern  gemäßigt-kontinental  und  im  Bereiche  des  Atlantischen  und  Pazifi- 
6chen  Ozeans  maritim-gemäßigt.  Im  Westen  macht  sich  die  Einwirkung  des 
warmen  Ssivo  Kouro  oder  Chinook  bis  auf  1000  Meilen  landeinwärts  geltend. 
Der  Sonnenscheinreichtum  der  großen  Ebene  beträgt  im  Jahresdurchschnitt 
5,82  Stunden  pro  Tag,  oder  2125  Stunden  im  Jahre  und  gleicht  dem  von  Süd- 
frankreich und  Oberitalien. 

Bevölkerung:  Kanada  tritt  in  das  neue  Jahrhundert  mit  6  Mil- 
lionen e|n,  der  gleichen  Bevölkerungsziffer,  mit  der  die  Vereinigten  Staaten 
das  19.  Jahrhundert  begonnen  haben.  Franzosen  mit  2  Millionen  bilden  den 
Grundstock,  Engländer  und  Iren  zählen  je  eine  Million,  Schotten  und  Yankees 
je  eine  halbe  Million,  der  Rest  verteilt  sich,  von  den  Indianern  und  Eskimos 
abgesehen,  auf  ein  Völkergemisch  fast  aller  europäischen  Stämme:  Skan- 
dinavier, Finnländer,  Deutsche,  ()sterreicher,  Russen,  Italiener,  Juden  und 
schließlich  ca.  50000  Chinesen. 

Die  natürlichen,  reichen  Grundlagen  des  kanadischen 
Wirtschaftslebens  sind:   Ein  unerschöpflicher  Waldbestand, 


—    129    — 

der  gering  gerechnet  über  2V's  Millionen  qkm  umfaßt  und  die  wertvollsten 
Natzholzarten  birgt.  Der  Wert  der  Jahresproduktion  beträgt  100  Millionen 
Dollar.  —  Ein  Mineralreichtnm  (Kohle,  Eisen,  Nickel,  Kupfer,  Gold, 
Silber,  Blei,  Asbest,  Petroleum  etc.),  der  erst  im  Anfangsstadium  der  Aus- 
beute sich  befindet  und  dennoch  bereits  in  solcher  Ausgiebigkeit  und  solcher 
Mannigfaltigkeit  festgestellt  worden  ist,  daß  er  fast  den  der  großen  Nach- 
barrepublik zu  übertreffen  verspricht.  Die  letztjährige  Ausbeute  wurde  auf 
ca.  70  Millionen  Dollar  bewertet.  —  Der  Landwirtschaft  dienen  bis 
jetzt  30  Millionen  Acres  mit  einer  Jahresproduktion  von  365  Millionen 
Dollar.  Die  große  Ebene  mit  ihrem  wunderbar  produktiven  jungfräulichen 
Boden  ist  bestinmit,  in  nächster  Zukunft  die  Komkanmier  der  Welt  abzu- 
geben. Der  Obstertrag  ergab  21  Millionen  Bnshel,  =  ca.  7Vs  Millionen 
Doppelzentner,  Weintrauben  25  Millionen  Pfund,  Tabak  12  Millionen  Pfund. 
—  Die  Fischereien  Kanadas  mit  der  gewaltigen  Salmen- und  Robben- 
aasbeute  an  der  Pazifischen  Küste,  dem  Dorsch-,  Schellfisch-,  Hering- 
und  Hunmierfang  an  der  Atlantischen  Ktlste  und  in  den  Flüssen  und 
Süßwasserseen  betrug  38  Millionen  Dollar.  —  Die  fabelhaft  großen 
Vorräte  an  mechanischer  Energie,  die  ans  den  Tausenden  von 
Wasserfällen,  Stromschnellen  etc.  als  „Weiße  Kohle  Kanadas"  nutzbar 
gemacht  werden  können,  finden  bereits  in  ein  paar  Millionen  Pferdekräften 
Verwendung. 

Alle  diese  Schätze  samt  den  in  reißendem  Aufschwang  befindlichen 
Industrieen  und  dem  Handel,  den  ausgezeichneten  Kommunikationsmitteln  zu 
Lande  und  zu  Wasser,  bringen  das  Land  in  eine  so  rasche  Entwicklung,  daß 
Kanada  heute  bereits  in  der  Weltwirtschaft  der  Erde  den  Rang  eines  Kultur- 
großstaates einnimmt.  Mit  der  Tonnage  seiner  Handelsflotte  ran- 
giert das  Dominium  bereits  an  fünfter  Stelle,  unmittelbar  hinter  den  Flotten 
Großbritanniens,  der  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika,  des  Deutschen 
Reichs  und  der  skandinavischen  Länder.  Frankreich  kommt  hinter  Kanada 
an  sechster,  Österreich-Ungarn  gar  an  vierzehnter  Stelle.  Kanadas  Handels- 
bilanz macht  '/i  des  gesamten  Außenhandels  der  Österreich-ungarischen 
Monarchie  aus  und  steht  weit  vor  der  Spaniens,  Japans  und  Australiens. 


Mittwoch,  den  28.  Februar  1906. 

Herr  Prof.  Dr.  A.  W.  Nieuwenhuis-Leiden:  Die  kör- 
perliehe and  geistige  Entwicklung   der  Dajak  auf  Borneo. 

(Lichtbilder.) 

Die  Ethnologie,  Völkerkunde,  bildet  einen  der  jtingsten  und  am  wenigsten 
geförderten  Zweige  der  Wissenschaft,  weil  die  Erscheinungen,  welche  der 
Mensch  und  sein  Gemeinwesen  zeigen,  sehr  kompliziert  sind  und  nur  mit 
Hilfe  vieler  anderen  Wissenschaften  begriffen  werden  können.  Ein  richtiges 
Verständnis  für  die  hoch  kultivierten  Menschengruppen  erhält  man  durch 
das  Studium  der  jetzt  noch  lebenden  primitiven  Völker ;  diese  befinden  sich 
in  Entwicklungsstadien,  welche  die  anderen  vor  langer  Zeit  bereits  durch* 

9 


—    130    — 

laufen  haben  müssen.  Die  folgende  Skizze  Ton  der  körperlichen  nnd  geistigen 
Entwicklang  der  Dajak  soll  in  dem  Hörer  eine  richtigere  Schätznng  der  Vor- 
züge, welche  ein  Koltorrolk  genießt,  erwecken. 

Die  Insel  Bomeo  ist  nach  Nea-Goinea  die  größte  der  Erde,  der  nieder- 
ländische Teil  ist  etwa  so  groß  wie  das  Deutsche  Reich;  die  Beyölkening 
wird  jedoch  nnr  auf  2—3  Seelen  pro  qkm  geschätzt.  Der  Äqaator  zieht  mitten 
über  die  Insel  hin;  ein  starker  RegenfaU  ist  ziemlich  gleichmäßig  über  das 
Jahr  verteilt,  der  Pflanzenwachs  ist  daher  äaßerst  Üppig.  Ein  ananter- 
brochener  Urwald  bedeckt  die  ganze  Insel.  Inmitten  dieser  reichen  Natar 
fristen  die  Dajak  ein  kümmerliches  Dasein.  Schuld  hieran  sind  in  erster 
Linie  die  ernsten  endemischen  and  von  auswärts  eingeführten  epidemischen 
Krankheiten,  die  bei  ihnen  herrschen,  in  zweiter  Linie  die  niedrige  geistige 
Entwicklungsstufe,  welche  die  Bewohner  Bomeos  einnehmen.  Die  Malaria 
schwächt  die  meisten  Individuen  von  Kind  an  und  setzt  ihre  Leistungs- 
fähigkeit herab.  Gegen  diese  Krankheit  ist  nur  eine  partielle  Immunität 
bei  ihnen  zu  konstatieren.  Von  sehr  schädlichem  Einfluß  sind  auch  die 
venerischen  Leiden  und  Infektionskrankheiten,  gegen  die  sie  keine  Heilmittel 
kennen.  Infolge  ihrer  niedrigen  geistigen  Entwicklung  betreiben  die  Dajak 
den  Reisbau,  auf  den  sie  fast  gänzlich  angewiesen  sind,  auf  sehr  irrationelle 
Weise.  Sie  wissen  nicht,  daß  dasselbe  Feld  Jahre  hintereinander  Produkte 
liefern  kann  und  fällen  daher  beinahe  alljährlich  ein  Stück  Urwald  zur  An- 
lage neuer  Felder.  Von  der  infolge  schlechter  Bodenbearbeitung  sehr  mittel- 
mäßig ausfallenden  Ernte  fordern  zuletzt  auch  noch  Vögel,  Affen,  Wild- 
schweine und  Hirsche  ihren  Teil.  Auf  die  gleiche  primitive  Weise  bauen 
die  Dajak  ihre  Häuser  und  Böte  und  beschaffen  sie  sich  ihre  Kleidung. 
Zweckmäßige  Gerätschaften  fehlen  ihnen,  auch  kennen  sie  keine  rationelle 
Arbeitsteilung,  sondern  jede  Familie  stellt  alle  zum  Leben  erforderlichen 
Dinge  selbst  her.  Da  die  Dajak  so  wenig  den  Reichtum  der  sie  umringen- 
den Natur  auszunützen  verstehen  und  häufig  zu  körperlichen  Leiden  und 
Tatenlosigkeit  verdammt  sind,  fühlen  sie  sich  in  hohem  Maße  als  ein  Spiel- 
ball über  ihnen  stehender  Mächte.  Ihrer  Schöpfungsgeschichte  nach  stellen 
sie  sich  nicht  höher  als  die  Tiere,  Pflanzen  und  Steine  ihrer  Umgebung. 
Sie  leben  in  ständiger  Angst  vor  einem  Heer  von  bösen  Geistern,  die  sie 
ftlr  begangene  Vergehen  schon  hier  auf  Erden  heimsuchen.  Durch  strenge 
Befolgung  eines  Systems  von  Verbotsbestimmungen,  das  ihnen  jede  Freiheit 
des  Handelns  nimmt,  suchen  sich  die  Dajak  vor  den  bösen  Mächten  zu 
schützen.  Die  Dajak  sind  in  Wirklichkeit  nicht  die  tapferen,  blutdürstigen 
Kopfjäger,  wie  sie  bis  jetzt  von  den  Reisenden  dargestellt  worden  sind, 
sondern  sanfte,  ängstliche,  friedliebende  Menschen.  Die  Kopfjägerei  ist  bei 
ihnen  ein  Pietätsakt.  —  Im  Gebiet  des  Kunsthandwerks  haben  sie  es  sehr 
weit  gebracht.  Ihre  Schnitzereien  in  Holz,  Bambus  und  Hirschhorn,  ihre 
Tätowierungen,  Perlen  arbeiten,  Stickereien  etc.  deuten  sogar  auf  viel  Ge- 
schmack, Fertigkeit,  Kunstgefühl  und  vor  allem  auf  eine  außergewöhnliche 
Darstellungsgabe.  Unter  anderen  Lebensbedingungen  würden  die  Dajak 
voraussichtlich  einer  höheren  Entwicklung  fähig  sein.  Augenblicklich  haben 
wir  jedoch  keinen  Grund,  diese  sogenannten  Wilden  um  ihren  idyllischen 
Naturzustand  zu  beneiden. 


—    131    — 

Mittwoch,  den  2.  Mai  1906. 

Herr  Professor  Dr.  Emil  Deckert-Frankfurt  a.  M.: 
San  Franzisko  und  seine  Erdbeben.    (Lichtbilder.) 

Nächst  Mexiko  ist  Kalifornien  die  am  häufigsten  von  Erdbeben  heim- 
gesachte  Landschaft  des  nordamerikanischen  Erdteils,  und  von  den  26  mit 
Häasereinstnrz ,  Erdspaltenbildang ,  Verlast  von  Menschenleben  etc.  verban- 
denen  Katastrophenbeben,  die  das  Unionsgebiet  seit  Beginn  des  19.  Jahr- 
handerts  betroffen  haben,  entfallen  nicht  weniger  als  20  aaf  Kalifornien, 
nur  2  aaf  die  Felsengebirgsgegend,  nar  4,  daranter  die  Beben  von  Nea- 
madrid  and  Charleston,  auf  den  Osten.  Der  große  geotektonische  Prozeß, 
welcher  darch  die  Erderschütterangen  znm  Ausdruck  gelangt,  bat  der  kalifor- 
nischen Landschaft  auch  in  verschiedenfacher  Beziehung  ein  ganz  bestimmtes 
Gepräge  gegeben,  das  für  ihre  Kultur-  und  Wirtschaf tsentwickelnng  von 
hoher  Bedeatung  ist.  Der  Meeresbrandung  und  den  atmosphärischen  Kräften 
gelang  es  nicht,  dem  3000  km  langen  pazifischen  Küstengebirgswalle  irgendwo 
eine  durchgreifende  Quergliederung  zu  geben,  so  daß  er  für  den  großen  Ver- 
kehr überschreitbar  geworden  wäre,  oder  daß  sich  an  seiner  Seeseite  gute 
Ankerplätze  für  die  Schiffahrt  gebildet  hätten.  Durch  den  ruckweise  fort- 
schreitenden säkularen  Senkungsprozeß,  den  die  Erdbeben  andeuten,  wurde 
aber  das  Goldene  Tor  von  San  Franzisko  geschaffen,  das  die  größten  See- 
schiffe frei  passieren  läßt,  und  desgleichen  die  herrliche  Bai  von  San  Fran- 
zisko, die  Tausenden  von  Schiffen  sicheren  Schutz  bietet  und  die  mit  gutem 
Fuge  als  einer  der  vorzüglichsten  Naturhäfen  der  Erde  gilt.  Dadurch  er- 
leidet der  verkehrsfeindliche  Küstengebirgswall  in  seiner  ganzen  Breite  eine 
durchgreifende  Unterbrechung,  und  es  ist  ein  Punkt  gegeben,  an  dem  sich 
das  Wirtschaftsleben  Kaliforniens  mit  dem  allgemeinen  Weltverkehrs-  und 
Weltwirtschaftsleben  verknüpfen  kann.  Auch  das  ungeheure  kalifornische 
Haupttal  im  Hintergrunde  der  San  Franzisko -Bai  und  die  merkwürdigen 
Längstäler  des  Küstengebirges  in  der  nächsten  Umgebung  der  Bai,  die 
sämtlich  anter  der  Hand  des  Kulturmenschen,  zum  Teil  anter  Zuhilfenahme 
von  künstlicher  Bewässerung,  reiche  landwirtschaftliche  Fähigkeiten  entfaltet 
haben,  sind  ihrer  Entstehung  nach  Grabensenkungen,  an  deren  weiterer  Aus- 
gestaltung und  Tieferlegang  die  abyssischen  Kräfte  unablässig  weiter  ar- 
beiten. Die  fraglichen  Täler,  vor  allem  aber  die  unmittelbarste  Umrahmung 
der  Bai  und  des  Goldenen  Tores  sind  weitaus  am  häufigsten  und  stärksten 
Ton  Beben  heimgesucht,  dergestalt,  daß  daselbst  seit  dem  Jahre  1800  im 
ganzen  gegen  500  Beben,  darunter  10  verwüstende  Katastrophenbeben  ver- 
zeidinet  worden  sind.  Zwei  Katastrophenbeben,  die  rasch  aufeinander  folgten 
(1865  und  1868),  hatten  ihr  oberflächliches  Schütterzentrum  in  dem  Weich- 
bÜde  von  San  Franzisko,  und  wenn  man  die  Beben  einer  Jahresreihe  ftLr  die 
Gegend  kartographisch  fixiert,  so  erscheint  San  Franzisko  immer  wie  in  den 
wildesten  seismischen  Strudel,  in  dem  der  berührte  geotektonische  Prozeß 
kräftiger  als  anderweit  fortschreitet,  hineingebaut.  Darin  ist  die  hohe  Gunst 
seiner  verkehrsgeographischen  Lage  begründet,  zugleich  war  darin  aber  für 
die  Stadt  eine  schwere  Bedrohung  und  Gefahr  gegeben.  Die  südliche  hohe 
Sierra  Nevada,  die  beinahe  unübersteiglich  ist,  wird  verhältnismäßig  selten 

9* 


—    132    — 

und  in  der  Regel  nur  schwach  yoq  den  kalifornischen  Erdbeben  mitbetroSen, 
so  daß  sie  in  einem  gewissen  Grade  wie  ein  geologischer  Horst  erscheint. 
Daß  die  Sierra  Nevada  Ostlich  vom  Goldenen  Tore  eine  allgemeine  Ernie- 
drigung ihres  Kammes  und  zahlreiche  Sparen  einer  nnl&ngst  erloschenen  yoI- 
kanischen  Tätigkeit,  sowie  reiche  Erzlagerstätten  aufweist,  ist  aber  wieder 
nicht  ohne  inneren  Zusammenhang  mit  den  seismischen  Verhältnissen.  In 
diese  G^egend  des  Gebirges  wirken  auch  gegenwärtig  noch  verhältnismäßig 
oft  große  Beben  vom  Gh)ldenen  Tore  her  hinein  und  die  chronischen  Schütter- 
herde von  Carson  und  Independence,  jenseits  der  Sierra,  stehen  mit  den- 
jenigen in  der  Umrahmung  der  San  Fransisko-Bai  in  einem  engen  Wechsel- 
verhältnisse. 

Das  große  Beben  vom  18.  April  1906  fügt  sich  in  sehr  strenger  Weise 
in  das  allgemeine  System  der  kalifornischen  Beben  ein.  In  erster  Linie 
handelt  es  lieh  bei  ihm  um  ein  Fortschreiten  der  Grabeneinbrüche  des  Santa 
Clara-Tales,  des  Saunas  -  Tales ,  des  Petaluma-  und  Santa  Rosa-Tales,  der 
Rnssian  Gelch  und  anderer.  Dabei  wurde  aber  der  Gesamtbau  des  Küsten- 
gebirges nördlich  und  südlich  vom  Goldenen  Tore  bis  zur  Coosbai  und  bis 
Los  Angeles,  in  starke  Mitleidenschaft  gezogen,  und  ebenso  auch  das  ganze 
kalifornische  Haupttal,  sowie  in  abgeschwächtem  Maße  vielleicht  der  Gesamt- 
bau der  Sierra  Nevada.  An  Unhell  für  die  Menschen  brachte  das  Beben  eine 
größere  Summe,  als  sonst  die  Beben  eines  ganzen  Jahrhunderts  zu  bringen 
pflegen,  und  auf  der  300  km  langen  Linie  von  Ukiah  bis  nach  Salinas  legte 
es  Städte  in  Trümmer  und  verursachte  den  Verlust  an  Menschenleben.  Auf 
dieser  Linie,  noch  stärker  aber  auf  einer  weiter  westlich  liegenden  Parallel- 
linie, öffneten  sich  auch  ausgedehnte  Erdbebenspalten  mit  deutlichen  Spuren 
plötzlicher  Schichtenstörungen  und  Verwerfungen.  Die  furchtbare  Kraft  der 
unmittelbaren  Stoßwirkung  ist  am  besten  sichtbar  an  den  Ruinen  der  Palo- 
Alto-Universität,  während  sie  bei  den  Ruinen  von  San  Franzisko  vielfach 
durch  die  nachfolgende  Brandwirkung  verdunkelt  worden  ist. 

Daß  San  Franzisko  aus  seinen  TrtUnmem  wieder  erstehen  wird,  um 
seine  wichtige  kultur-  und  wirtschaftsgeographische  Funktion  am  Goldenen 
Tore  weiter  auszuüben,  kann  nicht  bezweifelt  werden.  Allerdings  werden 
ihm  weitere  starke  Erschütterungen  an  der  fraglichen  Planetenstelle  nicht 
erspart  bleiben.  Aber  man  wird  aus  der  Katastrophe  lernen,  erdbebensicherer 
zu  bauen,  sorgsamer  zu  ftlgen  und  fester  zu  fundieren. 


Die  Erdkunde  in  den  letzten  zehn  Jahren. 

Festrede 

bei  der  siebzigjährigen  Jubelfeier  des  Vereins  am  12.  Dezemberl906, 

gehalten  von 

Professor  Dr.  Siegmund  Günther  aus  Mttnchen. 

Hochgeehrte  Anwesende! 

Fast  könnte  mir  der  Mut  entsinken,  meine  Ansprache  über 
die  Fortschritte  der  Geographie  in  den  letzten  zehn  Jahren  zu 
beginnen,  weil  uns  soeben  von  zuständiger  Seite  gesagt  worden 
ist,  dafi  wir  uns  heute  nicht  mit  Rttck-,  sondern  nur  mit  Vor- 
blicken  beschäftigen  sollen'^),  und  das,  was  ich  zu  bieten  habe, 
kann  doch  wohl  nichts  anderes  als  eben  eine  Rückschau  sein. 
Ich  werde  jedoch,  so  gut  es  geht,  meine  Aufgabe  in  dem  Sinne 
zu  lösen  versuchen,  wie  er  uns  von  dem  Vertreter  der  jüngeren 
Oruppe  —  der  Altersunterschied  zwischen  Herrn  Hofrat  Dr.  Hagen 
und  mir  beträgt  etwa  fünf  bis  sechs  Jahre  —  vorgezeichnet 
worden  ist;  in  dem  Sinne  nämlich,  daß  zugleich  der  Zukunft 
and  der  aufstrebenden  Tätigkeit  entsprechend  gedacht  wird. 
Hat  ja  doch  die  Erörterung  der  innerhalb  eines  gewissen  Zeit- 
raumes gemachten  Fortschritte  nur  insofern  Berechtigung  und 
Bedeutung,  als  zugleich  die  aus  dem  bisher  Erreichten  sich 
ergebenden  Folgerungen  für  das,  was  nun  weiter  zu  geschehen 
hat,  gezogen  werden. 

In  dem  kurzen  mir  zugemessenen  Rahmen  eine  zusammen- 
fassende Schilderung  der  Entwicklung  unseres  Wissens  von  der 
Erde  zu  geben,  ist  gewiß  keine  leichte  Sache,  und  ich  bin  mir 
der  Schwierigkeit  der  übernommenen  Verpflichtung  voll  bewußt. 
Vielleicht  ist  dieselbe  etwas  weniger  schwierig,  als  sie  es  war, 


♦)  Vgl.  Seite  167. 


—    134    — 

da  ich  vor  gerade  zehn  Jahren  zu  dem  gleichen  Zwecke  an  der 
gleichen  Stelle  stand,  denn  eben  das  damals  abgelaufene  Jahr- 
zehnt war  besonders  reich  an  großen  geographischen  Neuerungen. 
Gewiß,  dieselben  fehlen  auch  diesmal  durchaus  nicht,  aber  immer- 
hin war  das  letzte  Dezennium,  wenn  man  das  Gesamtfazit  zieht, 
mehr  der  intensiven  Arbeit  als  der  expansiven  Bereicherung 
des  erdkundlichen  Wissens  gewidmet,  und  damit  ist  eine  sehr 
erfreuliche  Erkenntnis  gegeben,  indem  wir  eben  unserem  Ideale, 
die  ganze  Erdoberfläche  uns  wissenschaftlich  Untertan  zu  machen, 
um  ein  beträchtliches  Stück  näher  gekommen  sind.  Die  Menge 
und  Größe  der  Gebiete,  welche  noch  als  ganz  unerforscht  zu 
gelten  haben,  treten  mehr  und  mehr  zurück,  während  die  Zahl 
der  Erdräume,  welche  für  die  Geographie  gewonnen  worden 
sind,  entschieden  zunimmt.  Wir  haben  es  jedoch  nicht  lediglich 
mit  den  Resultaten  der  Entdeckungs-  und  Forschungsreisen  zu 
tun,  sondern  auch  die  wissenschaftliche  Geographie  als  solche 
ist  in  das  Auge  zu  fassen,  und  es  liegt  in  der  Natur  der  Dinge, 
daß,  wenn  nach  der  erstgenannten  Seite  hin  ein  gewisses  Nach- 
lassen bemerkbar  wird,  auf  der  anderen  Seite  ein  überreicher 
Ersatz  geboten  werden  muß. 

Leider  ist  an  erster  Stelle  an  das  Hinscheiden  so  manches 
hervorragenden  und  führenden  Geistes  auf  unserem  Arbeitsfelde 
zu  erinnern,  und  der  Nekrolog  nimmt  einen  unerwünscht  weiten 
Platz  in  Anspruch.  Nicht  Alle,  die  sich  um  die  Erdkunde  in 
ihren  verschiedenen  Teilen  verdient  gemacht  haben,  können 
wir  hier  aufzählen,  vielmehr  muß  es  bei  der  Nennung  einiger 
besonders  ausgezeichneter  Persönlichkeiten  sein  Bewenden  haben. 
Dahin  gehört  Adolf  Bastian,  den  wir  ohne  Befürchtung, 
widerlegt  zu  werden,  als  den  Begründer  der  modernen  ver- 
gleichenden Ethnologie  feiern  dürfen;  dahin  gehört  Ferdinand 
V.  Richthofen,  auf  den  die  wissenschaftliche  Länderkunde 
in  ihrer  modernen  Gestalt  zurückgeht;  dahin  Friedrich  Ratzel, 
den  wir  neben  so  vielem  anderen  das  Geschenk  der  „Anthropo- 
geographie^  zu  danken  haben;  dahin  Sophus  Rüge,  der  ver- 
dienstvolle Geschichtschreiber  der  Geographie  im  allgemeinen 
und  des  Entdeckungszeitalters  im  besonderen.  Hiezu  kommt 
Eduard  Richter  in  Graz,  der  uns  als  berühmter  Forscher 
im  Bereiche  der  Alpenkunde  diese  geographisch  so  viel  näher 
gebracht  hat,  und  wenn  wir  über  die  Grenzen  unseres  Vater- 


—    135    — 

landes  hinausgehen,  so  haftet  unser  Blick  an  dem  genialen 
Franzosen  Elis6e  Reclus,  der  zu  gleicher  Zeit  auch  der 
letzte  Schüler  unseres  Karl  Ritter  war  und  es  meisterlich 
verstanden  hat,  die  von  diesem  empfangenen  Anregungen  für 
eine  farbenreiche  Länderbeschreibung  zu  verwerten,  und  der, 
wie  man  wohl  sagen  mag,  der  Wissenschaft  ihre  liebenswürdigste 
Seite  abzugewinnen  verstand.  Und  gar  mancher  bedeutende 
Name  wäre,  stünde  die  Zeit  dafür  zu  Gebote,  den  bereits  Ge- 
nannten noch  anzureihen. 

Zwei  dieser  Namen  weisen  uns  allerdings  darauf  hin,  daß 
mit  dem  Anwachsen  der  Tatsachen  und  der  Einsichten  für 
unsere  Wissenschaft  auch  eine  Art  von  Verlust  notwendig  ver- 
bunden ist;  Disziplinen,  welche  man  als  notwendige  Unterab- 
teilungen der  Lehre  von  der  Erde  aufzufassen  gewohnt  war, 
machen  sich  selbständig  und  beginnen  die  allzu  enge  und 
hemmend  gewordene  Verbindung  mit  den  schwesterlichen  Wissens- 
zweigen zu  lösen.  Bastian  war  bereits  ausschließlich  Völker- 
kundiger, und  Gelehrte  vom  Schlage  R  a  t  z  e  1  s,  die  also  zugleich 
namhafte  Vertreter  der  Erd-  und  der  Völkerkunde  waren,  werden 
von  nun  an  immer  seltener  uns  begegnen;  nicht  bloß  deshalb, 
weil  immer  mehr  dem  einzelnen  Menschen  die  Kraft  versagen 
muß,  so  ungeheuere  Stoffmassen  in  sich  aufzunehmen  und  denkend 
zu  verarbeiten,  sondern  auch  aus  dem  Grunde,  weil  inhaltlich 
und  methodisch  beide  Wissenschaften  mehr  auseinander  gehen, 
unbeschadet  des  Umstandes,  daß  zwischen  beiden  nach  wie  vor 
tausende  von  Verbindungsfäden  den  gemeinsamen  Ursprung  und 
die  dereinstige  Identität  erkennbar  machen  werden. 

Ratzeis  Geographie  des  Menschen,  welche  er  von  allem 
Anfang  an  als  etwas  von  der  Ethnographie  durchaus  Verschie- 
denes hinstellte,  hat  uns  etwas  ganz  Neues  gerade  dann  kennen 
gelehrt,  wenn  wir  sie  mit  Ritters  teleologischer  Betrachtung 
der  Erdoberfläche  als  des  Ortes  und  der  Bedingung  der  ge- 
schichtlichen Hergänge  in  Parallele  stellen.  Gewiß  war  auch 
letztere  für  ihre  Zeit  eine  sehr  erfreuliche  Erscheinung,  aber 
in  der  Weitie  der  Perspektiven  und  hinsichtlich  der  Tiefe  der 
Analyse  kann  sie  sich  mit  jener  nicht  messen.  Und  außerdem 
haben  wir,  in  Fortführung  des  maßgebenden  Grundgedankens, 
von  Ratzel  auch  die  , Politische  Geographie '^  erhalten,  die 
absolut  nicht  mit  jenen  trockenen  Stoffansammlungen,  wie  sie 


—    136    — 

fr&her  unter  dieser  Bezeichnung  geboten  wurden,  verwechselt 
werden  darf,  die  auch  nicht  eine  bloße  Staatenkunde  darstellen 
will,  sondern  ein  bislang  der  einheitlichen  Behandlung  entbehren- 
des Grenzgebiet  der  Erdkunde,  der  Geschichte,  der  Soziologie 
und  Volkswirtschaftslehre  einer  solchen  Behandlung  teilhaftig 
machen  möchte. 

Die  großen  methodischen  und  sachlichen  Fortschritte,  deren 
sich  die  Geographie  gerade  in  der  jetzt  abgelaufenen  Frist  er- 
freuen durfte,  konnten  auch  nicht  verfehlen,  ihre  Rückwirkung 
auf  den  geographischen  Unterricht  auszuüben,  der  lange  Zeit 
so  sehr  im  argen  lag  —  womit  freilich  nicht  gesagt  sein  soll, 
daß  er  nicht  da  und  dort  auch  jetzt  noch  im  argen  liege. 
Gewiß,  wir  Fachgeographen  sind  die  letzten,  welche  ein  Loblied 
auf  die  gegenwärtig  bestehenden  Zustände  singen,  aber  es  ist 
uns  auf  der  anderen  Seite  völlig  klar,  wie  es  besser  gemacht 
werden  kann,  und  wenn  trotzdem  noch  recht  viel  zu  wünschen 
übrig  bleibt,  so  trifft  die  Verantwortung  dafür  nicht  uns,  son- 
dern Verhältnisse,  die  außerhalb  unserer  unmittelbaren  Einfluß- 
sphäre liegen,  an  deren  Besserung  wir  aber  unentwegt  mitzu- 
arbeiten verpflichtet  sind.  Das  deutsche  Volk,  welches  sowohl 
um  die  expansive  als  auch  um  die  im  engeren  Sinne  wissen- 
schaftliche Geographie  sich  so  mannigfache  Verdienste  erworben 
hat,  sollte  wahrlich  auch  an  der  Spitze  des  geographischen 
Unterrichtswesens  stehen;  soweit  sind  wir  noch  keineswegs, 
aber  wir  lassen  die  Hoffnung  nicht  sinken,  daß  wir  noch  einen 
kräftigen  Ruck  nach  vorwärts  auf  diesem  Gebiete  erleben  werden. 
Hochschule  und  Volksschule  beflnden  sich  längst  auf  dem  rich- 
tigen Wege;  die  letztere  insofern,  als  sie  von  jeher  die  Not- 
wendigkeit der  Konzentration  betonte  und,  dem  allein  richtigen 
didaktischen  Wege  des  Aufsteigens  vom  Leichteren  und  Beson- 
deren zum  Schwereren  und  Allgemeineren  folgend,  die  Heimat- 
kunde voranstellt  und  erst  nach  und  nach  in  immer  größer 
werdenden  Kreisen  das  Wissen  der  Jugend  zu  erweitern  trachtet. 
Nur  die  Mittelschule  steht  leider  vielfach  noch  weit  zurück. 
Wir  wissen  indessen,  daß  auch  da  der  stete  Tropfen  den  harten 
Stein  erweichen  wird,  und  daß  jene  wohlberechtigten  Reform- 
wünsche, welche  noch  auf  jedem  unserer  Kongresse  geäußert 
worden  sind,  sich  endlich  auch  zur  Beachtung  und  Anerkennung 
durchringen  werden. 


—    137    — 

Ungemein  große  Förderang  hat  die  Gesamt  Wissenschaft 
dadarch  erfahren,  daß  das  Vereins-  und  Yersammlungswesen 
einen  so  ungeahnten  Fortschritt  gemacht,  einen  in  jeder  Hin- 
sicht begrüßenswerten  Aufschwung  genommen  hat.  Die  natio- 
nalen und  internationalen  Kongresse  greifen  mit  ihren  Verhand- 
lungen tief  in  den  inneren  Betrieb  des  wissenschaftlichen  Lebens 
ein,  und  auch  bei  den  Vereinigungen  der  Vertreter  verwandter 
Wissenschaften  —  wir  denken  zu  allererst  an  die  Naturforscher- 
versammlungen —  wird  unser  Gebiet  nicht  vernachlässigt. 
Insbesondere  sei  auch  auf  den  Internationalen  Kongreß  hinge- 
wiesen, der  1899  unter  v.  Richthofens  Leitung  in  Berlin  zu- 
sammentrat und  den  Treffpunkt  hervorragender  Geographen  des 
ganzen  Erdenrundes  bildete.  Die  bei  solchen  Gelegenheiten 
unumgänglichen  Festlichkeiten  treten  gegenwärtig  ganz  in  den 
Hintergrund  gegenüber  der  Summe  dessen,  was  an  fruchtbarer, 
positiver  Arbeit  geleistet  wird. 

Gerade  das  letzte  Jahrzehnt  ist  charakterisiert  durch  eine 
überaus  segensreiche  Ausgestaltung  der  Karthographie ;  wahre 
Musterkarten  können  jetzt  jedem  Lernenden  für  einen  ungemein 
niedrigen  Preis  in  die  Hand  gegeben  werden.  Welch  stattliche 
Reihe  von  vortrefflichen  Atlanten  ist  nur  allein  in  Deutschland 
teils  ganz  neu,  teils  in  einer  den  höheren  Zeitanforderungen 
angepaßter  Überarbeitung  erschienen,  wie  dies  mit  größter 
Deutlichkeit  „der  neue  Stieler"  beweisen  kann.  Und  nicht 
etwa  blos  die  technische  Ausführung  hat  sich  zu  immer  höherer 
Vervollkommnung  erhoben,  sondern  ganz  ebensosehr  trifft  dies 
auch  für  die  theoretische  Grundlage,  die  Kartenprojektionslehre, 
zu,  welche  dem  Zeichner,  nach  dem  Vorgange  von  Tissot  und 
Hammer,  die  Hilfsmittel  zur  Verfügung  stellt,  jeweils  die  für  den 
konkreten  Endzweck  geeignetste  Abbildungs weise  auszuwählen. 

Eine  überaus  dankbare  Aufgabe  wäre  die  Kennzeichnung 
der  von  der  mathematischen  und  physikalischen  Geographie 
erzielten  Errungenschaften  dann,  wenn  ein  Dutzend  Stunden 
darüber  zu  sprechen  verstattet  wäre,  wogegen  so,  wie  die  Dinge 
jetzt  liegen,  nur  eine  kleine  Auslese  dargeboten  zu  werden 
vermag.  Jenes  gewaltige  Unternehmen,  welches  in  den  fünfziger 
und  sechziger  Jahren  durch  den  damaligen  Generalstabshaupt- 
mann und  späteren  General  Baeyer  inauguriert  wurde,  die  zuerst 
amitteleuropäische",  nachmals  „europäische"  und  nunmehr  „inter- 


—    138    — 

national  gewordene  Erdmessung,  hat  noch  bei  Lebzeiten  des 
zu  hohen  Jahren  gekommenen  Urhebers  eine  wahrhaft  großartige 
Entwicklung  gesehen,  und  gerade  in  den  letzten  zehn  Jahren 
ist  uns  die  Möglichkeit  verschafft  worden,  von  jener  Fläche, 
welche  „als  Geoid''  mit  dem  ruhigen  Spiegel  der  Erdmeere 
zusammenfällt  und  weder  eine  Kugel  noch  auch  nur  ein  geo- 
metrisch exaktes  ümdrehungsellipsoid  ist,  eine  bis  ins  einzelne 
zutreffende  Vorstellung  gewinnen  zu  können.  Die  nach  Meri- 
dianen und  Parallelen  fortschreitenden  Gradmessungsarbeiten 
haben  uns  jedoch,  indem  sie  unausgesetzt  mit  Pendelbeobach- 
tungen kombiniert  wurden,  nicht  allein  über  die  Erdgestalt, 
sondern  auch  über  die  Beschaffenheit  der  festen  Erdrinde  auf- 
geklärt. Nicht  bloß  auf  dem  Festlande  und  auf  hohen  Gebirgen, 
sondern  auch  an  den  Meeresküsten  und  auf  hoher  See  hat  man 
die  Schwingungen  des  Pendels  geroessen  und  so  ermittelt,  daß 
unter  den  Gebirgsketten  Massendefekte,  unter  der  Meeresfläche 
Massenanhäufungen  vorhanden  sind.  Die  von  Helm  er t  und 
V.  Sterneck  quer  durch  die  Alpen  gelegten  „Schwereprofile** 
und  eine  vom  Deutschen  Reiche  veranlaßte  Reise  Heckers  nach 
Brasilien  haben  die  endgültige  Bewahrheitung  der  einschlägigen , 
schon  in  früherer  Zeit,  aber  nur  tastend,  aufgestellten  Hypothesen 
geliefert.  In  naher  Beziehung  zu  diesen  Arbeiten  steht  eine 
andere,  ebenfalls  nur  durch  das  planvolle  internationale  Zu- 
sammenwirken vieler  Kräfte  zu  fördernde  Untersuchung,  die- 
jenige, welche  durch  die  tatsächliche  Veränderlichkeit  der  bis 
vor  kurzem  als  konstant  betrachteten  geographischen  Breite 
oder  Polhöhe  aufgezwungen  ward  und  gewissen  kleinen  Ver- 
schiebungen der  Drehungsachse  im  Inneren  des  Erdkörpers 
nachzuspüren  hat.  Schon  jetzt  sind  wir  durch  diesen  „Inter- 
nationalen Breitendienst^  darüber  ins  klare  gesetzt  worden,  daß 
die  Erdpole  unausgesetzt  auf  der  Erdoberfläche  wandern,  und 
wenn  auch  die  von  ihnen  in  längeren  Zeiträumen  beschriebenen 
Wege  nur  sehr  klein  sind,  so  wird  doch  mit  der  Möglichkeit 
gerechnet  werden  müssen,  daß  es  in  geologischer  Vorzeit  sich 
anders  verhalten  haben  könne,  wodurch  dann  vielleicht  auch 
der  Schlüssel  zur  Begreif ung  der  merkwürdigen,  tiefgreifenden 
Veränderungen  des  Klimas  gegeben  wird,  die  sich  ehedem  er- 
eigneten und  in  der  „Eiszeit"  ihre  großartigste  Ausprägung  ge- 
funden haben. 


—    139    — 

In  eine  ganz  neue  Beleuchtung  ward  des  ferneren  gerückt 
unsere  Einsicht  in  das  Wesen  der  oft  katastrophalen  Gleich- 
gewichtsstörungen,  welche  wir  als  Erdbeben  kennen.  Nach 
zwei  Richtungen  hat  der  neue  Wissenszweig  der  ^Seismologie" 
seinen  Besitzstand  gewaltig  ausgedehnt.  Neue  instrumentelle 
Vorrichtungen  von  außerordentlicher  Feinheit  besitzt  die  neueste 
Zeit  in  den  „Horizontalpendeln**  von  Milne,  Visentini,  v.  Re- 
beur-Paschwitz,  Ehlert  und,  in  noch  höherem  Ausmaße  so- 
gar, in  dem  „astatischen  Schwerependel ^  von  Wiechert;  diese 
neuen  Apparate  sind  Indikatoren  von  so  hochgradiger  Empfind- 
lichkeit, daß  unsere  Erdbebenwarten  selbst  solche  Beben,  welche 
sich  bei  unseren  Antipoden  ereignet  haben,  nachzuweisen  und 
auf  den  Ort  ihrer  Entstehung  zu  prüfen  in  den  Stand  gesetzt 
wurden.  Konnte  doch  eben  erst,  zu  Anfang  des  Dezember,  eine 
starke  Erderschütterung  allenthalben  in  Europa  registriert  wer- 
den, von  welcher  man  im  Hinblick  auf  die  Diagramme  mit  Recht 
vermutete,  sie  müsse  sich  in  Australien  und  Polynesien  zu- 
getragen haben.  Gleichzeitig  ist  aber  auch  die  mathematische 
Theorie  der  seismischen  Prozesse  durch  Wiechert,  v.  Koeves- 
ligethy,  Fürst  Gallitzin  und  japanische  Forscher,  unter  denen 
der  treffliche  Omori  hervorragt,  derart  ausgebildet  worden, 
daß  sich  die  Bedingungen,  wie  sich  die  Erdbebenwellen  von  der 
Herdregion  aus  durch  das  Gestein  fortpflanzen,  bis  in  die  Einzel- 
heiten hinein  übersehen  lassen.  Dieser  theoretischen  Produkti- 
vität aber  ist  für  später  ein  ungemein  reiches  Erfahrungsmaterial 
durch  jene  internationale  Erdbeben-Assoziation  gesichert,  welche 
durch  die  rastlose  Agitation  Professor  Gerlands  in  Straßburg 
i.  E.  ins  Leben  gerufen  wurde  und  deshalb  zunächst  auch  diese 
Stadt  als  Vorort  gewählt  hat.  In  den  fünf  Jahren,  seitdem  der 
erste  Grund  dazu  gelegt  ward,  ist  außerordentlich  viel  geschehen, 
um  den  ganzen  Erdball  unter  seismische  Polizeikontrolle  zu  stellen ; 
so  hat  das  Deutsche  Reich  eine  Station  auf  den  Samoa-Inseln  an- 
gelegt, und  fast  alle  größeren  Städte  unseres  Vaterlandes  sind  mit 
selbstregistrierenden  Seismographen  ausgerüstet  worden.  Selbst- 
verständlich ist  an  eine  „Erdbebenprognoise'*  noch  für  lange,  lange 
Zeit  nicht  zu  denken,  und  vor  allem  steht  zu  hoffen,  daß  wir  mit 
der  Zeit  zu  zuverlässigen  Kriterien  der  Frage  durchdringen  werden, 
ob  ein  beobachtetes  Phänomen  dieser  Art  als  ein  „vulkanisches^,  als 
ein  „tektonisches''  oder  als  ein  „Einsturz-Beben''  aufzufassen  ist. 


—    140    — 

Hiermit  haben  wir  den  Übergang  gefanden  zu  der  Lehre 
vom  Volkanismus,  welche  in  den  letzten  sieben  bis  acht  Jahren 
ein  sehr  reges  wissenschaftliches  Leben  sich  entfalten  sah.  Der 
inzwischen  leider  verstorbene  Sadamerika-Reisende  St  Abel  war 
es,  der  darch  seine  in  manchen  Punkten  neue  Erklärung  der 
Vulkanentstehung  und  der  vulkanischen  Ausbräche  den  Anstoß 
gegeben  hat,  indem  er  einerseits  für  die  Annahme  einer  sehr 
wenig  tiefen  Lage  der  vulkanischen  Essen  in  der  „Erdpanze- 
rung^  eintrat,  und  anderseits,  wie  dies  auch  unabhängig  seitens 
des  Berliner  Geologen  Branco  geschah,  der  Humboldt  sehen 
Ansicht,  daß  die  Eruption  durchweg  aus  schon  bestehenden 
Spalten  erfolge,  die  Berechtigung  absprach.  Geht  auch  wohl 
die  Meinung  der  Mehrzahl  der  modernen  Vulkanforscher  dahin, 
daß  diese  letztere  Anschauung  eine  zu  einseitige  sei,  indem 
vielmehr  —  wie  namentlich  Hans  Meyer  sich  bei  seinen  Vulkan- 
besteigungen in  Ecuador  überzeugte  —  mit  der  Spaltentheorie 
nicht  so  schroff  gebrochen  werden  dürfe,  so  wird  doch  allseitig 
anerkannt,  daß  das  durch  St  übel  in  eine  etwas  stationär  ge- 
wordene Abteilung  der  Geodynamik  hineingetragene  Ferment 
höchst  befruchtend  gewirkt  hat.  Die  Ausbrüche  auf  den  Kleinen 
Antillen  hingegen  haben  ihrerseits  dazu  geführt,  ein  ebenso 
altes  wie  umstrittenes  Problem  wieder  auf  der  Tagesordnung 
erscheinen  zu  lassen,  nämlich  die  Rolle,  welche  dem  nahen 
Meere  bei  der  Einleitung  solcher  Reaktionen  des  Erdinneren 
gegen  die  Außenseite  zuzuschreiben  sein  mag. 

Allerdings  kommen  hier  nur  ganz  oberflächliche  Eraftäuße- 
rungen  in  Betracht,  und  darüber,  wie  wir  uns  die  innere  Be- 
schaffenheit der  Erde  in  größerer  Entfernung  von  der  Ober- 
fläche zu  denken  haben,  geben  uns  die  vulkanischen  Erschei- 
nungen nur  unvollkommenen  Aufschluß.  Nach  dieser  Seite  hin 
ist  als  eine  wichtige  Etappe  weiteren  Vordringens  in  der 
Erkenntnis  eine  Studie  des  berühmten  Stockholmer  Physiko- 
chemikers  Svante  Arrhenius  namhaft  zu  machen,  der  sich 
auf  Grund  neuer  Erwägungen  für  die  schon  wiederholt  ausge- 
sprochene und  aus  verschiedenartigen  Gesichtspunkten  begrün- 
dete Hypothese  erklärte,  daß  im  Erdinneren  alle  nur  vorstell- 
baren Aggregatformen  der  Materie  enthalten  seien,  und  daß 
vornehmlich  ein  gar  nicht  unbeträchtlicher  zentraler  Hohlraum 
von  Gasen  im  sogenannten  überkritischen  Zustande  eingenommen 


—    141    — 

werde,  mag  auch  einstweilen  unsere  Technik  nicht  vermögend 
sein,  im  Laboratorium  Gebilde  herzustellen,  wie  sie  nahe  dem 
Erdmittelpunkte  unter  ganz  exorbitanten  Druck-  und  Tempe- 
raturverhältnissen zustande  kommen. 

Großartige  neue  Perspektiven  hat  die  Meereskunde  gewon- 
nen durch  zielbewußt  organisierte  Expeditionen,  wie  solche  von 
mehreren  Kulturvölkern  in  unserem  Zeitabschnitte  veranstaltet 
wurden.  Deutschland  beteiligte  sich  daran  u.  a.  durch  die  zur 
Erkundung  des  Sargasso-Meeres  und  der  atlantischen  Plankton- 
zusammensetzung veranstaltete  Reise  des  Dampfers  ^National*', 
den  Hensen  und  Krümmel  begleiteten,  und  durch  die  weit 
ausholende,  bis  an  die  Eismeergrenze  im  Indischen  Ozean  vor- 
dringende Fahrt  der  „Valdivia^,  von  welcher  der  Leipziger 
Zoologe  Ghun  die  wertvollsten  Früchte  für  die  Tiefseeforschung 
mit  heimbrachte.  Neue  Probleme  tun  sich  auf;  alten  gelingt  es, 
noch  verborgene  Seiten  abzugewinnen.  Wenn  der  geniale  Polar- 
fahrer Fridthjof  Nansen  im  Bechte  ist,  so  muß  unsere  bis- 
herige Auffassung  der  großen  Meeresströmungen,  die  wir 
mit  dem  System  der  Dauerwinde  in  ursächliche  Verbindung  zu 
bringen  gewohnt  sind,  ganz  aufgegeben  oder  doch  erheblich 
abgeändert  werden,  und  es  wird  nicht  zu  leugnen  sein,  daß  die 
Stellungnahme  eines  solchen  Mannes,  der  eben  seiner  intimen 
Kenntnis  der  nordischen  Strömungsprozesse  seinen  Erfolg  zu 
danken  hatte,  von  großem  Gewichte  ist.  Und  wie  die  Lehre  von 
den  uns  umgebenden  Gewässern,  so  hat  sich  auch  diejenige 
von  der  Lufthülle  mit  zahllosen  neuen  Ideen  bereichern  können. 
Allen  voran  steht  die  von  dem  französischen  Meteorologen 
Teisserenc  de  Bort  in  Aufoahme  gebrachte  Theorie  von  den 
.großen  Aktionszentren ^,  d.  h.  von  umfassenden  Bereichen  baro- 
metrischen Hochstandes  in  der  Gegend  der  Azoren,  welche  sich 
bald  nach  Norden  bald  nach  Süden  hin-  und  herschieben  und 
auf  die  Wetterlage  Europas  wie  Amerikas  einen  ganz  bestim- 
menden Einfluß  äußern,  dessen  Berücksichtigung  die  Witterungs- 
prognose sich  nicht  mehr  entziehen  können  wird. 

Gleicherweise  ist  in  ein  neues  Stadium  getreten  die  Lehre 
vom  Erdmagnetismus  samt  der  ihr  so  nahe  stehenden  vom  Polar- 
lichte. Wie  grundstürzend  anders  würde  mein  Bericht  über  letz- 
teres heute,  falls  er  ausführlicher  sich  gestalten  dürfte,  ausfallen 
müssen  verglichen  mit  dem,  welchen  ich  vor  einer  längeren  Beihe 


—    142    — 

von  Jahren  eben  in  Ihrem  Vereine  &ber  dieses  Thema  zu  erstat- 
ten  die  Ehre  hatte.  Hat  sich  doch  unser  ganzer  Gedankenkreis 
hinsichtlich  dessen,  was  mit  den  magnetischen  und  elektrischen 
Kräften  des  Erdkörpers  und  der  Erdatmosphäre  zusammenhängt, 
eine  völlige  Umwandlung  durch  die  Einführung  der  ebenso  küh- 
nen wie  fruchtbringenden  „Working  Hypothesis*'  gefallen  lassen 
müssen,  daß  allüberall  Stoff teilchen  von  einer  unter  alle  Vor- 
stellungsmöglichkeiten hinabsinkenden  Winzigkeit  umherschwär- 
men, welche  als  „ Jonen **  und  „Elektronen^  die  ehemals  ganz 
anders  gedeuteten  Ladungs-  und  Entladungserscheinungen  elek- 
trischer Natur  zuwege  bringen. 

Dieser  kurzen  Rückschau  auf  die  Entwicklung  der  wissen- 
schaftlichen Erdkunde  im  letzten  Dezennium  sei  nun  weiter  eine 
solche  auf  die  Erweiterungen  angereiht,  welche  unserem  geo- 
graphischen Horizonte  zuteil  geworden  sind.  An  die  erste  Stelle 
verdient  nicht  bloß  wegen  ihrer  grundsätzlichen  Bedeutung,  son- 
dern gerade  auch  wegen  ihrer  allerneuesten  Fortschritte  die 
Polarfrage  gestellt  zu  werden.  Damals,  als  vor  zehn  Jahren 
das  Referat  fällig  wurde,  war  eben  Nansen  von  seiner  drei- 
maligen Überwinterung  zurückgekehrt,  und  sein  Vorstoß  gegen 
den  Nordpol  hatte  im  besten  Sinne  des  Wortes  Schule  gemacht. 
Denn  bald  folgte  ihm  der  Herzog  der  Abruzzen,  dessen  unter- 
nehmendem Begleiter  Cagni  es  vergönnt  war,  den  von  dem 
norwegischen  Vorläufer  aufgestellten  Rekord  noch,  wenn  auch 
nicht  um  ein  großes  Stück,  zu  schlagen.  Und  wieder  ist  eine 
Strecke  weiter  gekommen  im  eben  zur  Wende  sich  neigenden 
Jahre  der  nordamerikanische  Seeoffizier  Peary,  dem  schon  früher 
die  Ermittlung  des  nördlichsten  Küstenverlaufes  der  Rieseninsel 
Grönland  geglückt  war,  und  der  nun  mit  seinem  Dampfer 
„Roosevelt**  auch  den  87.  Breitenparallel  hinter  sich  gebracht 
hat,  so  daß  seinen  Umkehrpunkt  vom  Endpunkte  der  Umdreh- 
ungsachse  nur  noch  ein  Weg  von  320  km  trennt.  Annähernd 
gleichzeitig  hat  die  von  dem  norwegischen  Kapitän  Amundsen 
geführte  „Gjöa*^,  die  hauptsächlich  zur  Wiederfind ung  des  magne- 
tischen Nordpoles  ausgegangen  war,  die  im  Eise  erstarrten  Sunde 
der  Nordwestlichen  Durchfahrt  bezwungen,  so  daß  durch  ihre 
Reise,  in  Verbindung  mit  den  Expeditionen  von  Harrison  und 
Mikk eisen,  die  Verhältnisse  des  nördlich  von  Amerika  sich 
ausbreitenden  Meeres  zum  ersten  Male  seit  MacClures  Großtat 


—    148    — 

im  Jahre  1851  einer  gründlichen  und  allseitigen  Durchforschung 
zugänglich  gemacht  worden  sind.  Vereinigt  man  diese  Tatsachen 
mit  Sverdrups  erfolgreicher  Bereisung  der  Inselwelt  westlich 
von  Smithsund  und  Kennedykanal,  so  wird  man  zu  dem  Schlüsse 
genötigt,  daß  auf  der  europäisch -amerikanischen  Seite  des 
Nördlichen  Eismeeres  die  erobernde  Erdkunde  mächtige  Siege 
davongetragen  hat.  Nicht  gleiche  Leistungen  sind  vom  asia- 
tischen Teile  zu  rühmen,  wo  jedoch  immerhin  durch  Baron  Tolls 
wiederholte  Reisen  nach  den  Neusibirischen  Inseln,  welche  zum 
tiefen  Schmerze  aller,  die  sein  Streben  kannten,  mit  seinem 
Märtyrertode  im  Dienste  der  Wissenschaft  ihren  Abschluß  fanden, 
zumal  auch  der  physikalischen  Geographie,  die  jetzt  die  Natur 
des  „ewigen  Steineises ^  kennen  gelernt  hat,  eine  Fülle  uner- 
warteter Einsichten  zugeführt  wurde.  Neben  v.  Tolls  Ende  darf 
wohl  auch  des  Ikarusfluges  Andr6es  und  seiner  tapferen  Ge- 
nossen ehrende  Erwähnung  getan  werden. 

Geschah  für  die  Arktis  schon  viel,  so  hat  doch,  soweit 
polare  Forschung  in  Frage  kommt,  die  Antarktis  den  Löwen- 
anteil zu  beanspruchen.  Mit  dem  Jahre  1897  setzte  die  ener- 
gische Tätigkeit  Borchgrevinks  ein,  der  nach  einer  ersten 
Sondierung  des  Terrains,  dem  er  seine  Kräfte  zuzuwenden 
entschlossen  war,  in  der  Nähe  von  Kap  Adare  das  erste  süd- 
polare Winterquartier  bezog  und  praktisch  dartat,  daß  die 
für  die  entgegengesetzte  Polarzone  erprobte  Methode  des  Aus- 
sendens  von  Expeditionen  auf  Schlitten  auch  hier,  wo  die 
Verhältnisse  in  mancher  Beziehung  anders  gelagert  sind,  ihre 
Brauchbarkeit  beibehält.  Ebenfalls  den  an  Südamerika  an- 
grenzenden Teil  des  Südlichen  Eismeeres  wählte  sich  die 
„Belgica^  De  Gerlaches  zum  Arbeitsfeld,  die  sich  zwar 
mit  einer  geringeren  Breite  begnügen  mußte,  dafür  aber 
durch  die  systematischen  Beobachtungsreihen  der  auf  ihr  ein- 
geschifft gewesenen  Geophysiker  Arctowski  und  Dobrowol- 
sky  neues  Licht  über  die  Naturbeschaffenheit  dieser  unwirtlichen 
Regionen  zu  verbreiten  in  der  Lage  war.  An  dritter  Stelle  er- 
scheint, zeitlich  genommen,  die  an  geradezu  dramatischen  Vor- 
kommnissen überreiche  Reise  der  Skandinavier  unter  0.  Nor- 
denskjöld,  deren  Teilnehmer  so  lange,  bis  ein  aus  Argenti- 
nien herübergeschicktes  Entsatzschiff  sie  abholte,  die  unglaub- 
Uchsten  Strapazen  ertragen  mußten,  u.  a«  aber  dafür  auch  den 


—    144    — 

aberzeagenden  Beweis  erbriDgen  konnten,  daß  in  ferner  geo- 
logischer Vorzeit  diese  jetzt  in  Schnee  nnd  Eis  begrabene  Welt 
eines  milden  Klimas  sich  zn  erfreaen  hatte. 

Nicht  minder  haben  wir  bei  dieser  Gelegenheit  unserer 
deutschen  Forschungsfahrt  zu  gedenken,  in  deren  Dienst  das 
zu  diesem  Behufe  eigens  bestimmte  Dampfschiff  „Gauß^  gestellt 
war.  Von  der  australischen  Seite  ausgehend  und  auf  den 
Eerguelen-Inseln  eine  Beobachtungsabteilung  zurftcklassend, 
drang  E.  v.  Drygalski  bis  zum  Polarkreise  vor,  mußte  aber, 
da  das  Eis,  dessen  wetterwendischer  Charakter  sich  hier  wieder- 
um recht  deutlich  offenbarte,  das  Schiff  gefangen  nahm,  seine 
weitere  Arbeit  auf  Schlittenreisen  einschränken,  durch  welche 
besonders  die  Existenz  eines  ehemaligen  Vulkans,  des  „Gauß- 
berges^  in  „Kaiser- Wilhelms-Land",  nachgewiesen  wurde.  Hatte 
sich  in  diesem  Falle  das  Glftck,  das  bei  polaren  Unternehmungen 
immer  eine  ausschlaggebende  Rolle  spielt,  nicht  eben  hold  ge- 
zeigt, so  begünstigte  es  umsomehr  die  Expedition  des  Engländers 
Scott,  dem  es  erstmalig  gelang,  weit  über  die  sechzig  Jahre  zuvor 
von  seinem  Landsmanne  James  ßoss  erreichte  südliche  Breite 
hinauszukommen  und  sinnenfällig  zu  erhärten,  daß  selbst  unter 
82  ^  Polhöhe  bei  zweckmäßigen  Maßnahmen  noch  Menschen  leben 
und  der  Erkundung  des  aller  Hilfsquellen  ermangelnden  Landes 
obliegen  können.  Indem  noch  kurz  auf  die  von  vornherein  auf 
weniger  weitaussehende  Ziele  ausgehende  französische  Antarktis- 
reise G  ha  reo  ts  hingewiesen  wird,  folgern  wir  aus  der  Gesamt- 
heit all  dieser  mühevollen  und  wahrlich  nicht  fruchtlosen  Er- 
oberungsversuche gewiß  mit  Recht,  daß  auch  um  den  Gegenpol 
herum,  wo  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  nicht  blos  eine  Insel- 
welt, sondern  ein  stattlicher  Kontinentalkomplex  zu  suchen 
ist,  dem  menschlichen  Streben  ebensowenig  unttbersteigliche 
Schranken  entgegenstehen,  wie  sich  solche  in  der  arktischen 
Zone  vorfinden. 

Die  Entdeckungszüge  in  den  einzelnen  Kontinenten  nehmen 
naturgemäß  mehr  und  mehr  räumlich  bescheidenere  Dimensionen 
an,  wogegen  zur  Kompensation  die  Forschungsleistung  im  engeren 
Sinne  sich  mit  jeder  gelungenen  Reise  erhöhten  Aufgaben  gegen- 
über sieht.  In  welch  ausgedehnter  Weise  dies  selbst  für  Gebiete 
gilt,  die  man  schon  ahs  ziemlich  gut  bekannte  zu  behandeln  sich 
gewöhnt  hat,  zeigt  uns  drastisch  die  halb  geographische,  halb 


—    145    — 

archäologische  Literatur,  welche  im  Anschlüsse  an  Delitzschs 
,Babel  and  Bibel**  betreffs  des  Zweistromlandes  emporgewachsen 
ist.  Persien  and  Afghanistan,  gleichfalls  Länder  einer  alten 
Ealtar,  sind,  das  ersieht  man  ans  Sven  y.  Hedins  neaester 
Bereisang  der  östlichen  Wüste  and  den  Ergebnissen  mehrerer 
englischer  Expeditionen,  zweifellos  noch  lange  nicht  in  dem 
Aasmaße  der  Geographie  erschlossen,  wie  man  dies  wohl  zn 
glaaben  geneigt  sein  könnte.  Überhaupt  bleibt  selbst  in  West- 
asien noch  viel  za  tan  äbrig,  denn  in  dem  direkt  vor  Europas 
Türen  liegenden  Eaukasusgebirge  mußte  durch  die  Reisen  und 
Bergbesteigungen  M.  v.  D6chys  und  vor  allem  G.  Merzbächers, 
denen  sich  unlängst  noch  eine  Reihe  alpinistischer  Sportrekords 
und  auf  der  anderen  Seite  die  Forschungen  G.  v .  R  a  d  d  e  s  und 
G.  von  Hahns  anschlössen,  so  manches  eine  Terra  incognita 
darstellende  Hochtal  geradezu  entdeckt  und  der  Wissenschaft 
eröffnet  werden.  Unverhältnismäßig  schlimmer  stand  und  steht 
es  zum  teile  noch  jetzt  um  die  zentralasiatischen  Gebirge,  ob- 
wohl die  Bemühungen  der  russischen  Geographen  und  Geologen 
um  die  Entschleierung  dieser  wenig  zugänglichen  Hochregion 
voll  anzuerkennen  sind.  Auch  deutscherseits  fehlt  es  nicht  an 
hervorragender  Mithilfe;  auf  die  Reise  Friederichsens  folgte 
Merzbachers  überaus  umfassende  Durchforschung  der  Thien^ 
schan-Eette,  durch  welche,  um  nur  ^in  Hauptresultat  hervor- 
zuheben, die  Lage  des  höchsten  Berges,  des  Khan-tengri,  auf 
der  Earte  genau  fixiert  wurde. 

Und  weiter  der  Himalaya!  Wie  lange  ist  es  her,  daß 
dessen  Riesenmauer,  von  einigen  Pässen  abgesehen,  geradezu 
noch  als  ein  ganz  und  gar  unbekanntes  Gebirge  betrachtet 
werden  mußte?  Lange  Zeit  waren  britische  Offiziere,  die  aus 
strategischen  Gründen  die  Wegsamkeit  des  Gebirgslandes  zu 
untersuchen  hatten,  und  gelehrte  Braminen,  „Punditen**,  denen 
die  Rektifizierung  der  Earten  übertragen  war,  die  einzigen 
Exploratoren.  Das  ist  ganz  anders  geworden.  Die  Reisen 
C.  Dieners  führten  in  eine  ganze  Reihe  bis  dahin  verschlossener 
Gletscbergebiete,  und  in  allerneuester  Zeit  zogen  die  Hochtouren 
des  Ehepaares  BuUock-Workman  das  allgemeine  Interesse 
auf  sich,  bei  welchen  die  höchsten  bisher  von  einem  Menschen 
erklommenen  Höhen  überschritten  worden  sind ;  7000  m  und 
mehr  waren  weder  im  Himalaya  noch  in  den  Eordilleren  erreicht 

10 


—    146    — 

worden.  Und  diese  alpinistische  Masterleistang  trag  aach  in- 
sonderheit dadarch  Früchte  für  ansere  Wissenschaft,  daß  sie 
anserem  Landsmann  Oestreich  (Marbnrg)  die  Möglichkeit 
sehr  eingehender  Stadien  über  den  Baa  and  die  Bildung  der 
Himalayatäler  verschaffte. 

Von  Birma  liegen  die  tief  in  das  schwierige  Hinterland 
eindringenden  Forschungen  Noetlings  vor.  Was  Slam  und 
Französisch-Hinterindien,  China  and  Japan  anlangt,  so  sind 
diese  Länder,  wie  jedermann  weiß,  längst  nicht  mehr  jene  Stief- 
kinder der  geographischen  Erkandang,  die  sie  vor  nicht  allza 
langer  Frist  waren ;  darch  friedliche  Unternehmangen  and  ganz 
besonders  im  Anschluß  an  die  mancherlei  kriegerischen  Ver- 
wicklungen der  jüngsten  Vergangenheit  ist  von  vielen  Landes- 
teilen und  sonstigen  Verhältnissen  der  verhüllende  Schleier 
herabgezogen  worden.  Vorzugsweise  Japan  ist  ja  jetzt  selber 
ein  Brennpunkt  intensivster  geographischer  Arbeit  geworden, 
an  der  sich  fast  ausschließlich  die  Landeskinder  beteiligen,  wie 
denn  kaum  ein  europäischer  Staat  sich  einer  so  gründlich  durch- 
geführten magnetischen  Landesvermessung  zu  rühmen  hat,  als 
sie  das  Inselreich  unter  Tanakadates  Leitung  erhalten  hat. 
Der  äußerste  Westen  Chinas  und  das  angrenzende  tibetanisch- 
mongolische Grenzgebiet  weist  noch  viele  mangelhaft  bekannte 
Bezirke  auf,  aber  durch  sotbhe  Vorstöße,  wie  sie  von  W.  Filchner 
in  das  obere  Stromtal  des  Hoangho  ausgeführt  worden  sind, 
wird  dem  geographischen  Dunkel  Schritt  für  Schritt  Terrain 
abgewonnen.  Solche  Erkundungsarbeit  möchte  man  ganz  be- 
sonders auch  in  noch  größerer  Zahl  dem  Oberlaufe  der  aus  China 
nach  Indochina  fließenden  Ströme  wünschen. 

Durch  den  Feldzug  der  Indobriten  gegen  Tibet  ist  erst- 
malig die  heilige  Stadt  L'Hasa,  die  früher  nur  gelegentlich 
katholische  Mönche  in  Augenschein  hatten  nehmen  dürfen,  so- 
zusagen  in  die  Öffentlichkeit  getreten.  Was  Sven  v.  Hedin, 
der  vorher  durch  seine  originelle  Tarimbefahrung  eine  neue 
Epoche  der  zentralasiatischen  Forschung  eingeleitet  hatte,  noch 
nicht  durch  Klugheit  erreichen  konnte,  tat  nun  die  Gewalt.  Auch 
durch  den  Burjäten  Zybikow,  durch  den  Württemberger  Tafel 
nnd  den  österreichischen  Gelehrten  Zugmayer  sind  neue  und 
sehr  dankenswerte  Beiträge  zur  Kenntnis  Tibets  geliefert  worden, 
und  wenn  auch  manches  noch  der  Folgezeit  vorbehalten  bleibt, 


—    147    — 

wie  der  endgiltige  Nachweis  der  Identität  von  Dsangpo  and 
Brahmaputra,  so  sind  doch  die  ersten  und  zugleich  bahnbrechen- 
den Schritte  zur  definitiven  Entschleierung  der  geographischen 
Sphinx  getan. 

Nur  mit  wenigen  Worten  möge  auch  die  Hinterindische 
Inselwelt  gestreift  werden.  Borneo  ist  durch  die  Durchquerung 
des  niederländischen  Zoo-  und  Anthropologen  Nieuwenhuis, 
Celebes  ist  durch  die  unermüdlichen  Begehungen  der  Vettern 
Sara  sin  aus  Basel  uns  nach  den  verschiedensten  Seiten  näher 
gerückt  worden.  Und  die  von  der  holländischen  Eolonialregierung 
patronisierten  Fahrten  des  UntersuchungsschiSes  ^^Siboga''  unter 
M.  Webers  Leitung  haben  für  die  Sunda-  und  Molukken-See 
zahlreiche  neue  Aufschlüsse  gebracht. 

Der  Kontinent  Australien  ist,  wie  die  Werke  von  Vohsion 
und  Vigouroux  beweisen,  schon  wesentlich  in  das  Stadium 
ruhiger  Erörterung  der  bestehenden  Zustände  eingetreten,  und 
große  Explorationsreisen  werden  seltener.  Wie  viel  aber  z.  B. 
noch  für  die  Ethnologie  zu  holen  ist,  darüber  vergewissert  der 
mehrjährige  Aufenthalt,  den  Elaatsch  vorzugsweise  im  Nord- 
osten genommen  hat.  Neu-Guinea  ist  —  das  traurige  Beispiel 
von  Ehlers'  verunglückter  Expedition  liegt  noch  nicht  allzu 
lange  hinter  uns  —  noch  immer  ein  geographisches  Schmerzens- 
kind, aber  es  ist  hier  und  im  benachbarten  Bismarck-Archipel 
von  deutschen  Pionieren  mit  Erfolg  an  der  Aufhellung  des  Dunkels 
gearbeitet  worden.  Überhaupt  ist  die  Ozeanische  Inselwelt 
durch  deutsche  Naturforscher  —  Voeltzkow,  Reinecke, 
A.  Eraemer,  den  besten  Eenner  der  pazifischen  Eorallen- 
gebäude  —  mehr  als  durch  solche  anderer  Nationen  dem  Geo- 
graphen dienstbar  gemacht  worden. 

Der  „Schwarze  Erdteil*'  hat  viel  von  der  dereinst  auf  ihm 
lagernden  Finsternis  verloren.  Selbst  das  noch  vor  kurzem 
noch  so  unnahbare  Abessinien  ist  jetzt  der  Zielpunkt  einer 
ganzen  Reihe  von  diplomatischen  und  kommerziellen  Reisen 
geworden.  Auch  mit  dem  in  starrer  Zurückgezogenheit  ver- 
harrenden Marokko  hat  sich  Europa  wohl  oder  übel  beschäftigen 
müssen;  die  Literatur  darüber  weist  eine  rasche  Vermehrung 
auf,  aber  allerdings  nur  ausnahmsweise  beruhen  diese  Schriften 
auf  so  weitgehender  Autopsie,  wie  sie  sich  Th.  Fischer  in  dem 

10* 


—    148    - 

fruchtbaren  nördlichen  Yorlande  des  Atlasgebirges  erwarb  und 
zu  aussichtsreichen  Vorblicken  auf  eine  bessere  Zukunft  des 
Landes  verwerten  konnte.  Zentraiafrika  steht  nicht  mehr  so,  wie 
frtther,  im  Vordergründe  allseitigster  Teilnahme,  und  viele  der 
sogenannten  „großen  Afrikaner **,  wie  u.a.  auch  H.  Wißmann, 
gehören  nicht  mehr  den  Lebenden  an.  Als  vor  zehn  Jahren 
der  Vortrag  gehalten  wurde,  bildete  die  Bezwingung  des  Eili- 
mandjäro  durch  Hans  Meyer  und  Purtscheller  einen  der  her- 
vorstechenden Punkte;  heute  ist  zu  erwähnen,  daß  1899  auch 
der  Kenia  von  dem  Oxforder  Professor  Mackinder  und  1905  der 
Bunsoro  (nicht  Buwenzori)  von  dem  Herzoge  von  Savoyen 
bestiegen  worden  ist.  Im  Sttden  Afrikas  wird  uns  durch  die 
englischen  Pläne,  von  Bhodesia  aus  nordwärts  in  das  Innere 
vorzustoßen  und  eine  meridionale  Transversalbahn  zu  bauen, 
reicher  Gewinn  erdkundlicher  Natur  versprochen. 

Nordamerikas  Norden  bietet  auch  heute  noch,  vorab  in 
Labrador^  weite  Flächen  auf,  die  noch  selten  oder  gar  nicht  eines 
weißen  Mannes  Fuß  betrat.  Fälle  von  Hungertod  bei  Beisenden 
sind  im  Waldterntorium  östlich  der  Hudsonbay  noch  in  den  letz- 
ten Jahren  vorgekommen.  Die  nordwestlichen  Bocky  Mountains 
und  das  Easkadengebirge  sind,  ebenso  wie  Alaska,  von  Geo- 
logen und  Geodäten,  welch  letztere  bei  der  Festlegung  der 
Grenze  zwischen  Britisch-Nordamerika  und  der  Union  viel  zu 
tun  hatten,  regelmäßig  besucht  worden;  der  in  den  Alaska-Moun- 
tains liegende  Mount  Mac  Eanley  ist  bei  solchem  Anlaß  gemessen 
und  mit  6240  m  als  die  höchste  Erhebung  von  Nordamerika 
erkannt  worden.  Unerwartete  Anregung  wurde  den  Wanderungen 
in  das  subpolare  Gebiet  durch  die  grandiosen  Goldfunde  von 
Elondyke  gegeben,  welche  Landschaft  vielleicht  noch  West- 
australien und  Südafrika  an  Ergiebigkeit  hinter  sich  zu  lassen 
bestimmt  ist.  Mittelamerika  war  in  den  Anfangsjahren  unseres 
Zeitabschnittes,  so  wie  früher  schon,  die  wissenschaftliche  Do- 
mäne E.  Sappers,  der  für  die  physische  Geographie  und  Völker- 
kunde von  Südmeziko,  Guatemala  und  Honduras  mehr  wie 
irgend  einer  seiner  Vorgänger  geleistet  hat.  Die  Diskussion 
der  Eanalprojekte,  von  denen  doch  wieder  dem  alten  Panama- 
Plane  der  Vorzug  gegeben  zu  werden  scheint,  kann  nicht  ver- 
fehlen, auch  unserer  Wissenschaft  da  und  dort  Vorschub  zu 
leisten. 


—    149    — 

In  Südamerika  wird  noch  fttr  lange  Brasilien  der  Landesteil 
bleiben,  der  zusammen  mit  der  SUdhälfte  der  europäischen  Be- 
sitzungen in  Guyana,  die  größten  Anforderungen  an  den  Geo- 
graphen stellt.  Die  Reisen  Steindachners  und  der  Prinzessin 
Therese  von  Bayern  kamen  vorzugsweise  den  beschreibenden 
Naturwissenschaften  zu  gute.  Chile  hat  seinen  langjährigen 
Vorkämpfer  landeskundlicher  Forschung  in  dem  eingewanderten 
Deutschen  Philippi  verloren,  der  das  96.  Lebensjahr  erreicht  und 
vielseitigste  Anregungen  gegeben  hat,  die  so  bald  nicht  nach- 
zuwirken aufhören  werden.  Die  noch  von  Gttßfeldt  nicht  zum 
letzten  Ende  geführte  Besteigung  des  höchsten  amerikanischen 
Berges,  des  Aconcagua^  ist  inzwischen  zur  Tatsache  geworden. 
Nicht  unerheblichen  Nutzen  hat  ferner  die  Erdkunde  aus  den 
lange  währenden  Grenzstreitigkeiten  zwischen  Chile  und  Argen- 
tinien gezogen,  welche  eine  exakte  Aufnahme  der  zweifelhaften 
Landschaften  erheischten,  und  da  wurde  festgestellt,  daß,  was 
man  nicht  gewußt  hatte,  im  Süden  die  Andenkette  als  solche 
zu  bestehen  aufhört  und  durch  ein  regelloses  Hügelgewirre  ab- 
gelöst wird.  Der  äußerste  Süden  ist  durch  E.  Nordenskjölds 
Feuerland-Expedition  und  Gajardos  Entdeckung  einer  nördlich 
der  Magellanstraße  den  ganzen  Erdteil  durchsetzenden  Wasser- 
straße gekennzeichnet. 

Sogar  in  Europa  könnte,  von  der  unermeßlichen  geogra- 
phischen Kleinarbeit  abgesehen,  noch  von  Forschungstätigkeit 
gesprochen  werden.  Diese  gilt  selbstredend  fast  einzig  noch 
der  Balkanhalbinsel  mit  Bevorzugung  Makedoniens  und  der 
herb  abgeschlossenen  albanischen  Gebirge.  Cvijic,  Steinmetz, 
Oestreich  haben  uns  gezeigt,  wie  viele  und  große  Bereicherung 
unser  Wissen  von  dem  fremdenfeindlichen  Südosten  des  heimischen 
Kontinentes  noch  vertragen  kann. — 

Daß  dieser  kurze  Über-  und  Rückblick  mit  allen  Ge- 
brechen eines  sehr  aphoristisch  gehaltenen  Spazierganges  um 
unsere  kleine  Welt  behaftet  sein  muß,  steht  niemand  klarer  als 
dem  Sprechenden  selbst  vor  der  Seele.  Die  Zeit  drängt,  und  es 
wird  notwendig,  den  Rundgang  sein  Ende  erreichen  zu  lassen. 
Aber  wenn  wir,  was  heute  gesagt  ward,  mit  dem  vergleichen, 
was  der  vor  zehn  Jahren  gehaltene  Vortrag  enthielt,  so  werden 
wir  wohl  alle,  seine  Worte  unserem  Falle  anpassend,  mit  dem 
großen    fi*anzösischen    Schriftsteller    auszurufen   geneigt   sein: 


—    160    — 

,La  v6rit6  est  en  marche;  rien  ne  Tarrfitera  jamais".  Den 
Fortschritt  unserer  Wissenschaft  kann  nichts  aufhalten.  Nicht 
unverborgen  bleibt  es  uns,  daß  die  Lösung  vieler  Einzelprobleme 
erst  in  hundert  oder  gar  erst  in  tausend  Jahren  zu  erbringen 
sein  wird,  aber  gerade  darttber  freuen  wir  uns,  daß  noch  so 
viele  Zukunftsprobleme  vor  uns  liegen.  Den  kommenden  Ge- 
nerationen soll  es,  das  wünschen  und  hoSen  wir  gerade  in 
ihrem  Interesse,  nicht  an  Rätseln  fehlen,  an  deren  Lösung  sie 
ihren  Geist  und  Wagemut  erproben  können.  Dnd  soweit  wir 
unsere  Wissenschaft  überschauen,  dürfen  wir  es  ruhig  aus- 
sprechen, daß  auf  die  Dauer  eines  Jahrtausends  für  lohnende 
Aufgaben  reichlich  gesorgt  ist. 

Der  Frankfurter  , Verein  für  Geographie  und  Statistik", 
auf  dessen  Jubiläumsversammlung  ich  meinen  Dezenniumsbericht 
wiederum  zu  erstatten  die  Ehre  hatte,  war  auch  in  dieser 
Zeit,  wie  sonst,  redlich  bemüht,  sich  einen  Anteil  an  dem  Fort- 
schritte der  von  ihm  gepflegten  Wissenszweige  zu  sichern.  Ich 
ersuche  seine  Mitglieder,  den  Bericht  in  seiner  natürlichen  Un- 
vollkommenheit  so  entgegenzunehmen,  wie  er  von  mir  ihnen 
dargeboten  werden  konnte. 


Geschäftliche  Mitteiinngen. 


Bericht  ttber  die  Tätigkeit  des  Yereins 

Tom  1.  Oktober  1905  bis  30.  September  1906. 


Wie  auf  die  früheren  Jahre  können  wir  auch  auf  das  ab- 
gelaufene Yereinsjahr,  in  dem  unser  Verein  stetig  aufstrebend 
seine  gewohnte  Tätigkeit  entfaltete,  mit  großer  Befriedigung 
zurfickblicken. 

Im  Yereinsvor Stande  traten  seit  Erstattung  des  letzten 
Jahresberichts  insofern  Änderungen  ein,  als  an  Stelle  der  ver- 
storbenen Vorstandsmitglieder  der  Herren  Senator  Dr.  von 
Oven  und  Sanitätsrat  Dr.  B' ritsch  sowie  für  den  aus  dem 
Vorstand  ausgeschiedenen  Herrn  Professor  Dr.  Höf  1er  die  Herren 
prakt.  Arzt  Dr.  Theodor  De  mm  er,  Amtsrichter  Dr.  Alfred 
Fritsch  und  Privatier  Wilhelm  Rehmer  neu  gewählt 
wurden. 

Der  Verein  begann  seine  Tätigkeit  am  11.  Oktober  1905. 
17  Vorträge  wurden  gehalten,  von  denen  der  letzte  in  der 
regelmäßigen  Folge  am  28.  Februar  1906  stattfand.  Sie  hatten 
sich  sämtlich  zahlreichen  Besuches  zu  erfreuen  und  waren  durch 
Lichtbilder,  zum  Teil  auch  durch  phonographische  Vorführungen 
und  durch  Ausstellungen  erläutert.  Aus  Anlaß  des  furchtbaren 
Erdbebens  in  Kalifornien  veranstaltete  der  Verein  sodann  noch 
am  2.  Mai  d.  J.  einen  außerordentlichen  Vortragsabend,  in  welchem 
einer  der  besten  Kenner  der  Erdbebenforschung,  der  neu  an 
die  hiesige  Akademie  für  Sozial-  und  Handelswissenschaften 
berufene  Professor  Dr.  Deckert  vor  einem  zahlreichen  Audi- 
torium über  diese  gewaltige  Naturkatastrophe  sprach. 

Durch  den  Tod  verlor  der  Verein  am  6.  Oktober  1905 
sein  berühmtes  Ehrenmitglied,  den  Geheimen  Regierungsrat 
Professor  Dr.  Freiherrn  von  Richthofe n,  Vorsitzenden  der  Ge- 
sellschaft für  Erdkunde  und  zweiten  Präsidenten  des  Deutschen 


—     1B4    — 

und  Oesterreichischen  Alpenvereins  zu  Berlin.  Jn  der  Mitglieder- 
versammlung vom  11.  Oktober  1905  widmete  Herr  Dr.  Traut 
dem  Verstorbenen  der  uns  seit  dem  Jahre  1876  als  Ehren- 
mitglied angehörte,  einen  warmen  Nachruf,  insbesondere  schilderte 
er  in  längerer  Rede  das  Leben  und  die  vielseitige  Tätigkeit  von 
Richthofens.  Bei  der  am  29.  Oktober  in  Berlin  stattgefundenen 
Gedächtnisfeier  war  der  Verein  durch  sein  Ehrenmitglied  Herrn 
Professor  Dr.  Karl  von  den  Steinen  vertreten.  Wir  be- 
klagen ferner  den  Verlust  der  korrespondierenden  Mitglieder 
Gabriel  Gravier,  des  Ehrenpräsidenten  und  Generalsekretärs 
der  Soci6t6  normande  de  g^ographie  in  Ronen,  gestorben  am 
18.  November  1904,  sowie  des  Geh.  Regierungsrates  und  stell- 
vertretenden Vorsitzenden  des  Vereins  ffir  Erdkunde  in  Halle 
Professor  Dr.  Karl  Freiherm  von  Fritsch,  gestorben  am 
9.  Januar  1906  in  Groß-Goddula  bei  Dürrenberg.  Einen  weiteren 
Verlust  erlitt  der  Verein  durch  den  am  30.  Oktober  1906  er- 
folgten unerwarteten  Tod  seines  Mitgliedes  des  Herrn  Buch- 
druckereibesitzers Christian  Knauer  von  der  Firma  Gebrüder 
Knauer,  welche  seit  Jahrzehnten  die  Drucklegung  unserer  Jahres- 
berichte und  aller  sonstigen  Drucksachen  in  mustergiltiger  Weise 
besorgt.  Der  Entschlafene  war  uns  hierdurch  nicht  nur  ge- 
schäftlich, sondern  auch  persönlich  nahegetreten  und  hatte  stets 
in  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  uns  gestanden. 

Den  Dahingeschiedenen  bewahren  wir  ein  dankbares  und 
ehrendes  Andenken! 

Unser  Mitgliederbestand,  der  bei  Abschluß  des  letzten 
Jahresberichts  698  betragen  hatte,  ist  wiederum  ganz  bedeutend 
gestiegen.  Er  verminderte  sich  durch  Tod  oder  Austritt  um  54, 
dagegen  traten  102  neue  Mitglieder  ein,  sodaß  die  Zahl  der  ordent- 
lichen Mitglieder  sich  gegenwärtig  auf  646  beläuft.  Korrespon- 
dierende Mitglieder  zählt  der  Verein  8  (gegen  10  im  Vorjahre), 
Ehrenmitglieder  42  (gegen  43),  so  daß  die  Gesamtzahl  aller 
seiner  Mitglieder  696  (gegen  651)  beträgt. 

Die  Büppell-Medaille  in  Silber  wurde  dem  Vorstandsmitglied 
Herrn  Hof  rat  Dr.  Bernhard  Hagen  verliehen,  einmal  für  seine 
erfolgreiche  Expedition  nach  den  Sundainseln  Sumatra  und  Banka, 
besonders  aber  in  Anerkennung  seiner  Verdienste  um  die  Grün- 
dung des  städtischen  Völkermuseums,  von  welchem  bereits  in 
dem  vorhergehenden  Tätigkeitsbericht  die  Bede  war. 


—    155    — 

Bei  der  Feier  des  70.  Geburtstages  unseres  langjährigen 
Mitgliedes  des  Herrn  Professor  Dr.  Theodor  Petersen  (7.  April 
1906)  war  der  Verein,  dem  eine  Einladung  des  Physikalischen 
Vereins  und  der  Chemischen  Gesellschaft  zu  diesem  Feste  zu- 
gegangen war,  sowohl  bei  der  akademischen  Feier  als  auch  bei 
dem  darauffolgenden  Festmahl  durch  das  Vorstandsmitglied  Herrn 
Stadtrat  Professor  Dr.  Bleicher  vertreten,  der  dem  verehrten 
Herrn  Jubilar,  welcher  zu  unseren  treuesten  Mitgliedern  zählt 
und  den  Bestrebungen  des  Vereins  stets  lebhaftes  Interesse  ent- 
gegengebracht hat,  unsere  herzlichsten  Glückwünsche  übermittelte. 
Ebenso  hatte  unser  Ehrenmitglied  Herr  Professor  Dr.  Günther- 
München  die  Freundlichkeit,  anläßlich  des  am  21.  Juni  1906 
stattgefundenen  80.  Geburtstages  Seiner  Exzellenz  des  Wirklichen 
Geheimen  Rats  Dr.  Georg  Ritter  von  Neumayer  in  Neustadt 
a.  d.  H.  dem  berühmten  und  ehrwürdigen  Herrn  Jubilar,  den  wir 
mit  Stolz  seit  20  Jahren  zu  unseren  Ehrenmitgliedern  zählen, 
bei  dem  Festakt  am  17.  Juni  unsere  Glückwünsche  auszusprechen. 
Eine  persönliche  Abordnung  des  Vorstandes  zu  dieser  glanzvollen 
Feier  ließ  sich  leider  nicht  ermöglichen. 

Unserem  Ehrenmitglied  Herrn  Geheimen  Regierungsrat 
Professor  Dr.  Theobald  Fischer  in  Marburg  sprachen  wir  zu 
seinem  60.  Geburtstag  am  31.  Januar  1906  telegraphisch  unsere 
herzlichsten  Glückwünsche  aus. 

Einladungen  erhielten  wir  von  der  Academy  of  Science 
in  St.  Louis  zur  Feier  des  50jährigen  Bestehens  dieser  Gesell- 
schaft zum  10.  März  1906,  sowie  von  der  American  Phi- 
losophical  Society  zu  Philadelphia  (gegr.  1743)  zur  Feier 
der  200.  Wiederkehr  des  Geburtstages  von  Benjamin  Franklin, 
dem  Stifter  der  Gesellschaft,  zum  17.  bis  20.  April  d.  J.  Da 
die  räumliche  Entfernung  eine  persönliche  Teilnahme  an  diesen 
Festen  nicht  gestattete,  sandte  der  Verein  schriftlich  den  ge- 
nannten im  Schriftenaustausch  mit  ihm  stehenden  Gesellschaften 
seine  besten  Wünsche  zu  diesen  Gedenktagen. 

In  dem  Stande  der  regelmäßigen  Tauschverbindungen  des 
Vereins  ist  keine  Änderung  eingetreten:  ihre  Gesamtzahl  be- 
trägt zur  Zeit  236.*) 

*)  Das  Verzeichnis  der  Behörden,  Qesellschaften  und  Redaktionen , 
mit  welchen  der  Verein  in  regelmäßigem  Schriftenaastaasch  steht,  gelangt 
im  nächsten  Jahresbericht  wieder  znr  Veröffentlichung. 


—     156    — 

Zum  Schiasse  möge,  dem  nächsten  Geschäftsbericht  vor- 
greifend, bereits  an  dieser  Stelle  Aber  die  Feier  des  siebzigsten 
Stiftungsfestes,  welches  der  Verein  am  12.  Dezember  1906  in 
festlicher  and  offizieller  Weise  beging,  berichtet  werden.  Eine 
stattliche  Zahl  von  Yereinsmitgliedem  hatte  sich  trotz  derUn- 
gnnst  der  Witterung  zu  der  abends  7  ühr  im  großen  Saale 
der  Frankfurt-Loge  stattfindenden  Festsitzung  eingefunden,  an 
der  auf  unsere  Einladung  hin  neben  zahlreichen  sonstigen  Ehren- 
gästen auch  die  uns  nahe  stehenden  hiesigen  Institute  und  Gesell- 
schaften, wie  die  Administration  der  Dr.  Senckenbergischen 
Stiftung,  die  Senckenbergische  Naturforschende  G^ellschaft,  der 
Aerztliche,  der  Physikalische  und  der  Technische  Verein,  der 
Deutsche  und  Oesterreichische  Alpenverein,  Sektion  Frankfurt, 
der  Kaufmännische  Verein,  die  Anthropologische  Gesellschaft 
und  die  Frankfurt-Loge  durch  Vertretungen  teilnahmen.  Die 
Festsitzung  selbst  wurde  mit  folgender  Ansprache  des  stellver- 
tretenden Vorsitzenden  Herrn  Hofrates  Dr.  Hagen  eröffnet: 

HocbanBebnlicbe  Versammlangl 

Wenn  ein  Mensch  das  70.  Lebensjahr  erreicbt  bat,  dann  fängt  er  an 
Jubiläen  zu  feiern,  obwobl  er  zum  Jubilieren  eigentlicb  gar  keine  Ursache  bat 
Siebzigster  Gebnrtstag,  goldene  Hochxeit,  öOjäbriges  Doktor-  oder  Dienst- 
Jnbilänm,  alles  das  dringt  auf  ibn  ein,  nnd  es  gdiOrt  scbon  eine  tüchtige 
Portion  Lebenskraft  dam,  diesem  Ansturm  ungefährdet  Stand  zu  halten  und 
sich  ungeechwächt  hinflberzuretten  in  seinen  Lebensabend,  in  die  Jahre,  von 
denen  es  heißt:  ,Sie  gefallen  uns  nicht!' 

Mit  einem  Vereine  aber  ist  das  eine  andere  Sache.  Der  kann  unge- 
straft eine  ganze  Reihe  Ton  Jubiläen  vertragen  und  seinen  siebzigsten,  ja 
sogar  seinen  bundertsiebzigsten  Geburtstag  feiern,  ohne  daß  das  Greisenalter 
sich  ihm  zu  nahen  braucht.  Wenigstens  was  unsem  Verein  für  Geographie 
und  Statistik  betrifft,  so  werden  Sie  alle,  wie  Sie  hier  sind,  mit  mir  das 
Gefühl  haben,  daß  wir  uns  trotz  unserer  siebzig  Jahre  noch  lange  nicht  auf 
der  absteigenden  Bahn  unseres  Lebens  befinden,  ja  noch  nicht  einmal  auf 
dem  Höhepunkt  desselben.  Ich  und  meine  Herren  Kollegen  im  Vomtand, 
die  wir  unser  Ohr  sozusagen  am  Herzen  unseres  Geburtstagskindes  haben, 
glauben  sogar  ein  solches  Pulsieren  von  überschäumender  Jugend-  und  Lebens- 
kraft bei  ihm  zu  verspüren,  daß  ich  mich  beinahe  zu  dem  Ausspruch  hinreißen 
lassen  könnte,  der  Verein  habe  eben  erst  seine  Kinderschuhe  ausgetreten ! 

Sehen  Sie  sich  nur  das  Kindlein  an !  S  o  groß  war  es  bei  seiner  Geburt 
bezw.  am  Ende  seines  ersten  Lebensjahres :  diese  vier  Blättchen,  die  ich  hier 
in  der  Hand  halte  und  die  fast  nur  aus  Titelblatt  und  Mitglieder- Verzeichnis 
bestehen,  sind  der  erste  Jahresbericht  des  Frankfurter  Vereins  für 
Geographie  und  Statistik  vom  Jahre  1S37.    Vergleichen  Sie  hiermit  den  letzt- 


—    167    — 

enchieneneii  Jahresbericht  1904/1905  mit  seinem  reichen  wissenschaftlichen 
Inhalt:  er  ist  ttber  200  Seiten  stark.  Das  ist  gewiß  eine  schöne  nnd  aner- 
kennenswerte Leistung,  aber  ich  möchte  doch  nicht  behaupten,  daß  wir 
damit  schon  die  Höhe  unserer  Entwickelungsfähigkeit  erklommen  hätten. 
Brst  wenn  unsere  Publikationen  den  Umfang  von  500  Seiten  erreichen,  wenn 
unsere  Hitgliederzahl  anstatt  der  jetzigen  600  tausend  betragen  wird, 
dann  erst  dürfen  wir  vom  Eintritt  in  unser  kräftiges  Mannesalter  sprechen. 
Und  wenn  wir  —  was  ein  gütiges  Geschick  uns  noch  lange  fernhalten 
möge  —  dereinst  dazu  kommen,  dicke  Bände  von  tausend  Seiten  und  mehr 
zu  produzieren,  erst  dann  will  ich  das  als  das  erste  Symptom  beginnender 
seniler  Degeneration  gelten  lassen. 

Erwarten  Sie  darum  in  dieser  Periode  des  Aufschwungs  Ton  mir  auch 
keinen  Bückblick,  denn  die  Lust,  Bückblicke  zu  werfen,  ist  ja  ebenfalls 
so  ein  Anzeichen  herannahenden  Alters.  Nicht  zurück,  sondern  im  Gegenteil 
vorwärts  wollen  und  müssen  wir  schauen  Toller  Mut  und  Vertrauen  in 
die  nächsten  siebzig  Jahre  hinein !  Gewiß  gedenken  wir  in  hoher  Verehrung 
und  Dankbarkeit  der  Männer,  die  unsere  Gesellschaft  gegründet  und  über 
die  ersten  schwierigen  Lebensjahre  hinweg  geleitet  haben.  Aber  die  Menschen 
wandern  unter  die  Erde,  einer  nach  dem  andern,  und  der  Lebende  hat 
Becht.  Über  dem  Hügel  der  Dahingegangenen  erhebt  sich  und  steht 
dauernd  ihr  Werk  aere  perennius  nnd  uns,  der  lebenden  Generation,  liegt 
das  Eecht  und  die  Pflicht  ob,  das,  was  unsere  Väter  geschaffen,  auf  unsere 
Schultern  zu  nehmen  und  nach  besten  Kräften  weiterzuführen. 

Ich  glaube,  wir  dürfen,  ohne  unbescheiden  zu  erscheinen,  dies  Verdienst 
für  uns  in  Anspruch  nehmen.  Dieser  große  Saal,  der  fast  bei  jedem  unserer 
Vorträge  bis  auf  den  letzten  Platz  besetzt  ist,  beweist  es  uns. 

Es  ist  für  uns  ein  Zeichen,  daß  wir  uns  auf  dem  rechten  Wege  be- 
finden, daß  wir  zwischen  Wissenschaftlichkeit  und  Allgemeinverständlichkeit 
die  richtige  Mitte  zu  halten  yerstehen. 

Unsere  erste  Pflicht  heute  ist  deshalb  der  Ausdruck  des  Dankes  an 
unsere  Mitglieder  für  ihre  treue  Anhänglichkeit  und  ihre  lebhafte  Teil- 
nahme an  unseren  Veranstaltungen,  sowie  ftlr  die  geduldige  Nachsicht,  mit 
welcher  sie  auch  einmal  gelegentlich  einen  etwas  weniger  gelungenen  Vortrag 
über  sich  ergehen  lassen. 

Nicht  minder  aber  richten  wir  unseren  Dank  auch  an  unsere  B  e  d  n  e  r, 
welche  von  dieser  Tribüne  herab  uns  die  Früchte  ihrer  Arbeiten  und  For- 
schungen zugänglich  gemacht  und  hauptsächlich  dazu  beigetragen  haben, 
den  Verein  zu  seiner  jetzigen  Blüte  heraufzuführen. 

Der  Forscher,  welcher  nach  jahrelanger  mühe-  und  gefahrvoller  Arbeit 
ans  fremden  Ländern  zurückkehrt,  hat,  wie  ich  aus  eigener  Erfahrung  weiß, 
das  lebhafte  Bedürfnis,  nicht  blos  durch  Bücher  und  Schriften  vom  einsamen 
Schreibtisch  aus  seine  Besnltate  zu  verkünden,  sondern  dieselben  Aug'  in 
Auge,  von  Mund  zu  Ohr  dem  größeren  Publikum  direkt  mitzuteilen.  Als 
Sprachrohr  dienen  ihm  die  großen,  populär-wissenschaftlichen  Gesellschaften, 
und  wir  dürfen  es  mit  Stolz  hervorheben,  daß  unser  Verein  ein  gutes  Sprach- 
rohr gewesen  ist,  4aß  die  größten  und  bedeutendsten  Männer  auf  dem  Gebiete 


—    158     - 

der  Geographie  gerne  und  mit  Vorliebe  nnserm  Rufe  Folge  geleistet  hal>eii. 
Die  meisten  geographischen  Großtaten  der  lotsten  zehn  Jahre  haben  wir  aus 
dem  Munde  der  Helden  selbst  vernehmen  dürfen. 

Wir  danken  ihnen  daftlr  aufs  wärmste.  Um  diesem  Dank  anch  äoßeren, 
greifbaren  Ausdruck  zu  geben,  haben  wir  beschlossen,  denjenigen  Forschem, 
welche  sich  auf  dem  Gebiete  der  Geographie  und  Statistik,  sowie  um  unseren 
Verein  ganz  besondere  Verdienste  erworben  haben,  heute  an  unserem  Jubel- 
tage die  Ehren  und  Auszeichnungen,  über  welche  unsere  Gesellschaft 
verfügen  kann,  zu  verleihen.  Unser  Herr  Generalsekretär  wird  Ihnen  nach- 
her darüber  nähere  Mitteilung  machen. 

Und  so  heiße  ich  nun  Sie  alle,  ganz  besonders  aber  die  Vertreter 
der  uns  befreundeten  Gesellschaften  und  Vereine  und  unsere  verehrten 
Ehrengäste,  die  zum  Teil  aus  weiter  Feme  hierher  geeilt  sind,  um  den 
siebzigsten  Geburtstag  mit  uns  zu  feiern,  von  ganzem  Herzen  willkommen! 

Herr  Generalsekretär  Dr.  Traut  verkfindete  Dunmehr  die 
vom  Vorstand  aus  Anlaß  des  Jubiläums  vollzogenen  Ehrungen 
durch  folgende  Bede: 

Hochansehnliche  Festversammlung! 

Es  ist  mir  der  ehrenvolle  Auftrag  zu  teil  geworden,  Ihnen  die  Aus- 
zeichnungen kundzugeben,  welche  der  Vorstand  aus  Anlafi  der  heutigen  Feier 
zu  verleihen  beschlossen  hat. 

Auch  diesmal,  wie  bei  den  vorhergehenden  Vereinsjabiläen  hat  sich 
der  Vorstand  veranlaßt  gesehen,  einigen  Persönlichkeiten,  die  sich  um  die 
Geographie,  die  Statistik  und  die  denselben  verwandten  Wissenschaften  ein 
hervorragendes  Verdienst  erworben  haben  und  mit  denen  wir  zum  Teil  seit 
einer  Reihe  von  Jahren  die  freundschaftlichsten  Beziehungen  pflegen,  Ehrungen 
SU  verleihen.  Er  glaubte  umso  eher  mit  seiner  Anerkennung  der  Verdienste 
dieser  Männer  nicht  zurückhalten  zu  dürfen,  als  das  abgelaufene  Jahrzehnt 
in  die  Reihe  derjenigen,  die  unserem  Verein  als  Ehren-  oder  korrespondierende 
Mitglieder  angehörten,  große  und  schmerzliche  Lücken  gerissen  hat,  die  zu 
ergänzen  unser  lebhafter  Wunsch  sein  mußte.  Nicht  weniger  als  19  Ehren- 
mitglieder sind  in  dem  genannten  Zeitabschnitt  dahingeschieden.  Von 
ihnen  möchte  ich  Ihnen  nur  nennen  die  Namen:  Adolf  Bastian,  Carlo 
von  Erlanger,  Heinrich  Kiepert,  Adolf  Erik  von  Nordenskiöld, 
Friedrich  Ratzel,  Ferdinand  von  Richthofen,  Henry  Stanley,  Her- 
mann von  Wißmann,  Eugen  ZintgraS,  besonders  aber  hebe  ich  den 
Namen  unseres  unvergeßlichen  Senators  Emil  von  Oven  hervor. 

Die  neu  ernannten  Ehrenmitglieder  sind  folgende: 

Geheimer  Hofrat  Professor  Dr.  Karl  Bücher  in  Leipzig  in  Aner- 
kennung seiner  hervorragenden  Verdienste  um  die  historische  Statistik. 
Als  Verfasser  des  für  die  Wirtschaftsgeschichte  der  deutschen  Städte  wie 
insbesondere  Frankfurts  bedeutsamen  Werkes,  «Die  Bevölkerung  Frankfurts 
im  XIV.  und  XV.  Jahrhundert%  worin  er  durch  gründliche  Forschung  nut 


—    159    — 

scharfsrnniger  Methode  and  in  glänzender  Darstellung  zam  ersten  Male  die 
sozialen  Verhältnisse  der  Beyölkening  des  mittelalterlichen  Frankfurts  auf- 
klärte, hat  Karl  Bttcher  neue  Wege  zur  Erkenntnis  der  Vergangenheit  des 
deutschen  Bürgertums  gewiesen. 

Professor  Dr.  Friedrich  Delitzsch  in  Berlin ,  der  hochverdiente 
Gelehrte  auf  dem  Gebiete  der  Erschließung  von  Altbabylonien  und 
Assyrien,  der  durch  seine  lichtvollen  und  genialen  Forschungen  das  Interesse 
für  die  Anfänge  der  Kultur  des  Menschengeschlechts  neu  belebt  und  in 
die  weitesten  Kreise  hineingetragen  hat. 

Dr.  Gottfried  Merzbacher  in  Mtinchen,  bekannt  durch  sein  monu- 
mentales Werk  9 In  den  Hochregionen  des  Kaukasus''  und  seine  kühnen 
Expeditionen  bis  zu  den  höchsten,  nahezu  unbekannten  Gipfeln  des  ent- 
legenen und  schwer  zugänglichen  Tian-Schan-Gebirges,  der  nach  unendlichen 
Mühen  zum  Khan-Tengri,  dem  bisher  unerreichten  Hauptgipfel  dieses 
(Gebirges,  vordrang  und  seine  geographische  Lage  bestimmte. 

Professor  Dr.  Theodor  Petersen,  eines  der  treuesten  und  ältesten 
Mitglieder  des  Vereins,  in  Wtlrdigung  seiner  ausgezeichneten  Verdienste 
um  die  Erschließung  der  Alpen  und  seines  unablässigen  Bemühens  die 
Liebe  zur  Hochlandsnatur  in  Wort  und  Schrift,  insbesondere  auch  in 
unserer  Stadt  zu  fördern. 

Zu  korrespondierenden  Mitgliedern  wurden  ernannt: 
Der  a.  o.  Professor  an  der  Universität  Rostock  Dr.  Max  Friede- 
richsen,  verdient  um  die  Erforschung  des  zentralen  Tian-Schan  und  des 
dsungarischen   Alatau,  den   er   vor   wenigen  Jahren   als  Mitglied   einer 
rassischen  Expedition  bereist  hat. 

Der  Privatdozent  an  der  Universität  Marburg  Dr.  Karl  Oestreich, 
ein  Sohn  unserer  Stadt,  der  sich,  wie  schon  durch  seine  Forschungsreisen 
in  Albanien  und  Makedonien,  so  auf  dem  Gebiete  der  Himalaya-Forschung 
einen  ehrenvollen  Namen  erworben  und  in  diesen  letzten  Tagen  eine  vor- 
treffliche Monographie  über  die  Täler  dieses  Gebirges  veröffentlicht  hat, 
and  schließlich 

Dr.  Georg  W  e  g  e  n  e  r ,  bekannt  darch  seine  Reisen  und  wissen- 
schaftlichen Studien  in  fast  allen  Weltteilen  und  als  fesselnder  Redner 
ein  lieber  Gast  des  Vereins. 

Im  Namen  des  Vorstandes  heiße  ich  die  neuernannten  Ehren-  und 
korrespondierenden  Mitglieder  als  solche  herzlich  willkommen,  insbesondere 
begrüße  ich  zu  unserer  Freude  die  beiden  heute  hier  anwesenden  Herren 
Professor  Dr.  Petersen  und  Dr.  Oestreich. 

Sodann  habe  ich  Ihnen  noch  Kunde  zu  geben  von  der  statutenmäßig 
aas  Anlaß  des  heutigen  Tages  erfolgten  Verleihung  derRüppell-Medaillen 
fär  besonders  hervorragende  Verdienste  um  die  von  unserem  Verein  gepflegten 
Wissenschaften,  zunächst  der  Rüppell-Medaille  in  Silber.  Der  Vor- 
stand hat  diese  Auszeichnung,  welche  er,  wie  Ihnen  bekannt  ist,  bereits  im 
Voijahre  unserem  verehrten  Freund  und  Kollegen  Herrn  Hof  rat  Dr.  Hagen 
▼erliehen  hat,  dem  Leutnant  im  k.  b.  1.  Infanterie-Regiment  , König"  kom- 
mandiert zur  kgl.  Landes- Aufnahme  nach  Berlin  Herrn  Wilhelm  F  i  l  c  h  n  e  r 


—    160    — 

znerkaimt.  Herrn  Filchner  ist  es  gelungen,  in  einer  ktthnen  und  gefahrroUen, 
aber  auch  von  reichen  wissenschafilichen  Ergebnissen  gelohnten  Expedition 
einen  großen  und  anbekannt  gebliebenen  Teil  Zentral-Asiens,  Nord-Ost-Tibet, 
za  durchqueren  und  in  der  Erforschung  und  Festlegung  des  Oberlaufes  des 
Hoangho  ein  Problem  zu  lösen,  das  sich  eine  Beihe  der  hervorragendsten 
Forscher  in  den  letzten  Jahrzehnten  yergebens  zur  Aufgabe  gestellt  hatte. 
Der  kühne  Reisende,  den  Sie  schon  von  seinem  Ritt  über  den  Pamir  her 
kennen,  ist  zur  Zeit  mit  der  Ausarbeitung  seiner  Erlebnisse  und  Forschungen 
beschäftigt,  von  denen  bereits  zwei  stattliche  Werke  im  Druck  vorliegen. 
Ich  heiße  Herrn  Leutnant  Filchner,  der  heute  Abend  bei  uns  weilt,  herz- 
lich willkommen  und  überreiche  ihm  die  Rüppell -Medaille  mit  den  besten 
Wünschen.  Insbesondere  begrüße  ich  bei  uns  seine  tapfere  Gattin,  die 
ihren  Gatten  bis  an  die  Grenzen  Tibets  begleitete  und  in  Si-ning-fu  die  Er- 
gebnisse der  Expedition  durch  ihre  meteorologischen  Aufzeichnungen  und 
ihre  botanischen,  zoologischen  und  ethnographischen  Sammlungen  bedeutend 
gefördert  hat. 

Zum  Schluße  darf  ich  Ihnen,  hochverehrte  Anwesende,  Mitteilung  machen 
von  der  Erteilung  der  höchsten  Auszeichnung,  die  der  Vorstand  zu  verleihen 
im  Stande  ist,  der  goldenen  Rüppell-Medaille.  Der  Vorstand  war 
sich  nicht  lange  zweifelhaft  darüber,  welche  hervorragende  Persönlichkeit 
diesmal  für  ihn  in  Betracht  kam,  und  freudige  allseitige  Zustimmung  fand 
daher  der  Vorschlag,  mit  dieser  Medaille  den  Mann  auszuzeichnen,  der  seit 
einer  langen  Reihe  von  Jahren  zu  unseren  Ehrenmitgliedern  zählt,  zu  dem 
Verein  die  freundschaftlichsten  Beziehungen  unterhält  und  dem  wir  für  seine 
unermüdete  Teilnahme  an  den  Interessen  und  dem  Gedeihen  unseres  Vereins, 
sowie  für  seine  stete  Beratung  bei  wichtigen  Anlässen  zu  lebhaftestem  Danke 
verpflichtet  sind,  Herrn  Geh.  Begiemngsrat  und  Professor  an  der  Universität  zu 
Marburg  Theobald  Fischer.  Aber  es  galt  für  uns  mit  dieser  Auszeichnung, 
deren  Annahme  seitens  des  großen  Gelehrten  uns  selbst  am  meisten  ehrt, 
nicht  nur  unsere  Dankbarkeit  zu  bezeugen,  wir  hatten  sie  vor  allem  einem 
Manne  zu  erweisen,  der  als  einer  der  glänzendsten  Vertreter  der  Geographie 
an  deutschen  Hochschulen,  hochverehrt  und  geliebt  von  seinen  Schülern,  die 
von  ihm  gepflegte  Wissenschaft  in  universellem  Sinne  umfaßt  und  als 
Forscher  sich  die  größten  und  bleibenden  Verdienste  um  die  Kenntnis  der 
Mittelmeerländer,  insbesondere  Marokkos  erworben  hat,  das  seit  einem 
Menschenalter  den  Gegenstand  seines  eingehenden  Studiums  bildet. 

Es  gereicht  uns  zur  herzlichen  Freude,  Herrn  Geheimrat  Fischer 
heute  in  unserer  Mitte  zu  sehen  und  ihm  die  höchste  Auszeichnung  des 
Vereins  mit  herzlichem  Glückwunsch  persönlich  überreichen  zu  dürfen. 

Nachdem  die  Versammlung  ihre  Zustimmung  zu  diesen 
Ehrungen  durch  herzlichen  Beifall  zu  erkennen  gegeben  hatte, 
dankte  hierauf  Herr  Geheimrat  Professor  Dr.  Fischer  im 
eignen  Namen  wie  in  dem  der  Übrigen  vom  Verein  ausgezeich- 
neten Herren  in  folgender  warmer  und  herzlicher  Weise : 


—    161    — 

Hochgeehrter  Herr  Vorsitzender, 
hochgeehrte  Herren  vom  Vorstand  und  Mitglieder 
des  Vereins  für  Geographie  and  Statistik! 

Gestatten  Sie  mir,  daß  ich  Ihnen  sofort  ein  kurzes  Wort  des  herz- 
lichsten Dankes  sage  für  die  große  Ehrung,  die  Sie  mir  erwiesen  haben,  und 
ich  darf  vielleicht  auch  im  Namen  der  übrigen  Herren,  die  Sie  so  hervorragend 
ausgezeichnet  haben,  sprechen,  umsomehr  als  unter  den  Ausgezeichneten  sich 
drei  meiner  früheren  Schüler  befinden. 

Der  Verein  für  Geographie  und  Statistik,  mit  dessen  Geschichte  und 
mit  dessen  Geschicken  ich,  wie  der  Herr  Generalsekretär  hervorgehoben  hat, 
seit  genau  30  Jahren  aufs  Innigste  verwachsen  bin,  hat  sich  im  Laufe  der 
sieben  Jahrzehnte  seines  Daseins  einen  stetig  wachsenden  Ruf  in  der  Gelehrten- 
welt, in  den  Kreisen  der  Geographen  aller  Erdteile  erworben,  er  ist  überall  durch 
seine  wissenschaftlichen  Publikationen,  durch  seine  Mitteilungen,  die,  wie  Sie 
ij'esehen  haben,  aus  so  bescheidenen  Anfängen  hervorgegangen  sind,  bekannt 
und  geschätzt.  Es  gibt  keinen  Geographen,  keinen  Gelehrten  auf  der  Welt, 
der  es  sich  nicht  zur  höchsten  Ehre  anrechnet,  von  dem  Verein  lür  Geographie 
und  Statistik  geehrt  zu  werden.  In  diesem  Augenblick,  wo  sich  aller  Blicke 
auf  Nordwestafrika,  auf  Marokko  richten,  wo  es  scheinen  will  —  aber  es  wird 
bekanntlich  nichts  so  heiss  gegessen,  wie  es  gekocht  ist  —  als  ob  es  um  die 
Unabhängigkeit  dieses  einen  der  beiden  in  Afrika  noch  unabhängigen  Länder 
geschehen  sei,  in  diesem  Augenblick  denkt  der  Geograph  vor  allem  auch  an 
das  zweite  noch  völlig  unabhängige  afrikanische  Land,  das  ein  großer  Sohn 
dieser  Stadt,  Eduard  Rüppell,  vor  jetzt  etwa  70  Jahren  für  die  Wissenschaf t 
erobert  hat,  und  es  muß  daher  in  allen,  die  wir  durch  den  Verein  ausge- 
zeichnet worden  sind,  und  namentlich  in  den  beiden  Herren,  die  durch  die 
Küppell-Medaille  geehrt  worden  sind,  das  ernsteste  Streben  vorhanden  sein, 
jener  großen  Forscher,  die  vorher  die  goldene  Rüppell-Medaille  erhalten  haben, 
und  vor  allen  Dingen  des  Mannes  sich  würdig  zu  erweisen,  dessen  Andenken 
der  Verein  für  Geographie  und  Statistik  durch  Schaffung  dieser  Medaille 
geehrt  hat  und  für  alle  Zeiten  ehren  wird. 

Ich  gelobe,  und  ich  glaube,  mit  mir  werden  alle  Herren,  die  in  dieser 
Weise  ausgezeichnet  worden  sind,  es  ebenfalls  geloben:  wir  werden  alle 
unsere  Kräfte  dareinsetzen,  wir  werden  darnach  streben,  dadurch  dem  Verein 
ooseren  Dank  darzubringen,  daß  wir  jederzeit  dieses  großen  Forschers 
Eduard  Rüppell  uns  würdig  erweisen! 

Hierauf  folgte  die  Festrede  über  die  Fortschrittte  der 
Erdkunde  in  den  letzten  zehn  Jahren,  zu  welcher  auch  diesmal 
wie  gelegentlich  des  sechzigsten  Stiftungsfestes  unser  Ehren- 
mitglied Herr  Professor  Dr.  Siegmund  Günther  aus  München 
sich  gütigst  bereit  erklärt  hatte.  In  gewohnter  Meisterschaft  vor- 
getragen, fanden  die  Ausführungen  des  Herrn  Redners,  die  dauk 
seinem  freundlichen  Entgegenkommen  weiter  oben  (Seite  133-150) 


-     162     - 

wörtlich  zum  Abdruck  gelangt  sind,  lauten  und  anhaltenden 
Beifall  seitens  der  Zuhörer. 

An  die  Festsitzung  schloß  sich  sodann  ein  von  zahlreichen 
Damen  und  Herren  besuchtes  Festmahl  im  großen  Saale  des 
Frankfurter  Hofes  an,  welches,  durch  ernste  und  heitere 
Trinkspräche   gewürzt,    einen    stimmungsvollen  Verlauf    nahm. 

Wir  schließen  diesen  Bericht  mit  den  herzlichsten  Wünschen 
für  ein  glückliches  Gedeihen  und  eine  fruchtbringende  Tätigkeit 
unseres  Vereins  auch  in  dem  neuen  Jahrzehnt! 


Vorstand  und  Äinterverteilnng. 

(Nach  dem  Stand  vom  15.  Pebrnar  1907.) 


Vorstand. 

Vorsitzimder : 
Dr.  Adolf  von  Harnier,  kgl.  geheimer  Justizrat  und  Rechts- 
anwalt. 

Stellvertretender  Vorsitzender  : 
Dr.  Bernhard   Hagen,   groBherzoglich   badischer   Hof  rat    und 
Leiter  des  städtischen  Völkermnseums. 

Generalsekretär : 
Dr.  Hermann  Traut,  Bibliothekar  an  der  Stadtbibliothek. 

Erster  Schriftführer: 
Dr.  Hermann  Traut,  Bibliothekar  au  der  Stadtbibliothek. 

Zweiter  Schriftführer : 
Rudolf  Stern,  Privatier. 

Kassenführer : 
August  Rasor,  Kaufmann. 

Beisitzer : 
Dr.  Heinrich  Bleicher,  Professor  und  Stadtrat. 
Dr.  Theodor  Demmer,  praktischer  Arzt. 
Eugen  Grumbach-Mallebrein,  Privatier. 
Dr.  Alfred  Fritsch,  kgl.  Amtsrichter. 
Friedrich  Wilhelm  Lejeune,  Kaufmann. 
Wilhelm  Rohm  er,  Privatier. 
Franz  Rftcker,  Privatier. 


11* 


—  164  — 

Vertreter  des  Tereins  in  der  gemeinsamen  Kommission  fflr 

die  Dr.  Senekenbergisehe  Bibliotlielc 

Dr.  Friedrich  Clemens  Ebrard,  kgl.  Eonsistorialrat,  Professor 
und  Direktor  der  Stadtbibliothek. 


Beyisoren. 


Albert  Flersheim,  Kaufmann. 
Philipp  Heinz,  Kanfmann. 
Oeorg  Völcker,  Buchhändler. 


Mitglieder-Verzeichnis, 

(Nach  dem  Stand  vom  15.  Febmar  1907.) 


I.    Ordentliche  Mitglieder. 

Emilie  Abrescb,  Rentnerin.     1906. 

Dr.  Franz  A dickes,  Oberbttrg^ermeister  nnd  Mitglied  des  Herrenhauses.  1891. 

Anton  Ahrens,  Bankbeamter.     1906. 

Augnst  Albert,  Architekt.     1897. 

Heinrich  Alten,  Privatier.     1903. 

Ferdinand  Andreae,  Kaufmann.     1903. 

Alhard  Andreae-von  Grnnelins,  Kaufmann.    1893. 

Fran  Elise  Andreae-Lemm6,  Privati^re.    1894. 

Victor  Andreae-Majer,  Bankier.     1904. 

Jean  Andreae-Passavant,  kgl.  Kommerzienrat,  Präsident  der  Handels- 
kammer, Direktor  der  Filiale  der  Bank  fUr  Handel  nnd  Industrie 
und  kgl.  rumänischer  Generalkonsul.     1H93. 

Richard  Andreae-Petsch,  Bankier.     1874. 

Gottfried  Andreas,  Kaufmann.     1906. 

Julius  von  Arand,  Privatier.     1896. 

Alexander  Askenasy,  Ingenieur.     1902. 

Karl  Auffarth,  Buchhändler.     1898. 

Julius  Aurnhammer,  Kaufmann.    1904. 

Siegfried  Auwers,  kgl.  Hauptmann  und  Adjatant  der  21.  Feld- Artillerie- 
Brigade.     1906. 

Anton  BalduB,  Ingenieur.    1906. 

Gottfried  Alexander  Bansa,  Kaufmann.    1906. 

Frau  Marie  Bansa  geb.  Winckler,  Privatiöre.     1880. 

Joseph  Baer,  Stadtrat.    1897. 

Max  B  aer ,  Bankier  und  kgl.  Generalkonsul  von  Schweden  und  Norwegen.  1903. 

Simon  Leopold  Baer,  Buchhändler.    1882. 

Dr.  Karl  Bardorff,  praktischer  Arzt.     1 864 . 

Karl  Th.  B  a  r  t  h  e  1 ,  Kaufmann.    1900. 

Jacob  de  Bary,  kgl.  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1901. 

Karl  de  Bar y,  Privatier.    1889. 

Heinrich  de  Bary-Jeanrenaud,  Bankier.    1888. 


—    166     - 

Apollonias  von  Baamgarten,  kaiserl.  rassischer  Kammerherr  and  General- 

konsal,  wirklicher  Staatsrat,  Exzellenz.    1903. 
Alexander  Bau  nach,  Fabrikant  and  kgl.  spanischer  Vizekonsul.     1904. 
Dr.  Hans  Becker,  kgl.  Amtsrichter.    1902. 

Dr.  Beckmann,  kgl.  geheimer  Regierangsrat  und  Landrat  in  Usingen.  1900. 
Frau  Carl  Behrends.    1906. 
Robert  Behrends,  Ingenieur.    1898. 
Karl  Elias  Behrendt,  Privatier.     1897. 
Eduard  Beit,  kgl.  Rommerzienrat  und  Bankier.     1903. 
Dr.  Alexander  Berg,  Rechtsanwalt.    1904. 
Heinrich  Berg,  Kunsfgärtner.     190B. 
Moritz  Bern  er,  kgl.  Hauptmann  und  Kompagnie -Chef  im  1.  knrhessischen 

Inf. -Reg.  No.  81.    1900. 
Karl  Best,  Kaufmann.    1902. 

Paul  Oskar  Bethge,  Oberlehrer  an  der  Humboldtschule.    1906. 
Karl  Beyerbach,  Kaufmann.    1887. 
Konrad  Bin  ding,  Privatier.     1903. 
Frau  Joseph  Binge,  Justizratswitwe.    1904. 
Sigmund  Blank,  Privatier.     1906. 
Ludwig  Adolf  Blascheck,  Kaufmann.     1900. 
Dr.  Heinrich  Bleicher,  Professor  und  Stadtrat.     1890. 
E.  H.  Blumenthal,   Fabrikant  und  Generaldirektor  der  Motorenfabrik  in 

Oberursel.     1906. 
Ferdinand  Bodesheim,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Wilhelm  B  o  1 1  e  r ,  Oberlehrer  an  der  Klinger-Oberrealschule.     1899. 
Wilhelm  B.  B  o  n  n ,  Bankier.     1886. 
Karl  Borgnis,  Bankier.     1901. 
Frl.  Friederike  Bourgignon,  Privatiere.    1900. 

Otto  Braunfels,  kgl.  Kommerzienrat,  Bankier  u.  kgl.  spanischer  Konsul.  1904. 
Ferdinand  Breuer,  Kaufmann.     1906. 
Otto  Brockmann,  städt.  Landmesser.     1906. 
Franz  Brofft,  Bauunternehmer.     1878. 
Wilhelm  Bröll,  Kaufmann.     1896. 
Richard  Brück,  Rechtsanwalt.     1906. 
Wilhelm  Buckel.     1903. 
Adolf  Bühler,  Hofmetzgermeister.     1904. 
Dr.  Julius  B  u  r  g  h  0 1  d ,  Rechtsanwalt.     1899. 
Adolf  Freiherr  von  Büsing-d'Orville,  Rentner.     1892. 
Alfred  Cahn,  Bankprokurist.     1903. 
Heinrich  Cahn-Blumenthal,  Bankier.     1903. 

Hermann  von  Chappuis,  kgl.  Generalleutnant  z.  D.,  Exzellenz.     1901. 
Carl  Clemm,  Privatier.     1906. 

Franz  Egon  C 1  o  1 1  e  n  ,  Kaufmann  und  Ingenieur.     1901. 
Frl.  Collischonn.     1903. 
Frau  Maria  Collischonn.     1906. 
Carl  Co  est  er,  Privatier.     1906. 
Wilhelm  Coustol-Breul,  Kaufmann.     1884. 


—     167    — 

Karl  Gramer,  Eanfmann.    1902. 

Hermann  Oreatzer,  Inspektor  der  Providentia.     1903. 

Alfred  Magnus  Cristiani,  Optiker.     1906. 

Dr.  Hugo  C  u  e  r  s  ,  Professor.     1903. 

Dr.  Dietrich  Cnnze,  Fabrikbesitzer.     1890. 

Dr.  Theodor  Curti,  Direktor  der  Frankfurter  Zeitung.     1904. 

Max  Emil  Dann,  Kaufmann.    1906. 

Gottfried  Daube,   Kaufmann.     1893. 

Dr.  Kurt  Daube,  kgl.  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1889. 

Dr.  Emil  Decker t,  Professor  an  der  Akademie  fUr  Sozial-  und  Handels- 
wissenschaften.    1906. 

Clemens  Delkeskamp.  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Robert  D  e  1  o  s  e  a ,  praktischer  Arzt.     1877. 

Dr.  Theodor  D  e  m  m  e  r ,  praktischer  Arzt.     1896. 

Emil  Deussen,  Rentier.     1883. 

Oskar  von  Deuster,  Rentier.     1886. 

Carl  Dickhaut,  Kandidat  des  höheren  Lehramts.     1906. 

Richard  Diener,  Kaufmann.     1904. 

Dr.  Friedrich  Dieterich,  Rektor  a.  D.     1906. 

Friedrich  Dieterichs,  Apotheker.     1900. 

Hermana  D  i  e  t  z  e  ,  Privatier.     1899. 

Ferdinand  Dilthey,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Ernst  Doctor,  praktischer  Arzt.     1903. 

Karl  Philipp  Donner,  Kaufmann.     1871. 

William  W.  Drory,  Direktor  der  Englischen  Gasfabrik.     1874. 

August  Du  Bois,  Bankier  und  Konsul  der  Schweizerischen  Eidgenossen- 
schaft.   1888. 

Dr.  Friedrich  E  b  e  n  a  u ,  praktischer  Arzt  und  Chefarzt  der  chirurgischen 
Abteilung  des  Bürgerhospitals.     1893. 

Friedrich  Eckhard,  Privatier.     1902. 

Georg  Egly-Manskopf,  Kaufmann.     1903. 

D.  Dr.  Rudolf  Ehlers,  kgl.  Ober-Konsistorialrat,  Pfarrer  der  deutsch-evange- 
lisch-reformierten  Gemeinde.     1906. 

Stefan  Ehr  mann,  Kaufmann.     1903. 

Hermann  von  Eichhorn,  kgl.  General  der  Infanterie  und  kommandierender 
General  des  XVIII.  Armeekorps,  Exzellenz.     1904. 

Dr.  Wilhelm  Eid  mann,  Chemiker  in  Griesheim.     1906. 

Gustav  von  Einem,  kgl.  Senatspräsident  am  Oberlandesgericht.     1906. 

Fritz  Eisele,  Dekorationsmaler.    1903. 

Leo  Ellinger,  Kaufmann.    1893. 

Moritz  Adolf  Ellissen,  Kaufmann.     1884.     (f) 

Frau  Louis  E  n  d  e  r  s  Witwe.     1899. 

Hermann  Engel,  kgl.  Kriegsgerichtsrat.     1903. 

Fritz  Engel-Kaysser.    1903. 

Otto  Engelhard,  Fabrikant  in  Hofheim.     1906. 

Frau  Luise  Engelhard-Fay,  Privatiöre.     1899. 

Friedrich  Engler,  Kaufmann.    1897. 


—     168    — 

Jakob  Hermann  Epstein,  Kaufmann.    1879. 

M.  E  p  t  i  n  g ,  Direktor  in  Höchst.     1903. 

Frau  Baronin  Lndwig  von  Erlanger  in  Niederingelheiin.     1901. 

Wilhelm  Freiherr  von  Erlanger  in  Niederingelheim.    1900. 

Frau  Josefine  Etienne  geb.  Willemer,  Privatiere.     1897. 

Luise  Eulenstein,  geb.  Sauerwein,  Privatiere.     1906. 

Christian  Ewald,  Lehrer  an  der  Weißfrauenschule.     1904. 

Wilhelm  Eysen,  Privatier.     1906. 

Frau  Emma  Eyssen,  Privatiere.     1906. 

Remy  Eyssen,  Privatier.     1875. 

Frau  Alexandrine  Eyssen-  Du  Bois,  Privatiere.     1885. 

Robert  Falke,  kgl.  Militär-Oberpfarrer  des  XVIIL  Armeekorps.     1906. 

Frl.  Victoria  Favre,  Privatiere.     1903. 

Dr.  Adolf  Fester,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1903. 

Frau  Fides  Fiedler-Kalb,  Privatiere.     1903. 

Kurt  Fischer,  Kaufmann.     1906. 

Ludwig  Fischer,  Privatier.    1906. 

Robert  Fl  au  aus,  Privatier.     1895. 

Frau  Cornelia  Fleck  geb.  Kaiser,  Amtsger  ich  tsratswitwe.     1904. 

Albert  Flersheim,  Kaufmann.     1878. 

Robert  Flersheim,  Kaufmann.     1871. 

Wilhelm  F 1  i  n  s  c  h ,  kgl.  Kommcrzienrat.     1890. 

Qustav  Flörsheim,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Richard  Fösser,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1882. 

Albert  Frech,  Kaufmann.    190(i. 

Frau  Mina  Frenzel,  Privatiere  in  Eschersheim.     1904. 

Dr.  Philipp  Fresenius,  Apotheker.     1875. 

Dr.  Peter  Frey,  Zahnarzt.     1900. 

Richard  F  r  i  e  d  e  r  i  c  i ,  kgl.  Landgerichtsrat.     1906. 

Anna  Friedlebeii-Martin,  Doktorswitwe.     1906. 

Heinrich  Friedmann,  Kaufmann.    18%. 

Dr.  Alfred  Fritsch,  kgl.  Amtsrichter.    1893. 

Frau  Mathilde  Fritsch  geb.  Eyssen,  Sanitätsratswitwe.     1905. 

Dr.  Theodor  von  Fritzsche,  Fabrikbesitzer.     1874. 

Friedrich  Fuchs,  Kaufmann.    1906. 

Konrad  Fuchs,  Kaufmann.    1901. 

Franz  Fuchs-Siesmayer,  Kaufmann.     1906. 

Karl  Funck,  Kaufmann.    1896. 

Dr.  Alfred  Fürth,  kgl.  Landrichter.     1907. 

Bruno  Gabler,  kgl.  Landgerichtsrat.     1903. 

Karl  Gallo,  kgl.  Regiernngsrat.    1903. 

Adolf  Gans,  Kaufmann.     1897. 

Friedrich  Gans,  Fabrikbesitzer.     1888. 

Dr.  Leo  Ludwig  Gans,  kgl.  geheimer  Kommerzienrat  und  Fabrikbesitzer.  1886. 

Charles  Gemmer,  Privatier.    1904. 

Dr.  Eduard  Gent  seh,  Oberlehrer  am  Wöhler-Realgymnasium.    1903. 

Dr.  Carl  Ger  lach,  praktischer  Arzt.     1906. 


—    169    — 

Moritz  Getz.    1899. 

Karl  Gneist,  kgl.  Major  im  1.  karhessiscben  Inf.-Reg.  No.  81.     1891). 

Harry  Goldschmidt,  beeidigter  Wechselsensal.     1888. 

Frau  Bella  Goldschmidt-Kirchbeim,  Rentnerin.     1903. 

Maximilian  von  Goldscbmidt  -  Rothschild,  k.  u.  k.  österreichisch- 
ungarischer   Generalkonsul.     1901. 

Johann  Gol lasch,  Apotheker  in  Griesheim.     1904. 

Frau  Clara  Goeschen  geb.  Keyl,  Priyatiere.    1903. 

Heinrich  Göz,  Professor  und  Oberlehrer  am  Wöhler-Realgymnasium.    1903. 

Louis  Greb,  Architekt.     1903. 

Ernst  Grieser,  Buchdruckereibesitzer.     1904. 

Dr.  Otto  Grofi,  praktischer  Arzt.    1904. 

Dr.  Friedrich  Großmann,  Oberlehrer  an  der  Klinger-Oberrealschnle.    1900. 

Eugen  Grumbach-Mallebrein,  Privatier.     1902. 

Konrad  Grumbach-Petsch,  Privatier.     1903. 

Adolf  von  Grunelius,  Bankier.     1871. 

Eduard  von  Grunelius,  Bankier.     1871. 

Max  von  Grunelius,  Bankier.     1904. 

Heinrich  Gunsenheimer,  kaiserl.  Postdirektor.     1903. 

Alfred  Günther,  Architekt.     1901. 

Frl.  Helene  Günther,  Privatiere.     1895. 

Karl  Haack,  Kaufmann.     1904. 

I>r.  Hermann  Haag,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Direktor  der  Frank- 
furter Hypothekenbank.     1883. 

Frau  Luise  Haag  geb.  Mettenheimer,  Privatiere.     1904. 

Frl.  Josefine  Haas.    190G. 

Dr.  Justus  Haeberlin,  kgl.  Justizrat  und  Rechtsanwalt.    1870. 

Georg  Haeckel,  kgl.  Militär-Intendanturrat.     1906. 

Dr.  Bernhard  Hagen,  großherzogl.  badischer  Hofrat  und  Leiter  des  städtischen 
Yölkermuseums.    1900. 

Heinrich  Hahn.     1906. 

Otto  Hahn,  Kaufmann.     1901. 

Frau  Regina  Hahn-Goldschmidt.     1902. 

Charles  L.  Hallgarten,  Kaufmann.     1884. 

Karl  Hamburg,  Privatier.    1900. 

Dr.  Karl  Hamburger,  kgl.  geheimer  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar. 
1871. 

Philipp  H  an  hart,  Kaufmann.     1897. 

Fritz  Happel,  Privatier.     1902. 

Dr.  Adolf  Harbordt,  kgl.  Sanitätsrat,  praktischer  Arzt  und  Chefchirurg 
des  Hospitals  zum  heiligen  Geist.     1895. 

Oeorg  Harig,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Adolf  von  Harnier,  kgl.  geheimer  Justizrat  und  Rechtsanwalt.    1882. 

Dr.  Eduard  vonHarnier,  kgl.  geheimer  Justizrat  und  Rechtsanwalt.    1871. 

Eugen  Hartmann-Kempf,  Professor  und  Ingenieur.     1898. 

Franz  Hasslacher,  Patentanwalt.     1880. 

Alexander  Haack,  Bankier.    1881. 


—     170    — 

Max  Haack,  Bankier.    1901. 

Otto  Hau ck- von  Metzler,  Bankier.     1893. 

Frau  Johanna  Hechte  1  geb.  Schmidr,  Trivatiere.     1899. 

Rudolf  He  er  dt,  Direktor  der  Frankfurter  Sparkasse.     1893. 

Karl  Heicke,  städt.  Gartendirektor  1905. 

Angnst  Heimpel-Manskopf.  Kaufmann.     1892. 

Philipp  Heinz,  Kaufqiann.    1879. 

H.  H  eist  er,  Kaufmann.     1903. 

Heinrich  Heitefuß,  Kaufmann.     1904. 

Frau  Mina  Held  geb.  Hausser,  Privati^re.     1875. 

Heinrich  Ernst  Hemm  er  ich,  kgl.  Major  a.  D.     1892. 

Wilhelm  Hemm  er  ich,  kgl.  Hauptmann  und  Kompagnie-Chef  im  1.  kurhes- 
sischen Inf.-Reg.  Nr.  81.     1902. 

Felix  von  Herget,  Kaufmann.    1906. 

Karl  Herrmann,  kgl.  Rechnungsrat.     1903. 

Qeorg  Hertzog,  Privatier.     1902. 

Karl  Herzberg,  Bankdirektor  und  Konsul  der  mexikanischen  Republik.  1904. 

Frau  L.  Herzfeld.     1906. 

August  Heß,  Apotheker.     1904. 

Dr.  Jakob  Heinrich  Heß,  Chemiker  in  Griesheim.     1902. 

Dr.  Georg  Hesse,  praktischer  Arzt.    1902. 

Dr.  Lucas  vonHeyden,  kgl.  Major  a.  D.  und  Professor.     1867. 

Georg  von  Heyder,  Privatier.     1891. 

August  Hinke  1,  Ingenieur.    1902. 

Hermann  Hinüber,  Lehrer.     1906. 

Otto  Hirsch,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Raphael  Hirsch,  praktischer  Arzt  und  Zahnarzt.     1903. 

Heinrich   Hobrecht,  Kaufmann.     1882 

Otto  Höchberg,  Kaufmann.     1877. 

Zachary  Hochschild,  Direktor  der  Metallgesellschaft.     1893. 

Dr.  Ernst  Hochstädter,  Rechtsanwalt.     1906. 

Willy  Heinrich  Hof  er,  Kaufmann.     1906. 

Adolf  Hoff,  Kaufmann.     1903. 

Alfred  Hoff,  Kaufmann  und  kgl.  serbischer  Vizekonsul.    1905. 

Paul  Hoffmann-Ebner,  Fabrikant.     1884. 

Dr.  Franz  Höfler,  Professor  und  Direktionsgehilfe  an  der  Klinger-Ober- 
realschule.    1898. 

Dr.  Moritz  H  o  f  m  a  n  n ,  Rechtsanwalt.     1902. 

Otto  Hofmann,  Rentier.    1906. 

Richard  Hof  mann,  Kaufmann.     1891. 

Moritz  Wilhelm  Hohenemser,  Bankier.     1901. 

Dr.  Willy  Hohenemser,  Chemiker.     1903. 

Frau  von  Holbach,  Majorsgattin.    1906. 

Frau  Dora  Holland  geb.  Gerson,  Privati^re.    1897. 

Georg  Holtzwart,  Kaufmann.     1903. 

Hermann  Holz,  Kaufmann.    1903. 

Wilhelm  Holz,  Kaufmann.     1903. 


—    171    — 

Leo  Holzmann.  Kunmakler.    1906. 

Louis  Hoerle,  Privatier.     1875. 

Philipp  Alexander  Julins  Hoerlc,  KatifinaDn.     1903. 

Hans  Hörn,  Lehrer.     1906. 

Georg  Horstmann,  Zeitangsverleger.     1897. 

Franz  von  Hoven,  kgl.  Baarat.     1906. 

Frau  Josephine  Hüllstrung  geb.  Daberkow,  Rentnerin.     1893. 

Dr.  Gustav    Adolf  Humser,      kgl.  geheimer   Justizrat,    Rechtsanwalt   und 

Notar.    1871. 
Friedrich  Hungsberg,  kgl.  Rechnungsrat.     1906. 
Adolf  Hüttenbach,  Kaufmann.     1903. 
Heinrich  Hüttenbach,  Kaufmann.     1904. 
Frau  Susette  Ihlee  geb.  Andreae,  Privatiere.     1903. 
Frau  Marie  Ihm  geb.  Rittner,  Privatiere.     1898. 
Leo  Isaac,  Bankier.    1903. 
Frau  Dr.  H.  Jacobi  in  Griesheim.     1906. 
Norbert  Jacobi,  Ingenieur-  und  Bureauvorsieher  des  städtischen  Elektrizi- 

täts-  und  Bahnamtes.     1906. 
Hermann  Jacquet,  Rentner.     1897. 
Gustav  Jaff6,  Rechtsanwalt.     1903. 

Dr.  Theophil  J  a  f  f  6 ,  kgl.  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1898. 
Fritz  Jäger-Manskopf ,  Kaufmann.     1892. 
Dr.  August  J  a  8  s  0  y ,  Apotheker.     1901. 
Louis  Jay,  Rentner.     1901. 

Frau  Sophie  C.  Jay  geb.  Pickersgill,  Rentnerin.    1901. 
Dr.  Friedrich  J  e  1  k  m  a  n  n ,  Tierarzt  I.  Kl.    1900. 
Dr.  Oscar  Jonas,  Chemiker  in  Griesheim.    1903. 
Frau  L.  M.  Jordan  de  Rouville,  Bankierswitwe.     1904. 
Dr.  Fritz  Jucho,  Kaufmann.     1903. 
Dr.  Heinrich  Jucho,  Rechtsanwalt.     1906. 
Dr.  Rudolf  Jung,  Direktor  des  Stadtarchivs.     1904. 
Frau  Emy  Jung^  geb.  Fritsch,  Kaufmannswitwe.     1902. 
Otto  Junghanss,  Fabrikbesitzer  in  Johannisberg  im  Rheingan.     1899. 
£duard  Jungmann.  Kaufmann.    1896. 
Gustav  Junker,  Direktor  der  Martins-Missionsanstalt.    1906. 
Hermann  Kahn,  Kaufmann.     1871. 
Richard  Kahn-Freund,  Fabrikant.     1900. 
Frau  Klara  Kalb  geb.  Faust,  Privatiere.     1904. 
Leonhard  Kalb,  Privatier.     1897. 
Moritz  Kalb,  Privatier.     1902. 
Bernhard  Kamel,  Kaufmann.    1894. 
Hermann  Katz,  Kaufmann.     1897. 
Frau  M.  Kaysser,  Privatiere.    1902. 
August  Keller,  Buchhändler.     1901. 
Otto  Keller,  Bachhändler.    1890. 
Frl.  Emma  Kern,  Privatiere.    1906. 
Otto  Key!,  kgl  Oberkriegsgerichtsrat.    1902. 


—     172     — 

Frau  Emma  Kirchberg  geb.  Nenbürger,  Privati^re.     19<)8. 

Raphael  M.  Kirchheim,  Baokier.     1903. 

Dr.  Simon  Kirchheim,  praktischer  Arzt  und  C-hefarzt  des   israelitischen 
Gemeindehospitals.     1875. 

Willi  A.  Klein,  Kaufmann.     1904. 

Franz  von  Klenck,  kgl.  Major  und  erster  Adjutant  des  Generalkommandos 
des  XVIII.  Armeekorps.     1906. 

Karl  K  lim  seh,  Kunstmaler.    1904. 

Frl.  Paula  Klotz.     1903. 

Fritz  Knauer.     1904. 

Jean  Knauer,  Buchdruckereibesitzer.     188(). 

Hermann  Knecht.    1906. 

Louis  Koch,  Hof  Juwelier.    1904. 

Hermann  Köhler,  Bankier.     1897. 

Karl  Kohn,  Direktor  der  Frankfurter  Gasgesellschaft.     1903. 

Karl  Kolb,  Kaufmann.     1879. 

Adolf  Kolligs,  Kaufmann.     1906. 

Heinrich  Freiherr  von  Königs  warter,   Rentier.     1897. 

Emmeline  K  o  n  i  n  g  geb.  Reiser,  Professorswitwe.     1906. 

Oskar  K  ö  n  i  t  z  e  r ,  Privatier.     1902. 

Frau  Anna  Korn  geb.  Dollmann,  Privatiere.     1903. 

Jakob  Kothe,  Schreinereibesitzer.     1891. 

Karl  Kotzenberg,  Kaufmann.     1903. 

Joseph  Kowarzik,  Bildhauer.     1897. 

Adolf  Kr  äfft,  Kommerzienrat  in  Offenbach.     1903. 

Dr.  Robert  Kramer,  praktischer  Arzt.     1906. 

Georg  Kranz,  Privatier.     1906. 

Dr.  Karl  Kratz,  Chemiker  in  Mainkur.     1906. 

Wilhelm  Kratz,  Kaufmann.     1903. 

Dr.  Alois  Kraus,  Oberlehrer  an  der  städt.  Handelslehranstalt  und  Privat- 
dozent an  der  Akademie  ftir  Sozial- und  Handelswissenschaften.  1903. 

Frl.  von  Krause.     1906. 

Rudolf  Krauß6,  Rentner.     1903. 

Hermann  Kreutzer,  Privatier.     1906. 

Frau  Klara  Kreuzberg.    1905. 

Eduard  Küchler  jiin.,  Fabrikbesitzer  in  Rödelheim.    1903. 

Eduard  K Hehler  sen.,  Privatier.     1888. 

Karl  Küchler,  Kaufmann.     1893. 

Konrad  Adolf  Kugler,  Kaufmann.     1906. 

Karl  Künkele,  Kaufmann.     1901. 

Dr.  Friedrich  Kurtz,  praktischer  Arzt.     1901. 

Theodor  Kurz,  Kaufmann.     1906. 

Frau  Emma  Kyritz  geb.  Hagen,  Privatiere.     1899. 

Alfred  Kyritz-Drexel,   Kaufmann.     1897. 

August  Ladenburg,  Bankier.    1902. 

Ernst  Ladenburg,  kgl.  Kommerzienrat  und  Bankier.     1897. 

Willy  Lampe,  Schneidermeister.     1901. 


—    173    — 

Dr.  Julius  Lang,  Chemiker  und  Direktor  in  Griesheim.     1903. 

Frau  Gabriele  von  Lang-Puchhof  geb.  Freiin  von  Reischach,  Reotnerin. 

1901. 
Karl  Langenbach,  Kaufmann.    1904. 
Dr.  Benno  La  quer,  praktischer  Arzt  in  Wiesbaden.    1902. 
Dr.  Otto  Lauf! er,    Direktorial- Assistent   am   städt.  Historischen   Museum. 

1904. 
Georg  Lausberg,  Kaufmann.    1906. 
Frau  Sophie  Charl.  Lausberg,  Kaufmannswitwe.    1906. 
Franz  Lauth-Becker.    1903. 
Alfred  Lejeune,  Kaufmann.    188Ö. 
Friedrich  Wilhelm  Lejeune,  Kaufmann.     1906. 
Franz  Lemm6,  Kaufmann.     1903. 
Toni  Freiherr  von  Lersner,  kgl.  AmtsanwaU.     1906. 
Georg  Leschhorn,  Privatier.    1890. 
Adolf  Levi,  Kaufmann.    1906. 
Adolf  Levi,  Kaufmann.    1906. 
Leopold  Levi,  Kaufmann.     1907. 
Dr.  Otto  Lindenmeyer,  Augenarzt.  1904. 
Georg  Lindheimer,  Kaufmann.    1903. 
Wilhelm  Lindheimer,  Domänen pächter.     1902. 
Frl.  Rosa  Livingston,  Privatiere.    1884. 
Frau  Anna  L  Ö  f  f  1  e  r  geb.  Rttcker,  Regierungsratswitwe.     1902. 
Frau  Luise  L  o  r  e  y  geb.  Roeder,  Doktorswitwe,  Privatiere.     1906. 
Hedwig  Lösen  er,  Regierungsratswitwe.    1906. 
Dr.  Hugo  Lotz,  kgl.  Gerichtsassessor.    1903. 
Adam  Ludwig,  Privatier.    1903. 
Frau  Richard  Ludwig.     1904. 
Ferdinand  Haas,  Privatier.    1875. 
Dr.  Ludolf  Maas,  wissensch.  Assistent  des  Statistischen  Amtes  der  Stadt. 

1903. 
Robert  Mack,  Kaufmann.     1894. 
John  M.  Mackenzie,  Kaufmann.     1902. 
Johannes  Magdalinski,  Kaufmann.    1903. 
Dr.  Ernst  Mai  er,  praktischer  Arzt.    1906. 
Alexander  Major,  Bankier.    1906. 
Frau  Helene  Manskopf  geb.  Keßler,  Rentnerin.     1903. 
Heinrich  Mappes,  kgl.  sächsischer  Generalkonsul  und  Konsul  von  Brasilien. 

1888. 
Gustav  Marburg,  Kaufmann.    1903. 
Dr.  Karl  Marx,  praktischer  Arzt.    1906. 
Alexander  Matthes,  Kaufmann.    1900. 
Adam  May,  Fabrikant.    1890. 
Dr.  Franz  May,  Fabrikant.    1895. 
Martin  May,  Fabrikant.    1884. 
Robert  May^  Kaufmann.    1893. 
Ludo  Mayer,  Fabrikbesitzer.    1904. 


—    174    — 

Albert  Mayser,  Kauf  mann.    1903. 

Frau  Heister  geb.  Haaswald,  Privatiöre.    1904. 

J.  F.  M  e  i  X  n  e  r ,  Arcbitekt.     1906. 

Friedrich  M eiber,  Kaufmann  und  Konsul  der  chilenischen  Republik.    1903. 

Wilhelm  M  er  ton,  Kaufmann.    1888. 

Julius  Wilhelm  Merz,  Professor.     1899. 

Theodor  Mettenheimer-Breul,  Kaufmann.     1901. 

Eduard  Metzener,  kgl.  geheimer  Regierungsrat  a.  D.    1891. 

Hugo  Metzler,  Bankier.    190'). 

Karl  Metzler.    1903. 

Albert  von  Metzler,  Bankier,  Stadtrat  u.  kgl.  bayrischer  Generalkonsul, 
Mitglied  des  Herrenhauses.    1893. 

Dr.  Paul  Meyer,  kgl.  Oberregiernngsrat.    1903. 

Frau  Dr.  Rosa  vonMeyer  geb.Vielhauer  vonHohenhau,  Professorswitwe.  1889. 

Emil  Michel-Speltz,  Privatier.     1906. 

Heinrich  J.  F.  Minoprio,  Bankier.     1903. 

Beinhold  von  Mohrenschildt,  Chemiker  in  Griesheim.     1906. 

Franz  Moldenhauer,  Ingenieur.     1902. 

Fritz  Mönch,  Kaufmann  in  Offenbach.    1892. 

Eduard  Morel,  Kaufmann.    1884. 

Wilhelm  Mössinger,  Kaufmann.     1906. 

Frl.  Helene  Müller,  Privati^re.     1885. 

Wilhelm  Mttller,  Kaufmann.     1899. 

Frau  Susette  Mttller-Kolligs,  Rentiere.     1897. 

Frau  Emma  Mumm  von  Schwarzenstein  geb.  Passavant.     1876. 

Frl.  Marie  Mumm  von  Schwarzenstein,  Privatieie.     1902. 

Dr.  Max  Nassauer,  Chemiker.    1906. 

Dr.  Edmund  Naumann,   Direktor  der  Zentrale  für  Bergwesen.    1899. 

Andreas  Neander,  Kaufmann.     1903. 

Ludwig  Neher,  kgl.  Baurat.     1893. 

Dr.  Max  Neißer,  Professor  und  Mitglied  des  kgl.  Instituts  für  experimen- 
telle Therapie.    1903. 

Richard  Nestle  jun.,  Kaufmann.     1893. 

Curt  Netto-Nothwang,  Professor  und  Ingenieur.     1903. 

Dr.  Otto  Neubürger,  praktischer  Arzt.     1906. 

Robert  de  Neufville,  Kaufmann.     1897. 

Adolf  von  Neufville,  Bankier.     189Ö. 

Karl  von  Neufville,  Bankier  und  Generalkonsul  a.  I).    1904. 

Hermann  Ochs,  Privatier.     1884. 

Franz  Oechsler,  Kaufmann.     1906. 

Gustav  Eduard  Oehler-Denner,  Buchhändler.     1906. 

Dr.  Hermann  Oelsner,  kgl.  Jnstizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1903. 

Frau  Juliette  Oplin  geb.  Godchaux.  Privatiere.     1875. 

Hermann  Oppenheim,  Kaufmann.    1873. 

Moritz  Oppenheim,  Kaufmann.     1887. 

Francis  Oppenheimer,  kgl.  großbritannischer  Generalkonsul.     1900. 

Karl  Oppermann,  Privatier.     1904. 


—    175    — 

Dr.  Karl  Oppermann,  Oberlehrer  a.  D.  and  Gütsbesitzer  in  Niederjoßbach 

bei  Eppstein.    1887. 
Frl.  Adele  Osterrieth,  Privati^re.     1904. 
Heinrich  Ostertag,  Kanfmann.    1906. 
Lndwig  Oestreich,  Lehrer  a.  D.    1869.    (f) 
Dr.  Henry  Oswait,  kgl.  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1871. 
Frau  L.  Overhamm  geb.  Hilf.     1899. 

Dr.  Alexander  Pagenstecher,  Chemiker  in  Mainknr.     190o. 
Juhann  Friedrich  Pahl,  Kanfmann.     1904. 
Frl.  Elsie  Pal  mar,  Pensions-Inhaberin.     1906. 
Dr.  Alfred  Parrisias,  Bankdirektor.     1903. 
Anglist  Parrot,  Privatier.    1892. 
Philipp  Passavant,  Kaufmann.    1901. 

Hermann  von  Passavant,  Kaufmann  und  kaiserlich  japanischer  Honorar- 
konsul.   1901. 
Richard  von  Passavant,  kgl.  Kommerzienrat.    1889. 
Ilax  Panlsen,  kgl.  Ober- Telegraphen-Assistent.    1906. 
Dr.  Eduard  Pelissier,  Professor  und  Oberlehrer  am  Lessing  -  Gymnasium 

1882. 
Karl  Peters-Frensdorff ,  Kanfmann.     1906. 

Dr.  Theodor   Petersen,    Professor   und   erster   Vorsitzender   der   Sektion 
Frankfurt   am   Ilain   des   Deutschen  und  Österreichischen   Alpen- 
vereins.   1871. 
Franz  Petry,  Kaufmann.     1906. 
Eduard  Petsch-Manskopf ,  Privatier.     1900. 
Frau  Dr.  Hertha  Pfefferkorn  geb.  Kessler.     1854. 
Christian  Wilhelm  Pf eif f er-Belli,  Rentner.    1883. 

Dr.  Arthur  Pfungst,  Chemiker.     1889. 

Lucien  Picard,  Bankier.    1906. 

Dr.  Gustav  Pistor,  Chemiker  in  Griesheim.     1904. 

Theodor  Plieninger,  Direktor  der  chemischen  Fabrik  Griesheim- Elektron. 
1906. 

Wilhelm  Pohl  mann,  Kaufmann.     1897. 

Karl  Pollitz,  Kursmakler.     1902. 

Moritz  Ponfick-Salom6,  kgl.  Kommerzienrat.     1897.     (f) 

Dr.  Eduard  Posen,  Fabrikant.     1894. 

Sidney  Posen,  Fabrikant.     1883. 

Dr.  Wilhelm  Posth,  Chemiker  in  Griesheim.    1903. 

Hermann  Quincke,  kgl.  Landgerichtsdirektor.    1902. 

Dr.  Otto  Rang,  kgl.  Oberlandesgerichtsrat.    1903. 

Gustav  Rasche,  Kaufmann.     19U6. 

August  Rasor,  Kaufmann.     ISiK). 

Walther  vom  Rath,  Rentner.     1897. 

Emil  Rau,  Kaufmann.     1901. 

Simon  Ravenstein,  Architekt.     1871. 

Dr.  Ludwig  Rehn,  Professor  und  Oberarzt  der  chirurgischen  Abteilung  des 
städtischen  Krankenhauses.    1900. 


—    176    — 

Frl.  Anna  Reichard.     1901. 

Fritz  Reichard.    1906. 

Frl.  M.  Reichard.    1903. 

Gottlieb  Reichard-Frey,  Kaufmann.  1900. 

Angnst  Reichard-Marbnrg.  Kaufmann.    1877. 

Leopold  Reiss.  Prokurist.    1896. 

Dr.  Paul  Reiss,  kgl.  Jastizrat  und  Rechtsanwalt.     1886. 

Otto  Renner,  Kaufmann.    1906. 

Ferdinand  Richard,  Kaufmann.     1881.    (f) 

Dr.  Alexander   Riese,   Professor.     1897. 

Max  Rikoff,  Privatier.     1892. 

Frau  Susanna  Rikoff  geb.  Rindskopf,  Privatiere.     1874. 

Frl.  Kathinka  Rode,  Lehrerin.    1898. 

Dr.  Paul  Roediger.  Rechtsanwalt  und  Direktor  der  Metallgescllschaft.  1893. 

Karl  Roger,  Direktor  der  Filiale  der  Bank  für  Handel  und  Industrie.  1890 

Wilhelm  Rehmer,  Privatier.     1900. 

Dr.  Fritz  Römer,  Direktor  des  Senckenbergischen  naturhistorisehen  Museums. 

1907. 
Heinrich  Römheld,  Kaufmann.     1900. 
Dr.  Emil  Rosenbaum,  praktischer  Arzt.    1906. 
Alfred  Rosenthal,  Kaufmann.     1903. 
Dr.  Rudolf  Rosenthal,  Rechtsanwalt.     1904. 
Frl.  Alwine  Roth.     1906. 
Emil  Rothbarth,  Privatier.     1903. 
August  Rothschild,  Kaufmann.     1871.  (f) 
Ernst  Rübsamen,  Apotheker.    1904. 
Franz  Rück  er,  Privatier.     1890. 
Julius  Rueff  sen.,  Privatier.     1897. 
Louis  Rühl,  Maler..   1900. 
Theodor  Rullmann,  Kaufmann.     1890. 
Heinrich  Ruppel,  Kaufmann.     1890. 
Alfred  Salin.  Kaufmann.     1902. 
Wilhelm  Sandhagen,  Kaufmann.     11K)3. 
Dr.  Richard  Sartorius,  Assistenzarzt.    1906. 
Dr.  Adolf  Schäfer,  Chemiker  in  Griesheim.    1903. 
Heinrich  Schäfer,  Rektor  an  der  Schwarzburgschule.     1906. 
Fritz  Schaeffer-Stuckert,  praktischer  Zahnarzt.     1906. 
Frau  Clara  Schaffner  geb.  Albert,  Privatiere.     1884. 
Frau  Carrie  Schar  ff  geb.  Otto.     1890. 
Frau  Gottfried  Schar  ff.     1895. 
Charles  A.  Scharff-Andreae,  Ingenieur.     1901. 
Dr.  Hermann  Schcffen,  praktischer  Arzt.     1906. 
August  Scheible,  Fabrikant.     1906. 
Karl  Seh  eil  er,  Buchhändler.     1902. 
Heinrich  Theodor  Schenck,  Kaufmann.     1876. 
Hermann  Schepeler,  Kaufmann.     1906. 
Fritz  Schiermann-Steinbrenck,  Privatier.    1906. 


—    177    — 

Ladwig  Schiff,  Kaufmann.     1878. 
PhUipp  Schiff,  Privatier.    1903. 
Christ.  Schlesicky,  Kaufmann.    1903. 
Emil  Schlesicky,  Privatier.     1902. 
Gustav  Schlesicky.  Kaufmann.     1895. 
Friedrich  Schleussner,  Fabrikdirektor.     1903. 
Dr.  Karl  Schleussner,  Fabrikdirektor.     1 897. 
Dr.  Wilhelm  Schlömann,  Chemiker  in  Qriesheim.     1903. 
Isidor  Schloß,  Kaufmann.     1906. 
Frl.  Julie  Schlosser,  Lehrerin.     1903. 
Georg  Schlund,  Juwelier.    1888. 
Karl  Schlund,  Juwelier.     1901.    (f) 
August  Schmidt,  Kaufmann.     1906. 
Dr.  Isidor  Schmidt,  praktischer  Arzt.     1906. 
Wilhelm  Schmidt-Diehler,  Architekt.     1899. 
Gustav  Schmidt-Günther,  Ingenieur.     1864. 

Dr.  Moritz  Schmi dt- Metzler,    kgl.    wirklicher   geheimer   Rat  und  Pro- 
fessor, Exzellenz.     1888. 
Dr.  Wolfgang  Schmidt-Scharff,  Rechtsanwalt.     1893. 
Peter  Schmölder,  Kaufmann.     1872. 
Friedrich  Seh m öle,  Rentner.     1903. 

Alexander  Schneider,  Direktor  der  Deutschen  Gold-   und  Silber-Scheide- 
anstalt.   1875. 
Heinrich  Schnell,  Privatier.    1875. 

Dr.  Bernhard  Scholz,  Professor  und  Direktor  des  Dr.  Hochschen  Konserva- 
toriums.    1906. 
Frau  Lina  Schöner   geb.  Holler.  Privati^re.     1903. 
Dr.  Eugen  Schott,  kgl.  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1885. 
Wilhelm  Schott,  Apotheker  in  Offenbach.     1906. 
Heinrich  Schreiber  sen.,  Privatier.     1904. 
Frau  Margaretha  Schreyer,  Professorswitwe.     1904. 
Adolf  Schroeder,  Privatier.    1906. 
Frl.  Charlotte  Schulte,  Privati^re  in  Cronberg.     1906. 
Ernst  L.  C.  Schulz,  Kaufmann.    1901. 
Frau  Sofie  Schulz-Euler,  Privati^re.    1906. 
Hans  Schulze-Hein,  praktischer  Zahnarzt.    1885. 
August  Schumacher,  Kaufmann.     1906. 
Frl.  Katharina  Schumacher,  Privative.     1898. 
Dr.  Gustav  Schürenberg,  Augenarzt.     1906. 
Adolph  Schürmann,  Privatier.     1906. 
Bernhard  Schuster,  Rentier.     1874. 
Albert  Schwarz,  kgl.  Landgerichtssekretär.     1906. 

Lic.  Dr.  Karl  Schwarzlose,   Pfarrer  der  St.  Katharinengemeinde.     1903. 
Moses  Martin  Schwarzschild,  beeidigter  Wechselsensal.    1888. 
Gustav  Graf  von  Schwerin,   kgl.  Rittmeister,   aggr.  dem  Thüringischen 

Hns.-Reg.  Nr.  12,  kommandiert  zur  Militär- Lehrschmiede.     1906. 
Dr.  Eugen  Scriba,  praktischer  Arzt.     1901. 

12 


—    178    — 

Wilhelm  S  e  e  f  r  i  e  d ,  Direktor  der  Frankfurter  Filiale  der  Deutschen  Bank.  1888. 

Fran  Anna  Seeger.    1901. 

Qeorg  Seeger,  Architekt.    1897. 

Georg  Seitz,  Finanzrat.    1899. 

Hermann  Seitz.    1904. 

Fritz  Sichel.     ISOö. 

Arthur   Siebert-Müller,   Direktor   der  Mitteldeutschen  Kreditbank  und 

kgl.  württembergischer  Konsul.    1901. 
Dr.  Friedrich  Sieger,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1903. 
Ernst  Simon,  Kaufmann.    1906. 

Dr.  Julias  Simon,  kgl.  Geheimer  Justizrat  und  Oberlandesgerichtsrat.    1903. 
Oskar  Simon-Buss,  Kaufmann.    1897. 
Eduard  Simonis,  Kaufmann.     1903. 
Hans  Simonis,  Kaufmann.     1903. 
Dr.  Emil  Sioli,  Direktor  der  Irrenanstalt.     1889. 
Dr.  Richard  Solm,  Augenarzt.     1904. 
Friedrich  Sommerlad,  Kaufmann.    1904. 
Frau  Karl  Sömmerring  geb.  Kretzer,  Privati^re.     1866. 
Leopold  Sonnemann,  Herausgeber  der  Frankfurter  Zeitung.    1881. 
Frau  Georg  Speyer  geb.  Gumbert,  Rentnerin.     1903. 
Frau  Clotilde  Spiess  geb.  Zickwolff,  geh.  Sanitätsratswitwe.     1904. 
Karl  Stauffer,  Direktor  der  Bockenheimer  Volksbank.    1898. 
Frau  Baronin  Karoline  von  Stein,   Pröbstin  des    adeligen  von  Cronstett- 

und  von  Hynspergischen  evangelischen  Damenstifts.    1884. 
Dr.  Victor  Steinohrt,  Bankbeamter.    1903. 
Dr.  Johannes  ^loritz  8 1  e  i  n  t  h  a  1 ,  Rechtsanwalt.     1893. 
Wilhelm  Steitz,  Lehrer  am  Wöhler-Realgymnasium.    1906. 
Frau  Anna  Stern  geb.  Kalb,  Privatiere.     1897. 
J.  Stern  jun.    1903. 

Dr.  Richard  Stern,  praktischer  Arzt.     1906. 
Rudolf  Stern,  Privatier.     1890. 
Frau  Theodor  Stern,  Privatiere.     1871. 
August  Stern- Wiedebu seh,  Kaufmann.    1903. 
Karl  Stiebel,  Privatier.    1897. 
Emilie  Stiefel  geb.  Mayer,  Privatiöre.     1906. 
Friedrich  Stock,  Kaufmann.     1904. 
Wilhelm  Stock-de  Neufville,  Bankier.    1882. 
Frau  Elisabeth  Stockmayer,  Privatiere.    1906. 
Frl.  Lydia  S  t  o  1 1  z  e ,  Privatiere.    1903. 
Otto  S  t  r  a  ß  f  e  l  d ,  Kaufmann.    1903. 
Frau  Tony  Straus-Negbaur,  Privatiere.    1903. 
Ernst  Strauß,  Kaufmann.     1906. 
Isaak  Strauß,  Privatier.     1906. 
Hans  Streckeisen,  Architekt.  1903. 
Dr.  Ignaz  Stroof,  Direktor.     1904. 
Bruno  S  tr u  b  e  1 1 ,  Kaufmann.    1903. 
Emil  Sulzbach,  Privatier.    1900. 


—    179    — 

Dr.  Karl  ö  u  1  z  b  a  c  h ,  Bankier.     189(). 

HeiDrich  Tausent,  Privatier.     1906. 

Dr.  L.  Thebesius,  Rechtsanwalt  und  kgl.  serbischer  Generalkonsul.  1906. 

Dr.  Hermann  Traut,  Bibliothekar  an  der  Stadtbibliotbek.     1893. 

Dr.  Gustav  Treupcl,   Professor  und  Chefarzt  der  medizinischen  Abteilung 

am  Hospital  zum  heiligen  Geist.     190H. 
Jakob  J.  von  Ueberfeld,  Kaufmann.     1906. 
Hermann  Uhlfelder,  Stadt- Bauinspektor.     1904. 
Albert  Ullmann,  Kaufmann.     1901. 
Otto  Ulrich,  Direktor  der  Diskonto-Gesellschaft.     1903. 
Dr.  Franz  Vaconius,  Pfarrer  der  Dreikönigs-Gemeinde.     1906. 
Julius  Valentin.  Kaufmann.     1906. 
August  Velde,  Oberlehrer  an  der  Viktoriaschule.     1892. 
Frl.  Julie  Velde,  Oberlehrerin  am  Institut  Schmidt.     1903. 
Dr.  Friedrich  von  den  Velden,  praktischer  Arzt.     1899. 
WUhelm  Vogelsang,  Direktor.     1902.     (f) 
Frau  Emmy  Vogtherr  geh  Weiler,  Privati^re.     1899. 
Dr.  Karl  Vohsen.  praktischer  Arzt.     1891. 
Georg  Völcker,  Buchhändler.     1879. 
Martin  Vowinckel.  Direktor  der  Providentia      1882. 
Dr.  Paul  Wagner,  Augenarzt.     1906. 
Kall  Wagner-Nurick,  Ingenieur.     1903. 
Frau  Anna  Wagner-Schaller,  Privati^re.     1904. 
Wilhelm  Walb,  Fabrikant.     1906. 
Dr.  Leopold  Walter,  praktischer  Arzt.     1906. 
Dr.  Heinrich  Weber,  praktischer  Arzt.     1902. 
Karl  Weber,  Verwalter  der  Irrenanstalt.     1885. 
Frl.  Emilie  Weigel,  Privatiere.     1902. 
Martin  Weigel,  Verlagsbuchhändler.     1902. 
Jakob  Hermann  W  ei  Her,  Bankier.     1871. 

Karl  Weinberg,  Fabrikbesitzer  und  kgl.  griechischer  Generalkonsul.    1903. 
Alfred  Weinschenk,  Bankier.     liK)3. 

Albrecht  Weis,  Kassierer  der  Englischen  Gasfabrik  a.  D.     1874. 
Richard  Weise,  kgl.  Major  a.  D.     1902. 
Ludwig  Weiser,  Lehrer.     1904. 
Daniel  Weismann,  Bankier.     1902. 
Adolf  W  e  i  8  m  ü  1 1  e  r ,  Ingenieur.     1906. 
Franz  Weismüller,  Fabrikant.     1906. 
Joseph  Werner,  Kaufmann.     1892. 
Frau  Rosalie  Wertheim  geb.  Ballin,  Privatiere.     1884. 
Emil  Wetzlar,  Bankier.     1900. 

Fritz  Christoph  Wiemer,   Mühlenbesitzer  in  Bonames.     1893. 
Johann  Wilhelm  Wilke,  Fabrikant.     1906. 
Dr.  Karl  Willemer,  Augenarzt.     1908. 
Ludwig  Willemer-Rücker,  Kaufmann.     1893. 
A.  A.  Wi  nter,  D.  D.  Ö.,  praktischer  Zahnarzt.     1906. 
Fritz  Winter,  Lithograph.     1903. 

12» 


—    180    — 

GiiBtav  Wiß,  stellvertr.  Direktor  der  Diskonto-Gesellschaft.     1906. 

Bichard  Wobith,  Prediger.    1906. 

Karl  Wolf,  Pfarrer  der  St.  Petersgemeinde.    1903. 

Frau  Emma  Wolfskehl  geb.  Feist,  Kommerzienratswitwe.     1 874. 

Aagast  Wol sehen dorff,  Kaufmann.    1904. 

Siegmnnd  W  o  r  m  s  e  r ,  Direktor  der  Deutschen  Vereinsbank.     1898. 

Emil  Wnrmbach,  Bentier.    1880. 

Julius  Wurmbach.  Ingenieur.     1883. 

Dr.  Leo  Wurzmann,  Bechtsanwalt.     1906. 

Ernst  Wttsthoff,  Kaufmann.     1906. 

Otto  Zacharias,  Kaufmann.    1906. 

Louis  Zeiß-Bender,  Kaufmann.     1906. 

Theodor  Zeltmann.  Privatier.     1896. 

Frau  Johanna  Zickwolff-Passavant,  Privatiere.     1906. 

Frau  Johanna  Ziegler  geb.  Kleyer,  Professorswitwe.     1902. 

J.  Ziervogel,  Oberingenieur  des  Dampfkessel-Uberwachungsvereins.    1904. 

Frau  Charles  Zinn,  Privatiere.     1906. 

Frau  Mathilde  Zisemann  geb.  Oruner,  Bentnerin.    1902. 


II.   Korrespondierende  Mitglieder. 

Dr.  Hermann  Vamb^ry,  Professor  in  Budapest,   ernannt  am  11.  Mai  1876. 

Anton  Goering,  Professor  in  Leipzig,  ernannt  am  10.  Oktober  1887. 

Dr.  Felix  von  Luschan.  Professor  und  Abteilungsdirektor  im  Museum  für 
Völkerkunde  in  Berlin,  ernannt  am  10.  Oktober  1887. 

Dr.  Karl  Diener,  Professor  und  Präsident  des  Osterreichischen  Alpen- 
klubs in  Wien,  ernannt  am  20.  Januar  1888. 

Dr.  Alexander  Freiherr  vunDanckelman,  kgl.  geheimer  Begier  ungsrat 
und  I^ofessor  in  Berlin,  ernannt  am  28.  Juli  1890. 

Dr.  Alexander  von  Peez.  Ehrenpräsident  des  Industriellen  Club  in  Wien, 
ernannt  am  28.  Juli  1890. 

Dr.  Paul  Müller  -  Simonis.  Ehrendomherr  in  Straßburg,  ernannt  am 
29.  Juni  1892. 

Dr.  Wilhelm  Haacke  in  Jena,  ernannt  am  8.  März  1893. 

Dr.  Max  Friederichsen,  Professor  in  Bern,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Karl  O  estreich,  Privatdozent  in  Marburg,  ernannt  am  1 2.  Dezember  1906. 

Dr.  Georg  Wegener,  Forschungsreisender  in  Berlin,  ernannt  am  12.  De- 
zember 1906. 


—    181    — 


III.    Ehrenmitglieder. 

Dr.  Julins  Ritter  vonPayer,  k.  und  k.  österreichisch-angarischer  Haupt- 
mann a.  D.  in  Wien,  ernannt  am  14.  Oktober  1874. 

Dr.  Max  Buchner,  Professor  und  Direktor  des  kgl.  bayrischen  ethnologi- 
schen Museums  in  München,  ernannt  am  17.  Februar  1886. 

Dr.  Emil  B 1  e  n  c  k ,  kgl.  wirklicher  geheimer  Oberregierungsrat  und  Präsident, 
Direktor  des  kgl.  preuß.  statistischen  Landesamts  in  Berlin,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886. 

Laigi  Bodio,  kgl.  italienischer  Staatsrat,  Senator  und  Generaldirektor  der 
Statistik  im  kgl.  italienischen  Ministerium  für  Ackerbau  und  Handel 
und  Vizepräsident  der  SocietÄ  geografica  Italiana  in  Rom,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Julius  Euting,  kaiserlicher  geheimer  Regierungsrat,  Professor,  Direktor 
der  kaiserlichen  Universitäts-  und  Landesbibliothek  und  Präsident 
des  Vogesenklubs  in  Straßburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Theobald  Fischer,  kgl.  geheimer  Regierungsrat  und  Professor  in 
Marburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Georg  G er! and,  Professor  in  Straßburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Wilhelm  Roheit,  Professor  und  praktischer  Arzt  in  Schwanheim,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886. 

Karl  Eoldewey,  kaiserlicher  Admiralitätsrat  und  Abteilungs vorstand  der 
Seewarte  in  Hamburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Georg  Ritter  von  Neumayer,  kaiserlicher  wirklicher  geheimer  Rat, 
Professor  und  Direktor  der  Seewarte  a.  D.,  Exzellenz,  in  Neustadt 
a.  d.  Haardt,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Karl  von  Obernberg,  Vorsteher  des  Statistischen  Amtes  der  Stadt a.  D., 
in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Eduard  Pechuel-Loesche,  Professor  in  Erlangen,  ernannt  am  8.  De-, 
zember  1886. 

Baron  Max  du  Prel,  kgl.  bayrischer  Kammerherr,  kaiserlicher  Ministerialrat 
und  Vorstand  des  stMistischen  Bureaus  im  Ministerium  für  Elsaß- 
Lothringen  in  Straßburg  a.  D.,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Ernst  Georg  Ravenstein,  Kartograph  in  London,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Ludwig  Ravenstein,  Kartograph  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886. 

Paul  Reichard,  Forschungsreisender,  z.  Zt.  im  Ausland,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886. 

Dr.  Johannes  Rein,  kgl.  geheimer  Regierungsrat  und  Professor  in  Bonn, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Wilhelm  Reiss,  kgl.  geheimer  Regierungsrat  in  Könitz  (Thüringen), 
ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Georg  Freiherr  von  Schleinitz,  kaiserlicher  Vizeadmiral  und  Landes- 
hauptmann a.  D.,  Exzellenz,  in  Hohenborn  bei  Lügde  (Westfalen), 
ernannt  am  8.  Dezember  1886. 


—    182    — 

Dr.  Georg  Scbweinfurth,  Professor  in  BerliD,  e.  Zt.  in  Assaan,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886. 

Blis  Sidenbladh,  Cbef direkter  des  kgl.  scbwediscben  statistiscben  Central- 
bnreans  a.  D.  in  Stockbolm,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Hermann  Wagner,  kgl.  gebeimer  Begiemngsrat  nnd  Professor  in 
Göttingen,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Reinbold  von  Werner,  kaiserlicber  Vizeadmiral  a.  D.,  Exzellenz,  in  Wies- 
baden, ernannt  am  10.  Oktober  1887. 

Dr.  Karl  von  den  Steinen,  Professor  nnd  Abteilnngsdirektor  am  kgl. 
Mnseom  für  Völkerkunde  in  Berlin  (Cbarlottenburg),  ernannt  am 
20.  Febraar  1889. 

Dr.  Hans  Meyer,  Professor  nnd  erster  stellvertretender  Vorsitzender  des 
Vereins  für  Erdkunde  in  Leipzig,  ernannt  am  25.  Februar  1891. 

Dr.  Siegmund  Gttntber,  Professor  und  Vorsitzender  der  geographischen  Ge- 
sellschaft in  München,  ernannt  am  2.  März  1892. 

Guido  Cora,  Professor  und  Direktor  des  geographischen  Instituts  in  Bom, 
ernannt  am  20.  Dezember  1894. 

Dr.  Richard  Böckh,  kgl.  geheimer  Begierungsrat,  Professor  und  Direktor 
des  Statistischen  Amtes  der  Stadt  a.  D..  in  Grunewald  bei  Berlin, 
ernannt  am  20.  Oktober  1895. 

Adolf  Graf  von  Götzen,  kgl.  Major,  kaiserl.  Gouverneur  von  Deutsch-Ost- 
afrika und  Kommandeur  der  Schntztruppe  für  Deutsch-Ostafrika  in 
Dar-es-Saläm,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  ing.  Wilhelm  Launhardt,  kgl.  geheimer  Begiemngsrat  und  Professor  in 
Hannover,  Mitglied  des  Herrenhauses,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Fridtjof  Nansen,  Professor  und  kgl.  norwegischer  Gesandter  in  London, 
ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Albrecht  P  e  n  c  k ,  k.  k.  Hofrat,  Professor  und  stellvertretender  Vorsitzen- 
der der  Gesellschaft  *ftlr  Erdkunde  in  Berlin,  ernannt  am  9.  De- 
zember 1896. 

Dr.  Joachim  Graf  von  Pfeil  in  Schloß  Friedersdorf,  ernannt  am  9.  De- 
zember 1896. 

Peter  Petrowitsch  von  Ssemenow,  kaiserlich  russischer  wirklicher  geheimer 
Bat,  Senator,  Mitglied  des  Beichsrats  und  Vizepräsident  der 
kaiserlich  russischen  geographischen  Gesellschaft,  Hohe  Exzellenz, 
in  St.  Petersburg,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Sven  von  Hedin  in  Stockholm,  ernannt  am  16.  November  1897. 

Dr.  Friedrich  Clemens  Ebrard,  kgl.  Konsistorialrat,  Professor  und  Direktor 
der  Stadtbibliothek  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am  17.  Ok- 
tober 1900. 

Otto  Schleifer,  Hauptmann  der  Landwehr- Artillerie  und  Forschungs- 
reisender in  Bismarcksburg  (D.-Ostafrika),  ernannt  am  18.  De- 
zember 1901. 

Otto  Neumann  S verdrup,  Kapitän  in  Christiania,  ernannt  am  22.  Oktober  1902. 

Dr.  Fritz  Sarasin  in  Basel,  ernannt  am  28.  Oktober  19as. 

Dr.  Paul  Sarasin  in  Basal,  ernannt  am  28.  Oktober  1903. 

Dr.  Erich  vonDrygalski,  Professor  in  München,  ernannt  am  2. März  1904. 


—    183    — 

Dr.  Karl  Bücher,  kgl  geheimer  Hof  rat  und  Professor  in  Leipzig,  ernannt 
am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Friedrich  Delitzsch,  kgl.  geheimer  Regierongsrat  and  Professor  in 
Berlin,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Gottfried  Merzbacher,  Forschangsreisender  in  München,  ernannt  am 
12.  Dezember  1906. 

Dr.  Theodor  Petersen,  Professor  nnd  erster  Vorsitzender  der  Sektion 
Frankfurt  am  Main  des  Deutschen  und  Osterreichischen  Alpen- 
vereins, ernannt  am  12.  Dezember  1906. 


Verstorbene  Ehrenmitglieder. 

Dr.  Karl  Ritter,   Professor  in   Berlin,   ernannt  am   29.  August  1838,  ge- 
storben daselbst  am  28.  September  1859. 
Dr.  Friedrich  Tiedemann,    großherzogl.    badischer    geheimer    Rat    und 

Professor  a.  D.  in  Frankfurt  am  Main,    ernannt  am   22.  Mai  1851, 

gestorben  in  München  am  22.  Januar  1861. 
Karl  Weyprecht,  k.  u.  k.  österreichisch -ungarischer  Linienschiffsleutnant 

in  Triest,   ernannt  am  14.  Oktober  1874,   gestorben  in  Michelstadt 

am  29.  März  1881. 
Dr.  Eduard   Rüppell    in    Frankfurt  am  Main,    ernannt   am    20.  November 

1874,  gestorben  daselbst  am  10.  Dezember  1884. 
Dr.  Gustav  Nachtigal,   kaiserlicher  Generalkonsul  in  Tunis,   ernannt  am 

2.  Juni   1875,   gestorben    an    Bord   Sr.  Maj.  Kreuzers   „Möve'^    am 

20.  April  1885. 

Dr.  Ferdinand  Freiherr  von  Richthofen,  kgl.  geheimer  Regierungsrat, 
Professor,  Vorsitzender  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  und  zweiter 
Präsident  des  Deutschen  und  Österreichischen  Alpenvereins  in 
Berlin,  ernannt  am  11.  Juni  1875,  gestorben  daselbst  am  6.  Ok- 
tober 1905. 

Dr.  Gerhard  Rohlfs,  kgl.  Hof  rat,  kaiserlicher  Generalkonsul  a.D.  in  Weimar, 
ernannt  am  9.  Januar  1877,  gestorben  in  Rüngsdorf  bei  Bonn  am 
2.  Juni  1896. 

Dr.  Georg  Yarrentrapp,  kgl.  geheimer  Sanitätsrat  und  Ehrenpräsident 
des  Vereins  für  Geographie  und  Statistik  in  Frankfurt  am  Main, 
ernannt  am  24. September  1881,  gestorben  daselbst  am  lö.März  1886. 

Dr.  Emil  Holnb  in  Wien,  ernannt  am  1.  März  1882,  gestorben  daselbst  am 

21.  Februar  1902. 

Dr.  Ferdinand  von  Hochstetter,  k.  n.  k.  österreichischer  Hof  rat  und  Pro- 
fessor in  Wien,  ernannt  am  27.  Dezember  1882,  gestorben  daselbst 
am  18.  Juli  1884. 

Dr.  Hermann  von  Wissmann,  kgl.  Major  ä  la  suite  der  Armee  nnd 
kaiserlicher  Gouverneur  z.  D.,  ernannt  am  31.  März  1883,  gestorben 
in  Sting  bei  Weißenbach  (Obersteiermark)  am  15.  Juni  1905. 


^    184    - 

Henry  M.  Stanley,  Parlamentsmitglied  in  London,  ernannt  am  8.  Jannar 

1886,  gestorben  daselbst  am  10.  Mai  1904. 
Dr.  Adolf  Bastian,   kgl.  geheimer   Regierangs  rat,    Direktor   der   ethnolo- 
gischen Sammlung  des  Hnseums  für  Völkerkunde  und  Ehrenprä- 
sident der  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Berlin,  ernannt  am  8.  De- 
zemberl886,  gestorben  inPort-of-Spain  (Trinidad)  am  3.  Februar  190ö. 

Dr.  Karl  Becker,  kaiserlicher  wirklicher  geheimer  Oberregiernngsrat  und 
Direktor  des  Statistischen  Amtes  des  Deutschen  Beichs  in  Berlin, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Charlottenburg  am 
20.  Juni  1896. 

Dr.  Hermann  Berghaus,  Professor  in  Gotha,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  3.  Dezember  1890. 

Dr.  Heinrieh  Brugsch,  kaiEerlicher  Legationsrat  und  Professor  in  Berlin,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  9.  September  1896. 

Francisco  Coello  de  Portugal  y  Quesada,  kgl.  spanischer  Ingenieur- 
Oberst  a.  D.,  Ehrenpräsident  der  Sociedad  geogräfica  und  Präsident 
der  Sociedad  espafiola  de  geograiia  comercial,  Exzellenz,  inMadiid, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  30.  Sep- 
tember 1898. 

Dr.  Ernst  Engel,  kgl.  geheimer  Oberregierungsrat  und  Direktor  des  kgl. 
statistischen  Bureaus  a.  D.  in  Oberlössnitz  bei  Dresden,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  8.  Dezember  1896. 

Dr.  Friedrich  August  Finger,  Oberlehrer  a.  D.  in  Frankfurt  am  Main,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  31.  Dezember  1888. 

Friedrich  Anton  Heller  von  Hellwald  in  Stuttgart,  ernannt  am  S.De- 
zember 1886,  gestorben  in  Tölz  am  1.  November  1892. 

Dr.  Heinrich  Kiepert,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  21.  April  1899. 

Dr.  Alfred  Kirchhoff,  kgl.  geheimer  Regierungsrat  und  Professor  a.  D., 
Ehrenvorsitzender  des  Vereins  für  Erdkunde  in  Halle,  in  Mockau 
bei  Leipzig,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am 
8.  Februar  1907. 

Charles  Maunoir,  Generalsekretär  der  Society  de  g^ographie  in  Paris,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  22.  Dezember  1901. 

Baron  Cristoforo  Negri,  kgl.  italienischer  außerordentlicher  Gesandter 
und  bevollmächtigter  Minister  a.  D.,  Senator  des  Königreichs  und 
Primo  presidente  fondatore  der  Society  geografica  Italiana  in 
Tarin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Florenz  am 
18.  Februar  1896. 

Dr.  Adolf  Erik  Freiherr  von  Nordenskiöld,  Professor  in  Stockholm,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  28.  August  1901. 

John  Wesley  Powell,  Major  und  Direktor  des  Bureau  of  ethnology  und 
des  United  States  geological  survey  in  Washington,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Haven  (Maine)  am  23.  September  1902. 

Nikolai  Michaile  witsch  von  Prjevalsky,  kaiserlich  russischer  Generalmajor 
in  St.  Petersburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in 
Karakol  im  Gebiet  Ssemirettchensk  am  1.  November  1888. 


—    185    — 

Dr.  Friedrich  Ratze  1.  kgl.  sächsischer  geheimer  Hofrat,  Professor  und 
Vorsitzender  des  Vereins  für  Erdknnde  in  Leipzig,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Ammerland  am  Starnberger  See 
am  9.  August  1904. 

Dr.  Gastav  von  Eümelin,  kgl.  württembergischer  geheimer  Rat  und 
Kanzler  der  Eberhard-Karls-Universität,  Exzellenz,  in  Tübingen,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  28.  Oktober  1889. 

Dr.  Wilhelm  Stricker ,  praktischer  Arzt  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886.  gestorben  am  4.  März  1891. 

Dr.  Bernhard  Stnder,  Professor  a.  D.  in  Bern,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  2.  Mai  1887. 

Dr.  Pieter  Jan  Ve  th ,  Professor  a.  D.  in  Arnhem.  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  14.  April  1895. 

Louis  Vivien  de  Saint-Martin,  Ehrenpräsident  der  Sociale  de  g6ographie 
de  Paris  in  Versailles,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben 
daselbst  am  3  Januar  1897. 

Henry  Yule,  kgl.  großbritaunischer  Ingenieur-Oberst  a.  D.  in  London,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  30.  Dezember  1889. 

Dr.  Emil  von  Oven,  Senator  und  Ehrenvorsitzender  des  Vereins  für  Geo- 
graphie und  Statistik  in  Frankfurt  a.  M.,  ernannt  am  26.  Oktober 
1887,  gestorben  daselbst  am  27.  November  1903. 

Friedrich  Jakob  Kessler,  Senator  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
26.  November  1888,  gestorben  daselbst  am  3.  Mai  1889. 

Dr.  Wilhelm  Junker  in  Wien,  ernannt  am  25.  Februar  1891,  gestorben  in 
St.  Petersburg  am  13.  Februar  1892. 

Dr.  Hans  von  Scheel,  kaiserl.  geheimer  Oberregierungsrat  und  Direktor 
des  Statistischen  Amtes  des  Deutschen  Reichs  in  Berlin,  ernannt 
am  9.  Dezember  1896,   gestorben  daselbst  am  27.  September  1901. 

Dr.  Engen  Zintgraff,  ernannt  am  9.  Dezember  1896,  gestorben  in  Tene- 
rife  am  4.  Dezember  1897. 

Dr.  Carlo  Freiherr  von  Erlanger  in  Niederingelheim,  ernannt  am  18.  De- 
zember 1901,  gestorben  in  Salzburg  am  4.  September  1904. 


Yom 


Verein  Ifir  Geographie  und  Statistik  yerliehene 


Anszeichiinngen. 


I.  Die  Nordenskiöld-Medaille : 

rin  Oemeinschaft  mit  den  geoKraphischen  Gesellschaften  vun  Berlin,  Bremen,  Dresden, 

Halle,  Hamburg,  Hannover,  l^elpzig  und  Manchen): 

1885.  Adolf  Erik  Freiherr  von  Nordenskiöld  in  Stockholm,  (f) 


II.  Die  Rflppell-Medaille  in  Gold: 

1894.  Hermann    von    Wissmann    in    Gut    Weißenbach    bei 
Lietzen  (Obersteiermark),  (f ) 

1896.  Julius  Euting  in  Straßburg. 

1903.  Sven  von  Hedin  in  Stockholm. 

1906.  Theobald  Fischer  in  Marburg. 


III.  Die  Rfippell-Medaille  in  Silber: 

1904.  Karl  G.  Schillings  in  Düren. 

190Ö.  Bernhard  Hagen  in  Frankfurt  am  Main. 

1906.  Wilhelm  Fil ebner  in  Berlin. 


Übersicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben 

im  Jahre  1905/1906. 


Einnahmen: 

Saldo  des  Jahres  1904/1905 M  35.77 

Zinsen ,  652.90 

Beiträge  von  646  Mitgliedern ,  9662  — 

Verkauf  von  Beikarten „  235.— 

Verkauf  von  Vereinspnblikationen   ....         .  „  14  40 

Ärarialbeitrag ,  600.— 

Ein  Geschenk ,  lüü.— 

M  11  300.07 

Ausgaben: 

Honorare Ji  2730.— 

Saalmiete ,  1410.— 

Lichtbilder  nnd  Ausscellungen ,  273.90 

Inserate ,  177.:^0 

Bibliothekar  iatbeitrag „  450.— 

Qehalt  des  Vereinsdieners ,  ,,  360.— 

Anslagen  für  Versendung  des  Jahresberichts,  für 

Porti  und  bei  Anwesenheit  der  Redner  ...  ,  610.50 

Vereinsregister „  12.:i5 

Buchbinder  und  Diplome „  87.35 

Drucksachen       »  212.35 

Rückstellung  für  den  Jahresbericht ,  1000.— 

Kapitalanlage ,  2987.05 

Kleinere  Auslagen 170.90 

An  die  Vereinsbank ....  ^  747.25 

Saldo  auf  neue  Rechnung ,  71.12 

Ji  11  300.07 


—    189    — 


Inhaltsübersicht 


Seite 
Wissenschaftliche  Mitteilnniron. 

I.:  Knoch,  K:  Die  Nieder8chlag;8 Verhältnisse  der  Atlasländer.  Mit 

3  Karten  und  3  Regen-Profilen 5 

II.  Ans  den  Vorträgen: 

Deckert,  E. :  Streif züge  und  Studien  auf  der  Insel  Kuba    119 

—  —  San  Franzisko  und  seine  Erdbeben 131 

Engelhardt,  Th. :  Meine  Reise  von  Ost  nach  West  durch 
den  Süden  von  Kamerun 101 

Filchner,  W. :  Bericht  über  meine  Expedition  zum  Ober- 
lauf des  Hoangho  in  Osttibet 99 

Fischer,  Th. :  Marokko,  nach  den  Ergebnissen  meiner  drei 
Forschungsreisen 118 

Ooetze,  A. :  Troja  und  seine  Ausgrabung 121 

Hagen,    B. :    Bericht   über    meine   diesjährige   Reise  nach 
Sumatra  und  Banka 89 

Hess,  J.  J. :  Sitten  und  Gebräuche  der  Beduinen    ....    125 

Jannasch,  H. :  Labrador,  Land  und  Leute 94 

Koch-Grünberg,  Th. :  Zwei  Jahre  unter  den  Indianern. 
Reisen  am  oberen  Rio  Negro  und  Yapurti 122 

Kollbrunner,  U. :  Meine  Reise  nach  Abessinien ;  Land,  Volk 
und  Herrscher 116 

Maas,  0.:  Streifzüge  auf  der  Insel  Cypern 112 

Merzbacher,  G. :   Die  Erforschung  der  Hochregionen  des 
Tian-Schan 103 

Nieuwenhuis,  A.  W. :   Die  körperliche  und  geistige  Ent- 
wicklung der  Dajak  auf  Borneo 129 

Schweinitz,  H.  H.  Graf  von:  Im  Innern  Kleinasiens  .     .     123 

Steindorf  f,  G. :  Die  neuesten  deutschen  Ausgrabungen  in 
Aegypten 113 

Wagner,  A. :  Das  kanadische  Dominium.  Skizzen  und  Bilder 
aus  einem  werdenden  Kulturstaate 128 

Zitelmann,  Frl.  K. :  Die  Frau  in  Indien  und  Ostasien  111 


—    190    — 

III.  Günther,  S. :    Die   Erdkande   in  den   letzten  zehn   Jahren. 
Festrede  bei  der  siebzigjährigen  Jabelfeier  des  Vereins  am 
12.  Dezember  1906 133 

B«  Geschäftliche  Mittellmigcn. 

Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins  in  der  Zeit  vom  1.  Oktober 
1905  bis  30.  September  1906 153 

Vorstand  und  Ämterverteilnng .163 

Mitgliederverzeichnis  ....         .         .         165 

Vom  Verein  für  Geographie  and  Statistik  verliehene  Anszeichnnngen    187 

Übersicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben  im  Jahre  1905/1906    .    .    188 


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1 


J 


Jahresbericht 

des 

Frankfurter  Vereins 

für 

Geographie  und  Statistik 


Eimiiidsiebzigster 

niKl 

Zweiiiiidsiebziii^ter  Jahrgang. 

IJMM)     |{)()7  und  1907— 1J)08. 


Im  Namen  des  Vorstandes  herausgegeben 

von 

Dr.  Uernianu  Traut, 

HibllDthekar  an  dor  Stadtbibliothek, 
ticnoralsekretiir  des  Vereins. 


Frankfurt  am  Main. 

Druck  und  Veiiiif^  von  OhrUder  Knauer. 

1908. 


Wissenschaftliche  Mitteilungen. 


OrundzUge  der  Bodenplastik  yon  Tunesien. 

Von 

Rudolf  Bartenstein. 

Einleitung. 
I.   Lage  und  Weltstellung  Tnuesiens. 

Die  Nordküste  des  Erdteiles  Afrika  weist  im  Gegensatz 
zu  dem  allgemeinen  Charakter  der  afrikanischen  Küsten  ein 
Gebiet  auf,  das  sich  durch  größere  Aufgeschlossenheit  und  reich- 
lichere Gliederung  auszeichnet.  Es  ist  dies  der  Italien  gegen- 
überliegende Küstenstreifen.  Hier  dringen  die  großen  Einbuch- 
tungen der  beiden  Syrten  in  den  ungefügten  Erdteil  ein,  zugleich 
recken  sich  zwei  halbinselartige  Vorsprünge  neben  ihnen  in  das 
Mittelmeer  vor:  im  Osten  der  Syrten  Barka  (Cyrenaika),  im 
Westen  das  am  besten  mit  Tunesien  bezeichnete  Ostende  des 
Atlasgebietes. 

Bei  näherem  Zusehen  zeigt  es  sich,  daß  diese  Aufge- 
schlossenheit zum  größten  Teil  nur  eine  scheinbare  ist.  Denn 
die  Küste  der  großen  Einbuchtungen  der  Syrten  ist  im  großen 
ganzen  als  eine  geschlossene  zu  bezeichnen,  und  wo  wirklich 
einmal  Gliederung  im  kleinen  auftritt,  bietet  sie  keinen  sichern 
Hafenplatz  wegen  der  besonders  bei  Nordwind  überaus  starken 
Brandung  und  wegen  der  häufigen  Stürme.  Dazu  kommen  noch 
längs  dieser  Küste  Strömungen  und  zahlreiche  Untiefen,  alles 
Umstände,  die  diese  Küste  in  den  Ruf  großer  Gefährlichkeit 
brachten,  namentlich  im  Altertum,  was  u.  a.  auch  das  horazische 
Wort  wiedergibt :  barbara  Syrtis,  ubi  maura  semper  aestuat  unda. 

Was  die  Küstenbeschatfenheit  weiterhin  anbelangt,  so 
behält  von  den  beiden  ins  Mittelmeer  vordringenden  Halbinseln 
Barka  seine  afrikanische  Eigenart,  nämlich  Geschlossenheit  der 
Küste,  die  durch  die  Tafellagerung  des  ganzen  Erdteiles  bedingt 


—    6     - 

ist,  bei.  Weiter  muß  man  ebenfalls  von  Barka  an  ostwärts 
und  von  Bizerta  an  —  etwa  120  km  —  westwärts  die  Küste 
als  eisern  bezeichnen,  da  sie  infolge  Geschlossenheit  und  durch 
Brandung  und  häufige  Stürme  schwer  zugänglich  ist,  vor  allem 
westlich  von  Bizerta,  wo  sie  auch  noch  durch  verkehrhindemde 
Bergketten  vom  Innern  des  Landes  abgesperrt  wird.  Im  Gegen- 
satz zu  diesen  Küsten  zeigt  nun  die  kurze  Küstenstrecke  zwischen 
Bizerta  und  Mahares  eine  ganz  andersartige,  für  den  Verkehr 
viel  geeignetere  Beschaffenheit.  Hier  bietet  sich  durch  eine 
Anzahl  eindringender  Buchten,  durch  vorspringende  kleine  Halb- 
inseln oder  vorgelagerte  Inseln  hinreichender  Schutz  gegen 
Brandung  und  Sturm.  Deshalb  finden  sich  hier  fast  die  einzigen 
guten  und  sichern  Häfen  an  der  ganzen  Nordküste  Afrikas; 
vor  allem  konzentrieren  sie  sich  auf  die  Strecke  von  Kap  Blanc 
bis  Kap  Bon.  Alle  diese  Häfen  haben  meistens  eine  natürlich 
feste  Lage.  Dazu  sind  die  Verkehrsbedingungen  mit  dem  Innern 
des  Landes  an  diesem  Küstensaum  weit  günstiger  als  im  be- 
nachbarten Algerien  und  Barka,  da  hier  die  Falten  des  Atlas- 
gebirges ausstreichen  und  breite  Längstäler  zum  Meere  sich 
ötEnen,  die  bequeme  Verkehrswege  ins  Landinnere  schaffen. 
Reclus  sagt  von  diesem  Gebiete  treffend:  la  forme  du  relief  ä 
rinterieur  n'est  pas  moins  heureuse  que  le  dessin  des  contours. 

Durch  die  günstige  Gestaltung  wird  dieser  Teil  der  Küste 
der  einzige  Ausgang  für  einen  großen  Teil  der  geschlossenen 
afrikanischen  Festlandsmasse.  Die  wichtigsten  Karawanen- 
straßen, auf  denen  sich  der  größere  Teil  des  Handels  mit  den 
transsaharischen  (irebieten  seit  Jahrhunderten  bewegt,  münden 
hier  ans  Meer.^)  „Doch  beruht  die  Wichtigkeit  Tunesiens 
weniger  auf  dem  Handel  mit  Innerafrika  als  auf  seiner  gün- 
stigen Lage  und  auf  eigenen  Hilfsquellen**  (Th.  Fischer,  Mittel- 
meerbilder p.  287).  Ein  Blick  auf  eine  Karte  des  Mittelmeer- 
gebietes läßt  sofort  die  bevorzugte  Lage  und  Weltstellang 
Tunesiens  erkennen. 

Mit  Tunesien  dringt  Afrika  am  weitesten  nach  Norden  vor 
(Kap  Engela  37«  22' 30",  Th.  Fischer,  Pet.  Mitt.  1887,  T.  1);  es 
greift  mit  ihm  gleichsam  hinüber  nach  Sizilien  und  Italien  und 


^)  Die  BeziehnngeD  Nordafrikas  zu  den  transsaharischen  Gebieten  be- 
handelt näher :  Hildebrand :  Cyrenaika  1904  p.  28  f. 


—    7    — 

stellt  mit  ihnen  eine  nar  wenig  unterbrochene  Landbrücke  nach 
seinem  einzigen  Gegengestade  Europa  her.  Damit  vermittelt 
Tunesien  —  wenn  hier  auch  nicht  die  Punkte  der  größten  An- 
näherung zwischen  Afrika  und  Europa  liegen  —  den  kürzesten 
und  günstigsten  Verkehr  zwischen  den  in  Handelsbeziehungen 
besonders  wichtigen  Zentralgebieten  der  beiden  Erdteile.  Als 
Brückenkopf  an  diesem  viel  benutzten  Übergange  nach  Europa 
wird  Tunesien  immer  seine  Bedeutung  behalten.^)  Dabei  reckt 
sich  Tunesien  gerade  in  die  Mitte  des  Mittelmeeres  vor,  so  daß 
es  nach  allen  Seiten  hin  im  mediterranen  Gebiet  enge  und  gute 
Verkehrsbeziehungen  unterhält.  Aller  Verkehr  zwischen  dem 
östlichen  und  westlichen  Mittelmeerbecken,  der  seit  Vollendung 
des  Suezkanals  sich  zum  Weltverkehr  und  Welthandel  erweitert 
hat,  bewegt  sich  meistens  durch  die  nur  150  km  breite  Straße 
von  Pantelleria.  So  nimmt  Tunesien  durch  seine  in  diese  Straße 
vorgeschobene  Lage  auch  Teil  an  dem  Welthandel,  der  „der 
großen  Achse  des  Mittelmeeres  folgt".  —  Zugleich  verleiht  die 
beherrschende  Lage  in  der  Flankenstellung  dieser  Welthandels- 
straße dieser  Landecke  große  strategische  Wichtigkeit.  Und 
zwar  kommt  Tunesien  bei  der  Beherrschung  der  Straße  und 
ihres  Verkehrs  um  so  mehr  in  Betracht,  weil  der  Handel  infolge 
besseren  Fahrwassers,  durch  eine  an  der  Küste  Afrikas  entlang 
laufende  Strömung  und  durch  zahlreiche  Bänke  auf  der  sizilischen 
Seite  nach  der  afrikanischen  Küste  von  Sizilien  weggedrängt  wird. 
Und  „die  Insel  Pantelleria,  welche  mitten  in  der  Straße  liegt 
und  ihr  den  Namen  gibt,  ist  für  Beherrschung  der  Straße  wert- 
los, da  sie  keinerlei  zu  einem  Ankerplatz  geeignete  Buchten  in 
ihrer  Steilküste  zeigt  und  selbst  künstliche  Hafenanlagen  äußerst 
schwierig  sind"  (Th.  Fischer,  „Mittelmeerbilder"  p.  287). 

Es  hat  also  Tunesien  eine  äußerst  bevorzugte  Lage  als 
Schnittpunkt  von  wichtigen  Land-  und  Wasserstraßen  und  von 
starkem  Meridional-  mit  WO -Verkehr.  Außer  seiner  ausgezeich- 
neten Küstenbildung  besitzt  es  zudem  eigene  starke  Hilfsmittel : 
es  ist  reich  an  fruchtbaren  Tälern  und  Ebenen,  weist  auch 
Bodenschätze,  wie  Erze,  Phosphate  und  gute  Bausteine  auf. 
Gegenüber  der  Halbinsel  Barka,  seinem  Nebenbuhler  im  Handel 

^}  Lage  nnd  Weltstellong  der  Küstenländer  Nordafrikas,  insbesonders 
ihre  Beziehungen  und  Bedeutung  für  Europa  behandelt  ausführlich :  Th.  Fischer 
in  .Mittelmeerbilder*  p.  278f. 


—  g  — 

Nordafrikas,  hat  Tunesien  infolge  günstigerer  Obertlächen- 
beschaffenheit  bessere  Möglichkeit  der  Verdichtung  der  Bevöl- 
kerung, der  Bildung  von  Großstädten  und  leichtere  Kultur- 
entwicklung voraus.  Alle  diese  Umstände  trugen  dazu  bei,  daß 
sich  hier  an  dieser  Küste  einige  Punkte  zu  Brennpunkten  des 
Verkehrs  und  der  Kultur  entwickelten. 

Deshalb  mußte  Tunesien  für  dasjenige  Volk,  welches  das 
Mittelmeer  und  seinen  Handel  beherrschen  wollte,  nicht  nur  ein 
wertvoller,  sondern  sogar  notwendiger  Besitz  werden  und  ein 
Zankapfel  sein  durch  alle  Zeiten  zwischen  den  jew^eils  mächtigsten 
Völkern  im  Mittelmeer.  Aus  den  engen  Beziehungen  des  Landes 
nach  allen  Seiten  hin  im  Mittelmeere  erwuchs  ihm  ein  wechseln- 
des Schicksal,  und  seine  Geschichte  gibt  ein  verkleinertes  Abbild 
der  wechselvollen  Geschichte  des  ganzen  mediterranen  Kultur- 
kreises. Ein  Blick  auf  die  Geschichte  Tunesiens  wird  uns  dies  zeigen. 

Ein  solcher  kurzer,  geschichtlicher  Überblick  dürfte  auch 
für  unsere  Arbeit  „Grundzüge  der  Bodenplastik  von  Tunesien" 
von  nicht  geringem  Werte  sein.  „Ist  doch  die  ganze  Geschichte 
wesentlich  ein  großes  Drama,  in  dessen  Mitte  wir  jetzt  noch 
stehen,  und  welches  sich  auf  dem  Schauplatz  und  unter  den 
Bedingungen  der  Oberfläche  der  Erde  vollzieht."  (Geogr.  Jahr- 
buch 1880,  p.  545.)  Darum  werden  mehr  oder  minder  in  der 
Geschichte  eines  Landes  gewisse  Eigenschaften  seiner  Ober- 
flächengestaltung sich  widerspiegeln,  gewisse  Wechselbeziehungen 
zwischen  Ort  und  Geschichte  sich  zeigen.  Gewährleistet  doch 
nicht  allein  die  Lage,  sondern  auch  vor  allem  das  Bodenrelief 
einem  Lande  seine  Zukunft  und  bedingt  seine  Geschichte. 

Wenn  wii-  die  geschichtliche  Vergangenheit  unseres  heute 
Tunesien  genannten  Gebietes  kurz  verfolgen,  werden  wir  etwas 
näher  auf  die  jeweiligen  Grenzen  der  Staatswesen,  die  einstmals 
hier  bestanden  haben,  eingehen.  Die  Ausdehnung  eines  „Staates" 
ist  ja  im  wesentlichen  von  der  Oberflächenbeschaffenheit  des 
„Landes"  abhängig.*)  Denn  „die  Umschließung  einer  Summe  von 


*)  Tb.  Fischer  definiert  in  „Untersuchungen  znr  Entwicklungsn^eschichte 
der  Apenninen-Halbinsel",  Pet.  Mit.  97,  S.  194:  „Land*,  das  Dauernde, 
Naturgegebene,  vom  Menschen  nur  in  geringem  Maße  zu  Beeinflussende,  und 
9 Staat'',  das  vom  Menschen  Geschaffene,  darum  nur  dann  verbal tnismäbig 
dauernde,  wenn  es  geographisch  begründet  ist  und  namentlich  an  den  Obor- 
tlächeulormen  haftet." 


—    9    — 

geographischen  EigeutümlichkeiteD,  die  einer  Erdenstelle  ange- 
hören, besonders  bodenplastischer  Art,  trägt  am  allermeisten 
zur  historischen  Individualisierung  bei".  (Ratzel,  Anthr.  Geogr. 
1882,  p.  121.)  Zeigt  uns  nun  der  geschichtliche  Überblick  das 
Gebiet  als  ein  dauernd  gut  abgegrenztes  Sondervvesen,  so  können 
wir  den  Schluß  ziehen,  daß  die  geschichtliche  Grenze  boden- 
plastisch bedingt  ist.  Dies  hätte  dann  die  Arbeit  zu  beweisen. 
Einige  der  von  geographischen  Gesichtspunkten  aus  wich- 
tigsten Erscheinungen  in  der  Geschichte  Tunesiens  gibt  Th. Fischer 
in  seinen  Mittelmeerbildern  bei  der  Betrachtung  der  Küsten- 
länder Nordafrikas  (S.  287),  wobei  er  vorzugsweise  darauf  ein- 
geht, wie  sich  die  Küsteugestaltung  sowie  die  sonstigen  wich- 
tigeren geographischen  Faktoren  in  der  Geschichte  widerspiegeln. 
Wir  können  uns  deshalb  hier  kurz  fassen  und  brauchen  nur 
diejenigen  Kapitel  der  geschichtlichen  Vergangenheit  Tunesiens 
etwas  eingehender  zu  behandeln,  in  denen  sich  bodenplastische 
Züge  unseres  Gebietes  wieder  erkennen  lassen  und  die  uns  bei 
Abgrenzung  unseres  Gebietes  als  Sonderwesen  von  Nutzen  sind. 

II.   t  berblick  fiber  die  Geschichte  Tunesiens. 

Die  Kenntnis  und  Nachrichten  von  unserem  Gebiete  im 
Altertum  waren  sehr  dürftig  und  unklar.  Man  rechnete  es  zu 
Libyen,  worunter  man  alles  Land  westwärts  von  Ägypten  ver- 
stand. Erst  Herodot  versucht  eine  weitere  Teilung  dieses 
großen  Gebietes.  Er  trennt  es  in  einen  Teil  östlich  vom  Triton- 
see -  etwa  von  der  Landenge  von  Gabes  an  — ,  wo  Nomaden, 
„Fleischesser  und  Milchtrinker"  wohnen;  „die  Libyer  aber  west- 
lich vom  Tritonsee  sind  Ackerbauer  und  haben  Häuser".  (Meltzer, 
Gesch.  des  Karthager,  S.  82.)  In  der  Verschiedenartigkeit  der 
Lebensweise  der  Bewohner  zeigt  sich  also  ein  erster  Unterschied 
zwischen  unserem  und  dem  östlich  von  ihm  gelegenen  Gebiete. 
Sonst  hatte  Herodot  nur  etwas  gehört,  daß  Libyen  westlich  vom 
Tritonsee  gebirgig  sei.  (Pauly-Wissowa  II,  2119.  Realenzyklo- 
pädie.) Den  Phöniziern  war  diese  Küste  schon  längst  bekannt. 
Denn  bei  Entwicklung  des  Schifisverkehres  auf  dem  Mittelmeere 
mußten  sich  sofort  die  günstigen  Bedingungen  der  Küstengestalt 
Tunesiens  für  die  Seefahrt  geltend  machen.  Zu  Stütz-  und 
Ruhepunkten    des    Handels    eigneten    sich    die   vorspringenden, 


-     10    — 

darcb  ihre  zentrale  Lage  im  Mittelmeer  ausgezeichneten  Küsten- 
punkte  Tunesiens  bei  der  damals  üblichen  Küstenschiffahrt  ganz 
besonders.  Deshalb  begannen  die  Phönizier,  das  erste  Handels- 
volk im  Mittelmeer,  schon  seit  etwa  1100  v.  Chr.  sich  hier 
festzusetzen.  (Pauly-Wissowa  I,  715.)  So  gründeten  sie  das 
wichtige  Uthika  und  etwas  später  Karthago.^)  Beide  Städte 
bildeten  anfangs  nur  Durchgangspunkte  für  den  lebhaften  Ver- 
kehr zwischen  der  Ost-  und  Westküste  des  Mittehneers,  zwischen 
dem  schätzereichen  Spanien  und  dem  Heimatsstaat  Phönizien. 
(Meltzer  86.)  Nur  in  geringem  Maße  trieben  sie  wohl  zugleich 
Handel  mit  den  Eingeborenen.  Der  Landbesitz  beider  Städte 
beschränkte  sich  auf  die  allernächste  Umgebung.')  Erst  mit 
zunehmendem  Reichtum  dehnte  sich  auch  der  Machtbereich 
beider  Städte  aus,  indem  sie  sich,  vor  allem  Karthago,  all- 
mählich das  Innere  des  Landes  unterjochten,  besonders  „nach- 
dem die  Tochterstädte  nach  Verlust  des  Mutterstaates  an  die 
assyrischen,  babylonischen  und  persischen  Eroberer  sich  ganz 
auf  eigene  Füße  stellen  mußten".  (Rüssel  S.  17.)  Es  bemächtigten 
sich  die  Karthager  wohl  zuerst  der  Medjerda-  und  der  anderen 
*  äußerst  fruchtbaren  Talebenen  in  der  nächstea  Umgebung  ihrer 
Stadt;  weiter  dann  der  ganzen  Küstenebene  nach  Süden  bis 
zum  Innern  Rand  der  kleinen  Syrte,  um  die  nächsten  und  leich- 
testen Handelswege  aus  dem  Innern  Afrikas,  die  schon  damals 
hier  ans  Meer  mündeten,  in  ihre  Gewalt  zu  bekommen  und  da- 
mit den  Griechen,  ihren  Rivalen  zur  See,  und  besonders  Cyrenaika 
den  innerafrikanischen  Handel  wegzunehmen.')  „Die  Berber- 
dörfer (etwa  300  Gemeinden  zur  Zeit  des  zweiten  punischen 
Krieges)  sind  die  Grundlage  des  karthagischen  Städtewesens." 
(Schulten,  S.  29,  nach  Strabo,  S.  833.)  „Es  bildete  also  Zeugitanien 
das  eigentliche  Gebiet  Karthagos,  besonders  die  fruchtbaren 
Getreideebenen,  d.  h.  das  Tal  des  Medjerda,  des  Mornag,  die 
Gegend  um  Tunis  bis  Zaghuan  und  zweifellos  auch  Eniida.^ 
(Coudray,  S.  7.)    Eine  genaue  Grenze  des  karthagischen  Macht- 


>)  über  die  Gründung  and  Lage  Karthagos  vgl.  Tb.  F. :  .Kttsten- 
Stadien  aas  N.-Afrika.«    Pet.  Mitt.  1887,  S.  89. 

')  Karthago  zablte  bis  in  die  Zeiten  seiner  Blüte  für  den  Boden,  den 
die  Stadt  einnahm,  Qrundzins  an  die  einheimischen  Berbern.   (Mommsen.) 

')  Sage  vom  Wettlaaf  der  beiden  Gebr.  PhUaeni.  Vgl.  Hildebrand: 
Cyrenaika,  S.  41. 


—   11  — 

bereiches  wird  nirgends  angegeben  und  kann  deshalb  allein 
auf  Vermutung  hin  gezogen  werden.  Man  kann  annehmen,  daß 
das  unmittelbar  abhängige  Gebiet,  abgesehen  von  den  zur  Be- 
herrschung wie  zu  Beobachtungsposten  gegen  die  wilden  Berg- 
völker nötigen  allernächsten  Bergen,  wie  dem  Zaghuan,  nur  das 
offene  Land  umfaßt  hat  und  dieses  nach  Süden  auch  nicht 
weiter  als  bis  Sfax.  Denn  in  seiner  Nähe  (bei  Thenae,  dessen 
Ruinen  man  wieder  gefunden  hat,  in  denen  von  Henchir  Tina, 
12  km  SSW  von  Sfax)  (Tissot  II,  3,  Plin.  bist.  nat.  V,  III)  endigte 
der  sogenannte  punische  Graben,  welcher  vermutlich  nichts  an- 
deres als  ein  alter  Grenzgraben  Karthagos  war.  Die  Umgebung 
des  westlichen  Syrtenbeckens,  xa  'EfiTiöpca,  ebenso  wie  die  Inseln 
Kerkenneh  und  Djerba(-Meninx)  standen  wohl  nie  in  direkter 
Abhängigkeit  von  Karthago,  wurden  daher  nach  dessen  Fall 
auch  nicht  zur  römischen  Provinz  Afrika  gezogen.^  (Kiepert: 
Alte  Geogr.,  S.  214.)  Ungefähr  wird  die  Grenze  des  karthagischen 
Machtbereiches  mit  der  übereingestimmt  haben,  welche  später 
die  Römer  ihrer  Provinz  Afrika  (vetus)  gaben.  Nach  Westen 
erstreckte  sich  Karthagos  Besitz  bis  zur  Dakhla-Ebene.')  Doch 
bemächtigte  sich  derselben,  der  Stadt  Tusca  und  der  Gegend 
um  Beja  bald  Massinissa  (161  v.  Chr.)  (=  Numid.  Militärsprengel. 
Mommsen,  R.  G.  V,  S.  626).  Karthagisch  war  also  nur  der 
schmale,  zunächst  Sizilien  gegenüberliegende  Küstenstrich  von 
Afrika.  Der  Besitz  dieses  äußerst  günstig  gelegenen  und  frucht- 
baren Gebietes  bedingte  den  Reichtum  und  die  Größe  Karthagos, 
verursachte  ihm  aber  auch  immerwährenden  Streit  mit  Rom, 
da  diesen  Küstensaum  zu  beherrschen  für  Italien  unbedingte  Not- 
wendigkeit ist  als  natürlichste  Verbindung  mit  Afrika.^)  In  dem 
langwierigen  Kampfe  mit  Rom  um  den  Besitz  dieses  Gebietes 
unterlag  Karthago.  Das  eroberte  *Land  machten  die  Römer 
zur  Provinz  Afrika.  Die  Grenze  begann  an  der  Nordküste  am 
Tuscafluß')    und    endigte    an    der   kleinen    Syrte    bei    Thenae. 

^)  Numidien  und  einen  Teil  von  Mauretanien  hat  Karthago  niemals, 
auch  nicht  indirekt,  beherrscht,  wie  Cat.,  8.  283  meint,  höchstens  ihren  Handel 
yermittelst  Besetzung  der  wichtigsten  Küstenplätze. 

')  Die  engen  Beziehungen,  welche  zwischen  den  beiden  Ländern  Tu- 
nesien und  Italien  bestehen,  schildert  in  ausführlicher  Weise  Th.  F.  in  seinen 
Mittelmeerbildem  S.  287 !. 

')  Plin.  hist.  nat.  V,  3,  (22,  23) :  a  Tusca  Zeugitana  regio  et  qua 
proprie  vocetur  Africa  est. 


—     12    — 

Nähere  Angaben  über  den  Verlauf  der  Grenzen  der  neuen 
Provinz  zwischen  den  beiden  Endpunkten  sind  fast  nicht  vor- 
handen. 

161  V.  Chr.  hatte  sich,  wie  erwähnt,  Massinissa  des  kar- 
thagischen Bezirkes  ura  der  Stadt  Tusca  und  der  großen  Felder 
am  Bagradas  bemächtigt  und  seitdem  auch  behalten.  Vasca, 
Zama  und  Bulla  gehörten  schon  zu  Numidien.  (Mommsen,  R.  G.  II., 
S.  21  und  36.) 

Danach  würde  die  Grenze  ungefähr  so  verlaufen  sein,  wie 
Tissot  (II,  6)  annimmt:  „Von  der  Tuscamündung  gegenüber 
Tabarca  nach  Osten  ausbiegend  über  die  Höhen  längs  des 
Tuscaflusses  weg  —  das  Flußtal  bildete  den  numidischen 
Militärsprengel,  den  Massinissa  161  wegnahm  —  dann  am  Badja 
entlang  zum  Bagradas,  dem  heutigen  Medjerda.  „Der  Badja 
bildete  eine  natürliche  Verteidigungslinie,  außerdem  führte  an 
ihm  ein  Stück  der  großen  Verkehrsstraße  Karthago-Hippo  Regius, 
der  direkte  Weg  von  Stadt  Badja  (Beja)  nach  Tabarca  entlang.* 
(Tissot  II,  S.  6.)  Vom  Bagradas  ging  die  Grenze  über  die  Höhen 
hinweg  (südlich)  zum  Oberlauf  des  Siliana,  diesen  und  dann 
den  Merguellil  entlang  bis  in  die  Ebene  von  Kairuan  und  von 
da  geraden  Weges  ans  Meer  bei  Thenae.  ^)  —  Etwas  anders 
läßt  Kiepert  die  Grenze  verlaufen.  Im  Atl.  ant.  6.  Aufl.  Taf.  X 
beginnt  sie  etwas  westlich  der  Tuscamündung  am  Kap  Roux 
und  endigt  viel  südlicher  von  Thenae  an  der  kleinen  Syrte  bei 
Gabes;  sie  biegt  auch  weiter  nach  Westen  aus  als  diejenige 
Tissots;  so  schneidet  sie  auf  Taf.  VII  Atlant.  1876  den  Zu- 
sammenfluß des  Medjerda  und  Melleg.  Nähere  Angaben  gibt 
Kiepert  nicht  dazu. 

*)  Vgl.  Bull.,  arch.  du  Comit6  des  trav.  bist,  et  Bcient.,  p.  239:  gMan 
hat  einen  Grenzstein  südlich  der  Ruinen  von  Henchir  es  Souar  gefunden, 
der  heute  noch  den  Namen  el  Haddada,  „die  Grenze**,  trägt.  Daraus  ist  zu 
schließen,  daß  der  berühmte  Graben  des  Scipio  nicht,  wie  Tissot  glaubt, 
westlich  von  Gorra  nach  Aquae  Kegiae  in  der  Nähe  von  Trozza  vorbei,  son- 
dern östlich  bei  Henchir  Dermoulia  den  Siliana  schnitt,  dann  sich  nach  SU 
wandte  nach  Henchir  es  Saar.  Die  Römer  waren  also  146  noch  weniger  ins 
Innere  vorgerückt,  als  man  bisher  glaubte."  —  „Auch  das  Gebiet  südlich  von 
Thenae  haben  die  Römer  erst  allmählich  gewonnen.  Sie  legten  hier  zuerst 
Städte  an.  Es  entwickelten  sich  diese  aus  den  zur  Deckung  der  großen 
Heerstraßen  (nach  Gabes,  Gafza,  Feriana-Tebessa)  angelegten  Kastellen, 
cf    Schulten,  M\s  dem  röm.  Afrika,  S.  G. 


-     13    — 

Ähnlichen  Verlauf  gibt  der  Grenze  auch  Spruner-Menke 
ni.  Aufl.  1880. 

Diese  weiter  westwärts  verlaufende  Grenze  dürfte  diejenige 
zur  Kaiserzeit  gewesen  sein. 

Die  römische  Provinz  umfaßte  nach  ihrer  Einrichtung 
146  V.  Chr.  nur  das  bis  dahin  den  Kartliagern  noch  verbliebene 
Gebiet.  Von  46  an  wurde  ihr  das  Reich  des  Massinissa  ein- 
verleibt und  von  25  an  wurde  ganz  Numidien  bis  zum  Amp- 
sagas  endgültig  als  Afrika  nova  mit  der  bisherigen  römischen 
Provinz,  nun  Africa  vetus  genannt,  vereinigt.  (Strabo  XVII^ 
840,  Pauly-Wissowa  I,  713,  714.)  —  Die  Provinz  Mauritana 
Tingitana  zogen  die  Römer  zum  spanischen  Verwaltungsbezirk. 
(Th.  F.,  Mittelmeerbilder,  S.  299.) 

Als  Grenze  zwischen  den  beiden  Provinzen  Africa  wurde 
im  3.  Jahrhundert  von  Severus  eine  Linie  festgesetzt,  welche 
ungefähr  in  NS-Richtung  von  der  Tuscamündung  zum  westlichen 
Ende  des  Schott  Djerid  verlief.  (Toutain,  S.  16.)  Tebessa  blieb 
westlich  dieser  Grenze.  Auf  Blatt  1  des  Atl.  ant.  von  Spruner- 
Menke:  „Europa  zur  Zeit  Odoakars  476—493"  zeigt  die  Grenze 
diesen  Verlauf. 

Nach  dem  Verfall  des  Römerreiches  bemächtigten  sich  die 
Vandalen  Karthagos  und  dehnten  allmählich  ihre  Herrschaft, 
wie  die  Römer  vor  ihnen,  über  das  ganze  Atlasgebiet  aus.  Das 
Herzland  und  der  Hauptsitz  ihrer  Macht  blieb  aber  die  ehe- 
malige römische  Provinz  mit  der  Hauptstadt  Karthago.')  Das 
Vandalenreich  wurde  von  den  Oströmern  gestürzt,  diese  be- 
schränkten aber  ihren  Besitz  auf  das  ihnen  zunächstliegende 
und  wichtigere  Africa  procoiisularis. -)  Auf  die  Oströmer  folgten 
gegen  Ende  des  7.  Jahrhunderts  die  Araber.  Sie  fügten  ganz 
Kleinafrika,  das  Djezirat  el-Maghreb,  „Insel  des  Westens",  wie 
sie  es  treffend  nannten,  dem  Kalifeureiche  hinzu,  wodurch  sich 
dieses  nunmehr  vom  ^atlantischen  Ozean  bis  zum  Euphrat  er- 
streckte. Eingeteilt  wurde  diese  „Insel  des  Westens"  in  drei 
Bezirke;  der  östlichste  von  ihnen,  Ifrikija,  bildete  lange  Zeit 
den  Hauptsitz  der  arabischen  Macht,  und  Hauptstadt  war  (unter 
Djoredjir  655)    Carthadjina;    (Ibn    Khaldoun    I,    305)   nur    im 

*)  Qeiserich  hatte  allerdings  zuerst  Bougie  zur  Hauptstadt  seines 
Eeiches  gewählt.     Bald  wurde  sie  aber  Karthago. 

*)  Grenzfestungen    waren  Gafza   und  Tebessa.    cf.  Diehl,   S.  233—238. 


—   u  — 

Anfang  der  arabischen  Herrschaft  in  N.-Afrika  eine  kurze  Zeit- 
lang Kaiman,  auch  Sbeitla.  Genauere  Grenzen  Jfrikijas  werden 
nirgends  angegeben.  Wahrscheinlich  hat  die  Grenze  den  NS- 
Verlauf,  wie  schon  früher,  beibehalten.  Wenigstens  zählt  Edrisi 
S.  106  Tebessa  unter  den  Städten  auf,  die  zu  Zentralmaghreb 
(ungefähr  dem  heutigen  Algerien)  gehören.  Doch  umfaßte  eine 
Zeitlang  Jfrikija  auch  Zab  (das  Gebiet  um  das  Hodna-Bassin), 
Constantine  und  Bougie.  (Ibn  Khaldoun  I,  207.) 

Vom  14.  Jahrhundert  an  wird  unser  Gebiet  allgemein  mit 
Tunis  bezeichnet.  Die  Grenze,  die  es  von  seinem  westlichen 
Nachbarlande  Tlemsen  trennt,  verläuft  etwas  westlicher  als 
diejenige  zur  römischen  Eaiserzeit.  (Vgl.  Spruner-Menke,  Blatt  6: 
«Europa  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts."^) 

Im  16.  Jahrhundert  bildet  das  Atlasgebiet  die  drei  Bar- 
bareskenstaaten  mit  ungefähr  denselben  Grenzen,  wie  sie  die 
heutigen  drei  Staat  engebilde  des  Atlas  zeigen.  Unter  Karl  Y 
wurde  Tunis  1535  erobert  und  das  Land  dem  spanischen  Reiche 
als  Lehen  angegliedert,  aber  nur  kurze  Zeit.  Von  etwa  1575 
an  ist  unser  Gebiet  schon  wieder  Vasallenstaat  der  Türken. 
1881  haben  es  schließlich  die  Franzosen  als  Regence  de  Tunisie 
in  Verwaltung  genommen.  Die  Grenze  zwischen  Tunesien  und 
dem  schon  seit  1830  französischen  Algerien  hat  seitdem  nur 
noch  konventionellen  Wert ;  sie  besteht  aber  noch  und  verläuft 
ähnlich  wie  die  Grenzen  der  meisten  Staatengebilde,  die  vorher 
hier  bestanden  hatten,  von  Tabarca  in  NS-Richtung  zum  Schott 
el  Rharsa.  Die  Sfidgrenze  unseres  Gebietes  bildete  fast  immer 
die  tiefe  Einsenkung  der  Schotts  als  eine  gute,  natürliche  Ab- 
grenzung. 

Wenn  die  Südgrenze  des  französischen  Tunesiens  heute 
vom  Schott  el  Rharsa  quer  durch  die  Wüste  (südöstlich)  zur 
Grenze  von  Tripolis  verläuft,  hat  dies  nur  den  einen  Grund, 
sich  den  Einfluß  auf  möglichst  viele  von  den  hier  verlaufenden 
wichtigen  Karawanenstraßen  zu  sichern ;  natürliche  Grenze  bleibt 
die  Einsenkung  der  Schotts.  Was  jenseits  liegt,  gehört  der 
großen  Wüstentafel  an. 

Überaus  wechselreich  und  bunt  ist  die  Geschichte  unseres 
Gebietes.  Es  liegt  dies,  wie  wir  schon  oben  bemerkten,  in  der 
vielseitigen  Berührung  des  Landes  mit  seinen  Nachbargebieten, 
besonders  Italien,  wie  überhaupt  in  seinen  engen  Beziehungen 


—    16    — 

nach  jeder  Richtung  im  Mittelmeer  hin.  Jede  aufstrebende 
Macht  im  Mittelmeer  mußte  versuchen,  diese  Landecke  mit  ihrer 
bevorzugten  Lage  und  günstigen  Küstenentwicklung  in  ihre 
Hand  zu  bekommen.  Denn  erst  der  Besitz  dieses  Küstenstriches 
sicherte  einem  Volke  die  führende  Rolle  im  Mittelmeer.  Deshalb 
sehen  wir  in  unserem  Gebiete  als  Herren  nacheinander  die 
Phönizier,  Römer,  Oströmer,  Araber,  Spanier  eine  kurze  Zeit, 
dann  die  Türken  und  heute  die  Franzosen.  Ein  Blick  auf  diese 
Völkerübersicht  zeigt,  daß  Tunesien  sowohl  mit  einer  Ost-  wie 
West-  und  Nordmacht  (von  T.  ausgerechnet)  sich  im  Laufe  der 
Geschichte  verbunden  hat.  Der  überzeugendste  Beweis  wohl 
für  die  allseitigen  Beziehungen  Tunesiens  im  Mittelmeergebiet! 
Weitaus  am  häufigsten  und  längsten  war  das  Land  im  Besitze 
der  Völker  um  das  östliche  Mittelmeerbecken,  die  Römer  mit- 
einbegriffen, nur  vorübergehend  im  Besitz  von  einem  Volk  am 
westlichen  Becken.^)  Im  großen  und  ganzen  hatte  also  Tunesien 
historisch  immer  gleichgerichtete  Beziehungen.  Es  kehrt  seine 
„Geschichtsseite**  nach  NO  und  Osten.  In  der  Oberflächengestalt 
spiegelt  sich  dies  wieder,  indem  Flüsse  und  Bergzüge  derselben 
Richtung  (NO)  im  allgemeinen  folgen  und  auch  die  Abdachung 
des  Landes  in  dieser  Richtung  erfolgt. 

Der  kurze  geschichtliche  Überblick  läßt  uns  weiter  er- 
kennen, daß  Tunesien  im  Laufe  seiner  Geschichte  nicht  immer 
isoliert  geblieben  ist.  Häufig  dehnte  es,  jedesmal  zu  Zeiten 
eigener,  größerer  Machtentfaltung,  seine  Herrschaft  nachWesten 
über  die  anderen  Atlasländer  oder  wenigstens  über  das  heutige 
Algerien  aus.  So  umfaßte  es  zur  Römerzeit  eine  Zeitlang  auch 
Numidien;  unter  den  Vandalen  und  Arabern  erstreckte  sich 
sein  Machtbereich  sogar  bis  an  den  Ozean ;  heute  ist  es  wiederum 
mit  Algerien  unter  einer  Herrschaft  vereinigt.  Die  Grenze 
zwischen  beiden  Ländern  ist  aber  bestehen  geblieben,  auch  die 
Verwaltung  beider  ist  getrennt. 


^)  Heute  ist  Tunesien  allerdings  wiederum  im  Besitz  eines  VoUtes 
am  westlichen  Becken.  Ob  aber  dieses  Verhältnis  lange  Dauer  haben  wird, 
ist  eine  andere  Frage.  Die  Geschichte  des  Landes  spricht  wenigstens  dagegen. 
Ebenso  sind  die  Beziehungen  Italiens  zu  dem  Lande  viel  zu  eng,  so  daß  — 
nur  nach  geographischem  Standpunkt  gearteilt  —  eine  dauernde  Verzicht- 
leistung ItaUens  auf  dieses  Qebiet  zu  unwahrscheinlich  erscheint.  (Vergl. 
Th.  Fischer:  Mittelmeerbilder,  S.  287.) 


—     16    — 

Die  ursächlichsten  Gründe  für  dieses  öftere  Verbundensein 
Tunesiens  mit  seinen  westlichen  Nachbarländern  in  der  Geschichte 
sind  in  seiner  Bodenplastik  zu  suchen.  Tunesien  ist  ein  Teil 
eines  größeren  geographischen  Ganzen,  des  Atlasgebietes,  und 
hängt  mit  den  übrigen  Teilen  desselben  orographisch  und  hydro- 
graphisch eng  zusammen.  Auch  die  Tatsache,  daß  Tunesien 
häufiger  nur  mit  Algerien  allein,  nicht  mit  dem  westlichsten 
Gebiete,  Marokko,  verbunden  war,  liegt  in  geographischen  Fak- 
toren begründet :  Marokko  ist  der  Ostküste  Tunesiens,  der  eigent- 
lichen Grundlage  einer  politischen  Einheit  in  Nordafrika,  zu  weit 
entrückt,  dazu  durch  das  ziemlich  unwirtliche  Algerien  getrennt. 
Es  bildet  somit  Tunesien  ein  treffendes  Beispiel  für  den  innigen 
Zusammenhang  zwischen  Geschichte  und  Oberflächengestalt! 

Wenn  uns  die  Geschichte  zeigt,  wie  unser  Gebiet  nicht 
immer  auf  sich  ganz  allein  gestellt  ist,  sondern  oft  sich  mit 
seinem  Nachbarlande  verbindet,  so  läßt  sie  andererseits  auch 
wieder  erkennen,  wie  Tunesien  in  dem  bunten  Wechsel  seiner 
Geschichte  seine  hervorragendere  Bedeutung  behalten  und  immer 
wieder  geltend  gemacht  hat,  indem  es  immer  als  etwas  Selbst- 
ständiges, als  ein  eigenes  Reich  oder  als  Kern  eines  größeren 
Staatswesens  bestand. 

Daß  hier  ein  selbständiges  Länder-Individuum  liegt,  können 
wir  schon  aus  der  Tatsache  schließen,  daß  die  Westgrenze  unseres 
Gebietes  trotz  ihres  scheinbar  willkürlichen  Verlaufes  in  NS- 
Richtung  quer  über  Täler  und  Höhenzüge  hinweg  die  mannig- 
fachen Schicksale  des  Landes  überdauert  und  ihre  Lage  durch 
Jahrhunderte  hindurch  mit  geringen  Veränderungen  beibehalten 
hat.  „Diese  Abgrenzung  tritt  uns  so  durch  ihre  Beständigkeit 
als  eine  nicht  zufällige  Erscheinung  entgegt'U  und  läßt  deshalb 
den  Schluß  zu,  daß  bei  ihr  weniger  die  Trägheit  und  Willkür 
der  Menschen,  als  die  Natur  selbst  das  Begrenzende  ist**  (Ratzel, 
Anthrop.  geogr.  1 14),  und  daß  weiter  die  Länder,  die  sie  scheidet, 
zwei  geographisch  verschiedene  Individuen  sein  müssen,  daß 
Tunesien  nicht  nur  in  seiner  Geschichte,  sondern  auch  in  seiner 
geographischen  Natur  ein  Sonder wesen  bildet.  Wir  werden 
späterhin  etwas  näher  auf  diesen  Punkt  eingehen. 

Bei  all  den  Veränderungen,  welche  Tunesien  in  seiner 
Geschichte  durchmachen  mußte,   hat  sich  immer  ein  Punkt  des 


—    17    — 

Landes  hervorgehoben  und  ist  ständig  von  dauernder  Bedeutung 
und  Wichtigkeit  geblieben.  Es  ist  dies  der  Golf  von  Tunis. 
Seine  äußerst  günstige  Stellung  im  Mittelmeer  machte  sich  immer 
wieder  geltend.  Immer  lag  an  ihm  ein  wichtiger  Handels-  und 
Eulturmittelpunkt.  So  zuerst  Uthika  und  Karthago.  Nachdem 
die  Kömer  letzteres  völlig  zerstört  hatten,  bauten  sie  schließlich 
(19  V.  Chr.  unter  Augustus)  selbst  die  Stadt  wieder  größer  und 
schöner  als  vorher  auf,  da  dieser  Punkt  zu  günstig  gelegen 
war,  um  längere  Zeit  unbesetzt  zu  bleiben.  ^)  Heute  liegt  hier 
Tunis,  die  volkreichste  und  bedeutendste  Stadt  des  ganzen 
Atlaslandes. 

Neben  den  engen  Beziehungen,  welche  der  Golf  von  Tunis 
zu  allen  Mittelmeerländern  unterhielt,  besaß  er  die  innigste 
Verbindung  mit  dem  Innern  des  Landes.  Das  ganze  Hinterland 
gravitiert  nach  diesem  einen  Punkte  hin,  was  sich  schon  äußer- 
lich sichtbar  ausdrückt  durch  die  gleichsinnige  Richtung  der 
Abdachung  des  Landes,  der  Bergzüge  und  Flüsse  nach  dieser 
Stelle  hin.  So  wird  dieser  Punkt  ein  Attraktionszentrum  für 
ganz  Tunesien,  ähnlich  wie  Paris  für  das  ganze  Seinebecken, 
ja  sogar  ein  Hauptausgang  für  den  Handel  mit  den  transsaha- 
rischen  Gebieten.*) 

Die  „merkwürdige  Tatsache,  daß  die  großen  Mittelpunkte 
des  Verkehrs  meist  auch  politische  Mittelpunkte  sind"",  wird 
ebenfalls  durch  diesen  Punkt  bestätigt.  (Ratzel,  Anthrop.  geogr.  II, 
S.  477.)  Denn  mehrere  Jahrhunderte  hindurch  ist  die  Geschichte 
Karthagos  nicht  allein  die  Tunesiens,  sondern  auch  die  ganz 
Nordafrikas.  Das  Schicksal  Tunesiens  und  mit  ihm  des  ganzen 
Atlasgebietes  wurde   fast   immer  in  den  £benen  am  Golf  von 


^)  Trotz  großer  SchwierigkeiteD,  welche  die  Anlage  einer  Stadt  hier 
fand;  die  größte  war  der  Mangel  an  Trinkwasser  in  der  Nähe  des  Golfei. 
So  verschaffte  sich  Karthago  Trinkwasser  vom  Zaghuan  durch  eine  über 
100  km  lange  Wasserleitung,  die  heute  noch  im  Betrieb  ist  und  Tunis  ver- 
sorgt. —  Nachdem  die  Römer  Karthago  neu  aufgebaut  hatten,  wurde  es 
sofort  wieder  Provinaialhauptstadt  und  bald  wieder  die  drittvolkreichste  Stadt 
im  3.  und  4.  Jahrhundert.  (Kiepert  S.  217.)  Es  beherrschte  dann  lange  Zeit 
als  .Brückenstadt  für  den  Verkehr"  (Ratzel,  Kleine  Schriften  S.  451)  den 
gesamten  Handel  im  Mittelmeer,  behauptete  sich  sogar  neben  Alexandria. 

')  Jetzt  hat  Tunis  mit  den  transsaharischeu  Gebieten  keinen  Handel 
mehr,  wie  schon  auf  dem  Geographenkongreß  1875  festgestellt  wurde  (Th.Fiscber, 
Mittelmeerbilder  S.  298). 

2 


—     18     - 

Tunis,  um  Karthago  entschieden.  ,,Der  Besitz  Karthagos,  damit 
der  Besitz  der  Medscherdamündung  und  des  Golfes  bedeutet 
den  von  Tunesien."     (Th.  Fischer,  Mittelmeerbilder  S.  288.) 

Ständig  lag  hier  am  Golf  von  Tunis  ein  wichtiger  Handels- 
platz und  Yerkehrspunkt ,  zugleich  auch  die  Hauptstadt  des 
Landes  und  „zugleich  das  einzige  politische  Zentrum,  welches 
Nordafrika  jemals  besaß'*.  (Tissot  I,  2.)^) 

Nach  diesem  von  Natur  so  beg&nstigten  Punkte,  der  das 
Attraktionszentrum  für  das  ganze  Land  bildet  und  dessen  Ge- 
schichte mit  der  des  ganzen  Gebietes  identisch  ist,  können  wir 
mit  Recht  das  Land  kurz  als  „Tunesien"  bezeichnen. 

Der  geschichtliche  Überblick  läßt  klar  die  Selbständigkeit 
der  Geschicke  unseres  Gebietes  hervortreten.  Wir  zogen  obeu 
den  Schluß,  daß  dann  Tunesien  auch  in  seiner  Oberflächengestalt 
höchstwahrscheinlich  ein  Sonderwesen  darstelle,  welches  sich  von 
seiner  Umgebung  gut  abhebt  und  abtrennt.  Betrachten  wir 
daraufhin  einmal  etwas  näher  die  Grenzen  unseres  Gebietes, 
wie  sie  uns  seine  Geschichte  und  ein  allgemeiner  Blick  auf  das 
Land  darbieten,  insbesonders  insofern  die  geschichtlichen  Grenzen 
bodenplastisch  bedingt  sind  und  ein  nach  seiner  Bodenplastik 
in  sich  geschlossenes  und  von  seiner  Umgebung  wohl  geschie- 
denes Einzelwesen  einschließen. 

Tunesien  ist  nach  drei  Seiten  hin  natürlich  scharf  begrenzt. 
Nach  N  und  nach  E  durch  das  Meer.  Nach  Süden  zu  bildet 
die  tiefe  Einsenkung  der  Schotts  eine  natürliche  Grenze  gegen 
die  Wüste,  mit  welcher  nur  zwei  enge  Landbrücken  eine  Ver- 
bindung herstellen.  Man  kann  Tunesien  demnach  als  eine  große 
Halbinsel  mit  etwas  breiter  Basis  ansehen  (=  „kontinentales 
Extrem  von  Halbinsel",  Supan  S.  669).  Die  Abgrenzung  dieser 
Halbinsel  an  ihrer  Basis  scheint  nun  eine  ziemlich  willkürliche 
zu  sein.  Denn  die  Westgrenze  der  heutigen  R^gence  de  la 
Tunisie  verläuft  von  der  Nordküste  in  ungefährer  N-Südrichtung 
quer  über  Täler  und  Gebirgsketten  hinweg  zu  der  Schottregion. 
Diesen  Verlauf  hatte  die  Grenze  durch  Jahrhunderte  hindurch 


>)  Nor  zur  Zeit,  als  die  Araber,  ein  festländisches  Volk,  eben  Tunis 
erobert  hatten,  .noch  meerscheu  und  den  Griechen  zur  See  nicht  gewachsen 
waren*,  bildete  Kairnan  im  Innern  des  Landes  die  Hauptstadt  (Kiepert  S.  217). 
In  der  neuesten  Zeit  gewinnt  Bizerta  als  moderner  Hafen  immer  mehr  an 
Bedeutung  und  wird  Tunis  vielleicht  einmal  überflügeln. 


—    19    — 

mit  geringen  Veränderungen  innegehabt,  wie  uns  der  geschicht- 
liche Überblick  zeigte.  —  Denn  das  erste  Staatswesen,  welches 
hier  bestand,  das  karthagische,  umfaßte  anfangs  nur  den  schmalen 
fruchtbaren  Saum  der  Ostküste,  dehnte  sich  aber  bald  mit  zu- 
nehmender Macht  von  den  einzelnen  Buchten  die  in  sie  münden- 
den Flüsse  entlang  in  das  Innere  des  Landes  aus.  Man  be- 
mächtigte sich  vor  allem  der  fruchtbaren  Ebenen  am  unteren 
und  mittleren  Medjerda  (der  Dakhlaebene)  bis  in  die  Gegend 
von  Ghardimaou;  dann  der  Ebene  am  Tuscafluß,  weil  hier  die 
kürzeste  und  beste  Verbindung  des  mittleren  Medjerdatales  mit 
dem  Meere  ausmündet.  ^) 

Von  der  Sebkhraregion  (südl.  von  Tunis)  aus  bemächtigte 
man  sich  naturnotwendigerweise,  indem  man  auch  an  den  Flüssen 
aufwärts  vordrang,  der  (früher)  fruchtbaren  Ebene  um  Kasserin 
und  Feriana  und  damit  des  wichtigen  Verkehrsweges  von  Kairuan 
nach  Tebessa ;  weiter  dann  des  Hochlandes  von  Thala  und  Eef , 
welches  die  Verbindung  des  Medjerdatales  mit  dem  Süden  ver- 
mittelte. Vor  allem  wird  man  aber  getrachtet  haben,  die  Um- 
gebung von  Gafsa  in  Besitz  zu  bekommen,  weil  Gafsa  als  ein- 
ziger Durchgangspunkt  durch  die  südlichen  Bergketten  nach 
der  Schottregion  das  Eingangstor  war,  durch  welches  die  meisten 
Sudankarawanen  zogen.  Volks  wir  tschaftliche^  in  der  Bodenplastik 
begründete  Faktoren  waren  es  also,  welche  die  Entwicklung  und 
Ausdehnung  der  Staaten  hier  bedingten.  Alle  die  genannten 
Einzelgebiete  sind  durch  enge  Beziehungen  innig  miteinander 
verbunden.  Zahlreiche  Täler  vermitteln  den  Übergang  und 
den  Verkehr  von  einem  Gebiete  ins  andere,  auch  die  dazwischen 
liegenden  Bergketten  bilden,  weil  alle  von  geringer  Länge, 
keine  große  trennende  Schranke.  Keine  von  diesen  Landschaften 
zeichnet  sich  aber  vor  den  anderen  durch  besonders  günstige 
Lage,  Größe  oder  eigene  starke  Hilfsmittel  aus,  daß  sie  über 
die  übrigen  ein  Übergewicht  erlangen  könnte,  sondern  alle  sind 
ziemlich  gleichwertig  und  auf  einander  angewiesen  zur  gegeu- 
seitigen  Ergänzung.  —  Daß  gerade  diese  Gebiete,  die  Ebene 
um  den  mittleren  Medjerda,  das  Hochland  von  Kef  und  Thala, 


^j  Der  Hauptverkehrsweg  von  Karthago  nach  Üippo-Regius  führt« 
über  Bulla  und  Tabarka.  Daß  eigentümlicherweise  der  Landweg  hier  befor- 
zugt  wurde,  erklärt  sich  daraus,  daß  man  den  Seeweg  um  die  nördlichen 
Kapa  wegen  häuüger  Stürme  fürchtete. 

2* 


—    20    — 

die  Ebenen  am  Hatob  und  um  Gafsa,  sich  zu  einem  politischen 
Wesen  zusammenschließen,  liegt  in  einer  allen  gemeinsamen 
Eigenschaft,  die  sie  miteinander  vereinigt,  begründet.  Alle 
gravitieren  nach  der  Ostküste ;  es  ist  dies  auch  äußerlich  schon 
ausgedrückt  durch  den  Aufbau  des  Landes;  Flüsse  und  Berg- 
züge streben  meist  in  NO-Richtung  der  Ostküste  zu,  und  mit 
ihnen  alle  Verkehrswege.^)  Indem  der  östliche  Küstensaum  die 
einzelnen  Täler,  an  welche  die  fruchtbaren  Ebenen,  der  Reich- 
tum der  Einzelgebiete,  und  die  Haupt- Verkehrswege  gebunden 
sind,  vereinigt,  wird  er  der  Kern  der  politischen  Macht  Tune- 
siens und  sein  durch  guten  Hafen  und  Lage  ausgezeichnetster 
Punkt,  der  Golf  von  Tunis,  das  natürliche  Zentrum  des  Ganzen. 
Durch  den  Aufbau  des  Landes  wird  hier  ein  Schwerpunkt  ge- 
schaffen, um  den  sich  alles  zentralisiert  und  der  auf  das  ganze 
Land  einen  beherrschenden  Einfluß  ausübt.  Dieser  Punkt  ver- 
einigt erst  alle  Einzelglieder  zu  einem  geschlossenen  Ganzen, 
wie  der  Schlußstein  in  einem  Gewölbe,  dem  alle  Gewölbeab- 
teilungen zustreben,  und  der  alle  zusammenhält.  —  Von  diesem 
zentralisierenden  Punkte  ist  auch  die  Eroberung  des  Gebietes, 
wie  erwähnt,  ausgegangen.  Und  zwar  mußte  man,  um  eine 
politische  Einheit  zu  bekommen,  naturnotwendigerweise  alle 
jene  Punkte  zusammenfassen,  welche  unter  dem  alle  ver- 
einigenden Einfluß  der  Ostküste  stehen.  Es  würden  dies  alle 
Punkte  sein,  welche  noch  nicht  200  km  Meerferne  hätten. 
Tunesien  wäre  demnach  als  die  Einflußsphäre  der 
Ostküste,  genauer  als  diejenige  des  wichtigsten 
Punktes  der  Küste,  des  Golfes  von  Tunis,  zu  be- 
zeichnen. Der  Überblick  über  die  Geschichte  zeigt  dies  ja 
auch  deutlich  genug  in  dem  ständischen  Hervortreten  dieses 
einen  Punktes.  Die  politische  Grenze  des  Landes  hätte  nach 
diesen  Gesichtspunkten  zu  verlaufen.  —  Es  treten  auch  einige 
Grenzpunkte  in  dieser  Hinsicht  natürlich  scharf  hervor.  In  N.  ist 
es  zuerst  die  Ebene  am  Tuscafluß.  *)  Hier  gelangen  die  Verkehrs- 
wege aus  dem  Medjerdatal  ans  Meer  (s.  oben  S.  12).  Einen 
zweiten   guten  Grenzpunkt   gibt   Ghardimaou.    Denn   westlich 


^)  Die  Höhenschichtenkarte  läßt  diese  Beziehungen  deutlich  erkennen. 

*)  Der  Tuscafluß  (heute  Wed  Kebir)  ist  immer  als  eine  der  politischen 
Grenien  Nordafrikas  betrachtet  worden  und  hat  (wie  die  Ifulucha  und  Amb- 
Baga)  alle  Umwälzungen  in  N.-Afrika  überstanden.  (Tissot  II,  47.) 


—    21    — 

von  diesem  Flecken  bilden  unwirtliche,  dicht  bewachsene  hohe 
Bergketten,  durch  die  sich  in  einem  engen,  fast  unpassierbaren 
Tale  der  Medjerda  windet,  eine  natürliche  Grenze  mit  Algerien. 
Von  Ohardimaou  an,  wo  der  Medjerda  aus  seinem  engen  Tale 
heraustritt,  durchfließt  er  bis  zum  Meere  in  NO-Richtung  ver- 
schiedene breite,  fruchtbare  Talebenen,  die  längst  des  Flusses 
eine  gute  und  leichte  Verbindung  mit  der  Ostkfiste  besitzen. 
Weiter  im  Süden  ist  dann  die  Niederung  am  Hatob  in  die  Grenze 
einzuschließen,  da  auch  sie,  wie  schon  die  Flußrichtung  an- 
deutet, ihre  offene  Seite  nach  NO  wendet  und  noch  in  der 
Einflußsphäre  der  Ostküste  liegt.  Dazu  schließt  sie  nach  Westen 
zu  der  dichtbewaldete,  entvölkerte  Dj.  Zebissa  wirksam  ab. 
Wenn  wir  diese  vier  gut  hervortretenden  Punkte,  bis  zu  denen 
jedes  Staatswesen  in  Tunesien  versuchen  mußte,  seine  Macht 
auszudehnen,  durch  eine  Linie  verbinden,  so  bekommt  diese 
eine  annähernd  NS-Richtung,  und  zwar  ungefähr  den  Lauf, 
den  die  politische  Grenze  unseres  Gebietes  durch  Jahrhunderte 
hindurch  bis  heute  ziemlich  beibehalten  hat^)  Es  waren  also, 
wie  wir  schon  aus  der  Dauer  der  Grenze  geschlossen,  boden- 
plastische Gründe,  welche  die  Abgrenzung  des  politischen  Sonder- 
wesens, das  hier  immer  bestanden,  verursachten,  und  es  verläuft 
die  Grenze  nicht,  wie  viele  annehmen,  ohne  große  natürliche 
Gesichtspunkte.  Toutain  sagt  sehr  richtig  (S.  24) :  La  limite 
n'est  pas  une  ligne  saus  largeur  trac^e  sur  la  carte;  c'est  la 
bände  de  territoire,  au  seuil  de  laquelle  s'arretent  les  voies  de 
Penetration  naturelles  qui  viennent  de  la  cöte  Orientale,  et  ä 
Touest  de  laquelle  les  relations  et  les  grandes  routes  se  diiigent 
non  plus  de  Test  k  Tonest  mais  du  Nord  au  Sud.  Das  bildet 
den  leitenden  Gesichtspunkt  für  den  Verlauf  der  Grenze.  Auch 
äußerlich  wird  der  innere  Zusammenhang  dieser  Abgi*enzung 
mit  der  Ostküste  ausgedrückt  durch  den  deutlichen  Parallelismus, 
der  zwischen  beiden  besteht. 

Vergleichen  wir  nunmehr  einmal  die  beiden  „Staaten**  zu 
beiden  Seiten  dieser  Grenze  nach  den  allgemeinen  Grundzügen 
ihrer  Oberflächengestalt,  um  zu  sehen,  wie  weit  diese  ihre 
historische  Grenze  boden plastisch  bedingt  ist  und  zur  Abgrenzung 
eines  Gebietes,  wie  es  unserer  Arbeit  entspricht,   dienen  kann. 


^)  Grenze  ist  hier  natürlich  mehr  als  ein  „Band"  wie  eine  .Linie*  zu  nehmen. 


—    22    — 

Der  erste  Unterschied  zwischen  den  beiden  Ländern,  den 
wir  fanden,  war  verkehrsgeographischer  Art.  In  Tunesien 
herrscht  WE  (NE)  -Verkehr  vor  mit  Bevorzugung  eines  Punktes, 
des  Golfes  von  Tunis.  In  Algerien  überwiegt  NS-Verkehr.  Es 
tritt  dies  schon  deutlich  bei  Tebessa  hervor,  dessen  Verkehrs- 
beziehungen  sich  tiberwiegend  nach  Nord  zur  Küste  richten.') 
Alle  Verkehrsstraßen  (NS)  laufen  außerdem  mehr  oder  weniger 
parallel,  so  daß  in  Algerien  nicht  wie  in  Tunesien  ein  Punkt 
durch  besonders  günstige  Verkehrsverhältnisse  ausgezeichnet 
wird.  Dazu  findet  sich  in  Algerien  nur  selten  Querverbindung 
zwischen  den  einzelnen  Hauptstraßen  des  Verkehrs,  aber  häufig 
in  Tunesien.  Diese  verschiedenen  Verkehrsverhältnisse  liegen 
begründet  in  der  verschiedenen  Oberflächenbeschaffenheit  der 
beiden  Länder,  wovon  uns  ein  flüchtiger  Blick  auf  eine  Karte 
überzeugen  kann.  In  Algerien  sehen  wir  geschlossene,  verkehrs- 
feindliche Bergzüge  von  bedeutender  Höhe  (WE-Richtung)  und 
zwischen  den  einzelnen  Ketten  ringsumschlossene  Hochebenen.  So 
ist  Algerien  durch  Bergketten  nicht  allein  als  Ganzes  vom  Meere 
abgeschlossen,  sondern  auch  seine  einzelnen  Becken  unter  sich. 
Verbindung  gewähren  nur  enge,  schwer  passierbare  Quertäler. 

In  Tunesien  dagegen  finden  wir  fächerförmig  auseinander- 
laufende, in  einzelne  Stücke  zerlegte  Ketten,  die  zwischen  sich 
breiten,  für  Volkswirtschaft  und  Verkehr  geeigneten  Längstälern 
Raum  geben  und  zugleich  auch  leichte  Querverbindung  zwischen 
den  einzelnen  Tälern  zulassen.  Dazu  sind  die  Höhen  der  Berg- 
ketten nur  mäßige,  der  Charakter  eines  Berg-  und  Hügellandes 
überwiegt.  Geschlossene,  schwer  zugängliche  Hochbecken  wie 
in  Algerien  finden  sich  nicht. 

Durch  diese  großen  Merkmale,  die  Tunesien  scharf  von 
Algerien  sondern,  wird  es  zu  einem  selbständigen  Länderindivi- 
duum niederer  Ordnung  in  der  größeren  Einheit  des  Atlasgebietes. 
Es  umfaßt,  wie  aus  obigem  hervorgeht,  das  Gebiet,  in  dem  ein 
gewisses  Auseinandertreten  der  Falten  des  Atlas  eintritt,  zu- 
gleich auch  merkbare  Höhenabnahme   stattfindet.    Wir  können 


')  Toutain  18 :  Les  voies  qni  relaient  Theveste  ä  Hipporegins,  ä  Cirta 
et  ...  .  formaient  un  r^seau  rontier  tout  k  fait  distinct  par  son  bistoire 
comme  par  son  developpement  g^ographiqae  du  reseaa  roatier,  dont  rorigine 
86  trouyait  aar  la  cote  Orientale  de  TAfrica  ä  Carthage,  ä  Hadrum^te,  k 
Thacape.  —  Vgl.  dazu  aach  die  Amnerkang  an!  8.  23 :  Schalten  .  .  . 


—    23    — 

also  ToDesieii  bodenplastisch  als  das  östliche  Abdachangsgebiet 
des  Atlas  bezeichnen.  ^)  Danach  ist  Tunesien  das  Endland  zn 
Kleinafrika.    (Penck.) 

In  seiner  Geschichte  hatten  wir  Tunesien  als  die  Einfluß- 
sphäre der  Ostküste  kennen  gelernt.  Wenn  wir  nun  nach  den 
bodenplastischen  Grundzügen  Tunesien  als  das  Endland  zu 
Kleinafrika  bezeichnen  müssen,  so  haben  wir  damit  ein  und 
dasselbe  Gebiet  vor  uns.  Der  Einfluß  der  Ostküste  reicht  eben 
merkbar  bis  dahin,  wo  ein  gewisses  Auseinandertreten  der  Falten 
eintritt  und  somit  ausgesprochener  WO-Verkehr  möglich  wird. 
Es  fällt  also  die  historische  Grenze  im  großen  ganzen  mit  der 
Abgrenzung  des  Gebietes  nach  bodenplastischen  Faktoren  zu- 
sammen.   Verfolgen  wir  sie  einmal  genauer. 

Im  Norden  ist  die  Ebene  am  Tuscaflusse  von  jeher  ein 
Grenzgebiet  zwischen  Tunesien  und  Algerien  gewesen  (s.S.  11). 
Wir  rechnen  sie  Tunesien  zu  und  begrenzen  sie  durch  die 
westlich  liegenden  Bergzüge,  von  denen  besonders  der  NS  ver- 
laufende Dj.  Haddeda  „Grenzberg^  eine  gute  Grenze  bildet. 
Als  Ausgangspunkt  an  der  Nordküste  nehmen  wir  das  Kap 
Roux,  welches  auch  Reclus  als  allgemeine  Grenze  zwischen 
Tunesien  und  Algerien  betrachtet  „infolge  seiner  Abdachung 
und  Ruinenbefestigung.  ^)  Vom  Kap  Roux  ziehen  wir  die  Grenze 
in  annähernd  Südrichtung  über  den  Dj.  Haddeda  auf  der  Wasser- 
scheide entlang  zu  dem  Gebirgsknotenpunkt  Dj.  Bir,  von  ihm 
aus  der  Wasserscheide  zwischen  Medjerda  und  Kebir  (in  Algerien) 
folgend  über  die  SW— NE  streichenden  Gipfel  des  Argoub  es 
Senoussa,  Gloub,  Rorra,  Oum  el  Diss,  Guelaa,  Guern  Rzal  bis 
zu  dem  Punkt,  wo  der  Medjerda  oberhalb  Ghardimaou  in  die 
Ebene   tritt.')     Von   hier  an  ist   der  Verlauf  der  Grenze  an 


^)  Genau  dieselben  Verbältnisse  finden  sieb  in  den  Ostalpen  wieder. 
Auch  bier  Auseinandertreten  der  einzelnen  Falten  nnd  Höhenabnahme,  und 
der  Karthago-Tunis  entsprechende  Sammelpunkt:  Wien. 

*)  Kiepert  nimmt  auf  den  Karten  der  Bömerzeit  auch  schon  dies  Kap 
als  Grenze  an,   gibt  aber  keine  Begründung  dafür. 

')  Schulten :  Aus  dem  römischen  Afrika.    Allg.  Z.  Beil.  67,  S.  5. 

„Diese  Bergzttge  sind  wohl  seit  der  römischen  Kaiserzeit  als  Grenze 
betrachtet.  Denn  jenseits  der  hohen  Berge,  die  der  Medjerda  (Bagradas 
bei  Grardimaou,  der  heutigen  Grenzstation,  durchbricht,  gravitieren  die 
Städte  nach  Cirta  bin.''  Was  die  Schreibweise  der  Namen  anbetrifft,  richtete 
sich  Verfasser  meist  nach  der  Karte  1  :  800000. 


-^    24    — 

manchen  Stellen  willkfirlich,  nur  durch  einige  Bergmassive  wie 
Dj.  el  Melah,  Ledjebel,  Harraba  und  mehr  im  Süden  Dj.  Zebissa 
(vgl.  Th.  F.  Mittelmeerbilder  S.  307)  vorgezeichnet.  Diese  ent- 
völkerten Massive  bilden  durch  ihr  rauhes  Klima  und  verhältnis- 
mäßig dichte  Waldbedeckung  im  Verein  mit  ihrem  Relief  eine 
recht  wirksame  Abtrennung.  Eine  Überall  scharfe  Grenze  läßt 
sich  aber  hier  nicht  ziehen,  weil  auf  dieser  Strecke  die  beiden 
Länder  aufs  innigste  miteinander  verbunden  sind  durch  den  Med- 
jerda  und  seine  Nebenflüsse.  Hier  haben  beide  die  gemeinsame 
Pforte,  durch  welche  der  Verkehr  und  die  Kämpfe  der  Völker 
stattfanden.  Das  vom  Ksob  und  seinen  Zuflüssen  durchschluchtete 
Gebiet  rechnen  wir  —  der  Abdachungsrichtung  gemäß  —  noch 
zu  Tunesien,  so  daß  die  Berge  Quenza,  Kradra,  Hout  el  Kebir, 
Dj.  Dyr,  Fed  ez  Rezaim  den  Grenzwall  bilden.  Nach  Tebessa 
zu  bildet  der  gewaltige  Engpaß  Kranguet  Muahad  von  nahezu 
1000  m  Höhe  eine  scharfe  Grenze ;  ^)  weiterhin  dann  die  tief 
eingeschnittenen  Täler  des  Safsaf-Ksob  und  die  des  Frid-Allenda, 
dazwischen  die  Bergkette  vom  Dj.  Serraguia  (der  südliche,  westlich 
von  Feriana  liegt  der  nördliche  Dj.  Serraguia)  bis  Dj.  Fedj 
Nahala. 

Alle  diese  Punkte  sind  meistens  natürliche,  wirksame 
Schranken,  und  so  benutzt  sie  auch  die  politische  Grenze. 
Zwischen  diesen  Grenzpunkten  aber  verläuft  die  Grenze  ziemlich 
willkürlich,  weil,  wie  schon  erwähnt,  gerade  hier  die  Länder 
eng  verbunden  sind,  indem  Bergketten  aus  Algerien  nach  Tunesien 
herüberstreichen  oder  Flußläufe  hinübergreifen.  Es  trennt  jedoch 
die  Verbindungslinie  dieser  Grenzpunkte,  die  mit  der  politischen 
Grenzlinie  ungefähr  zusammenfällt,  offensichtlich  ein  Gebiet, 
das  nach  Osten  gravitiert  und  aufgelöste  Bergketten  zeigt,  von 
einem  nach  Norden  gravitierenden  Gebiet  mit  geschlossenen 
Bergzügen.  ^)  Im  Süden  bilden  die  Schotts  die  Grenze.  Die 
beiden  Landbrücken  im  Schottgebiet,  die  Tunesien  mit  der 
Wüstentafel  verbinden,  haben  beide  als  natürliche  Abtrennung 
eine  nur  wenig  über  50  m  liegende  Einsattelung :  diejenige  von 
el  Hamma  nach  Degu^che  und  die  von  Oudref  nordwestlich 
von  Gabes. 


*)  Th.  F.  S.  307,  Mittelmeerbilder. 

*)  Ein  Gebiet  gleichsinniger  und  nogleichsinniger  Abdachung.  V.  d.  D. 
G.-Tagee  1891.    S.  29.    Penck. 


—    26    — 

Die  unendliche  Mannigfaltigkeit  der  Oberflächenformen  des 
festen  Landes  ist  nicht  auf  einmal  und  auf  immer  dieselbe  Art 
entstanden,  sondern  von  einer  Reihe  von  gestaltenden  Faktoren 
abhängig.  Diese  Faktoren  beruhen  einerseits  auf  der  verschieden- 
artigen, stofflichen  Zusammensetzung  des  Bodens,  also  auf  dem 
Material,  das  an  die  Oberfläche  tritt,  und  andrerseits  auf  der 
Yerschiedenartigkeit  der  Kräfte,  welche  an  diesem  Material  an- 
greifen und  es  zu  den  heutigen  Reliefformen  ausgestalteten. 
Ein  Verständnis  der  Oberflächenformen  eines  Gebietes  und  ihr 
Zusammenhang  ist  darum  nur  auf  Grund  einer  genauen  Kenntnis 
des  geologischen  Aufbaues  und  der  Gesteinsbeschatfenheit  mög- 
lich. Ohne  Kenntnis  der  Natur  des  Bodens  wird  man  die  jewei- 
ligen Formen  der  Oberfläche  kaum  verstehen  und  erklären  können. 
Diese  Art  der  Betrachtung  der  Oberflächengestalt  nach  ihren 
sie  bedingenden  Faktoren  fällt  weitaus  in  das  spezielle  Gebiet 
des  Geologen.  Doch  wird  der  Geograph  auch  das  eigentliche 
Gebiet  des  Geologen  betreten  müssen,  wenn  es  gilt,  gleiche  oder 
ähnliche  Formen  der  Oberfläche  zu  gliedern. 

Wir  werden  darum  hier  kurz  auf  den  geologischen  Werde- 
gang unseres  Gebietes  eingehen,  um  die  einzelnen  Formen  der 
Plastik  in  ihrem  ursächlichen  Zusammenhange  besser  erkennen 
zu  können.  Dabei  wird  es  uns  genügen,  die  geologische  Be- 
trachtung unseres  Gebietes  im  allgemeinen  nur  so  weit  durch- 
zuführen, als  sie  direkten  Bezug  nimmt  auf  die  oberste  Erd- 
schicht, „der  eigensten  Domäne  der  Geographie^,  (Richthof en, 
Aufgaben  S.  7)  und  dazu  beiträgt,  unser  Gebiet  als  ein  selbst- 
ständiges Individuum  in  dem  großen  Ganzen  des  Atlas  erkennen 
zu  lassen. 

Die  folgende  Schilderung  beruht  weitaus  auf  der  guten 
Arbeit  von  Pervinqui^re.  Es  dürften  hier  ein  paar  Worte 
über  die  Entwicklung  unsrer  Kenntnis  vom  Tunesien  am  Platze 
sein.  Die  Schriften  über  Tunesien  vor  1880  bieten  recht  wenig 
gutes  Material.  Meistens  sind  es  ungenügende  Schilderungen 
von  „flüchtigen  Touristenfahrten".  Erst  die  Besitzergreifung  des 
Landes  durch  die  Franzosen  brachte  wie  auf  anderen  Gebieten 
so  auch  in  wissenschaftlicher  Beziehung  ihr  Gutes ;  wissenschaft- 
liche Fragen  traten  mehr  in  den  Vordergrund,  so  daß  schließ- 
lich die  Regierung  die  Erforschung  ihrer  neuen  Kolonie  in  die 
Hand  nahm  und  seitdem  systematisch  durchführt  (etwa  seit  Ende 


—    26    — 

der  achtziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts).  Seitdem  finden 
sich  häufiger  landeskundliche  Darstellungen,  meist  aber  noch 
über  nur  kleinere  Gebiete.  Ich  erwähne  nur  die  Arbeiten  von 
Aubert,  Parran,  Rolland,  Pomel,  Le  Mesle,  Baltzer  und  andere.^) 
Vorherrschend  behandeln  diese  Schriften  geologische  Fragen. 
So  auch  Pervinqui^re,  der  aber  schon  ein  zusammenhängenderes 
Gebiet  geologisch  erläutert  und  in  seinem  neuesten  Werke: 
„Etüde  geologique  de  la  Tunisie  centrale^  1900  eine  Fülle  von 
Material  für  die  landeskundliche,  insbesondere  bodenplastische 
Darstellung  des  Landes  liefert,  so  daß  wir  hauptsächlich  dieses 
Werk  unsrer  Arbeit  zugrunde  legten. 

Die  bis  vor  kurzem  noch  recht  mangelhaften  Kenntnisse 
von  Tunesien  sind  auch  der  Grund  für  die  äußerst  geringe  An- 
zahl von  Gesamtdarstellungen  unseres  Gebietes.  Die  erste  und 
im  großen  und  ganzen  noch  heute  ziemlich  richtige  Gesamt- 
schilderung entwirft  Reclus  in  seiner  „G6opraphie  universelle 
1886.«  -  Blankenhom  1888  (Pet.  Ergh.  XX  1888-89)  und 
etwas  später  Rothpletz  1890  versuchen  den  tektonischen  Zu- 
sammenhang unsres  Gebietes  mit  dem  Atlas  klarzulegen.  In 
dem  Werk:  „La  Tunisie"  —  Paris  1896  Revue  generale  .  .  .  . 
haben  wir  „die  erste  wertvolle  Gesamtdarstellung  des  Landes; 
wenn  auch  nicht  eine  systematische  wissenschaftliche  Landes- 
kunde von  Tunesien,  so  doch  eine  Fülle  wertvollen  Stoffes  zu 
einer  solchen.«*)  Ein  weiteres  vorzügliches  Hilfsmittel  bietet 
dann  noch  fortgesetzt  A.  Bernard  in  seiner  Bibliographie  des 
traveaux  sur  la  geogr.  de  Y  Afr.  septenlrionale. ')  Die  ver- 
schiedenen Einzelforschungen  zu  einer  Gesamtdarstellung  der 
Bodenplastik,  soweit  es  heute  schon  möglich  ist,  zusammen- 
zufassen, ist  Zweck  und  Ziel  der  vorliegenden  Arbeit. 

Die  Geologischen   Verhältnisse.*) 

Geologische  Formationen  sind  in  Tunesien  vertreten  von 
der  Trias  an  bis  zu  den  neusten  Bildungen.  Wir  haben  hier 
also   den   sedimentären   Außengürtel   des   alten   Gebirges,   das 

1)  Baltzer  schreibt  Doch  1895:  Eine  Gliederang  des  Berglandes  ist 
noch  nicht  möglich. 

«)  Th.  Fischer.     Pet.  Mitt.     Lit.  B.  657. 

•)  S.  geogr.  Jahrbuch  XXH. 

^)  Dieser  Abschnitt  beruht  zum  größten  Teil  auf  Pervinqui^es  gnter  Arbeit. 


—    27     - 

jetzt  zum'  größten  Teil  auf  dem  Grunde  des  westl.  Mittelmeer- 
beckens liegt.  Alle  vorkommenden  Formationen  haben  ziemliche 
Ähnlichkeit  mit  denen  in  Algerien,  zeigen  aber  bei  näherer 
Untersuchung  kleine  unterscheidende  Merkmale.  Alte  Schiefer, 
die  in  Algerien  noch  häutig  auftreten,  fehlen  in  Tunesien  gänz- 
lich; Eruptivgesteine,  ebenfalls  häufig  in  Algerien,  meist  an 
der  Küste,  finden  sich  in  unserm  Gebiet  nur  auf  der  Insel 
Galite  und  an  einigen  Punkten  im  Innern  in  geringer  Aus- 
dehnung. ^) 

Die  Trias,  die  älteste  Formation,')  spielt  besonders  in 
Zentraltunesien  und  im  Süden  eine  ziemliche  Rolle  bei  Zusammen- 
setzung von  verschiedenen  komplizierten  Massiven.  (S.  242.)  Im 
Maktarplateau  fehlt  Trias  ganz.  Diese  Formation  bildet  keine 
zusammenhängende  Gebiete,  sondern  tritt  nur  in  einzelnen  Fetzen 
zu  Tage,  am  ausgedehntesten  am  Dj.  Debabid.  (S.-W.  von  Kef.) 
Die  einzelnen  Fetzen  sind  manchmal  wie  an  einem  Bande  hinter- 
einander gereiht.  Deutlich  tritt  dies  z.  B.  hervor  beim  Senouber- 
Saadine-Debabid.  Der  Formation  gehören  äußerst  gute  Bausteine 
an.  Auch  Marmor  findet  sich.  So  wird  bei  Chemtou  im  Medjerda^ 
tal  die  beste  grüne  Varietät  gebrochen.  Auf  das  Aussehen 
der  Städte  hatte  das  Vorkommen  von  gutem  Baumaterial  natür- 
lich seine  Wirkung  ausgeübt.  Karthago  soll  architektonisch  eine 
wunderbare  Stadt  gewesen  sein!  — 

Die  Lagerung  ist  sehr  gestört.  Es  finden  sich  nirgends 
zusammenhängende  Schichten  auf  größere  Strecken  hin.  Wo 
immer  Trias  zu  Tage  tritt,  zeigt  sich  der  mannigfachste  Wechsel 
in  den  verschiedenartigsten  Schichten,  Auch  die  einzigen 
Eruptivgesteine  Tunesiens  finden  sich  hier:  Ophite  z.  B.  am 
Debabid  und  Saadine  (Perv.  328).  Meist  ist  die  Formation 
bunt  zusammengewürfelt  aus  groben  Blöcken  und  Fragmenten 
von  zerschnittenen  Bänken  zwischen  bunten  Mergeln  und  Tonen 
(Perv.  18).  Letztere,  ziemlich  verbreitet,  sind  leicht  zerstörbar,  so 
daß  große  Erosionswirkung  herrscht,  die  durch  die  starke  Ver- 


»)  Parran:  B.  8.  Geol.  Fr.  1890  s.  218:  ^Einige  Trachyte  bUden  ver- 
längerte Bergnasen,  Spitzen  (pitons)  zwischen  Changat  ei  Tnz  und  Cap  Negro*  — 
Auch  Ophite  (mesozoische  und  noch  jüngere  Eruptivgesteine)  sind  meist  da, 
wo  Trias  auftritt,  hindurchgedrungen. 

')  Trias,  nicht  Jura,  wie  Aubert  und  andere  noch  annehmen  ist  die 
Utaete  Formation. 


—    28    — 

lagerang  noch  verstärkt  wird.  Fast  alle  Aufragungen  sind 
durch  die  Erosion  nivelliert.  Die  Flüsse  haben  sich  gewaltige 
Täler,  schon  mehr  Schluchten,  gegraben.  So  sind  besonders 
der  Melah  (S.-W.  von  Kef)  und  seine  Zuflüsse  tief  in  die 
triasischen  Tone  eingeschnitten.  Die  Eingeborenen  bezeichnen 
diese  tief  eingegrabenen  Flttßchen  mit  djeraouil.  (Perv.  S.  267.) 
Häufig  finden  sich  zwischen  den  Tonen  harte  Dolomitkalke.  Der 
Härtewechsel  der  verschiedenen  Schichten  prägt  sich  dann  deutlich 
aus,  indem  die  Tone  weg  erodiert  werden,  die  Kalke  aber  als  steile 
Aufragungen  zurückbleiben ;  auch  häufiger  Wechsel  im  Gehänge 
wird  dadurch  verursacht,  z.  B.  bildet  am  Eoudiat  Haifa,  der 
nur  durch  einen  Dolomitblock  gegen  Erosion  geschützt  ist,  der 
Kalk  steile,  die  Tone  sanfte  Abhänge,  dadurch  oft  Stufen  von 
über  5  m  Höhe.    (Perv.  S.  25.) 

Die  triasischen  Mergel  (mittl.  Trias)  sind  gips-  und  salz- 
führend (Perv.  S.  19).  An  ihrer  Oberfläche  bildet  sich  deshalb  oft 
eine  Ait  Kruste  oder  Rückenschild  aus  Gipskalk.  Diese  Kruste, 
fast  ganz  vegetationslos  (zumal  im  Süden  infolge  der  Lufttrocken- 
heit, im  Norden  finden  sich  spärliche  Fichten-  und  Wachholder- 
gesträuche),  bedingt  eine  dem  mediterranen  Gebiet  ganz  eigen- 
tümliche Landschaftsform.  Auf  die  Entstehung  dieser  Kruste 
werden  wir  später  zurückkommen. 

Die  tunesische  Trias  unterscheidet  sich  von  der  algerischen 
nur  durch  das  Fehlen  von  Quarzkristallen  (Perv.  S.  18).  Völlig 
verschieden  ist  die  tunesische  Trias,  da  bei  ihr  lakustre  und 
marine  Ablagerungen  wechseln,  von  der  nur  marinen  Trias  in 
Sizilien  und  Kalabrien.  Um  so  mehr  Analogien  zeigt  sie  aber  mit 
der  Trias  in  Mittelitalien  (Perv.  S.  25). 

Jura,  aus  Lias  und  oberem  Jura  bestehend,  tritt  im  Norden 
(NO)  Tunesiens  und  im  äußersten  Süden  auf.  In  Zentraltunesien 
hat  ihn  Pervinqui^re  nicht  beobachtet.  Man  findet  Jura  meist 
längs  einer  Verwerfung,  und  zwar  inselartig,  so  daß  er  eine 
Reihe  von  isolierten  Punkten  (Horste)  bildet.  Die  bandartige 
Anordnung  dieser  Juragipfel  tritt  scharf  hervor ;  sie  finden  sich 
z.  B.  längs  einer  Verwerfung  vom  Dj.  Fkirin  bis  bou  Kournin 
erst  in  NE-,  dann  mehr  Nordrichtung. 

Der  Lias  zeigt  fast  keine  Schichtung ;  er  kommt  zuweilen 
in  Bänken  von  über  100  m  Dicke  vor.  Er  ist  schwer  zu  falten 
und  neigt  deshalb  zu  Bruchbildung.    Meist  bildet  er  ein  ge- 


—    29    — 

schlossenes  Profil  und  starre,  wilde  Formen,  bald  ausgedehnte 
pittoreske  Kämme,  bald  steile  Zacken,  ähnlich  \?ie  in  den  Ealk- 
alpen  (Pery.  Bild  VIII  S.  255).  Ein  gutes  Beispiel  dieser  wil- 
den Schönheit  des  Jura  ist  der  viel  besuchte  und  bewunderte 
Zaghuan  südwestlich  von  Tunis  (Bild  V  S.  253). 

Der  Jura  in  Tunesien  hat  große  Ähnlichkeit  mit  dem  alge- 
rischen, auch  mit  dem  italienischen  im  Zentralapennin.  Den 
tithonischen  Kalk  von  Capri  kann  man  mit  dem  vom  Dj.  Re^as 
und  Zaghuan  vergleichen  (Haug  S.  367).^) 

Die  Kreideformation  ist  vertreten  durch  Neokom,  Aptien, 
Albien,  Cenoman,  Turon  und  Senon.  Sie  ist  weit  verbreitet  und 
setzt  einen  großen  Teil  der  Oberfläche  zusammen.  Aptien  z.  B. 
bildet  das  Gerippe  der  meisten  großen  Gebirgsketten  Zentral- 
tunesiens. Wahrscheinlich  war  ganz  Tunesien  während  der 
Kreidezeit  fiberflutet.  Ein  Aufeinanderfolgen  der  einzelnen 
Kreideschollen  in  NO  -  Richtung  läßt  sich  häufig  erkennen ,  so 
bei  der  Kreideantiklinale  Dj.  Goubeul-Serraguia-Safsaf. 

Die  Kreidekalke  finden  sich  in  starker  Entwicklung,  oft 
300— 400m  mächtig;  am  Serdj  der  Aptien  z.  B.  500m  stark. 
Es  ist  ein  ziemlich  widerstandsfähiges  Gestein  und  nimmt  häufig 
ein  hartes,  dolomitähnliches  Gebilde  an.  Da  die  Kreidekalke 
nicht  zur  Faltung  neigen  (besonders  Aptien),  fiberwiegt  Bruch- 
bildung (P.  Ann.  438),  ähnlich  wie  bei  den  Jurakalken. 

Mergel  und  Kalkschichten  wechseln  fast  regelmäßig  mit- 
einander ab.  Die  Mergel  sind  leicht  zerstörbar.  Deshalb  treten 
auch  in  der  Kreide  wie  in  der  Trias  durch  das  rinnende  Ge- 
wässer tief  eingegrabene  Erosionsschluchten  auf  (s.  S.  28),  die 
das  Gelände  äußerst  unwegsam  und  schwierig  machen,  so  beson- 
ders in  der  Gegend  Rebaa  Siliana  und  um  Jama.  Am  Siliana, 
auch  am  Foum   el  Guelta^)  (P.  65)  sind  die  Mergel  bis  100  m 


^)  Was  auf  der  geologischen  Karte  von  Anbert  1 :  800000  als  Jnra 
bezeichnet  ist,  ist  meistens  Trias.  Jura  hielt  man  bis  vor  kurzem  fttr  das 
älteste  Gestein  in  Tunesien;  auch  Haug  noch,  s.  S.  367.  Überhaupt  ist  Tune- 
sien geologisch  noch  nicht  yöllig  erforscht,  so  daß  wir  uns  auch  aus  diesem 
Grunde  mit  einer  allgemeinen  Übersicht  begnügen  müssen. 

')  Der  Foum  el  Guelta  wird  dadurch  zum  einzigen  Übergang  über 
das  Mhrila  massiv ;  er  ist  auf  Kosten  des  Cenomanm ergeis  gebildet.  (Cah.  da 
Serv.  gfeogr.  N.  16.) 


—    30    — 

tief  eingeschnitten,  nnd  kleine  Gewässer  ^)  haben  sich  oft  außer- 
ordentlich breite  und  tiefe  Betten  ausgewaschen. 

Die  Ereidekalke  sind  oft  steil  emporgerichtet  und  dann 
herauspräpariert,  da  sie  in  der  Regel  mit  leicht  zerstörbaren 
Mergelschichten  abwechseln.  Dadurch  entsteht  manchmal  eine 
Reihe  von  Barren,  wobei  zuweilen  diese  Barren  bis  20  m  hoch 
wie  eine  Mauer  auftreten.  Der  Eingeborene  bezeichnet  eine 
solche  Mauer  mit  „siouf^,  wo  mehrere  zusammenkommen  als 
„srasif*  (bei  Perv.  S.  12  u.  75).  Beispiele  von  solchen  Gebilden 
finden  sich  am  Cherichira  (S.  249)  und  Foum  el  Guelta  (S.  243). 

Mannigfache  Formen  nehmen  auch  die  Gehänge  an  durch 
den  Wechsel  von  Mergel-  und  Kalkschichten.  Auf  steile,  senk- 
rechte Stufen,  bald  groß  (so  am  Dj.  Serdj  15  m  hoch),  bald 
klein,  folgen  sanfte  Mergelabhänge.  —  Infolge  des  Wechsels 
von  harten  und  weichen  Schichten  sind  auch  karähnliche  Tal- 
buchten ^)  (cirque)  häufig  zu  finden.  Meistens  bilden,  zumal  im 
Süden,  die  härteren  Turonkalke  die  erhöhten  Ränder.  Die 
Hohlform  aber  ist  auf  Kosten  der  weicheren  (Cenoman)  Mergel- 
schichten geschaffen.  (Ann.  1900  Perv.  S.  438.) 

Im  Senon  tritt  hie  und  da  auch  „Dolmen" bildung  auf. 

Es  sind  diese  „Dolmen''^)  Erosionserzeugnisse,  dadurch 
entstanden,  daß  eine  widerstandsfähigere  Deckplatte  die  darunter 
liegenden  Steine  gegen  Erosion  schlitzte.  Die  meisten  dieser 
Gebilde  sind  aber  wohl  ein  Werk  von  Menschenhänden,  so  z.  B. 
im  Gebiete  Enfida.  (Vgl.  Rouire:  Sur  les  Dolmens  de  TEnfida.) 

Oft  sind  die  Kalkbänke  gehoben  und  bilden  dann  Koudiats 
oder  Kefs.  (S.  96.)  Koudiat  ist  meist  eine  isolierte  sanfte  Pyra- 
mide, oben  mit  einer  Kalkplatte  (vorwiegend  weiße  Senonkalk- 
bänke ;  Koudiats  kommen  aber  auch  im  Eocän  vor.)  Der  obere 
Teil  eines  Koudiats  ist  zuweilen  ein  Kef  =  felsiger  Zacken. 
(Koudiat  el  Haifa,  der  „Zuckerhut",  gibt  ein  gutes  Beispiel.)  Am 
Dj.  Fkirin  findet  sich  eine  Doppelreihe  von  diesen  weißen  Hügeln, 
den  „Koudiats".    Für  die  mittlere  und  obere  Kreide  sind  noch 


')  So  hat  der  Sabonn,  ein  Wässerlein  bei  Maktar,  ein  Tal  1  km  breit 
und  60  m  tief  sich  geschaffen. 

'^)  Penck:  Morphologie  der  Erdoberfläche  1894  S.  118  nennt  sie 
.zirkusförmige  Talschlüsse ". 

')  „Dolmen*  nennt  man  sonst  megalithische  Qräber.  Hier  ist  der 
Ansdrack  anf  Erosionsgebilde  übertragen,  die  ähnlichen  Eindrack  hervorrufen. 


—    31     — 

eine  typische  Form  die  regoubats  (Argoub,  Ergonb),  niedrige, 
runde  Hügel  mit  weichen  Formen.  Meist  aus  Kreide  bestehen 
femer  die  T.  ganz  besonders  eigentümlichen  Dome.  Auf  ihre 
Entstehung  werden  wir  später  eingehen. 

Es  findet  sich  auch  PlateaubilduDg.  Plateaus  sind  z.  B.  die 
sogenannten  „Hamaden'^  =  steinige  Kieswüsten,  die  (nach  Zittel) 
entstanden  sind  durch  Absprengung  von  kleinen  Platten  (Des- 
quamation), wo  intensive  Insolation  und  Ausstrahlung  herrscht. 

Tertiäre  Ablagerungen  sind  in  unserem  Gebiete  sehr  ver- 
breitet, besonders  Eocän  und  Pliocän.  Oligocän  und  Miocän 
haben  geringe  Ausdehnung.  Eocän  findet  sich  namentlich  in 
der  Kroumirei  (Caudray  19)  und  iii  Zentraltunesien,  auch  in  der 
Kette  von  Tamerza  (Hang  S.  368).  ^)  Eine  zonale,  bandartige 
Anordnung  ist  bei  Eocän  und  Pliocän  deutlich  zu  sehen.  In 
Nord-  und  Zentral-Tunesien  haben  die  Eocänbänder  ausgeprägte 
NE-Richtung;  dazwischen  liegt  das  Pliocän. 

Im  unteren  Eocän  ist  weißer,  biegsamer  Kalk  ohne  Nu- 
muliten  häufig.  Deshalb  tritt  Fältelung  auf,  doch  auch  Plateau- 
bildung. Man  findet  ebenfalls  Koudiats  oder  Kroumats,^)  die 
ähnlich  den  weißen  Hügeln  aus  Senonkalk  gestaltet  sind.  (Perv. 
Ann.  S.  439.)  Der  Numulitenkalkstein  des  unteren  Eocän  ist 
weit  verbreitet ;  fast  zweidrittel  von  Zentraltunesien  besteht  aus 
ihm.  Er  findet  sich  meist  in  Synklinalen,  bildet  aber  durchweg 
jetzt  die  Gipfel  der  Berge  infolge  Umkehr  des  Reliefs  durch 
Erosion.  (B.  et  Ficbeur  434.)  Der  Numulitenkalk  bietet  starre 
Formen,  läßt  sich  schwer  falten,  zeigt  deshalb  ebenfalls  häufig 
Bruchbildung  und  steile  Abstürze,  letztere  oft  über  50  m  hoch, 
wie  am  Kalaat  es  Snam.  (Perv.  S.  146.)  Am  Ousselat^)  finden 
sich  beide  Arten  von  Kalkstein  des  unteren  Eocän;  der  hier- 
durch bedingte  verschiedenartige  Anblick  der  Nord-  und  Süd- 
hälfte dieses  Berges  ist  überraschend.  Im  Norden,  wo  der  bieg- 
same Kalk  sich  findet,  herrscht  Faltung,  im  Süden,  wo  Numu- 


^)  Es  ist  also  zwischen  der  Nordzone,  der  Kroumirei  and  ihren  Nach- 
bargebieten (Sand  and  Namal.-Mergel  des  Eocän),  and  der  Zentralzone  (Jara 
and  Kreide),  wie  Caadray  annimmt,  diese  scharfe  Trennung  nicht  vorhanden. 
(Caudray  S.  19.) 

'^)  Kroumats  sind  niedrige,  gerundete  Hügel,  («mamelon"). 

*)  Westlich  von  Kairuan. 


—    32    — 

litenkalk,    dagegen   Bruchbildnng  vor.     (Ähnliche  Verhältnisse 
an  der  „Mauer*  el  Guerria  vgl.  Perv.  S.  266.) 

Die  typische  Form,  in  der  der  Nuroulitenkalk  meistens 
auftritt,  sind  die  Kalaats.  E^  sind  dies  Hochplateaus,  die  ringsum 
von  steilen  Wänden  begrenzt  sind.  Eines  der  besten  Beispiele 
ist  die  Kalaat  es  Snam  westlich  von  Thala. 

Im  oberen  Eocän  wechselt  wiederum  Ton  (Mergel)  mit 
kalkigen  Sandsteinen  ab.  Deshalb  finden  wir  hier  wieder  „siouf^ 
Bildung  (S.  249,  215.  204).») 

Miocän  kommt  wenig  vor.  Es  ist  leicht  erodierbar  und 
bildet  deshalb  höchstens  kleine,  runde  HttgeL  Häufig  ist  die 
ganze  Oberfläche,  wo  es  zutage  tritt,  mit  einem  Kalkschild  aus 
Travertin  bedeckt.  Früher,  geologisch  gesprochen,  war  Miocän 
viel  weiter  verbreitet.  Das  Miocänmeer  bedeckte  wahrschein- 
lich ganz  Tunesien  mit  Ausnahme  des  äußersten  Südens,  welcher 
seit  der  Senonzeit  Festland  geblieben  ist.  Infolge  der  leichten 
Erodierbarkeit  ist  das  Miocän  heute  bis  auf  geringe  Fetzen 
abgetragen  worden.  Überhaupt  ist  das  ganze  Ende  der  Tertiär- 
periode durch  eine  gewaltige  Verwitterung  und  durch  starke 
Erosion  durch  das  rinnende  Wasser  gekennzeichnet.  Eine  Menge 
Denudationsprodukte  sind  damals  geschaffen  worden.  So  be- 
steht das  ganze  Pliocän  fast  nur  aus  Trümmergesteinen.  Meist 
bildet  es  am  Fuße  der  Berge  gewaltige  Schutthalden,  z.  B.  am 
Serdj  (Perv.  Ann.  1900,  S.  440),  Slata  und  Bargou.  (Dejektions- 
kegel.)  Oft  sind  es  weite  flache  Anhäufungen  von  Kieseln,  Sand 
und  Ton,  oft  aber  auch  völlig  wüste  Hügel  aus  SteingeröUen. 
Die  ursprünglich  eben  abgelagerte  Fläche  dieser  Denudations- 
produkte ist  häufig  wieder  durch  Erosion  in  eine  Menge  von 
isolierten  Hügeln,  sogenannten  „gours^  zerlegt,  deren  Gipfel  fast 
alle  gleich  hoch  sind.  In  Zentraltunesien  besteht  das  Pliocän 
meist  aus  solchen  Trttmmergesteinen.  Im  Süden  ist  es  dagegen 
fluvio-mariner  Entstehung. 

Im  Pliocängebiet  ist  mehr  die  Form  von  Faltenzügen 
vorherrschend,   im  Miocän  dagegen  mehr  die  der  Ebene.    Es 


')  Dem  häufigen  Vorkommen  des  oberen  Eocänmergel  verdankte 
Tunesien  seinen  Reichtum.  Denn  da  dieser  Mergel  phosphathaltig  ist,  gab 
er  einen  äußerst  fruchtbaren  Boden.  Der  Eocänmergel  war  es,  der  Tunesien 
sur  Kornkammer  Roms  machte. 


—    33    — 

hat  dies  vielleicht  seinen  Grund  in  der  größeren  Faltungsfähig- 
keit des  Pliocän. ')    Das  ist  aber  noch  zu  beweisen. 

Das  Pleistocän:  Alluvium  und  Eluvium,')  die  jüngsten 
Ablagerungen,  sind  gleichmäßig  ausgebildet  in  den  heutigen 
hydrographischen  Abteilungen.  (Bernard  et  Ficheur  S.  223.) 
Pleistocän  kommt  fast  nur  in  Mulden  vor.  Es  ist  besonders 
im  Osten  weit  verbreitet,  wo  es  dreiviertel  der  Ebenen  bildet. 
(Caudray.)  Im  Norden,  in  der  Medjerda-  und  Dakhla  -  Ebene, 
ist  es  mehr  tonig-quarzig  (fruchtbar),  im  Süden  von  Kaiman 
bis  Gabes  mehr  sandig  und  wenig  fruchtbar.  An  der  Küste 
linden  sich  meist  marine  Kalke.  Auch  bei  diesen  Gesteinen 
tritt  die  festländisch  gebildete,  travertinartige,  völlig  unfrucht- 
bare Kruste  auf.  Wo  Pleistozän  überwiegt,  ist  die  Form  der 
Ebene  vorherrschend. 

Geologisch  ist  also  Tunesien  ein  junges  Land.  Sein  Boden 
ist  überwiegend  aus  Gesteinen  jugendlichen  Alters  gebildet. 
Von  den  mesozoischen  Gesteinen  tritt  nur  die  Kreide  in  größerer 
Ausdehnung  auf,  meist  in  der  Form  von  massigen  Kalken,  Tief- 
seekalken,  wie  im  ganzen  Mittelmeer.  Die  Grundform  in  der 
geologischen  Zusammensetzung  des  Landes  bildet  nächst  den 
quartären  Gesteinen  das  Tertiär.  Es  wechseln,  wie  wir  gesehen, 
harte  Kalke  mit  weichen  Mergeln.  Da  an  letzteren  Tunesien 
besonders  reich  ist,  findet  eine  rasch  vor  sich  gehende  Abtragung 
und  ein  Herausbilden  von  einem  mannigfaltigen,  abwechslungs- 
reichen Relief  statt.  Durch  die  starke  Abtragung  wird  sogar 
häufig,  ähnlich  wie  in  Italien,  die  Lage  der  Siedelungen  bedingt. 
Sie  schließen  sich  nicht,  wie  in  Mitteleuropa,  den  Flüssen  und 
Tälern  an,  denn  diese  sind  meist  von  Geröll  und  Schlammassen 
erfüllt,  welche  die  den  größten  Teil  des  Jahres  überhaupt  nicht 
fließenden,  manchmal  aber  infolge  heftiger  Regengüsse  im  Ge- 
birge plötzlich  anschwellenden  Flüsse  ablagern.  Ebenso  ver- 
meiden die  Siedelungen  die  durch  den  Wechsel  von  harten  und 
weichen  Schichten  meist  sehr  beweglichen  Talgehänge.    Deshalb 


»)  Pet.  Mitt.  Bd.  36,  1890,  S.  194:  ,Im  Miocänland  zeigt  der  große 
Atlas  niedrigere  Ketten  und  Ebenen  treten  hervor.  Die  höchsten  Berge  und 
die  gedrängtesten  Ketten  finden  sich  im  Pliocänfestland.*' 

')  Eluvialregionen  finden  sich  besonders  häufig  in  Algerien.  In  Tu- 
nesien eigentlich  nur  an  den  Sebkas.  Nach  Supan,  Grundzüge  S.  528,  mttssen 
allerdings  auch  die  Hammadas  dazu  gerechnet  werden. 

3 


—     34    — 

findet  man  die  Ortschaften  Überwiegend  hoch  oben  auf  den 
vorherrschend  aus  festen,  wagrechten  Kalkplatten  bestehenden 
Bergrficken,  Adlernestern  gleich,  angelegt.  Man  betrachte  nur 
die  wunderbare  Kalaat  es  Snam ,  die  eine  der  stärksten  natür- 
lichen Festungen  darstellt  und  auch  ständig  als  Zufluchtsort 
gedient  hat.  Es  liegen  hier  ähnliche  Verhältnisse  wie  in  Italien 
vor.    Man  vergleiche  Th.  Fischer:  Mittelmeerbilder  S.  162. 

Wenn  Tunesien  im  einzelnen  gewisse  Ähnlichkeiten  in  dem 
Material,  aus  dem  es  sich  zusammensetzt,  mit  seinem  Nachbar- 
lande Algerien  zeigt,  trennt  es  sich  im  großen  und  ganzen  doch 
hinreichend  scharf  von  ihm  auch  in  geologischer  Hinsicht.  Algerien 
zerfällt  von  Norden  nach  Sttden  geologisch  in  (3)  verschiedene, 
gut  voneinander  sich  abhebende  Zonen.  Tunesien  läßt  in  ein- 
zelnen Zttgen  dies  Verhalten  auch  noch  etwas  erkennen,  —  der 
gemeinsamen  Entstehung  der  beiden  Länder  entsprechend.  Im 
allgemeinen  bietet  aber  Tunesien  in  seiner  geologischen  Zu- 
sammensetzung ein  Bild  größerer  Zerrissenheit  und  Buntheit 
als  Algerien,  eine  Folge  der  teilweise  andersartigen  Entstehung. 

Geschichte  des  Aufbaues. 

Die  Sedimentgesteine  von  der  Trias  an,  aus  denen  sich 
Tunesien  zusammensetzt,  haben  meist  ihre  ursprüngliche,  hori- 
zontale Lagerung  nicht  behalten,  sondern  die  gebirgsbildende 
Kraft  der  Erdrinde  hat  aus  den  verschiedenen  Formationen 
durch  Verschiebung,  durch  Faltung  und  Verwerfung  ein  mehr 
oder  minder  unregelmäßiges  Bodenrelief  geschafien.  Diese  Krusten- 
bewegungen, welche  die  heutige  Oberflächengestaltung  Tunesiens 
im  Großen  gebildet  haben,  hat  unser  Gebiet  im  großen  und 
ganzen  mit  dem  gesamten  Atlaslande  und  damit  auch  dessen 
orographischen  Hauptzüge  gemeinsam.  Im  einzelnen  aber  zeigt 
Tunesien  infolge  seiner  teilweise  andersartigen  Entstehung  eigene 
Züge,  die  ihm  den  Stempel  eines  selbständigen  Wesens  in  dem 
großen  Ganzen  aufdrücken. 

Wir  geben  im  folgenden  in  großen  Zügen  ein  allgemeines 
Bild  der  Entstehung  und  dadurch  bedingten  Gestaltung  des 
Atlasgebietes,  um  dann  die  wesentlichen  Züge  der  Entwicklung 
und  heutigen  Gestaltung  Tunesiens  zu  schildern,  in  denen  sich 
seine  Eigenart  besonders  ausprägt. 


-    35    — 

Das  Atlasgebirge  zerfällt  in  mehrere/)  längsgerichtete, 
einander  ziemlich  parallele  Ketten,  die  zwischen  sich  mehr  oder 
minder  breite  Mulden  einschließen.  Diese  typischen  Züge  eines 
Faltenlandes  hat  das  Atlasgebiet  nicht  mit  einem  Schlage  er- 
halten. Sie  sind  ein  Werk  von  langer  Dauer  und  resultieren 
aus  wiederholten  Bewegungen.  Schon  seit  dem  Mesozoikum 
fanden  in  diesem  Sti\ck  der  Erdrinde  Krustenbewegungen  statt, 
doch  hat  erst  die  letzte  und  intensivste,  diejenige  der  Tertiärzeit 
(im  Eocän  und  besonders  im  Miocän),  dem  Atlas  die  Grundzüge 
seiner  heutigen  Urographie  gegeben.  Die  faltende  Bewegung, 
veranlaßt  durch  Tangentialschub  von  Norden  infolge  Nieder- 
sinkens der  Scholle  des  westlichen  Mittelmeerbeckens,  scheint 
im  Westen  des  Atlasgebietes  ihre  größte  Intensität  gehabt  und 
nach  Osten  abgenommen  zu  haben.  Man  schließt  dies  aus  dem 
verschiedenen  Bau  des  westlichen  und  östlichen  Atlas. 

Der  westliche  Atlas,  der  marokkanische,  ist  höher  (bis  zu 
4000  m )  und  massiger ;  die  Gegensätze  der  Höhenlagen  sind 
auf  engem  Raum  zusammengerückt.  Deshalb  nimmt  man  an, 
daß  er  schneller  und  kräftiger  zusammengerafft  worden  ist  als 
der  östliche  Teil,  der  algerisch-tunesische  Atlas,  der  nicht  so 
intensiv  gefaltet  wurde,  indem  bei  ihm  alle  Züge  des  westlichen 
Atlas  viel  gemilderter  erscheinen.  (Vgl.  Fischer,  Mittelmeerbilder 
S.  159.)  Seine  Höhe  ist  beträchtlich  geringer;  seine  Ketten 
spannen  sich  weiter  auseinander  und  die  verschiedenen  [Klima- 
und]  Höhenzonen  sind  breiter  angelegt.  Auch  geologisch  trennen 
sich  beide  Teile  gut  voneinander,  indem  der  marokkanische 
Atlas  sich  ausschließlich  aus  paläozoischen  und  mesozoischen 
Gesteinen  zusammensetzt,  der  algerisch-tunesische  aber  nur  aus 
mesozoischen  und  jüngeren  Gesteinen.    (S.  Siev.-Hahn  S.  551.) 

Der  algerisch-tunesische  Atlas  gliedert  sich  wiederum  in 
einen,  kurz  gesagt,  durch  geschlossenere  Bergketten  unwegsamen 
und  einen  durch  Abnahme  der  Höhen  und  fächerförmiges  Aus- 
breiten der  Bergzüge  zugänglicheren  Teil.  —  So  kommt  oro- 
graphisch  eine  Dreiteilung  des  Atlas  zustande,  die  sich  auch 
in  seiner  politisch-historischen  Gestaltung  wiederspiegelt:  Fast 
immer  lagen  hier,  wie  auch  heute,  drei  Staatswesen.  „Nur  ihre 

')  Die  folg^ende  Darstellung  beruht  an!  den  Arbeiten  von  Pervinqui^re, 
Hothpletz,  Sievers-Hahn,  Th.  Fischer,  Ficheur  n.  a. 

3* 


—    36    — 

Grenzen  verschoben  sich  zuweilen  etwas,  und  nur  yorttbergehend 
machten  sie  einer  Einheit  (entsprechend  ihrer  Zugehörigkeit 
zu  einem  Gebirgssystem)  Platz."  ^) 

Der  algerisch-tunesische  Atlas  (s.  Fischer,  Mittelmeerbilder 
S.  159  f.),  welcher  für  unsere  Arbeit  allein  in  Betracht  kommt, 
läßt  orographisch  zwei  verschiedene  Systeme  erkennen:  einen 
Nordzug,  den  Teil-  oder  kleinen  Atlas,  und  eine  Südkette,  den 
Sahara-  oder  großen  Atlas. 

Der  kleine  Atlas,  meist  in  WO-Richtung  verlaufend  [einige 
Ketten  SW-NO]  (s.  Bernard  et  Ficheur :  Ann.  Geogr.  XI  1902, 
S.  223)  zeigt  steilen  Abbruch  nach  dem  Mittelmeere  mit  vul- 
kanischer Tätigkeit  an  der  Bruchlinie.  Einzelne  Massive  und 
kleine  Gebirgsketten,  die  unter  sich  ziemlich  eng  verbunden 
sind,  setzen  ihn  zusammen  und  verleihen  ihm  eine  gewisse 
Geschlossenheit,  die  einerseits  die  Unzugänglichkeit  der  Küste, 
andererseits  geringen  Verkehr  mit  dem  Innern  verursacht. 

Der  zweite  südlichere  Gebirgszug,  der  große  oder  Sahara- 
Atlas,  ist  zugleich  mit  dem  vorigen  entstanden,^)  ist  aber  nicht 
so  intensiv  gefaltet  worden  und  deshalb  einfacher  gestaltet  als 
der  kleine  Atlas.  Daß  auf  diesen  südlichen  Gebirgszug  nur  ein 
schwacher  orogenetischer  Druck,  verbunden  mit  schwachem 
Widerstände  wirkte,  ist  besonders  im  Süden  erkennbar,  wo  sich 
der  Saharatlas  mit  mehreren,  immer  schwächer  werdenden  Falten 
zur  Wüste  abflacht.  (Anders  am  Schottgebiet.  S.  dazu  S.  46 
und  79.')  —  Drei  große  Faltenbündel  setzen  den  großen  Atlas 
zusammen/)  Die  Richtung  der  einzelnen  Falten  (ONN)  ist 
schräg  zur  Richtung  der  Gesamtkette  SW-NO.  Letztere  muß  sich 


>)  Th.  Fischer,   Mittelmeerbilder  8.  280. 

')  Rothpletz:  Pet.  Mitt.  1890,  S.  194,  nimmt  aD,  daß  der  kleinere 
Atlas  der  jüngere  ist,  daß  seine  Ketten  in  einer  nachfolgenden  Periode  er- 
neuter gebirgsbildender  Kraft  sich  an  das  Gebirgsland  des  großen  Atlas 
allgeschart  haben. 

')  Fichenr  a.  a.  0. :  Ann.  XI,  S.  434 :  „L' Atlas  Saharien  n'est  pas 
bom6  an  sad  par  nne  s6rie  de  failles,  comme  on  le  croyait.  Ce  sont  plntöt 
des  ondulations  de  plas  en  plus  faibles,  qui  vont  monrir  sur  le  Sahara,  comme 
les  derniers  remons  de  vagnes  sur  nne  plage.* 

^)  Fichenr,  ebenda  8.426:  «L' Atlas  Saharien  se  compose  de  trois 
fasceaax  principaux  de  plis:  celui  du  massiv  de  Figoig  et  des  monts  des 
Kioar,  celai  da  Dj.  Amoor  et  des  monts  des  Oaled-Nayl,  enfin  celui  de 
r Aares  et  ses  prolongements." 


—    37    — 

deshalb  durch  ihre  Gesamtrichtung  nach  Osten  zu  immer  mehr 
dem  WO  streichenden  Nordzag  nähern,  bis  sie  sich  schließlich 
mit  ihm  auf  der  Grenze  von  Tunesien  verbindet,  ja  ihn  aus- 
schaltet und  so  „allein  die  Oberflächengestalt  Tunesiens  bis  in 
die  Halbinsel  Dakhla  bedingt,  indem  sie  neue  Ketten  bildet, 
die  die  Richtung  des  gesamten  orographischen  Systems  inne- 
halten«.^) 

Beide  Ketten,  Teil-  und  Sahara -Atlas,  sind  durch  ein 
Senkungsfeld,  den  Gürtel  der  Hochbecken,  getrennt.  Diese 
Mulde,  Reclus'  Gebiet  der  großen  Plateaus,  ist  eine  ebene,  mehr 
oder  weniger  gewellte  Zone  pliocänen  Alters.  Schotts  und 
Sebkra^)  sind  in  ihr  häufig.  Die  Breite  dieses  Hochbeckens 
(im  Mittel  1000—800  m  hoch)  nimmt  nach  Osten  zu  ab,  und  es 
findet  sein  Ende  auf  der  Grenze  von  Tunesien,  wo  der  nördliche 
und  südliche  Gebirgszug  zusammenstoßen. 

Durch  das  Aufeinanderfolgen  von  langgestreckten,  einander 
ziemlich  parallelen  Gebirgsketten-  und  Tälern  —  sie  folgen  sich 
wie  Wellenberge  den  Wellentälern  —  kommt  eine  natürliche 
Teilung  des  Landes,  vor  allem  in  Algerien,  in  lange  Bänder  zu 
Stande.  Der  Parallelismus  der  einzelnen  Bänder  —  sechs  nach 
Ficheur")  —  hebt  sich  um  so  mehr  hervor,  weil  ihnen  im  all- 
gemeinen auch  klimatische  und  geologische  Zonen  entsprechen 
und  so  ein  scharfer  Gegensatz  zwischen  den  einzelnen  Streifen 
in  Bodenbeschaffenheit,  Klima,  Produkten  und  Anblick  geschaffen 
wird.  Dies  Auf  ein  der  folgen  von  langen,  geraden,  einander 
merklich  parallelen  natürlichen  Gebieten  ist  der  charakteristischste 
Zug  in  der  Oberflächengestalt  Algeriens.*) 


1)  Reclns :  Geographie  aniverselle  XI,  1886,  S.  138. 

')  Sebkra  nennt  man  die  salzigen  Waflseransammlongen  in  abflußlosen 
Becken.  Sehr  häufig  trocknen  sie  ans  nnd  zeigen  dann  nur  eine  dicke  Sals- 
krnste.    Schotts  sind  ebenfalls  sebkra,  nur  von  großer  Ausdehnung. 

')  Er  unterscheidet  Ann.  XI,  S.  224:  1.  Küstenkette;  2.  Depression; 
3.  Mittelkette  oder  große  Bergzone  =  Achse  des  Teil;  4.  eine  dritte,  in  der 
Mitte  sehr  zerstückte  Kette;  5.  Steppe  oder  inneres  Bassin  der  Schotte; 
6.  Saharaatlas.    Rothpletz  in  Pet.  Mitt.  1890,  S.  290,  hat  nur  drei  Zonen. 

*)  cf.  Ficheur,  ebenda  S.  221 :  Mit  «natürlichem  Qebiet'  bezeichnet 
Ficheur  dort  ein  geog^raphisches  Individuum,  bestimmt  durch  eine  Menge 
Faktoren,  deren  hauptsächlichsten  die  morphologische  Beschaffenheit  und  dai 
Klima  sind. 


—    38    — 

Noch  ein  weiterer,  wichtiger  orographischer  Charakterzug 
Algeriens  wird  durch  diese  Anordnung  der  Berge  und  Täler 
erzeugt.  Es  werden  dadurch  eine  Menge  isolierter  Becken, 
meist  in  der  Streichrichtung  des  Gebirges  mehr  oder  minder 
in  die  Länge  gezogener  Ebenen,  gebildet.  Häufig  sind  diese 
Becken,  wie  erwähnt,  abflußlos,  mit  einem  Schott  oder  einer 
Sebkra  an  der  tiefsten  Stelle.  Wo  Entwässerung  eines  Beckens 
eintritt,  findet  sie  fast  nur  in  NS- Richtung  statt.  In  dieser 
Richtung  bewegt  sich  fast  allein  auch  der  Verkehr  aus  den 
einzelnen  Becken.  Unter  sich  stehen  sie  in  ganz  geringer  Ver- 
bindung, da  sie  durch  hohe  unwegsame  Ketten  abgeschlossen 
sind  und  unter  sich  nichts  auszutauschen  haben. 

Gehen  wir  nun  zur  Entstehung  und  Gestaltung  der  Ober- 
flächengestalt unseres  Gebietes  über. 

Die  Hauptfaltungen  und  -Erustenbewegungen  des  Atlas 
machte  auch  Tunesien  mit,  und  so  entstanden  hier  ebenfalls 
parallele  FaltenzUge  mit  derselben  Richtung  im  allgemeinen  wie 
in  Algerien.  Die  Intensität  des  Tangentialschubes,  der  vor  allem 
in  der  Miocänzeit  die  Emporfaltung  des  Atlasgebirges  bedingte, 
nahm  aber,  wie  erwähnt,  nach  Osten  zu  ab,  und  so  äußerte 
sich  seine  Wirkung  in  Tunesien  nur  mehr  als  leichte  Fältelung 
oder  auch  als  nicht  durchgeführte  Faltung.  ^)  Infolgedessen 
sind  die  kennzeichnenden  Züge  des  Atlas,  speziell  Algeriens, 
ebenfalls  in  Tunesien  zu  finden,  jedoch  in  viel  gemilderterem 
Maße.  Die  äußerlich  bestimmenden  Prinzipien  im  eigentlichen 
Faltungsgebirge,  die  tektonische  Längstal-  und  Längsrücken- 
bildung, wie  Parallelismus  einzelner  Ketten  sind  deutlich  wahr- 
nehmbar, was  schon  ein  flüchtiger  Blick  auf  die  Karte  zeigt. 
Ketten  und  Täler  ordnen  sich  ziemlich  in  NO -Richtung  als 
Fortsetzung  der  algerischen  Falten  aneinander,  so  daß  oro- 
graphisch  wie  hydrographisch  beide  Länder  eng  unter  sich  ver- 
bunden sind.  Von  Norden  nach  Süden  folgen  sich  wie  in  Algerien 
Anti-  und  Synklinalen  im  regelmäßigen  Wechsel;  deutlich  tritt 
wie  dort  ein  Nord-  und  Südzug,  getrennt  durch  eine  breite  Mulde, 

^)  Es  gilt  fiLr  Tunesien  ganz  besonders,  was  Fichenr  (a.  a.  0.  Ann.  XI, 
S.  424)  vom  ganzen  Saharaatlas  sagt:  ,Les  plissements  sont  reales  k  T^tat 
d'6banche,  qai  permet  de  faire  nne  v^ritable  etnde  d'embryog^nie  tectoniqae 
et  fournit  comme  une  d^monstration  de  la  maniöre  dont  nne  sarface  plane 
commence  ä  se  plisser. 


—    39    — 

hervor,  wenn  auch  von  zwei  eigentlichen  Ketten,  die  man  früher 
am  Kap  Blanc  und  Kap  Bone  beginnen  ließ,  nicht  die  Rede 
sein  kann.  (Siev.-Hahn  S.  552.)  Dazu  werden  diese  parallelen 
Streifen  ebenfalls  in  Tunesien  durch  klimatische  und  geologische 
Faktoren  zueinander  in  Gegensatz  gebracht. 

Dies  sind  lauter  orographische  GrundzQge,  durch  die  unser 
Gebiet  nicht  nur  in  äußerlich  sichtbarem,  engem  Zusammenhang 
mit  Algerien  und  dem  ganzen  Atlaslande  steht,  sondern  auch 
durch  ihre  Anordnung  dem  Ganzen  gewissermaßen  wie  durch 
Familienzüge  ähnlich  wird :  quales  esse  decet  sorores. ')  —  Ein 
Abbild  dieses  engen  orographischen  Zusammenhanges  der  beiden 
Länder  Tunesien  und  Algerien  finden  wir  auch  in  ihrer  poli- 
tischen Gestaltung  und  ihrer  Geschichte  wieder,  indem  beide 
Länder,  wie  wir  sehen,  mehrere  Male  sich  zu  einem  Staatswesen 
verschmolzen  haben  und  gemeinsame  geschichtliche  Beziehungen 
besaßen. 

Neben  der  Ähnlichkeit  in  den  orographischen  Grundzügen 
treten  im  einzelnen  mannigfache  Gegensätze  zwischen  beiden 
Ländern  auf,  so  daß  sich  Tunesien  genügend  scharf  von  seinem 
Nachbarlande  als  selbständiges  geographisches  Individuum  ab- 
sondert. 

Bedingt  sind  diese  Verschiedenheiten  durch  die  gegenüber 
Algerien  nur  leichte  Fältelung  Tunesiens  infolge  des  hier 
schwächer  wirkenden  Tangentialschubes  von  Norden  (für  Tunesien 
wahrscheinlich  von  NW)  her.  Durch  diesen  Druck  von  ge- 
ringerer Intensität*)  wurden  die  Schichten  Tunesiens  mehr  in 
flache  Wellen  gelegt  und  die  Falten  nicht  so  stark  zusammen- 
gepreßt, so  daß  hier,  im  Unterschied  zu  Algerien,  Abnahme 
der  Höhe  (im  Mittel  944  m),  Algier  1600  m,  geringere  Ge- 
schlossenheit der  Ketten  und  dazu  ein  gewisses  Auseinander- 
streben der  einzelnen  Faltenzüge  sich  bemerkbar  macht,    vor 


*)  ßernard:  Revue  tunis. 

*)  Hang:  „Snr  quelques  points  th^oriques  relatifs  ä  la  G6ol.  de  la  T." 
S.  371  spricht  allerdings  von  starken  Tangential bewegungen  hier  in  Tunesien, 
die  z.  B.  weite  liegende  Falten  verursacht  hätten.  Er  gibt  aber  kein  Beispiel 
dafür  an.  —  Auch  sämtliche,  dem  Verfasser  zu  Gebote  gestandenen  Quer- 
schnitte von  einzelnen  Bergen  und  ganzen  Ketten  Tunesiens  zeigen  keine 
Überfaltung.  Damit  ist  wohl  Einfachheit  im  Bau  der  einzelnen  Falten  als 
wahrscheinlich  anzunehmen.      Siehe  auch  Pervinquiere  in  Ann.  IX,  S.  434. 


-     40    — 

allem   nach  SO   zu  in  immer  breiteren   Tälern   und   flacheren 
Wellen.  ^) 

Diese  Züge  in  der  Oberflächengestalt  unseres  Gebietes 
verursacht  aber  allein  das  System  des  Großen  Atlas ;  denn  vom 
Auresgebirge  an  streichen  die  Falten  des  Saharaatlas  —  vor 
allem  die  nördlichen  —  scharf  nordöstlich  nnd  dringen  mit  dieser 
Richtung  in  Tunesien  bis  zur  Nordküste  vor,  wobei  sie  den 
Kleinen  Atlas  ausschalten,  so  daß  man  auch  die  nordtunesischen 
Küstenketten,  die  man  bisher  als  Fortsetzung  des  Kleinen  Atlas 
betrachtete,  so  z.B.  Baltzer;  Beiträge  S.  28,  dem  Saharaatlas 
zurechnen  muß.  Sicher  muß  man  dies  bei  den  Ketten  östlich 
der  Linie  Kap  Serrat-Beja,  besonders  bei  den  südlichen,  die 
deutlich  erkennbar  Fortsetzung  von  Falten  des  tunesischen 
Zentralmassivs  sind.^)  Zweifelhaft  kann  man  bei  dem  Gebiet 
um  Ain  Draham  sein.  Denn  die  Massive  hier  verbinden  sich  gut 
mit  dem  Kleinen  Atlas,  da  sie  dieselbe  Zusammensetzung  (nu- 
midischer  Sandstein  vorwiegend)  und  auch  denselben  Anblick 
(Wälder  aus  Korkeichen  schon  äußerlich,  in  ihrem  Bau:  eine 
Menge  einzelner  Massive)  zeigen.')  Infolgedessen  hat  man 
diese  Ketten  und  ihre  östliche  Fortsetzung  dem  Kleinen  Atlas 
zugerechnet  (so  Baltzer,  Beiträge  S.  29).  Nach  der  Ansicht  von 
Haug^)  und  Blayac,  ebenso  von  Ficheur^)  muß  man  auch  dies 


*)  Baltzer:  , Beiträge  zur  Kenntnis  des  tun.  Atlas«  S.  29  hält  es  für 
möglich,  daß  die  Faltung  des  Saharaatlas  jünger  als  die  des  kleinen  Atlasses 
ist  and  dadurch  das  Verhalten  seines  Ostendes  beeinflußt  wurde.  —  Rothpletz 
(Pet.  Mitt.  1890,  S.  194)  dagegen  nimmt  wiederum  den  kleinen  Atlas  als  den 
jüngeren  an. 

*)  Siehe  Pervinqui^re.    Ann.  G.  IX,  S.  435. 

»)  Ficheur:   Ann.  1902,   S.  233. 

«)  Haugr  a.  a.  0 ,  S.  373.  Östlich  einer  Linie  Böne— Batna  über 
Guelma  existiert  kein  kleiner  Atlas  mehr. 

^)  Ficheur:  Ann.  g6ogr.  1902,  S.  425:  les  chaines  k  Test  d'une  lig^ne 
passant  approximativement  par  Batna,  Souk-Ahras  et  la  yal6e  de  la  Medjerda 
appartient  ä  TAtlas  Saharien,  qui  forme  seul  le  relief  de  la  Tunisie  —  Ficheur 
widerspricht  sich  aber  damit  selber:  denn  ebenda  S.  364  sagt  er:  .cette 
fonnaüon  se  continue  le  long  de  la  c6te  tunisienne  .  .  .  .  il  faut  sans  doute 
y  Yoir  le  prolongement  d'une  des  zones  de  Souk-Ahras* ;  nnd  S.  339  .... 
,,la  chaine  mediane  (in  Algerien !)  s'^tend  jusqu*aux  environs  de  Souk-Ahras'. 
Damit  wäre  also  die  tunes.  Khroumirei  die  Fortsetzung  der  Mittelkette  in 
Algerien.  Man  sieht,  daß  die  tekton.  Zugehörigkeit  dieses  Grenzgebietes 
noch  nicht  klar  gestellt  ist. 


—    41    — 

Gebiet  als  dem  Saharaatlas  zugehörig  betrachten.  Wir  können 
uns  dieser  Ansicht  als  der  wahrscheinlichsten  anschließen  und 
rechnen  den  „nordtunesischen  Küstengebirgszug"  ^)  ganz  dem 
Saharaatlas  zu,  sodaß  die  Oberflächengestalt  Tunesiens  aus- 
schließlich durch  die  Verlängerung  des  Saharaatlas  gebildet  wird. 
Das  Gebiet  der  Hochbecken  in  Algerien  findet  damit  ebenfalls 
keine  Fortsetzung  in  Tunesien.  Als  solche  hat  man  frUher  häufig 
das  Einbruchsbecken  des  Medjerda  betrachtet. 

Zu  erwähnen  wäre  noch  bezüglich  der  Zugehörigkeit  des 
nordtunesischen  Küstenzuges  zum  Saharaatlas  die  Ansicht  von 
Rothpletz.  Er  rechnet  im  großen  ganzen  dieses  Bergland  dem 
Saharaatlas  ebenfalls  zu,  merkwürdigerweise  aber  die  nordöstliche 
Küstenkette,  ^)  diejenige,  welche  das  Kap  Blanco  bildet,  dem 
Teilatlas.  Eine  Begründung  dafür  gibt  er  nicht;  wenigstens 
konnte  der  Verfasser  nichts  darüber  finden. 

Das  Bild,  welches  wir  nach  unserer  Annahme  bekommen, 
stellt  sich  nunmehr  ungefähr  folgendermaßen  dar: 

Aus  dem  Auresmassiv,  dem  dritten  Faltenbündel  des 
Saharaatlas,  quellen  einzelne  Bergzüge  hervor  und  verzweigen 
sich  nach  verschiedenen  Richtungen  bis  zur  Nord-  und  Ostküste 
Tunesiens,  wobei  sie  im  Anfang  noch  ein  Stück  Hochland  (dem 
alger.  Hochplateau  nur  in  der  Höhe  zu  vergleichen!)  ein- 
schließen. Nach  Osten  zu  wird  die  Divergenz  der  einzelnen 
Züge  infolge  der  Abnahme  der  Faltungsintensität  immer  größer 
und  die  Höhe  ständig  geringer,  zugleich  die  einzelnen  Gebirgs- 
züge immer  kürzer.     (Th.  Fischer.  Mittelmeerbilder  S.  410.) 

Das  Auseinanderstreben  der  einzelnen  Faltenzüge  tritt 
deutlich  hervor.  Im  Süden  des  Landes  finden  wir  als  Fortsetzung 
der  Falten  des  Auresgebirges  Ketten  mit  merklicher  WO-Richtung, 
während  die  nordwärts  von  ihnen  verlaufenden  Ketten  mehr 


^)  Dieser  Gebirgszug  hatte  bisher,  da  er  ja  meist  als  FortsetEung 
des  Kleinen  Atlas  gerechnet  wurde,  keinen  besonderen  Namen.  Hie  and  da 
bezeichnete  man  ihn  nach  seinem  am  besten  sich  abhebenden  Teil  wohl  als 
Ehronmirei  allgemein.  Blanckenhom  (Pet.  Ergh.  Jahrg.  XX,  1888—89)  gibt 
ihm  den  Namen  , Afrikanisches  Qebirge*.  Diese  für  die  alten  Römer  ver- 
ständliche Bezeichnung  glauben  wir  besser  in  die  obige  zu  übersetzen.  Mit 
diesem  Namen  ist  seine  Selbständigkeit  gegenüber  dem  ^ algerischen  Küsten- 
gebirge* oder  dem  Tellatlas  genügend  gekennzeichnet. 

')  Dj.  Ahmar  (ob.  Eocän  u.  Oligocän)  Perv.  Ann.  IX,  S.  436. 


—    42    — 

und  mehr  NO-Richtung  annehmeD.  —  Zwischen  sich  lassen  die 
Gebirgszüge  ähnlich  wie  in  Algerien  Mulden  und  Einsenkungen, 
erweitern  sich  in  einem  Teile  des  Landes  sogar  zu  einem 
plateauartigen  Massiv  von  Hammadas,  das  ziemlich  die  Höhe 
des  Gebietes  der  algerischen  Hochbecken  hat.  Alle  diese  Gebiete 
sind  aber  durch  Flfisse  entwässert  und  entbehren  die  zentrale 
Einsenkung  und  die  Salzsebkras  der  algerischen  Hohlformen.  ^) 
Die  Entwässerung  dieser  Einsenkungen  erfolgt  —  ein  weiterer 
Gegensatz  zu  Algerien  —  vorwiegend  in  NO-Richtung.  In 
dieser  Richtung  bewegt  sich  auch  der  Hauptverkehr,  doch  findet 
er  ebenso  bequeme  Querverbindungslinien,  da  die  meisten  tune- 
sischen Gebirgsketten  nur  geringe  Ausdehnung  haben,  und 
dadurch  der  Verkehr  nicht  gezwungen  wird  wie  in  Algerien 
die  Bergzttge  zu  überschreiten,  sondern  leicht  sie  umgehen  kann. 
Wo  sich  dennoch  ein  Überschreiten  einer  Kette  nötig  macht, 
ist  es  mit  geringen  Schwierigkeiten  verknüpft,  da  die  Höhen 
fiberall  eben  wegen  der  leichten  Faltung  nur  mäßige  sind. 

Die  höchste  Erhebung,  der  Dj.  Chaambi  in  der  Nähe  von 
Kasserin,  reicht  bis  etwas  über  1500  m  und  steht  somit  den 
Höhen  in  Algerien,  wo  eine  Menge  Gipfel  2000  m  und  mehr 
erreichen,  beträchtlich  nach.  Ebenso  ist  die  mittlere  Höhe 
Tunesiens  944  (diejenige  von  Maktar)  (nach  Monchicourt  Annal. 
S.  351;  auf  Karte  1:800000  nur  924  m)  beträchtlich  geringer 
als  diejenige  von  Algerien  (1000  m  nach  Reclus,  l'Afrique 
septentrionale  S.  307  für  das  Gebiet  der  Hochbecken). 

Eine  weitere  Folge  der  geringeren  Faltung  neben  Abnahme 
der  Höhe  und  Auseinandertreten  der  einzelnen  Ketten  ist  das 
Hervortreten  eines  gegenüber  Algerien  neuen  Formenelementes 
im  Landschaftsbild:  Häufig  finden  sich  flachlagernde,  durch 
Faltung  fast  gar  nicht,  nur  durch  Brüche  gegliederte  Schichten. 

Der  Dj.  Tioucha  (östlich  von  Thala)  z.  B.  ist  ein  Hoch- 
plateau, das  fast  auf  allen  Seiten  von  mächtigen  steilen  Wänden 
begrenzt  wird.  Er  verdankt  diese  Gestaltung  seiner  Zusammen- 
setzung aus  kieseligen  Senonkalken,  die  der  Faltung  Widerstand 


*)  Die  abflußloBen  Becken  mit  Salzsebkras  im  Osten  und  SO  Tunesiens 
sind  hierbei  unberücksichtigt  gelassen,  da  dies  Gebiet  aus  einem  Vergleiche 
mit  dem  eigentlichen  Algerien  herausfällt,  da  sie  schon  mehr  dem  Wüsten- 
gebiet zuzurechnen  sind. 


—    43    — 

entgegeDsetzten  und  Dur  in  Brüche  zerlegt  wurden.^)  Ebenso 
kann  man  den  ganzen  nördlichen  Teil  von  Zentraltunesien,  den 
Kaidat  des  Quartan,  Ealdat  des  Ouled  Ayar  und  Ouled  Aoun 
als  ein  großes  Plateau  betrachten,  das,  vorwiegend  aus  Numu- 
litenkalk  bestehend,  nur  durch  Brfiche  und  Erosion  gegliedert 
worden  ist.*) 

Mit  der  Emporfaltung  zugleich  mit  dem  ganzen  Atlas- 
gebiet ist  die  Entwickelnngsgeschichte  Tunesiens  aber  noch 
nicht  abgeschlossen.  Es  kommt  vielmehr  für  Tunesien  be- 
sonders eine  Nachfaltung  im  Pliocän  hinzu.  Daß  eine  solche 
existiert,  beweist  sich  dadurch,  daß  die  Pliocänflysche  oft 
steil  empor  gefaltet  sind,  so  am  Dj.  Trozza  bis  45^*)  Diese 
Nachfaltung  wurde  durch  einen  Tangentialschub  von  (0)  NO 
her  infolge  Einbruches  des  östlichen  Mittelmeerbeckens  bewirkt. 
Der  Schub  war  nicht  so  kräftig  als  der  zur  Miocänzeit,  vgl. 
Siev.  Hahn  S.  552,  deshalb  seine  Wirkung  auch  viel  geringer.*) 
Vielleicht  reichte  die  Kraft  seiner  faltenden  Bewegung  nur 
wenig  über  die  tunesische  Grenze.  Zu  dieser  Schlußfolgerung 
kann  der  Umstand  berechtigen,  daß  westlich  der  Grenze  sich 
nur  einige  wenige  Querfalten  und  -Brüche  nachweisen  lassen. 
So  verdanken  z.  B.  der  Dj.  Roumane,  Hout  es  Srir,  Quenza 
und  noch  einige  wenige  der  Querfaltung  ihre  Entstehung.  *) 

Durch  diesen  NO -Schub  zur  Pliocänzeit  wurde  eine  teil- 
weise Verschiebung  und  Zertrümmerung  der  schon  vorhandenen 
Falten  in  unserem  Gebiete  bewirkt.  Er  versuchte  vor  allem 
das  Land  in  SO  -  NW  -  Falten  zu  legen,  traf  dabei  aber  ziemlich 
rechtwinklig  auf  das  erste  Faltensystem.  ^)  Aus  der  Verbin- 
dung der  beiden  Systeme  entspringen  nun  die  verschiedensten 
Richtungen  der  einzelnen  Falten,  die  man  beobachten  kann. 


*)  Pervinqui^re :  Annal.  de  66ogr.  IX,  S.  441. 

*)  Ebenda  S.  444. 

')  Pervinquiere :  La  TuniBie  centrale,  Ann.  IX,  S.  448.  ebenso  Per- 
vinq.,  S.  328. 

*)  S.  Pervinquiere :  ebenda  S.  434,  ebenso  Cabiers  19 :  S.  12.  Die  Berg- 
gipfel im  NO  sind  um  300  m  niedriger  als  die  im  SW  bis  NO. 

')  Vergl.    Pervinquiöre  S.  332. 

')  Es  macbt  sieb  sogar  nocb  ein  drittes  Faltensystem  NNW  snweilen 
NS  (s.  Pervinquiere  S. 331)  geltend;  vorwiegend  findet  sieb  aber  die  SW-NO 
und  SO-NW  -  Ricbtung,  die  beiden  Systeme,  welcbe  nacb  Dana  (Manual  of 
Ge  ol  ogy  1895,  S.  35  f.)  auf  der  ganzen  Erdoberfläebe  yorberrscben. 


—    44    — 

Manche  Ketten  —  die  Mehrzahl  der  größeren  Massive 
verhält  sich  so  —  behalten  ihre  ursprüngliche  WO-  (resp.  NO)- 
Richtung  bei,  z.  B.  die  Kette  nördlich  des  Schott  Djerid  von 
Tamerza  bis  Oabes  und  die  NO-Richtung  die  meisten  Ketten 
in  Zentral-  und  Nordtunesien.  —  Einige  Ketten  wiederum  zeigen 
annähernde  NS- Richtung,  z.  B.  Nasser  Allah,  ohne  daß  an- 
scheinend an  ein  Erosionsgebirge  gedacht  werden  kann  (Baltzer 
S.  28).  Derartige  Ketten  finden  sich  um  so  häufiger,  je  weiter 
man  sich  von  der  algerisch-tunesischen  Grenze  entfernt  und  der 
Ostküste  nähert.  ^)  Mehr  im  Innern  des  Landes  haben  ausge- 
sprochenen transversalen  (mehrNWN)  Verlauf  der  Dj.Sekarna*) 
und  Ras  Sidi  Ali  (östl.  v.  Thala).  Bei  beiden  war  die  Trans- 
versalfaltung so  stark,  daß  sie  vollständig  das  erste  (SW-NO) 
System  unterbrochen  hat.   (Perv.  S.  332.) 

Bei  einer  Anzahl  Ketten  kann  man  sogar  beide  Falten- 
systeme zu  gleicher  Zeit  erkennen,  z.  B.  am  Dj.  Mhrila,  wo 
ein  Umbiegen  der  Antikliualachse  um  fast  90^  eintritt.  Der 
eine  Flügel  behält  die  NO-Richtung  bei,  der  andere  legt  sich 
fast  in  WO-Richtung.  Der  Dj.  Trozza  nimmt  dann  die  NO-Richtung 
wieder  auf.  Ein  derartiges  Umbiegen  der  Achse  findet  sich 
noch  einige  Male.  Der  Dj.  Mrhila  und  el  Abeid  bildet  aber 
das  einzige  Beispiel,  wo  die  beiden  Falten  völlig  miteinander 
verbunden  sind.  Der  Grund  für  dieses  Umbiegen  des  Mrhila 
ist  noch  nicht  erkannt  worden.     Pervinqui^re  glaubt,  daß  es 


>)  PervinquiÄre :  a.  a.  0.  Aon.  IX,  S.  434. 

')  Dj.  Sekarna  ist  eines  der  besten  Beispiele  der  transversalen  Faltung ; 
er  hängt  im  großen  ganzen  yon  einer  NW  streichenden  Antiklinale  ab,  deren 
Ostseite  der  Barboa  einnimmt.  Fast  auf  der  Achse  der  Antikl.  hat  sich  der 
Messemerh  sein  Bett  gegraben  (Pery.  269).  —  Die  nördlich  vom  Sekarna 
gelegene  Synklinale  Midad-Oasafa  ist  an  ihrer  Südseite  stark  gehoben  and 
diese  Dissymmetrie  scheint  aus  einer  Qaetschang  gegen  die  Seite  des  Barboa 
hervorzugehen.  Daraus  könnte  man  den  Schluß  ziehen,  daß  die  Antiklinale 
Sekarna-Barboa  vor  der  Bewegung,  die  die  andere  Faltung  des  Domes  in 
SW-NO-Richtung  stellte,  bestand.  Damit  wttrde  die  SO-NW-  (ebenso  NS) 
Faltung  die  ältere  sein.  Dies  dürfte  wohl  nicht  der  Fall  sein.  Eine  Ent- 
scheidung kann  hierüber  bei  der  noch  nicht  abgeschlossenen  Erforschung 
des  Landes  auch  noch  nicht  getroffen  werden.  —  Nach  einer  Bemerkung  im 
Cahier  du  S.  g^ogr.  Nr.  16:  ,Dj.  Sekarna  verdankt  seine  Entstehung  einer 
Numulitenkalkplatte,  deren  oberste  Schicht,  fast  horizontal  gelagert,  eine 
Art  Plateau  bildet,"  könnte  man  sogar  schließen,  daß  Dj.  Sekarna  ein  bloßes 
Erotionsgebilde  ist. 


—     45    — 

mit  dem  Einbruch  des  Hatobtales  im  ZnsammcDbaDg  stehe. 
Diese  Ansicht  hat  viel  fttr  sich.  Denn  man  kann  allgemein 
feststellen,  daß  Umbiegung  der  Ketten  stets  mit  einem  Becken, 
meist  Einbruchsbecken,  verbunden  ist.  Mau  würde  also  die 
Einsenkung  als  das  Primäre,  die  Umbiegung  als  das  Sekundäre 
zu  betrachten  haben. ^) 

Di-  und  Konvergenz  der  beiden  Faltensysteme  tritt  be- 
sonders deutlich  im  SO  unseres  Gebietes  hervor.  Hier  zieht 
sich  fast  genau  in  NS-Richtung  eine  Falte  über  70  km  lang 
vom  Dj.  Meheri  bis  Dj.  Touila.  Von  dem  anderen  Faltensystem 
wird  sie  zweimal  gekreuzt:  Einmal  im  S  im  Dj.  Sengdal  und 
etwas  nördlicher  ein  zweites  Mal  im  Dj.  Kradif.  Auch  der 
Dj.  Zebbeus  in  der  Nähe  der  Bahn  von  Sfax  nach  Gafsa  ist 
ein  solcher  Knotenpunkt  der  beiden  Systeme. 

Daß  gerade  hier  im  SO  des  Landes  die  beiden  Falten- 
richtungen so  einfach  und  klar  nebeneinander  bestehen,  könnte 
seinen  Grund  darin  haben,  daß  die  Hauptkraft  des  von  N 
kommenden  Tangentialschubes  ihr  Ende  gefunden  hat  in  der 
großen  Dislokationslinie,  die  sich  vom  Golf  von  Tunis  am 
Zaghuan  vorbei  quer  durch  fast  ganz  Tunesien  zieht.')  Die 
Wirkung  dieses  Schubes  würde  sich  demnach  hier  nur  in  einigen 
wenigen  niedrigen,  sich  immer  mehr  verflachenden  Wellen  äußern, 
während  die  jüngere  (von  Ost  erfolgte)  Emporfaltung,  soweit 
es  der  geringe  Druck  zuließ,  deutlicher  sichtbar  sein  müßte  als 
in  dem  übrigen  Tunesien.^)  Das  allgemeine  Bild  SO-Tunesiens 
würde  damit  gut  übereinstimmen.  Es  würde  dagegen  auch  der 
Umstand  nicht  sprechen,  daß  sich  im  äußersten  Süden  wiederum 
die  Faltenwellen  enger  zusammendrängen  und  zu  bedeutenderen 
Höhen  ansteigen  und  die  einzelnen  Ketten  sich  dichter  aneinander 
legen.    Dies  ließe  sich  gut  durch  Stauung  an  der  Wüstenscholle 

')  Ganz  ähnliche  Verhältnisse  finden  wir  im  französisch-BchweizeriBchen 
Jura  (auch  in  anderen  Faltengebirgen),  der  überhaupt  sehr  viele  Analogien 
mit  unserem  Faltengebiet  aufweist:  Neben  Umbiegung  (oder  Ausbiegung) 
der  Ketten  verbunden  mit  Beckenbildung  findet  sich  auch  Di-  und  Konvergenz 
der  Faltenzüge. 

')  Rolland :  Grande  faille  du  Zaghouan  p.  49. 

')  Als  weiterer  Grund  käme  noch  hinzu,  daß  wir  es  hier  mit  einem 
Gebiet  „nngleichsinniger  Abdachung  zu  tun  haben,  in  dem  sich  die  «aufge- 
setzten Formen"  besser  erhalten.  Vgl.  Penck:  .Die  Formen  der  Landober- 
fläche".    Verbandl.  des  Deutseben  Geographentages  1891,  S.  34. 


—    46    — 

erkl&ren,  oder,  wenn  wir  das  Einbruchsbecken  wieder  als  das 
Primäre  ansehen,  durch  vermehrte  Faltung  von  Süden  her 
infolge  Einbruches  des  Schottgebietes.  ^) 

Trotz  des,  wie  man  annimmt,  geringen  Druckes  von  NO 
her,  der  die  NW-SO-Querfaltung  verursachte,  macht  sich  seine 
Wirkung  in  ganz  Tunesien  geltend.  So  sind  an  der  Grenze 
des  Gebietes  deutlich  vier  Transversallinien  zu  unterscheiden: 
1.  Dj.  Mouzia,  ben  Efif,  Roumane  (die  beiden  ersteren  in  Algerien 
gelegen) ;  2.  bou  Kradra  (in  Algerien),  Hamra,  Chambi,  Nouba ; 
3.  Quenza  (Algerien),  bou  Jabire,  Ajered,  Semmama ;  4.  Harraba, 
Slata,  bou  Hanöche,  Mhrila.')  Nur  einige  von  diesen  durch 
Qnerfaltung  entstandenen  Bergen  liegen  in  Algerien.  Es  sind 
dies  auch  die  einzigen  Punkte,  wo  sich  in  Algerien  deutliche 
Querfaltung  bemerkbar  macht.  Dadurch  sondern  sich  beide 
Länder  gut  voneinander :  der  häufige  Wechsel  in  der  Richtung 
der  einzelnen  Ketten,  verursacht  durch  die  Doppelfaltung,  ist 
allein  in  Tunesien  zu  finden,  in  Algerien  nur  in  der  Grenzzone. 

Der  Doppelfaltung  muß  man  auch  die  eigenste  Charakter- 
form Tunesiens,  die  Dome,  zuschreiben;  doch  ist  ihre  Entstehung 
noch  nicht  völlig  klargestellt.  Ein  enger  Znsammenhang  mit 
den  tektonischen  Tälern  ist  unverkennbar  —  häufig  finden  sich 
isolierte  Dome  aus  Talebenen  emporragend  (Rebeiba,  Maiza, 
Han^che,  Zrissa  u.  a.)  —  man  hat  aber  verschiedene  Deutung 
dafar. 

Die  einen  betrachten  sie  als  die  Wellenberge  der  tekto- 
nischen Wellen.  Diese  sind,  da  die  Faltung  in  Tunesien,  wie 
sie  annehmen,  nicht  vollendet  wurde,  sondern  im  Beginne  stehen 
blieb,  allein  an  die  Oberfläche  gelangt.') 

Andere  betrachten  die  Dome  als  den  Schnittpunkt  der 
beiden  erwähnten  Faltensysteme.  Dadurch,  daß  die  jüngere 
NW-SO-Faltung  senkrecht  auf  die  ältere  SW-NO  traf,  wurde 


^)  Die  Gebirge  fallen  nach  Norden  mit  sanfterer  Böschung  and  jähem 
Absturz  nach  Süden  ab,  sind  also  nach  der  Sahara  hin  aufgestaut.  Fitzner 
S.  309. 

«)  Pervinqui^re  S.  332. 

*)  Hang  a.  a.  0.  S.  372:  ,Die  Dome  sind  zur  Zeit  einer  ersten  Fal- 
tuigiphase  gebildet  worden.*  —  Baltzer  (8.36)  ftthrt  sie  zurück  auf  das  Hin- 
durohstoßen  der  Jurafalten  durch  die  nachgiebigeren  Kreidemergeln  nach 
Art  «tektonischer  Klippen'. 


—    47    — 

die  Achse  der  letzteren  vielen  sichtbaren  Schwankungen  unter- 
worfen, oft  so  sehr,  daß  die  Kette  verschwand  =  Synklinale 
Mulde,  und  nur  noch  eine  Reihe  von  einzelnen  Antiklinalen 
(=  Interferenzmaximum),  die  Dome,  übrig  blieb. ')  Beide  An- 
sichten —  auf  einige  andere  können  wir,  weil  zu  weit  ab- 
führend, nicht  eingehen  —  decken  sich  gut  mit  dem  allgemeinen 
Bild,  welches  die  Domlandschaft  gewährt.  Manche  Dome  be- 
sitzen große  Regelmäßigkeit  in  ihrer  Gestalt:  es  sind  meist 
elliptische  bis  kreisrunde  Bergkegel.  Oft  ist  aber  nur  die  eine 
Hälfte  da,  während  die  andere  in  der  Tiefe  geblieben  oder 
hinabgesunken  ist  (Beiuta  z.  B.  s.  Perv.  S.  26*3),  manchmal  sind 
auch  zwei  miteinander  verschmolzen,  so  Zafrane. 

Fast  alle  lassen  die  kennzeichnenden  Züge  eines  „  Domes ** 
erkennen:  Jura  und  untere  Kreide  (diese  am  häufigsten),  auch 
Trias  tauchen  aus  einem  Mantel  von  jüngerem  Gestein  heraus.*) 
Meist  erheben  sie  sich  jäh  aus  einer  Ebene  oder  sind  einer 
Antiklinale  aufgepfropft.  Alle  reihen  sich  aber  hintereinander 
wie  die  „Perlen  eines  Rosenkranzes**.  Sie  verleihen  dem  Land- 
scbaftsbild  einen  eigenartigen  Reiz.  Sie  bedingen  einerseits  die 
mannigfache  Zersplitterung  der  Ketten,  den  vorherrschendsten 
Zug  in  der  Urographie  Tunesiens,  so  daß  das  Auge  im  ersten 
Augenblick  nur  ein  Gewirr  von  Linien  sieht  und  sich  bald  auf 
einen  als  den  einzigen  natürlichen  Ruhepnnkt  in  diesem  Gewirr 
heftet.  Doch  nicht  lange  weilt  es  da,  bald  gleitet  es  an  der 
Kette  der  folgenden  Dome  zur  weiten  Ferne. 

Neben  den  Domen  machen  sich  im  Landschaftsbild  Tunesiens 
noch  besonders  die  Synklinalen  Mulden  geltend.  Obwohl  die 
Dome  häufig  unabhängig  von  jeder  Synklinalen  Mulde  sind,  sind 
doch  viele  der  letzteren  mit  den  Domen  zusammen  entstanden, 

*)  Siehe  Pervinquiöre  S.  206. 

*)  Haug  a.a.O.  S.  370:  .Mitten  in  weiten  Ebenen  von  mittlerer 
and  oberer  Kreide  tritt  in  den  Domen  Jnra  und  untere  Kreide  zutage.  — 
Ein  sehr  gutes  Beispiel  ist  der  bou  Koumin  in  der  Nähe  von  Tunis.  Sein 
Mittelstück  besteht  ans  liasischem  Kalk ;  an  den  Seiten  tritt  wie  konzentrische 
Heiligenscheine  oberer  Tithon,  umgeben  wieder  von  Kreide,  zutage"  (ebenda 
S.  371).  —  Vielleicht  muß  überhaupt  der  geologischen  Beschaffenheit  der 
Dome  —  innen  das  härtere  Gestein  —  mehr  Bedeutung  bei  Bildung  dieser 
Bergform  in  Tunesien  zugelegt  werden.  Nach  Emporfaltang  als  Wellenberg 
ist  doch  wohl  hauptsächlich  durch  Denudation  (äolische  überwiegend)  der 
innere  Kern  herauspräpariert  worden.    Dazu  kam  dann  noch  die  Brnchbildung. 


—    48    — 

indem  sie  bei  dem  Einanderschneiden  der  beiden  Faltensysteme 
die  Wellentäler  darstellen.  Auf  diese  Art  sind  mit  Beihilfe  der 
Erosion:  die  Bahiret  oder  Bahirat  (=  fruchtbare  Niederung,) 
Foussana,  B.  Oubira,  Ebene  von  Sers^  Siliana  und  andere  ge- 
bildet worden.  Diese  Zerlegung  der  Schichten  in  Dome  und 
Mulden  bringt  den  Hauptcharakterzug  der  Orotektonik  Tunesiens, 
die  Unbeständigkeit  der  Ketten,  hervor.^)  Man  kann  ihn  vor 
allem  im  mittleren  und  nordöstlichen  Gebiete  erkennen,  wo  beide 
Faltungen  zusammentreffen.  Im  Süden  herrscht  dagegen  Plateau- 
bildung vor,  da  hier  nur  einige  wenige  und  schwächere  tek- 
tonische  Wellen  beider  Systeme  auftreten,  im  Norden  des  Landes 
Längserstreckung  der  Ketten  nach  einer  Richtung,  da  fast  nur 
die  SW-NO  -  Faltung  sich  hier  zeigt. 

Dome  und  Mulden  sind  aber  nicht  die  einzige  Wirkung 
der  Doppelfaltung;  denn  letzere  verursacht  auch  noch  häufige 
Unterbrechung  der  Längsfalten  durch  Brüche.  Oft  hören  die 
Längsfalten  plötzlich  wie  abgeschnitten  auf,  um  erst  wieder  nach 
einer  gewissen  Strecke  aufzutauchen.  Vielfach  finden  sich  solche 
Brüche  im  Verein  mit  den  Domen,  so  daß  von  letzteren  nur 
die  eine  Hälfte  vorhanden  ist.  Die  andere  ist  meistenteils  ab- 
gesunken; kann  auch  in  der  Tiefe  geblieben  sein.  Dieses  zer- 
stückte Aussehen  zeigt  die  Mehrzahl  der  Dome. 

Die  Gesamtwirkung  der  Querfaltung  kann  man  am  besten 
an  der  Synklinale,  die  sich  vom  Dyr  de  Tebessa  durch  die 
Kalaat  es  Snam  bis  zum  Kef  Argueb  fortsetzt,  erkennen.  Das 
SW-Ende  des  Dyr  ist  von  einer  Reihe  von  Brüchen  zerschnitten ; 
Dann  ist  bei  dem  Schnitt  mit  der  Linie  Jaböre-Ajered  die  Achse 
der  Synklinale  gehoben  und  so  zugleich  mit  Beihilfe  von  Erosion 
die  Kalaat  es  Snam  isoliert  worden.  Nördlich  von  ihr  äußert 
sich  dann  die  Querfaltung  wieder  durch  Brüche,  z.  B.  am 
Majouba  und  am  Fuße  des  Houd.*) 

>)  Fichear :  Ann.  XI,  a.  a.  0.  S.  433. 

')  Peryinqaiere  S.  339 :  Die  Kalaat  es  Snam  ist  nach  ihrer  Entstehaog 
also  ein  echter  Dom.  Wir  behalten  aber  die  Bezeichnung  Kalaat  für  diese 
Art  Ton  Dome  bei  and  verstehen  darunter  einen  Berg  von  derselben  £nt- 
stehnng  wie  die  Dome,  mit  steilem  Gehänge  and  ebener,  aach  nach  innen 
sich  senkender  Oberfläche  (Tisch! örmig ;  Pervinquiere :  abradiertes  Hügelplateaa 
mit  gehobenen  Rändern),  mit  ,Dom*  aber  diejenigen  antiklinalen  Erhebangen, 
deren  Schichten  sich  von  einem  Zentralpunkt  nach  der  Peripherie  senken. 
(Haag  S.  370.) 


—    49    — 

QuerfaltuDg  ist  auch  die  Ursache  zu  dem  großen  Einbruchs- 
tal des  Wed  Hatob,  der  den  Dj.  Semmama  vom  Ghambi  trennt. 
(Perv.  S.  332.) 

Die  Anzahl  dieser  durch  die  Querfaltung  entstandenen 
Brüche  wurde  noch  vermehrt  durch  die  nach  dem  Pliocän  bis 
in  die  Quartärzeit  andauernden  Bodenbewegungen,  die  sich 
besonders  durch  Verwerfung,  Hebung  und  Senkung  des  Landes 
geltend  machten.  Tunesien  zeigt  auch  hierin  seine  enge  Zu- 
gehörigkeit zum  Mittelmeergebiet,  der  großen  Bruchzone.  Die 
Brüche  setzen  sich  weit  in  das  Innere  des  Landes  fort  und 
bedingen  in  bedeutendem  Maße  die  heutigen  Reliefverhältnisse 
unseres  Gebietes. 

Vorwiegend  NO-SW,  aber  auch  NW-SO  verlaufend,  tragen 
sie  bei  zur  Vergrößerung  der  Unbeständigkeit  der  Längsfalten 
und  zur  Vermehrung  der  vorhandenen  Mannigfaltigkeit  der 
Oberflächenformen,  jedoch  auch  wieder  zu  ihrer  Gliederung.^) 

Ein  solcher  Längsbruch  ist  das  ganze  Medjerdatal  bis 
Ghardimaou;  nicht  allein  wichtig  als  große  fruchtbare  Ebene, 
sondern  besonders  als  die  einzige  geographische  Einheit  im 
östlichen  Atlasgebiet,  ^)  von  deren  Besitz  der  des  ganzen  Landes 
abhängig  war.  Zur  Gliederung  der  Orographie  Tunesiens  trägt 
dieses  Längsbruchtal  wesentlich  bei,  indem  es  deutlich  einen 
nördlichen  Gebirgszug  absondert. 

Von  den  vielen  andern  derartigen  Brüchen  heben  wir  nur 
noch  die  beiden  wichtigsten  hervor,  welche  ebenfalls  gliedernde 
Wirkung  ausüben.  Es  ist  dies  einmal  die  berühmte  Verwerfung 
des  Zaghuan,  der  „klarste  orographische  Zug  Tunesiens". 
Sie  zieht  sich  vom  Golf  von  Tunis  in  SW-Richtung  durch  ganz 
Ost-Tunesien  über  75  km  hin  manchmal  mit  einer  Sprunghöhe 
von  über  1000  m.  '*)  Mit  den  ihre  Verlängerung  bildenden 
Bergzügen  Zentraltunesieus  scheidet  diese  mächtige  Verwerfung 
ungefähr  die  Gebiete  gleichsinniger  (im  N)  und  ungleichsinniger 


^)  Meist  sind  diese  Querbrüche  noch  durch  Denudation  und  Erosion 
orographisch  schärfer  herausgearbeitet. 

•)  Th.  Fischer :    Mittelmeerbilder  I,  S.  288. 

^)  Siehe  Rolland :  Grande  faille  du  Zaghonan  etc.  Näher  auf  diese  groß- 
artige, tektonische  Linie  einzugeben  erübrigt  sich,  da  fast  jedes  Werk  über 
Tunesien  diesen  besonders  auffallenden  orographischen  Zug  behandelt.  Im 
ttbrigen  verweisen  wir  auf  die  ausführliche  Darstellung  von  Rolland. 

4 


—    50    — 

Abdachung  (im  S)  voneinander.  Sie  bildet  auch  geologisch  and 
klimatisch  eine  Grenze:  im  Westen  Jura  und  untere  Kreide, 
im  Osten  hauptsächlich  jüngere  Gesteine  (tertiär)  überwiegend ; 
klimatisch  im  Westen  Mittelmeer-,  im  Osten  mehr  Wüstenklima. 

Eine  dritte  Bruchlinie  ist  die  der  Schotts.  Tief  eingesenkt, 
an  manchen  Punkten  bis  unter  den  Spiegel  des  Mittelmeeres 
bildet  sie  eine  gute  natürliche  Grenze  gegen  die  Wüstentafel. 

Dies  Gewirr  von  Brüchen  wird  verkehrsgeographisch 
äußerst  wichtig,  da  es  im  Lande  eine  Menge  Längs-  und  Quer- 
verbindungswege schuf.  Ihnen  ist  aber  auch  die  für  den  Verkehr 
so  überaus  günstige  Eüstengestaltung  Tunesiens  zuzuschreiben. 
Sie  ließen  Buchten  entstehen,  mit  denen  das  Meer  weiter  ins 
Land  vordringen  und  es  aufschließen  konnte^)  und  erzeugten 
die  für  das  Mittelmeer  charakteristische  Halbinsel-  und  Insel- 
bildung; alles  Gliederungselemente  erster  Ordnung,  Brücken 
für  den  gegenseitigen  Verkehr  der  Völker  ^)  und  das  verbindende 
Glied  in  der  bunten  Geschichte  unsres  Gebietes  und  der  des 
ganzen  Mittelmeerbeckens. ') 

Wirkungen  der  exogenen  Kräfte. 

Die  Hauptkräfte  des  Luftkreises,  welche  umgestaltend, 
meist  zerstörend  an  dem  von  den  endogenen  Kräften  geschaffenen 
Relief  arbeiten,  sind:  Wasser,  Wind  und  Wärme,  sowie  ihr 
Zusammenwirken  nach  den  klimatischen  Verhältnissen.  Ihre 
Wirkung  ist  eine  äußerst  mannigfaltige. 

Vor  allem  wäre  hier  die  Arbeit  des  Wassers  zu  erwähnen. 
Wenn  die  Hydrographie  unseres  Gebietes  auch  direkt  von  dem 
noch  jugendlichen  Relief  abhängig  ist,  hat  sie  doch  schon  eigene 
Arbeit  geleistet.  Erosion  hat  ganz  allein  weite  Tafeln  gegliedert, 
indem  sie  tiefe  Schluchten  einriß,  so  die  Sebaa  Diar;  ihr  ver- 
danken in  manchen  Gebieten  Höhen  ihre  Herausarbeitung,  so 
daß  häufig  eine  völlige  Umkehr  des  Reliefs   eintrat.     So   sind 


*)  Der  Qolf  von  TudIs  und  das  jähe  Abschwenken  der  Küste  von  der 
NO-Linie  bei  Ras  Tarf  nach  SO  ist  auf  eine  solche  Bruchlinie  (die  des  Zaghnan) 
znrttckzuftthren.  Ursprünglich  ging  die  Küste  gradlinig  weiter  bis  ihr  Verlauf 
durch  diese  Verwerfung  gestört  und  das  Kap  Bon  isoliert  wurde. 

')  Siehe  Richthof en :   China,  S.  4. 

')  Näheres  über  die  Kttstengestaltung  Tunesiens  siehe  Th.  Fischer: 
Kttstenstudien  aus  N-Afrika.    Pet.  Mit.  1887,  S.  40. 


—    61    — 

der  Dyr  von  Tebessa,  Guern  Halfaya  und  andere  der  heute 
höchsten  Punkte  nichts  weiter  als  Reste  von  Synklinalen.  Die 
Bänder  derselben  sind  durch  Erosion  verschwunden. 

Die  auf  Nivellieren  gerichtete  Wirkung  des  fließenden 
Wassers  führte  sogar  ein  gegenüber  Algerien  neues  Element 
ins  Landschaftsbild  Tunesiens  ein:  die  Erosionsebene. 

Eine  solche  stellen  z.  B.  die  Ebenen  vom  Zouarin  Sers 
und  Siliana  dar.  Sie  bildeten  sich  durch  Abtragung  durch  den 
Fluß  Rohia  im  Pleistocän.^) 

Zum  großen  Teil  durch  Erosion  (des  Hatob  und  seiner 
Zuflüsse)  ist  auch  die  Bahiret  Foussana')  entstanden.  Eine 
mächtige  Schlammschicht  ist  hier  abgelagert  worden,  in  die 
sich  der  Fluß  dann  wieder  ziemlich  tief  einschnitt.  Weitere  Spuren 
der  ablagernden  Wirkung  des  Wassers  finden  sich  häufig.  So 
vor  allem  Schutthalden  (meist  pliocänen  Alters)  im  Innern,  an 
der  Küste  aber  Deltabildung,  wieder  eine  der  dem  Mittelmeer- 
gebiet eigenen  Charakterformen.  Zu  erwähnen  ist  in  dieser 
Hinsicht  der  Medjerda,  ein  gewaltiger  Deltabauer.') 

Die  Wirkung  des  Meeres  auf  die  Umrißformen  des  Landes 
macht  sich  in  doppelter  Weise  geltend,  einmal  zerstörend,  dies 
besonders  an  der  nördlichen  Steilküste;  dann  auch  anlagernd: 
dies  meist  an  der  Ostküste  durch  Neerströme  *)  (verbunden  mit 
Hebung  des  Landes),  so  daß  hier  die  ursprüngliche  Schollen- 
küste in  eine  Wattenküste  umgewandelt  ist. 

Alle  diese  durch  das  erodierende  Wasser  bewirkte  Formen 
der  Landoberfläche  finden  wir  meist  im  Norden  unseres  Gebietes 
als  dem  einigermaßen  niederschlagsreichen  Teil.  Gehen  wir 
nach  dem  Süden,  dem  niederschlagsarmen  Gebiet,  so  treffen  wir 
als  Hauptausbildner  des  Reliefs  den  Wind  und  die  Wärme. 
Beide  wirken  meist  gemeinsam.  Von  den  Formen,  die  sie  hervor- 
bringen, sind  einige  typisch  für  das  ganze  Mittelmeergebiet. 
Z.  B.  werden  Tafelberge  und  kleine  Tafelrückengebirge  durch 


*)  Monchicourt:  Le  massiv  de  Mactar.  Ann.  de  Geogr.  IX,  S.  351. 

')  Zum  Teil  auch,  wie  erwähnt,  infolge  der  Qaerfaltang. 

•)  Näheres  in  dem  Aufsatz:  ,Am  Golf  von  Tunis*  von  Th.  Fischer, 
Pet.  Mitt.  XXXIII,  1887. 

*}  Als  Werk  des  Meeres  kann  man  auch  ganz  Südost-Tunesien  auf- 
fassen. Es  zeigt  einen  ausgesprochenen  Terrassenbau,  wie  ihn  nur  das  Meer 
schaffen  konnte. 

4* 


—    62    — 

schuppen! örmige  Ablösung  der  Gesteine  herausgebildet,  da  starker 
Wechsel  der  Tages-  und  Nachttemperatur  in  Sttdtunesien  vor- 
herrscht. Das  abgesprungene  Material  wird  vom  Winde  davon 
geffihrt.  —  Neben  diesen  „Inselbergen"  macht  sich  die  Folge- 
wirkung des  mediterranen  Klimas  in  der  Bildung  von  fester, 
völlig  vegetationsloser  Ealkkruste  bemerkbar.  Ihre  Entstehung 
kann  eine  doppelte  sein.  Der  kohlensaure  Kalk  steigt  bei  langer 
Trockenheit  mit  dem  Wasser  aus  der  Tiefe  hoch  und  bildet, 
nachdem  letzteres  verdunstet  ist,  allmählich  die  unfruchtbare 
Kruste,  oder  aber  es  wird  infolge  plötzlicher  heftiger  Regen- 
gtlsse  ein  Gebiet  überschwemmt,  das  Wasser  dringt  wegen  der 
raschen  Verdunstung  infolge  der  hohen  Besonnung  nicht  in  den 
Boden  ein  und  der  in  ihm  gelöste  Kalk  bleibt  als  Kruste  zurück.*) 

Auch  das  häufige  Vorkommen  von  abflußlosen  Becken  und 
Bildung  von  Salzpfannen  im  Süden  ist  eine  Folge  des  Klimas, 
ebenso  die  breiten  Flußtäler  =  Wed  (Wadis).  Letztere  entstehen 
durch  den  periodischen  AVechsel  von  starker  Erosion  infolge 
plötzlichen  Anschwellens  durch  heftige  kurze  Güsse  mit  lang 
anhaltender  Trockenheit.  Man  kann  über  1  km  breite  Betten 
finden,  in  denen  gar  kein  Wasser  oder  nur  ein  kümmerliches 
Bächlein  fiießt. 

Typisch  für  Südtunesien  sind  auch  die  „zirkusähnlichen 
Talbuchten **  (vgl.  oben  S.  30),  erzeugt  durch  Wind  unter  Mit- 
wirkung selten  fallender  Strichregen  bei  wechselnder  Härte  des 
Gtosteins.  *) 

Als  weitere  Folgewirkung  von  Wind  und  Wärme  erwähnen 
wir  nur  noch  die  Herausbildung  der  bekannten  „Hamadas", 
der  Steinwüsten,  der  Flugsand  wüsten  an  der  Grenze  der  Sahara 
und  der  Dünensandwüsten  an  der  südöstlichen  Küste  Tunesiens. 

Fassen  wir  kurz  die 

Hauptzüge  des  orographischen  Bildes  Tunesiens 

zusammen,  die  uns  der  Überblick  über  die  Entwicklungsgeschichte 
des  Landes  gibt. 

Ursprünglich  ist  Tunesien  Tafelland  gewesen,  wie  es  heute 
noch  Barka  ist.   Dann  wurde  es  durch  den  Einbruch  der  beiden 

')  Th.  Fischer :  Wiss.  Ergebnisse  einer  Reise  im  Atlas- Vorlande  von 
Marokko.    Gotha  1900,  S.  86. 

•)  J.  Walter:  Verhandl.  des  D.  Üeogr.-Tages  1897,  S.  211. 


—    63    — 

Mittelmeerbecken  in  ein  Faltenland  verwandelt.  Seine  Falten 
sind  aber  später  (bis  in  die  Quartärzeit)  durch  Brachlinien 
beschränkt  and  das  Land  weiterhin  darch  Verwerfungen  gegliedert 
und  zerstückt  worden.  Wir  bekommen  so  in  Tunesien  eine 
Mischung  von  Falten-  und  Schollenland,  ein  verkleinertes  Bild 
des  ganzen  Mittelmeergebietes.  Im  großen  und  ganzen  bedingt 
aber  Faltung  die  Physiognomie  des  Landes;  Schollenbildung 
spielt  eine  untergeordnete  Nebenrolle  in  der  Tektonik. 

Ein  Orundzug  prägt  sich  deutlich  aus  :  Die  Mehrzahl  der 
Falten  zeigt  wie  im  ganzen  Atlassystem  NO-Richtung.  Derselben 
Richtung  folgen  die  Täler  und  die  Flüsse,  da  letztere  vom  Lauf 
der  Ketten  durchweg  beeinflußt  sind;  ebenso  die  allgemeine 
Abdachung  des  Landes,  sodaß  Tunesien  in  seinem  Aufbau  nach 
einem  Punkte  hin  gravitiert :  dem  Golf  von  Tunis.  Es  spiegeln 
diese  bodenplastischen  Züge  die  politischen  und  historischen 
Beziehungen  Tunesiens  wieder,  denn  diese  folgten  vorherrschend 
derselben  Richtung:  hinüber  nach  Italien— Sizilien.  Fast  immer 
stand  Tunesien  mit  diesen  Ländern  in  Wechselbeziehung. 

Eigentümlich  für  Tunesien  ist  das  Auftreten  der  faltenden 
Bewegung  mehr  als  leichte  Fältelung  oder  auch  als  nicht  durch- 
geführte Faltung.*)  Infolgedessen  sind  die  kennzeichnenden 
Züge  des  Atlas  insbesonders  Algeriens  stark  gemildert. 

Tunesien  zeigt  allgemein  den  Charakter  des  Mittelgebirgs- 
landes.  An  Formen  herrschen  abgeflachte  und  sanfte  vor, 
meist  runde  Rücken  und  konvexe  Gehänge;  schroffe  Gipfel 
fehlen  fast  ganz.  Die  Höhen  sind  mäßig.  Nur  einige  wenige 
Punkte  erreichen  1500  m  und  mehr.  Die  bedeutendste  absolute 
Höhe  findet  sich  am  Zaghuan,  über  1000  m ;  der  Berg  ist  1343  m 
hoch.  Sonst  sind  die  absoluten  Höhenunterschiede  gering. 
Geologisch  ist  Tunesien  ein  junges  Land.  Quartäre  und  tertiäre 
Gesteine  überwiegen.  Harte  und  weiche  Gesteine  wechseln 
häufig  und  bedingen  ein  mannigfaltiges  Oberflächenrelief. 

Zusammengesetzt  wird  Tunesien  in  seinem  einen  Teil  von 
einer  dichtgedrängten  Menge  von  Falten.  Ihr  vorherrschendster 
Zug  ist  ihre  Unbeständigkeit,  die  weitaus  auf  der  Zerlegung 
der  Schichten  in  Dome  und  Mulden  beruht.  Die  einzelnen 
Falten  zeigen  die  verschiedensten  Richtungen,  da  zu  der  Haupt- 


M  Ann.  de  Gfeogr.  XXI,  S.  424. 


-     54    — 

faltung  SW-NO  des  ganzen  Atlas,  f&r  Tunesien  besonders  noch 
eine  zweite,  intensive  SO-NW-Faltung  hinzukommt  (Über  die 
3.  Faltung  siehe  Perv.  S.  331  und  oben  S.  43). 

In  seinem  anderen  süd-östlichen  Teil  ist  unser  Gebiet  Terras- 
senland ;  ausgezeichnet  durch  einfache,  flache  Falten,  die  getrennt 
sind  durch  weite,  meist  abflußlose  Becken.  Di-  und  Konvergenz 
der  beiden  Faltensysteme  tritt  hier  besonders  deutlich  hervor. 

Im  einzelnen  findet  sich  großer  Formenreichtum :  Plateau 
neben  Rücken,  Scholle  neben  Falte;  hier  langgestreckte  Berge 
mit  sanften  Abhängen,  da  isolierte  Pyramiden  steil  aus  der 
Ebene  emporsteigend;  Täler  und  Anschwellung,  Steilabsturz 
und  flaches  Gehänge  in  regem  Wechsel.  Sogar  das  Material 
bietet  ein  wechselvolles  Gepräge  :  hier  mächtige  Massen  eines 
Gesteines,  dort  Konglomerate  aus  allen  möglichen;  hier  dicke 
Bänke  mit  dünnen  Schichten  abwechselnd :  hier  wieder  Schichten, 
die  steil  emporgerichtet,  dort  solche,  die  flach  lagern  oder  in 
Wellen  geworfen  sind. 

Wir  bekommen  ein  plastisches  Gesamtbild  von  äußerster 
Buntheit  und  voller  Leben,  ein  Bild,  das  trefflich  die  Entstehung 
wie  die  Geschichte  des  Gebietes  wiedergibt;  denn  in  seiner 
Geschichte  und  seiner  tektonischen  Entwicklung  tritt  uns 
unser  Gebiet  ebenfalls  als  ein  „Gebiet  der  Bewegung  und  der 
Veränderung  der  Zustände'  entgegen.  Auch  in  dieser  Hinsicht 
nimmt  Tunesien,  wie  in  seinem  Klima,  seinem  Auf-  und  Umriß 
am  Charakter  des  Mittelmeergebietes  teil. 

Nach  seinen  Hauptzttgen  können  wir  Tunesien  als  die  öst- 
liche Abdachungs-,  als  die  Austönungszone  des  Atlas- 
gebietes, genauer  seines  südlichen  Faltenzuges:  des  Saharaatlas 
bezeichnen.  Als  solche  scheidet  sich  Tunesien  gut  von  seinem 
westlichen  Nachbarlande  Algerien.  Die  Hauptunterschiede  der 
beiden  Länder  sind: 

1.  Allgemein  :  In  Algerien  schroffe  Gegensätze,  hier:  Milderung 

in  geologischer,  klimatischer  und  orographischer  Beziehung, 

letztere  sowohl  was  Geschlossenheit  wie  Höhe  und  Länge 

der  Ketten  anlangt.*) 

^)  Hierzu  gehört  auch,  daß  Algerien  in  mehrere  dentUche  Zonen, 
klimatisch  wie  geologisch,  zerfällt,  während  in  Tunesien  diese  Anordnung 
zurücktritt.  Tunesien  =  Gebiet  der  Auflockerung !  —  Leroy  -  Beaulieu  nennt 
Tunesien:  ,une  continuation  trös  adoucie  de  TAlg^rie.' 


—    55    — 

2.  Im  einzelnen:  morphologisch:  dort  wenige  aber  hohe, 
geschlossene  und  einander  ziemlich  parallele  Ketten. 
Hauptsächlich  WO-Richtung.  Zwei  Faltensysteme:  Tell- 
und  Saharaatlas;  hier  eine  Menge  immer  niedriger  und 
kürzer  werdende  Ketten  mit  mannigfachen  Richtungen, 
vorwiegend  SW-NO,  im  Gesamtverhalten  aber  divergierende 
Richtung.  Die  Falten  gehören  allein  dem  System  des 
Saharaatlas  an.  Aus  dem  Verhalten  der  Faltenzüge  ent- 
springt für  Algerien  eine  Anzahl  hoher,  abgeschlossener 
Bergländer,  für  Tunesien  aber  Mangel  an  solchen.^) 

3.  Verkehrsgeographisch  (bedingt  durch  den  Aufbau  der  Länder): 
In  Algerien  vorwiegend  NS -Verkehr  auf  verschiedenen 
einander  parallelen  Wegen,  kaum  Querverkehr,  verschiedene 
Verkehrszentren.  In  Tunesien  NO-Verkehr  mit  gutem  Quer- 
verkehr. Gewisse  Divergenz  der  Verkehrsstraßen,  wobei 
aber  e  i  n  Hauptbrennpunkt  des  Verkehrs  sich  heraushebt. 

Nach  diesen  großen  Unterschieden  ist  die  Grenze  zwischen 
den  beiden  Ländern  Algerien  und  Tunesien  zu  ziehen.  Sie 
trennt  unser  Land  als  ein  völlig  selbständiges,  geographisches 
Individuum  ab.  Ihr  Verlauf  geht  der  Ostküste  parallel  in  NS- 
Richtung  vom  Kap  Roux  zum  Schott  Rharsa. 

Tunesien  bildet  in  dieser  Abgrenzung  einen  annähernd 
rechteckigen  Klotz.  Seine  nördliche  Begrenzung  ist  eine  echte 
Mittelmeer-,  d.  h.  Abbruchsküste.  Steil  hebt  er  sich  aus  großer 
Tiefe  empor  und  steigt  ebenso  steil  vom  Meeresspiegel  aus 
weiter.  Die  100  m  Linie  des  Meeres  wie  des  Landes  (auch 
dessen  300  m  Isohypse)  verlaufen  in  allernächster  Nähe  der 
Küstenlinie  und  ihr  deutlich  parallel.  Die  Üferlinie  zeigt  einen 
ziemlich  geschlossenen,  geraden  (NO)  Verlauf,  da  wir  es  hier 
mit  einer  Längsbruchküste  zu  tun  haben.  Ausbuchtungen  finden 
sich  nur  dort,  wo  eine  Gebirgskette  die  Uferlinie  erreicht. 

Nicht  minder  scharf  begrenzt  ist  der  Klotz  im  Süden  durch 
die  tiefe*)  Einsenkung  der  Schotts  und  die  sie  im  Norden  um- 
rahmenden Ketten.  Letztere  bilden  in  ihrer  Gesamtheit  einen 
ziemlich  geschlossenen  Zug,  der  rasch  von  den  Schotts  aus  an- 

»)  Vgl.  Th.  Fischer,  Mittelmeerbilder  I  S.  410. 

')  Natürlich  relativ  zu  verstehen,  denn  Dicht  alle  Schotts  reichen  bis 
unter  den  Meeresspiegel.  Schott  el  Djerid  liegt  über  dem  Meeresspiegel. 
(Geol.  Zeitschrift  1895,  a  694.) 


—    Be- 
steigt ,    was  sich  deutlich  im  Verlauf  der   100  m  (auch  300  m) 
Isohypse  ausprägt. 

Ganz  andere  Verhältnisse  treten  uns  an  der  Ostabgrenzung 
unseres  Sockels  zutage.  Während  im  Norden  und  Sfiden  die 
Grenze  ziemlich  gradlinig  verläuft,  zeigt  sie  hier  eine  Menge 
Ein-  und  Ausbuchtungen.  Weiter  hebt  sich  der  Landsockel  hier 
ganz  allmählich  aus  dem  Meere  heraus,  steigt  ebenso  allmählich 
von  der  üferlinie  aus  weiter.  Die  200  m  Linie  liegt  weit  ab ; 
auch  die  100  m  Linie  schon  beträchtlich  weiter  als  im  Norden. 
Die  200  m  Linie  umfaßt  noch  alle  Inseln  und  kennzeichnet  sie 
dadurch  als  Reste  des  ehemaligen  Festlandes.  Sie  sind  alle  nur 
durch  einen  schmalen,  wenig  tiefen  Meeresarm  vom  Festland 
getrennt. 

Ähnlich  wie  die  100  m  Linie  verhält  sich  die  100  m  Isohypse. 
Auch  sie  liegt  ziemlich  weit  ab  von  der  Uferlinie  und  kenn- 
zeichnet dadurch  deutlich  das  langsame  Ansteigen  des  Landes. 

Eine  scharfe  Trennung  zwischen  Meeresboden  und  Fest- 
landsoberfläche ist  hier  nicht  vorhanden,  sodaß  wir  auf  dieser 
Küstenstrecke  weniger  von  einer  Uferlinie  als  von  einem  Ufer- 
bande reden  können.  Es  äußert  sich  dies  Kttstenband  in  der 
häufigen  Haff-  und  Seenbildung  entweder  durch  Zertrümmerung 
des  Landes  durch  das  Meer  oder  durch  Küstenversetzung  durch 
Neerströme  und  durch  Anschwemmungen  der  Flüsse  (auch  Hebung 
des  Landes).  Weiter  tritt  das  bandförmige  Verhalten  der  Küste 
im  Verlauf  der  100  m  Linie  und  100  m  Isohypse  hervor,  die 
beide  der  Uferlinie  deutlich  parallel  laufen.  Jeder  Aus-  oder 
Einbuchtung  der  Uferlinie  entspricht  auch  ein  Vorsprung  oder 
eine  Einkerbung  der  100  und  200  m  Linie. 

Der  allgemeine  Verlauf  der  Küste  steht  in  engem  Ver- 
hältnis zur  Plastik  der  Oberfläche.  Er  ist  abhängig  von  den 
Faltenzügen  des  Atlas.  Jeder  Erhabenheit  der  Oberfläche  ent- 
spricht ein  Vorsprung  der  Uferlinie,  jeder  Einsenkung  dort,  hier 
eine  Einbuchtung.  Der  flache  Golf  von  Hammamet  z.  B.  ist 
die  Fortsetzung  der  Mulde  des  Zerud,  die  Halbinsel  Dakhla 
wie  der  stumpfe  Landvorsprung  zwischen  Sousse  und  Mahares 
die  Fortsetzung  von  Höhenzügen.  Nur  an  einer  Stelle  erleidet 
dies  Verhältnis  eine  Ausnahme.  Es  ist  dies  am  Golf  von  Tunis. 
Wo  er  jetzt  liegt,  sollte  man  eigentlich  als  Verlängerung  der 
Hauptkette  einen  Vorsprung  des  Landes  erwarten.    Daß  gerade 


—    57    — 

das  Gegenteil  stattfindet,  wird  durch  die  große  Verwerfnngs- 
linie  des  Zaghaan  verursacht. 

Ihrer  Anlage  nach  haben  wir  hier  eine  Querkttste  vor  uns. 
Der  Charakter  einer  solchen  ist  aber  sehr  verwischt  worden 
durch  Hebung')  und  Neubildung  von  Land,  sodaß  heute  die 
Falten  nur  noch  am  Kap  Ras  Tarf  (südöstlich  von  Bizerta), 
am  Golf  von  Tunis  (mit  dem  bou  Kournein)  und  am  Kap  Bon 
an  das  Meer  gelangen.  Hierdurch  bekommt  das  Gestade,  be- 
sonders in  seinem  südlicheren  Teil,  mehr  den  Charakter  einer 
Schollenküste,  doch  nicht  soweit,  daß  es  seine  wirtschafts- 
geographisch wichtige  Eigenschaft  als  Aufschließungsküste  ein- 
büßte. — 

Auf  dem  Sockel  baut  sich  das  bunte  Bild  der  Bodenplastik 
auf  als  eine  mehr  oder  weniger  gewellte  Oberfläche.  Das  beste 
Bild  derselben  würde  eine  Reliefkarte  darstellen.  Eine  solche 
ist  aber  bei  der  noch  recht  mangelhaften  Festlegung  des  Landes 
vorläufig  noch  nicht  möglich.  Von  einigen  kleineren  Gebieten 
eine  herzustellen  ist  schon  versucht  worden.  So  gibt  es  vom 
nördlichen  Teil  des  Landes .  eine  Reliefkarte  von  E.  Crouzet, 
E.  Ruisband  und  Ch.  Blondel  1:  100000;  Höhe  verfünffacht, 
ebenso  eine  solche  von  der  Oase  Nefza  und  der  Umgebung 
von  Bizerta,  Tunis,  Sfax  und  Sousse. 

In  Ermangelung  einer  Reliefkarte  können  wir  uns  völlig 
mit  der  Isohypsenkarte  begnügen,  die  uns  ein  ganz  gutes  und 
den  Umständen  entsprechend  ziemlich  genaues  Bild  der  Boden- 
plastik gibt.  Die  beiliegende  Höhenschichtenkarte  ist  teilweise 
ein  erster  Versuch  einer  solchen  von  Tunesien.  Die  Linien 
gleicher  Höhe  wurden  nach  den  mit  Isohypsen  versehenen 
Blättern  der  Karten  des  Service  geographique  de  1' Arm6e,  Paris 
1  :  200000  und  1  :  50000,  soweit  sie  erschienen  waren,  her- 
gestellt. Wo  diese  noch  nicht  vorhanden  waren,  mußten  die 
Höhenangaben  der  provisorischen  Ausgabe  1:  200000  und  die 
höchst  ungenaue  erste  Ausgabe  derselben  Karte  mit  Isohypsen 
vom  Jahre  1885  genügen.    Dazu  kamen  noch  aus  den  benützten 


^)  Die  Hebong^en  des  Landes  (ob  solche  hente  noch  stattfinden,  ist 
nnbestimmt)  hat  man  an  alten  Strandlinien  nachgewiesen.  So  hat  man  am 
Kelbiasee  einen  alten  Strandwall  nachgewiesen,  der  10—20  m  höher  als  das 
heutige  Wassernivean  liegt.  Und  Parran  hat  littorale  Dttnen  bis  200  m  hoch 
gefunden.    (B.  S.  G.  XVIII,  1890,  S.  245. ) 


—    58    — 

Schilderungen  des  Landes  ausgezogene  Höhenangaben.  Im 
großen  und  ganzen  dürfte  das  Bild  der  Wirklichkeit  ziemlich 
entsprechen. 

Durch  Flächenkolorit  sind  die  einzelnen  Höhenstufen  0  —100; 
100-300;  300-500;  500—1000;  1000-1500  hervorgehoben. 
Als  Maßstab  der  Karte  wurde  1:  1  Mil.  gewählt.  Über  die 
Größen-  und  Höhenverhältnisse  Tunesiens  ergaben  sich  nach 
wiederholten  Messungen  auf  beiliegender  Karte: 

Größe  des  Gebietes  (bis  zu  den  Schotts)  76640  qkm. 
FQr  die  einzelnen  Höhenschichten  ergab  sich 
von     0—  100  m  21130  qkm  ungefähr  28%  des  ganzen  Landes 

„    100-  300  „    18960     ,  ,         25%    „         , 

,    300-  500,    14420     ,  ,         19%    „         „ 

,    500— 1000  „    18250    ,  „         24%    „ 

,1000-1500  „3  455    ,  ,         4,5%    „ 

76215  qkm 

Das  Resultat  76215  qkm  kann,  mit  dem  Mittelwert  76640 
verglichen,  als  hinreichend  genau  bezeichnet  werden,  wenn  man 
bedenkt,  daß  die  einzelnen  Höhenschichtenflächen  nicht  ein  ge- 
schlossenes Ganze  bilden,  sondern  noch  eine  Menge  kleiner 
abseitsliegender  Fetzen  enthalten.    Als  mittlere  Höhe  Tunesiens 

y 

ei-gibt  sich  (nach  Formel  p  =  H;  Wagner  Geographie  1903  S.  239) 

etwa  700  m  ^).  Mit  anderen  Zahlen  konnte  kein  Vergleich  ge- 
zogen werden,  da  die  einzigen  derartigen  Zahlen  (von  du  Cou- 
dray  la  Blanchöre  in:  Tam^nagement  etc.)  sich  auf  die  ganze 
Regentschaft  (13,5  Mil.  ha)  beziehen.  Der  höchste  Punkt  ist 
der  Dj.  Chambi  mit  1544  m.  Die  größte  absolute  Höhe  finden  wir 
am  Zaghuan  mit  etwa  1200  m.  Unter  dem  Meeresspiegel 
liegt  nur  der  Schott  Rharsa  (— 26  m)  und  die  Sebkra  Moknine 
(—10  m,  nur  60  qkm)  (s.  Flick  und  Pervinquiftre  S.  198). 

Die  Plastik  Tunesiens. 

Erklimmen  wir  einen  Berggipfel,  so  läßt  sich  bei  der 
Überaus  klaren  Luft  der  größte  Teil  des  Landes  überblicken 
wie  auf   einer   großen   geographischen   Karte.     Und   reichlich 


')  Die  Zahl  700  als  mittlere  Höhe  ist  vielleicht  noch  za  hoch,   600  m 
ist  wahrscheinlich  richtiger. 


—    59    — 

belohnt  sich  die  Mfihe  des  Erklimmens  eines  Gipfels  durch  das 
abwechslungsreiche  Bild,  das  sich  dem  Blicke  darbietet.  Ein 
wechselndes  Nebeneinander  von  Hoch-  und  Tiefformen  in  den 
mannigfachsten  Gestaltungen ! 

„Vor  allem  ist  das  Landschaftsbild  bedingt  durch  die 
zahllosen  Djebels  oder  Ketten,  die  wie  Welle  auf  Welle  auf- 
einanderfolgen bis  zum  fernsten  Horizont.  Das  Bild  erinnert 
lebhaft  an  unsern  Jura,  ist  aber  viel  ausgedehnter  und  groß- 
artiger, die  Falten  sind  lockerer  und  isolierter;  sie  setzen  sich 
nicht  auf  längere  Strecken  fort,  große  Ebenen  und  weite  Täler 
schieben  sich  ein.  Eine  Falte  taucht  auf,  die  andere  unter, 
oft  nicht  in  gleicher  Richtung,  sondern  verschoben.  Man  ver- 
mißt in  diesem  Bilde  große,  deutlich  weithin  zu  verfolgende, 
beherrschende  Ketten." ')  Dies  ist  in  großen  Strichen  das  Bild, 
welches  sich  uns  von  einem  Berge  aus  bietet.  In  der  Gesamt- 
heit herrscht  also  in  dem  Bilde  eine  ziemliche  Regellosigkeit 
und  Buntheit  vor.  Diese  Buntheit  in  den  großen  Zügen  ist  im 
kleinen  wieder  zu  finden  und  wird  hierdurch  noch  mehr  ver- 
größert. Reicher  Wechsel  zeigt  sich  im  Anblick  der  kleinen 
Formen  infolge  der  Verschiedenheit  in  der  geologischen  Zu- 
sammensetzung und  der  klimatischen  Einwirkung.  Hier  roter 
Sandstein  und  bunter  Mergel,  dort  weißer,  helleuchtender, 
scharf  vorspringender  Kalkstein;  hier  grttner  Wald  und  reiche 
Felder,  dort  kahle  Steppe  oder  gar  öde  Wüste. 

Trotz  dieser  Regellosigkeit  gewinnt  das  Bild  doch  eine 
gewisse  Einfachheit  durch  einige  vorherrschende  Züge.  Soviele 
Faltenzüge  auch  aufeinanderfolgen  —  Baltzer  zählt  von  Tabarka 
bis  zu  den  Schotts  (320  km)  etwa  25  Ketten,  —  die  meisten 
Ketten  ordnen  sich  in  annähernd  NO-Richtung  aneinander.  Durch 
das  Vorherrschen  dieser  Richtung  wird  das  sonst  bunte  Bild 
sehr  gemildert.  Dazu  kommt  nun  noch,  daß  die  Menge  der 
Faltenzüge  in  drei  größere  Gruppen  zerlegt  wird  durch  zwei 
ebenfalls  NO  verlaufende  Becken,  durch  das  Tal  des  Medjerda 
und  des  Zerud.  Das  Medjerdatal,  die  Verlängerung  des  Golfes 
von  Tunis,  scheidet  deutlich  ein  nördliches  an  der  Küste  ver- 
laufendes Faltenbündel  von  einem  diagonal  durch  Tunesien 
verlaufenden.     Dieses  Faltenbündel   ist  wieder  von   dem  süd- 


^)  Baltzer:  Beiträge  zur  Kenntnis  des  tunesischen  Atlas  S.  29. 


—    60    — 

östlichen  Teil  des  Landes  gut  durch  die  Mulde  des  Wed  Zerud, 
dessen  Verlängerung  der  Golf  von  Hammamet  bildet,  getrennt. 

Vor  allem  hebt  sich  deutlich  durch  die  beiden  weiten 
Senkungsfelder,  die  ihn  auf  beiden  Seiten  begleiten,  der  mittlere 
Gebirgszug  hervor,  den  wir  seiner  Lage  nach  am  besten  mit 
^tunesischer  Rücken"  bezeichnen. 

Die  geographisch  wichtigste  Rolle  dieses  „Rückens^  be- 
steht darin,  daß  er  Teiler  von  ganz  Tunesien  ist.  Er  scheidet 
Nord-  von  Südtunesien,  das  entwässerte  vom  abflußlosen  Gebiet. 
Im  Norden  von  ihm  haben  wir  immerfließende,  bis  zum  Meer 
gelangende  Flüsse,  im  Süden  nur  zeitlich  wasserführende,  meist 
in  abflußlose  Becken  endende  Weds  (Wadi).  Dort  mannigfaltige 
Landschaftsformen  im  steten  Wechsel,  die  Gehänge  überwiegend 
mit  Bäumen  und  Sträuchern,  die  Ebenen  mit  bebauten  Feldern 
bekleidet,  dazu  echtes  mediterranes  Klima,  hier  im  Süden  große 
Strecken  völlig  kahl,  höchst  eintönig,  Charakter  und  Klima 
wüstenähnlich.  ^)  Diese  Gegensätze  liegen  aber  nicht  dicht  bei- 
einander, sondern  das  breite  Band  des  tunesischen  Rückens 
bildet  den  allmählichen  Übergang.  Wir  bekämen  damit  drei 
größere  Gebiete,  in  die  sich  Tunesien  orographisch  gliederte: 

1.  Nordtunesien:  das  Gebiet  gleichsinniger  Abdachung,  aus- 
gezeichnet durch  echte  Erosionsformen;  fast  durchweg, 
mit  einigen  wenigen  Ausnahmen,  unter  1000  m  gelegen. 
(„Region  der  äolischen  Denudation^.) 

2.  Das  breite  Band  des  tunesischen  Rückens:  dies  Gebiet 
liegt  meist  über  1000  m  und  ist  gekennzeichnet  durch  be- 
sonders starke  Anhäufung  der  Faltenzüge. 

3.  Die  Südzone,  das  Gebiet  der  ungleichsinnigen  Abdachung, 
der  Schotts  und  der  Sebkra.  Bodenplastisch  zeichnet  es 
sich  aus  durch  wenige,  schwache  Faltenzüge,  die  aber 
gut  zu  verfolgen  sind,  da  die  einzelnen  Ketten  ziemlich 
eng  verbunden  sind  und  unter  sich  getrennt  werden  durch 
weite,  meist  abflußlose,  breite  Mulden.  („Region  der  äolischen 
Aufschüttung".) 

Diese  drei  Hauptteile  Tunesiens  gliedern  sich  wieder  in 
Unterabteilungen.  Auf  letztere  kommen  wir  später  näher  zurück. 
Gehen  wir  vorläufig  erst  auf  die  Teilung  in  die  Zonen  etwas  ein. 


>)  Der  tunesische  Rücken  ist  ebenfaUs  Wind-  and  Regenscheide. 


—    61    — 

Geschichtlich  gliedert  sich  Tunesien  meist  in  zwei  Pro- 
vinzen: Zeugitanien  und  Byzacium.  Es  findet  sich  diese  Ein- 
teilung zur  Zeit  der  Karthager,  Römer  und  Oströmer.  Die  Grenze 
zwischen  den  beiden  Teilen  verlief  vom  Golf  von  Hammamet 
ostwestlich  quer  über  den  tunesischen  Rücken  zur  algerischen 
Grenze  (vgl.  Spruner-Menke). 

Bodenplastisch  bedingt  war  diese  Einteilung  nur  insofern, 
als  Zeugitanien  das  Gebiet  des  Medjerdatales  und  Byzacium 
das  des  Sahel  nebst  seiner  nächsten  Umgebung  umfaßte,  beides 
damals  äußerst  fruchtbare  Landstriche.  Heute  ist  Tunesien 
ebenfalls  wieder  in  zwei  Verwaltungsbezirke  (Nord  und  Süd) 
eingeteilt,  die  ungefähr  durch  den  tunesischen  Rücken  getrennt 
werden.  ^) 

Außer  dieser  Zweiteilung  Tunesiens  finden  wir  sonst  in 
der  Literatur  in  der  Einteilung  des  Gebietes  eine  bunte  Mannig- 
faltigkeit. Meist  wurde  es  nach  klimatischen  Faktoren  ge- 
gliedert. So  hat  Reclus  drei  Regionen:  Wald-,  Tell-(Steppen)- 
und  Wüsten-(Sahara)gebiet.  Nach  denselben  Prinzipien  scheint 
auch  Pervinqui^re  seine  Teilung  in  drei  Zonen  vorzunehmen, 
wenigstens  nennt  er  seine  Nordzone  ein  ausgesprochenes  Wald- 
gebiet. ')  Nähere  Begründung  dieser  Gliederung  gibt  er  nicht  an. 
Mager  wiederum  unterscheidet  vier  Teile  nach  „natürlichen 
Gesichtspunkten**:  1.  Sahel,  sehr  fruchtbar ;  2.  Teil,  bergig,  an- 
baufähig; 3.  die  Steppe  im  Innern:  Weide  für  Kamele  und 
Schafe;  4.  Sahara  (von  den  Arabern  „Djerid**  genannt)  =  Region 
der  Schotts,  der  Sanddünen  und  Palmoasen.  Coudray  unter- 
scheidet sogar  fünf  Gegenden,  indem  er  noch  das  Gebiet  der 
„südlichen  Berge**  zwischen  dem  Saharagebiet  und  Hochplateau 
als  Sonderteil  rechnet.  *)  —  Alle  diese  Einteilungen  gingen  meist 
vom  klimatischen  Standpunkt  aus.  Der  erste,  welcher  nach  dem 
„natürlichsten''  Gesichtspunkt,  nach  der  Oberflächengestaltung 
das  Land  gliedert,  ist  Monchicourt.  (1901.)  Er  unterscheidet  eine 
eine  NW-Hälfte,  den  Teil,  und  eine  SO-Hälfte,  die  Steppe; 

')  Monchicourt :  le  Mactar.  Ann.  X,  S.350.  (Bezeichnet  sie  hier  als 
die  Gebiete  des  ,Teir  und  der  .Steppe'.) 

•)  Pervinquiere,  Annal.  d.  Geog.  IX,  S.  435. 

')  Die  Mehrzahl  dieser  Einteilungen  fußte  auf  der  Annahme,  daß  sich 
die  algerischen  Zonen  nach  Tunesien  fortsetzten. 

*)  Coudray :  a.  a.  0.  S.  1. 


—    62    — 

erstere:  das  bergige  Gebiet  mit  Falten  in  SW-NO-Richtung,  die 
Steppe  aber  (weniger  bergig)  mit  Richtung  der  Falten  in  SN. 
(Vgl.  le  Mactar :  Ann.  d.  G.  X,  S.  346  und  348.)  Dieser  Ein- 
teilung als  der  natürlichsten  schließen  wir  uns  an,  nur  betrachten 
wir  das  trennende  Band  zwischen  beiden,  den  tunesischen 
Rücken,  als  gesonderten  dritten  Teil.  Als  solcher  hebt  er  sich 
ja  auch  hinreichend  von  den  anderen  beiden  ab.  [Monchicourt 
hat  im  Grunde  genommen  ebenfalls  diese  Dreiteilung,  denn  sein 
,, Teilgebiet^  wird  durch  den  Medjerda  in  den  „nördlichen  und 
südlichen  Teil"  zerschnitten.] 

Die  Abgrenzung  dieser  drei  Teile  ist  wie  bei  allen  der- 
artigen Einteilungen  nicht  überall  streng  durchzuführen.  Es 
finden  sich  vielmehr  Gebiete,  in  denen  die  einzelnen  Teile  in- 
einander verschmelzen.  Im  allgemeinen  läßt  sich  aber  diese 
Dreiteilung  hinreichend  scharf  durchführen.  Auch  klimatische 
Faktoren  wirken  in  demselben  Sinne,  sodaß  die  einzelnen  Zonen 
sich  gut  abheben.  — 

Beim  Durchqueren  des  Landes  von  der  Nordküste  in  Süd- 
richtung kommt  man  zuerst  in  ein  wenig  bewohntes  Waldgebiet 
.von  wilder  Schönheit,  wo  sich  ein  Berg  an  den  anderen  reiht; 
dann  in  das  große  Längstal  des  Medjerda,  das  gut  bebaut  und 
reich  belebt  ist  von  zahlreichen  Siedelungen  und  regem  Verkehr 
(für  nordafrikanische  Verhältnisse  natürlich).  Dann  steigt  man 
empor  durch  Quertäler  (meistens)  in  die  schon  ziemlich  rauhe 
Zentralzoue  des  tunesischen  Rückens,  wo  aber  Steppen  noch 
reichliche  Weiden  bieten ;  dann  hinab  nach  Süden  in  ein  mehr 
oder  weniger  wüstes  Gebiet,  fast  nichts  als  Sand,  hie  und  da 
nur  unterbrochen  durch  eine  Oase,  die  dann  meist  um  so  frucht- 
barer ist  und  herrliche  Früchte  —  von  hier  kommen  zum  Bei- 
spiel die  besten  Datteln  —  zeitigt.*)  Ein  buntes  Bild!  Welch 
große  Gegensätze  auf  engem  Raum! 

1.  Der  tunesische  Backen. 

Bei  der  Betrachtung  der  Bodenplastik  von  Mitteltunesien 
können  wir  uns  mit  einem  kurzen  Überblick  über  die  Haupt- 

^)  Ein  ähnliches   Verhalten   wie  bei   den  Ostalpen.    Man   vergleiche: 
Partach,  Mitteleuropa  S.  22. 


—    63    — 

grundzttge  dieses  Teiles  begnügen,  da  uns  über  ihn  treffliche 
Schilderungen  vorliegen  in  den  Arbeiten  von  Monchicourt,  Per- 
vinqniöre  und  Rolland. 

Der  tunesische  Rücken,  von  Monchicourt  ^)  als  südlicher 
tunesische  Teil,  von  Pervinquifere  als  Zentralzone  *),  von  Reclus  •) 
als  Region  der  tunesischen  Steppe  bezeichnet,  bildet  nach  seiner 
Lage  und  Gestalt  die  Achse  des  ganzen  Landes.  Wie  eine 
Diagonale  durchzieht  er  das  ganze  tunesische  Rechteck  in 
SW — NO  Richtung  bis  zum  Kap  Bon,  breit  an  der  algerischen 
Grenze  ansetzend  und  nach  der  Küste  zu  immer  schmäler 
werdend.  In  ihm  liegen,  nach  SW  zu,  die  höchsten  Höhen; 
von  ihm  dacht  sich  das  Land  nach  beiden  Seiten  hin  ab.  Es 
spiegelt  sich  dies  wieder  in  der  Hauptwasserscheide  des  Landes 
(diejenige  zwischen  dem  Medjerda-  und  dem  SO-Gebiet),  die 
sich  über  den  ganzen  Höhenrückenzug  hinzieht.  Aus  seiner 
Umgebung  hebt  sich  der  Gebirgszug  noch  besonder»  deutlich 
hervor  durch  die  Menge  der  Faltenzüge,  die  ihn  zusammen- 
setzen und  ihm  einen  ziemlich  geschlossenen  Anblick  verleihen, 
dann  aber  auch  dadurch,  daß  ihn  auf  beiden  Seiten  die  breiten 
Einbruchsbecken  des  Medjerda  und  des  Zerud  begleiten.  Er 
ist  also  ein  Horstgebirge,  und  seine  Bezeichnung  als  „tunesischer 
Rücken**  völlig  berechtigt. 

Der  tunesische  Rücken  ist  ersichtlich  die  nordöstliche  Ver- 
längerung des  Auresgebirges.  Es  liegt  darum  nahe,  bei  Betrach- 
tung dieses  tunesischen  Höhenzuges  auch  die  östlichen  Ketten 
des  Auresmassives  etwa  zwischen  Tebessa  westwärts  bis  Ken- 
chela,  welche  die  Wurzeln  der  tunesischen  Falten  bilden,  mit 
einzuschließen.  ^)  Da  wir  aber  Tunesien  als  die  Austönungszone 
des  Atlas  auffassen  und  weiter  unter  Tunesien  natürlicherweise 
nur  das  Gebiet  verstehen,  welches  unmittelbar  noch  dem  Einfluß 
der  Ostküste,  insbesonders  der  Buchten,  ausgesetzt  ist,  so  fällt 
das  Gebiet  vom  Auresmassiv  ostwärts  bis  zu  einer  annähernd 


*)  Monchicourt:  le  Mactar  Ann.  X,  S.  346. 

*)  Annal.  d.  G6ogr.  IX,  S.  438. 

')  Reclus:  l'Afrique  septentrionale  Tome  XI,  S.  145. 

*)  Fichenr ,  Annal.  d.  Geol.  XI,  S.  433 :  La  description  des  chaines  de 
Tebessa  et  d'Ain  Beida  serait  mieax  a  sa  place  dans  one  6tade  sor  le 
relief  de  la  Tunisie,  dont  ces  chaines  constitnent  Tamorce  et  pr^sentent  les 
principaux  caract^res  orotectoniqnes  de  la  r6gion  tnnisienne. 


—    64    — 

NS-Linie,  die  etwa  Tebessa  mit  Tamerza  verbindet,  aus  dem 
Rahmen  einer  Betrachtung  des  Reliefs  von  Tunesien  heraus. 
Denn  das  Gebiet  westlich  dieser  NS-Linie  ist  infolge  seiner 
bedeutenderen  Höhe  und  des  Zusammendrängens  von  einer  Menge 
Falten  auf  viel  engerem  Raum  als  östlich  jener  Linie  noch  als 
Massenanschwellung  eng  verbunden  mit  der  des  Aures  anzu- 
sehen. Außerdem  wenden  sich  die  Beziehungen  dieses  Gebietes 
vorwiegend  in  meridionaler  Richtung  zur  Nordkttste,  der  Einfluß 
der  Ostkttste  ist  sehr  gering.  (Meerferne  nach  Norden  etwa 
150  km,  nach  Osten  Ober  200  km.)  Trotz  der  großen  Ähnlichkeit 
mit  Tunesien  in  den  Hauptzügen  seines  Reliefs  ist  das  Gebiet 
also  besser  Algerien  zuzurechnen. 

Wir  lassen  somit  den  tunesischen  Rücken  an  einer  unge- 
fähren NS-Linie  Tamerza-Dj.  Safsaf-Zebissa-GouUeul  beginnen, 
wobei  uns  teilweise  unwirtliche  Bergmassive,  teilweise  auch 
tief  eingeschnittene  Täler  und  Engpässe  eine  ziemlich  gute 
Abgrenzung  geben.  Von  dieser  Grenze  durchquert  der  Rücken 
bajonettförmig  das  Land  in  einer  Läige  von  etwa  300  km  und 
größter  Breite  von  etwa  150  km. 

Er  besteht  aus  verschiedenen  Systemen  von  Ketten  und 
Höhen,  die  ziemlich  nuteinander  zusammenhängen.  Der  wesent- 
lichste Charakterzug  dieser  Kette  ist  ihr  äußerst  zerbrochenes 
und  mannigfaltiges  Relief.  Berge,  Plateaus  und  Ebenen  sind 
hier  gegenseitig  ineinander  geschachtelt,  ohne  daß  eine  dieser 
orographischen  Formen  einem  größeren  Raum  ihre  Eigenart 
aufprägt,  und  so  entspringt  hieraus  eine  höchst  zerstückte 
Landschaft,  gegliedert  in  Abteilungen  mittlerer  und  ziemlich 
gleicher  Größe.  „Ein  Damenbrett,  dessen  etwas  gerundete  und 
in  die  Länge  gezogene  Felder  sich  mit  wechselnder  Höhe  an- 
einanderreihen, dürfte  ein  richtiges  Bild  geben.*  *)  Trotz  seiner 
Zerbrochenheit  macht  der  tunesische  Rücken  einen  geschlossenen 
Eindruck  durch  die  Menge  der  Faltenzüge  und  Überwiegen 
der  einen  (SW-NO)  Richtung  derselben.  Zwei  Teile  lassen  sich 
in  dem  tunesischen  Rücken  unterscheiden.  Ein  ziemlich  breiter 
SW-Teil  mit  der  Form  eines  Vierecks,  zusammengesetzt  aus 
verschiedenen  Faltenzügen,  und  ein  langgestreckter,  bandförmiger 
NO-Teil,    hauptsächlich    aus   einem   Faltenzug   bestehend,    der 


^)  Monchiconrt,  Annalen,  S.  346. 


—    65    — 

„besonders  von  Domen   wie   ein   Rosenkranz^    gebildet   wird. 
(Perv.  Ann.  1900.) 

Der  SW-Teil  bildet  für  sich  ein  geschlossenes  Qebirgs- 
viereck.  Es  hebt  sich  mit  seiner  Masse  wuchtig  aus  dem  Relief- 
bilde des  Ganzen  heraus  wie  eine  hochgelegene  Festung  und 
schickt,  wie  eine  solche  Forts,  einzelne  Faltenzüge  nach  allen 
Richtungen  vor.  Die  Verbindung  mit  dem  flacheren  Lande  stellen 
die  Flüsse  her,  die  von  ihm  strahlenförmig  nach  allen  Seiten 
abfließen.  Nach  seiner  Lage  inmitten  von  Tunesien  bezeichnen 
wir  es  mit  Recht  als  Zentralmassiv.  Es  ist  identisch  mit  dem 
von  Pervinqui^re  gut  durchforschten  und  beschriebenen  „Tunisie 
centrale^.  Wir  können  uns  darum  hier  mit  seinen  bodenplastischen 
Hauptzügen  begnügen,  die  wir  den  Werken  Pervinqui^res  ent- 
nehmen. 

Die  Grenzen  dieses  Gebirgsviereckes  sind  im  Süden  die 
Kreidekalkkette  von  Feriana,  Dj.  Selloum,  Nouba-Mhrila-Barbe- 
rou-Hamada  el  Eessera,  nach  Nordost  und  Norden  Koudiat  des 
Oulet  Ayar,  Dj.  Kremensa,  nach  Westen  der  Mzita,  Kalaat  es 
Snam,  dann  unsere  Westgrenze  bis  zum  Dj.  Serraguia  (N).  Die 
Eckpunkte  des  etwas  verschobenen  Vierecks  bilden  die  Hamada 
el  Eessera,  Dj.  Kremensa,  Dyr-Goulleul  und  Serraguia. 

Das  Gebiet  liegt  durchweg  über  500  m;  nur  an  drei  Stellen 
au  der  Südgrenze  tritt  die  500  m  Isohypse  dicht  heran.  Als 
durchschnittliche  Höhe  dürfen  wir  wohl  nur  800  m  annehmen. 
Insgesamt  betrachtet  ist  es,  trotzdem  es  den  höchst  gehobenen 
Teil  Tunesiens  darstellt,  immer  nur  als  bergiges  Gebiet  zu 
bezeichnen.  (Perv.  Etüde,  S.  14.)  In  seinem  Relief  nimmt  es  an 
dem  allgemeinen  Bild  Tunesiens  teil.  „Was  es  charakterisiert,  ist 
hauptsächlich  der  Reichtum  an  Hügeln  und  kleinen  Bergen,  deren 
relative  Höhe  selten  500—700  m  überschreitet.  Sie  heben  sich 
gut  aus  dem  Landschaftsbild,  da  sie  meist  durch  breite  Täler 
und  sanfte  Mulden  getrennt  sind.  Auch  hier  gibt  es,  wie  im 
übrigen  Tunesien,  keine  auf  große  Strecken  gut  ausgezogene 
Kette,  sondern  nur  ein  Aufeinanderfolgen  von  kleinen  Massivs 
in  annähernd  derselben  Richtung.^ 

Letzteres  ist  besonders  im  südlicheren  Teil  des  Zentral- 
massives zu  beobachten,  sodaß  man  hier  mehrere  Ketten  unter- 
scheiden kann.  Eine  Hauptkette,  die  sich  im  schön  geschwun- 
genen, nach  Nordwesten  offenen  Bogen  vom  Dj.  Serraguia  über 


—    66    — 

Dj.  Mhrila  bis  zur  H.  el  Kessera  zieht  und  nur  an  einigen 
wenigen  Stellen  stark  unterbrochen  ist.  Nördlich  von  derselben 
und  ihr  ziemlich  parallel  verläuft  eine  zweite  niöht  minder 
mächtige  Kette,  die  aber  mehr  zerstfickt  ist  als  die  Hauptkette. 
In  ihr  liegt  der  höchste  Punkt  Tunesiens,  der  Dj.  Chambi 
(1544  m),  dessen  mächtige,  auf  allen  Seiten  steil  abstürzende 
Dolomitbänke  einen  großen  Eindruck  hervorrufen  und  aus  dem 
Landschaftsbild  sich  stark  herausheben.  Nach  Süden  zu  sind 
beide  Ketten  von  einzelnen  Massiven  oder  kleineren  Faltenzügen 
begleitet.  So  der  Dj.  Chambi  von  Krechem  el  Kelb  „Hundenase", 
der  sich  einsam  aus  der  Talmulde  zwischen  den  beiden  Ketten 
erhebt;  die  Hauptkette  aber  von  zwei  einander  ziemlich  parallelen, 
schwächer  gefalteten  Ketten,  die  sich  aus  mehreren  in  einer 
Richtung  hintereinander  liegenden  Bergen  zusammensetzen. 

Nach  SW  zu  sind  diese  Falten  abgeschnitten  durch  das 
Tal  des  Abiod-Ksob.  Eine  weitere,  breite  Unterbrechung  er- 
leiden sie  in  ihrem  nordöstlichen  Verlauf  durch  die  Einbruchs- 
täler des  Hathob  und  des  Sguiffa-Hatob  (Nord).  Der  Teil 
zwischen  den  Bruchlinien  des  Ksob  und  Hathob  ruft  auf  der 
Karte  den  Eindruck  hervor,  als  wenn  auf  ihn  ein  verstärkter 
faltender  Druck  von  NW  ausgeübt  worden  wäre,  und  dadurch 
sich  die  nördlichere  Kette  (Chambi)  gegen  ihre  beiden  Enden, 
den  Dj.  Djellal  und  Semmama,  verschoben,  die  südlichere  Haupt- 
kette aber  sich  ausgebogen  hätte.  Die  beiden  Nebenketten  im 
Süden  würden  dabei  das  Resultat  einer  Stauung  an  der  Falte 
Sidi  Aich  sein.  Auf  jeden  Fall  haben  wir  hier  ein  ausgesprochenes 
Faltungsgebiet  mit  einer  meistenteils  sehr  vollkommenen  paral- 
lelen Anordnung  der  Kreide-Ketten  in  der  Richtung  SW-NO 
und  zwischen  den  gefalteten  Gebieten  einzelne  beckenartige 
Senkungsfelder,  meist  aus  jüngeren  Ablagerungen  gebildet. 

Einen  ganz  anderen  Anblick  gewährt  der  nördlich  einer 
Linie,  die  die  Senkungsfelder  der  Bahiret  Foussana,  des  Sguiffa 
und  die  Hamada  el  Kessera  verbindet,  gelegene  Teil  des  Ge- 
birgsvierecks. 

Nur  im  W  sind  zwei  faltenartige  Bergzüge  zu  unterscheiden. 
Vom  Dj.  Dyr  bei  Tebessa  reihen  sich  nach  NO  bis  Dj.  Slata  und 
nach  Osten  bis  Dj.  Bireno  eine  Anzahl  von  einzelnen  Bergen  zu 
zwei  Ketten  zusammen.  Beide  rufen  aber  einen  wenig  ge- 
schlossenen Eindruck  hervor,  der  noch  dadurch  vermehrt  wiixi. 


—    67    — 

daß  einzelne  Bergmassive  quer  zur  Richtung  der  Ketten- Achse 
sich  stellen.  In  dem  übrigen  Teile  herrscht  eine  bunte  Regel- 
losigkeit in  den  Richtungen  der  einzelnen  tektonischen  Gebilde 
wie  in  ihren  Formen.  Keine  ruhige,  lang  ausgezogene  Linie 
findet  sich,  keine  Gegend,  deren  Physiognomie  durch  das  Vor- 
wiegen einer  Landschaftsform  bestimmt  würde.  Nur  auf  den 
Domen  mit  ihrer  eigentümlichen,  anziehenden,  ruhigen  Form 
bleibt  das  Auge  gerne  länger  haften  in  dem  bunt  bewegten 
Allerlei.  — 

Das  Gebiet  nördlich  von  Thala  (etwa  bis  Kef)  ist  aus- 
geprägtes Mittelgebirgsland.  Weite  Ebenen  herrschen  vor.  Aus 
ihnen  erhebt  sich  eine  ziemliche  Zahl  gerundeter,  isolierter 
Massive,  lauter  Dome,  so  z.  B.  der  Dj.  bou  Haneche,  Zrissa, 
Slata  u.  a.  Selten  erreichen  diese  Dome  die  Höhe  von  1000  m. 
Der  Dj.  Slata  hat  eine  von  den  anderen  Domen  völlig  verschiedene 
Gestalt;  indem  er  in  eine  scharfe  Spitze  endigt,  die  durch  drei 
Faltensysteme,  die  in  ihm  zusammentreffen,  verursacht  ist.^)  — 
Zwischen  den  Domen  tauchen  hie  und  da  kleine  Hochplateaus 
auf,  die  im  allgemeinen  den  Domen  in  der  Gestalt  ähneln,  deren 
gehobene  Ränder  aber  häufig  wahre  Berge  bilden.  Es  sind  dies 
die  Kalaats.  Das  beste  Beispiel  einer  Kalaat  ist  die  Kalaat  es 
Snam,  eine  ausgezeichnete  natürliche  Festung.  Sie  erinnert 
mit  ihrer  Tischform  lebhaft  an  manche  „Steine^  im  Eibsand- 
steingebiet der  sächsischen  Schweiz,  bietet  aber  einen  viel  groß- 
artigeren Anblick,  da  sie  in  einem  Plateau  endigt,  das  auf  allen 
Seiten  über  50  m  tief  steil  abstürzt.^)  Im  großen  und  ganzen 
haben  wir  hier  eine  Gegend  von  Hochplateaus,  die  durch  die 
»Zeugen",  den  Kalaats,  einen  besonderen  Zug  erhält.  — 

Im  Osten  dieses  zusammengehörigen  Gebietes  von  Thala 
bildet  bei  Ksour  und  Maktar  die  Hamada  der  Ouled  Ayar  und 
Ouled  Aoun  ein  weites  Plateau,  das  durch  tiefe  Flußtäler  in 
eine  große  Zahl  Abteilungen  zerschnitten  ist.*)  Einige  durch 
die  Erosion  weniger  mitgenommene  und  so  hervorragende  Teile 
sind  unregelmäßig  in  ihr  zerstreut,  z.  B.  die  Kalaat  el  Harrat 
und  Kalaat  es  Senoubrine.    Auch  der  Dj.  Haraza,  Skarna  (Nord) 

*)  über  Gestalt  und  Entstehung  der  Dome  s.  S.  46. 
')  Kalaat  s.  näheres  auf  S.  48. 

^  Ober  dies  Grebiet  liegt  uns  die  ausführliche  Arbeit  von  Mönch icourt 
le  liactar  Ann.  X,  S.  346  f.  vor,  der  wir  uns  hier  meistens  anschliefien. 


—    68    — 

and  Belota  verdienen  die  Bezeichnung  „Berg*',  während  die 
Synklinalen  Ellez  Massonge  und  Mided  eher  diejenige  ,,  Täler ^. 
Die  hervorragenden  Teile  hier  sind  meistens  darch  Erosion  ge- 
schaffen. Der  Sekarna  z.  B.  verdankt  seine  Entstehung  einer 
Numulitenkalkerhebung,  deren  obere  Schichten  der  Verwitterung 
großen  Widerstand  entgegensetzen.  —  Für  dieses  Plateau  um 
Maktar  oder  besser  fttr  diesen  ungeheuren  sehr  flachen  Dom  ist 
die  Bezeichnung  „Massiv*'  vorzuziehen.  Benannt  hat  man  es  nach 
dem  ungefähr  in  seiner  Mitte  gelegenen  Orte  Maktar,  dessen 
Höhe  944  m  zugleich  die  ungefähre  mittlere  Höhe  des  ganzen 
Massivs  darstellt.  Dieses  Gebiet  verdiente  allein  den  oft  fOr 
ganz  Mittel-Tunesien  widerrechtlich  gebrauchten  Namen:  Hauts- 
Plateaux.  Da  aber  diese  aus  Algerien  flbernommene  Bezeichnung 
dort  für  ein  ganz  anders  geartetes  Gebiet  gebraucht  wird,  lasseu 
wir  sie  für  Mittel-Tunesien  am  besten  fallen. 

Rings  um  das  Maktar-Massiv  breiten  sich  weite  Ebenen 
—  die  höchstgelegene  erhebt  sich  nur  bis  782  m  in  Sidi  Ahmed 
ben  Eadra  —  ein  Umstand,  der  ebenfalls  viel  beiträgt  zu  dem 
mächtigen  Anblick,  den  das  Massiv  gewährt.  Die  Relief hauptzüge, 
die  auf  der  Karte  1:200000  sehr  gut  sichtbar  sind,  zerlegen 
das  Massiv  in  eine  Anzahl  natürlicher  Gebiete.  Das  Klima  gibt 
ihnen  aber  erst  unterscheidende  Züge  und  zerlegt  das  Maktar- 
Massiv  in  zwei  große  Abteilungen,  der  des  Teil  im  Norden  und 
der  Steppe  im  Süden. 

Von  der  Menge  kleiner  natürlicher  Gebiete,  in  die  sich 
das  Maktarmassiv  zerlegt,  heben  wir  nur  die  wichtigsten  hervor. 
Im  allgemeinen  kommt  der  Hauptcharakter  des  tunesischen 
Rückens:  außergewöhnlich  zerbrochenes  und  mannigfaltiges  Relief 
hier  im  Maktarmassiv  besonders  zur  Geltung.  Dadurch  aber, 
daß  in  den  einzelneu  Gegenden  die  eine  Formenart  überwiegt, 
scheidet  sich  das  Ganze  in  verschiedene  natürliche  Gebiete.  So 
wird  das  eigentliche  Plateau  von  Maktar  eine  orographische 
Einheit  durch  das  Vorherrschen  der  Dome.  Die  nördlich  von 
ihm  gelegenen  Kaidat  des  Ouled  Ayar  und  Ouled  Aoun  wiederum 
sind  das  eigentliche  Gebiet  der  Kalaats  und  Hamaden.  Starke 
Erosion  hat  hier  die  fast  horizontallagemden  Schichten  in  Plateaus 
und  Piks  zerschnitten  und  so  jene  „Erosionszeugen''  hervor- 
gebracht. Ein  ausgezeichnetes  Beispiel  einer  Hamada  bildet 
die  Kreidetafel  el  Kessera.  Dieser  Kernpunkt  des  ganzen  Maktar- 


—    69    ^ 

Massives  liegt  Über  1000  m  hoch  und  wirkt  wie  eine  steile 
Zitadelle.  Die  Bezeichnung  als  „Kuchen^  bei  den  Eingeborenen 
charakterisiert  gut  sein  Hervortreten  im  Landschaftsbild.  Es 
ist  die  Kessera  ein  ödes,  steiniges  Plateau  mit  Dolmen  (Perv., 
S.  263)  fast  500  m  über  die  Ebene  emporgehoben.  Der  Rand 
der  Tafel  ist  durch  Erosion  in  eine  Reihe  von  Dyr  und  Kalaat 
zerschnitten.  Die  Hamada  el  Kessera  ist  weiter  nicht  allein 
Mittelpunkt  des  ganzen  tunesischen  Bildes,  sondern  scheint  auch 
ein  solcher  von  den  tunesischen  Faltenbewegungen  und -Rieb tungen 
zu  sein.  Die  Mehrzahl  der  Faltenzfige  streben  ihr  zu,  so  daß 
es  den  Anschein  hat,  als  ob  diese  Tafel  durch  das  Zusainmen- 
treffen  aller  faltenden  Bewegungen  gemeinsam  emporgehoben 
worden  ist.  Besonders  deutlich  ist  bei  den  beiden  Ketten,  welche 
Mittal-Tunesien  im  Süden  begrenzen,  zu  sehen,  daß  sie  in  ihrer 
Richtung  der  Kessera  zustreben.  Wenn  sie  dieselbe  nicht 
erreichen,  ist  dies  nur  durch  die  dazwischen  gekommene  Quer- 
faltung bewirkt  worden.  Denn  diese  macht  sich  in  dem  Gebiete 
südlich  der  Hamada  el  Kessera  bis  zum  Hatobfluß  (Nord)  vor- 
wiegend bemerkbar,  so  im  Koudiat  Haifa,  dem  „Zuckerhut', 
im  Sekarna,  Djildjil  und  Sidi  bei  Abbes,  die  reine  Nordsüd- 
(auch  WO)  Richtung  aufweisen.  Dadurch  unterbrechen  sie  jäh 
die  SW-NO  verlaufenden  Ketten  von  Feriana  und  Dj.  Chambi. 
Aus  einer  solchen  Querfaltung  geht  auch  der  typische  Dom 
Trozza,  der  das  Gebirgsviereck  nach  Osten  gegen  das  flache 
Land  abgrenzt,  hervor.  Ihr  sind  ferner  die  breiten  Ebenen  in 
den  Einbruchsbecken  der  Bahiret  Fussana  und  das  SguiSa-Hatob 
zuzuschreiben.  Diese  Mulden,  meistens  ehemalige  alte  Seebecken, 
stellen  mit  ihren  sanften  Formen  und  vorwiegend  horizontal- 
gelagerten Schichten  Ruhepunkte  in  dem  zerbrochenen  und 
bewegten  Relief  des  ganzen  Zentraltunesien  dar,  auf  welche  sich 
das  Auge  gerne  von  dem  unruhigen  Landschaftsbilde  zurückzieht.^) 

Der  nordöstliche  Teil  des  tunesischen  Rückens  löst  sich 
mit  dem  Dj.  Serdj  von  dem  Gebirgsviereck  ab  und  ist  fast  ohne 
Unterbrechung  als  eine  wirkliche  Kette  bis  zum  Golf  von  Tunis 
bei  Hammam  Sif  zu  verfolgen.  Einige  Massive  heben  sich  be- 
sonders aus  dem  Faltenzug  heraus.  Nordöstlich  vom  Serdj  und 
Bargou  geht  die  Kette  sehr  auseinander.    Es  wird  dies  verur^ 


')  Näheres  bei  Tb.  Fischer,  Mittelmeerbilder  I  S.  307  f. 


—    70    — 

sacht  durch  die  Domkomplexe  des  Fkirine,  bou  Saidan,  Asis, 
Zaghuan  und  andere.  Dazu  kommt,  daß  sich  hier  die  Ketten 
von  Südtunesien  mit  dem  tunesischen  Rücken  verschmelzen  und 
so  ebenfalls  zu  einer  Verbreiterung  beitragen. 

In  der  ganzen  Kette  herrschen  die  Dome  vor  und  treten 
in  allen  Arten  auf,  von  den  zusammengesetzten  bis  zu  den  ein- 
fachen, zerbrochene,  unvollständige  und  vollständige.  Der  be- 
rühmteste unter  ihnen  ist  der  Zaghuan,  der  mons  Jovis  der 
Römer.  Er  ist  bei  einer  Höhe  von  1343  m  noch  von  Tunis 
aus  sichtbar  und  beherrscht  mit  seiner  blauen^  zackigen  Pyramide 
den  ganzen  Horizont.  Einen  anziehenden  Eindruck  gewähren 
auch  die  Dome  Re^ass  und  bou  Kournin,  beide  ebenfalls  nahe 
der  Hauptstadt.  Der  Dj.  Re^ass  ist  einer  der  bestbekanntesten 
Gipfel  in  Nordafrika  und  gewährt  einen  wunderbaren  Anblick: 
er  erhebt  sich,  ein  ganz  regelmäßiger  Dom,  fast  700  m  hoch 
unmittelbar  aus  der  Ebene.  Man  hat  ihn  schon  häufig  mit  dem 
Mythen  der  Schweiz  verglichen.  Nicht  minder  anziehend  wirkt 
der  bou  Kournin,  der  „Vater  der  zwei  Hörner",  dessen  rötliches 
Felsmassiv  sich  unmittelbar  am  Golf  von  Tunis  erhebt  und  so 
mit  seinen  beiden  Doppelspitzen  weithin  sichtbar  ist.  —  Dieser 
ganze  NO-Teil  des  Rückens  ist  von  einer  Menge  SW-NO  laufender 
Verwerfungslinien  durchschnitten,  deren  bedeutendste  (oft  1000  m 
Sprunghöhe)  die  „Zaghuanverwerfung*'  ist.  Näheres  bei  Rolland : 
Grande  faille  du  Zaghuan. 

Dem  tunesischen  Rücken  muß  auch  noch  die  Halbinsel 
Dakhela  {el  Mauin]  zugerechnet  werden.  Die  Ketten,  welche  die 
Halbinsel  bilden,  gehören  aber  nicht  zur  eigentlichen  Hauptkette 
des  tunesischen  Rückens,  sondern  haben  ihren  Ursprung  süd- 
östlich vom  Zaghuan  in  einer  Nebenkette.  Es  ist  also  falsch, 
wenn  man  die  Hauptkette  des  Saharaatlas  im  Kap  Bon  enden 
läßt.  Sie  findet  vielmehr  ihr  Ende  am  Golf  von  Tunis  im  bou 
Kournin.^)    Die  Halbinsel  Dakhela  ist  in  ihrem  orographischen 


^)  Baltzer  geht  andererseits  wiederum  za  weit,  wenn  er  sagt,  «daß 
der  boa  Konmine  das  eigentliche  Ende  der  Zentralkette  und  überhaupt 
die  findigung  des  großen  Atlas  darstellt",  und  meint,  das  Ende  des  Atlas 
8bi  nicht  am  Kap  Hon  (Bon).  —  Bei  näherem  Zusehen  findet  er  aber  doch, 
-4aß  eine  Nebenkette  des  großen  Atlas  in  die  Halbinsel  Dakhela  ausstreicht 
(vgl.  Beiträge  zur  Kenntnis  des  tun.  Atlas  S.  40).  Das  Kap  Bon  ist  demnach 
als  das  östlichste  Ende  des  Saharaatlas  zu  betrachten. 


—    71     — 

Bau  eine  wirkliche  Insel,  dem  Festland  nur  durch  die  Ebene 
von  Soliman  angegliedert.  Ihre  Ketten  erheben  sich  selten  bis 
500  m,  machen  aber,  weil  nahe  am  Meer  gelegen,  einen  ziemlich 
mächtigen,  geschlossenen  Eindruck,  besonders  das  Kap  Bon 
mit  seinen  weißen  Kalkfelsen,  die  fast  400  m  steil  abstürzen. 
Einstmals  war  das  Kap  das  als  Wind-  und  Wetterscheide  ge- 
fürchtete promonturium  Mercurii. 

2.   Die  Nordzone  (Nordtanesien). 

Die  Nordzone  scheidet  sich  nach  ihrer  Plastik  in  zwei 
Teile,  einen  nördlichen,  der  höher  gelegen  und  gefalteter  ist, 
das  tunesische  Küstengebirge,  und  einen  südlichen,  das  tiefer 
gelegene  und  meist  ebene  Gebiet:  die  Nordabdachung  des 
tunesischen  Rückens. 

Die  Nordzone  beginnt  mit  der  Grenzkette,  die  sich  vom 
Dj.  Diss  bis  zum  Dj.  Bir  zieht  und  im  Osten  bei  Bizerta  endigt. 
(Sie  besteht  zum  größten  Teil  aus.  eocänem  Sandstein.)  Im 
Süden  wird  sie  begrenzt  durch  das  Tal  des  Medjerda  bis  zur 
Einmündung  des  Zerud,  dann  in  Nordost-Richtung  von  dem 
Tale  des  Zerud  und  des  Wed  Tine. 

Der  erste  Anblick  dieses  Nordzuges  zeigt  wie  ganz  Tunesien 
nur  wenig  Regelmäßiges.  „Ein  Chaos  von  untergeordneten 
Spitzen  mit  600— 800  m  relativer  Höhe,  ein  Gewirr  von  Massiven 
bietet  sich  uns  dar.**  •)  Und  all  diese  kleinen  Ketten  zeigen 
nur  in  ihrer  Gesamtanordnung  eine  NO-Richtung,  im  einzelnen 
liegen  sie  meist  quer  zueinander.  Die  Haupterhebungen  dieses 
Gebietes  liegen  im  Westen.  So  reicht  der  Dj.  Bir  über  1000, 
einige  andere  Massive  der  Grenzkette  sogar  über  1200  m; 
als  mittlere  Höhe  des  Ganzen  können  wir  wohl  600  m  an- 
nehmen. Nach  Osten  zu  nimmt  der  Küstengebirgszug  an  Höhe 
und  auch  an  Geschlossenheit  langsam  ab,  fällt  dagegen  nach 
Süden  und  vor  allem  nach  Norden  steil  ab.  Im  großen  ganzen  be- 
steht dieser  Gebirgszug  aus  eocänem  Sandstein.  Nur  an  seiner 
Abbruchsseite  im  Norden  treten  an  einigen  Stellen  jüngere  Eruptiv- 
gesteine die  Oberflächengestalt  beeinflussend  auf,  indem  sie  spitz 
vorspringende  Kaps  bilden,  z.  B.  Kap  Negro  und  Kap  Serrat. 
Wegen    des   Steilabfalles   des    Gebirges    nach   dem    Meere   zu 

')  Reclus  a.  a.  0.  S.  157  (u.  Niox,  üeogr.  mUit.  VI,). 


—    72    — 

treten  hier  die  rein  erosiven  Qaertäler  (annähernd  NS-Richtang) 
als  Abflußrinnen  mehr  hervor  als  die  tektonischen  Längstäler, 
diese  werden  erst  im  Osten  zahlreicher. 

Bei  einer  näheren  PrUfang  der  Karte  läßt  sich  deutlich 
ein  östlicher  von  einem  westlichen  Teil  des  Küstengebirgszuges 
trennen.  Der  westliche  Teil  stellt  das  Übergangsgebiet  zwischen 
Algerien  und  Tunesien  dar,  indem  wir  hier  eine  Mischung  von 
den  bodenplastischen  Hauptzttgen  beider  Länder  finden.  In 
dieser  Westhälfte  haben  wir  noch  ausgesprochene  NO  (auch  WO) 
Faltung  und  ziemlich  geschlossene  Ketten.  Gegliedert  werden 
die  Ketten  durch  Flußtäler,  die  meist,  wie  oben  erwähnt,  der 
NS-Richtung  folgen,  ähnlich  wie  in  Algerien.  Es  erstreckt 
sich  dieses  Übergangsgebiet  bis  zu  einer  Linie  Kap  Serrat-Hedil- 
Wed  Zerga.  *)  Östlich  dieser  Linie  tritt  die  für  Tunesien 
charakteristische  Querfaltung  deutlich  hervor.  Weiter  bilden 
hier  vorwiegend  Längstäler  mit  NO-Richtung  die  Abflußrinnen. 

Betrachten  wir  die  einzelnen  Teile  etwas  näher.  Der 
Anblick,  der  sich  uns  von  einem  Berggipfel  aus  bietet,  ist  völlig 
verschieden  von  demjenigen  der  Mittelkette  Tunesiens,  soweit 
wir  nur  die  Bekleidung  der  Oberfläche  ins  Auge  fassen.  Im 
tunesischen  Rücken  herrscht  ein  bunter  Wechsel  zwischen  vege- 
tationslosen und  bebauten  Stellen,  zwischen  Wald  und  Steppe. 
Hier  sind  alle  Abhänge  mit  Wald  (meist  Korkeichen)  bedeckt, 
so  daß  man  von  einem  Berge  auf  einen  „Ozean  von  Grün"*)  blickt. 
Ein  ähnliches  Bild  bekommen  wir  aber,  wenn  wir  die  Ober- 
flächengestalt der  beiden  Gebiete  nach  ihrer  Plastik  vergleichen. 
Auch  hier  wieder  eine  Menge  Massive  und  kleiner  Ketten,  an- 
nähernd hintereinander  oder  auch  quer  zu  einander  gestellt. 
So  lassen  sich  von  der  Grenze  aus  einige  (3)  Faltenzüge, 
die  sich  aus  mehreren  kleineren  Ketten  zusammensetzen,  gut 
verfolgen.  Sie  lösen  sich  alle  von  dem  Gebirgsknotenpunkt  des 
Dj.  Bir  ab.  Die  eine  Kette  mit  annähernd  SN-Richtung  spaltet 
sich  bald  nach  der  Trennung  vom  Dj.  Bir  und  bildet  mit  dem 
westlichen  Zug  Dj.  Haddeda  das  Kap  Roux,  mit  ihrem  östlichen 


^)  Im  Cah.  du  S.  G.  de  rArm6e  No.  16  wird  der  Zaaraflaß  als  Grenze 
swischen  den  beiden  Gebieten  angegeben.  Dies  wäre  eine  vortreffliche  Grenze, 
doch  muß  man  den  Eüstenzng  KefenNsoor  wohl  noch  der  Falte,  die  vom 
Dj.  Bir  in  NO-Richtnng  ausgeht,  zurechnen. 

')  RecluB:  TAfrique  septentrionale,  S.  147. 


—    73    — 

das  Kap  westlich  von  Tabarka.  Der  zweite  Faltenzug,  oft  als 
Hauptzug  des  nördlichen  Gebirges  betrachtet,  verläuft  in  NO- 
Richtung  und  bildet  von  Kap  Negro  bis  Kap  Serrat  die  Steil- 
kfiste.  Dagegen  zeigt  der  dritte  Zug  von  Dj.  Bir  an  anfangs 
ausgesprochene  WO-Richtung,  teilt  sich  aber  bald  und  streicht 
nun  mit  seinen  Verästelungen  in  NO-Richtung  bis  zum  Kap 
Blanco.  Wir  haben  hier  also  wieder  die  drei  für  Tunesien 
charakteristischen  Faltenrichtungen  und  zwar  miteinanider  diver- 
gierend. Ob  dies  hier  aber  auf  die  Querfaltung  wie  im  übrigen 
Tunesien  zurückzuführen  ist  oder  nur  auf  das  Zusammenstoßen 
der  Falten  des  großen  und  kleinen  Atlas  ist  noch  nicht  fest- 
gestellt. Jedenfalls  ist  die  südliche  Kette  vom  Dj.  Bir  über 
Dj.  Sobbah  (WO)  eine  echte.  Saharaatlasfalte/)  indem  auch  sie 
von  einer  Nebenkette,  dem  Dj.  Mrina,  Tatir-Zoumia  begleitet 
wird.  Querfaltung  macht  sich  an  verschiedenen  Stellen  be- 
merkbar, besonders  im  Dj.  Sra  und  Msid.^) 

Die  Gipfel  (fast  alle  mit  Kef  bezeichnet)  in  diesem  Gebiete 
sind  in  der  Mehrzahl  lange  Rücken,  doch  finden  sich  auch 
zackige  Pyramiden. 

Ein  ganz  fremdes  Element  wird  in  dies  nördliche ,  Wald- 
gebirge durch  die  Wirkung  des  Windes  hineingebracht.  Dünen 
aus  beweglichem  Sand,  wie  man  sie  sonst  nur  in  Südtunesien 
noch  findet,  bedecken  (südlich  des  Flusses  Zuara  besonders)  die 
Küste  oft  bis  8  km  in  das  Land  hinein.  Häufig  werden  diese 
Hügel-Dünen  40  m  hoch  (dunes  de  coteaux).  Meistens  treten 
sie  an  der  Ausmündung  von  größeren  Tälern  auf.  Die  Sande 
sind  durch  atmosphärilische  Agentien  geschaffen  und  besitzen 
große  Beweglichkeit  (Parran  245).  Jährlich  wandern  diese 
Dünen  etwa  1  m  in  SO -Richtung  langsam  in  das  Innere  ein 
und  sind  so  ein  grimmer  Feind  des  Verkehrs  wie  jeglicher 
Bodenwirtschaft,  da  sie  völlig  unfruchtbar  sind.') 

Man  hat  dies  westliche  Bergland  wegen  seiner  Ähnlich- 
keit mit  dem  algerischen  Gebiet  verschiedentlich  als  tunesische 
Kabylei  bezeichnet.  Allgemeiner  findet  man  aber  die  Bezeichnung 

*)  Obere  Kreide;  Cah.  16  du  Serv.  Geogr.  de  T Annfee. 

')  Als  Synklinale  bezeichnet,  die  durch  Srosion  heranspräpariert  ist, 
in  Cah.  16. 

')  Ähnliche  Verhältnisse  wie  in  Dentsch-Südwettafrika  an  der  Kttste 
bei  Swakopmund.  ^ 


-     74     - 

Kramirei  oder  Kramirberge  nach  einem  Stamm  der  Eingeborenen 
in  der  Nähe  von  Tabarka.  Letztere  Bezeichnung  ist  vorzu- 
ziehen. 

Ostlich  der  Erumirei  liegt,  nur  durch  die  Erosionsmulde  des 
Zuara  getrennt,  das  Massiv  der  Mogods.  ^)  Es  ist  nicht  mehr 
so  hoch  als  jene,  aber  noch  gebirgig.  Vorwiegend  macht  sich  hier 
Querfaltung  geltend.  Die  Plastik  der  Oberfläche  setzt  sich  aus 
einem  Gemisch  von  Höhen  und  Ebenen  zusammen.  Die  letzteren 
sind  meistens  alte  Seebecken,  von  denen  einige  sehr  fruchtbar, 
andere  wieder  völlig  ausgetrocknet  sind  und  nur  unfruchtbaren 
Sand  darbieten.  Auch  hier  liegen  die  Verhältnisse  noch  nicht 
klar.  Man  könnte  aber  gut  nach  dem  Bilde,  welches  die  Karte 
1 :  200000  gibt,  die  beiden  NO  streichenden  Parallelketten  als 
Fortsetzung  und  Verzweigung  der  Kette  Dj.  Solah  -  bou  Guer- 
trane  (WO  vom  Dj.  Bir)  auffassen,  und  die  Kette  aus  den 
Bergen  Merifeg-Garsia-Boulesba  als  Querfaltuug,  die  sich  da- 
zwischen gelegt  hätte.  Der  Dj.  Msid  ist  orographischer  Knoten- 
punkt. Von  ihm  fließen  nach  allen  Seiten  Bäche  ab,  (Niox, 
Geogr.  milit.  VI.).  Nördlich  vom  Flusse  Zouara  finden  wir  sanfte 
abgerundete  Terrainformen.  Tief  eingeschnittene  Schluchten 
und  steile  Böschungen  sind  selten.  Das  Gebiet  südlich  des 
Flusses  bietet  einen  mehr  tafelförmigen  Anblick.  (Cah.  16  und 
Cah.  14  S.  16.) 

Noch  nicht  völlig  festgelegt  in  seiner  Tektonik  ist  eben- 
falls die  ostwärts  sich  anschließende,  nur  durch  eine  kleine 
miocäne  Synklinale  des  Flusses  Graia  getrennte  Bizertim.  Ihr 
rechnen  wir  das  Einbruchsbecken  des  Sees  von  Bizeita  und 
des  Aclikelsees  bis  etwas  oberhalb  Mateur  und  das  niedrige 
HUgeUand  zwischen  diesem  Flecken  und  der  nördlichen  Mittel- 
ineerkfiste  zu.  Die  Höhen,  welche  sich  vorfinden,  sind  äußerst 
gering,  nur  einige  Berge  erreichen  etwas  über  200  m.  Den 
bei  weitem  großem  Teil  der  Oberfläche  nimmt  der  ehemalige 
Mittelmeerbusen  ein,  von  welchem  heute  nur  noch  der  Achkelsee 
und  der  See  von  Bizerta  Reste  sind.  Letzterer  ist  durch  Dünen- 
bildung  bis   auf   eine   schmale  Straße  vom  Meere   abgetrennt 


')  Die  EinteiluDg  des  tanesiscben  Rüstengebirgszuges  in  Khrnmirei, 
Jdogodei,  Bizertim  und  Bejana  geschieht  nach  Monchicuart:  le  Massiv  de 
Hactar.    Ann.  1901. 


—     75    — 

worden.  —  Einen  wunderbaren  Anblick  gewährt  der  dicht  am 
Südufer  des  nach  ihm  benannten  Sees  gelegene  Berg  Achkel 
(genau  500  m  hoch).  Er  stellt  einen  kleinen,  sehr  regelmäßigen, 
elliptischen,  auf  allen  Seiten  steil  ansteigenden  Bergkegel  dar, 
der  häufig  sich  mitten  aus  dem  Wasser  erhebt,  da  der  See  nach 
heftigen  Regengüssen  im  Gebirge  sein  Ufer  weit  zurücklegt. 

Das  niedrige  Gebirgsland  Hedil  und  Bejaoua,  welches  sich 
vom  Gebiet  der  Mogods  südwärts  bis  zum  Medjerda  erstreckt, 
rechnen  wir  am  besten  ebenfalls  noch  zu  dem  nordtunesischen 
Gebirgszug,  wenn  sich  auch  schon  in  seinem  südlichen  Teil  die 
Verbindung  mit  dem  mitteltunesischen  Gebirgszug  bemerkbar 
macht.  Seine  nördlichen  Ketten  sind  Abzweigungen  der  Kette 
des  Dj.  Solah-bou  Guertrane. 

Auch  hier  bieten  sich  wieder  bei  einer  Rundschau  eine 
Unzahl  kleiner,  niedriger  Massive  und  Ketten  dar,  die  in  allen 
möglichen  Richtungen  aneinander  gelegt  sind.  Keine  nur  etwas 
vorherrschende  Linie  zeigt  sich  in  dem  gesamten  Bild,  sodaß 
der  Anblick  gut  übereinstimmt  mit  unserer  Annahme,  daß  hier 
der  Yerschmelzungspunkt  zwischen  dem  nord-  und  mitteltuue- 
sischen  Gebirgszug  liegt. 

Der  zweite,  südlichere  Teil  der  tunesischen  Nordzone,  die 
Nordabdachung  des  tunesischen  Rückens,  wie  wir  ihn  kurz 
nannten,  zerfällt  nach  seiner  Oberflächenbeschatfenheit  in  mehrere 
natürliche  Gebiete.  Am  auffälligsten  hebt  sich  aus  diesem  Teil 
Tunesiens  das  weite,  fast  horizontal  gelagerte,  ehemalige  See- 
becken der  Dakhlaebene  heraus.  Begrenzt  wird  es  nach  Norden 
von  dem  Küstenzug.  Nach  Süden  ist  es  von  einer  gefalteteü, 
bogenförmigen  Kette  umschlossen,  die  wir  längs  des  ganzen 
Medjerdaflusses  bis  zu  seiner  Mündung  verfolgen  können.  Das 
östliche  Ende  dieses  Zuges  verläuft  aber  nördlich  des  Flusses, 
nachdem  er  ihn  bei  Testour  gequert  hat.  Zum  größten  Teil 
setzt  er  sich  aus  kleineren  Ketten  zusammen,  die  ihren  Ur- 
sprung im  tunesischen  Rücken  haben,  aber  durch  ihre  Anordnung 
den  Eindruck  eines  gesonderten  Faltenzuges  hervorrufen.  Wir 
bezeichnen  ihn  darum  am  besten  ebenfalls  mit  einem  besondern 
Namen.  Der  nächstliegende  dürfte  wohl  derjenige  als  „Medjerda- 
zug**  sein.  Südlich  dieser  Kette  dehnt  sich  bis  zum  tunesischen 
Rücken  ein  Gebiet  aus,  in   welchem    die   Form   der   Erosions- 


—     76    — 

ebenen  yorherrscht,  so  daß  als  zosammenfassende  Benennang  die 
als  «Gebiet  der  Erosionsebenen'  wohl  am  besten  zn  wählen  ist. 
Nach  Osten  zu  setzt  es  sich  fort  in  die  nordtnnesische  Niederung, 
der  Ebenen  am  Unterlaufe  des  Medjerda  und  des  Miliana. 
Lassen  wir  einmal  kurz  die  Hauptzfige  dieser  verschiedenen 
Gebiete,  soweit  sie  bekannt  sind  oder  sich  aus  dem  Kartenbilde 
ergeben,  an  unserm  Blick  vor&bergleiten. 

Die  Dakhla  breitet  sich  am  oberen  Laufe  des  Medjerda 
aus.  Es  ist  eine  schöne,  fruchtbare  Ebene,  die,  völlig  unter 
300  m  gelegen  und  fast  horizontal  gelagert,  sich  von  Ghardimaou 
bis  :Tebursuk  erstreckt.  Hier  bestand  in  geologfischer  Zeit  ein 
See,  dessen  Wasser  sich  einen  Weg  zum  Meere  bahnten,  indem 
sie  das  absperrende  Gebirge  durchbrachen.^)  Es  liegen  hier 
ganz  ähnliche  Verhältnisse  vor  wie  bei  anderen  Flußbecken, 
z.  B.  auch  bei  dem  Becken  von  Limburg  an  der  Lahn. 

Der  die  Dakhla  nach  Süden  umschließende  Medjerdazug  wird 
durch  die  etwas  parallelen  SW-NO  Täler  des  Melleg,  Rmel, 
Tessa,  Siliana,  Medjes  Sfa  und  Miliana  in  einzelne  Massivs 
zerschnitten,  die  ziemlich  verschieden  in  ihrer  Geländebeschaffen- 
heit sind.    (Cah.  Nr.  10.) 

Das  westliche  Gebiet,  die  Gegend  Sidi  Youssef-Quargha,^) 
hauptsächlich  bewaldet  und  wenig  bewohnt,  da  das  Klima 
äußerst  regenreich  ist,  stellt  im  allgemeinen  ein  Hochplateau 
mit  760—800  m  mittlere  Höhe  dar.  Überragt  wird  es  von  einer 
Anzahl  isolierter  Gipfel,  die  scheinbar  unter  sich  in  keiner  Ver- 
bindung stehen. 

Östlich  des  Melleg  reiht  sich  das  Gebiet  von  Kef  an. 
Dieses  zeigt  etwas  mehr  Gebirgscharakter,  da  eine  Anzahl  von 
parallelen  SW-NO-Kämmen  sichtbar  werden.  Sie  sind  als  Fort- 
setzung von  den  Massiven  des  Dj.  Harraba,  Ledjebel  und 
Quenza  aufzufassen.  Allgemein  neigen  die  Kämme  zur  Ab- 
pUttung,  sind  auch  meist  von  einer  Nummulitenkalkplatte  ge- 
krönt. »)  Der  höchste  Berg  ist  der  Dyr  el  Kef  (1088  m),  der 
sich  unmittelbar  über  Kef  erhebt.  Zwischen  sich  schließen  die 
Ketten  fruchtbare  Ebenen  ein. 


')  Vgl.  Ginestous:  les  plaiea  en  Tunisie. 

')  Bildet  die  Ecke  zwisoheo  Medjerda  und  Melleg. 

')  Die  Mehrsahl  von  ihnen  sind  Dome. 


—     77     - 

Ebenfalls  ausgesprochenen  Bergchärakter  zeigt  die  Gegend 
von  Tebursttk,  da  hier  eine  neue  Falte  vom  mitteltnnesischen 
Zug,  die  Kette  Sidi  Ahmed  ^)  ech  Cheid  dazukommt,  während 
sich  im  Gebiete  von  Testour  wiederum  mehr  Ebene  und  auch 
bedeutende  Höhenabnahme  geltend  macht.  Bei  Teburauk  fällt 
in  dem  bodenplastischen  Bilde  besonders  die  durch  Erosion 
herauspräparierte  Synklinale  des  Dj.  Gorrah  auf. ')  Er  erhebt 
sich  mit  seiner  großen  Masse  (963  m  hoch)  fast  800  m  hoch  un- 
mittelbar aus  der  Ebene  des  Medjerda.  Sein  ziemlich  horizontaler 
Gipfel  ist  besät  mit  einer  Unmenge  von  Dolmeti,  jenen  eigen- 
tümlichen Erosionsgebilden. 

Als  Fortsetzung  des  Berglandes  von  Tebiirsuk  ist  der 
ebenfalls  SW-NO  streichende  Teil  des  Medjerdazuges  nördlich 
des  Flusses  zu  betrachten.^)  Er  setzt  sich  aus  einigen,  wenig 
gehobenen  Massiven,  die  durch  ziemlich  breite,  flache  Mulden 
getrennt  sind,  zusammen  und  läuft  in  geringem  Steilabbruch 
am  Kap  Ras  Tarf  aus. 

In  dem  Gebiete,  das  sich  zwischen  dem  Medjerdazuge  und 
dem  tunesischen  Bttcken  ausdehnt,  herrschen,  wie  erwähnt. 
Erosionsebenen  vor.  So  finden  wir  hier  die  Ebenen  von  Sers, 
Siliana,  Zouarine,  EUez-Massonge  und  andere.  Bei  einigen  von 
ihnen  haben  allerdings  auch  tektonische  Bewegungen  zu  ihrer 
Herausbildung  beigetragen.  Im  allgemeinen  stellt  sich  diese 
Zone  als  eine  etwas  gewellte,  nach  Osten  zu  sich  allmählich 
senkende  Ebene  dar.  Im  Mittel  liegt  sie  500— 600m  hoch. 
Die  Flttsse  sind  meist  200—300  m  tief  in  sie  eingeschnitten. 
Dazu  erheben  sich  [besonders  im  Westen  häufiger]  isolierte 
steile  Gipfel  400—700  m  aus  der  Ebene.  Diese  schon  relativ 
hohen  Berge  sind  meist  dicht  bewachsen.  Im  ganzen  kommt 
hier  also  ein  ziemlich  schwieriges  Gelände  zu  stände. 

Bessere  Verhältnisse  liegen  im  Osten  vor,  wo  sich  das 
Gebiet  der  Erosionsebenen  allmählich  zur  nordtunesischen  Nie- 
derung abflacht.  Diese  Niederung  rechnen  wir  am  besten  der 
eben  behandelten  Zone  zu,  wenn  sie  auch  nicht  aus  Erosions-, 
sondern  Einbruchsbecken  besteht.    Beide  gehen  nämlich  ohne 

')  Dieser  Zng  gabelt  sich  und  sendet  den  einen  Kamm  zum  Medjerda 
den  andern  nach  Osten  (Fitzner  S.  306). 
*)  Vgl.  Cah  du  Serv.  öeogr.  Nr.  19. 
*)  Pervinqui^re,  Annal.  S.  436. 


—     78    — 

merklichen  Unterschied  ineinander  über,  nachdem  sich  noch  ein 
paar  einzelne  Massive  und  Dome,  Ausläufer  der  Hauptkette,  in 
die  Ebene  hineingeschoben  haben. 

Die  nordtnnesische  Niederung,  die  einzige  größere,  geo- 
graphische Einheit  im  östlichen  Atlasgebiet,  teilt  sich  in  die 
Medjerda-  und  Momag-Ebene.  Beide  sind  wie  die  Poebene, 
mit  einem  zwischen  zwei  ZUgen  eingesenkten,  namentlich  an 
der  Westseite  von  dem  Zusammengehen  der  Falten  noch  um- 
wallten, sich  nach  Osten  sanft  neigenden  und  verbreiternden 
Troge  zu  vergleichen.  Doch  die  Sohle  des  Troges  weist  nicht 
jene  Einförmigkeit,  wie  sie  sonst  Ebenen  zu  kennzeichnen  pflegt, 
auf.^)  Zwischen  den  AUnvialebenen  bieten  kleine,  durch  Syn- 
klinale Mulden  getrennte  Dome^)  für  das  Auge  gute  Rastpunkte. 
Angefüllt  worden  ist  dies  große  Senkungsfeld  vom  Medjerda 
und  Miliana.  Besonders  der  Medjerda  ist  ein  gewaltiger  Delta- 
bauer, der  nicht  allein  350  qkm  Neuland  in  geschichtlicher  Zeit 
angebaut  hat,  sondern  auch  durch  die  häufige  Verlegung  seiner 
Mündung  die  Ursache  ist,  daß  sich  die  Lage  der  Hauptstadt 
am  Golf  von  Tunis  oftmals  änderte.')  Die  Ablagerungen  in 
dieser  Niederung  bilden  auch  hier  wie  im  übrigen  Mittelmeer- 
gebiet die  Sitze  der  Kultur.  Unwillkürlich  denkt  man  bei 
Karthago  an  Venedig,  Alexandrien,  Rom,  Florenz  und  andere.^) 

Wenden  wir  uns  nunmehr  dem  noch  übrigen  Teile  Tunesiens 
zu,  dem  Qebiet  der  ungleichsinnigen  Abdachung  im  Süden 
des  Landes. 

3.  Die  Sfidzone. 

Südtunesien,  zwischen  dem  tunesischen  Rücken  und 
den  Schotts  gelegen,  gibt  uns  das  treffendste  Bild  eines  Über- 
gangsgebietes nicht  allein  in  klimatischer,  sondern  auch  in 
orographischer  Hinsicht,  in  seinem  tektonischen  Bau  wie  in  den 
Formen  seiner  Oberfläche.  Es  vermittelt  Südtunesien  zwischen 
dem  regenreichen  Norden  und  dem  regenarmen  Süden  der  Regent- 
schaft, zwischen  fruchtbaren  und  wüsten  Gegenden,  zwischen 
Falten-  und  Schollenland.    Alle  Grundformen  eines  abflußlosen 

0  Vgl.  Tb.  Fischer,  Mittelmeerbilder  I  S.  166  über  die  Po-Ebene. 
^)  Siehe  Monchicourt:  Tunis,  Annal.  d.  Qeogr.  XIII,  S.  145. 
')  Th.  Fischer,  Mittelmeerbilder  I  S.  288  und  Pet.  Mitt.  1887. 
^)  Philippson:   Das  Mittelmeergebiet,  Leipzig  1904. 


—    79    — 

Gebietes,  wie  sie  Richthofen  meisterhaft  uns  schildert  in  seinem 
„China**  (I,  S.  9),  sind  wunderbar  ausgeprägt.  Vor  allem  ist 
der  Hauptcharakterzug  eines  solchen  Gebietes :  Salz-  und  Seen- 
reichtum (die  Seen  treten  natürlich  meist  nur  als  Sttmpfe  auf), 
überall  diesem  Teile  Tunesiens  aufgedrückt. 

Südtunesien  bildet  eine  ausgesprochene  „  Wannenland- 
schaft**. ^)  Die  einzelnen  Wannen,  an  deren  tiefsten  Stelle  sich 
meistens  Brackwasser  angesammelt  hat  oder  wenigstens  ein 
Salzsumpf  besteht,  sind  durch  kurze  elliptische  Rücken  getrennt. 
Nach  der  Anordnung  dieser  Rücken  und  nach  Höhenlage  lassen 
sich  zwei  Teile  untei*scheiden :  Ein  westlicher  Teil  von  der 
Grenze  bis  zu  der  NS-Linie  der  Berge  Sidi  bou  Gobrine-Meheri, 
welche  als  erhöhter  Rand  gegen  die  Niederung  die  Abgrenzung 
nach  Osten  geben.  Dieser  westliche  Teil  ist  der  höher  gelegene, 
ebenso  erreichen  die  aufgesetzten  Berge  größere  Höhen,  dazu 
ist  ihre  Anzahl  beträchtlicher,  so  daß  wir  von  diesem  Gebiet 
bodenplastisch  immer  noch  ein  abwechslungsreiches,  belebtes 
Bild  erhalten,  arm  allerdings  gegenüber  dem  überaus  reich  be- 
wegten Bilde  von  Mitteltunesien.  —  Der  östliche  Teil  zeigt  nur 
einige  wenige  Faltenzüge,  mehr  flachgewölbte  Wellen,  die  nach 
Osten  zu  immer  niedriger  werden  und  schließlich  ganz  ver- 
schwinden. Öde,  niedrige  Ebenen  herrschen  vor.  Im  großen 
und  ganzen  ein  Bild  von  höchst  ermüdender  Einförmigkeit  und 
Eintönigkeit. 

Betrachten  wir  die  Oberflächenbeschaffenheit  beider  Gebiete 
etwas  näher. 

Der  westliche  Teil  wird  im  Süden  von  den  Falten  um  den 
Schott  Djerid  und  Fedjedj  begrenzt.  Dies  sind  die  äußersten 
Falten  des  Atlas.  Sie  steigen  schnell  vom  Spiegel  der  Schotts 
bis  zu  fast  600  m  empor,  fallen  ebenso  schnell  wieder  bis  zu 
ziemlich  geringer  Höhe  nach  Norden  zu  hinab,  so  daß  sie  einen 
äußerst  spitzen  Kamm  bilden  im  Gegensatz  zu  den  viel  breiter 
angelegten   Faltenzügen   im   Norden.*)    Da   die   verschiedenen 


^)  Penck:  Die  Formen  der  Landoberfläche.  Verbandl.  des  IX.  Geo- 
graphentages 1891,  S.  29. 

^)  Es  würde  diese  Tatsache  daran!  schließen  lassen,  daß  diese  Kette, 
wenn  nicht  dnrch  Stanung  veranlaßt,  durch  den  Einbrach  des  Schottgebietes 
emporgefaltet  wurde. 


—    80    — 

Massive  und  kleinen  Ketten  dicht  aufeinander  folgen,  wird  der 
Anblick  eines  ziemlich  geschlossenen  WO-Gebirgszuges  hervor- 
gerufen. Er  findet  sein  Ende  im  Osten  nach  einer  kleinen  Um- 
biegung  nach  NO  im  Dj.  Boumana.  Man  bezeichnet  diesen 
Faltenzug  meist  nach  dem  in  seiner  Mitte  gelegenen  und  sich 
gut  abbebenden  Dj.  Cherb  als  Kette  Cberb.  Sie  besteht  wie 
auch  die  Mehrzahl  der  nordwärts  von  ihr  liegenden  Falten  aus 
Kreide.  Zwischen  den  Falten  breiten  sich  vorwiegend  Quartär- 
ebenen aus.  Der  Boden  ist  vielfach  mit  Flugsand  oder  ödem 
Steinschotter  bedeckt  und  zeigt  so,  besonders  von  Oafza  an, 
schon  wttstenartiges  Gepräge. 

Die  Kette  Cherb  wird  im  Norden  von  einer  von  der  Küste 
bis  zum  Schott  Rharsa  WO  streichenden  Mulde  begrenzt.  In 
dieser  Mulde  ist  eine  ausgezeichnete  Talwasserscheide  ausge- 
bildet. Vorgelagert  sind  der  Cherbkette  nach  Norden  zwei  sehr 
regelmäßige  (Kreide)  Dome,  die  aus  der  Quartärebene  auftauchen : 
der  Dj.  Gehib-Bosfa,  ein  Doppeldom,  und  der  Dj.  Berda.  Die 
ebengenannten  Bergzflge  bilden  mit  ihrer  Umgebung  die  süd- 
lichere Hälfte  des  westlichen  Teiles  von  Südtunesien.  Von  der 
nördlichen  Hälfte  wird  sie  getrennt  durch  die  Mulden  desWed 
Baiech,  el  Guettar  und  Bled  Segui.  Genauere  Angaben  über 
dieses  Gebiet,  über  seinen  Bau  und  seine  Bodenplastik  liegen 
noch  nicht  vor.  Bessere  Nachrichten  haben  wir  über  die  nörd- 
liche Hälfte  des  westlichen  Teiles.  Pervinqui^re  schildert  uns 
das  Bild  der  Oberflächengestalt  dieses  Stückes  ungefähr  folgender- 
maßen (Ann.  IX,  S.  437) : 

„Alle  in  Frage  kommenden  Massive  haben  eine  WO- 
Bichtung  und  verbinden  sich  untereinander,  so  daß  sie  zusammen- 
hängende Ketten  bilden.  Mehr  im  Norden  verlieren  sich  diese 
beiden  Züge,  und  man  findet  sehr  oft  nur  kleine  Massive,  die 
sehr  verschiedene  Bichtungen  zeigen,  bald  völlig  isoliert  und 
jäh  aus  der  Ebene  tauchen,  so  der  Dj.  Sidi  Aich,  bald  sich 
verbinden  oder  sogar  mehr  oder  weniger  verschmelzen  unter 
verschiedenen  Winkeln.  Die  Ebenen,  die  sich  zwischen  den 
einzelnen  Massiven  ausbreiten,  sind  leicht  gewellt  und  ihr  Boden 
-besteht  vorwiegend  aus  feinem,  rotem  Sand,  der  von  der  Ab- 
schuppung der  Berge  durch  Insolation  herrührt,  und  in  dem 
der  Wind  häufig  Dünen  hervorbringt.  Oft  zeigen  sich  auch 
Mulden,  deren  Boden  durch  eine  Garäa  =  Sumpf  besetzt  ist  oder 


-     81    — 

durch  Rliedirs.  Damit  bezeichnet  der  Eingeborne  alleVertiefuDgen, 
in  denen  sich  Regen wasser  sammeln  kann.*' 

Betrachten  wir  die  Urographie  dieses  Teiles  von  Südtunesien 
etwas  näher.  In  der  äußersten  SW-Ecke,  an  der  algerischen 
Grenze  treten,  da  wir  ja  hier  wieder  Übergangsgebiet  zwischen 
Algerien  und  Tunesien  vor  uns  haben,  geschlossenere  und 
höhere  Faltenzüge  auf.  Deshalb  bezeichnen  wir  wohl  diese 
Gegend  als  das  Bergland  von  Gafza.  Die  Bodenplastik  dieses 
Gebietes  ist  ziemlich  einfach  gestaltet.  Es  treten  meist  Doppel- 
ketten auf,  eine  Hanptkette,  begleitet  von  einer  vielfach  völlig 
selbständigen  Nebenkette:  das  typische  Verhalten  der  Sahar- 
ketten.  So  wird  die  Kette  von  Gafza  von  der  Nebenkette 
Negrine-Blidji-Tfel  in  Ostrichtung  begleitet.  —  Zwei  größere 
Gebirgszüge  sind  deutlich  zu  unterscheiden.  Von  Tamerza  zielten 
sie  sich  im  Bogen  bis  in  die  Gegend  von  Gafza.  Ihre  Öffnung 
kehren  sie  einander  zu.  Die  ziemlich  unfruchtbare,  durchweg 
über  400  m  gelegene  Mulde,  die  sie  einschließen,  wird  zum  größten 
Teil  durch  den  Wed  Seldja  entwässert,  der  sich  durch  ein  tief 
eingeschnittenes,  enges  Tal  seinen  Weg  zum  Schott  Rharsa  ge- 
bahnt hat,  ähnlich  wie  der  Wed  Baiech  bei  Gafza.  Der  nörd- 
liche Faltenbogen  setzt  sich  über  das  enge  Durchbruchstal  des 
Wed  Baiech  fort  in  den  Dj.  Orbata*),  und  weiter  in  einen 
schön  geschwungenen,  nach  Norden  offenen  Faltenzug,  der  sich, 
wenn  auch  immer  schwächer  werdend,  bis  zur  Ostküste  verfolgen 
läßt  und  hier  das  Kap  Kradidija  bildet.  Nach  Süden  zu  be- 
gleitet ihn  vom  Dj.  Orbata  an  eine  Nebenkette  el  Ayaicha. 
Die  Höhenschichtenkarte  gibt  die  Verhältnisse  hier  recht  gut 
wieder.  Einen  wunderbaren  Anblick  bietet  die  eben  erwähnte 
Antiklinale  von  el  Ayaicha.  Sie  besteht  aus  einer  Reihe  von 
parallelen  Kämmen,  die  durch  Längstäler  (tief  eingeschnitten!) 
getrennt  sind  (Fitzner).  Der  Höhenzug  des  Orbata,  wie  das 
Bergland  von  Gafza  und  auch  die  Kette  Cherb,  sind  besonders 
nach  Süden  zu  von  vielen,  engen,  düsteren  Schluchten  zerfetzt. 
Diese  Schluchten  sind  eine  Folge  der  gewaltigen  Wirkung 
der  zerstörenden  Kräfte  des  Luftkreises,  vor  allem  der  des 
Windes. 


*)  Der  Dj.  Orbata  ist  ein  weithin  sichtbarer,  trigonometrischer  and  bis 
vor  kurzem  der  einzig  festgelegte  Punkt  der  ganzen  südl.  Qegend. 

6 


-     82     — 

Nördlich  des  Berglandes  von  Gafza  bis  zu  der  Kette  von 
Feriaua  dehnt  sich  ein  niedriges  Mittelgebirgsland  aus.  Mulden- 
förmige Einsenkungen,  umgeben  von  niedrigen  Bergzügen  mit 
sanften  Gehängen  machen  sich  am  meisten  bemerkbar.  Die 
größte  dieser  Einsenkungen  ist  die  des  Wed  Baiech  nördlich 
vom  Dj.  Orbata.  Ihr  Boden  besteht  zum  größten  Teil  aus  un- 
fruchtbarem Sand,  den  der  Wind  an  manchen  Stellen  zu  Sand- 
dünen anhäuft,  die  Wüstensanddünen  wenig  nachstehen.  Nach 
Norden  wird  diese  Einsenkung  von  einem  Faltenzug  begrenzt, 
den  man  nicht  der  Höhe  aber  seiner  Längserstreckung  nach 
als  den  Hauptzug  in  dieser  Gegend  bezeichnen  kann.  Es  ist 
der  Zug  Keraim-Foufi-Melloussi,  600— 700  m  hoch.  Nach  NO 
streichend,  endigt  er  jäh  gegen  den  NS  verlaufenden  Dj.  Gouleb. 
Nur  20  km  nach  Norden  von  dem  Vereinigungspunkte  der  beiden 
Falten  teilt  sich  der  Gouleb  (am  bou  Dinar).  Der  eine  Arm 
behält  die  ursprüngliche  NS-Richtung  bei  und  geht  über  den 
Dj.  Ledjebel  (S.)  und  bou  Gobrine  bis  zum  Dj.  Touila.  Der 
andere  Arm  biegt  nach  NO  ab  und  verbindet  sich  mit  dem 
Nasser  Allah,  der  NNW  gerichtet  ist.  (Pervinqui^re  a.  a.  0.). 
Die  Karte  1:800000  gewährt  ein  etwas  anderes  Bild.  Nach 
ihr  sind  sogar  zwei  Verzweigungspunkte  vorhanden.  Von  dem 
südlichen,  dem  Dj.  Seugdal,  setzt  sich  ein  Faltenzug,  scheinbar 
die  Fortsetzung  der  Kette  Keraim-Melloussi  über  den  Krechem 
Artsuma  (730  m),  von  da,  schnell  an  Höhe  abnehmend,  bis 
zur  Ostküste  fort.  Er  verläuft  ziemlich  parallel  den  Falten,  die 
die  Fortsetzung  des  Orbata  sind,  und  bedingt  wie  diese  einen 
Küstenvorsprung  in  der  Nähe  von  Monastir.  Diese  Bergzüge 
gehören  schon  dem  SO  Teil  Tunesiens  an.*)  Westlich  von  dem 
Dj.  Sidi  bou  Gobrioe  verläuft  in  NO-Richtung  die  Kette  Hadjeb 
el  Aioun.  Sie  schneidet  sich  mit  dem  bou  Gobrine  im  Dj.  Touila, 
so  daß  es  scheint,  als  ob  der  Touila  aus  der  Verschmelzung  der 
beiden  Falten  entstanden  ist.  Das  der  Höhe  nach  mächtigste 
Massiv  ist  der  Dj.  S*  Aich,  über  1000  m  hoch,  ziemlich  in  der 
Mitte  des  Gebietes  nördlich  vom  Bergland  von  Gafza  gelegen. 

*)  Aus  der  Höhenschichtenkarte  ließen  sich  ebenfalls  etwas  andere 
Verhältnisse  ablesen.  Es  beweist  dies  nur,  daß  die  Gegend  noch  xn  wenig 
erforscht  ist.  Die  geologischen  Verhältnisse  hier  geben  ein  ähnliches  Bild 
wie  die  Höhenschichtenkarte.  Über  den  Zusammenhang  beider  kann  aber 
vorläufig  noch  nichts  Entscheidendes  gesagt  werden. 


-    83    - 

Der  erwähnte  el  Aioun  ist  wahrscheinlich  die  Fortsetzung  der 
Falte  des  Dj.  Aich,  da  er  sich  gut  mit  ihm  verbinden  läßt  durch 
einige  Hügel,  die  aus  der  Quartärebene  zwischen  beiden  empor 
tauchen  und  alle  die  gleiche  (NO)  Richtung  zeigen. 

Die  weitaus  den  Wüstengebieten  ähnlichsten  Formen  finden 
wir  in  der  SO  Ecke  Tunesiens.  Es  ist  dies  der  regenärmste 
Teil.  Im  Norden  haben  wir  in  der  Mulde  des  Wed  Zerud  ein 
Gebiet,  welches  zeitweise  noch  der  Wirkung  der  Erosion  des 
Wassers  ausgesetzt  ist.  In  regenreichen  Zeiten  stellt  das  Ge- 
biet sogar  eine  Verbindung  mit  dem  Meere  her,  indem  der 
Kelbiasee,  der  hydrographische  Sammelpunkt  des  Zerudbeckeus, 
Wasser  an  das  Haff  von  Hergla  abgibt.  Die  Bezeichnung 
See  ist  bei  diesem  Wasserbecken  vorzuziehen,  da  es  das  einzige 
in  SO-Tunesien  ist,  welches  das  ganze  Jahr   Süßwasser  führt. 

Südlich  der  Mulde  des  Zerud  haben  wir  uun  das  Gebiet, 
das  ausgezeichnet  ist  durch  alle  für  ein  abflußloses  Land 
charakteristischen  Formen.  Das  allgemeine  Oberflächenbild  ist 
von  höchster  Einfachheit.  Eine  weite,  etwas  gewellte  Sand- 
ebene, fast  ganz  vegetationslos,  von  ermüdender  Eintönigkeit. 
Was  Th.  Fischer  von  ganz  Südtunesien  sagt,  paßt  besonders 
gut  auf  dieses  Gebiet:  „Es  bietet  sich  allenthalben  das  Bild 
eines  so  vollkommenen  Terrassenbaues  wie  nur  das  Wasser 
solchen  schaffen  kann."  (Mittelmeerbilder  1  8.321.)  Ein  Blick 
auf  die  Höhenkarte  läßt  dies  deutlich  erkennen.  Zumal  die 
Schicht  zwischen  100  und  800  m  Höhe  westlich  von  Sfax  wirkt 
wie  eine  breite  den  Bergzügen  von  über  300  m  Höhe  vorge- 
lagerte Terrasse,  ähnlich  wie  das  Schelf  vor  dem  Kontinental- 
block. Das  Hervortretende  in  diesem  Gebiete  sind  die  weiten, 
flachen  Mulden,  die  nur  durch  niedrige,  kurze  elliptische  Berg- 
rücken getrennt  sind.  Unter  letzteren  gehören  die  NO  gerichteten, 
wie  erwähnt,  zu  der  Verlängerung  der  Kette  des  Orbata  und 
Keraim-Melloussi.  Die  Synklinalen  Mulden  sind  fast  alle  gleich 
geartet.  An  ihrer  tiefsten  Stelle  haben  alle  einen  größeren  oder 
kleineren  Salzsumpf,  eine  sebkra  oder  bled.  Auch  die  Schotts 
sind  solche  Salzpfannen  wie  die  sebkras  nur  von  riesigen 
Dimensionen:  Eine  weite,  fast  horizontale  Salzkruste  und  rings- 
um der  Wüste  eigene  Formen !  —  Die  verschiedenen  Depressionen 
sind  nicht  miteinander  verbunden  wie  in  Nordtunesien,   wo  die 


—    84    — 

höher-  mit  den  tiefergelegenen  durch  Wasserabfluß  zu  einzelnen 
Systemen  verbunden  sind.  Es  kommt  dies  daher,  daß  die  selten 
gefüllten  Flüsse  durch  die  rasche  Verdunstung  bis  zu  der  nied- 
rigen, sperrenden  Barre  nicht  soviel  Wasser  bringen,  um  die- 
selbe zu  durchbrechen.  Kein  Fluß  erreicht  das  Meer,  alle  enden 
in  den  Mulden,  in  einem  bled  oder  sebkra.  Was  diese  Flüsse 
aber  in  wunderbarer  Weise  zeigen,  ist  die  im  Trockeuklima 
vorheri-schende  Tiefenerosiou,  eine  Folgewirkung  des  Wechsels 
von  langer  Trockenheit  mit  heftigen  Regengüssen,  verbunden 
mit  der  abtragenden  Kraft  des  Windes.  Die  nur  hie  und  da 
heftig  und  plötzlich  auftretenden  Regengüsse  finden  ein  durch 
den  starken  Weclisel  der  Tag-  und  Nachttemperatur  äußerst 
gelockertes  und  verfeinertes  Material  vor,  das  trotz  des  geringen 
Gefälles  das  Wasser  leicht  davonführen  kann.  Dadurch  sind 
wunderbare  Flußentwicklungen  manchmal  herauspräpariert.  ^) 
Flußbetten  von  nur  kurzer  Länge,  aber  oft  über  1  km  breit, 
obwohl  nur  selten  Wasser  in  ihnen  fließt,  sind  in  diesem  Gebiet 
nichts  seltenes. 

Eine  andere,  dem  Trockenklima  eigentümliche  Landschafts- 
form, „cirque",  ist  nicht  minder  häufig.  Unter  cirque  versteht 
man  „eine  zirkusähnliche  Talbucht,  erzeugt  durch  Wind  unter 
Mitwirkung  selten  fallender  Strichregen^.  (Walther:  Landschafts- 
formen. Verhandl.  des  D.  Geographentages  1897,  S.  211.)  Oft 
spielen  auch  geologische  Verhältnisse  mit,  indem  widerstands- 
fähigere Gesteine  den  erhöhten  Rand  bilden. 

Noch  wäre  auf  eine  dritte  Trockengebietsform  hinzuweisen. 
Eine  völlig  unfruchtbare  Kalkkruste,  die  verschiedenartiger  Ent- 
stehung sein  kann,  überzieht  oft  weithin  den  Boden.^)  So  ist 
die  Gegend  von  Monastir  bis  Mahedia  weiter  nichts  als  eine 
solche  (pliocäne)  Kruste  (Pomel.  B.  Soc.  Geol.  Fr.  1892,  S.  103), 
die  die  ganze  Gegend  öde  und  unfruchtbar  macht.  Nur  wo 
diese  Kruste  fehlt,  wird  das  Küstengebiet  fruchtbar  und  zeigt 
dann  die  schönsten  Olivenplantagen  der  Regentschaft. 

Nach  den  Hauptzügen  obiger  Schilderung  ergibt  sich  folgen- 
des Bild :  Tunesien  ist  ein  Berg-  und  Hügelland.    Die  Mehrzahl 

')  Aaf  den  Karten  des  Serv.  ghogt,  1 :  öOÜOO  treten  mehrere  derartige 
Gebilde  deatlich  hervor. 
^  S.  oben  Seite  52. 


—    86    — 

seiner  Gipfel  liegt  in  der  Nähe  der  1000  m -Linie,  nur  wenige 
erheben  sich  über  1400  ra.  Die  Form  des  Mittelgebirges  drückt 
sich  aus  in  der  mittleren  relativen  Höhe  der  einzelnen  Berge, 
die  zwischen  500  und  700  m  liegt,  ebenso  in  der  Form  der 
Gehänge,  die  vorwiegend  diejenige  der  Konvexen  ist. 

Das  Gesamtbild  bietet  eine  gewisse  Regellosigkeit  durch 
die  Menge  kleiner  Ketten,  die  bald  verschwinden,  bald  wieder 
auftauchen,  auch  häufig  ihre  Richtung  ändern.  Im  großen  folgen 
aber  alle  Ketten  in  ausgesprochener  NO-Richtung  aufeinander, 
so  daß  wir  durch  ihre  Anordnung  zwei  HauptgebirgszQge  unter- 
scheiden können:  den  tunesischen  Kfistengebirgszug  und  den 
tunesischen  Rttcken.  Nach  seinen  großen  Oberflächenzügen 
können  wir  in  Tunesien  drei  Gebiete  unterscheiden: 

Nordtunesien,  individualisiert  als  bergiges  Gebiet  ohne 
besonderes  Hervortreten  von  einzelnen  Falten,  ausgezeichnet 
aber  durch  die  Mulde  des  Medjerda,  dem  Sitze  der  Kultur  zu 
allen  Zeiten! 

Mittel tunesien  oder  auch  der  tunesische  Rücken  ist  aus- 
gezeichnet durch  eine  Menge  von  Faltenzttgen  mit  deutlicher 
NO-Richtung  und  charakterisiert  sich  durch  das  Vorherrschen 
der  Bergform  der  Dome  als  Domlandschaft! 

In  Süd-  und  Südost-Tunesien  haben  wir  flaches  Terrassen- 
land. Die  Form  des  Tales  und  der  Ebene  überwiegt  gegenüber 
der  der  Kette  und  des  Berges. 


-    86     - 


Verzeichnis  der  benutzten  Werke. 


Die  HanptgruDdlage  für  die  Arbeit  bildeten: 
L.  Pervinqniöre:    liltnde  g^ologiqne  de  la  Tnnisie  centrale.   Paris  1903. 

—  La  Tnnisie  centrale,  esqaisse  de  g^ogr.  physiqne.    Ann.  de  G^ogr.  IX, 

1900,  S.  434  f. 

Moncbiconrt:  Le  massif  de  Mactar.    Ann.  de  G^ogr.  X,  1901 ,  p.  346—369. 

Anßer  diesen  Werken  wurden  noch  herangezogen : 
Anbert:   Snr  quelques  points  de  la  gtologie  de  la  Tunisie.  —  B.  S.  G.  F. 
(=  Bullet,  de  la  Soci^tfc  gfeol.  de  France)  XVIU.  1890,  p.  334-337. 

—  Note  sur  la  geologie  de  TExtreme  Sud  de  la  Tunisie.    B.  S.  G.  F.  XIX, 

1891,  p.  408. 

—  Explication  de  la  Carte  g6ol.  proyisoire  de  la  Tunisie.    Paris   1894. 

Baltzer:  Beiträge  zur  Kenntnis  des  tunesischen  Atlas.  1895,  I,  p.  105.  — 
Neues  Jahrbuch:  1893,  II,  S.  26—41. 

A.  Bernard  et  Ficheur:  Les  regions  naturelles  de  TAlg^rie.  Annales 
de  Qfeogr.,  XI,  1902,  p.  221,  339,  419. 

Blanchet:  Le  Djebel  Demmer.    Ann.  de  G^ogr.  VI,  1897,  p.  239— 254. 

Blankenhorn:  Die  geognostischen  Verhältnisse  von  Afrika,  I:  der  Atlas, 
Pet.  Mitt.,  Ergänzungsheft  90,  1888,  S.  1—63. 

Blayac:  Le  pays  des  Nemenchas.    Ann.  de  G6ogr.  VIII,  1899,  p.  241—260. 

Brückner:  Die  feste  Erdrinde  und  ihre  Formen.    Wien  1897. 

A.  Bernard:  Revue  bibliogr.  des  travaux  sur  la  g^ogr.  de  TAfr.  scpt. 

K.  Basset:  Docnmcnts  geographiques  snr  TAfrique  septentrionale :  el  Edrisi 
par  R.  Basset. 

R.  Cagnat:  L'armee  romaine  d'Afriqne.    Paris  1892. 

du  Coudray  la  Blanchere:  L'am^nageinent  de  Tean  et  Tinstallation 
rurale  dans  TAfrique  ancienne.  Nouvelles  Archives  des  Missions 
scient.  VII,  1897. 

el  Bekri:  Description  de  TAfrique  Septentr.  ia58— 59.  Trad.  par  M.  Guckin 
de  Slane. 

Ch.  Diehl:  L'Afrique  byzantine.    Paris  1896. 

Ficheur  et  Hang:  Snr  les  domes  liasiques  du  Zaghouan  et  du  bon 
Kournin  (Tunisie).  Ooinpte  Rendus  de  TAcademie  des  Sciences 
(-=  C.  R.  Ac.  Sc.)  CXXII,  1896,  p.  13.  54  f. 


-    87    _ 

Th.  Fischer:    Beiträg;e   zar   physikal.   Geographie  der  Mittelmeerländer. 
Leipzig  1877. 

—  Kttstenyeränderangen  im  Mittelmeergebiet.    Zeitschrift  der  Qesell.  fttr 

Erdkunde,  XIII,  1878. 

—  KüBtenstadien  ans  Nordafrika.     Pet.  Mitt.  XXXIII,  1887. 
~    Mittelmeerbilder  I.    Leipzig  und  Berlin.    1906. 

Fitzner:  Die  Regentschaft  Tunis.    Berlin  1895. 

Uaukler:   Enquete  sur  les  installations  hydrauliqnes  romaines  en  Tnnisie. 
Tunis  1897—1902. 

Qinestous:   Les  pluies  en  Tunisie. 

Geographie  militaire  VI.    Alg^rie  et  Tunisie:  Oolonel  Niox  1890. 

Hang:  Geologie  de  la  Tunisie.    Rev.  gen.  Sc.  VII,  1896,  p.  1047. 

G.  Hildebrand:  Cyrenaika.    Bonn  1904. 

Joanne:  Alg6rie  et  Tunisie.    Paris  1908. 

M.  Idoux:   Notes  sur   le  Nefzaoua  (Tunisie  (m^ridionale).    Ann.  G6og^.  XI, 
1902,  p.  439—447. 

Ihn  Ehaldoun  (trad.  de  M.  de Slane) :  histoire  des Berberes et  des  dynasties 
musulmans  de  TAfrique  septentrionale.    Alger  1852. 

Kiepert:  Lehrbuch  der  alten  Geographie.    Berlin  1878. 

Lanessan:  La  Tunisie.     Paris  1887. 

Meltzer:  Geschichte  der  Karthager,  I  und  II. 

H.  Mager:  Atlas  de  TAlgerie  et  Tunisie.     Paris  1900. 

Mat^riaux   d'^tude  topologiqne   pour  TAlg^rie  et  la  Tunisie.    Cabiers  du 
Service  g6ogr.  de  TArmfee.     Nr.  10,  14,  16,  19,  21. 

Mommsen:  Römische  Geschichte.  II  und  V. 

Parran:    Observations    sur   les    dunes   littorales  ....    B.  S.  G.  F.  XVIII, 
1890,  p.  245. 

Pauly-Wissowa:  Realencyclopädie  I  und  II. 

Penck:  Formen  der  Landoberfläche.    IX.  Geographen! ag  1891. 

0.  Peschel:  Geschichte  der  Erdkunde.     München  1877. 

A.  Philippson:   Das  Mittelnieergebiet.     Leipzig  1904.    1.  Aufl. 

Ratzel:  Anthropogeographie  1.  2.  Stuttgart  1882--91. 

Reclus:    Geographie  universelle,    Paris  XI,  1886. 

Richthofen:    Führer  für  Forschungsreisende.    Berlin  1886. 

—  China.     Berlin  1877. 

—  Aufgaben  und  Methoden  der  heutigen  Geographie.     Leipzig  1883. 
Rolland:   Sur   la  geolugie  de  la  r6gion  du  lac  Kelbia  et  du  littoral  de   la 

Tunisie  centrale.     B.  S.  G.  F.  XVI,  1887,  p.  187  f. 

—  Grande   faille    du  Zaghouan   et  ligne   principale   de  dislocation  de  la 

Tunisie  Orientale.     B.  S.  G.  F.  XVI II,  1889. 

Rothpletz:  Das  Atlasgebirge  Algeriens.     Pet.  Mitt.  XXXVI,  181K),  S.  180. 


^    88    - 

Hassel:  Qemälde  der  Berberei  oder  Geschichte  and  gegenwärtiger  Zustand 
der  Staaten  Tnnis,  Tripolis,  Algier  and  Marokko.    Leipsig  1836. 

Boaire:   Sor  les  Dolmens  de  TEnfida.    1887.    Acadtoie  des  Sciences. 

Sievers-Hahn:  Afrika.    Leipzig  and  Wien  1901. 

A.  Schalten:    Das  rOmische   Afrika.    Leipiig  1899.    Berl.  Phil.  Wochen- 
schrift 1900,  S.  597. 

A.  Sapan:  Grandsttge  der  physischen  Erdkunde.    Leipsig  1903. 

Tissot:   G^graphie  compar^e   de   la  province  Romaine  d'Afriqae.    Paris 
1884.    Bd.  n,  1888. 

Toatain:  Les  cit6s  Bomaines  de  la  Tanisie.    1896. 
—    La  Tanisie.    Paris  18%.   BcTae  G6n6rale  des  Sciences  pares  et  appli- 
quees  VII. 

Viyien  de  Saint-Martin:  Le  Nord  de  TAfriqae.    Paris  1863. 

F.  Walter:  Thflringer  Landschaftsformen.    Verhandl.  des  XII.  Geographen- 
tages.   1897. 

Karten  and  Kartenwerke  warden  benatzt: 
Kiepert:  Atlas  antiqaas.    Aafl.  6. 
Spraner-Menke:  3.  Auflage  1880.    (L  Teil  1865.) 
A  a  b  e  r  t :  Carte  g^logiqae  prorisoire  1 :  800000. 
Carte  de  la  Tanisie  1:800000  1889.    Serv.  g^gr. 
Carte  de  la  Tanisie  1 :  50000  (soweit  erschienen). 


Inhaltsangabe. 


Seit« 

Einleitang 5 

La^e  und  Weltstellunfi;  Tunesiens 5 

Überblick  über  die  Geschichte  Tunesiens 9 

Abhängigkeit  der  geschichtlichen  Beziehungen   des  Landes  von  den 

geographischen  Faktoren  14 

Abgrenzung  des  Qebietes 18 

Geschichtliche  Staaten-  und  Grenzentwicklung 18 

Abgrenzung  nach  geographischen  (bodenplast.)  Faktoren      ....  21 

Verlauf  der  Grenze 23 

Entwickelung  unserer  Kenntnis  des  Landes 25 

Geologische  Übersicht 26 

Geschichte  des  Aufbaues 34 

Wirkungen  der  exogenen  Kräfte 60 

Allgemeines   Bild   der   Oberflächengestalt   besonders   im  Gegensatz   zu 

Algerien 52 

Der  Sockel  des  Gebietes:  Ausdehnung  und  Abgrenzung 55 

Einteilung  der  Plastik 68 

1.  Der  tunesische  Rücken 62 

2.  Die  Nordzone  (N.-Tunesien) 71 

8.    Die  Südzone  (S.-Tunesien) 78 

Zusammenfassung 84 


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31 


} 


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p    • 


Aus  den  Yorträgen 

vom  24.  Oktober  1906  bis  4.  März  1908.  * 

Mit  BenutzuDg  der  Mitteilungen  der  Herren  Redner 

zusammcDgestellt 
von 

Dr.  H.  Traut. 


Mittwoch,  den  24.  Oktober  1906. 

Herr  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.  Friedrich  Delitzsch-Berlin: 
Handel  und  Wandel  in  Altbabylonien.     (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  begann  mit  Beschreibung  der  einzigartigen  Frucht- 
barkeit Babyloniens,  die  infolge  der  Regenlosigkeit  von  Bewässerung  durch 
Menschenhand  abhängig  blieb,  und  mit  Schilderung  des  von  Kanälen  nach 
allen  Seiten  hin  durchschnittenen  Landes  mit  der  Fülle  seiner  Weiler,  Dörfer 
und  Städte,  als  deren  Baumaterial  der  vorzügliche  Lehm  des  Alluvialbodens 
diente.  Als  Schattenseiten  des  Landes  wurden  genannt:  Das  sehr  heiße  Klima 
(bis  zu  ♦UK'  ('.  und  mehr)  bei  sehr  empfindlichen  Winterfrösten,  die  Löwen-, 
Mücken-  und  Ungezieferplage,  die  Sandstünne  aus  der  Wüste,  obenan  aber 
die  Feinde  ringsum,  speziell  die  Nomadenstämme  der  syrisch  -  arabischen 
Wüste.  Auch  die  semitischen  Babyhmier.  die  sich  die  Kultur  der  ältesten 
Landesbewohner,  der   Sumerer,  aneignet<'ii,  waren   solche  Nomaden   gewesen. 

Arbeit  und  (Jesetz  erweisen  sich  auch  in  Babylonien  als  die  von  Urzeit 
her  geheiligten  (Jrundpfeiler  menschlidier  Kultur.  Diese  hatU*  bereits  im 
Anfang  des  H.  Jahrtausends  die  bedeutsamsten  Fortschritt«  gezeitigt.  Man 
erfreute  sich  der  eminenten  Kulturerrungenschaft  der  Schrift  (deren  Ent- 
wicklung aus  ursprünglicher  Bilderschrift  durch  Beispiele  erläutert  wurde), 
man  bedient<»  sich  längst  schon  der  Edelmetalle,  insbesondere  des  Silbers, 
als  Wertmesser,  und  wieweit  schon  in  jener  sehr  alten  Zeit  Handwerk 
und  K  u  n  s  t  fortgeschritten  waren,  wurde  durch  die  Vorführung  von  Erzeug- 
nissen der  Töpferei,  Steinschneidekunst,  Metallbearbeitung,  Skulptur  dargelegt. 
Kein  Wunder,  dab  zur  Zeit  Hammurabis  um  2250  die  Kultur  Babyloniens 
eine  außerordentlich  hohe  gewesen. 

Nachdem  kurz  von  der  physischen  Beschaffenheit  der  Babylonier,  ihrer 
Tageseinteilung.  Diät.  Kleidung  und  Körperpflege,  Wohnung  nebst  Hatisgerät. 


—    92     - 

sowie  vom  Sklavenwesen  die  Rede  gewesen,  wurde  der  vom  Hammurabi  be- 
gründete Einheitsstaat  als  ein  Rechtsstaat  ersten  Ranges  erwiesen.  Gesetz- 
liche Ordnung  beherrschte  alle  Verhältnisse  des  privaten  und  öffentlichen 
Lebens.  Jede  halbwegs  wichtige  Abmachung  mußte  schriftlich  fixiert  und 
durch  Zeugen  beglaubigt  werden.  So  in  der  Ehe,  desgleichen  im  Handels- 
verkehr, wobei  der  Groß-  und  Kleinhandel  in  Altbabylonien  bis  herab  in  die 
Ahämenidenzeit  eingehende  Schilderung  fand.  Von  Wissenschaften  fand 
hauptsächlich  die  Astronomie  und  Sprachwissenschaft  Pflege,  während  von 
eigentlicher  Medizin  kaum  die  Rede  sein  kann.  Die  Verehrung  der  Götter 
wurde  wesentlich  von  den  Priestern  für  das  Volk  besorgt,  und  da  die  Lösung 
des  Sündenbanns  ebensowohl  wie  die  Austreibung  der  bösen  Geister  Vorrecht 
der  Priester  war,  so  befand  sich  das  babylonische  Volk  in  vollkommenster 
Abhängigkeit  von  den  Priestern  und  Magiern.  Auch  der  verschiedenen 
Begräbnisweisen  geschah  kurze  Erwähnung. 

Der  Redner  schloß  mit  dem  Hinweise,  wie  trotz  der  Riesenfortschritte, 
welche  die  Kultur  unserer  Zeit  dui-ch  Buchdruck,  Pulver,  Dampf,  elektrische 
Funken  usw.  gemacht  habe,  wir  doch  noch  vielfach  unter  dem  Einfluß  der 
babylonischen  Kultur  ständen,  und  wie  der  Gestimglaube,  der  bis  in  die 
friderizianiscbe  Zeit  auch  Deutschland  beherrscht  habe,  nicht  minder  der  unheil- 
volle Hexenglaube,  der  noch  immer  nicht  ausgerottet  sei,  durch  Chaldäer 
d.  h.  babylonische  Astrologen  und  Magier  über  das  Abendland  gebracht 
worden  sei. 

Mittwoch,  den  31.  Oktober  1906. 

Herr  Oberleutnant  0.  Kauffmann-Marburg:  Britlsch- 
Indien  nnd  sein  Wild.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  hat  in  den  Jahren  1902  und  1904  große  asiatische 
Reisen  unternommen.  Auf  der  ersten  betrat  er  Indien  in  Bombay  und  durch- 
querte Nordindien  bis  Birma;  die  zweite  Reise  führte  ihn  von  Colombo  über 
Kalkutta,  Kaschmir,  Dehli  nach  Mysore,  von  wo  aus  er  krankheitshalber  nach 
Europa  zurückkehren  mußte. 

Indien,  das  auf  dem  Atlas  meist  als  eine  rot  gezeichnete  Besitzung 
Großbritanniens  erscheint,  wodurch  der  Anschein  erweckt  wird,  als  sei  es  ein 
einheitliches  Land,  zeigt  in  seinen  Provinzen  die  größten  Gegensätze  und 
seine  300  Millionen  Bewohner  sind  nach  Rasse  und  Aussehen,  Religion  und 
Sitte  so  voneinander  unterschieden  wie  etwa  Russen  und  Portugiesen, 
Norweger  und  Türken  und  zeigen  ähnliche  Kontraste  und  Abstufungen  wie 
die  klimatischen  Verhältnisse  in  diesem  ungeheuren  Gebiete.  Und  so  ver- 
schiedenartig als  die  Bevölkerung  Indiens,  die  sich  aus  Ariern,  Dravidas 
und  Mongolen  zusammensetzt,  zu  denen  noch  mannigfache  Reste  von  dunkeln 
Ureinwohnern  kommen,  so  verschieden  sind  auch  die  Religionen  von  Hindus, 
Mohammedanern,  Buddhisten,  Persem,  Sikhs  und  Jains.  Im  Laufe  der  Zeit 
sind  die  meisten  Religionssysteme,  die  ehedem  einen  monotheistischen  Charak- 
ter trugen,  mehr  oder  minder  polytheistisch  geworden.  Belehrend  und 
charakteristisch  in  dieser  Beziehung  ist  der  Brahmanismns,  der  ursprünglich 
in  Brahma  den   reinen  Monotheismus  verkörperte,  aus  dem  sich  dann  später 


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die  Trimnrti,  die  Zusammenfassung  der  drei  Hanptgötter  des  neueren  Brahma- 
nismus,  Brahma  und  der  inzwischen  emporgestiegenen  Gottheiten  Wischnu 
und  Shiva  zu  einer  Einheit  entwickelte,  um  dann,  veranlaßt  durch  den  immer 
stärker  werdenden  Einfluß  der  Priester  und  Hand  in  Hand  gehend  mit  einer 
stetig  zunehmenden  Degeneration  der  Hindus  seihst  in  der  Gegenwart  zu 
einem  mehr  oder  weniger  grohen  Polytheismus  mit  dem  Glauhen  an  alle 
möglichen  Gottheiten  herabzusinken,  so  z.  B.  an  die  sieben  Penitents,  die  noch 
jetzt  als  das  Siebengestim,  der  große  Bär,  auf  die  Erde  hin  abschauen. 

Die  indische  Regierung,  die  mit  starker  Hand  das  Szepter  über  alle 
diese  verschiedenartigen  Völker  und  Kasten  schwingt,  läßt  das  Missionswerk 
zwar  ruhig  gewähren,  unterstützt  dasselbe  aber  nicht  in  dem  Maße,  wie  es  in 
unseren  Kolonien  der  Fall  ist,  ausgehend  von  der  richtigen  Erkenntnis,  daß 
das  Hineinmischen  in  die  innere  Eigenart  der  Inder  und  in  ihre  tief  ein- 
gewurzelten Sitten  und  Gebräuche  eher  den  Frieden  gefährdet,  als  der  moder- 
nen Kulturarbeit  nützt.  Gegen  Grausamkeiten  freilich  schreiten  die  Behörden 
nnnachsichtlich  ein.  In  ihrer  praktischen  Veranlagung  verstehen  sich  die 
Engländer  meisterhaft  auf  die  verschiedenartige  Behandlung  der  einzelnen 
Rassen  und  die  Erhaltung  ihrer  Eigentümlichkeiten,  und  nicht  zum  wenigsten 
liegt  darin  der  Grund,  daß  sie  in  den  letzten  50  Jahren  das  Land  so  voll- 
ständig zur  Ruhe  bringen  konnten.  Heute  steht  die  Macht  der  Engländer  in 
ganz  Indien  unangetastet  da,  und  wenn  wie  in  letzter  Zeit  Nachrichten  von 
Aufständen  z.  B.  aus  Bengalen  zu  uns  herüberdringen,  so  ist  diesen  wenig 
Bedeutung  zuzumessen. 

Die  hervorragendsten  Kulturbringer  sind  heutzutage  die  modernen  Ver- 
kehrsmittel, besonders  die  Eisenbahnen,  die  die  Völker  zur  Eintracht  erziehen 
und  am  ehesten  sich  dazu  eignen,  die  vielfachen  Vorurteile  der  einzelnen 
Kasten  zu  beseitigen.  Die  Autorität  des  weißen  Mannes  wird,  wie  Redner 
an  mehreren  Beispielen  nachwies,  unter  allen  Umständen  gewahrt,  und  der 
Humanitätsdusel,  der  anderwärts  leider  schon  oft  so  traurige,  inhumane  Folgen 
zeitigte,  ist  gegenüber  Eingeborenen  einer  der  schwersten  Fehler,  die  Koloni- 
sationsvölker begehen  können.  Gerechte  Strenge  gegenüber  dem  Ein- 
geborenen und  liberale  Politik  gegenüber  dem  Weißen  sei  hier  die  einzige 
Richtschnur!  Während  die  Regierung  in  Afrika  körperliche  Strafen  eingeführt 
hat,  sind  sie  in  Indien  nicht  gestattet.  Dagegen  hat  sie  den  Eingeborenen 
das  Tragen  von  Schußwaffen  untersagt,  wodurch  der  Wildstand  des  Landes 
ganz  bedeutend  geschont  wird,  denn  der  Inder  ist  nur  zu  leicht  geneigt  alles 
erreichbare  Wild  niederzuschießen. 

Der  Bodenbeschafl^enheit  des  Landes  entsprechend,  ist  die  Fauna  Indiens 
eine  sehr  arten-  und  formenreiche,  steht  aber  doch  in  keinem  Verhältnis  zu 
den  Wildmengen  Afrikas.  Indien  hat  Überfluß  an  gefährlichen  Tieren  aller 
Art,  denen  alljährlich  25000  Menschen  zum  Opfer  fallen,  davon  22000  allein 
giftigen  Schlangen;  an  Vieh   gehen  jährlich   ungefähr  91000  Stück  verloren. 

Im  weiteren  Verlauf  des  Vortrags  schilderte  Redner  sodann  an  der 
Hand  interessanter  Momentaufnahmen  selbsterlebte  Jagdszenen  und  Kämpfe 
mit  Elefanten,  Tigern  und  Panthern,  von  denen  er  manches  prächtige 
Exemplar  zur  Anschauung  brachte,  femer  die  undurchdringlichen  Dschungel- 
dickichte   mit   ihren   Herden    von   wilden    Elefanten,   Wildochsen,   Hyänen, 


-     94    — 

Hirschen.  Kranichen,  um  zum  Schluß  noch  Szenen  aus  dem  Leben  und  Treiben 
der  verschiedenen  Völker  und  Mischrassen,  sodann  Landschaften,  besonders 
aus  dem  sagenumwobenen  Kaschmir  und  zuletzt  einige  der  herrlichsten 
Pracht-  und  Tempelbauten,  die  in  dem  Heiligtume  indischer  Baukunst,  dem 
wunderbaren  Tatsch  Mahal  in  Agra,  ihre  höchste  Vollendung  gefunden  haben, 
im  Bilde  vorzuführen. 

Mittwoch,  den  7.  November  1906. 

Frau  Helene  von  Falkenhausen-Gnadenberg:  Im 
Lande  der  Hereros.  (Lichtbilder  und  ethnographische  Aus- 
stellung aus  dem  städtischen  Völkerrouseum.) 

Die  Frau  Vortragende  warf  zu  Beginn  ihrer  anschaulichen  Schilde- 
rungen die  Frage  auf.  ob  unsere  südwestafrikanische  Kolonie,  die  sich  jetzt 
schon  seit  drei  Jahren  im  Aufstand  befindet  und  trotz  der  größten  Opfer  an 
Menschenleben  und  Geld  noch  immer  nicht  beruhigt  ist.  diese  beklagenswerten 
Opfer  wert  sei.  In  Deutschland  wird  diese  Frage  vielfach  verneint,  während 
die  in  der  Kolonie  Ansässigen,  besonders  die  Farmer,  welche  dort  ihre  Exi- 
stenz zu  begründen  gesucht  haben,  die  Frage  entschieden  bejahen.  Die  Ur- 
sache zu  der  Anschauung  im  Heimatlande  liegt  nach  Meinung  der  Rednerin 
darin,  daß  dem  Farmer,  der  sich  unt^r  Mühen  und  Beschwerden  sein  Dasein 
im  fernen  Afrika  erkämpfen  muß.  wenig  Zeit  zum  Schreiben  übrig  bleibt  und 
man  daher  über  sein  Leben  und  seine  Tätigkeit  wenig  erfährt.  Bei  den 
Einheimischen  heri-scht  aber  allgemein  die  Ansicht  vor,  daß  Südwestafrika 
die  aufgewendeten  Mittel,  Opfer  und  Mühen  reichlich  lohnen  wird. 

Wenn  man  nach  Südwestafrika  kommend,  in  Swakopmund  landet,  be- 
nutzt man  meistens  zur  Reise  ins  Innere  die  nach  dem  Hauptort  Windhoek 
führende  H60  km  lange  Schmalspurbahn,  die  einen  in  drei  Tagen  an  das  Rei- 
seziel befördert.  Die  ersten  (M) — 70  km  sind  dürre,  wasserlose  Wüsten,  san- 
dige Steppen  mit  Dünen,  die  beim  leisesten  Wind  ihre  Lage  verändern.  Ganz 
allmählich  beginnt  dann  die  Vegetation,  zuerst  Wüsten  pflanzen,  bis  sich  end- 
lich auch  besseres  Land  und  reicheres  Pflanzenleben  zeigt.  An  Wasser  fehlt 
es  überall,  die  Flüsse  sind  meist  trocken :  unterirdisch  gibt  es  schönes  klares 
Wasser,  das  aber  oft  tief  erbohrt  werden  muß.  8—9  Monate  im  Jahr  fällt 
kein  Tropfen  Regen,  nur  von  November  bis  zum  März  regnet  es,  zuweilen 
mit  heftigen  Gewitterausbrüchen,  die  Überschwemmungen  zur  Folge  haben, 
treilich  nur  von  kurzer  Dauer.  Die  Hitze  in  Südwestafrika  ist  nicht  sehr 
groß.  Am  Tage  zeigt  das  Thermometer  24—80®  R.,  fällt  dagegen  nachts 
oft  bis  4°  —  und  ruft  dadurch  angenehme  Abkühlung  und  erfrischende  Morgen- 
temperaturen hervor.  In  der  reinen  Luft  gehören  Erkältungen  zu  den  Selten- 
heiten. Nach  den  Regengüssen  grünt  alles  sichtlich  auf,  überall  entfalten 
sich  Blumen  wie  auf  Zauberschlag:  sie  duften  aber  nicht.  Ein  Heer  von 
bunten  Vögeln  belebt  die  Landschaft,  doch  sind  es  keine  Singvögel  und  die 
Früchte  der  Bäume  und  Felder  zeigen  wenig  Wohlgeschmack.  Reichhaltiger 
als  die  Vegetation  ist  die  Tierwelt,  Strauße,  Antilopen  (Hartebeeste),  Kudus, 
Springböcke,  und  von  Raubtieren  Schakale,  Hyänen,  Leoparden,  Löwen  und 
wilde  Hunde,  die  besonders  den  Viehherden  schaden. 


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Die  Frau  Vortragende  kam  1893  mit  ihren  Eltern  nach  Südwestafrika. 
Nach  siebenjährigem  Aufenthalte  in  Windhoek  siedelte  sie  mit  ihrem  Gatten 
und  ihrem  Kinde  nach  Okahoa,  drei  Tagereisen  östlich  im  Hererolande,  über. 
Die  Reise  erfolgte  unter  vielen  Strapazen  und  großem  Kostenaufwand  auf 
einem  mit  20  Ochsen  bespannten  Wagen;  namentlich  erschwerten  die  De- 
zemberregentage das  Fortkommen  ungemein  und  oft  mußte  mit  Beilen  der 
Weg  durch  das  dornige  Gestrüpp  gebahnt  werden.  In  Okahoa  wurde  zu- 
nächst, wie  das  alle  Ansiedler  zu  tun  pflegen,  bis  zur  Vollendung  des  eigent- 
lichen anspruchslosen  Farmerhauses,  ein  provisorisches  Unterkunfts-  und  Wirt- 
schaftshaus errichtet,  das  sogenannte  Hartebeesthaus.  Die  Eingeborenen 
rammten  zu  diesem  Zwecke  starke  Pfähle  in  die  Erde  und  verbanden  sie 
durch  Riemen  aus  der  Haut  des  Hartebeestes,  daher  der  Name;  das  Ganze 
wurde  mit  Lehm  bestrichen  und  das  Dach  zum  Schutze  gegen  Regen  mit 
Segeltuch  überspannt.  Die  Fertigstellung  des  Farmerhauses  dauerte  sehr 
lange.  Die  Trägheit  und  Ungeschicklichkeit  der  Eingeborenen  war  so  groß, 
daß  Herr  von  Falkenhausen  genötigt  war,  den  Bau  allein  auszuführen,  der 
während  der  Regenzeit  noch  unterbrochen  werden  mußte.  Er  enthielt  nur  vier 
Räume,  war  aber  ganz  behaglich  und  praktisch ;  umringt  war  das  Haus  stets 
von  einem  Schwärm  neugieriger  Eingeborenen,  die  die  Möbel  und  die  ver- 
schiedenen Gebrauchsgegenstände,  deren  Zweck  sie  sich  nicht  erklären  konnten, 
mit  verwunderten  Blicken  anstaunten. 

Anfangs  wurde  in  Okahoa  nur  ein  kleines  Stück  Land  zum  Garten 
in  Bewirtschaftung  genommen;  doch  in  den  ersten  Jahren  erzielte  Herr  von 
F.  dort  nur  geringen  Erfolg;  Heuschrecken  und  Trockenheit  veniichtcten 
die  Pflanzen  und  von  den  Kartofl'eln  kam  kaum  die  Aussaat  wieder  ein. 
Später  als  Herr  von  F.  ein  geeigneteres  Terrain  mit  genügender  Bewässe- 
rungsanlage als  Garten  benutzte,  mehrten  sich  die  Erträgnisse  doch  bedeutend. 
Die  Herdenzucht  gedieh  vorzüglich  und  die  Rinder  wurden  durch  deutsche 
Einfuhren  verbessert.  Als  besonders  lohnend  zeigt  sich  in  Südwestafrika 
die  Zucht  von  Fettschwanz-  und  Wollschafen  Sonntags  ging  Herr  von  F. 
zur  Jagd,  die  Wild,  namentlich  die  köstliche  Wildente  zur  Regenzeit,  Stein- 
böcke, Hartebeester  und  den  wohlschmeckenden  Springbock  für  mehrere 
Tage  lieferte.  Die  tägliche  Kost  bestand  meistens  aus  Fleisch  und  Reis, 
dazu  der  nimmer  ausgehende  Kafi'ee.  So  verlief  das  Leben  der  Farmer 
ruhig  und  wenig  abwechslungsreich.  Trotzdem  erinnert  sich  die  Vor- 
tragende mit  Sehnsucht  an  die  Abende,  die  sie  mit  ihrem  Gatten  vor 
dem  Hause  sitzend  verbracht  habe,  im  Angesichte  des  mondhellen  und  stem- 
funkelnden  Himmels  und  in  der  köstlichen  milden  Luft.  Bei  seiner  mühe- 
vollen Farmertätigkeit  steht  die  Frau  dem  Gatten  treu  und  tatkräftig  zur 
Seite,  sie  ist  seine  beste  Gehilfin.  Auf  die  Eingeborenen  ist  kein  Verlaß, 
sie  sind  faul  und  schmutzig  und  zur  Arbeit  nur  zu  gebrauchen,  wenn  sie 
nichts  zu  essen  haben.  Die  besten  Arbeiter  waren  immer  noch  die  Berg- 
Damaras,  die  aber  wegen  ihrer  Feindschaft  mit  den  Hereros  nicht  lange 
aushielten.  Die  Ansprüche  der  Hereros  sind  gering;  sie  machen  sich  wenig 
aus  der  Garderobe,  und  das  Waschen  erscheint  ihnen  lächerlich :  dagegen 
sind  sie  leidenschaftliche  Raucher.  Wenn  sie  krank  sind,  was  sehr  häufig 
der  Fall  ist,    wenn   sie  nicht   arbeiten  wollen,   werden  die   üblichen  Medika- 


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menUi  unginraiult :  innerlich  Rizinaßol.  &a6eriich  Senfpflaster.  Wagenschmiere 
u.  dgl.  I>ie  Vortragende  hob  anßer  der  Faulheit  noch  besonders  die  Hinter- 
lint,  ifaliffucht,  Grausamkeit  und  den  Hochmut  der  Hereros  hervor.  Auf  die 
Detttaehen  »ehen  nie  mit  Verachtung  herab,  weil  sie  arbeiten  und  das 
I^and  belMiuen,  was  nach  ihrer  Ansicht  des  freien  Mannes  unwürdig  ist. 
Hl«  meinen,  sie  seien  nach  Afrika  gekommen,  weil  sie  zu  Hause  nichts  zu 
etaen  hatten.  Der  Ausbruch  des  Aufstandes  wirkte,  wie  bekannt,  allgemein 
ttberravchend ;  so  gniß  war  die  Verschlagenheit  der  Eingeborenen,  ebenso 
wie  ihre  (irausamkeit,  der  leider  so  viele  Menschenleben  zum  Opfer  ge- 
fallen sind,  darunter  auch  Herr  von  F.,  während  seine  Gattin  mit  ihren 
2  Kindern  knapp  mit  dem  Leben  davonkam. 

Die  Tapferkeit  und  der  Todesmut  unserer  wackeren  Truppen,  die  jetzt 
in  Afrika  ihr  Leben  für  den  Namen  und  den  Besitz  ihrer  deutschen  Land- 
loutc  einHetzt<fn,  so  schloß  die  Vortragende,  seien  über  jedes  Lob  erhaben. 
Leider  würden  ihre  Verdienste  in  der  Heimat  nicht  so  gewürdigt,  wie  es  zu 
wünschen  wäre,  denn  die  Anstrengungen  und  Gefahren,  welche  unsere  Trup- 
pen durchgemacht  hätten,  ließen  sich  hier  gar  nicht  begreifen. 

Mittwoch,  den  14.  November  1906. 

Herr  PfarrerLic.  Dr.  Karl  Schwarzlose-Frankfurt  a.M.: 
Serbien  y  Land  and  Leate«  Nach  eigener  Stadienreise  geschil- 
dert.   (Lichtbilder.) 

Der  Redner  hatte  im  Frühsommer  1906  eine  sechswöchentliche  Studien- 
reise nach  dem  K(^nigreiche  Serbien  unternommen.  Dank  den  vorzüglichen 
Empfehlungen  und  dem  tatkräftigen  Entgegenkommen  der  serbischen  Staats- 
regierung,  die  ihm  in  der  Person  des  Herrn  Dr.  Pctkovitch  einen  landes- 
kundigen Reisebegleiter  zur  Seite  gab,  lernte  er  Land  und  Leute  in  ver- 
hältnismäßig kurzer  Zeit  gut  kennen. 

Das  Königreich  Serbien  liegt  zwischen  dem  42.  und  45.®  n.  B.  und  dem 
11).  und  28.«  ö.  L.  Es  ist  48808  qkm  groß  und  zählt  etwas  über  2700000 
Einwohner.  Vierfünftel  der  Bodenfläche  ist  gebirgig.  Das  Land  wird  durch 
den  Hauptflub,  die  Morawa,  in  zwei  ziemlich  gleiche  Teile  zerlegt,  die  aber 
in  Jeder  Hinsicht  mannigfache  Unterschiede  aufweisen.  Die  ostserbischen 
Oobirge,  die  bis  tu  2 100  m  Höhe  ansteigen  und  hie  und  da  einen  karstartigen 
l'harakter  tragen,  sind  eine  Fortsetzung  der  transsilvanischen  Alpen,  während 
hingegen  die  sich  mehr  allmählich  aufbauenden  westserbischen  Gebirge  als 
Ausläufer  des  südalpinen  Kalkgürtels  angesehen  werden  dürfen.  Ein  Mittel- 
gv'birgc  ist  die  finstere  Schumadija,  das  Waldland  im  Herzen  des  König- 
reichs« zugleich  die  Wiege  der  politischen  Freiheit  Serbiens.  Denn  hier  in 
der  Schumadija  liegen  Topola  und  Takowo,  die  Stammsitze  der  Djrnastien 
KaragiH^rgevitch  und  Obrenovitch. 

Auffallend  ist  der  grolle  Waldreichtum  Serbiens,  der  81*6  der 
Bodenfläche  btnlix'kt.  Es  gibt  Wälder  von  400tR)  ha  Ausdehnung.  Ver- 
bälUiismä&ig  g^'ring  ist  der  Bestand  an  Tannen.  Die  überwiegenden  Bäume 
sind   die  Buche   und   die  Eiche.     Die   stattlichen  Eichcnwaldungen   sind   der 


—    97    — 

Nährboden  für  die  zahlreichen  Schweineherden.  In  den  dichten  Waldungen 
kommen  auch  noch  wilde  Tiere  vor,  Bären,  Wölfe,  Luchse  usw.  Es  könnte 
in  den  serbischen  Wäldern,  wie  ein  Forstmann  berechnet  hat,  für  50  Mill. 
Fr.  Holz  geschlagen  werden.  Bewundernswert  ist  femer  der  Vichreichtum 
und  die  Fruchtbarkeit  des  Landes,  namentlich  in  den  Flußtälen,  z.  B.  der 
Morawa.  Von  Obstsorten  wird  am  meisten  die  Pflaume  gepflegt;  es  gibt 
22  Mill.  Pflaumenbäume  in  Serbien,  die  jährlich  etwa  230  Mill.  kg  Frucht 
abwerfen.  Die  Früchte  gehen  zumeist  gedörrt  oder  zu  Mus  verarbeitet  ins 
Ausland ;  aus  denselben  wird  auch  der  bekannte  Pflaumenschnaps  —  , Sliwo- 
witz" —  gewonnen.  Guter  Wein  wächst  bei  Nisch,  bei  Smederevo  an  der 
Donau,  sowie  hauptsächlich  bei  Negotin  im  Norden  des  Landes.  In  Bukovo 
bei  Negotin  befinden  sich  eine  nach  deutschem  Muster  geführte  Weinbauschnle 
und  Musterkellerci.  Auffallend  ist  auch  der  Reichtum  Serbiens  an  guten 
Mineral  wassern  und  heilkräftigen  Thermen.  Die  Industrie  ist  noch  in  den 
Anfängen,  jedoch  aufstrebend.  Erwähnung  verdient  vor  allem  die  Piroter 
Teppichfabrikation,  welche  der  persischen  würdig  zur  Seite  gestellt 
werden  darf. 

Daß  der  Reichtum  des  Landes  an  Holz,  Kohlen,  Marmor,  Vieh  und 
Ackerprodukten  verhältnismäßig  noch  wenig  ausgenutzt  wird,  liegt  an  dem 
Mangel  an  Eisenbahnen  und  geeigneten  Transportmitteln,  Dieser  Mangel 
erklärt  es  auch,  daß  das  Innere  Serbiens  selbst  von  den  Serben  wenig  besucht 
wird.  Die  Regierung  arbeitet  neuerdings  zielbewußt  daran,  diesem  Mangel 
abzuhelfen.  Es  sind  einige  wichtige  Bahnlinien  schon  im  Bau,  andere  pro- 
jektiert. Am  nötigsten  braucht  Serbien  eine  direkte  Eisenbahn  zum  Adria- 
tischen  Meer,  um  es  von  Oesterreich- Ungarn  in  seiner  Ausfuhr  unabhängig 
zu  machen. 

Das  heutige  Serbien  ist  altes  Kulturland.  Es  war  zuerst  von  den 
Keltischen  Skordiskern  bewohnt,  welche  auch  die  Feste  Singidunum, 
das  heutige  Belgrad  (Belgrad -Weißenburg)  erbauten.  Die  Kelten  wurden 
von  den  Römern  abgelöst,  die  das  Land  ähnlich  wie  ihr  germanisches  Gebiet 
durch  einen  Limes  schützten.  Serbien  ist  reich  an  römischen  Erinnerungen; 
die  vornehmste  ist  die  alte  Trajanstraße  auf  der  serbischen  Donauseite.  Die 
Serben  kamen  im  7.  Jahrhundert  ins  Land  und  nahmen  im  9.  Jahrhundert 
das  Christentum  in  seiner  byzantinischen  Ausprägung  an.  Im  Mittelalter 
vereinigten  sie  sich  zu  einem  starken  Königreiche  unter  der  Herrschaft  der 
Nemanjiden  (1168—1369).  Der  bedeutendste  derselben,  Duschan,  nahm 
sogar  den  Kaisertitel  an.  In  dieser  Zeit  stand  Serbien  auf  einer  hohen 
Kulturstufe.  Dieselbe  wurde  vernichtet  durch  die  Türken,  die  von  1389  an 
das  Land  in  Besitz  nahmen  und  fürchterlich  knechteten  und  aussogen.  Da 
europäische  Hilfe  versagte,  befreiten  sich  die  Serben  selbst  am  Anfange  des 
19  Jahrhunderts  unter  Führung  von  Georg  Petrovitch,  gen.  Karad- 
g  0  r  d  j  e ,  und  nachher  von  M  i  1  o  s  c  h  0  b  r  e  n  o  v  i  t  c  h .  Seit  1817  ist  es 
selbständiges  Fürstentum,  seit  1882  Königreich,  seit  1903  regiert  von  König 
Peter  I.  aus  der  Dynastie  Karadgeorgevitch.  Die  Türken  räumten  die 
Festungen  des  Landes  erst  1867.  Seitdem  hat  die  westeuropäische  Zivilisation 
erst  richtig  in  Serbien  Einzug  halten  können.  Auch  Belgrad  ist  erst  seit  1867  im 
vollen  Sinne  eine  europäische  Stadt.  Es  zählt  gegenwärtig  85000  Einwohner  und 

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hebt  Bich  zusehends.  Die  Stadt  hat  schöne  Bauten,  gute  Hotels,  elektrisches 
Licht,  elektrische  Straßenbahn  usw.  Der  Redner  zeigte  in  Lichtbildern  die 
bedeutendsten  Sehenswürdigkeiten  und  historischen  Monumente  der  Stadt  und 
erläuterte  am  Innern  der  Kathedrale  den  orientalisch -christlichen  Gottesdienst. 

Um  im  Inneni  des  Landes  zu  reisen,  muß  man  etwas  der  serbischen 
Sprache  mächtig  sein.  Sie  ist  eine  wohlklingende,  fein  durchgearbeitete 
Sprache,  das  „slawische  Italienisch'.  Außer  serbisch  kommt  man  am  weitesten 
mit  deutsch.  Deutsche  Wissenschaft  und  Kunst,  deutscher 
Handel  und  deutsche  Industrie  sind  sehr  geachtet.  Man  reist 
im  Innern  des  Landes  am  besten  zu  Wagen  oder  zu  Pferde.  Die  Straßen 
sind  gut;  auch  die  Sicherheit  im  Lande  läßt  nichts  zu  wünschen  übrig  Nur 
an  die  Kost  muß  man  sich  erst  gewöhnen.  Es  gibt  überall  annehmbare 
Gasthäuser,  und  die  Leute  sind  zuvorkommend  und  höflich.  Die  Lebensweise 
ist  einfach.  Es  gibt  viele  alte,  sinnige  und  eigenartige  Sitten,  z.  B.  die 
Wahlbruderschaft  und  die  Slavafeier.    Besonders  innig  ist  die  Geschwisterliebe. 

Serbien  hat  bei  ruhiger  Entwickelung  und  einheitlicher  Regierung 
entschieden  eine  Zukunft.  Die  Vorurteile,  die  man  häufig  über  das  Land 
hört,  sind  unbegründet,  wovon  der  Reisende  sich  nach  kurzem  Aufenthalte 
überzeugen  kann.  Auch  um  seiner  vielen  und  noch  wenig  bekannten  land- 
schaftlichen Reize  willen  verdient  Serbien  mehr  besucht  zu  werden,  was 
Redner  durch  zahlreiche  Lichtbilder  nachwies.  Namentlich  verdienen  die 
romantisch  gelegenen  und  ehrwürdigen  Klöster  des  Landes  allgemeine  Be- 
wunderung, das  Krönungskloster  Schitscha  im  Morawatal,  Kloster  Stude- 
nitza,  das  stolzeste  Heiligtum  der  Serben,  nicht  weit  von  der  türkischen 
Grenze,  sowie  Ravanitza  und  das  festungsartige  M a n a s s i a  in  Ostserbien. 

Den  Schluß  bildet  die  Schilderung  einer  Donaufahrt  vom  Eisernen  Tor 
bis  Belgrad,  die  einer  Rheinfahrt  in  nichts  nachsteht.^) 

Mittwoch,  den  28.  November  1906. 

Herr  Dr.  Robert  Hartmeyer-Berlin:  Bericht  über 
meine  Beise  in  Westanstralien.    (Lichtbilder.) 

Westaustralien  war  bis  vor  kurzem  ein  von  der  zoologischen  Wissen- 
schaft stark  vernachlässigtes  Gebiet.  Die  Bescheidenheit  und  verhältnismäßige 
Armut  seiner  Fauna  im  Vergleich  mit  dem  Reichtum  und  der  Üppigkeit  einer 
tropischen  Tierwelt  vermochten  keinen  Forscher  anzulocken,  trotzdem  die 
Feststellung  der  Art  und  Weise,  wie  hier  eine  reiche  tropische  Fauna  nach 
Süden  hin  allmählich  verarmt,  die  Aussicht  auf  die  Erweiterung  unserer 
Kenntnisse  in  allen  Ti«Tjrruppen  sowohl  der  Küsten  wie  der  Landfauna,  die 
außerordentlich  lücki>nhaft  genannt  werden  müssen,  endlich  die  durch  die 
Strömnngsverhältnisse  an  der  südwrstaustralischen  Küste  bedingten  Wechsel- 
beziehungen  zwischen    der   tropisch -indischen  Warmwasserfauna    und   einer 

*)  (Vgl-  ^^^'S  Redners  inzwischen  erschienene  Schrift:  .l'ber  Berührungen 
zwischen  Deutschland  und  Serbien  in  Vergangenheit  und  (legenwart.  In  den 
Jahrbüchern  der  Königlichen  Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften  zu 
Erfurt.    Neue  Folge,  Heft  XXXll    Erfurt  ÜKM)). 


—    99    — 

mibantarktischen  Kaltwasserfauna  im  Verein  mit  erdgeschichtlichen  Fragen 
und  dem  Bipolaritätsproplem  Pfeffers  eine  solche  Fülle  interessanter  Fragen 
von  vornherein  in  sich  schließt,  daß  eine  Durchforschung  dieses  Gebietes  ohne 
weiteres  lohnend  und  aussichtsvoll  erscheinen  mußte.  In  dieser  Voraussetzung 
unternahmen  Prof.  Michaelsen  aus  Hamburg  und  der  Redner  im  Jahre  1905 
ihre  zoologische  Forschungsreise  in  dieses  Gebiet.  Das  Arbeitsgebiet  umfaßte 
den  ganzen  Südwesten  Westaustraliens,  von  Albany  im  Süden  bis  zur  Sharks 
Bay  im  Norden,  die  bereits  klimatisch  wie  faunistisch  dem  subtropischen 
Gebiet  angehört,  in  nordöstlicher  Richtung  bis  zum  Lake  Austin,  nach  Osten 
bis  auf  die  Goldfelder  von  Kalgoorlie  und  Coolgardie.  Über  dieses  weite 
Gebiet  wurde  ein  Netz  möglichst  gleichmäßig  verteilter  und  zahlreicher 
Sammelstationen  angelegt.  Hand  in  Hand  mit  dem  Sammeln  der  Landfauna 
gingen  marine  Küstenarbeiten,  die  sich  auf  fünf  Hauptstationen,  Albany, 
Bunbury,  Fremantle,  Geraldton  und  Sharksbay  erstreckten,  welche,  in  möglichst 
gleichen  Abständen  auf  den  Küstenstrich  verteilt,  ein  Bild  von  der  verschieden- 
artigen Verteilung  und  den  Wechselbeziehungen  der  Meeresfauna  entlang 
dieses  Küstenstriches  liefern  sollten. 

Die  allgemeine  Konfiguration  von  Westaustralien  ist  sehr  einfach. 
Der  größte  Teil  des  Innern  wird  von  einem  250—600  m  hohen  Plateau  mit 
leicht  welliger  Oberfläche  eingenommen,  über  die  das  Urgestein  in  Gestalt 
von  kuppeiförmigen  Erhebungen  inselartig  emporragt.  Der  Steilrand  des 
Hochplateaus  trägt  eine  Anzahl  Ketten,  die  unter  dem  Namen  Darling  Ranges 
zusammengefaßt  werden.  Dem  Plateau  vorgelagert  ist  ein  Streifen  Küsten- 
land mit  marschigem  Charakter,  der  teilweise  dem  Ackerbau  und  der  Viehzucht 
erschlossen  ist.  Flüsse  gibt  es  längs  der  Küste  eine  ganze  Anzahl,  die  meisten 
sind  aber  sehr  wasserarm  oder  ganz  ausgetrocknet.  Die  Darling  Ranges 
tragen  vornehmlich  im  feuchteren  Südwesten  einen  reichen  Waldbestand. 
Die  Charakterbäume  des  westaustralischen  Waldes  sind  die  Eukalypten,  deren 
Holz  von  hoher  wirtschaftlicher  Bedeutung  ist  und  die  eigenartigen  Gras- 
bäume. Weiter  ins  Innere  geht  der  Urwald  in  den  typischen  parkartigen 
australischen  Busch  über,  der  dann  wieder  durch  den  sogenannten  Scrub,  eine 
trostlose  Steppen  Vegetation,  abgelöst  wird.  Diesem  Gebiete  gehören  auch  die 
eigentümlichen  Salzseen  an,  die  den  größten  Teil  des  Jahres  trocken  liegen 
und  nur  nach  anhaltendem  Regen  sich  für  einige  Zeit  mit  Wasser  füllen. 
Unter  der  Landfauna  überwiegen  vor  allem  die  Trockenlandtiere.  Reptilien, 
besonders  Geckonen  und  Eidechsen  sind  zahlreich,  ebenso  Spinnen  und  manche 
Insektengruppen,  auffallend  ist  der  Mangel  an  Landschnecken.  Die  Süß- 
wasserfauna ist  arm  wie  ]>ei  dem  fast  gänzlichen  Mangel  an  perennierenden 
Süßwasserseen  nicht  anders  zu  erwarten  ist.  Auch  Süßwasserfische  sind  sehr 
spärlich.  Das  Meer  lieferte  den  größten  Reichtum  im  Gebiete  der  Sharks 
Bay,  deren  Fauna  einen  durchaus  tropischen  ('harakter  aufweist.  Die  Sharks 
Bay  ist  auch  der  Mittelpunkt  der  an  der  nordwestaustralischen  Küste  be- 
triebenen Perlfischerei,  die  sich  hier  aber  nur  auf  eine  kleine,  dünnschalige 
Art  (Meleagrina  iiiibricataj  erstreckt,  während  die  große,  viel  wertvollere 
Perlmuschel  (Meleagrina  margaritifera)  erst  weiter  im  Norden  im  eigentlichen 
tropischen  Gebiet  auftritt.  Der  Nordwesten  ist  auch  derjenige  Teil  des 
Landes,  in  dem  die  meisten  Eingeborenen   sich  noch  finden.    Ihre  Zahl,  die 

7* 


^    100    — 

heute  auf  70000  geschätzt  wird,  geht  von  Jahr  zn  Jahr  zurück,  trotz  aller 
Maßregeln,  die  zu  ihrer  Erhaltung  und  Kultivierung  ergriffen  werden. 

Interessante  Ergebnisse  hatten  die  Küsten  arbeiten  hinsichtlich  der 
Verbreitung  der  riffbildenden  Korallen.  Noch  bei  Bunbury  wurden  typische 
riffbildende  Formen  gefunden,  die  sich  hier  zwar  nicht  mehr  zu  ausgedehnten 
Riffen  zusammenschließen.  Die  bekannte  südliche  Verbreitungsgrenze  ver- 
schiebt sich  durch  diesen  Fund  um  mehr  als  5  Breitengrade  nach  Süden. 
Sehr  ergiebig  waren  auch  die  Fänge  bei  Bunbury  und  vor  allem  bei  Albany 
und  besonders  interessant  die  Tatsache,  daß  die  dortige  Meeresfauna  schon 
stark  mit  antarktischen  Elementen  durchsetzt  erschien,  eine  Folge  der  kalten 
Strömung,  welche  diesen  Teil  der  Küste  bestreicht.  Der  Nordwesten  des 
Landes  ist  auch  der  Sitz  der  großen  Schaffarmen,  von  denen  einzelne  über 
einen  Bestand  von  30 — 40000  Schafen  verfügen.  Im  wirtschaftlichen  Leben 
des  Landes  spielen  die  Schaffarmen  eine  bedeutende  Rolle,  von  viel  höherer 
Bedeutung  ist  aber  die  Montanindustrie  und  vor  allem  der  Goldber^bau,  der 
in  den  letzten  Dezennien  einen  fast  beispiellosen  Aufschwung  genommen  hat. 
Seit  etwa  zehn  Jahren  hat  Westaustralien  unter  den  australischen  Staaten 
in  der  Goldproduktion  die  führende  Rolle  übernommen  und  nimmt  auch 
bereits  die  Konkurrenz  mit  den  Transvaalminen  auf.  Das  Zentrum  des  west- 
australischen Goldbergbaues  ist  heute  Kalgoorlie,  kaum  fünfzehn  Jahre  alt. 
eine  ganz  moderne  Stadt  inmitten  der  Wüste,  die  500  km  weit  von  der  Küste 
entfernt  mit  dieser  durch  eine  Eisenbahn  und  eine  großartige  Wasseranlage 
verbunden  ist.  Zweifellos  hat  das  Land  den  großen  Aufschwung,  den  es  in 
jüngster  Zeit  genommen,  in  erster  Linie  dem  Goldbergbau  zu  verdanken,  aber 
gleichzeitig  entwickeln  sich  Industrie  und  Landwirtschaft  immer  weiter,  so  daß 
selbst  bei  einem  eventuellen  Sinken  der  Goldproduktion  das  Land  wirtschaft- 
lich soweit  erstarkt  sein  dürfte,  um  sich  dauernd  auf  einer  gewissen  Höhe 
zu  halten. 

Mittwoch,  den  5.  Dezember  1906. 

Herr  Kunstmaler  Alphons  Leopold  M  i  e  1  i  c  h  -  W  i  e  n :  Vom 
Ostjordanland  durch  das  alte  Moab  in  anbekaimte  Gebiete 
der  nordarabischen  Wfiste.    (Lichtbilder.) 

Es  ist  zweifei h)s,  daß  Arabien,  nahezu  fünfmal  so  groß  als  das  Deut- 
sche Reich,  vor  allem  sein  Inneres  heute  noch  zu  den  unbekanntesten  Ge- 
genden der  Erde  zählt.  Schon  in  alter  Zeit  berichten  Geschichtsschreiber 
und  Reisende,  wie  schwer  diese  wüsten  Landstriche  zugänglich  seien,  daß 
es  für  Eroberer  ganz  unmöglich  sei,  dorthin  einzudringen,  daß  ihre  Bewohner, 
die  räuberischen  Wüstensöhne,  für  die  umliegenden  Ansiedlungen  stets  eine 
Gefahr  bedeuteten,  die  die  Ortschaften  überfielen  und  plünderten,  ohne  daß 
an  ihnen  Vergeltung  geübt  werden  könnte.  Seit  uralten  Zeiten  ist  aber 
dieses  Wüstengebiet  von  einer  hohen  Kultur  umgeben  gewesen :  so  im  Nord- 
westen von  Phönizien  und  Palästina,  im  Osten  \on  den  fnichtbaren  Niede- 
rungen des  Euphrat  und  Tigris.  Balx'l  und  Assur  mit  dem  persischen  Hinter- 
lande, im  Süden  von  einem  mächtigen  Reich  südarabischer  Herrscher,  von 
dem  wenig  bekannt  ist,  im  Westen  schließlich  durch  das  Rote  Meer  getrennt 


—    101    — 

von  Ägypten.  Alle  diese  Kultorstaaten  mußten  bestrebt  sein,  mit  den  Wüsten- 
bewohnem  auf  gutem  Fuüe  zu  stehen,  wenn  den  Grenzgebieten  jene  Ruhe 
gesichert,  bleiben  sollte,  die  für  eine  gedeihliche  staatliche  Entwicklung  so 
notwendig  ist. 

Ein  Teil  dieser  Wüsten  gebiete,  das  Ostjordanland,  angrenzend  an  das  alte 
Moab.  war  das  Ziel  einer  von  der  Kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften 
zu  Wien  unterstützten  Forschungsreise,  die  im  Jahre  liK)l  unter  Führung 
von  Dr.  Alois  Musil.  der  bereits  zweimal  diese  Gegenden  bereist  hatte,  dort- 
hin abging  und  den  besonderen  Auftrag  hatte,  die  Wüstenschlösser  östlich  von 
Moab  speziell  Ku  sejr  *Amra  gründlich  zu  untersuchen  und  die  reichen  Bilder- 
schätze von  ^Amra,  über  die  Dr.  Musil  begeistert  an  die  Akademie  berichtet 
hatte,  zu  studieren  und  aufzunehmen.  Zu  diesem  Zwecke  war  der  Vortragende 
als  Mitglied  der  Expedition  gewonnen  worden.  Über  seine  Erlebnisse  soll 
im  folgenden  die  Rede  sein. 

Zieht  man  von  Jerusalem  aus  gegen  Osten,  so  erreicht  man  auf  der 
mehr  oder  weniger  steil  abwärts  führenden  Straße  nach  ungefähr  6—7  Weg- 
stunden Jericho,  quert  die  fast  4(K)  m  unter  dem  Spiegel  des  Mittelmeeres 
liegende  Jordanebene,  überschreitet  den  Fluß  und  gelangt  zu  MesrÄ  *Akwa 
(die  Starke),  einem  jener  wenigen  Bachläufe  aus  dem  Ostgebirge,  die  während 
des  ganzen  Jahres  Wasser  führen;  von  hier  geht  es  dann  zwischen  Felsgeröll 
in  scharf  steigenden  Seri)entinen  das  (lebirge  aufwärts  und  nach  vierstündigem 
anstrengenden  Ritte,  an  zwei  von  den  Arabern  heilig  gehaltenen  Bäumen 
vorbei,  erreicht  man  bei  dem  alten  Bet  Baal  Peor  die  Höhe. 

Der  Anblick  rückwärts,  nach  Westen,  ist  wundervoll.  Hier  war  es, 
wo  Moses  und  sein  Volk  vom  Baalspriester  sollten  verflucht  werden,  damit 
sie  im  Kampfe  gegen  die  Amoniter  unterlägen,  aber  sie  mußten  gesegnet 
werden,  sie  siegten  und  konnten  weiterziehen,  dem  gelobten  Lande  zu. 

Von  der  Höhe  führen  Spuren  einer  alten  Römerstraße  zwischen  Feldern 
und  angebautem  Lande  südostwärts  nach  Mädaba.  Dieser  Ort,  seit  den 
ältesten  Zeiten  so  genannt,  hat  in  der  alten  (Jeschichte  jener  Gegenden  eine 
bedeutende  Rolle  gespielt.  Heute  ist  er  ein  Ruinenfeld,  in  welchem  sich  vor 
etlichen  Jahren  lateinische  Christen  angesiedelt  haben,  die  eine  blühende 
Mission  bilden.  Ihnen  folgten  dann  grichisch- katholische  und  schließlich  die 
türkische  Regierung  mit  einigen  Grenzsoldaten  und  einem  Mudir,  der  mit 
ziemlichem  (Jeschick  die  Verwaltung  führt. 

Das  Ruinenfeld  von  Mädaba  ist  sicherlich  eines  der  interessantesten 
und  es  würde  sich  daraus  bei  systematischer  Durchforschung  noch  manches 
Wertvolle  zutage  fördern  lassen,  wie  neben  anderem  der  Fund  eines  präch- 
tigen Mosaikbildes  beweist,  welcher  gelegentlich  der  Erbauung  der  griechischen 
Kirche  gemacht  worden  ist.  (Die  farbige  Reproduktion  dieses  Mosaikes,  das 
die  Karte  von  Palästina  darstellt,  befindet  sich  auch  in  der  Frankfurter 
Stadtbibliothek.) 

In  der  lateinischen  Mission,  welche  an  Stelle  der  alten  Akropolis  auf 
dem  Stadthügel  erbaut  ist,  mußten  die  beiden  Reisenden  Dr.  Musil  und  der 
Vortragende  auf  die  Beduinen  vom  Stamme  der  Beni  Sahr  warten,  welche 
seinerzeit  mit  Dr.  Musil  schon  einmal  im  Osten  waren,  also  den  Weg  nach 
Kusejr  ^Amra,  das  Ziel  der  Expedition,  kannten. 


—    102    — 

Trotzdem  rechtzeitig  Boten  ausgesandt  waren,  dem  Beduinen  -  Stamme 
Nachricht  zu  vermitteln,  daß  Dr.  Musil  seinen  Freund  H&jel,  den  Bruder  des 
Fürsten  der  Beni  Sahr,  in  Mädaba  erwarte,  vergingen  mehr  als  14  Tage, 
ehe  dieser  mit  seinen  Begleitern  eintraf.  Er  war  weit  im  Südosten  bei 
kleinen  Stämmen  gewesen,  um  Tribut  einzuholen. 

Endlich  erschien  er  eines  Abends  unerwartet  in  Mädaba  und  sofort 
wurden  alle  Anstalten  getroffen,  die  Weiterreise  antreten  zu  können.  Nachts 
wurde  aufgebrochen,  um  ohne  Wissen  der  Behörde,  von  der  man  Schwierig- 
keiten befürchtete,  außerhalb  des  Ortes  mit  den  Beduinen  zusammenzu- 
treffen, was  in  einem  kleinen  Tal,  etwa  4  Stunden  südöstlich  geschah.  Die 
Reisenden  vertauschten  ihre  europäische  Kleidung  mit  der  der  Beduinen  und 
zogen  als  solche  mit  ihren  Begleitern  ostwärts.  An  Ziza,  einer  Station  an 
der  Pilgerstraße  Damaskus -Mekka,  vorüber  ging  es  zuerst  nach  M'schatta. 
einer  interessanten,  umfangreichen  Bauanlage,  von  deren  reich  8kulpturiert<?n 
Fassade  der  größte  Teil  heute  im  Kaiser  Friedrich  -  Museum  zu  Berlin  auf- 
gestellt ist.') 

Nach  kurzer  Rast  wurden  den  Beduinen  die  mitgebrachten  Repetier- 
Karabiner  erklärt  und  übergeben,  dann  ging  es  durch  das  Wadi  al-Mutabba 
weiter.  Mit  Sonnenuntergang  hielt  die  Expedition  wieder  kurze  Weile, 
Bedninenbrot  wurde  bereitet  und  verzehrt.  Da  der  Eingeborene  an  dem  Platze, 
wo  er  Feuer  brannte,  grundsätzlich  kein  Nachtlager  hält,  und  weil  die 
Reisenden  am  nächsten  Tage  noch  *Amra  erreichen  wollten,  wurde  mit  ein- 
getretener Dunkelheit  wieder  aufgebrochen,  bis  nach  Mitternacht  gewandert 
und  dann  an  einem  günstigen  Punkte  das  Nachtlager  bezogen.  Weder  ein 
Zelt  noch  sonst  irgendwelche  Bequemlichkeit  gab  es.  Vor  4  Uhr  morgens  — 
es  war  noch  finstere  Nacht,  wurden  die  Kamele  wieder  bestiegen.  Die  Nacht 
war  kalt,  doch  mit  der  aufgehenden  Sonne  und  ihrem  herrlichen  Licht  wurde 
es  wärmer,  und  bald  entwickelt«  sich  eine  unerträgliche  Hitze  in  der  schatten- 
losen Wüste.  Au  der  steilen  Uferböschung  eines  trockenen  Bachlaufes  wurde 
gegen  9  Uhr  vormittags  Wüstenmahlzeit  gehalten,  während  die  Kamele  sich 
etwas  kümmerliches  Futter  zusammensuchten,  dann  über  ein  Hochplateau 
wieder  ostwärts  weiter  gewandert  bis  gegen  8  Uhr  nachmittags.  N'or  einem 
steilen  Abhänge  zeigte  sich  in  weiter  Ferne  am  Rande  einer  großen  schwarzen 
Ebene  ein  prächtiges  Bild  —  Wald  und  Bach  —  und  ein  kleines  rotgelbes 
Pünktchen  —  Kusejr  'Amra  inmitten  einer  Fata  Morgana.  Es  ging  den 
Abhang  hinunter,  dann  über  die  Ebene  zu  einem  ausgetrockneten,  tief  ein- 
geschnittenen Bachlauf,  an  dessen  Ufern  einzelne  Terebinten- Bäume  standen 
and  dahinter  auf  einer  Ebene  von  der  Nachmittagssonne  wie  in  Gold  getaucht 
das  Schlößchen  —  das  ersehnte  Ziel. 

Da  krachen  Schüsse,  feindliche  Beduinen  haben  die  Reisenden  über- 
fallen, rauben  Kamele  und  Gepäck  und  entfliehen.  Und  nochmals  greifen 
die  Feinde  an.  Diesmal  aber  erwartet  und  klug  empfangen.  Durch  eine 
Kriegslist  gelingt  es  Häjel,  dem  Führer,  sie  ohne  Blutvergießen  zur  Ergebung 
zu  zwingen.     Die  geraubten  Sachen  und  die  Kamele  werden  zurückgegeben, 


*)  Vgl.  den  Vortrag  von  Julius  E  u  t  i  n  g  über  die  Schloßruinen  von 
Meschatta  vom  23.  November  1904  (Jahresbericht  68/69:  1903/190Ö  S.  162  ff.). 


—    103    — 

die  beiden  Korscher  können  im  Schlößchen  bleiben  und  dessen  Aufnahme 
durchführen. 

'Amra  ist  eine  alte  Anlage,  wahrecheinlich  aus  dem  sechsten  oder 
siebten  Jahrhundert  und  besteht  aus  einem  großen,  hohen,  quadratischen 
Saal,  der  von  Norden  her  durch  ein  Tor  betreten  wird.  Dem  Eingang 
gegenüber  befindet  sich  eine  nischenartige  Erweiterung,  an  deren  Seiten 
sich  je  ein  kleiner  dunkler  Raum  anschließt.  Durch  die  Ostwand  des  Saales 
führt  eine  Türe  in  ein  zweites  kleines  Gemach,  an  das  nordwärts  ein  drittes 
von  gleicher  Größe  grenzt.  Dann  folgt  ein  weiterer  Raum,  der  mit  einer 
Kuppel  überdeckt,  wahrscheinlich  als  Bad  gedient  hat.  An  diesen  Raum 
stößt  ohne  Türverbindung  ein  kleiner  gedeckter  Gang,  der  in  einen  von  außen 
zugänglichen  Hof  führt.  Vor  dem  Schlosse  findet  sich  ein  heute  zum  Teil 
verschütteter  Schachtbrunnen  und  eine  Schöpfwerkanlage  und  daranstoßend  ein 
großer  gemauerter  Wasserbehälter.  Das  Interessanteste  bei  der  ganzen  An- 
lage sind  sicherlich  die  großartigen  Malereien,  welche  alle  Wände  im  Inneren 
des  Schlosses  bedecken  und  welche  die  vei-schiedensten  Szenen  darstellen. 

Nach  einem  vierzehntägigen  Aufenthalt,  während  dem  unter  den  schwie- 
rigsten Umständen  die  Aufnahmen  der  ganzen  Anlage  vorgenommen  wurden, 
mußten  die  Reisenden  Ku§ejr  ^\mra  verlassen,  da  die  begleitenden  Beduinen 
unter  keinen  Kmständen  mehr  länger  an  Ort  und  Stelle  bleiben  wollten. 
Aber  erst  nach  Wochen  und  auf  Umwegen  gelang  es  ihnen  M<^daba  wieder 
zu  erreichen,  von  wo  aus  die  Rückreise  nach  Jerusalem  angetreten  wurde. 

Inzwischen  erschienen  die  von  der  Kaiserlichen  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  Wien  herausgegebenen  Werke  Kusejr  'Amra  1.  Textband.  2.  Tafel- 
band. VV^ien.  Verlag  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei  1907  und  Alois 
Musil:  Arabia  Petraea.     1.  Moab.  Wien,  Alfred  Holder,  1907. 

Mittwoch,  den  12.  Dezember  1906. 

Festsitzang  zur  Feier  des  siebzigjährigen  Bestehens 
des  Tereins. 

(Die  Begrüßungsansprache  des  stellvertretenden  Vorsitzenden  Herrn 
Hofrates  Dr.  Hagen,  sowie  die  Festrede  des  Herrn  Professors  Dr.  Siegmund 
Günther  aus  München  über  „Die  Erdkunde  in  den  letzten  zehn  Jahren", 
die  Verkündigung  der  von  dem  Verein  vollzogenen  Ehrungen  durch  den 
Generalsekretär  des  Vereins  Herrn  Bibliothekar  Dr.  Traut  und  schließlich 
die  Dankesworte  des  Herrn  Geh.  Regierungsrates  Professors  Dr.  Theobald 
Fischer  aus  Marburg  sind  bereits  im  vorigen  Jahresbericht  zum  Abdruck 
gelangt). 

Mittwoch,  den  19.  Dezember  1906. 

Herr  Dipl.-Ing.  H.  Kalbfus-Altona:   Der  Simplontunnel. 

(Lichtbilder.) 

Der  Redner  begann  in  seiner  Einleitung  mit  einem  geschichtlichen 
Abriß  der  Frage  dieses  Tunnels,  die  bis  in  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts 
zurückreicht,    ging   sodann    über    zu   einer   Beschreibung   der   Eigenart    des 


—    104    — 

Scheitt'l-  und  ßasistunnels  und  besprach  im  Zusammenhang  damit  die  Be- 
ziehungen zwischen  den  Bau-  und  Unterhaltungskosten  einerseits  und  der 
gewählten  Lage  des  Tunnels  andrerseits,  Beziehungen,  die  vor  allem  für  den 
Verkehrspolitiker  von  großer  Bedeutung  sind.  Das  der  Ausführung  zugrunde 
gelegte  Projekt  stammte  von  der  1898  gegründeten  ,. Baugesellschaft  für  den 
Simplontunnel.  Brandt,  Brandau  u.  Co."  in  Winterthur  und  sah  an  Stelle 
eines  zweigleisigen  Tunnels  deren  zwei  eingleisige  (mit  Querverbindungen) 
vor,  eine  Anordnung,  die  sich  für  die  Bauausführung  von  bedeutenden  Vor- 
teilen erv^iesen  hat.  Sehr  interessant  waren  die  bei  den  schwierigen  Ver- 
messungsarbeiten —  das  Triangulationsnetz  umfaßte  11  bezw.  18  Punkte  von 
zum  Teil  sehr  großer  Höhe  —  beobachteten  Lotstörungen,  die  Veranlassung 
boten,  den  Einfluß  der  umgebenden  Gcbirgsmassen  im  Umkreise  von  8()  km 
zu  berechnen.  Bei  den  Ausgleichsrechnungen  hatte  man  ein  Systt^m  von  ö6 
Fehler-  und  18  Normalgleichungen.  Trotz  aller  Schwierigkeiten,  von  denen 
hier  nur  die  bei  den  Absteckungen  im  Tunnelinnern  beobachtet<'n  Luftspie- 
gelungen genannt  seien,  und  trotz  der  großen  Tunnellänge  von  rund  20  km 
blieben  die  Fehler  beim  Durchschlag  geringe :  die  Höhendifferenz  betrug  8,7, 
die  seitliche  Abweichung  20.2  cm,  und  die  berechnete  Länge  envies  sich 
gegenüber  der  tatsächlichen  als  um  7f)  cm  zu  groß. 

Bei  der  folgenden  Darstellung  des  eigentlichen  Tunnelbaues  wurden 
neben  dem  Arbeitsvorgang  die  Hilfsmittel  eingehend  erläutert,  welche  zur 
Erzielung  einer  guten  Lüftung,  sowie  zur  Abkühlung  der  bis  auf  öO®  ge- 
stiegenen Gesteinstemperatur  nötig  waren.  Bei  der  Lüftung  zeigte  sich  das 
Zweituunelsystem  von  außerordentlichem  Wert,  denn  man  konnte  dabei  den 
einen,  zunächst  nicht  in  voller  Größe  ausgebrochenen  Tunnel  zur  Luftzulei- 
tung benützen.  Soweit  die  schon  zur  Lüftung  nötige  frische  Luft  zur  Küh- 
lung nicht  ausreichte,  mußte  kaltes  Wasser  und  schließlich  künstliches  Eis 
zur  Hilfe  genommen  werden.  Einen  weiteren  Feind  der  Ingenieure  bildeten 
noch  die  gewaltigen  kalten  und  heißen  Quellen,  welche  t^'ils  in  starken  Strahlen, 
teils  brausenartig  spritzend  austraten,  und  deren  Zahl  nicht  weniger  als  287 
betrug,  also  eine  auf  je  88  m.  Ganz  eigenartige  Verhältnisse  herrschten 
ferner  in  einer  44  m  langen  Strecke,  wo  das  Gestein  weich  und  druckhaft 
einer  breiigen  Masse  glich,  so  daß  selbst  eiserne  Rahmen  aus  40  cm  hohen 
Doppel-T-Profilen  verbogen  wurden ;  der  tägliche  Fortschritt  konnte  dort  nur 
etwa  20  cm  betragen,  und  die  Kosten  der  kurzen  Strecke  erreichten  eine 
Million,  mit  anderen  Worten,  der  einzelne  Meter  beanspruchte  beinahe  280Ü0 
fr.  Sehr  interessant  gestalteten  sich  weiter  die  Arbeiten  beim  Durchschlag 
selbst,  denn  von  Norden  her  war  jede  Arbeit  unmöglich,  nachdem  infolge 
großer  Wassereinbrüche  das  letzte  Tunnelstück  unter  Wasser  (von  46**)  stand ; 
von  der  Südseite  mußte  also  mit  dem  Durchschlag  zugleich  auch  die  Öffnung 
dieses  Wasserreser\'oirs  erfolgen,  und  es  galt  natürlich,  den  hieraus  drohenden 
Gefahren  vorzubeugen.  Am  24.  Februar  1905  erfolgte,  von  der  ganzen  W^elt 
mit  Spannung  erwartet,  der  Durchschlag  ohne  jeden  Unfall. 

Des  weiteren  schilderte  der  Vortragende  noch  die  wichtigen  Anlagen 
an  den  Tunnelportalen  und  die  sehr  beachtenswerten  Leitungen  für  das 
Druckwasser,  besprach  den  anfangs  geplanten  und  den  tatsächlichen  Ver- 
kehr der  Arbeitszüge  sowie  ihre  Dampf-  und  Druckluftlokomotiven  und  gab 


—    105    — 

nach  einer  kurzen  Unfallstatistik  einen  Oberblick  über  die  beim  Simplon 
gesammelten  geologischen  Erfahrungen.  Von  letzteren  war  die  über  die 
Veränderung  des  physikalischen  Zustandes  der  Gesteine  unter  hoher  Über- 
lagerung besonders  beachtenswert:  bei  der  Auffahrung  erschien  das  Gestein 
sehr  komprimiert,  zäh  und  hart,  bald  jedoch  wurde  es  blätterig  und  rissig. 
Mit  einer  Skizzierung  des  voraussichtlichen  Einflusses  des  neuen  Tunnels  auf 
den  internationalen  Verkehr  schlössen  die  durch  zahlreiche  Lichtbilder  syste- 
matisch unterstützten  Ausführungen,  die  ein  klares  und  umfassendes  Bild  yon 
der  Entstehung  und  Bedeutung  des  Simplontunnels  boten. 

Mittwoch,  den  9.  Januar  1907. 

Herr  Prosper  Mttllendorff-Köln  a.  Rh.:  Franxösiseh- 
Goinea.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende,  welcher  die  Kolonie  vor  einigen  Jahren  besucht  hatte, 
fand  sie  dank  der  praktischen  Verwaltung  durch  den  verstorbenen  Gouverneur 
Dr.  med.  Ballay  in  blühendem  Zustande,  er  verhehlte  aber  nicht,  daß  im 
Gegensatz  zu  den  Zuständen  in  den  deutschen  Kolonien  die  Privat  Unterneh- 
mung mit  den  vorzüglichen  staatlichen  Leistungen  nicht  genügend  Schritt 
hält.  Das  Gebiet  bedarf  seit  längerer  Zeit  keines  Zuschusses  von  Seiten  des 
Mutterlandes  mehr,  das  ihm  die  Ausgaben  für  die  Eroberung  in  der  üblichen 
Weise  abgenommen  hat.  Bekanntlich  trägt  Frankreich  die  eigentlichen 
militärischen  Ausgaben  für  seine  Kolonien,  die  aus  eigenen  Mitteln  eine 
Polizeitruppe  unterhalten  müssen.  An  der  (iuinde  selbst  stehen  keine  Trup- 
pen von  der  gemeinsamen  Kolonialarmee;  seitdem  das  Gebiet  unter  Dr.  Ballay 
befriedet  worden  ist,  hat  es  kein  Militär  mehr. 

Die  Guin^e.  politisch  ein  Teil  von  Französisch -Westafrika,  steigt  in 
Terrassen  nach  dem  Inneren  zu  auf.  wo  es  in  der  (lebirgsformation  des  Futa 
Djallon  mit  1 8(K)  m  über  Meeresspiegel  in  dem  Quellgebiet  des  Nigerstromes  seine 
höchste  Höhe  erreicht.  Dieses  Hochland  bietet  die  günstigsten  Umstände  für 
die  Viehzucht,  der  sich  sowohl  die  hochstehende  eingewanderte  Rasse  der 
Fullah  (Fulbe)  als  auch  die  Eingeborenen  widmen.  Von  der  Guin6e  aus  wird 
bei  weiteren  Fortschritten  der  Verkehrsmittel  im  Innern  ein  großer  Teil  der 
westafrikanischen  Küste  mit  Vieh  versorgt  werden.  Der  wichtigste  Handels- 
gegenstand ist  der  Kautschuk,  für  dessen  rationelle  Gewinnung  und  Auf- 
bereitung die  Verwaltung  genaue  Verordnungen  erlassen  hat.  Versuche  mit 
Baumwollkultur  sind  eingeleitet;  die  Baumwollstaude  ist,  wie  übrigens  in 
ganz  Westafrika,  so  auch  in  Guinea  heimisch.  Die  Größe  der  Kolonie  ent- 
spricht etwa  der  Hälfte  derjenigen  des  Deutschen  Reiches;  die  Einwohner- 
zahl wird  auf  anderthalb  Millionen  geschätzt.  Die  Haupteinnahmequelle  ist 
eine  Kopfsteuer  von  2  fr.  für  jeden  Eingeborenen  und  erscheint  im  Budget 
mit  einem  Betrag  von  über  4  Mill.  fr. 

Konakry,  die  Hauptstadt  der  Küste,  gehört  dank  der  vorzüglichen 
Kolonialpolitik  Ballays  und  seiner  Nachfolger,  mit  Duala  in  Kamerun,  Lome 
in  Togo  und  Lagos  in  Südnigerien  zu  den  schönsten  Städten  der  Westküste. 
Ihre  Entstehung  wird  erst  von  1890  an  gerechnet.  Die  Einwohnerzahl  be- 
trägt 8500  Eingeborene,  3üO  Europäer  und  107  Syrier.     Die  Straßen  durch- 


—    106    — 

schneiden  die  auf  der  Insel  Timpo  anj(elej(te  Stadt  im  rechten  Winkel  und 
sind  von  schönen  Mangobäumen  eingesäumt.  Die  sanitären  Verhältnisse  sind 
sehr  günstig.  Die  Stadt  hat  Wasserleitung.  Eine  Landungsbrücke  gestattet 
das  Anlegen  von  Leichtern.  Auber  den  französischen  legen  die  Dampfer  der 
Wörmannlinie  regelmäßig  in  Konaki-y  an,  das  dem  viel  älteren  Freetown 
in  der  britischen  Nachbarkolonie  einen  guten  Teil  des  Handels  mit  dem 
Inneni  abgewonnen  hat.  Deutsche  und  schweizerische  Kaufleute  sind  in 
Konakry  ansässig. 

Die  Hauptaufgabe  der  Verwaltung  bildet  vorläufig  der  Bahnbau.  Vom 
Festlande  gegenüber  der  Insel  Timbc^  führt  eine  Straße  nach  dem  oberen 
Niger,  die  aber  zu  (Junsten  des  Bahnbaues  zurückgestellt  und  nicht  ausgebaut 
wurde,  (ileich  am  Hafen  von  Konakry  liegt  die  Ausgangsstation.  Die 
Strecke  fühi-t  von  der  Insel  Timb(>  über  eine  feste  Brücke  über  die  Lagune 
nach  dem  Festlande  Sie  ist  auf  eine  Länge  von  580  km  berechnet  und  soll 
1910  vollendet  sein.  Es  sind  schon  etwa  2:^0  km  ausgebaut  und  mit  78(>  m 
über  Meeresspiegel  ist  auch  der  höchste  Punkt  übei^wunden:  von  da  ab  geht 
die  Strecke  ziemlich  gleichmäßig  hinab  nach  dem  Nigertal.  Sie  bildet  ein  Glied 
in  der  Kette  von  Verbindungen,  die  Frankreich  in  seinem  westafrikanischen 
Besitztum  gegenwärtig  schafft  und  über  die  Näheres  in  der  Denkschrift  der 
deutschen  Kolonialverwaltung   über  die  Eisenbahnen  Afrikas  enthalten   ist.*) 

Die  Kolonie  baut  auf  (irund  der  vom  Mutterlande  für  die  Verkehrs- 
anlagen in  Westafrika  aufgenommenen  Anleitung,  aber  in  eigener  Regie, 
und  zwar  bisher  zum  Preise  von  92  (KK)  fr.  pro  km  mit  Meterspur.  Durch 
das  Foi*tschreiten  des  Bahnbaues  wird  allmählich  dem  Trägerdienst  ein  Ende 
bereitet,  der  bisher  durchgehends  ein  Zehntel  der  männlichen  Bevölkerung 
von  den  produktiven  Arbeiten  abkehrte. 

Die  Verwaltung  unterhält  in  Camayenne,  gegenüber  Konakry  auf  dem 
Festlande,  einen  Vei*suchsgarten,  der  die  Aussichten  für  mannigfache  tropische 
Kulturen  bekundet,  u.  a.  für  Kakao.  Da  Bordeaux  nur  12  Tage  von  Konakry 
entfernt  ist,  können  Früchte  für  den  heimischen  Absatz  angebaut  werden. 
Bei  Camayenne  haben  mehrere  Franzosen  auf  kleinen  Farmen  damit  begon- 
nen In  der  Hauptsache  jedoch  wird  die  Wirtschaft  der  Kolonie  auf  den 
Kulturen  der  Eingeborenen  aufgebaut  werden,  die  zum  Teil  ziemlich  hoch  stehen. 
Die  Unterwerfung  des  Landes  ist  vollständig  und  sogar  aus  dem  weiten 
Innern  kommen  Mauren,  die  früheren  hartnäckigen  (iegner  der  Europäer,  nach 
der  Küste,   um  Handel  zu  treiben,     Der  Islam   ist  bis  hierher  vorgedrungen. 

Mittwoch,  den  16.  Januar  1907. 

Herr  Hauptmann  im  Großen  Generalstabe  Hermann  Bayer- 
Berlin:  Was  lehrt  uns  der  Krieg  in  Sadwestafrika?  (Lichtbilder.) 

Herr  Hauptmann  Bayer,  der  vor  seiner  Berufung  nach  Deutsch -Süd- 
westalrika  beim  (iroßen  Geueralstabe  in  Berlin  stand,  wurde  dem  Stabe  des 

*)  Die  Eisenbahnen  Afrikas.  Grundlagen  und  Gesichtspunkte  für  eine 
koloniale  Eisenbahnpolitik  in  Afrika.  Denkschrift  des  Kolonialamts  für  den 
Reichstag,  12.  Legislatur- Periode,  1.  Session  1907.     Berlin  1907. 


—     107    — 

Marine- Expeditionskorps  als  Generalstabsoffizier  zugeteilt  und  fuhr  mit  dieser 
unter  Oberst  Dürr  stehenden  Fonnation  schon  im  Februar  1902  nach  der 
Kolonie,  also  noch  nicht  einen  Monat  nach  Ausbruch  des  Aufstandes.  Ende 
März  19()4  trat  er  dann  zum  Stabe  des  Generalmajors  Leutwein  über  und 
war  in  Okahandja  mit  Formierung  der  gegen  die  Hereros  bestimmten  Abtei- 
lung betraut,  jener  Abteilung,  die  dann  am  9.  April  bei  Onganjiva  unter 
Leutweins  Führung  einen  der  bedeutendsten  Siege  gegen  die  Hereros  erfocht. 
An  diesem  und  den  sich  anschließenden  (iefechten  nahm  Hauptmann  Bayer 
teil.  Er  trat  dann  Anfang  Mai  1904  zu  der  Abteilung  Estorff.  bei  deren  er- 
probtem Führer  er  Generalstabsdienste  versah.  Das  Detachement  hatte  den 
schwierigen  Auftrag,  den  Hereros  nachzumarschieren,  ihre  Stellung  zu  erkun- 
den und  sie  an  einem  Abmarsch  nach  der  englischen  Grenze  zu  verhindern. 
Zwei  Monate  lang  mußte  die  Abteilung  durch  fast  unbekanntes  Gelände  und 
dichtesten  Dornenbusch  vorrücken,  bis  sie  schließlich  nach  Erreichung  des 
Omuramba-Omatako  in  Höhe  von  Osondema  ihre  Aufgabe  als  gelöst  betrach- 
ten durfte;  die  Hereros  hatten  sich  südlich  des  Waterberges  zusammengezogen 
und  konnten  dort  später  mit  den  gesamten  Kräften  angegriffen  werden. 

Inzwischen  war  (leneralleutnant  von  Trotha  im  Schutzgebiete  ein- 
getroffen und  berief  den  Hauptmann  Bayer  sofort  zu  sich.  Letzterer  blieb 
von  da  ab  —  fünfviertel  Jahr  lang  —  beim  Hauptquartier  als  Generalstabs- 
offizier, machte  in  dieser  Stellung  das  Gefecht  von  Hamakari  (Waterberg) 
und  die  sich  daran  anschließende  anstrengende  Verfolgung  in  das  wasserarme 
Sandfeld  mit  und  ging  dann  später  (März  1905)  mit  dem  Hauptquartier  nach 
dem  Süden  gegen  die  Witbois. 

In  Keetmanshoop  erkrankte  Herr  Hauptmann  Bayer  an  Typhus.  Wenn 
er  auch  diese  mörderische  Krankheit,  der  so  viele  der  Unseren  in  Afrika  zum 
Opfer  gefallen  sind,  glücklich  überstand,  so  machte  sie  doch  im  September  1905 
seine  Rückkehr  nach  Deutschland  notwendig,  da  er  ohnehin  durch  die  Entbeh- 
rungen und  Strapazen  eines  anderthalbjährigen  Krieges  sehr  geschwächt  war. 

Der  Vortragende  betonte  zunächst,  er  wolle  keine  theoretischen  Lehren 
geben,  sondern  Bilder  aus  der  Praxis  und  es  lieber  den  Anwesenden  über- 
lassen, sich  selbst  die  Lehren  daraus  zu  ziehen.  Beim  Kolonisieren  hätte  es 
uns  an  Erfahrung  gefehlt.  Zwei  Hauptfehler  seien  gemacht  worden,  man 
habe  heimische  Verhältnisse  und  Anschauungen  auf  Afrika  ohne  Weiteres 
übertragen  und  den  Eingeborenen  ein  Vertrauen  geschenkt,  das  sie  leider 
nicht  verdienten.  Der  Redner  erläuterte  hierauf  den  Charakter  und  die 
Kampfesweise  der  verschiedenen  Eingeborenen -Stämme  Südwestafrikas,  be- 
dauerte den  geringen  kulturellen  Wert  gerade  dieser  Völker,  hob  aber  ihre 
kriegerischen  Eigenschaften  hervor.  In  kurzen  Zügen  schilderte  er  sodann 
den  Verlauf  des  Krieges,  wobei  er  der  Tapferkeit  unserer  Soldaten  ein  glän- 
zendes Zeugnis  ausstellte  und  sie  gegen  den  Vorwurf  der  Grausamkeit  ent- 
schieden in  Schutz  nahm,  und  gab  ein  eingehendes  Bild  der  gegenwärtigen 
Lage.  Unter  Vermeidung  jeglicher  politischer  Tendenz  begründete  er  die 
Notwendigkeit  einer  vorläufigen  starken  Besetzung  und  legte  die  Gründe 
dar,  die  eine  Niederwerfung  des  Aufstandes  erschwerten:  Ausdehnung  des 
Landes,  Mangel  an  Eisenbahnen  und  Wegen,  Guerilla -Taktik  des  Feindes, 
geringe  Kenntnis  der  Kolonie. 


—     108    — 

Als  Beispiel  afrikanischer  KriRfpiflltinin^  lolfrte  cinp  ßesrhmbun^  d 
Gefechts  vim  flamakari.  das  der  ^'o^t^agendc  im  Hauptquartier  niitgcmac 
hatte,  und  im  Anschluli  daran  verbreitete  er  sich  Ulwr  die  militärischen  Lehn 
die  wir  aus  diesen  Keldzun  gezogen  haben,  und  Üb<'r  unaere  Erfabrunt; 
mit  den  mndemsteii  Krie^suiitteln  (Telegraph,  Helingraph.  Funken statinnt 
Automobile,  Hasch  inende  wehre  iisw.i,  .Sehließlich  erläutert«  er  einfache 
den  Wert  und  die  BeschafTenheit  der  Knionie.  Beaiindera  wurden  ( 
Wasserfrafi^e.  die  Aussichten  für  Ackerbau,  Viehzucht.  Bergbau  einer  Kril 
untcrzngen.  Der  Vortragende  legt«  dar,  datt  das  I^and  in  seiner  jetzig 
Lage  vor  allem  ein  Viehzuchtland  sei.  vn  enthalt«;  viel  mehr  Wasuer  als  m 
auch  heute  noch  in  der  Heimat  glaube  und  besitze  Weideffächcn  in  ein 
Ausdehnung  lleutscblauds,    Kllr  den  Rerglian  seien  gute  Aussichten  vorhandt 

Hauptmann  Bayer  bctJinte  dabei,  er  sei  kein  Kolonial  ■Schwärmer, 
halte  es  für  zweckmäßig,  möglichst  objektiv  die  Aussichten  der  Kolonie 
prüfen  und  schüne  phantastische  Zukunftsbilder  zu  vermeiden.  Aber  d 
augenblickliche  Wert  der  Knlnnic.  ohne  alle  optimistischen  Zutaten,  i 
bedeutend  hfiher,  als  man  gemeinhin  annehme,  was  duiTh  Beispiele  und  Tf 
Bachen  näher  begründet  wurde.  Der  Redner  schlol3  mit  einem  Hinweis,  daß 
allen  beteiligten  Behörden  und  Diensbttt'llen  dringend  darum  zu  tun  sei.  ba 
Friede  und  Ruhe  in  der  Kninnie  zn  bekouimen,  um  diese  mit  allen  KrBft 
zn  entwickeln  und  für  die  Heimat  nutzbringend  zu  machen. 

Hauptmann  Bayer  hatte,  wie  nur  wenige,  (ielegenheit.  durch  sei 
dienstliche  Verwendung  bei  den  leitenden  Stäben,  ein  klares,  richtiges  ii 
umfassendes  (iesamtbild  des  Krieges  in  fjUdwest  zu  erhalten  .^lle  Meldu 
gen,  Beleble,  Beriehte  waren  ihm  xugünglich,  auch  hatte  er  auf  ^-t-'iIK)  km  P3 
bei  über  älK)  Biwaks  in  afrikonisrhem  Dornbusch  und  Steppe,  als  .\ugenzeu 
von  drei  großen  und  mehreren  kleineren  (JefiThten.  bei  Fat rnuillen ritten  dur 
du  Hereroland  reirhliche  Möglichkeit,  das  Kriegsleben,  die  Leistungen.  Et 
behningen  unserer  braven  Truppen,  sowie  die  Besehatlenheit  und  den  W'i 
der  Kolonie  kennen  zu  lernen.  Er  kann  daher  augenblicklich  als  einer  d 
besten  Kenner  des  Krieges  in  Südwest  und  der  gegenwärtigen  Lage  in  d 
Kolonie  betrachtet  werden. 

Vgl.  folgende  einschlägigen  Schritten  des  Herrn  Vortragenden:  1,  V 
Nation  des  Bastards.  (Koloniale  Abhandlungen.  Heft  L)  Berlin.  Wilhe] 
SOsscrott,  liNXi.  2.  Der  Krieg  in  SUdwestufrika  und  seine  Bedeutung  für  t 
Entwickelung  der  Knionie.  Vortrag  gehalten  in  'Aä  deutschen  Städtt 
Leipzig.  Friedrich  Engclmann.  190(i. 

Mittwoch,  den  23.  Jannar  1907. 

Herr  Dr.  Ernst  von  der  Nälimer- Köln:  Quer  dnn 
Klfllnasien,  TOm  Mittelmeer  zum  Pontao,    (Lir.litbildfr.) 

Ende  hlai  1900  trat  der  Vi>rtragende  von  Knnia.  dem  damaligen  En 
punkt  der  Anatolischen  Eisenbahn,  eine  Reise  an.  die  Ulier  den  Taurus  a 
der  Straße  Karaman-Mut-Selufke  nach  dem  Meerliusen  von  Ale\andrette  u 
von  dort  quer  durch  Kleinasien  über  Kaisarieh-Siwas  nach  dem  Schwarz 
Meer  führen  sollte.    Die  wichtigste  Frage  für  einen  Reisenden,  die  Beschalfu 


-     109    — 

der  Pferde,  wurde  glücklich  gelöst :  der  Vortragende  hob  dabei  besonders  die 
Zuverlässigkeit  und  Tüchtigkeit  seines  mohammedanischen  Katyrdschy,  eines 
Tartaren,  hervor,  der  ihm  die  Pferde  geliefert  hatte  und  ihn  begleitete. 
Karaman,  die  erste  größere  Stadt  unterwegs,  wurde  als  typisch  für  die 
städtischen  Siedelungen  der  Hochebene  eingehend  geschildert.  Lehmsteine, 
an  der  Sonne  getrocknet,  nicht  gebrannt,  bilden  mit  Stangen,  Ästen  und  Reisig 
das  Baumaterial,  und  zwischen  den  armseligen  Gebäuden  der  Gegenwart 
ragen  noch  einzelne  wundervolle  Moscheen  aus  der  Zeit  der  Karamanenftirsten. 
Der  Ritt  ging  nun  nach  Süden  in  den  Taunis.  In  dem  ersten  Nachtquartier 
bot  sich  Gelegenheit,  die  landesübliche  Einrichtung  eines  nur  für  Fremde 
bestimmten  Unterkunfthauses  festzustellen.  Von  Koslu  Budschak  wurde  die 
Wasserscheide  zwischen  der  Hochebene  und  dem  Mittelmeer  überschritten. 
Zwei  Tage  lang  ging  der  Marsch  auf  überaus  schlechten  Pfaden  durch  wunder- 
volle Gebirgswälder  in  fortwährendem  Auf-  und  Abstieg  nach  dem  weltent- 
legenen Städt<*hen  Mut.  Statt  nun  die  gewöhnliche  Straße  nach  Selefke  auf 
dem  rechten  Göksu-Ufer,  zu  dem  eine  noch  erhaltene  Römerbrücke  führt,  ein- 
zuschlagen, blieb  der  Vortragende  auf  dem  linken  Ufer,  um  festzustellen,  ob 
Friedrich  Barbarossa  diesen  Weg  mit  dem  Kreuzheer  eingeschlagen  haben 
könnte,  wie  neuerdings  angenommen  wurde.  Die  Strapazen  des  zweitägigen 
Ritt«  erwiesen  die  ünhaltbarkeit  dieser  Ansicht.  In  Selefke  mußte  der  Er- 
müdung der  Pferde  halber  gerastet  werden.  Einst  ein  bedeutender  Handels- 
platz, ist  die  Stadt  jetzt  tot.  Uns  Deutschen  ruft  sie  die  Erinnerung  an  das 
tragische  Ende  Kaiser  Friedrich  Rotbarts  wach.  Völlig  verödet  ist  die  Küste 
des  Meerbusens  von  Alexandrette.  dem  entlang  der  Vortragende  nun  nach 
Osten  nach  Mersina  zog.  stets  zwischen  Ruinen  und  Trümmern  großer  Siede- 
lungen und  Burgen  von  der  Antike  bis  zum  Ausgang  des  Mittelalters.  In 
Mersina.  wo  der  deutsche  Konsul  Herr  Christmann  den  Vortragenden  aufnahm, 
bot  sich  dagegen  das  Bild  einer  aufblühenden  Seestadt,  die,  wie  alle  Häfen 
des  westlichen  Kleinasiens,  einen  griechischen  Charakter  zeigt.  Jetzt  richtete 
sich  die  Reise  wieder  nach  Norden  in  den  Taurus,  der  in  den  altberühmten 
Cilicischen  Toren  überschritten  wurde.  An  der  Stelle,  wo  die  Bagdadbahn 
in  einer  tiefen  Klamm  durch  das  Gebirge  nach  der  Syrischen  Ebene  hinab- 
steigen soll,  verließ  der  Vortragende  die  große  Straße  und  zog  nun  an  der 
Nordscit^  des  Antitaurus  entlang  auf  einem  seit  Moltkc  von  Deutschen  nicht 
begangenen  Weg  nach  dem  großen,  jetzt  toten  Vulkan  des  Erdschias  und 
um  ihn  nach  Kaisarieh.  Eingehend  wurde  dieser  Mittelpunkt  des  Handels 
Inner-Kleinasiens  geschildert,  besonders  auch  der  Basar,  der  nur  in  Damaskus 
seinesgleichen  hat,  und  die  seldschukischen  Reste.  Das  nächste  Reiseziel 
war  Siwas  an  der  großen  Straße  vom  Schwarzen  Meer  nach  Bagdad,  das 
sich  durch  die  Mischung  von  Rassen  auszeichnet  und  durch  die  prachtvollen 
Überreste  seldschukischer  Kunst.  Von  Siwas  wandte  sich  der  Marsch  nach 
Norden  über  die  alton  Städte  Tokad  und  Turchal  nach  Amassia,  einer  der 
schönsten  Stellen  Kleinasiens.  Besonderes  Interesse  erregten  hier  die  Gräber 
der  Könige  aus  dem  Geschlecht  des  Mithridates.  Eine  deutsche  Kolonie  ist 
aus  Mangel  an  Nachschub  dem  Untergang  nahe.  In  Samsun  am  Schwarzen 
Meer  bestieg  der  Vortragende  den  Dampfer,  der  ihn  nach  Konstantinopel 
brachte. 


-     HO    — 

Der  Vortrag  ist  abgedruckt  in :  Beiträge  zur  Kenntnia  des  Ori 
B&nd  I,  Seite  löe  ff.  Berlin,  H.  PaeUl,  1904.  Vgl.  sncb  des  Redners  W 
Vom  Mittelmeer  zam  Pontns.  Berlin,  Allgemeiner  Verein  für  deul 
Literatur,  1904. 


Mittwoch,  den  30.  Januar  1907. 
Herr  Professor  Dr.  A.  Voeltzkow-Berlin:  Madkgasl 
(Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  wählte  als  Thema  des  Abends  aus  dem  Ve: 
seiner  letzten  2'/i  j&hrigen  Beise  zur  üntcrsnchang  des  Aufbaues  und 
Entstehung  der  Riffe  aud  Inseln  des  westlichen  Indischen  Ozeans  i 
Wanderungen  auf  Madagaskar,  welches  ihm  durch  seinen  frilberen  I 
jäbrigen  Aufenthalt  wohl  vertrant  ist.  Madagaskar  erstreckt  sich  längt 
OstkUstc  Afrikas  bei  einer  größten  Länge  von  211  geographiscbrn  M( 
ist  nur  wenig  gegliedert  und  enthält  eine  Hochlandsregion  von  12—101 
Erhebung  über  dem  Meere,  die  im  Norden  nnd  Osten  sich  ausdehnt  un^ 
anfgcsetzt  sich  wiederum  Höhenzüge  bis  zu  9()()«l  Fuü  Höhe  finden,  die  vi 
orts  vulkanischen  Ursprung  erkennen  lassen.  Dieses  Hochland,  dessen 
hänge  stark  bewaldet  sind,  wird  von  einem  flachen  Kustensaum  umg 
der  auf  der  Ostseite  und  im  Norden  nur  eine  mäßige  Breite  erreichi 
Westen  und  im  Süden  aber  eich  zu  weiten  Ebenen  ausbreitet.  Das  Pls 
steigt  im  Westen  terrassenförmig  an,  während  es  im  Osten  steil  herabst 
nnd  es  gelangen  daher  mächtige  Ströme  nur  auf  der  Westseite  zur 
Wicklung.  Da  die  gro&en  Erhebungen  nahe  der  OstkU^^tc  angeordnet 
so  schlagen  die  iSüdostpasaate  ihre  Feuchtigkeit  in  den  wild  zerriat 
Schluchten  des  steilen  Ostabbanges  niedpr  und  Feuchtigkeit  und  W 
wirken  zusammen  zur  Entwicklung  eines  ausgedehnten,  diese  Abhänge  i 
ziehenden  L'rwaldstreifens.  Ein  groüer  Teil  der  Westküste  dagegen,  el 
wie  der  Süden,   ist  kahles,  ödes,  wasserarmes  Land. 

Anthropologisch  unterscheidet  man  zwei  Bevölkerungselemente, 
Hova.  die  die  Hochlandsregion  bewohnen,  und  die  Sakalaven  und 
wandte  Völker,  die  die  Westküste  und  den  Süden  in  Risitz  genommen  hj 
Die  Hova  sind  echte  Malaien  von  gelblicher  Uesicbtsfarbe  mit  stra 
schwarzem  Haar,  den  Javanen,  manchmal  sogar  den  SUdeuropäem  ahn 
Die  übrigen  Völker  erinnern  in  ihrem  Aussehen  an  die  Kaffemstämme 
afrikas,  sie  sind  bedeutend  dunkler  gefitrbt,  braun  bis  braunschwarz 
besitzen  krauses  Haar.  Trotz  der  Verschiedenheit  der  Rassen  herrscht 
gemeinsame  Sprache  auf  der  Insel  und  zwar  eine  malaiische,  die  freilieh 
lektisch  bei  den  einzelnen  StJimmcn  abgeändert  ist,  aber  doch  eine  gei 
same  Grundlage  erkennen  läßt. 

Nach  einem  Abstecher  nach  dem  kleinen  im  Kanal  von  Mozam! 
gelegenen  Inselchen  Europa  mit  seiner  rauhen,  wild  zerfressenen  Riff 
flärhe  nnd  seiner  zutraulichen  Tierwelt  führte  der  Vortragende  die  Zul 
fast  durch  die  ganze  Insel  von  Süd  nach  Nord  an  der  Hand  zahlre 
Lichtbilder,  dabei   den  Aufbau  des  Landes,   seine  Vegetation  und  die  S 


—    111   — 

und  Gebräuche  der  berührten  Stämme  erläuternd.  Der  Südwesten  Madagas- 
kars besteht  aus  einem  ebenen,  kalkigen  Plateau  von  100—150  m  Meeres- 
höhe, das  nach  dem  Innern  zu  allmählich  wellenförmig  werdend  in  das  eigent- 
liche Bergland  des  Zentral-Massivs  übergeht.  Charakteristisch  für  dies  Ge- 
biet der  M a h a f  a  1  y  und  Antandroy  ist  der  Mangel  an  Wasser.  Es  wird 
zwar  das  Land  von  einigen  Flüssen  durchzogen,  deren  Bett  aber  während 
des  größten  Teils  des  Jahres  trocken  ist.  Weite,  sich  endlos  dehnende 
Savannen  mit  büschelförmigen  Gräsern  werden  zeitweilig  durch  parkähnliche 
Bestände  unterbrochen,  die  sich  aber  nur  selten  buschartig  oder  zu  Wald 
aneinander  schließen. 

Im  allgemeinen  werden  im  Süden  die  Sträucher  und  Bäume  von  sonder- 
baren Formen  durchsetzt,  unter  denen  neben  dem  Aloe  die  Kakteen  vor- 
herrschen, und  die  Euphorbiaceen,  charakteristisch  durch  die  Abwesen- 
heit der  Blätter  und  den  Milchsaft,  der  bei  jeder  Berührung  hervorquillt. 
Charakterbaum  ist  E  u  p  h  (►  r  b  i  a  s  t  e  n  o  c  1  a  d  a  und  I)  i  d  i  e  r  e  a  in  zwei  Arten 
in  Gemeinschaft  mit  riesigen  Affenbrotbäumen  in  einer  Südmadagaskar 
eigentümlichen  Art.  Daneben  finden  sich  Tamarinden  und  andere  Bäume, 
im  wesentlichen  aber  Pflanzen,  die  durch  die  eigentümliche  Beschaffenheit 
ihrer  Blätter  eine  geringe  Verdunstung  besitzen  und  so  die  Zeit  der  Dürre 
besser   überstehen  können. 

Weiter  nach  Norden  und  Osten  zu  schließen  sich  an  das  Kalkstein- 
plateau die  Terrassenlandschaften  des  Hochplateaus  an.  Nach  Überschreiten 
des  Quergebirges  von  H  o  r  o  m  b  6 .  das  nicht  nur  Wasserscheide,  sondern 
auch  Grenze  zwischen  Antandroy  und  Berg-Bara  bildet,  betreten  wir 
das  Tal  des  Janaivo,  und  es  ändert  sich  der  Anblick  der  Gegend.  Grani- 
tische Felsen,  je  nach  ihrer  Zusammensetzung  ein  wechselndes  Aussehen 
bietend,  von  rotem  Lehm  bedeckt,  geben  von  nun  an  der  Landschaft  das 
charakteri Stiche  Gepräge.  Die  Abhänge  sind  fast  allerorten  mit  großen 
Blöcken  bedeckt,  während  die  erhabenen  Partien  fast  stets  nackt  und  glatt 
abgeschliffen  sind,   mit  tiefen  Rillen  auf  der  Oberfläche. 

Das  Tal  des  Janaivo  verlassend,  führt  uns  der  Weg  über  Jvohib6, 
dem  alten  Militärposten  der  Hova  gegen  die  unabhängigen  Bara,  hinab- 
steigend, dem  Laufe  des  Jantara  folgend  mit  seinen  Wasserfällen  nach 
dem  malerisch  gelegenen  Fort  C 1  a  v  i  e  r  und  fernerhin  nach  J  k  o  n  g  o  ,  der 
uneinnehmbaren  Felsenfestung  der  T  a  n  a  1  a ,   der  Waldbewohner. 

Südmadagaskar  steht  zurzeit  noch  unter  Militärherrschaft,  und  an 
geeigneten  Plätzen  über  das  Land  zerstreut,  finden  sich  befestigte  Stationen 
unter  Kommando  eines  europäischen  Offiziers  und  je  nach  der  Wichtigkeit 
des  Postens  belegt  mit  öO— 100  eingeborenen  Soldaten.  Es  ist  eben  eine  zu 
kurze  Zeit  verflossen,  als  daß  sich  diese  bisher  unabhängigen  Völker  an  das 
neue  Regime  hätten  gewöhnen  und  ihre  ihnen  in  Fleisch  und  Blut  über- 
gegangenen Sitten  hätten  aufgeben  können.  Die  llauptbeschäftigung  des 
freien  Mannes  war  ja  früher  das  Rauben  der  Rinder,  jedoch  geht  die  Regierung 
unnachsichtlich  gegen  die  Rückfälligen  vor  und  bestraft  durch  harte  Arbeit 
eine  in  den  Augen  der  Eingeborenen  edle  und  mutige  Tat.  Entweder  tritt 
die  Kettenstrafe  ein,  wobei  um  den  Hals  und  die  Fußgelenke  breite,  eiserne 
Ringe  gelegt  werden,  die  durch  eiserne  Stangen  miteinander  verbunden  sind, 


—    112    — 

oder  am  den  Hals  wird  eine  Art  Holzgalgen  gelegt,  der  auch  bei  der  Arbeit 
getragen  wird. 

Das  Gebiet  der  Tanala  ist  der  noch  am  wenigsten  von  der  Kaltor 
beleckte  Teil  Madagaskars.  Zeuge,  wie  man  sie  bei  den  Stämmen  des  Südens, 
wenn  freilich  häufig  nur  in  sehr  rudimentärer  Form,  iindet,  wird  man  hier 
nur  sehr  selten  erblicken.  Die  Kleidung  der  Frauen  besteht  in  der  Kegel 
ausschließlich  aus  einer  von  Brust  bis  Knie  reichenden  Matte,  die  manchmal 
hemdartig  genäht  ist,  für  gewöhnlich  aber  nur  um  den  Körper  gewunden 
und  durch  einen  Strick  um  die  Hüfte  festgehalten  wird.  Die  Kinder  werden 
auf  dem  Rücken  reitend  unter  einer  besonderen  schildförmigen  Matte  getragen, 
die  gleichzeitig  als  Schutz  gegen  Regen  und  Sonnenstrahlen  dient. 

Der  Weg  yon  Jkongo  nach  Fianarantsoa.  der  Hauptstadt  des 
Betsileo- Landes,  ist  in  seinem  ersten  Teile  sehr  anstrengend,  da  es  gilt  das 
große  Plateau  Inner-Madagaskars  zu  erklimmen.  Die  R  a  v  e  n  a  1  a ,  der  Baum 
des  Reisenden,  wird  Leitpflanze,  eigentliche  Wälder  aber  in  geschlossenen 
Beständen  sind  selten ;  vorherrschend  findet  sich  Bambus,  der  für  die  ver- 
schiedensten Zwecke  in  Ven^'endung  genommen  wird,  in  erster  Linie  dem 
Volke  aber  als  Wasserbehälter  dient,  indem  bei  einem  starken  Rohr  die 
Querwände  bis  auf  die  untersten  durchstoßen  werden,  während  man  es  oben 
mit  einem  Graspfropf  verschließt.  Nach  Ersteigen  des  Randgebirges  ändert 
»ich  die  Szenerie  und  weite  öde  Cirassavannen  dehnen  sich  endlos,  soweit 
der  Blick  reicht.  Je  weiter  man  nördlich  kommt,  umsomehr  zeigen  sich  Täler 
und  Senkungen  für  den  Reisbau  in  Benutzung  genommen,  dazwischen  aber 
eingesprengt  zahlreiche  Rafiapalmen.  deren  aus  den  feinen  Fiederblättern 
gewonnener  Bast  die  mannigfaltigste  Verwendung  findet.  An  Stelle  der 
Hütten  von  Bambus  und  anderem  Material  treten  saubere  aus  rotem  Lehm 
erbaute  Häuser  und  die  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  nimmt  zu.  Von  Fiana- 
rantsoa aus  erfolgte  die  Weiterreise  im  madagassischen  Tragstuhl,  der 
F  i  1  a  n  z  a  n  a.  Ein  derartiger  Palankin  besteht  aus  zwei  durch  eiserne  Stäbe 
verbundenen  Holzstangen  von  2  m  Länge,  zwischen  denen  ein  mit  Leder  oder 
Leinwand  überzogener  Sitz  mit  Rückenlehne  befestigt  ist.  Ein  an  Riemen 
hängendes  Trittbrett  dient  zum  Aufstellen  der  Füße.  Jede  Filanzana  wird 
von  vier  Leuten  getragen,  die  alle  paar  Minuten  die  Tragstangen  von  einer 
Schulter  auf  die  andere  wechseln.  Für  Reisen  von  längerer  Dauer  bedarf 
man  H  und  mehr  Träger,  die  aber  ohne  die  Bewegung  zu  hemmen,  sich 
gegenseitig  ablösen. 

Im  (legensatz  zum  Süden  herrschen  auf  dem  Hochplateau  völlig  ge- 
ordnete Verhältnisse  und  überall  kann  man  gegen  Bezahlung  Berufsträger 
erhalten,  welche  die  auf  die  beiden  Enden  einer  Stange  verteilten  Lasten» 
die  aber  ein  Gewicht  von  H()  kg  pro  Mann  nicht  übersteigen  dürfen,  in 
ruhigem,  gleichmäßigen  Schritt  befördern  und  in  der  Regel  gleichzeitig  mit 
dem  Reisenden  selbst  am  Ziel  eintreffen. 

Die  Regierung  hat  entsprechend  den  Etappen  einer  Reise  Unterkunfts- 
häuser errichtet,  die  dem  Reisenden  unentgeltlich  zur  Verfügung  stehen, 
freilich  keine  Möbel  enthalten,  aber  rein  und  sauber  gehalten  sind,  und  da 
jeder  das  zu  seiner  Bequemlichkeit  Nötige,  wie  Bett,  Tisch.  Stuhl  etc.  mit 
sich  führt,  ist  man  in  kurzer  Zeit  eingerichtet. 


—    113    — 

Die  Heise  über  das  Hochplateau  ist  eine  ermüdende,  denn  endlos 
dehnen  sich  die  mit  büschelförmigen  Gräsern  bedeckton  roten  Ebenen,  und  nur 
selten  mildern  die  Eintönigkeit  des  Bildes  die  eigenartigen  Grabdenkmäler 
der  Betsileo,  die  entweder  aus  aufrecht  gestellten  2—8  m  hohen  Denksteinen 
von  Granit  bestehen  oder  die  Form  massiver  viereckiger,  kunstvoll  verzierter 
Holzpfähle  mit  vasenartigem  Aufsatz  für  die  Schädel  der  bei  der  Leichenfeier 
geschlachteten  Ochsen  besitzen. 

Der  Anblick  von  Antananarivo,  der  Hauptstadt  des  Landes,  vrirkt 
überwältigend  und  eigenartig.  Aus  einer  weiten,  mit  Reisfeldern  bedeckten 
Ebene,  erhebt  sich  ein  Hügel,  dessen  Kuppen  durch  zwei  Gebäude  von  Riesen- 
größe von  seltsamer  Form  gekrönt  sind,  und  dessen  Flanken  dicht  bedeckt 
sind  mit  einer  Unzahl  von  Häusern  von  roter  Farbe,  eines  dicht  an  das 
andere  gepreßt,  nebeneinander,  übereinander,  oft  förmlich  an  den  Fels  geklebt, 
scheinbar  ohne  jene  Ordnung,  wie  es  der  Zufall  eingab,  dazwischen  aufragend 
große  monumentale  Bauten,  wie  Kirchen,  öffentliche  Gebäude  und  ähnliches. 

Unter  dem  Einfluß  der  französischen  Herrschaft  hat  die  Stadt  begonnen 
ein  völlig  neues  Gewand  anzulegen.  An  Stelle  der  Holzhäuser,  die  früher 
fast  ausschließlich  im  Gebrauch  waren,  da  durch  ein  altes  Gesetz  den  Mada- 
gassen die  Verwendung  von  Steinen  zu  Bauzwecken  verboten  war,  sind 
überall  Häuser  von  Backsteinen  getreten,  Terrassen  wurden  angelegt,  breite 
Straßen  durchgebrochen,  öffentliche  Plätze  entstanden,  und  im  Verlauf  weniger 
Jahre  ist  der  äußere  Anblick  der  Stadt  völlig  umgewandelt  worden.  Eine 
Fülle  von  Wohlfahrtseinrichtungen  zeugen  von  der  Fürsorge  der  Regierung, 
Institute,  Schulen  und  Hospitäler  wurden  ins  Leben  gerufen  und  eine  fieber- 
hafte Tätigkeit  entfaltet,  um  das  solange  vernachlässigte  Land  in  neue 
Bahnen  zu  leiten. 

Die  H  0  V  a  sind  reichlich  begabte  Menschen,  aus  ihnen  rekrutieren  sich 
die  eingeborenen  Arzte,  die  auf  der  Medizinschule  in  der  Hauptstadt  die 
Prüfung  ablegen  müssen ;  aus  ihnen  werden  die  vielen  Subaltembeamten  für 
die  Verwaltung  gewonnen,  sie  liefern  das  große  Heer  der  Schreiber,  Kunst- 
handwerker u.  a.  mehr.  Die  einheimische  Tracht,  aus  Londentuch  und  Umschlage- 
tuch bestehend,  ist  jetzt  schon  vielfach,  besonders  in  den  höheren  Klassen, 
von  der  europäischen  verdrängt  worden.  Die  Frauen  sind  zum  Teil  wirklich 
schöne  Erscheinungen,  von  zarter  Gliederung  des  Körpers  und  feinem  Gesichts- 
ausdruck. Das  schwarze,  glänzende  Haar  wird  für  gewöhnlich  in  zwei 
langen  Zöpfen  herabhängend  getragen,  und  während  der  Trauerzeit  um  Ver- 
storbene muß  es  aufgelöst  bleiben,  was  den  Frauen  zu  dieser  Zeit  einen 
wilden,  abschreckenden  Anblick  gibt. 

Das  den  Hova  eigentümliche  Musikinstrument  ist  die  Valia,  eine 
Bambusgitarre,  die  aus  einem  passenden  Bambusstück  in  der  Art  hergestellt 
wird,  daß  vermittelst  eines  scharfen  Messers  aus  der  Oberfläche  des  Rohres 
eine  Anzahl  von  Seiten  losgelöst  und  durch  kleine  verstellbare  Stege  gespannt 
werden,  während  das  Rohr  selbst  als  Resonanzboden  dient.  Der  Hova  versteht 
die  Seiten  abzustimmen  und  durch  Anschlagen  vermittels  der  Finger  beider 
Hände  eine  ganz  ansprechende  Melodie  hervorzubringen. 

Von  der  Hauptstadt  aus  führte  der  Weg  weiter  nach  Norden  zum 
größten   See  Madagaskars,   dem   Alaotra,   um   dann   das   Randgebirge   zu 

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erklimmen  und  hinabzusteigen  zur  Küste  dnrch  die  fcnchtschwtllen  Urwälder 
des  steilen  Ostabhanges.  Wälder,  wie  sie  aus  Westafrika,  vom  Amazonenstrom 
etc.  geschildert,  werden,  darf  man  auf  Madagaskar  nicht  erwarten.  Es  findet 
sich  kein  geschlossener  Bestand  hochstämmiger  Bäume,  wohl  finden  sich  Baum- 
riesen darin  vor,  aber  einzeln  stehend;  in  seiner  Masse  setzen  ihn  Bäume 
von  Körperdicke  zusammen,  oft  mit  Unterholz  reichlich  durchsprengt.  Die 
Bäume  sind  schlank  und  gerade,  drängen  im  Kampf  nach  Licht  und  Luft 
nach  oben  und  entfalten  oft  erst  in  20  und  mehr  Meter  Höhe  ihre  Kronen. 
Lianen  treten  sehr  zurück  und  domige  Gesträucher  fehlen  fast  völlig. 

Der  Urwald  ist  nur  wenig  bevölkert.  Ansiedinngen  liegen  auseinander 
und  sind  klein.  Auch  vom  Tierleben  im  Urwald  bemerkt  man  mit  Ausnahme 
der  Lemuren,  jener  für  Madagaskar  so  charakterischen  Halbaffen,  nur  wenig. 
Es  fehlen  z.  B.  die  Vögel  nicht,  wohl  aber  sind  es  düster  gefärbte  Formen, 
die  ohne  Laut  schon  auf  weite  Entfernungen  hin  die  Flucht  ergreifen. 

Tamatave,  der  Ausgangspunkt  der  im  Bau  begriffenen  Eisenbahn 
zur  Hauptstadt,  ist  der  bedeutendste  Hafen  der  Ostküste  und  hat  unter 
französischer  Herrschaft,  seit  Durchführung  des  neuen  Bebauungsplanes,  ein 
völlig  anderes  Gewand  erhalten  und  auch  gesundheitlich  durch  Entwässerung 
der  umgebenden  Sümpfe  seinen  früheren  bösen  Ruf  verloren. 

Die  Hauptstraßen  verlaufen  fast  parallel  dem  Strande,  sind  durch 
Querstraßen  verbunden,  chaussicrt  und  teilweise  sogar  mit  Trottoir  ausgestattet 
und  ein  Steindamm,  dem  Verlauf  des  Ufers  folgend,  hat  Veranlassung  gegeben 
zur  Schaffung  eines  durch  eine  Mauer  geschützten,  prächtigen  Boulevards. 
Hotels,  Caf^s  sind  entstanden,  kurz  Tamatave  präsentiert  sich  zur  Zeit  als 
eine  modernen  Ansprüchen  völlig  genügende  und  gesunde  Kolonialstadt. 

Tamatave  bildete  den  Endpunkt  der  Wandcning.  und  von  hier  aus 
trat  dann  Vortragender  die  Weiterreise  nach  Osten  nach  Mauritius  und 
Ceylon  an. 

Mittwoch,  den  6.  Februar  1907. 

Herr  Geh  Reg. -Rat  Professor  Dr.  Albrecht  Penck- 
Berlin:  Das  Museain  f&r  Meereskunde  zu  Berlin.  (Lichtbilder.) 

Die  Kenntnis  vom  Meere  hat  innerhalb  der  deutschen  Grenzen  nicht 
Ühnlich  große  Fortschritte  gemacht,  wie  Deutschlands  Beteiligung  am  Welt- 
handel. Maßgebende  Kreise  im  preußischen  Kultusministerium  und  im  Heichs- 
Marine-Amte  haben  daher  seit  Jahren  erörtert,  auf  welche  Weise  die  Kenntnis 
vom  Seewesen  im  Binnenlande  gefördert  werden  könnt<^.  Diese  Erörterungen 
haben  das  Interesse  Seiner  Majestät  des  Kaisers  und  Königs  erweckt  und  haben 
schließlich  zur  Errichtung  eines  Instituts  für  Meereskunde  an  der  Berliner  Univer- 
sität geführt,  das  mit  einem  Museum  für  Meereskunde  verbunden  ist.  Die 
Ausgestaltung  des  Museums  war  die  große  Aufgabe,  welche  Ferdinand  Frei- 
herm  von  Richthofen  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  vollauf  beschäftigt 
hat.  Er  hat  den  springenden  Punkt  gefunden,  dem  Museum  für  Meereskunde 
einen  einheitlichen  Charakter  aufzudrücken,  indem  er  darauf  drang,  daß  alle 
Erscheinungen,   welche   mit   dem  Meere   in  Verbindung   stehen,   durch   das 


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Museum  zur  Darstellung  kommen.  Leider  ist  ihm  nicht  vergönnt  gewesen, 
die  Eröffnung  desselben  am  5.  März  1906  zu  erleben.  Seither  haben  aber 
bereits  beinahe  100  (KX)  Besucher  die  reichen  Schätze  zu  bewundem  Gelegenheit 
genommen,  die  unter  Richthofens  Direktion  gesammelt  und  übersichtlich  auf- 
gestellt worden  sind. 

Der  Kernpunkt  des  Museums  ist  eine  ozeanographische  Sammlung, 
welche  die  Dimensionen  des  Meeres,  die  Zusammensetzung  seines  Wassers 
veranschaulicht,  und  welche  mit  einem  reichen  Instrumentarium  ver- 
knüpft ist.  Daran  schließt  sich  eine  biologische  Sammlung,  welche  in 
einzelnen  Gruppen  die  Lebewelt  des  Meeres  zur  Darstellung  bringt,  und  zwar 
nicht,  wie  in  einem  zoologischen  Museum,  in  systematischer  Anordnung, 
sondern  in  Veranschaulichung  von  Lebensgemeinschaften.  Eine  reiche  Samm- 
lung ist  der  Fischerei  gewidmet.  Hier  werden  die  einzelnen  Methoden  des 
Fischfanges  durch  große  Modelle  erläutert,  und  die  verschiedenen  Produkte 
des  Meeres,  welche  Bedeutung  als  Nahrungsmittel  oder  für  die  Technik  be- 
sitzen, in  Schaukästen  vorgeführt.  —  Eine  weitere  Abteilung  des  Museums 
ist  dem  Seewesen,  speziell  der  Schiffahrt  und  der  Hafenkunde,  gewidmet: 
Seezeichen,  Leuchttürme,  Kaianlagen,  Anlagen  zum  Löschen  der  Güter,  die 
üblichen  Schiffsarten  werden  hier  durch  große  Modelle,  unter  denen  besonders 
das  eines  Ausschnittes  des  Hamburger  Hafens  auffällt,  erläutert.  Zeigen  die 
letzterwähnten  Abteilungen  die  große  wirtschaftliche  Bedeutung  für  den 
Menschen,  so  führt  die  Reichs -Marine -Sammlung,  welche  dem  Museum  für 
Meereskunde  einverleibt  ist,  die  ausgedehnten  Maßnahmen  zum  Schutze 
deutscher  Seeinteressen  vor  Augen.  Da  werden  nicht  bloß  Modelle  verschiedener 
SchifTstypen,  sondern  auch  deren  Torpedos,  Kanonen  usw.  vorgeführt.  Ver- 
bunden damit  ist  eine  historische  Sammlung,  welche  die  verschiedenen  Typen 
früherer  deutscher  Kriegsschiffe  von  den  Zeiten  der  Wikingfahrten  bis  in  die 
jüngste  Vergangenheit  enthält.  Eine  besondere  (iruppe  des  Museums  dankt 
einer  Kaiserlichen  Spende  ihre  Entstehung:  Der  Kaiser  bestimmte  einen  ihm 
von  der  Aachener  und  Münchener  Feuerversicherungs-Gesellschaft  zur  Verfügung 
gestellten  Betrag  von  V*  Million  Mark  zur  Beschaffung  einer  reichen  Sammlung 
von  Modellen  und  Schiffsmaschinen  und  zur  Erläuterung  des  Schiffbaues. 

Unverkennbar  üben  die  Sammlungen  des  Museums  für  Meereskunde 
infolge  des  reichen  Besuches,  den  sie  erfahren,  einen  großen,  erzieherischen 
Einfluß  auf  die  Bevölkerung  der  Reichshauptstadt,  auf  die  zahlreichen  Fremden, 
die  hier  zusammenströmen,  aus.  In  gleicher  Richtung  aber  wirkt  das  Institut 
für  Meereskunde  durch  öffentliche  Vorlesungen,  die  in  ihm  während  der 
Wintermonate  abgehalten  werden,  von  (ielehrten  aus  ganz  Deutschland.  Ihre 
Besucherzahl  bewegt  sich  zwischen  10 — 12000  innerhalb  eines  Winters.  Ent- 
sprechend dem  Wunsche  Seiner  Majestät  werden  ähnliche  Vorlesungen  von 
selten  des  Instituts  für  Meereskunde  nunmehr  auch  in  anderen  deutschen 
Städten   abgehalten. 

Das  Institut  für  Meereskunde  ist  ein  Bestandteil  der  Berliner  Universität, 
und  als  solcher  fällt  ihm  auch  ein  weites  Programm  für  rein  akademische 
Vorlesungen  zu,  an  dessen  Feststellung  eben  gearbeitet  wird.  Es  wird  femer 
die  Meeresforschung  im  Zusammenwirken  mit  den  übrigen  der  Meereskunde 
gewidmeten  Organisationen  innerhalb  des  Deutschen  Reiches  zu  pflegen  haben. 

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Mittwoch,  den  13.  Februar  1907. 

Dr.  C.  C.  Hosse US- Berlin:  Ton  Bangkok  Dach  der 
Nordgrenze  Slams.    (Lichtbilder.) 

Der  Redner  berichtete  über  eine  zweijährige  Reise,  die  er  in  den 
Jahren  1904— 190B  für  botanische  Zwecke  ausgeführt  hat. 

Die  siamesische  Flora  scheint  sich  der  birmesischen  anzugliedern  und 
bildet  eine  natürliche  Verlängerung  des  indischen  Yegetationsreiches.  In  den 
Gebirgszügen  schließt  sie  sich  an  die  Gebirgsflora  des  Himalaya  an.  Auf- 
fallend gering  sind  die  Beziehungen  zur  malaiischen  Flora;  diejenigen  zur 
benachbarten  chinesischen  Provinz  Jünnan  machen  sich  im  Norden  in  der 
Nähe  des  Mekong  geltend.  Als  Hauptcharakterbäume  für  Siam  sind  der 
Teakbaum  (Tectona  grandis)  und  das  sogenannte  Rotholz,  verschiedene  Arten 
von  Dipterocarpacus,  zu  nennen.  Desgleichen  sind  die  Bambusdickichte  an 
den  Flüssen  und  Bächen  sowie  in  den  höchsten  Gebirgen,  auch  oft  ganze 
Bestände  bildende  Acanthaceen  besonders  typisch  für  die  Flora.  Im  allgemeinen 
lassen  sich  drei  Pflanzen  -  Formationen  unterscheiden:  1.  dichter  Urwald  mit 
immergrünen  lianenumschlungenen  Bäumen;  2.  lichter,  laubwerfender  Wald, 
in  dem  zumeist  die  Dipterocarpaceen  die  Hauptrolle  spielen,  bedeckt  mit 
herrlichen,  in  der  laublosen  Trockenheit  blühenden  Orchideen;  3.  Gras-Savannen 
mit  vereinzeltem  Baumwuchse.  Dazwischen  sind  Dom-Savannen  und  Sümpfe 
anzutreffen,  auch  kleine  Gebiete   mit  steppenartigem  Charakter  finden   sich. 

Die  Vegetation  steht  in  engstem  Zusammenhange  mit  den  klimatischen 
Verhältnissen  Siams,  wo  sich  drei  Perioden  unterscheiden  lassen:  1.  die  Regen- 
zeit von  Mitte  Mai  bis  Mitte  Oktober;  2.  die  kühle  Jahreszeit  von  Oktober 
bis  Februar  und  3.  die  heiße  bis  Mitte  Mai.  In  der  kühlen  Jahreszeit  geht 
die  Temperatur  in  Bangkok  bis  14^  C.  herunter,  in  Djieng  Mai  im  Norden 
oft  bis  6®,  während  wir  in  den  Gebirgen  leichten  Frost  antreffen  können. 
Schnee  und  Eis  ist  dagegen  den  Bergbewohnern  nicht  bekannt.  In  der  heißen 
Periode  hatte  Redner  bis  zu  48*.  Die  Gebirge  erreichen  in  den  birmesisch- 
siamesischen  Grenzgebieten  eine  Höhe  von  2B00  m  und  sind  zumeist  bis  zu 
den  Gipfeln  mit  Urwald  bedeckt.  Eine  Ausnahme  machen  die  zerklüfteten 
Kalkmassive,  die  freilich  nur  vereinzelt  zu  finden  sind.  Im  allgemeinen 
setzen  sich  die  Höhen  aus  Granit  und  Gneis  zusammen.  Wie  allenthalben 
in  den  Tropen  ist  das  Verwitterungsprodukt  der  verschiedenen  Gesteinarten, 
der  gelbe  bis  rotbraune,  ja  rote  Laterit  häufig  anzutreffen.  Seinen  Reichtum 
verdankt  Siam  neben  den  Wäldern  an  den  Hängen  dieser  Gebirgszüge  vor 
allem  seinem  Gewässer.  Der  Menam  und  seine  Nebenflüsse  bewässern  die 
ganze  Ebene  und  geben  reichliche  Gelegenheit  zum  Anbau  von  Reis  und 
Tabak,  auch  von  Gemüse  und  Obst.  Erfreulicher  Weise  beginnt  man  neuer- 
dings recht  energisch  das  Land  mit  einem  Kanalsystem  zu  versehen,  um  in 
erster  Linie  die  Erzeugung  von  Reis  zu  heben.  Auch  aus  den  Minen,  in 
denen  vor  allem  Zinn  und  Edelsteine  gewonnen  werden,  lassen  sich  viele 
Schätze  des  Bodens  heben. 

Hinsichtlich  der  Bevölkerung  müssen  wir  das  Land  in  drei  Hauptteile 
teilen :  das  untere  Siam,  mit  vorwiegend  siamesischer  Bevölkerung,  das  obere 


—    117    — 

mit  laotischer  and  den  siamesischen  Teil  der  malaiischen  Halbinsel,  wo  die 
Malaien  vorwiegen.  Wenn  wir  von  Bangkok  ans  nordwärts  gehen,  so  treffen 
wir  von  Pagnampoh  bis  Raheng  eine  gemischt  siamesisch-laotische  Bevölkerung, 
von  Raheng  aufwärts  fast  nur  Laoten,  während  die  Beamten  zumeist  Siame- 
sen  sind.  Es  gibt  aber  auch  ganze  Distrikte,  wo  man  überhaupt  keinen 
Siamesen  antrifft.  An  der  birmesischen  Grenze  macht  sich  eine  starke  Mischung 
der  Laoten  mit  Schan  (Ngeo)  geltend.  Von  kleineren  Volksstämmen  sind  die 
Moon.  dann  die  Karen  (schwarze  und  rote,  erstere  nach  Art  ihrer  Tätowierung 
benannt),  sodann  die  nördlicher  wohnenden,  dem  Opiumgenusse  ergebenen 
Mussö  er^'ähnt,  auch  die  an  der  französischen  Grenze  wohnenden  Lü  und 
Kamu,  die  man  vielfach  als  Holzarbeiter  in  Siam  antrifft.  Die  weiße  Kolonie 
ist,  außer  in  Bangkok,  wenig  zahlreich,  obwohl  der  Norden  ein  äußerst 
günstiges  Ansiedelungsgelände  bieten  würde.  Das  geht  daraus  hervor,  daß  sich 
die  amerikanischen  Missionäre,  die  sich  überall  sehr  breit  gemacht  haben,  seit 
Jahrzehnten  in  vorzüglichster  Gesundheit  befinden  und  schwere  Reichtümer 
en^'erben. 

Außerdem  sieht  man  überall  in  den  größeren  Städten  viele  Chinesen, 
zumeist  Leute  von  der  Insel  Hainan  und  Bewohner  der  Ostküste  Chinas,  auch 
unseres  deutschen  Pachtgebietes,  während  aus  den  südchinesischen  Provinzen, 
vor  allem  also  Jünnan,  die  Hooh,  ein  kräftiger  und  wilder  Volksstamm,  als 
Leiter  von  Handelskarawanen  auf  der  Durchreise  anzutreffen  sind.  Die 
hausierenden  Handelsleute  Siams  sind  zumeist  die  Ngeo,  die  seßhaften  Kaufleute 
Chinesen.     Der  Siamese  neigt  keiner  der  genannten  Beschäftigungen  zu. 

Die  Fauna  ist  vor  allem  durch  eine  überreiche  Insektenwelt  vertreten, 
während  die  höheren  Tiere  infolge  der  häufigen  Waldbrände  stark  an  Zahl 
zurückgegangen  sind.  So  trifft  man  nur  noch  selten  Tiger  an,  und  die  wilden 
Elefanten  sind  zumeist  der  Kultur  zugängig  gemacht  worden  und  dienen 
dem  Siamesen  jetzt  als  nützliches  Haustier. 

Nach  diesen  allgemeinen  Ausführungen  ging  Redner  über  zu  einer 
kurzen  Schilderung  seiner  Reisen  selbst. 

Die  erste  Reise,  die  er  von  Bangkok  aus  im  September  1904  in  Be- 
gleitung eines  Dolmetschers  und  zweier  Diener  antrat,  führte  zunächst  den 
Mänam  aufwärts  über  Pagnampoh  nach  Kam  Peng  auf  dem  Mä  Ping  und 
von  da  wegen  der  Seichtigkeit  dieses  Flusses  in  einem  „Hausboot"  bis  Wang 
Djao,  wo  ein  mehrwöchentlicher  Aufenthalt  zu  botanischen,  meteorologischen 
und  entomologischen  Studien  verwandt  wurde.  Die  Weiteffahrt,  die  auf 
gleichem  Fahrzeug  in  dem  von  heftigen  Wolkenbrüchen  überschwemmten 
Flußgebiet  erfolgte,  brachte  die  Expedition  nach  dem  handelsbedeutenden 
Raheng.  von  wo  aus  in  gefahr>'oller  Fahrt  über  35  Stromschnellen  im  Novem- 
ber Djieng  Mai,  die  Hauptstadt  der  Lao- Provinz  in  Nord -Siam,  erreicht 
wurde.  Hier  blieb  der  Vortragende  zunächst  bis  Ende  April  1905,  legte  während 
dieser  Zeit  reiche  botanische  Sammlungen,  besonders  von  lebenden  Orchideen 
an,  errichtete  auch  eine  meteorologische  Station  und  unternahm  mehrfach 
Expeditionen  in  die  L'mgebung  von  Djieng  Mai.  So  wurde  z.  B.  der  1680  m 
hohe  Doi  Sutäp  dreimal  bestiegen  und  einige  schwierige  Erstbesteigungen 
mit  Erfolg   durchgeführt;   im  Januar  der  südwestlich   gelegene  Doi  Intanon, 


-^    118    — 

dessen  2575  m  h(»her  Nordgipfel  den  Namen  Richthofen  -  Gipfel  erhielt,  im 
Februar  in  nordwestlicher  Richtung  das  Kalkmassiv  des  Doi  Djieng  Dao  mit 
seinen  drei  Einzelgipfeln,  deren  höchster,  ungefähr  2210  m  h(»ch.  von  dem  aus 
eine  karthographische  Panorama-Aufnahme  genommen  wurde.  Bismarck-Gipfel 
getauft  wurde.  Letztere  Expedition  konnte  wegen  der  Furcht  der  Einge- 
borenen vor  dem  Teufel  der  Berge  und  aus  mehrtägigem,  völligen  Wassermangel 
nur  mit  Mühe  zu  Ende  geführt  werden.  Dem  Djieng  Dao  wurde  später  noch 
ein  zweiter  Besuch  wegen  der  an  seinem  Fuß  gelegenen  Sagenreichen  Tropf- 
steinhöhle abgestattet,  eine  Besteigung  des  Massivs  eni'ies  sich  dagegen  wegen 
wochenlang  wütender  Waldbrände  als  undurchführbar. 

Ende  April  1905  erfolgte  der  Aufbruch  von  Djieng  Mai.  Nach  drei- 
tägigem, beschwerlichem  Marsche  wurde  Mung  Fang  mit  seiner  laotischen  Be- 
völkerung erreicht,  und  hier  hatte  der  Vortragende  Gelegenheit,  das  ethno- 
graphisch interessante  Fest  der  Phra  Sat.  d.  h.  der  feierlichen  Leichenver- 
brennung der  schon  vor  5  Jahren  verstorbenen  Gattin  des  Gouverneurs 
mitzumachen.  Der  ungefähr  2800  m  hohe  Pahom  Buk.  das  Grenzgebirge 
zwischen  Siam  und  Burma,  wurde  überstiegen  und  einige  Mussö- Dörfer  mit 
Opium  essender  Bevölkerung  besucht,  sodann  der  Übergang  über  den  Mä  Kam- 
Fluß  und  nahe  der  burmesischen  Grenze  auch  über  den  durch  anhaltenden 
Regen  reißend  angeschwollenen  Mä  Kok  mit  der  88  Köpfe  zählenden  Expe- 
dition glücklich  durchgeführt.  Von  Djieng  Hsen  Noi,  einer  rein  laotischen 
Ansiedelung  aus.  erfolgte  ein  Abstecher  nach  der  uralten  altsiamesischen 
Ruinenstadt  Djieng  Hsen  Luang  am  Mä  Köng.  der  hier  ein  Gebiet  von  her- 
vorragend landschaftlicher  Schönheit  durchfließt,  sowie  nach  dem  gegenüber 
liegenden  Ufer  der  Haut-„Lao"  Provinz  von  , Französisch -Indo- China".  Die 
buddhistischen  Tempelruinen  bergen  hier  große  Reichtümer  an  wertvollen 
Bronzen  und  Schmuckgegenständen.  Nachdem  der  Reisende  noch  das  für  den 
Karawanen-Verkehr  zwischen  der  südchinesischen  Provinz  Jünnan  und  Moul- 
mein  in  Burma  wichtige  Djieng  Rai.  die  bedeutendste  Stadt  von  Ncad-Siam, 
und  stromabwärts  die  reichen  Sapphir  -  Minen  des  französischen  Regierungs- 
sitzes Honei'  Sal  wo  er  die  gastfreundlichste  Aufnahme  fand,  besucht  hatte, 
ging  es  nach  Djieng  Mai  zurück,  von  wo  aus  am  18.  Juli  Bangkok  wieder 
erreicht  wurde. 

Nach  einem  Abstecher  nach  Singapore  und  nach  der  malaiischen  Halb- 
insel, der  hauptsächlich  Plantagenbesichtigungen  galt,  trat  der  Vortragende 
im  Noveiaber  seine  zweite  Reise  in  das  Innere  des  Landes  an,  die  vor  allem 
der  Erforschung  der  Ost-  und  der  Nordostprovinzen  gelten  sollte,  über  Pitsam- 
lok  und  Ban  Pum  drang  er,  nur  von  einem  Diener  begleitet,  durch  dichte 
Un^'älder  bis  zu  dem  halb  laotischen,  halb  siamesischen  Petschabun,  der  Haupt- 
stadt der  gleichnamigen  Provinz  am  Mänam  Phra  Sak,  vor,  kehrte  aber  auf 
die  Nachricht  von  der  schweren  Erkrankung  und  dem  bald  darauffolgenden 
Hinscheiden  seines  Vaters  in  Eilmärschen  über  die  1 100  m  hohen  Gebirge 
von  Lom  Sak  nach  Pitsanulok  und  Bangkok  zurück  und  trat  von  da  die 
Heimreise   nach  Europa   an. 

Vgl.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin  1906,  Heft  8, 
S.  190—196. 


—    119    — 

Mittwoch,  den  20.  Februar  1907. 

Herr   Leo   Frobeuius-Berlin:    Bilder   Tom  Kongo. 

(Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  schilderte  zunächst  die  Reisen  der  Expedition.  Ende 
1904  erfolj^te  die  Abfahrt  aus  Europa,  Mitte  1906  die  Rückkehr.  Im  Laufe 
der  verschiedenen  Fahrten  und  Wanderungen  wurde  das  Strombett  des  Kas- 
sai  mehrmals  auf  Monate  verlassen  und  in  Zickzackwegen  die  noch  unbe- 
kannte Region  erforscht.  Das  erste  Vierteljahr  war  dem  Kuango-Kwilu-Becken 
gewidmet.  In  Mitschakila  wurde  eine  kleine  deutsche  Station  errichtet  und 
die  Lehrzeit  absolviert.  Es  kam  zu  Gefechten  mit  den  Eingeborenen,  die 
um  ein  Haar  die  Auflösung  der  Expedition  herbeigeführt  hätten.  Es  folgte 
ein  weiteres  Halbjahr  der  Wanderschaft  im  Gebiete  der  oberen  Ströme  im 
zentralen  Becken  bis  an  die  Grenze  von  Angola.  Dann  wandte  sich  die 
ständig  an  umfang  anschwellende  Expedition  dem  Osten  zu  und  drang  bis 
etwa  in  die  Mitte  des  Kontinentes  vor.  Von  hier  aus  wäre  es  eine  Kleinig- 
keit gewesen,  den  Weg  nach  der  deutschen  ostafrikanischen  Küste  hinüber 
fortzusetzen,  womit  der  Wissenschaft  aber  wohl  weniger  gedient  gewesen 
wäre  als  mit  der  Rückkehr  in  das  zentrale  Strombecken,  wo  noch  einige 
große  Probleme  der  Völkerkunde  gelöst  werden  konnten. 

Die  Reise  sollte  der  Erd-  und  vor  allen  Dingen  der  Völkerkunde 
neue  Gesichtspunkte  bringen.  Es  war  die  erste  völkerkundliche  Expedition» 
die  jemals  Innerafrika  aufgesucht  hat.  und  daraufhin  zielte  die  Vorbildung 
und  die  Ausgestaltung  des  Ganzen.  Um  zu  reichen  Resultaten  zu  gelangen, 
hatte  der  Vortragende  mit  Einwilligung  der  wissenschaftlichen  Gesellschaften, 
welche  die  von  ihm  ins  Leben  gerufene  Expedition  unterstützt  hatten,  als  Zeichner 
Herrn  Lemme  mitgenommen,  nach  dessen  Farbenstudien  auch  die  Lichtbilder 
von  Künstlerhand  ihre  Farbenpracht  erhalten  hatten,  die  die  Zuhörer  des 
Vortrags  erfreuten.  Die  Zeichnungen  werden  das  demnächst  erscheinende 
Reisewerk  schmücken,  wie  noch  nie  ein  Reisewerk  ausgestattet  werden  konnte, 
weil  bisher  noch  kein  Zeichner  nach  Innerafrika  mitgenommen  wurde.  Im 
Bilde  führte  Redner  sodann  hervorragend  künstlerisches  Kunstgewerbe,  Schnitz- 
werk und  farbenprächtige  Plüsche  (ausgeführt  von  den  „ Wilden '^  lunerafri- 
kas)  vor.  Nicht  weniger  als  530  Märchen  und  Legenden  wurden  gesammelt, 
Märchen  von  philosophischer  Tiefe  und  naiver  Reinheit,  und  das  von 
Stämmen,  die  leidenschaftlich  der  Menschenfresserei  ergeben  sind. 

Aber  auch  auf  praktischem  Gebiete  studierte  die  Expedition.  Die  alte 
Frage  nach  der  Erziehungsfälligkeit  und  Erziehungsform  der  Neger  hat 
Redner  als  Fachmann  eingehend  untersucht.  Nach  verschiedenen  Methoden  hat 
er  die  Leute  arbeiten  lassen  und  mit  ihnen  gearbeitet,  um  zu  erkunden,  in 
welcher  Weise  die  Behandlung  des  Negers  zu  regeln  und  er  einer  höheren 
Kultur  zuzuführen  sei.  Es  war  das  erste  Mal.  daß  solche  Studien  betrieben 
wurden,  und  ihre  Ergebnisse  dürften  entschieden  für  die  Kolonialarbeit  epoche- 
machenden Wert  haben. 

Ein  trübes  Bild  entwarf  der  Vortragende  vom  Kongostaate  als  dem 
„freien '^  Handelsstaate,  wie  er  seiner  Zeit  unter  dem  Sterne  Bismarcks 
gegründet  wurde.      Trüber    aber    ist  die  Gleichgültigkeit,  mit  welcher    das 


—    120    — 

deutsche  Volk  der  belgischen  Handhabung  dieser  Regierung  zuschaut,  gegen  die 
so  ziemlich  alle  anderen  Großmächte  Europas  sich  schon  lange  auflehnen. 
Das  Schlimme  ist,  daß  die  Regierung  in  Brüssel  und  die  Leitung  der  Kom- 
pagnien, von  welchen  beiden  man  eventuell  noch  den  besten  Willen  annehmen 
kann,  kaum  eine  Ahnung  davon  zu  haben  scheinen,  wie  eigenartig  die  Dek- 
rete des  Königsouveräns  in  Anwendung  gebracht  werden.  Von  der  P^reiheit 
des  Handels  hat  Redner  nichts  wahrgenommen.  Es  wird  Zeit,  daß  das 
deutsche  Volk  seine  Augen  aufmacht!  (Vgl.  Zeitschrift  der  (lesellschaft  für 
Erdkunde  zu  Berlin  m)b,  S.  4«7— 471:  VM\,  S.  114—118,  42«  -431,  498—497.) 
Inzwischen  erschien  das  Werk  des  Herrn  Vortragenden :  Im  Schatten 
des  Kongostaates.  Bericht  über  den  Verlauf  der  ersten  Reisen  der  D.  I.  A. 
F.  E.  von  19()4— 19()6.  über  deren  Forschungen  und  Beobachtungen  auf  geo- 
graphischem  und   kolonialwirtschaftlichem  Gebiet.     Berlin,  G.  Renner.  1907. 

Mittwoch,  den  27.  Februar  1907. 

Herr  Dr.  med.  Paul  Schnee-Gr.  Lichterfelde  (Berlin): 
Jalait  und  die  Marshallinseln.    (Lichtbilder.) 

Die  Marshallinseln  bilden  eine  kleine  Gruppe  von  flachen  Korallen- 
eilanden, welche  etwa  zwischen  dem  löO.  und  175.®  östl.  L.  und  4.  bis  15.® 
nördl.  Br.  liegen.  Sie  bestehen  aus  zwei  Ketten,  die  von  nordwestlicher  nach 
südöstlicher  Richtung  verlaufen  und  durch  einen  150  Seemeilen  breiten  Kanal 
voneinander  getrennt  sind.  (Von  ihnen  ist  die  größte  und  wichtigste  die 
Jaluitgruppe,  eine  ausgedehnte  Korallenbank,  die  sich  aus  ungefähr  5()  Insel- 
chen zusammensetzt.)  Die  Inseln  sind  ausschließlich  Atolle  und  aus  Korallen- 
trümmem  aufgebaut,  welche  von  den  Wellen  aus  dem  unterseeischen  Korallen- 
walde vor  dem  Ufer  losgerissen  und  zusammengespült  wurden.  Die  Bevölke- 
rung der  Inselgruppe  stellt  ein  Zwischenglied  dar  zwischen  den  dunkelfarbigen 
Melanesien!  und  den  heller  gefärbten  Polynesien!.  Die  Nahrung  der  Ein- 
geborenen besteht  außer  aus  Fischen  und  Krebsen  in  erster  Linie  und  ganz 
vorwiegend  aus  Vegetabilien.  Insbesondere  sind  es  der  Pandanus,  die  Brot- 
fmcht  und  die  Kokos.  Ersterer,  auch  wohl  Schraubenpalme  genannt,  ist  ein 
höchst  sonderbares  Gewächs,  welches  seinen  schlanken  Stamm  auf  einer  Pyra- 
mide  von  Wurzeln  erhebt,  auf  denen  es  wie  auf  Stelzen  steht.  Die  Aste  sind 
schlangenartig  gewunden  und  tragen  einzig  und  allein  an  ihrer  Spitze  einen 
Schopf  großer,  schwertförmiger  bis  1*  «  m  langer  BlätttT,  in  deren  Mitte  die 
köpf  große  Scheinfrucht  steht,  die  sowohl  roh  gegessen  als  auch  zur  Herstel- 
lung einer  Art  Mus  verwandt  wird.  Ebenso  wichtig  ist  die  gleichfalls  kopf- 
große Brotfrucht,  deren  warzige  Oberfläche  von  den  Eingeborenen  mit  Hilfe 
einer  scharfen  Muschel  oder  neuerdings  einer  Glasscherbe  abgekratzt  wird. 
Die  Brotfrucht  wird  auf  heißen  Steinen  gebacken  und  dann  verzehrt.  Ihr 
Geschmack  ist  nicht  unangenehm.  Man  bereitet  auch  gegorene  Brotfrucht, 
Piru  genannt,  welche  für  den  (lebrauch  in  jenen  Jahreszeiten  bestimmt  ist, 
in  denen  es  keine  frische  gibt.  Das  Produkt  wird  geknetet  und  dann  in 
hölzernen  Kasten  der  Gärung  überlassen,  wodurch  ein  fürchterlicher  Geruch 
entsteht.    Die  Kokos   endlich,  die   auf  den  Marshallinseln   in  großen  Mengen 


—    121    — 

vorkommt,  ist  wohl  der  allerwichti^te  Raum;  der  Kern  seiner  Nüsse  ge- 
trocknet,  liefert  die  Copra,  den  einzigen  Exportartikel  der  Gruppe.  Der  Inhalt 
der  noch  , grünen'^  Nüsse  liefert  die  Kokosmilch,  welche  von  Eingeborenen 
ebenso  wie  von  Europäern  an  Stelle  des  Wassers  viel  getrunken  und  für  die 
Tropen  als  großartiges  Erfrischungsmittel  sehr  geschätzt  wird.  Kokos  wird 
auch  zu  mancherlei  Speisen  verwandt:  so  z.  B.  raspelt  man  die  Masse,  die 
dann  gewissermai^n  unser  Mehl  vertritt.  — 

Die  Marshallaner  zerfallen  in  drei  Stände,  das  gewöhnliche  Volk,  die 
Vornehmen  (Häuptlinge)  und  den  Oberhäuptling  (Jnrodj),  dem  mancherlei 
Vorrechte  eingeräumt  sind.  Während  der  gemeine  Mann  nur  eine  Frau  haben 
darf,  dürfen  sich  Häuptlinge  deren  mehrere  halten.  Die  Ehen  gelten  übrigens 
nicht  ohne  weiteres  auf  Lebenszeit  geschlossen,  sondern  können  leicht  gelöst 
werden.  Doch  kommt  es  nur  selten  vor,  daß  z.  B.  ein  Häuptling  eine  Frau 
fortschickt,  weil  diese  einen  gewissen  Rückhalt  an  ihrer  Familie  besitzt.  Bei 
den  gewöhnlichen  Leuten  linden  freiwillige  Trennungen  nur  vereinzelt  statt, 
insbesondere  gehr^rt,  wenn  beide  (latten  erst  etwas  älter  sind,  dergleichen  zn 
großen  Seltenheiten. 

Aber  nicht  nur  (teburts-  und  Standesvorrechte  gibt  es  auf  den  Marshall- 
inseln, sondern  auch  Lasten  und  Steuern  sind  hier  gebräuchlich.  Diese  letz- 
teren bestehen  meistens  aus  Naturalabgaben,  vor  allem  sind  es  Früchte,  wie 
Pandanus.  Kokos.  und  aus  solchen  bereitete  Konserven.  Namentlich  ist  eine 
Art  Fruchtpasta  zu  erwähnen,  welche  zu  dicken,  über  mannshohen,  säulen- 
artigen Stücken  zusammengeknetet  wird,  die  mit  Blättern  umhüllt  und  dann 
fest  verschnürt  sich  monatelang  hält.  Die  übrigen  Abgaben  werden  meist 
in  kleinen  aus  einem  Kokosblatt  leicht  geflochtenen  Körben  abgeliefert  und 
müssen  dem  betreffenden  Häuptling  in  das  Haus  gebracht  werden.  So  kommt 
es  denn,  daß  man  in  Jaluit  fast  immer  einzelne  Kanoe  von  Steuerzahlern  sah, 
ja  zu  gewissen  Jahreszeiten  fanden  sich  ganze  kleine  Flotten  dort  ein. 

Die  Marshallaner  verstehen  sehr  kunstvolle  Matten  aus  dem  Baste  deB 
Pandanus  zu  flechten.  Geradezu  aber  erstaunlich  ist.  mit  welcher  Geschick- 
lichkeit sie,  in  früherer  Zeit  sogar  ohne  Eisen,  nur  mit  Hilfe  von  zugeschärf- 
ten Muscheln,  große  Auslegerboote  anfertigten,  welche  bis  zu  ÖO  Personen 
fassen  konnten.  Da  die  Leute  beständig  von  einer  Insel  zur  anderen  ziehen, 
um  überall  die  Kokos  abzuernten,  so  sind  sie  durch  lang  dauernden  Aufent- 
halt auf  dem  Meere  kühne  und  geschickte  Seeleute  geworden.  Ihre  Hütten 
dagegen  sind  sehr  primitive  Bauwerke.  Sie  bestehen  aus  einem  etwa  2  m  hohen 
Holzgerüst,  dessen  Dach  und  Wände  aus  daran  festgebundenen  Pandanus- 
blättern  gefertigt  sind,  die  mit  Hilfe  langer  Holznadeln  zusammengenäht 
werden.  Die  Häuser  der  20  bis  80  auf  Jaluit  lebenden  Europäer  zeichnen 
sich  gleichfalls  nicht  durch  architektonische  Schönheit  aus,  es  sind  aber  sehr 
praktische  (iebäude  aus  Holz  und  Wellblech.  Da  es  auf  den  Marshallinseln 
sehr  viel  und  stark  regnet  (ca.  800  Regentage  im  Jahr),  stehen  sie  zur  Ab- 
haltung der  Nässe  auf  Pfählen. 

In  der  Kleidung  macht  sich  bei  den  Bewohnern  der  Marshallinseln 
immer  stärker  der  amerikanisch -europäische  Einfluß  geltend;  er  verdrängt 
mehr  und  mehr  den  primitiven  Lendenschurz.  Die  Frauen  kleiden  sich  mit 
langem,  gürtellosem  Kleide,  das  in  der  Art  seines  Schnittes  an  unser  Reform- 


—    122    — 

kleid  erinnert.  Einen  reizenden  Schmuck  wissen  sie  sich  aus  frischen  Blumen 
zu  bereiten;  ins  Haar  verflochtene  Kränze  geben  ihnen  etwas  ungemein  An- 
ziehendes. 

Die  Marshallinseln  sind  deutsches  Schutzgebiet.  Sie  wurden  während 
der  Jahre,  die  Redner  dort  verweilte,  von  einem  Landeshauptmann  vemaltet. 
der  mit  Hilfe  eines  Polizeimeisters,  der  zugleich  Hafenmeister  ist  und  noch 
eine  Anzahl  weiterer  Amter  versieht,  sowie  zweier  eingeborenen  Polizisten 
sein  idyllisches  Reich  in  Ordnung  hielt. 

Für  die  Gesundheit  der  Eingeborenen  tut  die  Regierung  sehr  viel. 
Seinerzeit  wurde  das  Volk  durch  Krankheiten  dezimiert  und  die  Befürchtung 
lag  nahe,  daß  die  Insulaner  aussterben  könnten.  Die  Arbeit  der  Ärzte  hat 
es  dahin  gebracht,  daß  jetzt  an  ein  Aussterben  nicht  mehr  zu  denken  ist. 
Zwei  Krankenhäuser  (eines  für  Männer,  das  andere  für  Frauen)  hat  die  Regie- 
rung errichtet.  Besondere  Wichtigkeit  hat  das  Lepraki-ankenhaus.  Leider 
ist  gerade  hier  die  ärztliche  Tätigkeit  sehr  unerquicklich.  Anfangs  setzten 
die  Eingeborenen  große  Hoffnungen  auf  dieses  Krankenhaus,  da  aber  die  Fälle 
meist  zu  weit  vorgeschritten  sind,  so  ist  eine  Heilung  unmöglich;  die  Kranken 
müssen  lediglich  der  Ansteckungsgefahr  wegen  bis  zu  ihrem  Tode  im  Hospi- 
tal behalten  werden,  weshalb  die  Eingeborenen  sehr  mißtrauisch  geworden  sind. 
Heute  ist  die  Inselgruppe  dem  Gouverneur  der  Karolinen   unterstellt. 

Mittwoch,  den  6.  März  1907. 

Herr  Privatdozent  Dr.  Franz  Doflein-Mtinchen:  Eine 
zoologische  Forschangsreise  nach  Japan.    (Lichtbilde)-.) 

Seine  Untersuchungen  über  Tiefseetiere,  welche  von  anderen  Expeditionen 
erbeutet  worden  waren,  hatten  in  dem  Vortragenden  den  Wunsch  erweckt, 
selbst  einmal  die  natürlichen  Existenzbedingungen  dieser  oft  so  eigenartig 
angepaßten  Formen  zu  studieren.  Zu  diesem  Zweck  bot  sich  die  Ostküste 
Japans  als  ein  sehr  geeignetes  Arbeitsfeld  dar,  weil  dort  in  geringer  Ent- 
fernung vom  festen  Land  tiefes  Meer  vorhanden  ist.  Zur  Zeit  der  Ausreise 
der  Expedition  brach  der  russisch-japanische  Krieg  aus,  der  sie  mancherlei 
Abenteuern  aussetzte.  Auch  sonst  war  der  Vortragende  vielfach  vom  Miß- 
geschick verfolgt  und  nicht  weniger  als  dreimal  wurde  er  auf  der  Reise  von 
Schiffsunglücken  heimgesucht.  Wenn  die  Expedition  trotz  der  vielen  Schwierig- 
keiten erfolgreich  verlaufen  ist.  so  schreibt  der  Vortragende  dies  hauptsächlich 
dem  Umstand  zu,  daß  er  von  den  japanischen  Behörden  und  Gelehrten  alle 
Unterstützung  erfuhr,  und  daß  die  intelligente  Bevölkerung  des  Landes  seinen 
Plänen  alles  Verständnis  entgegenbrachte. 

Die  Sagamibucht  am  Fuß  des  Fuji  hat  durch  ihre  landschaftliche 
Schönheit  einen  tiefen  Eindruck  auf  den  Vortragenden  gemacht,  der  im 
Zusammenhang  mit  der  Schilderung  der  Uferlandschaften  mit  ihren  Tuffelsen, 
tiefen  Buchten  und  Fjorden,  mit  ihrer  bald  an  die  Tropen  bald  an  den  hohen 
Norden  erinnernden  Vegetation,  eine  allgemeine  Topographie  von  Land  und 
Meer  im  Gebiete  den  Sagamisee  gab.  Der  Meeresboden  bietet  ein  ganz  ähnlich 
zerklüftetes  Terrain  dar  wie  das  umgebende  Land.     Bei  den  Untersuchungen 


—    123    — 

gaben  Lotungen  und  Dredgzüge  Zeugnis  von  dem  wechselvoUen  Kelief  des 
Meeresbodens  und  die  Tierfänge  aus  der  Tiefe  zeigten,  wie  dadurch  außer- 
ordentlich mannigfaltige  Existenzbedingungen  für  die  Tierwelt  geschaffen 
werden.  Die  Forschungen  wurden  mit  Hilfe  von  Fischerbooten,  Segelschiffen 
und  eines  kleinen  Dampfers  durchgeführt  und  nicht  nur  die  feinsten  ozeano- 
graphischen  Apparate,  sondern  auch  die  zum  Teil  sehr  raffinierten  und  sehr 
geeigneten  Fangmethoden  der  japanischen  Fischer,  von  deren  Intelligenz, 
ihrem  Verständnis  für  Zoologie  es  vielerlei  zu  berichten  gab,  kamen  zur 
Anwendung.  Mit  ihnen  zusammen  verlebte  der  Vortragende  einige  sehr  ge- 
nußreiche und  durch  Ausbeute  und  neue  Erfahrungen  reich  gesegnete  Monate. 
Besonders  gute  Ergebnisse  erzielten  die  Kreuzfahrten  mit  dem  kleinen 
Dampfer;  doch  konnten  sie  leider  nicht  allzu  lange  fortgesetzt  werden,  da 
mitten  während  der  Untersuchungen  ein  Dampfer  durch  Schiffbruch  ver- 
loren ging. 

Die  Resultate  der  Arbeiten  in  der  Sagamibucht  und  in  anderen 
Meeresabschnitten  der  ostjapani sehen  Küste  bestanden  in  der  Aufklärung 
zahlreicher  Momente,  welche  die  eigenartige  Zusammensetzung  der  Meeres- 
fauna dieses  (iebiets  bedingen.  Das  Zusammentreff'en  und  die  eigentümliche 
Veiteilung  der  kalten  und  warmen  Strömungen,  die  topographischen  Ver- 
hältnisse der  Küste  und  des  Meeresbodens,  der  Zusammenhang  mit  der 
großen  Tuscaroratiefe  —  all  das  bedingt  eine  ungemein  reiche  Fauna,  welche 
aus  arktischen  und  tropischen  Elementen  aus  Tiefseetieren  und  typisch 
japanischen  Flachwasserformen  bunt  gemischt  erscheint.  Aber  in  diesem 
scheinbar  wirren  Durcheinander  ergibt  sich  bei  sorgsamer  Prüfung  ein  klares 
Walten  der  Naturgesetze,  ein  inniger  Zusammenhang  zwischen  biologischen 
Gesetzmäßigkeiten  und  ozeanographischen  Tatsachen. 

Inzwischen  erschien  das  Werk  des  Herrn  Vortragenden :  Ostasienfahrt. 
Erlebnisse  und  Beobachtungen  eines  Naturforschers  in  China.  Japan  und 
Ceylon.     Leipzig  und  Berlin,  B.  G,  Teubner.  1906. 

Mittwoch,  den  23.  Oktober  1907. 

Herr  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  E.  von  Baelz-Stuttgart: 
Das  französische  Kolonialreich  in  Hinterindien.  (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  berührte  zunächst  die  früheren  französischen  Ver- 
suche große,  ferne  Kolonien  zu  gründen.  Es  gab  eine  Zeit  im  17.  und  18. 
Jahrhundert,  wo  der  größte  Teil  des  nordamerikanischen  Kontinents  als 
französischer  Besitz  oder  doch  als  französische  Interessensphäre  galt.  Auch 
Indien  wäre  in  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  beinahe  französisch  geworden. 
Von  alledem  ist  so  gut  wie  nichts  mehr  übrig. 

In  Hintehndien,  oder  wie  es  offiziell  heißt,  in  Indochina,  haben 
die  Franzosen  nach  einigen  vergeblichen  Versuchen  erst  in  den  sechziger 
Jahren  des  19.  Jahrhunderts  Fuß  gefaßt.  Zunächst  erzwangen  sie  1862  Yon 
Annam  die  Abtretung  von  Cochinchina.  1863  stellte  sich  der  König  von 
Cambodja  (zwischen  Cochinchina  und  Slam)  unter  Frankreichs  Protektion. 
1888  bekannte  sich   Annam   als  französischen  Vasallen,   und   nach   ziemlich 


—    124    — 

heftigen  K&mpfen  wurde  auch  der  nördlichste  Teil  Annams,  Tonkin.  über 
das  China  seit  2000  Jahren  Oberhoheitsrechte  beanspruchte,  diesem  entrissen. 
Von  Siam  wurden  an  Frankreich  vor  längerer  Zeit  die  Laos-Provinz  am 
mittleren  Mekong  nnd  neuerdings  die  Provinzen  Battambang  und  Siamreap 
(mit  den  großartigen  Resten  der  alten  Khmer-Kultur)  abgetreten.  Endlich 
gehört  zu  Indochina  Kantschauwan,  ein  kleines  Gebiet  in  Südchina,  das  Frank- 
reich als  Gegengewicht  gegen  das  deutsche  Kiautschou  1899  okkupierte. 

Das  so  beschaffene  Kolonialreich  ist  ein  Fünftel  größer  als  Frankreich 
und  hat  vermutlich  etwa  12  Millionen  Einwohner,  während  früher  weit 
höhere  Zahlen  angegeben  wurden.  Als  seine  Interessensphäre  betrachtet 
Frankreich  auch  die  große  Insel  Hainan  und  verschiedene  offene  Häfen  in 
Südchina. 

Die  Einwohner  gehören  überwiegend  zur  malaiischen  Rasse  im  weiteren 
Sinne,  und  zwar  meist  zu  den  sog.  Tai.  Im  Süden  findet  sich  femer  viel 
indisches  Blut  durch  das  schon  vor  unserer  Zeitrechnung  eingewanderte  Volk 
der  Khmer. 

Der  Handel  des  überwiegend  Reis  bauenden  Landes  ist  relativ  gering, 
dank  der  kurzsichtigen  Politik,  welche  nichtfranzösische  Schiffe  nur  unter 
erschwerenden  Bedingungen  daran  Teil  nehmen   läßt. 

Der  Redner  hat  Indochina  Ende  1902  als  Gast  der  französischen 
Regierung  besucht,  welche  zu  dem  mit  der  ostasiatischen  Ausstellung  in 
Hanoi  verbundenen  Orientalisten-Kongreß  Vertreter  aller  gelehrten  Gesell- 
schaften Ostasiens  einlud.  Vortragender  war  der  Vertreter  der  Asiatic  Society 
of  Japan.  Auf  der  Reise  berührte  er  das  schon  erwähnte  Kantschauwan, 
aus  welchem  die  Franzosen  nicht  bloß  eine  Flottenstation,  sondern  auch 
einen  wichtigen  Ausgangspunkt  für  ein  in  China  eindringendes  Eisenbahnnetz 
machen  wollten.  Es  zeigte  sich  aber  bald,  daß  es  dazu  ungeeignet  ist,  und 
diese  großen  Pläne  sind  aufgegeben. 

Auch  die  ganze  französische  Politik  in  Indochina  selbst,  und  namentlich 
in  dem  nördlichsten  bevölkertsten  Teil,  Tonkin,  ist  wesentlich  von  der  Idee 
diktiert,  von  hier  aus  allmählich  Südchina  kommerziell  zu  erschließen  und 
womöglich  später  auch  politisch  zu  beherrschen.  Zu  diesem  Zweck  sind 
großartige  Eisenbahnsysteme  entworfen  und  bis  zur  chinesischen  Grenze  auch 
schon  ausgeführt  worden.  Ob  es  aber  gelingen  wird,  die  von  China  längst 
erhaltene  Konzession  des  Weiterbaus  tief  ins  Innere  dieses  Landes  in  die 
Tat  umzusetzen,  ist  bei  der  jetzt  ganz  veränderten  politischen  Lage  Ost- 
asiens recht  zweifelhaft. 

Zwar  ist  die  Gefahr  eines  schon  vor  dem  russisch-japanischen  Kriege 
in  Indochina  allgemein  befürchteten  japanischen  Angriffs  vorläufig  durch 
das  französisch  -  japanische  Abkommen  beseitigt,  aber  die  Chinesen  selbst 
werden  jetzt  widerspenstig,  nachdem  bei  ihnen  die  Losung  gilt:  China  für 
die  Chinesen. 

In  ihrem  System  der  Behandlung  der  Eingeborenen  sind  die  Franzosen 
weit  zuvorkommender  als  die  Engländer  oder  gar  die  Holländer.  Sie  wollen 
die  Eingeborenen  möglichst  auf  dem  gleichen  Fuß  wie  die  Europäer  behandeln. 
C^  ist  dies  aber  ein  sehr  gewagtes  Experiment. 


—    125    — 

Mittwoch,  den  30.  Oktober  1907. 

Herr  Dr.  6eorg  Wegener -Berlin:  Über  meine  neueren 
Reisen  in  Innerchina.    (Lichtbilder.) 

Diese  Reisen  sind  eine  Fortsetzung  der  Stadien  des  Yangtse-Oebiets, 
die  der  Redner  im  Winter  1900/01  begann.  Damals  bereiste  er  den  großen 
Strom,  unmittelbar  nach  dem  deutsch-englischen  Yangtse-Abkommen,  bis  in 
die  Schluchten  und  Schnellen  oberhalb  von  Itschang.  Seinen  Arbeiten  wurde 
ein  Ziel  gesetzt  durch  den  schweren  Schiffbruch,  den  er  am  27.  Dezember 
19(X)  mit  dem  deutschen  Dampfer  „Suihsiang"  in  der  Stromschnelle  Tung- 
lingtan  erlitt 

Im  Jahre  1906  nahm  er  die  Forschungen  wieder  auf  und  dehnte  sie 
diesmal  insbesondere  auf  die  Nebengebiete  des  Yangtse  aus,  die  durch  die 
wichtigsten  Zuflüsse  mit  dem  Hauptstrom  in  enger  Verkehrsverbindung 
stehen.  So  besuchte  er  die  neuerdings  dem  Fremdhandel  lebhafter  sich  er- 
schließende Provinz  Hunan  und  ganz  besonders  die  Provinz  Kiangsi,  das 
hydrographische  Gebiet  des  Kankiang.  Letztere  Reise  war  der  eigentliche 
Gegenstand  des  Vortrags.  Die  Expedition  berührte  hier  teils  Gegenden,  die 
seit  der  englischen  Gesandtschaft  von  1816  an  dem  Hof  von  Peking  nicht 
wieder  von  Weißen  besucht  wurden,  teils  solche,  die  überhaupt  noch  jung- 
fräulicher Boden  waren.  Sie  verließ  am  17.  November  Kiukiang  und  durch- 
querte zunächst  in  chinesischem  Hausboot  den  Poyang-See,  der  damals  schon 
einige  40  Fuß  unter  seinem  sommerlichen  Hochwasserstand  war,  aber  doch 
noch  im  nördlichen  Teile  eine  einheitliche  Seefläche  bildete.  Zwei  Monate 
später  hatte  er  sich  auch  hier  in  einzelne,  durch  Sandbänke  getrennte  Streifen 
aufgelöst.  Der  südliche  Teil  war  schon  jetzt  an  Stelle  eines  Sees  ein  Gewirr 
von  Sandinseln  und  Wasseradern  mit  sehr  schwieriger  Schiffahrt.  Dann 
wurde  Nantschangfu  erreicht.  Redner  schilderte  Anblick  und  Bedeutung 
dieser  wichtigsten  Stadt  der  Provinz,  die,  an  der  Kreuzung  der  Kankiang- 
straße  und  der  nach  Fukien  hinüberführenden  Straße  des  Fuhotales  gelegen, 
das  natürliche  Zentrum  der  großen  Fnichtebenen  ist,  die  sich  an  den  Süd- 
rand des  Poyang-Sees  anschließen.  Zu  Lande  wanderte  man  dann  längs  des 
Fuhotals  nach  Südosten  durch  diese  Fruchtebenen.  Redner  führte  die  ver- 
schiedenen Kulturen  dieses  Gebiets,  ferner  die  eigenartigen  Straßen  vor,  die 
nur  Fußpfade  sind,  denn  der  Wagen  ist,  wie  in  ganz  Südchina,  auch  hier 
gänzlich  unbekannt;  sodann  die  oft  sehr  imposanten  Brücken  des  Landes, 
den  Charakter  der  Dörfer  und  die  Hauptzüge  der  Bevölkerung.  Die  Kiangsi- 
Leutc  bilden  eine  Gruppe  von  provinzieller  Eigenart,  in  ihrem  Dialekte  noch 
zu  dem  Yangtse-Gebiete  gehörig,  doch  gegen  Süden  stark  von  Südchina  be- 
einflußt. Der  ehemals  sehr  lebhafte  Binnenhandel  nach  Kwangtung  über  den 
Meiling-Paß  hat  freilich  heute  fast  ganz  aufgehört,  der  Seeverkehr  längs 
der  Küste  hat  ihn  aufgezehrt. 

Von  Kientschang  ab  wandte  sich  die  Expedition  südwärts  in  die  Ge- 
birgswelt  hinein,  die  den  südlichen  Teil  der  Provinz  Kiangsi  erfüllt.  Das 
Grundgerüst  dieses  Gebirges  sind  800  bis  1200  m  hohe  scharfgeschnittene 
Ketten  von  sinischer  Richtung,  SW— NO,  ganz  wie  Richthofen  es  voraus- 
gesehen hatte,    meist   aus    einem   grünlichblauen  Tonschiefer.     Dazwischen 


—    126    — 

sind  Formationen  aus  roten  Sandsteinen  hineingebettet,  die  in  ihrer  Neigung 
zn  senkrechter  Zerklüftung  bizarre  Felsformen  bilden  und  häufig  plateau- 
artige Abrasionsflächen  zeigen,  deren  Deutung  schwierig  ist  und  wohl  auf 
Arbeit  der  hier  eigentümlich  flächenförmig  denudierenden  Flüsse  zurückzu- 
führen ist.  Der  höchste  bewohnte  Berg  der  Provinz  ist  der  Hsünfong-schan 
bei  Nanföng,  ein  Granit-Porphyr- Kegel  von  1811  m  Meereshöhe.  Die  Grund- 
fläche der  Provinz,  auf  der  die  Gebirge  aufruhen,  liegt  nicht  sehr  hoch  über 
dem  Meeresspiegel ;  die  höchste  Paßschwelle,  die  die  Expedition  überschritt, 
betrug  nur  ca.  210  m.  Bei  Ningtu  wurde  der  Oberlauf  eines  der  beiden 
Qucllflüsse  des  Kan  erreicht  und  die  Reise  mittels  Dschunken  fortgesetzt, 
die  in  Kantschou  gegen  größere  umgetauscht  werden  mußten.  Der  Redner 
führte  die  Gestaltung  dieser  Gegenden  und  des  Lebens  ihrer  Bevölkerung, 
ihre  Schiffahrt,  Flößerei,  Fischerei,  ihre  Siedelungen  am  l-fer,  die  Elemente 
ihrer  Kunst  usw.  in  Wort  und  Lichtbilder  vor.  Nicht  ohne  Gefahr  waren 
auch  diesmal  die  Stromschnellen,  die  der  Kankiang  zwischen  Kantschoufu 
und  Wannganhsien  bildet  und  die  am  Weihnachtstage  passiert  wurden.  In 
der  Gegend  von  Hsinkang  wurde  dann  wieder  die  Ebene  gewonnen  und  ohne 
Belästigung  durch  den  inzwischen  an  der  Westgrenze  ausgebrochenen  Aufruhr 
Nantschangfu  erreicht.  Bis  Nantschangfu  gehen  heute  schon  Aufnahmen  der 
europäischen  Yangtse-Flußkanonenboote.  Von  dort  über  Kantschoufu  bis 
wieder  nach  Nantschang  zurück  erstreckt  sich  die  vom  Redner  während  der 
Expedition  ausgeführte  Itincrar- Auf  nähme.  Ein  reiches  Material  von  Be- 
obachtungen wurde  zurückgebracht  und  harrt  der  wissenschaftlichen  Ver- 
arbeitung. 

Mittwocl),  den  6.  November  1907. 

Herr  Prof.  Dr.  Karl  Kindermaun-Hohenheim  bei 
Stuttgart:  Deutschlands  wirtsehaftliche  Weltstellung. 

Der  Redner  behandelt  zunächst  eine  Reihe  allgemeiner  Gesichtspunkte, 
dann  eine  Reihe  spezieller  Faktoren.  Nicht  mit  allen  Konkurrenten  Deutsch- 
lands soll  ein  Vergleich  eingehend  durchgeführt  werden,  sondern  hauptsächlich 
nur  mit  England  und  den  Vereinigten  Staaten,  welche  drei  die  Führung  des 
wirtschaftlichen  Lebens  in  ihre  starke  Hand  genommen  haben,  mit  anderen 
Ländern  kann  der  Vergleich  nur  angedeutet  werden.  Obwohl  England  und 
Deutschland  viele  gemeinsame  Kulturideale  haben,  stehen  sie  doch  in 
schärfstem  Wettbewerb  einander  gegenüber  und  für  die  Mißstimmung  zwischen 
beiden  Völkern  gibt  eben  der  Umstand  die  Erklärung,  daß  sie  beide  um  die 
Palme  des  Primates  im  wirtschaftlichen  Leben  ringen.  Fnt^r  den  allge- 
meinen Faktoren  ist  die  Bevölkerungsfrage  sehr  wichtig.  Im  Bevölkerungs- 
wesen nimmt  Deutschland  eine  sehr  günstige  Stellung  ein,  es  ragt  gleich- 
mäßig hervor  durch  eine  hohe  Millionenzahl  wie  durch  die  Dichtigkeit  der 
Bevölkerung.  Seine  mittlere  Altersverteilung  gibt  ihm  zugleich  einen  elastischen 
Grnndzug.  Es  hat  ein  großes  Wachstum  und  besitzt  —  ein  nicht  zu  unter- 
schätzender Faktor  —  eine  große  Zahl  Volksgenossen  im  Ausland.  Ebenfalls 
wichtig  ist  die  Entwickelungsfrage.    Die  Gesamtentwickelung  I )eutsch- 


—    127    — 

lands,  sein  Fortschreiten  in  Aktivität.  Arbeitsteilung  und  Arbeitsvereinigang 
und  Regelmäßigkeit  aller  Funktionen  ist  seit  den  sieb^Eiger  Jahren  sehr  rege 
und  steht  keinem  Volke  nach.  In  der  Verteilung  von  Zwang  und  Freiheit 
oder  dem  Parteiwesen  im  weiteren  Sinne  zeichnet  sich  Deutschland  durch 
kräftige  Mittelparteien  aus.  die  eine  stetige  Entwickelung  garantieren,  es 
steht  in  diesem  Punkte  mit  in  vorderster  Linie.  Wenn  das  Deutsche  Reich 
auch  ärmer  an  Natur-  und  Kapitalfaktoren  ist  als  seine  Konkurrenten, 
so  ist  es  desto  reicher  an  durchgebildeter  Arbeit  vermöge  energischer  Er- 
ziehung seitens  Kunst  und  Wissenschaft.  Ausschlaggebend  ist  die  Qualität 
der  Arbeit,  wir  müssen  daher  die  Qualität  der  Arbeit  ausbilden. 

Redner  geht  dann  zu  den  speziellen  Faktoren  über:  Landwirtschaft, 
Handel  und  Gewerbe.  Die  Landwirtschaft  aller  modernen  Völker  ist 
ungünstig  gestellt,  am  ungünstigsten  die  englische  und  russische.  Auch 
Deutschlands  Landwirtschaft  befindet  sich  in  einer  wenig  günstigen  Lage, 
sie  leidet  an  Leutenot  und  Preisnot.  Dies  erregt  schwere  Bedenken,  denn 
gerade  die  Landwirtschaft  ist  eine  Quelle  der  Volkskraft,  was  u.  a.  auch 
deutlich  die  Anshebungsziffern  beim  Militär  beweisen.  Indes  zeigt  unsere 
Landwirtschaft  eine  wachsende  Rührigkeit  in  der  technischen  Schulung  der 
Landwirte,  in  der  (irttndung  von  (Genossenschaften  usw.  Durch  die  Selbst- 
hilfe zusammen  mit  den  mittleren  Schutzzöllen  wird  es  möglich  sein,  sie  im 
ganzen  auch  kräftig  zu  erhalten.  Das  deutsche  Gewerbeleben  tritt 
immer  mehr  dem  fremden  ebenbürtig  an  die  Seite.  Dies  besonders  durch 
die  Entwickelung  einer  mächtigen  Feinindustrie.  Während  England  Jahr- 
zehnte lang  ein  Monopol  in  Textilwaren  hatte,  ist  ihm  jetzt  Deutschland 
ein  gefährlicher  Konkurrent  geworden.  Auch  die  schwere  Industrie  hat  sich 
in  Deutschland  in  breitestem  Maße  ausgebildet,  sodaß  es  mit  seiner  Kohlen- 
industrie an  dritter,  mit  der  Eisenindustrie  an  zweiter  Stelle  steht.  Unser 
Arbeiterstand  hat  sich  in  physischer  und  geistiger  Hinsicht  deutlich  gehoben 
und  kann  sich  heute  dem  Arbeiterstand  aller  Völker  gleichstellen.  Handel 
und  Verkehr  Deutschlands  bedeuten  ebenfalls  eine  wachsende  Macht.  Über- 
sichtliche Tabellen  erläuterten  alle  diese  Punkte  und  führten  sie  weiter  aus. 

Mittwoch,  den  13.  November  1907. 

Frau  Fanny  Bullok-Woikman-Loudon:  Die  erste 
Erforschung  des  Hoh-Lumba  und  des  Sosbon  -  Gletschers. 

(Lichtbilder.) 

Die  Ausgangspunkte  unserer  beiden  letzten  Expeditionen  in  die  Hoch- 
gebirge von  Haltistän  kann  man  von  Srinagar.  der  Hauptstadt  Kaschmirs« 
aus  in  28  Tagemärschen  erreichen.  Die  Gebirgsregion.  deren  Gletscher  von 
uns  erforscht  wurden,  liegt  zwischen  dem  74"  o.V  und  dem  75'  45'  ö.  L.  und 
zwischen  dem  35**  45'  und  dem  8H*  n.  Rr. 

Auf  unserer  zweiten  Expedition  im  .Jahre  li)08  wurde  die  erste  Be- 
steigung und  Erforschung  des  Höh-  und  des  Sosbon-Gletschers  unternommen. 
Begleitet  waren  wir  von  dem  Topographen  Herrn  B.  Hewett  und  den  wohl- 
bekannten Führern  Joseph  Petigax  und  ('.  Savoie  aus  Courmayeur  und  dem 


—    128    — 

Träger  L.  Petigax.  Große  Mühe  verursachte  uns  die  Znsammenstellung 
unserer  Trägerkarawane.  Da  frühere  Erfahrungen  uns  gelehrt  hatten,  daß 
die  Dorfbewohner  aus  dem  Schigar-Tal  und  dem  oberen  Bascha-Tal  bei 
Expeditionen  in  die  wirkliche  Hochregion  des  Himalaya  als  Träger  kaum 
zu  verwenden  waren,  wir  aber  mit  Leistungen  von  Kulis  aus  der  Provinz 
Rondu,  westlich  von  Skardu  in  Baltistän,  viel  zufriedener  gewesen  waren, 
so  beschlossen  wir,  wenn  möglich  einen  Versuch  mit  diesen  zu  wagen.  Auf 
unsere  Bitte  ersuchte  daher  der  Resident  von  Kaschmir  den  Tehsildar  von 
Skardu  um  Anwerbung  von  30  Kulis,  welchem  Verlangen  dieser  bereitwillig 
nachkam.  Er  schloß  mit  den  Leuten  einen  Vertrag,  laut  welchem  sie  gegen 
sehr  hohen  Lohn  und  vollständige  Verköstigung  sich  verpflichteten,  unser 
Gepäck  zu  tragen  und  uns  zu  begleiten,  wohin  wir  nur  wollten.  Ein  Kon- 
traktbruch sollte  den  Verlust  eines  halbmonatlichen  Lohnes  zur  Folge  haben. 
Der  Tehsildar  schrieb  ihre  Namen  auf  eine  Liste,  und  jeder  Kuli  drückte 
mittelst  seines  in  die  Tinte  getauchten  Daumens  sein  Siegel  unter  seinen 
Namen. 

Um  es  gleich  vorweg  zu  nehmen,  mit  Ausnahme  von  etwa  sechsen. 
zeigten  sie  sich  sämtlich  genau  so  faul  und  unbrauchbar  als  die  schlimmsten, 
welche  je  in  unseren  Diensten  standen,  und  ohne  die  anderen  Kulis,  die  wir 
bei  uns  hatten,  und  diejenigen,  welche  noch  im  Dorfe  Höh  angeworben  wurden, 
wären  wir  in  den  größeren  Höhen  hilflos  gewesen.  Nicht  nur  daß  sie  trotz 
der  sorgsamsten  Behandlung  ihre  Pflichten  aufs  Gröblichste  vernachlässigten, 
sie  verließen  uns  bereits  nach  viertägigem  Aufenthalte  im  Schnee  in  einer 
Höhe  von  4579  m,  und  suchten,  in  Skardu  angekommen,  anstatt  der  kon- 
traktlichen Rückerstattung  des  zweiwöchentlichen  Lohnes  uns  durch  den 
Tehsildar  gerichtlich  zu  belangen,  um  einen  14tägigen  Extralohn  von  uns 
herauszuschlagen. 

Von  Skardu,  dem  Hauptort  ßaltistäns,  aus  erreicht  man  durch  einen 
kurzen  Marsch  in  Nordostrichtung  das  Schigar-Tal,  in  welchem  man  (82  km) 
weit  aufwärts  wandert,  bis  man  zur  Stelle  gelangt,  wo  der  Schigar  aus 
Braldoh  und  Bascha  zusammenfließt.  Alsdann  folgt  man  dem  Braldohfluß 
(22  km)  weit  bis  zu  dem  kleinen  Dorfe  Höh,  welches  oberhalb  des  Zusammen- 
flusses des  Höh  und  des  Braldoh  in  einer  Höhe  von  2865  m  liegt.  Hier  wurde 
unsere  Karawane  durch  die  erwähnten  Kulis  auf  70  Mann  vorstärkt. 

Das  Tal  des  Hoh-Flusses  ist  mit  einer  mehrere  hundert  Fuß  mächtigen 
Moräne  erfüllt.  In  dieser  rauscht  im  Grunde  einer  öden  Schlucht  der  Hohfluß 
zu  Tal,  ein  brausender,  khakifarbiger  Gletscherbach,  der  sich  oft  in  großer 
Tiefe  seinen  Weg  durch  die  Felsen  hindurch  gebahnt  hat.  Die  Abhänge  sind 
mit  Felsblöcken  übersät.  Jenseits  dieser  Schluchtstrecke  wurde  eine  ungeheure 
Winterlawine  überschritten,  die  voll  schwarzer  Trümmer  war  und  von  der 
einen  Seite  des  Nala  bis  zur  gegenüberliegenden  reichte,  den  Fluß  also  voll- 
ständig bedeckte.  Man  stößt  auf  keine  Spur  irgendwelcher  Vegetation  mit 
Ausnahme  der  mit  dem  magersten  Boden  zufriedenen  aromatischen  Burtsa- 
Pflanze,  bis  man  etwa  6Vt  km  weiter  aufwärts  nach  Pirna  Tapsa.  einem 
kleinen  Weideplatz,  gelangt,  der  ziemlich  reich  mit  Birken  und  Zedern  be- 
standen ist.  3  km  weiter  oberhalb  erreicht  man  Nangma  Tapsa,  einen 
ähnlichen  Weideplatz,  3ö3ö  m  hoch  gelegen.    Bis   zu   diesem   Punkte  (^mit 


—     129     — 

Aasnahme  von  Pirna  Tapsa)  wanderte  unsere  Gesellschaft  durch  eine  düstere 
Landschaft,  die  nicht  die  geringste  Spur  von  Lehen  und  Farbe  aufwies. 
Manche  nennen  schon  die  Wege  in  Ladakh  düster  und  eintönig;  aber  diese 
sind  abwechslungsreich  und  schön,  ja  malerisch,  wenn  man  sie  mit  dem 
Tale  des  Hoh-Lumba  vergleicht,  über  dessen  fürchterlicher  Ode  der  Tod 
seine  schaurigen  Fittiche  auszubreiten  scheint.  Hier  in  Nangma  aber  sieht 
alles  anders  aus,  unsere  Karawane  lagert-e  auf  einer  weiten,  grünen  Wiese 
mit  reichem  Baumbestand,  wo  das  Vieh  weidete  und  an  murmelnden  ßächlein 
zur  Tränke  ging. 

Den  Hoh-Gletscher.  der  hier  beginnt,  sah  Oberst  Godwin-Austen  einst 
aus  der  Feme,  als  er  in  den  6()er  Jahren  des  vorigen  Jahrhundert«  im  Auf- 
trag des  Triconometrical  Snrvey  hier  Aufnahmen  machte ;  aber  unsere  Gesell- 
schaft war  die  erste,  die  ihn  beschritt.  Seine  Hauptrichtung  von  Nangma 
Tapsa  aus  ist  nach  Nordwesten,  seine  Länge  von  der  Zunge  bis  zu  seinem 
Ansatz  unter  dem  großen  Sattel  beträgt  19,  seine  größte  Breite  l.H  km  und 
seine  Breite  am  oberen  Ende  unterhalb  des  Ansatzes  0,8  km.  Er  scheint  in 
den  letzten  Jahren  rasch  zurückgegangen  zu  sein.  Oberhalb  Nangma  Tapsa 
befindet  sich  eine  große  Moräne  voll  riesiger  Blöcke,  zwischen  denen  sich 
eine  Menge  Bäume  erheben.  Der  Abstand  ihres  äußersten  Endes  vom  gegen- 
wärtigen Gletscher  beträgt  etwa  1,6  km.  Innerhalb  dieser  älteren  Moräne 
folgt  zunächst  eine  mit  spärlicher  Vegetation  bedeckte,  niedrige  Moränen- 
streuung und  dann  frische  Moräne. 

Ein  weiteres  Anzeichen  des  (iletscherrückgangs  ist  das  Vorhandensein 
eines  bedeutenden  Moränekamms,  dessen  höchster  Punkt  sich  16  m  über  dem 
Gletscher  erhebt.  Auf  der  freien  Seite  steigt  derselbe  zu  reichlich  30  m 
Höhe  an.  Wenn  man  von  Nangma  Tapsa  aufsteigt,  so  überschreitet  man 
ihn  und  gelangt  alsdann  auf  das  Eis. 

Bereits  hier  empfängt  der  Hob  seinen  ersten  linken  Seitengletscher, 
den  Tschaitora.  Der  einzige  weitere  Scitengletscher  auf  der  linken  oder 
östlichen  Seite  zweigt  6,4  km  von  der  Zunge  aus  ab.  und  heißt  der  Sosbon. 
Auf  der  Westseite  münden  drei  Seitengletscher  in  den  Hauptgletscher,  nahe 
an  dessen  südlichem  Ende,  und  9  km  weiter  oben  kommt  ein  großer  Seiten- 
gletscher von  Westen.     Im  ganzen  sind  es  6  Seitengletscher. 

Nachdem  wir  den  erwähnten  Moränenkamm  verlassen  hatten,  befanden 
wir  uns  sofort  auf  dem  Eis,  in  einer  Höhe  von  41 IH  m,  eine  Höhe,  in 
welcher  wir  auf  anderen  Gletschern  stets  niedrigere  Bergvorsprünge  oder 
Seitenmoränen  gefunden  hatten,  auf  welchen  wir  unser  Lager  aufschlagen 
konnten.  Aber  in  diesem  Jahre  fanden  wir  Ende  Juni  den  Hoh-Lumba  voll- 
ständig mit  einem  dicken  Schneemantel  bedeckt  und  ebenso  die  tieferen 
Bergabhänge. 

Infolge  der  dicken  Schneedecke  war  es  äußerst  schwierig,  sich  ein 
l.'rteil  über  die  Gestalt  des  Gletschers  und  seiner  Moränen  zu  bilden.  Auf 
dem  Gletscher  selbst  gab  es  keine  bedeutenden  oder  gar  keine  Seitenmoränen, 
und  wenn  Mittelmoräncn  überhaupt  vorhanden  waren,  so  waren  sie  so  sehr 
mit  Schnee  bedeckt,   daß  sie  sich  vom  Gletscher  nicht  abhoben. 

Charakteristisch  für  die  ersten  8  km  ist  die  wellenförmige  Oberfläche 
des   Gletschers.     Man    klettert   immerzu    über    große   Sclineehügel,    ein    be- 

9 


—    130    — 

ständiges  Auf  and  Ab.  Wir  befanden  uns  hier  gerade  oberhalb  unseres 
ersten  Gletscherlagers,  in  einer  Höhe  von  4451  m.  Die  herrlichen  Granit- 
spitzen im  Hintergründe  erscheinen  infolge  des  ansteigenden  Terrains 
verkürzt. 

Der  4.  und  letzte  Seitengletscher  au!  der  Westseite  ist  der  Eerie- 
Gletscher,  4  km  lang  und  wo  er  zu  dem  Hoh-Lumba  tritt,  nicht  niedriger 
als  4573  m.  Seine  Oberfläche  zeigte  eine  ununterbrochene  tiefe  Schneedecke, 
weshalb  keinerlei  Spalten  sichtbar  werden.  Der  Schneegipfel  an  ihrem 
oberen  Ende  wurde  von  unserem  Topographen  durch  Triangulation  zu  6357  m 
gemessen. 

Südlich  der  Einmündung  des  Eerie-Gletschers.  etwa  9  km  oberhalb 
des  Gletscherendes  wurden  Messungen  über  das  Vorrücken  des  Hoh-Eis- 
Stromes  unter  schwierigen  Umständen  vorgenommen.  In  einer  Entfernung 
von  136  m  vom  Gletscherrande  betrug  das  Vorrücken  in  24  Stunden  79  mm. 
bei  224  m  Entfernung  61  mm. 

Beim  weiteren  Aufwärtssteigen  zeigte  der  Hauptgletscher  eine  Biegung 
in  mehr  nördlicher  Richtung,  indem  er  sich  gegen  eine  Art  von  verlängertem 
Becken  öffnete.  Von  den  schneebedeckten  Felsgehängen  war  das  große  Joch 
oberhalb  des  Gletscherursprungs  in  einer  Entfernung  von  5  km  sichtbar.  Dieser 
Sattel  ist  der  einzige,  welcher  sich  in  einem  weiten  Kranze  hoher  Granitnadeln 
befindet,  die  sich  in  zwei  langen  Reihen  zu  beiden  Seiten  des  Grates  hin- 
ziehen. Die  Höhe  der  Gebirgszacken  beträgt  5800  bis  6100  m ;  ihre  selt- 
samen messer-  oder  schwertähnlichen  Formen,  die  in  dieser  frühen  Jahres- 
zeit überall,  wo  der  Schnee  nur  irgend  haften  konnte,  Schneestreifen  und 
Schneeflecken  zeigten,  bildeten  eine  der  seltsamsten  und  unvergeßlichsten 
Gebirgsszenerien,  die  ich  je  gesehen  habe.  Der  Eisfall  —  denn  es  ist  kein 
Paß  —  ist  auf  der  amtlichen  Karte  von  Indien  als  ein  niedriger  Paß  be- 
zeichnet, der  zum  Hispar-Gletscher  hinüberführt.  In  Wahrheit  endigt  der 
über  das  Gletschereis  aufragende  Kamm  in  einer  ungeheuren  Wächte  von 
seltsam  krauser  Form;  und  diese  hängt  über  einem,  dem  Hispar-Gletscher 
parallel  ziehenden,  bisher  unbekannten  Gletscher,  der  etwa  12<X)  m  senkrecht 
unter  dieser  Wächte  dahinzieht.  Dieser  Gebirgssattel,  welcher  von  uns  zum 
erstenmal  bestiegen  wurde,  hat  eine  Höhe  von  5741  m.  Der  Aufstieg  war 
etwas  schwierig,  da  man  auf  der  rechten  Flanke  des  Eisfalls  emporklettem 
und  dann  den  steilen  Schneeabhang  der  Felsennadel  überschreiten  mußte. 
In  unserem  Lager  auf  dieser  Felsennadel,  nahe  dem  Trsprun^  des  Hoh- 
Gletschers  in  einer  Höhe  von  4689  m  verbrachten  wir  zwei  Nächte  in  Er- 
wartung der  Kulis.  Temperaturmessungen  ergaben  um  l  Vi  Uhr  76*/i  •  Celsius 
in  der  Sonne.  Es  war  nicht  unsere  höchste  Temperatur:  aber  der  Tag  war 
windstill  und  daher  die  Hitze  konzentriert  und  erschlaffend.  Die  Sonne 
beschien  nach  4  Uhr  nachmittags  das  Lager  nicht  mehr,  und  gegen  5  Uhr 
begann  es  zu  frieren. 

Der  große  östliche  Zweig  des  Hoh-Lumba-Gletschers  ist  der  Sosbon. 
Auf  der  amtlichen  Karte  von  Indien  erscheint  er  als  ein  kleiner  Ausläufer 
des  Hoh-Lumba,  ist  aber  in  Wahrheit  ein  sicherlich  ebenso  langer  und  breiter 
Gletscher  wie  der  Höh.  Von  seiner  Vereinigung  mit  jenem  bis  zu  seinem 
Ursprung  an  einem  5188  m   hohen  Gebirgssattel  ist  er  11  km  lang  und  ver- 


—    131    — 

läuft  ziemlich  parallel  mit  dem  Hoh-Lamba.  Er  hat  an  seinem  Ostrande 
wiederum  mehrere  Seitengletscher  und  hängende  Gletscher. 

Den  großen  Berggipfel  von  6900  m  Höhe,  den  wir  von  unserem  Lager  aus 
aus  den  Wolken  sich  erheben  sahen,  und  der  von  allen  Seiten  sichtbar  seine 
Umgebung  weit  überragte,  nannten  wir  Sosbon-Berg.  In  diesem  Lager  war 
es,  wo  beim  Anfang  eines  Schneesturmes  unsere  vorerwähnte  ständige  Kuli- 
truppe uns  verließ.  Glücklicherweise  hatten  wir  dieses  Vorgehen  der  Kulis 
vorausgesehen  und  einige  Tage  vorher  nach  Askole  geschickt,  um  Ersatz  zu 
bestellen,  der  auch  zur  rechten  Zeit  den  Gletscher  heraufkam.  Nach  einem 
48  stündigen  Schneesturm,  der  uns  hier  heimsuchte,  konnten  wir  irgendwelche 
Kenntnis  über  die  Struktur  des  Gletschers  nur  durch  ein  mehr  als  beschwer- 
liches Umherwaten  in  kniehohem  Schnee  erlangen. 

Drei  scharfbegrenzte,  tiefe  Furchen  verlaufen  in  der  Längsrichtung 
des  Gletschers  von  der  Basis  des  Sosbon-Berges  4  km  weit  herab  bis  ungefähr 
zum  Ansatz  des  ersten  Seitengletschers,  und  wir  unterschieden  einen  stark 
markierten  Mittelmoränenkamm.  Unterhalb  desselben  ist  der  Gletscher 
augenscheinlich  mit  Moränenschutt  bedeckt,  doch  war  dieser  von  tiefem 
Schnee  so  vollständig  überzogen,  daß  nur  wenige  charakteristische  Einzel- 
heiten bemerkt  werden  konnten. 

Zum  Schluß  mögen  einige  Worte  über  die  Karakorum-Wasserscheide 
auf  der  Südseite  des  Hispar-Passes  folgen.  Auf  unseren  beiden  Expeditionen 
11X)2  und  11)08  haben  wir  auf  dieselbe,  wenn  ich  mich  so  ausdrücken  darf, 
wiederholt  einen  Angriff  unternommen,  t^eils  weil  die  Sättel,  in  welchen  die 
von  uns  erforschten  Gletscher  ihren  höchsten  Punkt  haben,  in  dieser  Ge- 
birgskette liegen,  und  teils  weil  die  Idee,  einen  neuen  Paß  zu  finden,  auf 
welchem  eine  Karawane  nach  dem  Hispar-Gletscher  und  damit  nach  Hunze 
und  Nagar  gebracht  werden  könnte,  gewissermaßen  unser  Steckenpferd  war. 
Ich  bin  jetzt  der  Meinung,  daß  die  einzige  für  Kulis  gangbare  Route  von 
beiden  Seiten  her  der  Nusrhik  La  ist. 

Die  Sättel  des  Sosbon  und  des  Hoh-Lumba-Gletschers  werden,  wie 
erwähnt,  vom  Hispar-Paß  durch  einen  kleinen  Zwischengletscher  und 
einen  schmalen  Kamm  getrennt.  Unmittelbar  zum  Hispar-Gletscher  führt 
im  weiteren  Verlauf  der  Bergkette  der  Altschori-Sattel,  dessen  erste  Be- 
steigung ich  mit  drei  Führern  unt<»mahm.  Kr  hat  eine  Höhe  von  5372  m 
und  ist  ebenfalls  eine  große  Schneewächte,  die  aber  den  Hispar-Gletscher 
direkt  überragt.  Der  Gefahr  wegen  krochen  wir  nur  einzeln  angeseilt  auf 
die  Wächte  hinauf  und  schauten  auf  den  großen  Hispar  herunter,  der  sich 
in  einsamem  Lauf  gegen  Nagar  hinschlängelt. 

Hier  erlebten  wir  wieder  eine  Finttäuschiing ;  denn  es  war  nicht  nur 
nicht  möglich,  eine  Karawane  hinüber  nach  Hispar  zu  schaffen,  sondern  wir 
kamen  selbst  nicht  hinüber.  Es  folgen  weiterhin  zwei  ansehnliche,  rechte 
Nebengletscher  des  Altschori.  deren  Ansätze  in  einer  Linie  mit  dem  Altschori- 
Paß  liegen.  Aber  nach  sorgfältiger  Rekognoszierung  fanden  wir  sie  so  zer- 
klüftet und  zerschrundet  und  trafen  nah  an  ihrem  Gipfel  so  große  Spalten 
an,  daß  sie  sogar  von  der  Südseite  völlig  unzugänglich  waren.  Ebenso  er- 
wi<*sen  sich  zwei  Zweige  des  Ken»  Lungma.  welche  zum  Hispar  führen 
konnten,  als  unübersteiglich.    Es  schließt  sich  dann  noch  der  Nushik  La  an, 


—    132    - 

ein  guigbarer  Pafi.   den   aber   die  BMcha-Enlis   seit  einigen    Jahren 
mehr  begeben  mSgen. 

Von  den  oberen  Zuflüssen  des  Chogo  Langma-Gletschers  ans 
wir  zwei  sehr  hohe  Pässe  erstiegen,  von  welchen  sich  zeigte,  daß  s 
Übe^Lnge  gar  nicht  in  Frage  kommen  konnten.  Oberhalb  der  g 
Bergwand  an  dem  oberen  Teil  des  Chogu  Langma.  welche  eich  zu 
HShe  TOD  6()00  m  erhebt,  befindet  sich  wahrscheinlich  ein  ziemlich 
Weg  nach  Nagar.  Wir  hatten  einen  äußerst  klaren  Blick  anf  das  Seh 
und  den  jenseits  desselben  ablatlenden  Gletscher,  aber  wie  hätten  w: 
beladenen  Kulis   dazn  vermögen  können,    diese    Bergwand    zu   Oberste 

So  haben  wir  also  10  Sättel  in  der  den  Südrand  des  Hispar  bitd 
Hochgebirgskette  entweder  erklettert  oder  gründlich  erforscht,  und  si' 
mit  der  einzigen  Ausnahme  des  Nnschik-La  unzugänglich  gelundcn. 
Beobachtungen  sind  in  geographischer  Hinsicht  wichtig,  insofern  jede 
Kunde  von  den  großen,  aber  wenig  erforschten  asiatischen  (icbirgsl 
Ton  Interesse  ist;  sie  beweisen  zur  Genüge,  dafi  in  dieser  Gegen 
Karakorums  die  nördlichen  Abhänge  steiler  und  unzugänglicher  sind  a 
sQdlichen. 

Im  Verlaufe  ihrer  Ausfflhmngen  schilderte  die  Pran  Vortragen 
dann  noch  einige  gefährliche  Hochtouren  vom  Chogo  Langma- Gl etsche 
darunter  die  Besteigung  des  Lungma- Berges  mit  6713  m. 

Mittwoch,  den  27.  November  1907. 

Herr  Professor  Dr.  Georg  Steindorff-Leipzig: 
ftiten  nnd  Beneo  We^n  Im  eiiKliHch-&gyptii4clieii  8i 
(Lichtbilder.) 

Nachdem  der  Herr  Vortragende  bald  nach  Beendigung  des  Mah< 
anistandes  im  Jahre  1900  das  untere  Kubien  besncht  und  südlich  von 
sieben  altägyptische  Bni^en  untersucht  hatte,  führte  ihn  eine  neue,  in 
trage  der  Bäcbsischen  Regierung  untemonimene  ReiBe  im  Frühjahr  1! 
das  obere  Nubien  und  den  englisch-ägyptischen  Sudan.  Er  nahm  seini 
reise  anf  einem  ganz  nenen  Verkehrswege,  indem  er  von  Suez  aus  mit 
Dampfer  auf  dem  Roten  Meer  bis  zu  dem  nördlich  von  Suäkin  nenentstai 
Hafen  Port  Sud4n  fuhr,  nach  einem  kurzen  Anfenihalte  hier  weiter 
Sn&kin  ging  und  von  hier  aus  die  erst  im  Januar  19()t>  eri^fTnete  Rote 
Bahn  nach  Chartum  benutzte.  Die  Engländer  haben  mit  dem  Bau 
Bahnlinie,  die  hei  einer  Länge  von  ')3ö  km  (SnAkin.  bezw.  Port  Sud 
Atbara)  in  der  außerordentlich  kurzen  Zeit  von  1*  Monaten  vollendet  ■ 
Ton  neuem  ihre  kolonisatiirischen  Fähigkeiten  bewiesen.  Das  Werk  vt 
umso  größere  Anerkennung,  als  sich  ihm  sowohl  in  der  Topographie  des  L 
als  in  dem  Wassermangel  nicht  geringe  Schwierigkeiten  in  den  Weg  s( 
Freilich  entspricht  der  Gewinn  vollständig  den  aulgewendeten  Anstreng 
und  Kosten,  Die  neue  Rote  Meer-  Bahn  bedeutet  nicht  nur  eine  grof 
kürzung  für  den  Weg  Aleiandria-Chartum.  sondern  hat  auch  eine  em 
Bedeutung  in  strategischer  und  kommerzielter  Hinsicht:  schafft  sie  dor 
inneren  Snd&n  einen   geraden  Weg  nach  dem  östlichen  Heere  und  wei 


—    133    — 

nach  Indien  und  macht  dadurch  den  Sud&n  von  dem  Verkehr  durch  Ägypten 
nilabwärts  unabhängig;. 

In  Chartum  und  der  gegenüberliegenden  ehemaligen  Mahdistenhaupt- 
stadt  Omdenn&n.  die  mit  ihren  Erinnerungen  an  die  schon  fast  ganz  ver- 
gessene Schreckenszeit  des  Sud&n  besonderes  Interesse  bietet,  hielt  sich  der 
Redner  kürzere  Zeit  auf.  Von  hier  aus  wurde  auch  ein  Ausflug  stromauf 
auf  dem  blauen  Nil  nach  den  Ruinen  von  S/^ba  unternommen.  Im  Mittel- 
alter die  Hauptstadt  eines  großen  christlichen  Reichs,  wurde  Sdba  um  das 
Jahr  loCK)  von  Sen&r  aus  durch  die  vereinigten  Scharen  der  Araber  und  Neger 
in  Trümmer  gelegt. 

Die  zwischen  dem  blauen  Nil,  dem  vereinigten  Nil  und  dem  Atbara 
gelegene  „Insel  Meroö"  der  Alten  war  das  Hauptreiseziel  Steindorffs.  Sie 
bildete  in  den  Jahrhunderten  vor  und  nach  Christi  Geburt  den  Mittelpunkt 
eines  ,. äthiopischen  Reichs",  das  ganz  unter  ägyptischem,  teilweise  auch 
griechisch-römischem  Kultureinfluß  gestanden  hat.  Von  Chartum  reiste  der 
Redner  mit  der  Bahn  bis  Ben  Naga:  von  hier  aus  wurde  mit  einer  Kamel- 
karawane der  Marsch  ostwärts  in  die  Wüste  angetreten,  um  zunächst  die 
Ruinen  zweier  alter  Städte  zu  besuchen,  die  heute  Naga  und  Wädi  es-sofra 
heißen.  Aus  den  umfangreichen  Trümmern  Nagas  heben  sich  vier  größere, 
noch  sehr  gut  erhaltene  Tempelruinen  ab.  unter  ihnen  die  eines  großen  ägypti- 
schen Heiligtums  mit  merkwürdigen  Reliefbildem  und  die  einer  griechisch- 
römischen  Kapelle.  Die  Ruinen  von  W&di  es-sofra  liegen  in  einem  rings  von 
Hügeln  umschlossenen  Talkessel  und  gehören  einem  Riesengebäude  an,  wahr- 
scheinlich dem  Schlosse  eines  Äthiopenkönigs,  wie  es  sich  in  gleicher  Aus- 
dehnung nicht  einmal  in  dem  an  Monumentalbauten  überreichen  Ägypten 
wiederfindet. 

Von  hier  aus  wandte  sich  die  Karawane  durch  die  Steppe  wieder  an 
den  Nil  zurück  nach  Schendi:  dann  ging  es  mit  der  Bahn  nordwärts  nach 
Kabüdchija,  der  Station  für  die  Ruinen  und  Pyramiden  der  alten  Hauptstadt 
Meroe.  Die  sehr  ausgedehnte  Stadtruine,  in  der  noch  deutlich  die  mit  Säulen^ 
Statuen,  Sphinxen  geschmückten  Tempelanlagen  zu  erkennen  sind,  dehnt  sich 
unweit  des  östlichen  Nilufers  aus ;  die  Pyramiden  dagegen  liegen  mehr  land- 
einwärts in  der  Wüste.  Sie  sind  ähnlich  den  ägyptischen  Pyramiden  angelegt, 
haben  auch  wie  diese  auf  der  Ostseite  eine  mit  Reliefs  geschmückte  Kapelle, 
die  dem  Kult  der  Verstorbenen  geweiht  war,  sind  aber  viel  kleiner  als  diese 
und  weichen  auch  durch  ihre  steile  Form  (bei  größerem  Neigungswinkel)  von 
ihren  alten  Vorbildern  ab.  Nachdem  die  Pyramiden  untersucht  und  mehrere 
Reliefs  für  das  Leipziger  Universitätsmuseum  geborgen  waren,  trat  der  Vor- 
tragende die  Rückreise  nach  Ägypten  mit  der  Bahn  nach  Haifa  und  weiter 
zu  Schiff  nach  Assuan  an. 

Mittwoch,  den  4.  Dezember  1907. 

Herr  Privatdozent  Dr.  Karl  Oestreich -Marburg: 
Aas  dem  uordwestlieh«^n  Himalaya.     (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  berichtigte  über  seine  Eindrücke  aus  dem  nordwest- 
lichen Himalaya,  den  er  1902  als  Topograph  der  Workmanschen  Expedition 


—    184    — 

bereiste.  Die  Erforschangsgeschichte  des  Gebirges  wird  durch  folgende 
Etappen  gekennzeichnet:  reisende  Arzte,  Landesvermessung  und  Reisen  der 
Gebrüder  Schlagintweit,  die  Alpinisten.  Auch  eine  geologische  Ubersichts- 
aufnahme liegt  fär  den  nordwestlichen  Himalaya  vor:  der  Paläontologe 
Lydekker  hat  im  Dienste  des  Maharadscha  von  Kaschmir  das  Staatsgebiet 
von  Kaschmir  geologisch  kartiert.  Doch  ist,  was  die  geomorphologische 
Durchforschung,  d.  h.  was  die  Erklärung  der  Landschaftsformen  anlangt, 
auch  der  nordwestliche  Himalaya  als  unbekanntes  Gebiet  anzusehen. 

Der  Verlauf  der  Reise  machte  den  Reisenden  zunächst  mit  den  Land- 
schaftsformen des  mittleren  Dschilamtals  bekannt,  dem  schluchtartigen  Austritt 
eines  in  seinem  Hauptteile  als  Längsfluß  entwickelten  Stromes.  Den  Ober- 
lauf bildet  die  Talebene  von  Kaschmir,  ein  Senkungsfeld,  wie  die  mittel- 
rheinische Tiefebene  eines  ist.  Von  der  malerischen,  am  Flusse  und  zugleich 
am  Bergrande  gelegenen  Hauptstadt  Srinagar  aus  wurde  der  Weg  zum  Indus 
über  den  Sodschi-La  angetreten,  eine  durch  Rückwärtseinschneiden  des  Baltal- 
Sind-Flusses  obsolet  gewordene  Paßhöhe,  die  physisch-geographisch  und 
ethnographisch  auf  der  (irenze  zwischen  Südasien  und  Innerasien  liegt.  Der 
Wüstencharakter  wird  von  da  ab  immer  ausgeprägter  bis  zum  Indus,  an 
dem  in  einer  wüstenhaften  Talweitung  Skardu.  der  Hauptort  von  Baltistan, 
liegt.  Beobachtungen  über  die  Fels-  und  Talformen  erlaubten  dem  Reisenden, 
das  Ausmaß  der  eiszeitlichen  Vergletscherung  hier  und  in  den  angrenzenden 
Gegenden  schärfer  zu  bestimmen,  als  es  vorher  möglich  war.  Im  Schigartal 
und  im  Tal  des  Bascha,  dem  westlichen  Quellarm  der  Schigar.  aufwärts- 
ziehend, näherte  man  sich  den  Hochalpen  von  Baltistan.  wo  der  viertgrößte 
der  Gletscher,  der  Tschocho-Gletscher,  aufgenommen  werden  sollte.  Die  Wüste 
war  verlassen,  in  etwa  2500  m  Meereshöhe  stellte  sich  die  europäische  Wiese 
mit  ihrer  Flora  ein,  und  üppige  Wiesen  dehnen  sich  auf  den  Moränen  an- 
gesichts der  Stirn  des  gewaltigen  Tschocho-Luma-Gletschers.  Im  Dorfe 
Arindo,  dem  letzten  im  Tale,  verweilte  der  Reisende  14  Tage  lang  und  führte 
eine  tachy metrische  Aufnahme  des  Gletscherendes  aus.  Einen  Monat  lang 
dauerte  dann  die  Aufnahme  (Auspeilung)  und  das  Studium  des  ganzen  48  km 
langen  Eisstromes.  Nur  einen  touristischen  Höhepunkt,  die  Erreichung  des 
Eisjochs  unter  dem  Haremosch  schilderte  der  Vortragende  ausführlicher  und 
wies  dann  noch  daraufhin,  daß  es  ihm  gelungen  ist.  Beweise  für  eine  seit 
der  tertiären  Auffaltung  stattgefundene  Einebnung  mit  nachfolgender  W^ieder- 
emporhebung  auch  für  dieses  Hochgebirge  zu  erhalten. 

(Vgl.  des  Redners  Schrift:  die  Täler  des  nordwestlichen  Himalaya«— 
Dr.  A.  Petermanns  Mitteilungen,  Ergänzungsheft  Nr.  165,  Gotha  1906.) 

Mittwoch,  den  11.  Dezember  1907. 

Herr  Prof.  Dr.  Lucian  Scherman-München:  Die 
religiöse  Knost  des  alten  Buddhismus.    (Lichtbilder.) 

Von  der  neueren  Literatur  über  sein  Thema  erwähnt  der  Vortragende 
namentlich  die  Arbeiten  von  Professor  Grünwedel,  dem  Direktor  des  Berliner 
Museums  für  Völkerkunde;  in  der  französischen  Schule,  die  besonders  in 
Indochina  Mustergültiges  leistet,  wirkt  bahnbrechend  Foucher   und   die  rege 


—     135    — 

Tätigkeit  der  Engländer  bezeugen  die  vornehmen  Regiernngspublikationen 
des  Archäological  Survey,  des  prächtigen  Griffiths'schen  Werkes  über  Ajanta 
u.  a.  m.  Zur  Illnstration  seines  Vortrages  stützt  sich  der  Redner  auf  das 
Tafelmaterial  dieser  VeröfTentlichangen  sowie  auf  Museum sphotographien, 
welche  ihm  von  der  indischen  Regierung  zur  Verfügung  gestellt  waren. 

Die  indische  Archäologie  setzt  nach  dem  derzeitigen  Forschungsstande 
spät  ein.  Kein  historisches  Denkmal  führt>  uns  über  Asoka,  d.  i.  die  Mitte 
des  dritten  vorchristlichen  Jahrhunderts  hinaus,  ältere  Schichten  können 
wir  nur  literarhistorisch,  also  mit  reflektiertem  Lichte  erschließen. 

Um  so  glänzender  aber  ist  der  Beginn:  wie  die  Steinedikte  des 
Buddhistenherrschers  Asoka  noch  heute  als  wahrhaft  königliche  Worte  emp- 
funden werden,  so  ersteht  in  jener  Periode  auch  ein  künstlerisch  stolzes  und 
freudiges  Schaffen.  Seinen  Mittelpunkt  bilden  die  sogenannten  Stupa, 
die  ursprünglich  Gräber,  dann  auch  allgemeine  Erinnerungsbauten  waren ; 
ihr  zum  Teil  überreicher  Reliefschmuck  gewährt  einen  Überblick  des  damaligen 
Besitzstandes  an  religiösen  Legenden.  Neben  spezifisch  indischen  Stoffen, 
die  der  Vortragende  an  Bildern  aus  Indien  und  Ceylon  erläutert,  findet  sich 
auch  für  die  allgemeine  Volkskunde  lohnendes  Material  in  den  Motiven  der 
Symbolik.  Denn  die  Person  Buddhas  ist  jahrhundert-elang  ersetzt  durch 
symbolische  Andeutungen  wie  Dreizack.  Rad  bezw.  Lotus,  Baum  der  Er- 
kenntnis, Fußtapfen  etc.  Man  hüte  sich  aber,  hier  vorschnell  von  primitiver 
Kunst  zu  reden.  Diese  Elemente?  stammen  allerdings  aus  relativ  alter  Zeit, 
aber  auch  da  haben  schon  Beeinflussungen  von  Volk  zu  Volk  stattgefunden. 
Der  Vortragende  beleuchtet  das  speziell   an  Svastika-  und  Dreizack-Symbol. 

Berührungen  mit  dem  Auslande  zeigt  die  altindische  Kunst  in  jeder 
der  für  uns  erreichbaren  Phasen.  In  Asokas  Hauptstadt  hat  man  ein  großes 
jon  isches  Kapital  ausgegraben  und  ganz  unverhüllt  drückt  sich  andauernd 
der  persische  Einfluß  in  Kleidung  und  architektonischen  Formen  aus.  Eine 
eigene  hochinteressante  Periode  indes  stellt  die  sogenannte  Gandhara-Kunst  dar, 
eine  gräco-b]uddhis tische  Mischung,  die  in  den  nordwestlichen  Grenz- 
provinzen Indiens  bis  nach  Kaschmir  hinein  während  der  ersten  Jahrhunderte 
nach  Christi  Geburt  in  Blüte  gestanden  hat.  Den  zeitlichen  Ausgangspunkt 
sucht  der  Vortragende  bei  Kanishka,  dem  Indoskythenkönig,  den  er  nach 
Frankes  u.  a.  Untersuchungen,  denen  auch  Pischel  beipflichtet,  vor  den  Be- 
ginn der  christlichen  Ära  setzt.  Die  berühmten  Buddha-Münzen  sind,  wenn 
nicht  die  ersten,  so  doch  mit  die  allerältesten  bildlichen  Darstellungen  des 
Stifters  der  ersten  missionierenden  Religion  der  Welt.  Damit  ergibt  sich 
auch  der  chronologische  Einklang  mit  den  inschriftlichen  Zeugnissen  alter 
Gandhara-Skulpturen.  ferner  mit  der  durchaus  unverdächtigen  Überlieferung 
hinsichtlich  der  Verpflanzung  des  Buddhismus  von  Indien  nach  China;  diese 
Länder  standen,  wie  jüngst  auch  erst  Conrady  dargetan  hat,  schon  lange 
vor  Christus  in  wirtschaftlichem  und  wissenschaftlichem  Verkehr. 

Die  Frage  nach  Beziehungen  zwischen^^Buddhismus  und  Christentum 
ist  auch  für  die  Kunstgeschichte  aufgeworfen.  Eine  strikte  Antwort  freilich 
erlaubt  die  gegenwärtige  wissenschaftliche  Erkenntnis  hier  so  wenig  wie  in 
der  Evangelienkritik.  Jedenfalls  war  es  höchst  voreilig,  von  einem  Christus- 
typus  in  Buddhaflguren   zu  sprechen.     Will   man   die   aufi'ällige  Ähnlichkeit 


—    136    — 

der  (iandhara-Bu4ldhas  mit  den  der  Antike  nachtrebildeten  C*bristusbildem 
Ideinasiatischer  Richtung  —  sie  sind  bekanntlich  früh  durch  den  Jerasalem- 
Typus  zurückgedrängt  worden  -  analysieren,  so  mub  man  entweder  sich 
mit  der  Feststellung  der  gemeinsamen  Quelle  l>egnügen.  oder  aber  der  (»an- 
dhara-Kunst.  die  ja  nahezu  fabrikmät)ig  gearbeitet  hat.  die  Priorität  zu- 
erkennen. Auch  ganz  allgemeine  kulturgeschichtliche  Kr^^ägungen  sprechen 
dafür.  daG  man  in  Ländern,  wo  dem  jungen  Chri.stentum  ein  volkstümlicher 
Untergrund  in  Legende  und  Kunst  geschaffen  wurde,  von  einer  so  expansiven 
Bewegung,  wie  es  der  Buddhismus  war.  sicherlich  einige  Kenntnis  hatte. 
Besonnene  Theologen  und  Altertumsforscher  haben  hier  schon  die  richtitre 
Fährte  gewiesen. 

Der  letzte  Abschnitt  des  Vortrages  behandelte  die  Reste  altindischer 
Malerei.  Nach  einer  Charakterisierung  der  Höhlenbauten  im  allgemeinen 
folgte  eine  nähere  Beschreibung  der  großartigen  Freskendenkmäler  von 
Ajanta.  Was  dort  in  etwa  tausendjähriger  Arbeit  die  Kunst  des  Buddhismus 
—  an  dem  oberflächlich  Urteilende  so  gern  die  Passivität  und  den  Quietis- 
mus  hervorheben  —  schöpferisch  her\'orgebracht  hat.  ist  bewundernswert. 
In  Formenreichtum  wie  Durcharbeitung  der  architektonischen  und  dekorativen 
Motive  ist  überraschend  Schönes  geboten. 

Den  Schluß  bildete  ein  kurzes  Resume  zur  Verdeutlichung  der  so 
merkwürdigen  Kreislinie,  die  sich  uns  in  der  künstlerischen  ICntwicklung 
des  alten  Indiens  zeigt.  Die  von  Griechenland  mit  oder  ohne  persische 
Vermittlung  übeniommene  Schulung  hat  in  Indien  durch  Assimilation  und 
Umformung  einen  Stil  geschaffen,  der  seine  Wirkung  auf  das  ganze  Ost- 
asien auszudehnen  verstand.  Und  wie  dann  von  hier  aus  wieder  der  euro- 
päischen Kunst  neue  Nahrung  zugestn'unt  ist.  weiß  jeder,  der  Kunst  und 
Kunstgewerbe  unserer  Zeit  mit  aufmerksamem  Blicke  verfolgt. 

Mittwoch,  den  18.  Dezember  1907. 

Herr  Dr.  Erich  Zugmayer -München:  über  seine 
Forsehnnssreise  In  West -Tibet  1906.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  venv-endete  das  Jahr  19(H)  vom  Februar  ab  auf  eine 
Reise  in  Zentralasien,  deren  Hauptziel  die  geographische  und  zoologische 
Erforschung  des  westlichen  Tibet  bildete. 

Als  Einleitung  erörterte  er  die  verschiedenen  Namen,  unter  denen  Tibet 
bei  seinen  Bewohnern  selbst  und  bei  den  umliegenden  Völkern  bekannt  ist: 
die  Tibeter  nennen  ihr  Land  Lod  Jul  d.  h.  Buddhas  Erde,  der  unwirtliche 
und  unbewohnte  zentrale  und  nordwestliche  Teil  wird  Tschang  Tang  genannt. 

Das  Klima  Tibets  ist  trotz  der  geographischen  Lage  kalt,  eine  Folge 
der  außerordentlichen  Seehöhe  und  der  Absperrung  gegen  Südwinde  durch 
den  Himalaya.  Die  Expedition  Dr.  Zugmayers,  die  außer  ihm  aus  einem  euro- 
päischen Diener.  t>  Eingeborenen  und  zu  Beginn  aus  60  Tragtieren  bestand, 
brachte  genau  2  Monate  in  beständigen  Seehöhen  von  über  iVXK)  m.  zu.  Nacht- 
temperaturen von  —  12®  C  und  mehr  waren  sehr  häufig,  trotzdem  die  Reise  in 
Tibet  in  den  Hochsommer  fiel.  Die  größte  vom  Vortragenden  erreichte  Höhe 
betrug  6100  m,  das  höchste  Lager  war  anfangs  Juli  in  5950  m  ü.  M.    Im 


—     137    — 

Winter  sinkt  die  Temperatur  oft  unter— 40  •C,  ein  großer  Teil  der  Tierwelt 
wandert  sodann  nach  (-hina  oder  KaBchmir  aus;  die  Riesenherden  von  Anti- 
lopen, Wildpferden  und  Yaks  jedoch  bleiben  ständig  im  Land,  trotz  des  äberaus 
spärlichen  Weidefutters.  Die  Plätze,  an  denen  dieses  wächst,  sind  die  Sammel- 
punkte der  pflanzenfressenden  Tierwelt  und  zu);leich  die  Orte,  an  denen  eine 
Karawane  lagern  kann :  auch  Wasser  findet  sich  nur  in  großen  Zwischen- 
räumen und  die  Seen  des  Landes  sind  zumeist  bittersalzig.  Als  Brennstoff 
dient  hauptsächlich  die  Losung  der  Tragtiere  und  der  getrocknete  Mist  von 
wilden  Yaks  und  Antilopen,  den  man  in  der  Nähe  des  Lagerplatzes  aufliest. 

Eine  der  größten  Schwierigkeiten  für  den  Tibetreisenden  bildet  die 
Sterblichkeit  unter  den  Reit-  und  Tragtieren,  die  dem  vereinigten  Einfluß  der 
Kälte,  des  fast  beständigen  Sturmes,  der  verdünnten  Höhenluft,  der  mangel- 
haften Fütterung  und  der  allgemeinen  Anstrengung  erliegen.  Der  Vortragende 
gab  einige  Beispiele  über  das  Wegsterben  der  Lasttiere  fiüherer  Expeditionen; 
die  Zahl  seiner  eigenen  Tiere  betrug  bei  seinem  Einmarsch  in  Tibet  16  Pferde. 
H6  Esel  und  8  Yaks,  daneben  !(>  Schafe  und  drei  Hunde :  von  den  Lasttieren 
erreichten  nur  8  Esel  das  Ziel,  und  nur  dadurch,  daß  gegen  Ende  der  Reise  von 
Nomaden  frische  Pferde  und  Yaks  gekauft  werden  konnten,  war  es  möglich, 
die  wissenschaftlichen  Sammlungen,  Aufzeichnungen,  Waffen  und  Instrumente 
zu  bergen ;  fast  das  ganze  übrige  Gepäck,  ein  Zelt,  ein  Fallboot,  Pro>iant  etc. 
mußte  einfach  zurückgelassen  werden. 

Das  Zusammentreffen  mit  Eingeborenen  wollte  der  Redner  möglichst 
lange  vermeiden  und  es  gelang  auch  2  Monate  hindurch,  dann  aber  zwang 
der  Mangel  an  Transporttieren  zum  Aufsuchen  bewohnter  Gebiete.  Die 
Nomaden  benachrichtigten  jedoch  die  einheimischen  Behörden,  die  der  Ex- 
pedition, nachdem  zwei  Aufforderungen  zur  Umkehr  unberücksichtigt  geblieben 
waren,  eine  Truppe  von  ca.  21)0  Soldaten  entgegenstellten.  Der  Reisende 
mußte  sich  auf  Unterhandlungen  einlassen  und  im  Vergleichswege  erreichte  er, 
daß  man  ihm  den  Weg  nach  Westen,  nach  Kaschmir,  freigab.  Ein  weiteres 
Vordringen  in  der  geplant<en  Südostrichtung  blieb  unmöglich.  Im  ganzen  ver- 
hielten sich  die  Tibeter  nicht  allzu  feindselig  und  es  kam  zu  keinem  ernsteren 
Zwischenfall.  Doch  erklärte  der  Befehlshaber  der  Soldaten,  er  habe  Auftrag« 
jedes  weitere  Vordringen  gegen  Süden  mit  Waffengewalt  zurückzuweisen; 
das  Lager  der  Expedition  sowie  die  Pässe  und  Furten  der  Umgebung  wurden 
daher  scharf  bewacht. 

Der  östlichste  von  der  Expedition  erreichte  Punkt  war  der  größte 
tibetische  Süßwassersee,  der  Apo  Zo  oder  Horpa  Tschu.  Endgültig  aufgehalten 
wurde  die  Expedition  einige  Stunden  vor  der  Stadt  Rudok,  am  östlichsten 
Ende  der  Panggong- Seenkette.  Von  hier  aus  wurde  dann  der  Marsch  nach 
Westen  angetreten  und  eine  Eskorte  begleitete  den  Reisenden  bis  an  die 
Grenze  des  britischen  Schutzgebietes.  Am  1.  Oktober  wurde  die  Stadt  Leh 
in  Ladak  erreicht,  wo  sich  die  Expedition  auflöste.  Der  Vortragende  und 
sein  Diener  kehrten  durch  Kaschmir  und  Indien  und  schließlich  auf  dem  See- 
wege von  Bombay  nach  Triest  in  die  Heimat  zurück. 

Landschaftliche  Schönheiten  bietet  das  innere  Tibet  weniger  als  die 
Grenzgebirge,  in  denen  sich  alle  Alpinengroßartigkeit  entfaltet.  Auf  dem 
Plateau  selbst  sind  die  Höhenunterschiede  nicht  sehr  bedeutend  und  der  höchste 


—     138    — 

Gipfel,  den  der  Vorti»Kende  dort  maU,  w&r  6850  m  hoch  nnd  erhob  sich  c 
läOOm  über  die  Ebene  an  seinem  Fall.  Die  dUnne  Luft  der  Uöhfn  jedot 
ruft  durch  ihre  Klarheit  anii  durch  die  dadurch  bediD);ten  scharfen  Kontras 
zwischen  Licht  und  Schatten  Karlienellekt«  von  wunderliarer  Schiinheit  hervi 
und  verdoppelt  die  Helligkeit  von  Hond  und  Sternen.  Hegen  f&llt  weni 
dagegen  herrschen  oft  furchtbare  Schneesturme  und  in  den  Nachmittagsatundi 
stellen  sich  hänfig  kurxe,  aber  überaus  heltige  llagelbUen  ein. 

Ausitthrlich  besprach  der  Vortragende  das  zunehmende  Versalzen  d 
tibetiBchen  Seen  infolge  des  Mangels  an  Abflüssen  und  erörterte  die  Verbal 
nisse  des  Apo  Zn  und  der  Panggnngseen.  die  in  der  (iegenwart  eben  an  d 
Grenze  zwischen  sUH  und  salzig  angelangt  sind.  Beide  haben  keinen  Abfli 
mehr,  infolgedessen  ist  ihr  Salzigwerden  und  das  Aussterben  ihrer  Tierwc 
nur  eine  Zeitfruge. 

Als  Zoolog  widmete  der  Redner  der  Tierwelt  des  Landes  einen  längen 
Abschnitt  seiner  Ausführungen  und  berichtete  nach  der  Besprechung  d 
wichtigsten  Gruppen  der  Wirbellosen  und  niederen  Wirbeltiere  über  die  Jaf 
auf  Vogelwild  und  besonders  auf  Antilopen  nnd  \\'ildplenle.  Nachdem  d 
mitgefDhrten  Konserven  zurückgelassen  werden  mußten,  hatten  Klint«  ui 
BUcbse  der  Expedition  den  Fteischbedarf  zn  liefern :  dBnel)en  war  Reis,  d 
in  großen  Mengen  oiitgefUhrt  wurde,  das  Hauptn  ahm  ngsmittel.  An  Nahrung 
mangel  litt  die  Expedition  nie,  wohl  aber  mußte  mehrmals  ohne  Wass 
kampiert  werden.  L'nter  der  Bergkrankheit  hatte  niemand  zu  leiden,  obglei< 
körperliche  Arbeit  In  der  dünnen  Luft  heftiges  Herzklopfen  und  Atembeschwe 
den  hervorrief. 

Zum  Schluß  erwähnte  der  Redner  ein  Zusammentreffen  mit  tibetischi 
R&nbern,  das  aber  sehr  friedlich  verlief,  nnd  besprach  kurz  das  Leben  d 
Bevölkerung  in  den  besiedelten  Teilen  der  von  ihm  bereisten  Gebiete.  D 
Einfluß  der  Priester  ist  allm&cbtig,  sie  haben  bisher  in  erst«r  Linie  d 
Zugänglicbkeit  Tibets  für  Fremde  verhindert  oder  erschwert  In  jöngster  Zf 
ist  Tibet  durch  das  englisch -russische  Abkommen  bis  auf  weiteres  für  al 
Arten  von  Expeditionen  verschlossen  und  China  wird  zum  Anschluß  an  die 
Absperrungstaktik  genütigt. 

Außer  reichen  zoologischen  Sammlungen  bracht«  der  Vortragende  vi 
seiner  Reise  eine  Kollektion  von  Pflanzen  und  Gcst«insproben,  sowie  ethn 
graphische  Objekte  nach  Europa.  Die  gesamte  Marschroute  in  Tibet  wur 
im  Maßstab  1  :  TUXX)  aufgenommen  und  Über  Temperatur,  Seebähen-  ui 
meteorologische  Verhältnisse  ständig  Journal  geführt. 

Mittwoch,  den  8.  Januar  1908. 

Herr  Professor  Dr.  Siegmun'l  iJünther->[iinclien:  Ai 
den  FeUeDgebirgen  von  Nordamerika.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  berichtete  über  die  Iteize  und  wissenschaftlich' 
Anregungen,  welche  eine  Bereiaun^  der  sich  tief  in  die  Republik  Mexl 
hineinziehenden  Steppen-  nnd  Wüsten! an dscbaft  des  .^Udu'estens  der  Vi 
einigten  Staaten  (Texas,  Neumexiko,  Arizona,  Südost- Kalifornien)  in  reicht 
Maße  darbietet.     Die   beiden    quer   hin  durchführenden    Bahnlinien  (Southe 


—    139    — 

Pacific  Railroad.  Arkansas-Topeca-Railway^  geben  dem  Reisenden,  da  die 
Züge  sich  durchschnittlich  nur  langsam  fortbewegen,  eine  sehr  gute  Gelegen- 
heit, auch  Einzelheiten  des  Landschaftsbildes  sich  einzuprägen.  Geschildert 
wurden  im  besonderen  die  häutig  auftretenden  Staubhosen,  das  eigenartige 
Phänomen  des  ^mirage''  (Fata  morganai,  die  regelmäßig  gebauten,  oft  einen 
gewaltigen  Flächenraum  überdeckenden  Bauten  der  „Landbau  treibenden 
Ameise*'  (farmer  anti,  der  oft  plr)tzliche  Wechsel  zwischen  Lößflächen  mit 
tief  eingeschnittenen  Regenrinnen  und  die  charakteristische  Pflanzen-  und 
Tierwelt  dieser  Gegenden,  welch  letztere  manche  Eigentümlichkeit  enthält,  so 
die  einzige  giftige  Eidechsenart  der  Erde  (Gila-monster.  heloderma  suspectum). 
Einer  eingehenderen  Besprechung  mußte  der  erst  seit  wenigen  Jahren  ent- 
standene und  jetzt  schon  bis  zur  doppelten  Größe  des  Bodensees  angewachsene 
Salton  Lake  des  Coahuilla- Tales  unterzogen  werden,  der  einer  falschen 
Spekulation  der  Ansiedler  seinen  Ursprung  verdankt,  welche,  um  eine  bessere 
Berieselung  der  dortigen  tiefen  Depression  herbeizuführen,  den  Colorado-River 
anzapften  und  nun  sehen  mußten,  wie  der  Strom  die  künstliche  Rinne  der- 
gestalt erweiterte  und  vertiefte,  daß  nur  noch  geringe  Massermengen  den 
normalen  Weg  zum  Kalifornischen  Meerbusen  zu  flnden  vermögen.  Schließlich 
widmete  der  Redner  noch  eine  besondere  Erörterung  dem  „Großen  Colorado- 
Cafion'^,  dessen  pittoresken  Anblick  er  beschrieb  und  dessen  Bildungsgeschichte 
er  nach  Powell  und  Dutton  skizzierte.  Der  Vortrag  schloß  mit  einer  Kenn- 
zeichnung der  südlichen  Rocky  Mountains,  vorab  des  Pikes  Peak,  und  mit 
einem  Exkurse  auf  die  nirgendwo  übertroffenen  großartigen  Erosionsgebilde 
(„Göttergarten"  u.s.  w.),  welche  dem  Ostfuße  des  Felsengebirges  an  mehreren 
Stellen  vorgelagert  sind. 

Mittwoch,  den  15.  Januar  1908. 

Herr  Scbulrat  Dr.  Salzmann-Stuttgart:  Karthago 
einst  und  jetzt.  (Lichtbilder  und  Ausstellung  von  Photo- 
graphien.) 

Der  Redner  führte  seine  Zuhörer  in  das  Dorf  Sidi-bu-Said,  das  auf 
dem  äußersten  Vorsprung  der  Halbinsel  Karthago  liegt  und  eine  Übersicht 
über  das  ganze  wellenförmige  Gelände  gewährt,  auf  dem  einst  die  größte 
Handelsstadt  der  alten  Welt,  die  Rivalin  Roms,  thronte.  Von  hier  aus  konnte 
der  mutmaßliche  Lageplan  der  alten  punischen  Stadt,  die  vollständig  vom 
Erdboden  verschwunden  ist,  klargelegt  werden,  wie  sie  sich  um  den  Barg- 
hügel der  Byrsa  einst  gruppiert  hat.  Die  Herrlichkeit  der  Lage  braucht 
den  Vergleich  mit  der  von  Konstantinopel  nicht  zu  scheuen ;  von  drei  Seiten 
vom  Meer  umschlossen,  gegen  Süden  durch  den  See  Bahira  und  im  Norden 
durch  einzelne,  jetzt  zusammengeschrumpfte  Salzseen  vom  Festland  bis  auf 
wenige  Kilometer  abgetrennt,  schien  sie  beinahe  uneinnehmbar.  Nach  an- 
schaulicher Schilderung  des  Schauplatzes  ging  der  Vortragende  näher  auf 
die  Sage  von  der  Gründung  der  Stadt  ein  und  ließ  sodann  auf  dem  öden 
Gefilde  vor  dem  geistigen  Auge  der  Zuhörer  das  alt^e  punische  Karthago  in 
seiner  Pracht  und  Herrlichkeit  wieder  auferstehen,  um  daran  in  erzählender 


—    140    — 

Form  den  letzten  Akt  dieser  weltgeschichtlichen  Tragödie,  die  Eroberung 
der  beiden  Häfen,  die  Erstürmung  der  ßyrsa  durch  Scipio  und  den  voll- 
ständigen Untergang  der  Weltstadt  ausführlicher  darzustellen.  Die  Geschichte 
des  römischen,  christlichen  und  arabischen  Karthagos  lag  außerhalb  des 
Rahmens  des  Vortrags. 

Die  Überreste  der  punischen  Stadt  muß  man  unter  dem  Erdboden 
suchen ;  was  von  Trümmergestein  auf  dem  öden  Gefilde  vorhanden  ist.  stammt 
aus  römischer  Zeit.  Auf  der  Byrsa  erhebt  sich  jetzt  die  imposante,  im 
maurischen  Stil  gehaltene  Kathedrale  des  Kardinals  Lavigerie.  an  die  sich 
das  Seminar  der  ^Fr^res  Blancs".  das  archäologische  Museum  und  der 
stimmungsvolle  Garten  mit  der  Kapelle  des  Heiligen  Ludwig  anschließen. 
Die  große  Bedeutung  des  eigenartigen  Museums  wurde  von  dem  Redner 
gebührend  hervorgehoben.  Et  führte  die  Zuhörer  noch  zu  einigen  aus 
punischer  Zeit  stammenden  Zistemengewölben.  auf  denen  das  Dörfchen 
Malka  erbaut  ist.  ließ  sie  einer  Ausgrabung  von  punischen  Gräbern  am  Fuß 
der  Byrsa  beiwohnen,  wobei  die  fälschliche  Behauptung  zurückgewiesen  wurde, 
daß  die  Nekropole  des  punischen  Karthagos  auf  dem  Berg  Kaoui  im  Norden 
der  Halbinsel  angelegt  gewesen  sei  fdie  dortigen  Grabhügel  sind  jüdischen 
Ursprungs),  und  zeigte  noch  zum  Schluß  die  versandeten  Reste  des  ehemaligen 
Handels-  und  Kriegshafens,  die,  obwohl  sie  nur  noch  einige  Tümpel  vorstellen, 
doch  die  Form  und  Ausdehnung  der  beiden  Häfen  gut  erkennen  lassen.  Die 
Ausführungen  des  Redners  stützten  sich  auf  die  wenigen  Quellen  griechischer 
Schriftsteller,  wie  Polybius  und  Appian.  auf  Meltzer.  Geschichte  der  Kar- 
thager, und  auf  die  neuesten  französischen  Forschungen,  besonders  die  des 
verdienstvollen    Abb6  De  Lattre. 


Mittwoch,  den  22.  Januar  1908. 

Herr  Dr.  Paul  Sarasin-Basel :  Unsere  letzte  Forschungs- 
reise uaeh  Ceylon  ond  die  Steinzeit  der  Weddas.  (riicIitbiUIer.) 

Die  Reise,  welche  der  Vortragende  und  sein  Vetter  Dr.  Fritz  Sarasin 
zusammen  während  des  ersten  Halbjahres  1907  nach  Ceylon  unternommen 
hatten,  war  von  einem  speziellen  wissenschaftlichen  Gesichtspunkte  aus  ge- 
leitet. In  den  Wäldern  und  Felsgebirgen  des  (östlichen  Niederlandes  der 
Insel  lebt  der  letzte,  äußerst  spärliche  Rest  einer  uralten  Bevölkerung  auf 
niedrigster  Kulturstufe,  die  sogenannten  Weddas.  welche  von  den  beiden 
Forschem  schon  früher  (1884— 188())  nach  Körperbau  und  Sitten  eingehend 
studiert  und  in  einem  Werke  *)  dargestellt  worden  sind.  Der  Umstand  jedoch, 
daß  sie  keine  eigene  Sprache  mehr  reden,  sondeni  die  des  Kultunolkes  von 
Ceylon,  der  Singhalesen,  übernommen  haben,  ließ  zumal  bei  Sprachforschem 
inuner  wieder  den  Zweifel  laut  werden,  es  könnte  sich  bei  diesen  Weddas 
um  „verwilderte^  oder  .verkommene''  Singhalesen  handeln.   Es  erschien  deshalb 

*)  Sarasin  P.  und  Sarasin  F. :  Ergebnisse  naturwissenschaftl.  Forschungen 
auf  Ceylon  in  den  Jahren  1884—86.  1.  1— H:  II,  1—4  und  III.  Wiesbaden, 
C.  W.  Kreidel,  1887—1893. 


—    141    — 

geboten,  um  ihre  Autochthonie  auf  Ceylon  zn  erweisen,  Nachforschungen  in 
den  von  ihnen  noch  jetzt  gelegentlich  bewohnten  Höhlen  anzustellen  mit 
der  Frage,  ob  in  denselben  die  kulturelle  Hinterlassenschaft  ihrer  Vorfahren, 
die  in  der  Hauptsache  aus  Steinwerkzeugen  bestanden  haben  mußte,  zu  ent- 
decken wäre.  Diesen  Nachweis  zu  führen  gelang  einwandfrei.  Da  man  von 
der  Einwanderung  eines  indischen  Kulturvolkes,  der  Vorfahren  der  jetzigen 
Singhalesen,  nach  Ceylon,  als  einer  verhältnismäßig  späten  geschichtlichen 
Kunde  hat,  so  konnten  die  gefundenen  Steinwerkzeuge  nur  von  den,  übrigens 
ebenfalls  geschichtlich  beglaubigten  l^rbewohnem  der  Insel  stammen,  und 
diese  konnten  keine  anderen  gewesen  sein,  als  die  Frweddas.  die  Vorfahren 
der  noch  jetzt  lebenden  Weddas. 

Die  Reise  führte  von  Kolombo  aus  über  Kandry  mit  der  Eisenbahn 
zunächst  nach  dem  reizlosen  ßandarawela.  Von  hier  ging  es  in  anstrengenden 
Fußmärschen  durch  wildes,  heißes  und  stellenweise  wasserloses  Land  in  die 
östliche  Tiefebene  hinein,  in  der  man  zahlreiches  Wild  wie  Hirsche,  Büffel, 
Elefanten  und  Leoparden  antraf.  An  einer  wasserhaltigen  Höhle  nahe  dem 
Dorfe  Kattragam  nahm  die  Expedition  einen  sechstägigen  Aufenthalt,  um 
Grabungen  anzustellen,  die  aber  als  Resultat  nur  Topf  Scherben  und  Back- 
steintrümmer, die  vermutlich  von  singhalesischen  und  tamilischen  Pilgern 
herrührten,  ergaben';  in  größerer  Tiefe  tauchten  Quai-zsplitter  mit  Spuren  von 
Bearbeitung  auf,  aber  Steinwerkzeuge  .fanden  sich  nicht.  In  beschwerlichem 
Marsche  setzten  die  Reisenden  ihren  Weg  nach  Norden  fort  zu  dem  Dörfchen 
Nilgala,  dem  Zentrum  des  Weddalandes,  und  hier  gelang  es.  in  einer  Höhle 
einen  halben  Meter  unter  der  Erdoberfläche  die  ersehnten  Beweise  für  die 
Steinzeit  der  Weddas  zu  finden:  Späne,  Spitzen  und  Messerchen  aus  ver- 
schiedenfarbigen Quarzstücken,  die  zu  ihrer  Herstellung  dienenden  runden 
Klopfhämmerchen,  ferner  Werkzeuge  aus  Knochen  und  Hirschhomstücken. 
Sämtliche  Funde  gehörten  der  ältesten  Steinzeit,  dem  Paläolithicum  an, 
ebenso  wie  diejenigen,  welche  später  bei  Bandarawela,  ja  sogar  noch  bei 
Kandry  angetroffen  wurden  und  außerdem  den  Beweis  erbrachten,  daß  die 
Weddas  früher  weite  Gebiete  bewohnt  haben  müssen.  Von  Nilgala  nahm 
die  Expedition  ihren  Weitermarsch  nach  dem  fast  undurchdringlichen,  bisher 
noch  von  keinem  Europäer  betretenen  Danilagebirge,  wo  auf  einer  schwer 
zugänglichen  Bergkuppe  einer  Weddafamilie  ein  kurzer,  aber  ungemein 
lohnender  Besuch  abgestattet  wurde.  Von  dort  aus  wurde  die  Rückreise 
nach  Bandarawela  angetreten. 

Mittwoch,  den  29.  Januar  1908. 

Herr  Oberst  z.  D.  August  Boshart  auf  Schloß  Wasser- 
burg am  Boden  see :  Das  Kongobecken  und  seine  Beyölkerung. 

(Lichtbilder.) 

Der  Redner,  der  durch  siebzehnjährigen  Aufenthalt  am  Kongo  auf 
Forschungsreisen  und  als  Expeditionsführer  als  einer  der  besten  Kenner  von 
Land  und  Leuten  gelten  darf,  gab  einleitend  einen  n)erblick  über  die 
historische  Entwicklung  des  Kongostaates,  besprach  die  verschiedenen  wissen- 
schaftlichen Forschungsreisen  im  Gebiet  des  Kongo,   wobei  er  besonders  die 


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epochemachende  Expedition  Stanleys  hervorhob  and  ging  sodann  des  Näheren 
ein  auf  die  1884,86  auf  der  Kongokonferenz  za  Berlin  erfolgte  Gründung 
des  Kongostaates,  eines  Gebietes  von  rund  2  4000(K)  qm  mit  40  Millionen 
Seelen  anter  der  Souveränität  des  Königs  der  Belgier.  Er  schilderte  sodann 
in  aasführlicher  Darstellung  die  geographische  Beschaffenheit  des  Landes 
und  die  hydrographischen  Verhältnisse  des  Riesenstromes,  dessen  Lauflänge 
4B40  km  beträgt,  während  die  Quelle  von  der  Mündung  in  der  Luftlinie 
nur  1750  km  entfernt  ist.  Die  schiffbaren  Wasserstraßen  berechnen  sich 
dort  jetzt  auf  16000  km;    bei  Stanleys  Fortgang  waren  es  :-)000  km. 

Der  Kongo  zeigt  in  seinem  Ober-  und  Mittellauf  den  gleichen  Charakter 
eines  langsam  fließenden,  von  zahlreichen  Inseln  bedeckten  typischen  Flusses 
der  Ebene.  Seine  Breite  steigt  von  760  m  bis  auf  4  km  nahe  der  Mündung 
des  Aruwimi  und  an  der  Mündung  des  Itimbiri,  wo  ein  Gewirr  von  einzelnen 
Armen  langgestreckte  Inseln  umschließt,  gar  auf  über  HO  km.  Auf  der  ganzen 
Strecke  von  Itimbiri  bis  Lukolela  beträgt  sie  im  Durchschnitt  6  bis  9  km. 
Dann  aber  tritt  der  Kongo  in  eine  Art  von  Engpaß  ein,  wird  bis  auf  400  m 
zusammengeschnürt  und  stürzt  bei  einer  Tiefe  von  40  m  mit  13*;«  Sekunden- 
meter Geschwindigkeit  dahin.  Nach  Passierung  der  Kwa-Mündung  erreicht 
er  bald  seinen  tiefsten  Stand  in  der  zentralen  Flachbeckensenke,  eine  in 
280  m  Höhe  gelegene  seeartige  Erweiterung  mit  zahlreichen  Inseln,  den 
Stanley-Pool.  Im  Unterlauf  ändert  der  Kongo  seinen  Charakter  völlig.  Er 
ist  nicht  mehr  das  herrliche  Gewässer,  dessen  mystische  Schönheit  und  Er- 
habenheit, dessen  ruhiges,  auf  einer  Bahn  von  fast  1600  km  ununterbrochenes 
Fluten  uns  trotz  der  wilden  Szenen,  welche  die  Natur  und  die  Menschen 
an  seinen  Gestaden  bieten,  immer  bezaubert  hat,  er  ist  jetzt  zu  einem 
wütenden  Flusse,  einem  riesigen  Torrenten  geworden,  welcher  in  einem 
abschüssigen  Bette  rauschend  hinabstürzt:  Riffe  versperren  ihm  den  Weg 
und  hervorragende  Bergwälle,  Reihen  von  ungeheuren  Steinmauern,  so  daß 
er  sich  in  vielgekrümmtem  Laufe  bald  durch  tiefe  Schlünde  winden  muß, 
bald  wieder  über  gewaltige  Terrassen  in  einer  langen  Reihe  hoher  oder 
niedriger  Wasserfälle  und  Stromschnellen  dahin  stürmt.  Unterhalb  Nocki 
beginnt  der  kurze,  schiffbare  Unterlauf  des  Kongo  im  flachen  Lande  unter 
beständiger  Verbreiterung  des  Flusses  und  starker  Inselbildung.  Bei  Banana 
mündet  er  in  drei  durch  zwei  langgestreckte  Inselreihen  getrennten  Armen 
in  den  Atlantischen  Ozean  und  scheint  dort  ein  unterseeisches  Delta  zu 
bilden,  dessen  Schlammassen  auf  dem  Meeresboden  und  im  Meerwasser  bis 
zu  600  km  Entfernung  von  der  Küste  zu  bemerken   sind. 

Die  Bevölkerung  des  Kongobeckens  bilden  die  zentralen  Stämme  der 
ßantu,  die  über  das  ganze  Gebiet  verbreitet  sind,  und  die  zurückgedrängte 
Rasse  der  kleinen  Batua,  Akka  und  anderer  Jägerstämme.  Die  Eifersüchte- 
leien der  verschiedenen  Negerstämme  untereinander  sowie  die  fortwährenden 
Thronstreitigkeiten  ihrer  Häuptlinge  lassen  keine  größeren  Staatengebilde  von 
auch  nur  einiger  politischen  Bedeutung  aufkommen,  und  so  sehen  wir  in 
dem  weiten  Negergebiet^»  des  Kongobeckens  nur  wenige  festgefügtere  Reiche 
im  südlichen  Teile  desselben,  während  der  ganze  Rest  in  zahllose  kleine 
Gemeinwesen  zersplittert  ist,  die  unter  Häuptlingen  stehen,  die  wenig  oder 
gar  keine  Macht   besitzen.     Der  ganze  Osten   des  Kongobeckens   untersteht 


—     143    — 

dem  Einfluß  der  Araber.  Nyangwe  am  Lnalaba  ist  eine  ihrer  Hauptstützen, 
von  denen  ans  die  arabischen  Händler  das  Land  unterjochen.  Es  ist  nicht 
zu  verkennen,  daß  die  Araber,  wohin  sie  auch  kommen,  gewisse  kulturelle 
Verbesserungen  bringen,  die  aber  rein  egoistisch  und  so  rücksichtslos  be- 
trieben werden,  daß  sie  doch  zu  keinem  Segen  für  die  Eingebomen  führen. 
Mit  dem  arabischen  Element  müssen  aber  auch  Vergewaltigung  der  Ein- 
geborenen und  Sklavenjagden  in  den  Kauf  genommen  werden.  Fehden  sind 
allgemein.  Blutrache  herrscht  überall ;  als  einzige  neutrale  Punkte  im  Lande 
gelten  einige  Märkte,  die  von  den  umwohnenden  Stämmen  besucht  werden. 
Rohe  und  gesittetere  Völker  wohnen  bunt  durcheinander,  so  daß  fast  zwei 
große  ineinandergeschobene  Gruppen  von  Stämmen  vermutet  werden  können. 
Die  wilden  Manjemas  sind  einer  der  rohesten  und  blutgierigsten  Stämme; 
sie  besonders  liefern  den  Arabern  das  erwünschte  Soldatenmaterial  für  die 
Sklavenjagden  und  sind  sowohl  dadurch  als  auch  durch  ihren  Kannibalismus 
äußerst  gefürchtet.  Weiter  stromabwärts  wohnen  die  Warrega,  die  ebenso 
wie  die  weiter  nördlich  wohnenden  Stämme  wegen  ihres  Kannibalismus  im 
schlimmsten  Rufe  stehen.  Am  gefurchtesten  von  allen  sind  die  Mangbatten 
wegen  ihrer  unersättlichen  Gier  nach  Menschen  fleisch,  die  nichts  verschont. 
Auch  die  Stämme  des  mittleren  und  unteren  Kongo  sind  noch  mehr  zer- 
splittert. Zwischen  dem  Ubangi  und  Kongo  sitzen  die  Bangala;  gegenüber 
Kwa-Mouth  und  um  den  Pool  die  Bat<»ke ;  unterhalb  dem  Stanley-Pool  wohnen 
die  Babwende,  Basundi,  Bakamba ;  an  der  Mündung  die  Bakongo,  Moussorongo 
und  Mouschicongo.  Der  im  Westen  häufiger  vorhandenen,  größeren  Gesittung 
folgen  nach  Osten  hin  die  nnvüchsigen,  roheren  Gebräuche  der  im  Innern 
sitzenden  Stämme.  Selbstverstümmelung,  Menschenfresserei  sind  Merkmale 
der  An-  und  Umwohner  des  oberen  und  mittleren  Kongos.  Äußerlich  leben 
dieselben  im  Wohlstand.  Große  Dörfer  mit  rechteckigen  Häusern  und  Hallen, 
riesigen  Getreidespeichern,  regelmäßigen  Dorfstraßen  und  sehr  großer  Dich- 
tigkeit der  Bevölkerung  erfüllen  das  ganze  Kongobecken  von  Manjema  bis 
zum  Pool.  Die  Kongoanwohner  sind  ausgezeichnete  Schiffer  und  Fischer, 
aber  ihre  materielle  Grundlage  liegt  im  Ackerbau,  (überall  treten  die  Grund- 
lagen der  Kultur,  Ackerbau  und  Handel,  hervor,  die  auch  ihren  äußeren 
Ausdruck  in  der  Sucht  des  Negers  nach  Putz  findet. 

Die  Bodenschätze  des  Kongogebiet^s  sind  unermeßlich.  Die  riesigen 
Urwälder  bergen  große  Reichtümer  an  Holz  und  Kautschuk.  Eisen  findet 
sich  massenhaft,  dazu  kommen  Gold.  Silber,  Piatina  und  Quecksilber;  der 
Wert  der  Kupferminen  allein  wird  auf  3  Milliarden  Francs  geschätzt.  An 
dem  Ausbau  von.  Verkehrsstraßen  wird  daher  eifrig  gearbeitet.  Den  oberen 
Kongo  befahren  heute  54  Kegieningsdnmpfer,  27  Dampfer,  die  den  Handels- 
gesellschaften, und  H.  die  den  Missionsstationen  gehören.  Der  Bahnbau  ist 
bereits  soweit  vorgeschritten,  daß  mit  einer  planmäßigen  Ausbeutung  der 
reichen  Bodenschätze;  begonnen  werden  kann.  Pinglische,  französische  und 
amerikanische  Handelsgesellschaften  machen  durch  Bergwerksbetriebe  und 
Bahnkonzessirmcn  Anspruch  darauf ;  es  wäre  zu  wünschen,  daß  auch  Deutsch- 
land bei  weiterer  Verteilung  von  Konzessicmon  Berücksichtigung  fände,  zumal 
deutsche  P'orscher  zur  Erschließung  und  Kenntnis  des  Kongogebietes  am 
meisten  beigetragen  haben. 


—     144    — 

Mittwoch,  den  5.  Februar  1908. 

Herr  Geh.  Regierungsrat  Prof.  Ür.  Theobald  Fischer- 
Marburg:  Die  Häfen  Ton  Marokko.    (Lichtbilder.) 

Von  den  beiden  wichtigsten  geographischen  Grundzügen  Marokkos, 
seiner  Verschlossenheit  und  seiner  überaus  wichtigen  Weltlage,  ist  die  letztere 
erst  in  der  neuesten  Zeit  so  scharf  hervorgetreten,  seit  das  Mittelmeer  nicht 
nur  mit  allen  seinen  Gestadeländem  wieder  aufzuleben  begonnen  hat.  ja  zum 
wichtigsten  Durchgangsmeere  des  Weltverkehrs  geworden  ist  und  Marokko 
somit  an  der  Beherrschung  des  Eingangstores  in  diese  Welt  teilzunehmen 
vermag.  Für  die  Welt  des  Islam  war  und  ist  es  noch  heute  weltentlegen, 
Moghreb  el  asca,  der  äußerste  Westen.  Die  Verschlossenheit  dagegen  ist 
eine  doppelte,  vom  Meere  aus,  wegen  der  Ilafenlosigkeit  seiner  Küsten  und 
vom  Innern,  wegen  der  Unzugänglichkcit  der  (Gebirgslandschaften.  Was  die 
Hafenlosigkeit  anlangt,  ist  sie  erst  in  der  Neuzeit  mit  dem  gewachsenen 
Tiefgange  der  Schiffe  so  verhängnisvoll  hervorgetreten,  denn  den  Fahrzeugen 
früherer  Zeiten,  namentlich  den  bis  in  den  Beginn  des  U).  Jahrhunderts  so 
gefürchteten,  ja  noch  heute  an  der  Riffküste  nicht  völlig  ausgestorbenen 
Piraten,  genügten  die  kleinen  Bucht-  und  Flußmündungshäfen.  Ist  Marokko 
auch  befähigt  an  der  Beherrschung  des  Eingangs  ins  Mittelmeer  und  am 
Handel  auf  dem  ^üttelmeer  teilzunehmen:  sein  Gesicht  kehrt  es  dem  Ozean 
XU.  Und  dieses  Gesicht  hat  viele  Augen,  die  freilich  heute  alle  einer  Operation 
bedürfen,  die  aber  unschwer  auszuführen  ist  und  dann  den  Beherrscher  dieses 
Landes  in  die  Lage  versetzt,  auch  die  Wege  nach  Westafrika,  nach  Mittel- 
und  Südamerika  zu  beherrschen. 

Die  Mittel meerküste  Marokkos  bis  Ceuta  ist  eine  Längsbruch küste, 
nahezu  400  km  lang,  wozu  dann  noch  das  70  km  lange  Stück  Querbruch- 
küste bis  zum  Kap  Spartel  kommt.  Dieser  Längsbnichküste,  fast  durchaus 
üochküste.  fehlt  es  nicht  an  Gliederung,  Bucht  reiht  sich  an  Bucht,  ja  ein 
keines  Endland,  der  Horst,  welcher  in  Kap  Tres  Forcas  endigt  und  an  dessen 
Ostseite  Melilla  liegt,  gliedert  sie  noch  mehr.  Aber  diese  Buchten  sind  alle 
schutzlose  Brandungsbuchten;  die  kleinen,  vorgelagerten  felsigen  Inseln,  von 
denen  die  Spanier  zwei,  Alhucemas  und  Velez  de  la  Gomera.  besetzt  haben, 
sind  Abgliederungsinseln.  nur  die  östliche  Gruppe,  die  auch  spanischen  Zaffa- 
rinas,  sind  vulkanischen  Ursprungs  und  bieten  Raum  für  einen  eben  in 
Ausbau  genommenen  Hafen,  den  besten  westlich  von  Biserta.  Für  kleine 
Schiffe  fehlt  es  nicht  an  Schlupfwinkeln,  Bauholz  bietet  das  Gebirge,  und  die 
vor  der  Küste  liegende  Welthandelsstraße  lockte.  So  ist  diese  Riffküste  der  Sitz 
gefährlicher  Seeräuber  geworden.  Aber  kein  Punkt,  weder  in  römischer, 
noch  in  arabischer  Zeit  hat  als  Sitz  friedlichen  Handels  Bedeutung  erlangt, 
vor  allem,  weil  die  nur  in  einem  mittleren  Abstände  von  100  km  in  Inneren 
verlaufende  Tiefenlinie  Tlemcen-Udschda-Taza-F'ez  den  Verkehr  ablenkt. 

An  der  etwas  günstiger  gestalteten  Querbruchküste  an  der  Meerenge 
hat  im  Mittelalter  bis  zur  Eroberung  durch  die  Portugiesen  il41oi  Ceuta 
als  Emporium  der  Meerenge  eine  große  Rolle  gespielt,  wie  Tanger  heute  und 
als  Eingangstor  von  Marokko  von  Europa  aus  eine  solche  spielt.  Es  besitzt 
wohl  die  beste  Reede  von  Marokko,  aber  erst  der  Hafenbau,  welchen  hoffent- 


—    146    — 

lieh  demnächst  die  Frankfurter  Weltfirma  Philipp  Holannann  wird  ausführen 
können,  wird  ihm  die  Gunst  der  Lage  voll  auszubeuten  erlauben. 

Die  etwa  1000  km  lange  Querküste  ist  zunächst  bis  Larasch,  wo  die- 
selbe  deutsche  Firma    den   Flußmündunghafen   des  Lukkos   ausbauen   wird, 
eine  Längsküste  an   der  Außenseite  des  Itiffgebirges,   dann  bis  zum  Fluß- 
mündungshafen von  Rabat-Slä  eine  Hafif-  und  Dünenküste,  welche  die  große 
verlandete  Tertiärbucht  des  Sebu  abschließt,  von   da  an  eine  Rumpf-,  vom 
Kap  Kantin   an   eine  Tafelschollenküste    bis  südlich   von  Mogador,   wo   an 
deren  Stelle  die  auch  wenig  gegliederte  Querbruchküste  tritt,  in  welche  hier 
der  hohe  Atlas  endigt.    Dieser  ganzen  Küste  fehlt  es  an  Gliederung,  selbst 
kleine  Buchten  und  Inseln  fehlen  bis  auf  die  eine  bei  Mogador,   die  als  der 
abgeschnittene   Kopf   eines   Hakens   anzusehen    ist.      Nirgends   bietet  sich 
Schutz,   das  Ansegeln  ist  erschwert  durch  Mangel   an   Landmarken,  Nebel 
sind,  besonders  im  Sommer,  sehr  häufig,  ununterbrochen  ruft  Dünung  schwere 
Brandung   an   der  Küste  hervor,   die   mit   einer  felsigen  Abrasionsterrasse, 
welche  der  Vortragende  durch  mehrere  Bilder  veranschaulichte,  wie  gepanzert 
erscheint.     Wenn   dennoch    eine   ganze   Anzahl   ansehnlicher  Küstenstädte, 
z.  T.  schon  seit  phönizischer  Zeit  zur  Entwicklung  gekommen  ist,  so  beruht 
das  auf  der  Fülle  der  Erzeugnisse  des  Hinterlandes,  des  Atlasvorlandes,  und 
vor  allem    der   ca.   700  km  langen,   im   Mittel   etwa  50  bis  60  km  breiten 
unteren  Stufe  desselben,   welche   von  fruchtbarster  Schwarzerde  bedeckt,   die 
reichsten  Ernten  hervorbringt.    Diese  Küstenplätze  sind  entweder  an  Fluß- 
mündungen  gebunden:   Larasch   an   die   des  Lukkos,   Mehcdyia   an   die   des 
Sebu,  Rahat-Slä  an  die  des  Bu  Regreg,   Azemur  an  die  der  Morbeya.    Aber 
alle  diese  Flußmündungen  sind  durch  Barren  gesperrt.    Oder  es  sind  Bucht- 
bäfen:  Casablanca,  Mazagon,  Saffi,  Mogador,  Agadir.     Letzterer  galt  bisher 
als  der  beste,   obwohl  er  wie  auch  Azemur  und  Mehedyia  dem  Fremdhandel 
geschlossen  war.    Die  neue  Küstenaufnahme  der  Franzosen  läßt  es  in  weniger 
günstigem  Lichte   erscheinen.    Auch  die  durch  Abgliederung  der  Insel  ge- 
bildete Bucht  von  Mogador  bietet  keinen   Schutz.    Casablancas  Bedeutung 
beruht  neben   dem  besonders  fruchtbaren  Ilinterlande  darauf,   daß   dort   die 
Brandungswoge  in   der  Abrasionsterrassc  eine  kleine   Bucht  ausgewaschen 
bat,   die  Leichterfahrzeugen   auch   bei   Ebbe   an    das  Land   heranzukommen 
srlaubt.    Aber  alle  diese  Küstenplätze  können  ohne  große  Kosten  zu  sicheren 
Bäfen  ausgebaut  werden,  die  Marokko  dann  außerordentliche  Bedeutung  ver- 
leihen werden. 

(Der  Vortrag  ist  in  erweiteter  Fassung  im  Druck  erschienen  in : 
Meereskunde.  Sammlung  volkstümlicher  Vorträge  zum  Verständnis  der 
nationalen  Bedeutung  von  Meer-  und  Seewesen.  2.  Jahrgang,  1.  Heft.  Berlin, 
Ernst  Siegfried  Mittler  und  Sohn,  1908.) 

Mittwoch,  den  12.  Februar  1908. 

Herr  Dr.  Hugo  Grothe-Münciien:  Wanderangen  im 
sfldwestlichen  und  nordwestlichen  Persien.    (Lichtbilder.) 

Es  gelang  dem  Vortragenden,  von  Bagdad  über  Mendeli  in  das  noch 
wenig    bekannte,    so   gut   wie   unabhängige  Fürstentum   Puschtikuh,    dem 

10 


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Wohnsitz  der  gefürchteten  kriegerischen  Feililnren,  einzudringen.  Der 
Reisende,  der  den  gegenwärtigen,  einem  alten  Lehnsfürsten  geschlecht  ent- 
stammenden Herrscher  dieses  (Gebietes  bei  seiner  Pilgerfahrt  nach  Kerbela 
and  Nedjef  kennen  lernte  and  ihm  durch  seinen  Schwiegersohn  Salar  ed 
Daaleh,  den  darch  den  larischen  Aufstand  bekannt  gewordenen  zweiten 
Sohn  des  verstorbenen  Schahs  von  Persien,  empfohlen  worden  war,  vermochte 
als  erster  Europäer  auf  eine  freilich  nicht  recht  ernstgemeinte  Einladung 
längeren  Aufenthalt  in  Puschtikuh  zu  nehmen.  Frühere  Versuche,  in  das 
von  der  mesopotamischen  Seite  durch  Steppen  und  nackte,  schwer  über- 
schreitbare Bergketten  abgeschlossene  Land  zu  gelangen,  schlugen  meist 
fehl.  Zwei  englische  Offiziere,  Grant  und  Fotheringham,  wurden  1810  von 
den  Luren  bei  ihrem  Vordringen  von  Chorramabad  aus  getötet ;  vor  wenigen 
Jahren  noch  wäre  dem  englischen  Militärattache  Douglas  in  derselben  Gegend 
beinahe  dasselbe  Schicksal  geworden.  Ein  schweizerischer  Kaufmann,  namens 
Wartmann,  der  von  Bagdad  aus,  den  Puschtikuh  aufgesucht  hatte,  verschwand 
auf  seiner  Rückreise.  Der  Reisende  muß  sich  die  Erlaubnis  zur  Durch- 
querung des  Gebiets  von  den  einzelnen  Stammeshäuptlingen  durch  reiche 
Geschenke,  in  erster  Linie  moderne  Waffen,  erkaufen.  Die  Steppe  ist  monoton 
und  wasserarm,  im  Mai  schon  herrscht  eine  Hitze  bis  zu  35*'  C,  doch  kann 
das  Land  in  der  Nähe  des  Gebirges  durch  Bewässerung  sofort  fruchtbar 
gemacht  werden.  Ein  Grieche  hat  durch  Zuleitung  von  Wasser  aus  dem 
Tigris  in  35  km  langen  Kanälen  eine  Oase  geschaffen,  die  ungemein  reiche 
Ernten  an  Reis,  Gerste,  Baumwolle  und  Weizen  bringt  und  in  20  Jahren 
üppige  Palmenhaine  heranwachsen  sah. 

Die  Vorberge  des  Puschtikuh  sind  waldarm,  doch  sind  zahlreiche 
Wasserbecken  vorhanden,  an  denen  die  Luren  ihre  Rinderherden  tränken 
können.  In  bedeutenderen  Höhen  gibt  es  herrliche  Wälder  von  Eichen, 
wilden  Mandeln  und  Terebinthen.  Der  Vortragende  konnte,  durch  Soldaten 
des  Wali  geleitet,  das  eigenartige  Ländchen,  das  die  Größe  eines  mittleren 
thüringischen  Fürstentums  hat,  nach  allen  Richtungen  hin  durchstreifen,  den 
Lauf  der  zu  parallelen  Felsen  aufgestauten  Gebirgszüge  bei  mehrfacher 
Überschreitung  der  hochgelegenen  Pässe  studieren  und  die  Lebensweise  der 
in  fruchtbaren  Längstälem,  wie  auf  weidereichen  Hochalpen  lebenden  eigen- 
artigen lurischen  Nomadenbevölkerung  eingehender  beobachten.  Zwei  der 
höchsten  Erhebungen  des  Puschtikuh,  der  Manischot  und  der  Walentär, 
wurden  bei  ihrer  Besteigung  auf  2800  m  bestimmt.  Die  Rassenzugehörigkeit 
der  Luren  ist  noch  nicht  festgestellt;  sie  sind  jedenfalls  verwandt  mit  den 
Kurden,  doch  scheint  der  semitische  Einschlag  stärker  als  der  arische.  Die 
infolge  der  großen  Unwegsamkeit  des  Gebietes  an  sich  nicht  leichte  Reise 
wurde  dadurch  noch  schwieriger,  daß  an  beiden  Seiten  ernste  Unruhen  aus- 
gebrochen waren,  und  die  türkische  wie  die  persische  Regierung  dem  Reise- 
plan nicht  sonderlich  günstig  gegenüberstanden.  Die  Regierungskunst  der 
persischen  Behörden  besteht  in  den  kurdischen  Bezirken  lediglich  darin,  die 
einzelnen  Stämme  gegeneinander  auszuspielen  und  sie  zur  Bekriegung  der 
aufständischen  Stämme  zu  ermächtigen,  eine  Aufforderung,  der  in  der  Hoff- 
nung auf  Beute  stets  mit  Freuden  Folge  geleistet  wird.  Der  Puschtikuh 
ist   bevölkerter   als   man  bisher   annahm.     Die    hier  ansässigen,   militärisch 


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organisierten  Stämme  dürften  insgesamt  30000  Zelte  zählen.  Der  Wali 
verfügt  über  5000  mit  Martinigewehren  bewaffnete  Reiter  and  6000  bis 
8000  Flintenträger  zu  Fuß. 

Dem  Besache  des  Paschtiknh  schloß  sich  die  Dnrchqnening  des  Ge- 
bietes der  Kialschnrluren  an^  des  mächtigen  Stammes  im  nordwestlichen 
Lnristan  (etwa  15000  Zelte).  Ihr  Oberhaupt  Daud  Chan  gewährte  dem 
Reisenden  in  seinem  Sommerlager  am  Fuße  des  gegen  2800  m  hohen  Ket- 
schelknh  (Kahlkopf)  freandliche  Aufnahme.  Kermanschah,  die  Hauptstadt 
der  gleichnamigen  Provinz,  bezeichnet  der  Reisende  infolge  ihrer  günstigen 
verkehrsgeographischen  Lage  als  durchaus  im  Aufblühen  begriffen.  In  der 
Nähe  der  Stadt  befinden  sich  hervorragende  bauliche  Reste  der  Sassaniden- 
kultur.  Bedeutender  Ackerbau  wird  hier  getrieben,  der  Boden  trägt  fast 
hundertfältige  Frucht,  deren  Preis  darum  vielfach  niedriger  ist  als  in  Teheran. 
Es  würde  sich  wohl  verlohnen,  alle  diese  Gebiete  durch  eine  Eisenbahn  der 
Ausfuhr  zu  erschließen.  Die  während  des  letzten  Krieges  und  der  Revolution 
sich  einstellende  Erlahmung  der  russischen  Einfuhr  hat  die  Stellung  Kerman- 
schahs  als  Umschlagsplatz  des  Imports  von  Bagdad  her  bedeutend  gehoben. 
Die  Aus-  und  Einfuhr,  fast  ausschließlich  über  Bagdad,  beträgt  jährlich 
55  bis  65  Millionen  Kran  (1  Kran  -»  40  Pf.).  Ein  europäisches  Handelshaus 
besteht  noch  nicht  am  Platze.  Es  wäre  erwünscht,  daß  eine  deutsche  Firma 
sich  hier  niederließe. 

Von  Kermanschah  begab  sich  der  Reisende  an  dem  klassischen  Bisutum 
mit  seiner  großen,  in  drei  Sprachen  —  altpersisch  —  susisch  und  assyrisch 
abgefaßten  Felseninschrift  des  Darius  Hystaspis  vorbei,  auf  der  großen  Kara- 
wanenstraße nach  Hamadan,  dem  alten  Ecbatana,  der  Sommerresidenz  der 
persischen  Könige,  wo  neue  Acbämenideninschriften  gefunden  wurden.  Die 
Straße  durchzieht  große,  längliche,  durch  parallele  Gebirgszüge  geformte 
Becken.  Sie  ist  im  wesentlichen  also  leicht  zu  begehen,  und  nur  die  Über- 
schreitung der  die  einzelnen  Becken  trennenden  Gebirgsrücken  macht  einige 
Schwierigkeiten.  Ehe  man  Hamadan  erreicht,  baut  sich  der  massive,  vulka- 
nische Zug  des  Elwendgebirges  auf.  Ein  westlicher  und  ein  östlicher  Paß 
führen  darüber  nach  Hamadan,  einem  viel  bedeutenderen  wirtschaftlichen 
Mittelpunkt  für  das  nordwestliche,  südwestliche  und  zentrale  Persien,  als 
bisher  bekannt  ist.  Die  Stadt  liegt  am  Fuße  des  El  wen  d  in  einer  fruchtbaren 
und  wasserreichen  Gegend,  in  der  der  Getreidebau  gleichfalls  außerordentlich 
entwickelt  ist  und  gilt  mit  ihrem  Baum-  und  Gartenreichtum  ringsum  ent- 
schieden als  der  anmutigste  Plaz  des  mittleren  Persiens.  Erfrischende  Winde 
machen  selbst  in  den  heißesten  Monaten,  Juli  und  August,  den  Aufenthalt 
durchaus  erträglich.  Die  Wichtigkeit  Hamadans  ist  von  den  Russen  längst 
erkannt  worden.  Sie  bauten  eine  Straße  von  Norden,  von  Kaswin  her,  so 
daß  im  Anschluß  an  die  von  ihnen  angelegte  Chaussee  Enseli-Rescht-Kaswin- 
Teheran  der  Eingang  russischer  Waren  über  das  Kaspische  Meer  nach 
Hamadan  sehr  erleichtert  ist.  Die  in  Hamadan  bestehende  russische  Bank 
bemüht  sich  in  jeder  Weise,  dem  russischen  Einfluß  nach  der  politischen 
wie  der  wirtschaftlichen  Seite  hin  eine  Unterlage  zu  schaffen. 

Von  hier  aus  bestieg  der  Vortragende  eine  der  höchsten  der  zahlreichen 
Kuppen    des  Elwendgebirges,  deren   Höhe  er  auf  3750  m  feststellte.     Die 

10* 


—     148    — 

höchste  Erhebung  des  Elwend  wird  wenig  unter  4000  m  sein.  In  starkem 
Qegensatz  za  der  Anmut  der  Naturumgebung  Hamadans  steht  der  fanatische, 
fast  düstere  Charakter  der  Bevölkerung.  Niemals  hört  der  Reisende  an  den 
warmen  Sommerabenden  Gesang  oder  Spiel  wie  in  den  kleinen  kurdischen 
Städten,  wohl  aber  häufig  die  monotonen  Rezitationen  aus  der  Leidens- 
geschichte Alis  und  seiner  Söhne  Hussein  und  Hossan.  Da  Europäer  äußerst 
selten  Hamadan  berühren  und  bis  heute  kein  Konsulat  einer  europäischen 
Macht  sich  in  der  Stadt  befindet,  das  bei  ernsteren  Vorfällen  bei  der  Be- 
YÖlkerung  Achtung  vor  den  Angehörigen  europäischer  Nationen  hätte  er- 
zwingen können,  so  hat  der  Fremde  hier  nicht  auf  freundliche  Aufnahme  zu 
rechnen.  Von  Hamadan  wandte  sich  der  Reisende  über  den  östlichen  El- 
wendpaß  nach  der  Landschaft  Malayier  und  dem  nördlichen  Luristan  mit 
seinen  Hauptplätzen  Nehawend,  bekannt  durch  die  Schlacht,  die  einem  unab- 
hängigen persischen  Reiche  ein  Ende  machte  und  Persien  dem  Islam  unter- 
warf, und  dem  gewerblich  nicht  unbedeutenden  Burudjird.  Um  die  Sicherheit 
in  diesen  Gegenden  ist  es  für  den  Reisenden  recht  schlecht  bestellt  infolge 
der  erst  kürzlich  ausgefochtcnen  Kämpfe  aufrührerischer  Luren  mit  der  dem 
Schah  getreuen  Bevölkerung.  Die  Landschaft  von  Malayier  ist  ein  nicht 
unfruchtbares  und  ziemlich  gut  bevölkertes  Becken,  das  sich  von  Nordwesten 
nach  Südosten  erstreckt.  Über  ihr  ragen  gegen  Süden  die  zu  Ende  des  Monats 
August  schon  mit  Neuschnee  bedeckten  weißen  Linien  der  lurischen  Alpen 
hervor.  Am  Südostende  dieses  Beckens,  in  einer  Bodensenke,  die  Spuren 
eines  in  früheren  geologischen  Perioden  vorhandenen  Sees  aufweist,  befindet 
sich  Burudjird,  die  Sommerresidenz  der  Statthalter  von  Luristan.  Auch  hier 
hatte  der  Reisende  unter  dem  Fanatismus  der  Bevölkerung  zu  leiden.  Es 
mag  sein,  daß  gegenwärtig  infolge  der  inneren  Kämpfe  zwischen  Schah  und 
Verfassung  und  der  im  Innern  ständig  umlaufenden  Gerüchte  über  ein  Ein- 
greifen der  Russen  und  Engländer  in  die  Geschicke  Persiens  der  Fremden- 
baß sich  gesteigert  hat. 

Von  Burudjird  zog  der  Vortragende  über  eine  Reihe  parallel  von  Nord- 
westen nach  Südosten  streichender  minder  hoher  Ketten  nach  Suitanabad, 
wo  die  Teppichknüpferei  in  hoher  Blüte  steht.  Hunderte  von  Dörfern  im 
Bezirk  von  Ferhana  widmen  sich  diesem  Industriezweig.  Die  Muster  und 
Knüpfart  der  Teppiche  von  Ferhana  sind  in  Persien  und  im  Auslande  wohl  ge- 
schätzt. Es  sind  durchweg  Frauen  und  Mädchen,  welche  die  Teppiche 
knüpfen ;  zu  fünf  und  sechs  sitzen  sie  beieinander,  die  geschicktesten  mit  der 
Fertigung  des  Hauptmusters  beschäftigt  in  der  Mitte,  die  jüngeren  knüpfen 
an  den  Seiten  den  einfacher  gehaltenen  Rand.  Die  Typen  der  Bevölkerung 
der  Provinz  von  Hamadan  und  Suitanabad  weisen  durchaus  auf  eine  Mischung 
von  kurdischen,  mongolischen  und  persischen  Elementen  liin.  Man  findet 
sowohl  in  der  Umgebung  von  Hamadan  wie  von  Suitanabad  manche  Dörfer, 
in  denen  türkisch  gesprochen  wird.  Im  Bezirk  von  Suitanabad  gibt  es  auch 
einige  von  Armeniern  bewohnte  Flecken,  deren  Bevölkerung  aus  der  großen 
armenischen  Niederlassung  Djulfa  bei  Ispahan  ausgewandert  ist. 

Von  Suitanabad  nahm  der  Vortragende  seinen  Weg  über  das  durch 
seine  schiitischen  Heiligtümer  berühmte  Qüm  nach  Teheran.  Hier  hielt  er 
sich  längere  Zeit  auf,   um  näheres  über  die  Stimmung  und   die  Kräfte  zu 


—    149    — 

erfahren,  die  bei  der  jüngsten  inneren  Entwicklung  Persiens  am  Werke  sind. 
Er  hält  bei  der  Tüchtigkeit  und  Lauterkeit,  die  einer  Anzahl  der  Parlaments- 
mitglieder innewohnt,  eine  Reorganisierung  der  inneren  Verhältnisse  Persiens 
für  möglich,  vorausgesetzt,  daß  die  Perser  die  Energie  besitzen,  zielbewußt 
auf  dem  einmal  eingeschlagenen  Wege  fortzuschreiten.  Es  handelt  sich 
diesmal  weniger  um  eine  demokratische,  als  vielmehr  um  eine  nationale  Be- 
wegung, die  Persien  von  den  Einflüssen  Rußlands  und  Englands  gleicher- 
weise freihalten  will. 

Mit  dem  Wunsche,  daß  auch  Deutschland  an  der  Erschließung  Persiens 
seinen  gebührenden  Anteil  haben  möge,  schloß  der  Vortrag. 

Mittwoch,  den  19.  Februar  1908. 

Herr  Dr.  Robert  Hartmeyer-Berlin:  Die  Korallen- 
riffe Westiiidiens.    (Lichtbilder.) 

Die  Reise,  welche  der  Vortragende  im  Jahre  1907  in  ihrer  ersten 
Hälfte  gemeinsam  mit  Herrn  Prof.  Dr.  Kükenthal  aus  Breslau  nach  West- 
indien unternahm,  diente  ausschließlich  zoologischen  Zwecken  und  zwar  in 
erster  Linie  dem  Studium  der  marinen  Tierwelt,  insbesondere  den  Korallen- 
tieren und  Korallenriffen.  Beide  Forscher  arbeiteten  gemeinsam  an  drei 
Hauptstationen,  St.  Thomas,  Barbados  und  Jamaika,  denen  sich  dann  noch 
ein  zweimonatlicher  Aufenthalt  des  Vortragenden  auf  den  Tortugas-Inseln 
im  Golf  von  Mexiko  anschloß,  als  Gast  der  dort  bestehenden  biologischen 
Station  der  Carnegie  Institution.  Die  Verteilung  der  Stationen  war  derart 
gewählt  —  St.  Thomas  als  südliche  Fortsetzung  der  Bahamas,  Barbados  im 
äußersten  Osten,  Jamaika  im  Zentrum  und  die  Tortugas  im  Westen  —  daß 
das  gesammelte  Material  auch  für  die  Beurteilung  der  Zusammensetzungen 
und  Verteilung  der  Meeresfauna  innerhalb  des  westindischen  Gebietes  wert- 
volle Fingerzeige  lieferte,  die,  im  ganzen  von  sehr  einheitlichem  Charakter 
doch  gewisse  lokale  Unterschiede  aufweist. 

Westindien  ist  reich  an  ausgedehnten  Riifbildungen.  Die  Südseite 
von  Kuba,  die  Küsten  von  Jamaika,  Haiti,  Portoriko,  den  dänisch-west- 
indischen Inseln  und  vielen  anderen  kleinen  Inseln  sind  von  Strandri£fen 
umgeben,  die  Nordküste  von  Kuba  begleitet  ein  Rifif,  das  den  Charakter 
eines  Barriereriffes  besitzt,  weiter  sind  die  Küsten  von  Florida  und  Yukatan, 
wie  auch  die  Bahamas  von  Riffen  umsäumt,  und  endlich  haben  sich  Korallen 
an  der  östlichen  Reihe  der  kleinen  Antillen  reich  entwickelt,  während  sie 
an  der  westlichen  vulkanischen  Kette  nur  spärlich  auftreten.  Die  Korallen 
spielen  in  Westindien  als  erdbildende  Faktoren  eine  hervorragende  Rolle. 
So  verdankt  z.  B.  die  Bahama-Gruppe  der  Tätigkeit  der  Korallen  ihre  Ent- 
stehung, Barbados  und  manche  andere  der  kleinen  Antillen  sind  zum  Teil 
aus  Korallenkalk  aufgebaut  und  die  lange  Kette  kleiner  Inselchen,  die  die 
Südspitze  von  Florida  umgeben,  die  sogenannten  Keys,  deren  letztes  Glied 
die  Tortugas  bilden,  sind  lediglich  das  Werk  von  Korallen.  Von  besonderem 
Interesse  ist  die  Tatsache,  daß  die  Bildung  und  Entstehung  der  westindischen 
:  Riffe  sich  nicht  in  Einklang  bringen  läßt  mit  der  für  die  Rififbildungen  der 


—    150    — 

Sttdsee  von  Darwin  aufgestellte  Senkungstheorie,  die  bekanntlich  in  der  Be- 
hauptung gipfelt,  daß  alle  Gebiete,  in  denen  Atolle  oder  Barriereriffe  auf- 
treten, Senkungsgebiete  darstellen.  Offenbar  walten  bei  den  westindischen 
Riffen  Verhältnisse  ob,  die  die  Notwendigkeit  einer  Niveauveränderung  für  die 
Bildung  ausgedehnter  Riffe  aus  großen  Meerestiefen  ausschließen.  Die  west- 
indischen Riffe  bauen  sich  vornehmlich  nach  den  Untersuchungen  von  Pour- 
tal^s  und  Agassiz  vielmehr  auf  submarinen  Sedimentbänken  auf,  die  durch 
fortgesetzte  Anhäufung  von  Hartteilen  der  mannigfachsten  Meeresorganismen 
immer  näher  an  die  Oberfläche  des  Meeres  rückten,  bis  sie  schließlich  eine 
Höhe  erreichten,  um  für  die  Bauten  rifTbildender  Korallen  eine  geeignete 
Grundlage  zu  bilden.  Der  Aufbau  von  Korallenriffen  aus  großen  Meeres- 
tiefen kann  auf  diese  Weise  ohne  Senkung  des  Untergrundes  vor  sich  gehen. 
Ein  weiterer  Unterschied  zwischen  Westindien  und  den  indopazifischen  Riffen 
ist  der  viel  bescheidenere  Artenreichtum  der  westindischen  Korallenfauna. 
Identische  Arten  zwischen  beiden  Gebieten  sind  mit  Sicherheit  nicht  nach- 
gewiesen, höchstens  sind  sie  gattungsverwandt.  Einen  äußerst  charakte- 
ristischen Zug  verleiht  den  westindischen  Riffen  dagegen  das  starke  Über- 
wiegen der  Gorgoniden  oder  Homkorallen,  die  hier  einen  Arten-  und  Individuen- 
reichtum entwickeln,  wie  sonst  nirgends  auf  der  Erde.  Von  besonderem 
Interesse  sind  die  Floridariffe.  Das  südliche  Florida  ist  von  einer  doppelten 
Reihe  von  Riffen,  den  sogenannten  Keys,  kleinen,  flachen  Inselchen,  die  ledig- 
lich aus  abgestorbenen  Korallenblöcken,  Schalenresten  und  dgl.  Material, 
alles  mehr  oder  weniger  fest  miteinander  verkittet,  aufgebaut  sind,  und 
dem  lebenden  Außenriff,  welches  der  Linie  der  Keys  folgend  durch  einen  Kanal 
von  wechselnder  Breite  von  demselben  getrennt  ist. 

Das   letzte   Glied   dieser  Floridariffe  sind   die  Tortugas,   eine  Gruppe 
von  7  Inseln,  die  die  Spitzen  dreier  submariner  Bänke  darstellen.     Die  Tor- 
tugas sind   die  jüngste  Bildung  der  Floridariffe   und   in   mancher  Hinsicht 
von  den  übrigen  Keys  verschieden.    Es  fehlen  hier  noch   die   ausgedehnten 
Mud-  und  Sandbänke,    welche   die   anderen  Keys  im  Norden  begleiten   und 
ebenso  fehlt  die  charakteristische  Mangrovevegetation.     Von  den  7   Inseln 
sind  nur  zwei  bewohnt,   Garden  Island,   das  ein  altes  amerikanisches  Fort, 
Fort  Jefferson,  trägt,  welches  jetzt  in  eine  Kohlenstation  umgewandelt  ist, 
und  Loggerhead  Key,   auf   welchem   außer   einem  Leuchtturm   seit  einigen 
Jahren  von  der  Carnegie  Institution    eine  unter  der  Leitung  des  amerika- 
nischen Zoologen  Dr.  Mayer  stehende,  mit  allen  modernen  Hilfsmitteln  ausge- 
stattete  biologische   Station   errichtet   ist.     Die  Tierwelt   der  Tortugas   ist, 
außerordentlich  reich  und  bietet  dem  Forscher  eine  Fülle  von  Beobachtungs- 
material.    Die   Planktonverhältnisse    sind    bei   den   Tortugas    die   denkbar 
günstigsten,   da  ein  frischer  Südwind  ausreicht,   um   das  Oberflächenwasser 
des  Golfstromes,  den  die  Tortugas  gerade  bei  seinem  Eintritt  in  die  Florida- 
straße passiert,  bis  zu   den  Inseln  zu  treiben  und  mit  ihm  eine  Fülle  der 
zarten  Plankton-Organismen.     Ein  reiches  Tierleben  beherbergen  auch  die 
Riffe,  welche  die  einzelnen  Inseln  umsäumen,  vor  allem  das  große  Bird  Key 
Riff,   das   wie   ein  langer  Wall  im  Osten  der  Tortugas  sich  entlang  zieht. 
Die  drei  Zonen,   die  sich  im  Zuge   dieses  Riffes  unterscheiden  lassen,   das 
lebende  Außenriff,  das  tote  zentrale  Riff,  das  zur  Zeit  der  Ebbe  mehr  oder 


—    161    — 

weniger  frei  liegt,  und  endlich  das  Innenriff,  eine  Flachwasserzone  mit  Sand- 
oder Seegrasboden,  beherbergen  jedes  eine  charakteristische  Fauna.  Ein  ganz 
anderes  Tierleben  wiederum  findet  sich  au!  dem  Boden  der  tieferen  Kanäle, 
durch  welche  die  einzelnen  Bänke  voneinander  geschieden  sind. 

Mittwoch,  den  26.  Febraar  1908. 

Herr  Albert  von  Le  Coq-Berlin:  Aasgrabangen  in 
Chinesiseh-Tarkistan.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  schilderte  an  der  Hand  zahlreicher,  meist  wohl- 
gelungener Lichtbilder  die  wilden  Gebirgs-  und  Wüsteneinöden,  in  denen 
die  von  ihm  untersuchten  Ruinenstätten  größtenteils  liegen,  sowie  auch  die 
reichhaltigen  Ergebnisse  seiner  Arbeiten. 

In  überraschendem  Wechsel  sah  man  bald  finstere  Schluchten  mit 
Reihen  in  den  Fels  gehauener  Tempel,  bald  von  dem  ewig  fortschreitenden 
Wüstensand  teilweise  verschlungene  Klöster,  bald  auch  große  Ruinenstädte 
mit  hohen  Mauern  und  Hunderten  noch  stehender  Tempelruinen. 

Bei  der  Untersuchung  dieser  Bauten  fanden  sich  in  einigen  derselben, 
deren  Zugänge  durch  allerlei  Zufälle  (meistens  Verwehung  durch  Sand)  ver- 
schlossen worden  waren,  nach  Wegräumung  des  Schuttes  ganze  Serien  von 
au!  Verputz  gemalten  Wandbildern  mythologischen  Inhaltes,  die  nur  unter 
großen  Mühen  geborgen  werden  konnten.  Auch  aus  Lehm  modellierte,  früher 
schön  bemalte  Menschen-  und  Götterfiguren,  sow^ie  höchst  merkwürdige  kleinere 
Gemälde  auf  Seide  und  Baumwollzeug  wurden  gefunden. 

Außerordentlich  reich  war  ferner  die  Ausbeute  an  Manuskripten  in 
mehr  als  zehn  verschiedenen  Schriftarten,  unter  denen  sich  sowohl  ganz 
unbekannte,  als  auch  bisher  nur  durch  einige  Felseninschriften  des  östlichen 
Asiens  bekannte  Schriftarten  befanden. 

Auch  manichäische  Manuskripte  wurden  gefunden,  darunter  einige  mit 
prächtigen,  persischen  Miniaturen  in  Gold  und  Farben. 

Die  Träger  dieser  merkwürdig  hohen,  wenn  auch  offenbar  aus  ver- 
schiedenen Elementen  zusammengesetzten  Kultur,  welche  nach  einigen 
datierten  chinesischen  Manuskripten  ungefähr  um  750  n.  Chr.  blühte,  waren 
in  den  ältesten,  nur  durch  Urkunden  bekannten  Zeiten,  (nämlich  den  zwei 
letzten  vorchristlichen  Jahrhunderten)  augenscheinlich  Völker  indogermanischer 
Zunge.  Die  um  eben  jene  Zeit  aber  beginnende  türkisch-mongolische  Wande- 
rung, speziell  der  Zug  des  Türkenvolkes  der  Hiung-nu  (unserer  Hunnen)  aus 
ihrer  Heimat  im  Nordosten  Asiens  vertrieb  die  erwähnten  Völker  und  warf 
sie  nach  Westen,  wo  unter  ihrem  Anprall  die  Reiche  der  Graeco-Inder  und 
Baktrer  zusammenbrachen.  Die  Eindringlinge  gründeten  alsbald  au!  den 
Trümmern  jener  Reiche  die  neue  Macht  der  Indo-Skythen.  In  diesem  Zu- 
sammenhang ist  es  von  Interesse  zu  wissen,  daß  eine  Serie  der  unbekannten 
Sprachen  durch  den  Direktor  am  Völkermuseum  zu  Berlin,  Professor  F.  W. 
K.  Müller,  des  Entzifferers  der  manichäischen  Schriften,  als  Sprache  der  Indo- 
Skythen erkannt  worden  ist. 

In  diesem  Reiche  entstand  unter  dem  Einflüsse  des  Buddhismus  die 
graeco-indische  oder  —  nach  ihrem  Hauptsitze  sogenannte  —  Gandhära-Kunst, 


—    162    — 

die,  mit  dem  Buddhismus  nach  Zentralasien  getragen,  dort  sich  mit  der  etwas 
jüngeren  persisch-sassanidischen  Kunst  mischte,  um,  über  China  und  Korea 
nach  Japan  gelangt,  dort  die  Grundlage  zu  bilden  für  fast  alles,  was  wir 
an  der  japanischen  Kunst  bewundem.  Die  bahnbrechenden  Arbeiten,  die 
diese  Zusammenhänge  nachweisen,  sind  der  Feder  des  Direktors  Professor 
Grünwedel  vom  Berliner  Völkermuseum  entflossen. 

Ein  besonderer  Förderer  dieser  Kunst  und  dieser  Kultur  war  das 
türkische  Volk  der  Uighuren,  welches  ungefähr  um  700  n.  Chr.  in  der  Gegend 
des  heutigen  Turfan  zur  Macht  gelangte  und  sich  zum  Teil  zum  Buddhismus 
und  zum  (nestorianischen)  Christentum,  zum  Teil  aber  auch  zum  Manichäis- 
mus  bekannte,  jenem  großartigen  Versuch  eines  Persers,  die  drei  damals 
mächtigen  Religionen,  den  persischen  Ormuzd-Dienst,  das  Christentum  und 
den  Buddhismus  zu  einer  einheitlichen,  alle  Völker  vereinigenden  Weltreligion 
umzugestalten. 

Der  Vortragende  führte  femer  eine  Reihe  von  Volkstypen,  arbeitenden 
Handwerkem,  Grabstätten,  Bethäusem  und  Wohnungen  vor  und  schloß  mit 
einer  kurzen  Schildemng  seiner  Rückreise  durch  das  westliche  Tibet  nach 
Indien. 

Zustande  gekommen  ist  die  Expedition  des  Vortragenden,  sowie  die 
darauf  folgende  zweite  Expedition  des  Professors  Grünwedel,  durch  die  be- 
sonderen Bemühungen  des  Berliner  Komitees  zur  Erforschung  Zentralasiens 
und  seines  Leiters,  des  Professors  Pischel  von  der  Berliner  Universität. 

Mittwoch,  den  4.  März  1908. 

Herr  Professor  Dr.  Eugen  Oberhummer-Wien:  Ton 
Kanada  bis  Mexiko.    (Lichtbilder.) 

Durch  einen  internationalen  (Geographen kongreß  in  den  Vereinigten 
Staaten  wurde  der  Vortragende  veranlaßt,  auch  Kanada  und  Mexiko  einen 
Besuch  abzustatten.  In  Kanada  zogen  ihn  neben  den  historischen  Erinnerungen 
an  die  erste  Entdeckung  des  Festlandes  von  Amerika  durch  die  Normannen, 
worüber  Redner  bereits  1893  im  Verein  für  (Geographie  und  Statistik  aus- 
führlich gesprochen  hatte,  besonders  die  eigentümlichen  anthropogeographischen 
Verhältnisse  an.  Bekanntlich  war  der  St.  Lorenzstrom  zuerst  durch  den 
Franzosen  Cartier  1534  befahren  und  von  dort  aus  der  Grund  zu  der  Kolonie 
„La  nouvelle  France"  gelegt  worden,  welche  1763  an  England  verloren  ging. 
Aber  das  französische  Volkstum  der  Bewohner  hat  sich  in  Unter-Kanada, 
das  der  jetzigen  Provinz  Quebec  entspricht,  bis  heute  erhalten,  ja  die  Zahl 
der  französischen  Kanadier  ist  von  70000  im  Jahre  1760  auf  mehr  als 
IVi  Millionen  (im  Jahre  1901)  gestiegen,  obwohl  die  französische  Einwanderung 
unter  englischer  Herrschaft  vollständig  aufgehört  hat.  An  der  Sprache  ihres 
Mutterlandes  wie  an  der  katholischen  Kirche  mit  Treue  festhaltend,  haben 
diese  französischen  Kanadier,  von  denen  */s  auf  die  Provinz  Quebec,  der 
Rest  meist  auf  Ontario  (Ober-Kanada)  entfällt,  auch  in  ihren  Anschauungen 
und  Lebensformen  die  Traditionen  der  alten  Zeit  bewahrt  und  die  Wand- 
lungen des  französischen  Volkstums  seit  der  Revolution  (Loslösung  von  der 
Kirche,    Zweikindersystem,    modernes    Empfinden)   nicht   mitgemacht.     Der 


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Dialekt  ist  sehr  altertümlich  und  steht  den  Patois  von  Maine  und  der 
Normandie  am  nächsten.  Nationalität  und  Glaube  der  französischen  Kanadier 
sind  auch  auf  die  noch  vorhandene  Indianer-  und  Mischlingsbevölkerung  über- 
gegangen, von  denen  Redner  Gelegenheit  hatte,  die  Huronenkolonie  bei 
Quebec  und  die  Siedelungen  der  Montagnais  am  Lake  St.  John  kennen  zu 
lernen,  letztere  an  der  Grenze  des  zivilisierten  Gebietes  gegen  die  Wildnis. 
An  einer  Reihe  von  Bildern  wurde  diese  Landschaft  sowie  der  romantische 
Saguenay,  ein  von  Norden  her  in  den  St.  Lorenzstrom  mündender  Fjord, 
erläutert,  sodann  die  Situation  der  Städte  Quebec,  Vorort  der  gleichnamigen 
Provinz  und  Zentrum  der  französichen  Bevölkerung  mit  einem  doppelsprachigen 
Parlament,  und  Montreal,  der  größten  Stadt  von  ganz  Kanada  und  Ottawa,  dem 
politischen  Vorort  des  ganzen  Dominiums.  Von  hier  führte  der  Vortragende 
die  Hörer  über  den  Niagara,  der  die  Grenze  gegen  die  Union  bildet,  an 
verschiedene  aus  den  Lederstrumpferzählungen  bekannte  Ortlichkeiten  des 
Staates  New  York  (Lake  George,  Cooperstown  u.  a.  m.)  und  nach  der  Stadt 
New  York  selbst,  sodann  über  Washington  und  St.  Louis  an  den  Gran 
Cafion  und  zu  den  Pueblos-Indianem  von  New  Mexiko  und  Arizona,  die 
unter  der  Hülle  ihres  (spanisch-katholischen)  Christentums  noch  höchst  merk- 
würdige Zeremonien  und  Kultusformen  aus  der  heidnischen  Zeit  bewahrt 
haben.  Nach  Mexiko  übergehend,  schilderte  Redner  den  landschaftlichen 
Charakter  des  trockenen  Nordens,  weiterhin  die  Hauptstadt  mit  ihrer  Um- 
gebung, sowie  das  am  Fuße  des  gleichnamigen  Piks,  der  höchsten  Erhebung 
des  Landes,  reizvoll  gelegene  Orizaba,  wo  infolge  der  tieferen  Lage  der 
tropische  Charakter  der  Landschaft  bereits  deutlich  zum  Ausdruck  kommt. 
Ein  Empfang  beim  Präsidenten  Porürio  Diaz,  einer  überaus  kraftvollen 
Persönlichkeit,  der  Mexiko  hauptsächlich  sein  Aufblühen  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten verdankt,  gab  Anlaß  zu  einem  Vergleich  der  Republik  mit  den  Ver- 
einigten Staaten,  insbesondere  der  spanisch  -  romanischen  und  der  angel- 
sächsischen Bevölkerung,  und  der  dadurch  bedingten  Verschiedenheit  der 
Lebensformen  und  Gewohnheiten,  sowie  zu  einem  Ausblick  auf  die  Zukunft 
Mexikos,  das  wirtschaftlich  immer  mehr  in  eine  Abhängigkeit  von  den  Ver- 
einigten Staaten  zu  geraten  scheint.  Höchst  lohnend  gestaltet  sich  für  jeden 
ein  wenn  auch  nur  flüchtiger  Besuch  dieses  Landes  mit  seinem  Reichtum 
der  Natur  und  den  großartigen  Überresten  der  Vergangenheit,  sowie  einer 
liebenswürdigen  und  gastfreien  Bevölkerung. 


Bericht  über  den  IX.  Internationalen 
Geographenkongreß  in  Genf 

vom  27.  Juli  bis  6.  August  1908. 

Von 

Dr.  Hermann  Traut 

Die  Schweiz,  ein  internationales  Land  wie  wenige,  hat  in  diesem 
Jahre  den  Internationalen  Geographenkongreß  znm  zweiten  Male  seit  seinem 
Bestehen  bei  sich  zu  Gaste  gehabt.  Im  Jahre  1891  tagte  der  fünfte  Inter- 
nationale Geographenkongreß  in  Bern,  im  Sommer  1908  war  der  neunte  in 
den  Tagen  vom  27.  Juli  bis  6.  August  einer  Einladung  nach  Genf  gefolgt. 
Dazwischen  liegen  die  Tagungen  von  London  1895,  von  Berlin  1899  und 
von  Washington  1904.  Genf,  so  hat  einmal  ein  großer  Geograph  gesagt,  ist 
die  Stadt  der  Kongresse.  Seine  günstige  Lage  am  Kreuzungspunkt  der  natür- 
lichen Straßen  von  Frankreich  nach  Italien,  von  Deutschland  nach  Südost- 
Frankreich  und  die  sich  daraus  ergebende  historische  Bedeutung  der  Stadt 
für  das  westliche  Europa,  femer  die  Schönheit  seines  Sees  und  seiner  Berge, 
endlich  der  gute  Ruf  seiner  Wissenschaften  sind  der  Grund,  weshalb  man 
Gtenf  so  oft  als  Versammlungsort  internationaler  Kongresse  gewählt  hat. 
Der  neunte  Internationale  Geographenkongreß  war  denn*  auch  recht  stattlich 
beschickt.  Aus  nicht  weniger  als  33  Ländern  waren  die  Geographen  herbei- 
geeilt, und  die  ofiizielle  Statistik  sprach  am  Schlüsse  der  Tagung  von  164 
Delegierten  und  745  Teilnehmern,  unter  welchen  freilich  sämtliche  zum 
Kongreß  Angemeldete  zu  verstehen  sind,  von  denen  aber  eine  ganze  Reihe 
nicht  erschienen  war.  Eine  im  Verlauf  des  Kongresses  ausgegebene  Teil- 
nehmcrliste  konnte  die  sonst  übliche  alphabetisch  geführte  Präsenzliste  nicht 
ersetzen.  Präsident  des  Kongresses  war  Dr.  Arthur  von  Clapar^dc,  der 
Vorsitzende  der  Genfer  Geographischen  Gesellschaft,  der  trotz  vorgerückten 
Alters  seines  anstrengenden  Amtes  mit  Lebhaftigkeit  und  Ausdauer  waltete. 

Ausgezeichnet  waren  Deutschland  und  Osterreich  durch  eine  Anzahl 
ihrer  hervorragendsten  Geographen  vertreten.  Wir  nennen  auf  gut  Glück 
einige  Namen:  Filchner,  Fischer,  Gerland,  Hellmann,  Hettner.  Krümmel, 
Penck,  Regel,  von  den  Steinen,  Supan,  Wagner,  Wegener  u.  a.;  aus  Österreich 
Brückner,  Lenz  und  Oberhummer;  Belgien  hatte  Arctowsky  und  Lecointe 
entfli^ndt;  Frankreich  Prinz  Roland  Bonaparte,  Lallemand,  de  Martonne  Schrader 
und  ^däl  de  la  Blache ;  England,  das  nur  schwach  vertreten  war,  Bartbo- 
lomew,  Close  und  Scott-Keltie ;  Finnland  Palmen  und  Sedcrholm ;  Italien  Cagni 


—    155    — 

Johnston-Lavis  und  Roncagli ;  Japan  Tokoyama ;  Niederlande  van  Baren ;  Por- 
tugal da  Bocage  nnd  Choffat;  Rußland  von  Schokalsky  nnd  Woeikoff; 
Schweden  Andersson  und  0.  Nordenskiöld ;  Schweiz  Branhes,  Forel,  Friede- 
richsen,  Früh  und  Naville;  Serhien  Caiji6;  Ungarn  von  Cholnocky  nnd 
Ton  Loczy;   die  Vereinigten  Staaten  Brigham,  Bryant,  Davis  und  Morris. 

Die  Verhandlungen  des  Kongresses  fanden  hauptsächlich  in  den  Räumen 
der  Universität  statt,  die  Hauptversammlungen,  in  welchen  die  geschäftlichen 
Angelegenheiten  erledigt  wurden  und  Themata  von  allgemeinem  Interesse 
zur  Verhandlung  kamen,  vormittags  9  Uhr  in  der  Aula,  die  Sektionssitzungen 
in  den  verschiedenen  Hörsälen  sowie  in  dem  benachbarten  Athens.  Wie 
in  den  früheren  Kongressen  nahmen  die  eigentlichen  Forschungsreisen  auch 
auf  der  Genfer  Tagung  einen  bedeutenden  Raum  ein,  neben  ihnen  standen 
aber  kartographische,  geologische  und  besonders  glaziale  Fragen  im  Vorder- 
grund des  allgemeinen  Interesses.  Das  gesamte  geographische  Wissensgebiet 
war  in  14  Sektionen  eingeteilt,  mit  denen  wir  uns  später  noch  im  einzelnen 
zu  beschäftigen  haben  werden. 

Nachdem  am  Abend  des  26.  Juli  den  Gasten  in  den  Räumen  des  Palais 
Eynard  in  einfach  zwangloser  Form  der  erste  Willkommengruß  dargeboten 
war,  fand  die  feierliche  Eröffnung  des  Kongresses  Montag,  den  27.  Juli, 
morgens  9  Uhr,  in  der  Aula  der  Universität  statt. 

Der  Bundespräsident  der  Schweiz  Dr.  Brenner,  der  als  erster  Redner 
das  Wort  ergriff,  wies  in  seiner  Begrüßungsansprache  auf  die  Fortschritte 
der  geographischen  Wissenschaft  in  ihren  einzelnen  Zweigen  hin  und  auf  die 
Fülle  der  Probleme,  welche  noch  der  Lösung  harrten.  Sodann  hob  er  rühmend 
die  außerordentlichen  Leistungen  der  Schweiz  auf  den  verschiedenen  Gebieten 
der  Geographie  hervor,  so  in  der  Kartographie  und  Hydrographie,  besonders 
aber  auf  dem  Gebiete  des  geographischen  Schulunterrichts,  ein  Thema,  auf 
welches  die  Schweizer  Herren  öfters  mit  Stolz  zurückkamen.  Sodann  hieß 
der  Präsident  der  kantonalen  Regierung  Genfs,  H.  Fazy,  die  Versammlung 
in  der  alten  Stadt  herzlich  willkommen.  Der  Redner  machte  auf  die  Reich- 
haltigkeit des  Programms  aufmerksam,  welche  die  geographische  Wissenschaft 
berechtige,  sich  eine  universelle  Wissenschaft  zu  nennen,  da  sie  einen  großen 
Teil  des  menschlichen  Wissens  umfasse,  und  erinnerte  sodann  an  das  Wirken 
zweier  hervorragender  Genfer  Geographen,  de  Saussure,  welcher  der  Mitwelt 
die  ihr  fast  unbekannt  gebliebene  Welt  der  Alpen  erschlossen  habe,  und 
D  uf  ou  r,  dem  wir  die  topographische  Karte  der  Schweiz  verdanken.  Präsident 
Dr.  von  Clapar^de  dankte  zunächst  allen,  die  sich  um  das  Zustandekommen 
des  Kongresses  verdient  gemacht  hätten,  wobei  er  in  warmen  Worten  zweier 
kürzlich  dahingeschiedener  Ehrenmitglieder  des  Ausschusses  gedachte,  des  unga- 
rischen Magnaten  Grafen  Eugen  v.  Z  i  c hy  (f  1906)  und  des  ständigen  Sekretärs 
der  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Paris  Albert  deLapparent  (f  1906). 
Sodann  gab  er  eine  kurze  Uebersicht  über  die  Geschichte  der  Internationalen 
Geographischen  Kongresse  mit  besonderer  Hervorhebung  der  Namen  ihrer 
Präsidenten  und  verlieh  dem  schmerzlichen  Bedauern  über  das  Hinscheiden 
Ferdinand  von  Richthofens  Ausdruck,  dieser  Leuchte  der  zeitgenössischen 
deutschen  geographischen  Wissenschaft.  Dem  Präsidenten  des  achten  Inter- 
nationalen Kongresses,  dem  kühnen  Robert  Edwin  Peary,  welcher  vor  drei 


—    156    — 

Wochen  an  Bord  des  ^^^^^s^^^l^"  seine  achte  Expedition  anternommen,  um 
nach  seinem  eigenen  Worten  den  letzten  der  großen  geographischen  Preise 
zu  erwerben,  sprach  er  die  besten  Wünsche  des  Kongresses  zu  seiner  ge- 
fahrvollen Nordpolfahrt  aus.  Daß  auch  Peary  der  Yersammlnng  gedacht, 
bestätigte  ein  Brie!  von  ihm  an  den  Kongreß,  der  an  einem  der  nächsten 
Tage  zur  Verlesung  gelangte.  Es  folgten  sodann  Begrüßungen  des  italie- 
nischen Delegierten  Kapitäns  Cagni  im  Namen  der  staatlichen  Delegationen 
und  von  Professor  Gerland-Straßburg,  namens  der  durch  Delegationen 
vertretenen  Universitäten.  Im  Namen  sämtlicher  geographischen  Gesellschaften 
sprach  Prinz  Roland  Bonaparte  als  Vertreter  von  Paris,  der  ältesten 
geographischen  Gesellschaft.  Auch  er  widmete  ein  warmes  Andenken  den  da- 
hingeschiedenen Koryphäen  der  geographischen  Wissenschaft  Albert  de 
Lapparent,  Elis^e  R^elus  und  Ferdinand  von  Rieht hofen,  deren 
Tod  von  der  ganzen  Welt  betrauert  werde.  Professor  Davis  von  der 
Havard-  Universität  sprach  als  letzter  für  alle  anderen  Institute  und  Ge- 
sellschaften. 

Unmittelbar  nach  der  Eröffnungssitzung  begab  sich  der  Kongreß  an 
die  Arbeit  und  behandelte  zunächst  einen  Gegenstand,  der  durch  Funde  aus 
jüngster  Zeit  in  der  wissenschaftlichen  Welt  Aufsehen  erregt  hat:  die  Um- 
segelung  Afrikas  durch  die  Phönizier  im  6.  Jahrhundert  vor  Chr.  unter  dem 
Pharaonen  Necho,  wozu  der  Konservator  am  Museum  Guymet  in  Paris 
Alexander  Moret  das  Wort  erhielt.  Herodot  ist  der  einzige  Geschichtschreiber 
des  Altertums,  der  uns  die  Erinnerung  an  diese  Seefahrt  bewahrt  hat,  die 
in  ihren  Einzelheiten  jedem  Geographen  bekannt  ist,  an  der  man  aber  bis  auf 
den  heutigen  Tag  gezweifelt  hat. 

Von  dieser  Fahrt  nun  berichtet  ein  mit  Inschriften  versehener  Skarabäus 
aus  Stein,  der  in  Unterägypten  entdeckt,  von  dem  Redner  unter  den  Gegen- 
ständen gefunden  wurde,  die  der  Aegyptologe  B  u  r  i  a  n  dem  Museum  Guymet 
hinterlassen  hat.  Moret  hat  den  Text  dieses  Skarabäus,  welcher  die  Darstellung 
Herodots  bekräftigt  und  vervollständigt,  kürzlich  der  Akademie  der  Inschriften 
und  Literatur  von  Paris  mitgeteilt.  Sein  Inhalt  wird  bestätigt  durch  einen 
zweiten  Skarabäus  aus  derselben  Sammlung,  der  von  der  Sociät^  des  amis 
des  mus^s  royaux  in  Brüssel  erworben  wurde.  Zwei  Berliner  Gelehrte, 
^Hermann  und  Schaeffer  haben  die  Echtheit  dieser  Skarabäen  wegen  der 
darin  vorkommenden  Sprachfehler  angezweifelt,  was  von  Moret  mit  dem  Einwand 
.  zurückgewiesen  wird,  daß  dieselben  Sprachfehler  sich  auch  auf  Urkunden  aus 
jener  Zeit  wiederfänden,  deren  Echtheit  absolut  sicher  sei.  Auch  Prof.  Ober- 
hummer äußert  Zweifel  an  der  Echtheit  dieser  beiden  so  hochbedeutsamen, 
sich  gegenseitig  ergänzenden  Dokumente  und  spricht  seine  Verwunderung  aus, 
daß  ein  so  hervorragender  Aegyptologe  wie  Burian  sie  in  Besitz  gehabt  haben 
solle,  ohne  durch  irgend  eine  Veröffentlichung  auf  ihre  Bedeutung  aufmerksam 
.  gemacht  zu  haben,  worauf  Moret  entgegnet,  Burian  habe  sie  erworben,  kurz 
bevor  er  von  einem  Schlaganfall  betroffen  worden  war,  trotzdem  habe  er 
•  eine  Arbeit  über  sie  begonnen.  Zwei  portugiesische  Vertreter  halten  die 
Umseglung  ebenfalls  für  ausgeschlossen  und  verteidigen  lebhaft  den  Ruhm 
ihres  Landsmannes  Vasco  da  Gama's,  sie  werden  aber  vom  Präsidenten  mit 
der  Versicherung  beruhigt,  dem  Ruhm  ihres  großen  Landsmannes  geschehe 


—    157    — 

darch  die  yermntliche  Reise  der  Aegypter  ebensowenig  Eintrag,  wie  dem  des 
Christoph  Colambns  durch  die  Entdeckungsfahrten  der  Normannen.  Inzwisclien 
haben  sich  die  Stimmen,  welche  die  Skarabäen  für  eine  Fälschung  halten, 
gemehrt. 

Am  Nachmittage  begann  die  Arbeit  in  den  einzelnen  Sektionen.  Der 
Kongreß  umfaßte  folgende  14  Arbeitsgebiete: 

1.  Mathematische  Geographie  und  Kartographie, 

2.  Allgemeine  physische  Geographie, 

3.  Vulkanologie  und  Seismologie, 

4.  Gletscherkunde, 

5.  Hydrographie  (Flußkunde  und  Seenkunde), 

6.  Ozeanographie, 

7.  Meteorologie  und  Klimatologie  —  Erdmagnetismus  — , 

8.  Biologische  (botanische  und  zoogeographische)  Geographie, 

9.  Anthropologie  und  Ethnographie, 

10.  Oekonomische  und  soziale  Geographie, 
i\.  Forschungsreisen, 

12.  Geographischer  Unterricht, 

13.  Historische  Geographie, 

14    Allgemeine  Normen  und  Namengebung. 

Die  Sitzungen  in  den  Sektionen  begannen  nachmittags  zwei  Uhr  der- 
gestalt, daß  diejenigen  mit  geraden  Nummern  und  die  mit  den  ungeraden 
einen  um  den  andern  Tag  abwechseln  sollten.  Je  sieben  Sektionen  arbeiteten 
also  zu  gleicher  Zeit,  was  ihren  Besuch  ungemein  erschwerte  und  den  Hörern 
die  größte  Beschränkung  auferlegte,  zumal  wegen  mancher  am  Spät- 
nachmittag' stattfindenden  Festlichkeit  spätestens  um  4Vt  Uhr  der  Schluß  der 
Sitzung  stattfand.  Bevor  wir  aber  auf  die  Verhandlungen  der  Sektionen 
näher  eingehen,  wollen  wir  das  Wichtigste  aus  den  Hauptversamm- 
lungen besprechen. 

Am  Dienstag  sprach  zuerst  der  Genfer  Staatsrat  Rosier  über  die 
Geographie  als  Unterrichtszweig.  Der  Vortragende,  dem  das  Unterrichts- 
wesen des  Kantons  untersteht,  wies  hin  auf  die  gleichmäßige  Entwick- 
lung der  Geographie  nicht  nur  als  Wissenschaft,  sondern  auch  als  Unter- 
richtszweig, wozu  die  geographischen  Kongresse  ihr  gut  Teil  beigetragen 
haben.  Trotzdem  nimmt  die  Geographie  im  Elementar-  und  höheren  Unter- 
richt noch  nicht  die  ihr  gebührende  Stelle  ein.  Man  hält  sie  vielfach 
noch  für  eine  Sammlung  von  Namen,  eine  reine  Gedächtnissache.  Redner 
verlangt  eine  genaue  Festsetzung  der  Grenzen  des  geographischen  Unter- 
richts, woran  sich  schon  hervorragende  Gelehrte,  wie  R6clus,  Ratzel 
u.  a.,  versucht  hätten.  Die  Aufgabe  des  Lehrers  ist  eine  dreifache:  das  Stu- 
dium der  Karten  als  das  wichtigste,  mit  dem  schon  im  Elementarunterricht 
begonnen  werden  maß,  die  wissenschaftliche  Beschreibung  der  Erde  und  das 
Studium  der  Beziehungen  zwischen  der  unorganischen  und  der  Lebewelt. 
Nur  Fachleute  dürfen  geographischen  Unterricht  erteilen,  denn  der  Geologe 
oder  Klimatologe  wird  geneigt  sein ,  alle  Vorgänge  aus  seinem  Spezialgebiet 
zu  erklären.  Redner  teilt  die  Geographie  ein  in  mathematische,  physische, 
biologische  Geographie  und  Anthropogeographie,  letztere  wieder  in  historische, 


—    168    — 

politische  und  Wirtschaftsgeographie.  In  der  Sektion  für  geographischen 
Unterricht  kommt  er  anf  diesen  Punkt  noch  einmal  ansftthrlicher  amrück. 

Im  Anschloß  an  den  Vortrag  Rosiers  verbreitete  sich  der  Botaniker 
Flahanlt  ans  Montpellier  über  die  Pflichten  des  Botanikers  mit  Rücksicht 
auf  die  Geographie.  Er  begrüßt  mit  Freude  die  Maßnahmen  des  Natur- 
schutzes, wie  sie  in  der  Schweiz  in  letzter  Zeit  so  nachdrücklich  gehandhabt 
werden )  und  tritt  lebhaft  ein  für  den  Wiederanbau  ausgerodeter  Wälder. 
Gerade  hierin  haben  die  Schweizer  Botaniker  Hervorragendes  geleistet  und  viel- 
fach Ansiedelungen  an  Abhängen  ermöglicht,  während  man  in  den  Pyrenäen 
kein  bewohnbares  Dorf  über  1300m  Höhe  mehr  findet,  weil  es  dort  keine 
Wälder  mehr  gibt. 

Hierauf  sprach  Prof.  Oberhummer  in  geistvoller  Rede  über  Leo- 
nardo da  Vinci  und  die  Kunst  der  Renaissance  in  Beziehung  zur  Erdkunde. 
Der  Vortragende  sieht  in  der  Renaissance  eine  der  bedeutendsten  Epochen 
der  Geographie,  hauptsächlich  beeinflußt  durch  die  Schriften  dieses  großen 
Italieners.  Schwierig  ist  es,  die  Stellung  Leonardos  für  diesen  Zweig  seines 
universellen  wunderbaren  Wissens  festzulegen,  da  sein  literarischer  Nachlaß 
in  tausenden  von  Handschriften  zerstreut  liegt,  deren  Entzifferung  große 
Schwierigkeiten  verursacht,  da  sie  linkshändig  in  Spiegelschrift  geschrieben 
sind;  außerdem  sind  es  meist  nicht  ausgearbeitete  Entwürfe,  und  große 
Fragen  werden  in  literarischen  Betrachtungen  nur  angeschnitten.  Wir  be- 
sitzen von  Leonardo  mehrere  Karten,  die  Richter  herausgegeben  hat,  haupt- 
sächlich von  Italien,  andere  von  Frankreich  und  dem  Orient,  meist  physi- 
kalische und  hydrographische  Karten;  auch  eine  Weltkarte  von  ihm  ist 
vorhanden,  auf  der  der  Name  Amerika  vorkommt.  Leonardo  ist  überzeugt 
von  der  Kugelgestalt  der  Erde,  deren  Größe  er  annähernd  bestimmt;  sie 
ist  ihm  ein  Stern  unter  den  Sternen.  Das  Flußsystem,  dem  er  als  In- 
genieur besondere  Beachtung  schenkt,  sieht  er  an  wie  die  Zirkulation  des 
Blutes  in  den  Venen  des  Menschen.  Er  beschäftigt  sich  auch  mit  ozeani- 
schen Fragen,  für  die  er  ganz  moderne  Theorien  anwendet.  Das  Niveau  des 
Meeresspiegels  hält  er  für  die  Mitte  zwischen  den  Erhebungen  der  Erde  und 
den  Tiefen  des  Ozeans.  Die  Gebirge,  über  deren  Höhe  wir  annähernd  richtige 
Daten  finden,  sind  durch  Aufschüttung  der  Flüsse  entstanden,  die  wiederum 
formgestaltend  weiterwirkten.  Der  Salzgehalt  der  Meere  beruht  auf  der  Aus- 
laugung der  Salzlager  der  Erde  durch  die  Flüsse.  Der  Untergang  von  Sodom 
und  Gomorrha  ist  auf  Versinken  von  Landschollen  zurückzuführen.  Auch 
seine  Vulkantheorie  enthält  ganz  richtige  Gesichtspunkte.  Den  Schülern  gibt 
Leonardo  den  Rat,  den  Worten  des  Lehrers  nicht  blind  zu  glauben,  aber  den 
Lehren  der  Natur  zu  folgen.  Der  Redner  sieht  tiefe  Spuren  dieses  wissen- 
schaftlichen Geistes  des  großen  Künstlers  auch  bei  den  gleichzeitigen  Malern 
und  ihren  Schülern,  sowohl  in  Holland  als  auch  in  Deutschland  und  Italien. 
Ihr  Beispiel  hat  ungemein  befruchtend  gewirkt. 

Den  Beschluß  der  Sitzung  bildeten  die  Mitteilungen  von  Prof.  P  e  n  c  k 
über  den  Stand  der  Erdkarte  von  1 :  1000000.  Seitdem  Geheimrat  Penck 
auf  dem  Geographenkongreß  zu  Bern  1891  den  Antrag  auf  Herstellung  einer 
Erdkarte  in  dem  genannten  Maßstäbe  eingebracht  hat.  hat  zunächst  ein 
internationales  Komitee  ohne  wesentlichen  Eriolg  an  dieser  großen  Aufgabe 


—    169    — 

gearbeitet.  Später  ist  jedoch  die  Aufgabe  von  einzelnen  Staaten  aufgegriffen 
worden.  Frankreich  hat  eine  Anzahl  Blätter  über  Asien  and  Amerika  her- 
ausgegeben, orientiert  nach  dem  Meridian  von  Paris,  England  bearbeitet 
ganz  Afrika  nach  dem  Meridian  von  Greenwich,  Dentschland  hat  Ost-China 
dargestellt.  Natürlich  beruht  diese  letztere  Karte  nicht  auf  eigenen  deutschen 
Aufnahmen,  bei  ihrer  Herstellung  sind  vielmehr  von  verschiedenen  Gesichts- 
punkten ausgehende  Messungen  englischer,  französischer  und  japanischer 
Ofi&ziere,  auch  die  Aufnahmen  Richthofens  benutzt  worden,  wodurch  die  Ge- 
nauigkeit der  Karte  manches  zu  wünschen  übrig  läßt.  Besser  sind  die 
Kartenwerke,  welche  von  deutschen  Offizieren  im  Maßstab  von  1 :  200000 
von  den  chinesischen  Provinzen  Tschili  und  Schantung  angefertigt  worden 
sind.  Auch  die  Vereinigten  Staaten  sind  fleißig  an  der  Arbeit  und  haben 
einen  großen  Teil  Amerikas  für  den  Maßstab  1:1000000  gezeichnet.  Nach 
einer  Mitteilung  des  russischen  Delegierten  Generals  Schokalsky  wird 
demnächst  eine  Karte  Rußlands  in  demselben  Maßstab  erscheinen.  Der 
Vortrag  hat  die  Bildung  einer  internationalen  Kommission  zufolge,  welche 
noch  auf  dem  Kongreß  darüber  berichten  soll. 

Die  nächste  Hauptversammlung  vom  Mittwoch  beschiünkte  sich  auf 
die  Gletscherforschung.  Prof.  Penck  sprach  zunächst  über  das  eiszeitliche 
Klima  der  Alpen.  Der  hervorragende  Gelehrte  hat  Über  die  Grenzen  des 
ewigen  Schnees  der  Eiszeit  in  dem  Gesamtgebiet  der  Alpen  jahrelang  Be- 
obachtungen gemacht  und  festgestellt,  daß  die  Grenze  auf  dem  nördlichen 
Abhang  viel  tiefer  lag  als  gegen  Osten  und  hauptsächlich  gegen  Süden. 
Inmitten  der  östlichsten  Alpen  hat  er  eine  gänzlich  eisfreie  Zone  gefunden. 
Durchschnittlich  lag  in  der  Eiszeit  die  Schneegrenze  1200  m  tiefer  als  heute. 
Liegt  der  Grand  hierzu  in  einem  bedeutenderen  Schneefall  oder  in  einer 
niedrigeren  Temperatur?  Im  ersteren  Falle  müßte  man  sehen,  daß  die  eis- 
zeitlichen Gletscher  in  den  Fimschichten  mächtiger  gewesen  wären  als  die 
heutigen  Gletscher.  Man  bemerkt  aber  im  Gegenteil,  daß  die  eiszeitliche 
Gletscherentwicklung  nicht  auf  einem  Dickenwachstum  der  Fimfelder,  sondern 
auf  einem  Anschwellen  der  Zungen  beruht.  Die  Ausdehnung  der  Gletscher 
beruht  demnach  auf  geringerer  Abschmelzung,  also  auf  niedrigerer  Tempe- 
ratur.    Die  Veranlassung  hiervon  kennt  man  nicht. 

Der  Redner  empfiehlt  die  Ausdehnung  dieser  Studien  auch  auf  die 
anderen  hohen  Gebirge,  die  allerdings  dem  Einfluß  der  Eiszeit  nicht  in  dem 
Maße  untei-worfen  gewesen  zu  sein  scheinen  als  die  Alpen.  Wir  müssen  es 
uns  leider  versagen,  auf  die  lebhafte  Debatte,  die  sich  an  diesen  Vortrag 
anschloß,  näher  einzugehen.  Genug,  alle  Redner,  die  das  Wort  ergriffen,  wie 
F  0  r  e  1  -  Morges,  C  h  o  d  a  t  -  Genf,  deMartonne-  Lyon  stimmten  den  Ausfüh- 
rungen P e n c k s  zu,  bedingt  nur  Brunhes- Freiburg,  der  über  Gletscheraus- 
höhlungen und  Gletscherbecken  sprach  und  dem  Wasser  einen  ebenso  großen 
Einfluß  auf  die  Gestaltung  der  alpinen  Welt  zuschreibt  als  dem  Eise. 

Die  Eroberung  des  Nordpols  stand  auf  dem  Programm  der  Hauptver- 

^  Sammlung  am  Freitag.     Bevor  die  Versammlung  in  die  Tagesordnung  eintrat, 

beglückwünschte  Prof.  Oberhummer   in  französischer  Sprache  im  Namen 

der   fremden    Geographen    die   Genfer  Geographische  Gesellschaft   zu   ihrem 

fünfzigjährigen  Stiftungsfeste  und  überreichte  namens  der  Wiener  Gesellschaft 


—     160    — 

einen  Band  historischer  Karten  yon  Oesterreich-Ungam,  welche  diese  im 
vergangenen  Jahre  anläßlich  ihres  eigenen  fünfzigjährigen  Jubiläums  in  nur 
wenigen  Exemplaren  hat  erscheinen  lassen. 

Die  Sitzung  selbst  entsprach  nicht  ganz  den  in  sie  gesetzten  Erwartungen, 
immerhin  entbehrte  sie  nicht  eines  gewissen  wissenschaftlichen  Interesses. 
Tolmatschow-St.  Petersburg,  berichtete  über  das  Projekt  einer  für  1910 
geplanten  Expedition  zur  Erforschung  der  Halbinsel  Taimyr  und  des  Kaps 
Tscheljuskin,  des  nördlichsten  Punktes  von  Sibirien,  welches  erst  dreimal  besucht 
worden  ist,  darunter  einmal  von  Nansen.  Da  eine  Feuersbrunst  die  russischen 
Dokumente  vernichtet  hat  und  keine  exakten  topographischen  Aufnahmen 
dieser  Gegenden  mehr  vorhanden  sind,  ist  eine  geographisch-geologische 
Expedition  dorthin  unerläßlich.  Sie  würde  zuerst  in  das  Innere  der  Halbinsel 
im  Südosten  vorzudringen  haben,  im  folgenden  Frühling  würde  dann  eine 
Gruppe  mit  Renntieren  den  Westen,  eine  zweite  den  Osten  und  eine  dritte 
das  Innere  erforschen  und  alle  drei  sich  an  der  Mündung  des  Taimyrflusses 
wieder  zu  vereinigen  haben,  um  gemeinsam  stromaufwärts  bis  zur  Tundra  zu 
gelangen. 

Der  folgende  Redner  Lecointe-Üccle  besprach  die  Arbeiten  der 
1905  in  Brüssel  zusammengetretenen  internationalen  Polarkommission,  deren 
Zweck  bekanntlich  in  der  Förderung  jeglicher  Art  von  Polarforscbung  besteht. 
Seine  Ausführungen  gipfelten  in  einer  Resolution,  alle  Regierungen  zum  Anschluß 
an  die  internationale  Polarkommission  aufzufordern.  In  derselben  Sitzung 
wies  R  0  n  c  a  g  1  i  hin  auf  die  Notwendigkeit  des  Zusammenwirkens  von  geogra- 
phischen Gesellschaften  und  kolonialen  Unternehmungen  zur  kommerziellen 
Erforschung  neuer  Länder.  Auf  seinen  Antrag  wurde  der  Delegierten- 
Versammlung  empfohlen,  eine  Kommission,  bestehend  aus  Geographen  und 
Kaufleuten,  einzusetzen,  welche  eine  Konferenz  über  diesen  Gegenstand  in 
einem  großen  Handelszentrum  vor  dem  nächsten  Geographentag  veranlassen  soll. 

Der  Arktis  folgte  am  nächsten  Tag  die  Antarktis.  Als  Hauptredner 
berichtete  Prof.  Dr.  Otto  Nordenskjöld,  der  bekannte  Südpolarforscher, 
über  die  geographischen  Ergebnisse  der  schwedischen  Südpolarexpedition 
1901—1903.  üeber  den  äußeren  Verlauf  der  Expedition  selbst  hat  Prof. 
Nordenskjöld  vor  einigen  Jahren  in  unserem  Verein  einen  vorzüglichen  Vortrag 
gehalten,  (vgl.  68  u.  69.  Jahresbericht  S.  164  ff.)  Der  Redner,  stürmisch 
begrüßt,  spricht  einleitend  von  dem  Fortschritt  unserer  Kenntnis  der  Antarktis, 
auf  der  wir  jetzt  zwei  Gebiete  genauer  kennen,  Viktorialand,  südlich  von  Neu- 
seeland, (Expedition  Scott)  und  Westantarktis,  südlich  von  Südamerika. 
Wir  kennen  ihre  Morphologie,  ihre  Eisbedeckung,  ihre  Tier-  und  Pflanzenwelt 
als  Funktionen  der  geographisch-geologischen  Entwicklung  und  des  Klimas. 

Durch  zahlreiche  Lichtbilder  erläutert  Redner  zunächst  die  geo- 
logische Beschaffenheit  der  Westantarktis.  Im  Westen  steigt  eine  fast 
3000  m  hohe  wilde  Gebirgskette  auf,  stark  durch  Fjorde  zerklüftet  und  ge- 
trennt von  den  vorgelagerten  Inselreihtn.  Im  Osten  schließt  die  Gebirgs- 
kette das  Land  ab.  Im  Innern  sind  jung-vulkanische  Bildungen  vorherrschend, 
die  denen  von  Patagonien  ähneln.  Der  Vortragende  onipfiehlt  für  jene  Ge- 
birge den  Namen  „Antarktanden''.  Die  fossile  Fauna  und  Flora  entspricht 
denen  des  Feuerlandes,  Westpatagoniens,   ja  des  subtropischen  Südamerikas, 


—     161     — 

wodurch  ein  Landzusammenhang  mit  Südamerika  bewiesen  wird,  nnd  außer- 
dem, daß  der  antarktische  Kontinent  eine  Pflanzen-  und  Tierwelt  gehabt  hat. 
Ohne  Zweifel  waren  in  jenen  Zeiten  Westantarktis  und  Südamerika  Gebiete, 
welche  im  geologischen  Bau  und  ihrer  Entwicklungsgeschichte  fast  gleich 
waren,  und  heute,  welche  Unterschiede  zwischen  beiden!  Sieben  Grad  ent- 
fernt von  einer  Küste  mit  undurchdringlichen  Urwäldern,  belebt  von  Papageien 
und  Kolibris  und  einem  Menschenstamm,  der  kaum  Bekleidung  kennt,  dehnt 
sich  eine  Eiswüste  aus,  die,  nach  Norden  versetzt,  sich  bis  nach  Stockholm 
südwärts  erstrecken  würde.  Der  Grund  liegt  in  den  eigentümlichen  meteo- 
rologischen Verhältnissen  und  der  allmählichen  Bildung  kolossaler,  kuppei- 
förmiger Eismassen,  welche  das  Land  in  einer  Höhe  von  20  bis  30  m  ab- 
schließen, eine  Erscheinung,  die  in  den  Nordpolarländem  nur  in  den  innersten 
Gebieten  zu  finden  ist.  Hinter  ihnen  und  tiefer  dehnt  sich  eine  weite  Eis- 
ebene aus,  welche  dort,  wo  sie  der  Redner  erforschte,  keinen  Kontinent  zu 
bedecken  schien,  sondern  Inseln  miteinander  verband.  Dieses  Eis,  das  mit 
einer  erstaunlichen  Geschwindigkeit  wächst,  stammt  in  seiner  Hauptmasse 
wahrscheinlich  nicht  vom  Lande,  sondern  bildet  sich  an  Ort  uhd  Stelle. 
Redner  unterzieht  sodann  die  Temperaturverhältnisse  beider  Polargegenden 
einer  Yergleichung  und  kommt  auf  die  Windverhältnisse  zu  sprechen,  be- 
sonders die  fürchterlichen  Südwestorkane,  denen  nichts  widerstehen  kann. 
Auf  den  Stürmen  beruht  auch  das  Vorkommen  von  schneefreiem  Land,  bei 
ihrem  Fehlen  würden  wir  dort  eine  furchtbare  Glazialperiode  haben;  vielleicht 
hat  dieser  Umstand  in  anderen  Breiten  die  früheren  Eiszeiten  hervorgerufen. 
Ein  höheres  Pflanzenleben  fehlt  natürlich  gänzlich.  Die  Flora  besteht  aus 
etwa  50  Moosarten,  von  welchen  ungefähr  30  arktische  Formen  zeigen.  Die 
Fauna  ist  vollständig  maritim  und  enthält  auch  einige  Vogelarten,  darunter 
den  Pinguin,  der  sich  in  unzähligen  Mengen  vorfindet.  Redner  überreicht 
am  Schlüsse  seiner  Ausführungen  dem  Kongreß  zwei  Bände  der  auf  Kosten 
des  schwedischen  Staates  gedruckten  Publikationen  der  Expedition,  wofür 
er  den  lebhaften  Dank  des  Präsidenten  und  der  Versammlung  erntet. 

Der  argentinische  Delegierte  de  Fr<5zals-  Buenos  Ayres  berichtet 
hierauf  über  die  grönländischen  Hunde,  welche  Nordenskjöld  der  argentinischen 
Regierung  zum  Geschenk  gemacht  bat  und  von  dieser  auf  den  Neujahrsinseln 
ausgesetzt  wurden.  Die  Tiere  kommen  dort  gut  fort  trotz  des  ungünstigen 
Klimas  —  280  Tage  schlechtes  Wetter  im  Jahre  —  und  sind  für  große 
Lasten  verwendbar.  Die  Renntierc  dagegen,  ebenfalls  ein  Geschenk  an  die 
argentinische  Regierung,  welche  mit  größter  Vorsicht  unter  künstlicher 
Anwendung  von  niedrigerer  Temperatur  in  ihren  Ställen  und  mit  Moos- 
fütterung durch  die  Tropen  gebracht  worden  waren,  sind  im  Feuerland  sämt- 
lich eingegangen.  Redner  hebt  zum  Schluß  die  Bereitwilligkeit  der  argent- 
inischen Regierung  hervor,  alle  südpolaren  Expeditionen  mit  den  nötigen 
Hunden  zu  versorgen. 

Geringes  Behagen  verursachte  der  Versammlung  das  selbstgefällige 
Auftreten  H.  Arctowskys  aus  Brüssel,  der  auf  die  wenig  befriedigende 
Bilanz  der  bisherigen  Expeditionen  hinwies,  die  eigentlich  nur  den  Nachweis 
von  dem  Vorhandensein  eines  Kontinentes  erbracht  hätten.  In  seinen  Aus- 
führungen, die  stellenweise  etwas  sonderbar  anmuteten,  hob  er  die  Expedition 

11 


—     162    — 

Scotts  hervor,  die  wichtiger  and  interessanter  gewesen  sei  als  die  Nansens 
nach  dem  Nordpol.  Redner  ging  dann  dazn  über,  aus  dem  ungeheuren  Gebiete, 
das  so  groß  sein  kann  wie  Europa  und  Australien  zusammen  genommen  und 
unzählige  ungelöste  Probleme  birgt,  einzelnen  Gelehrten  direkte  Fragen  vor- 
zulegen, die  zum  Teil  recht  überflüssig  waren,  und  deren  Beantwortung 
Professor  H  e  1 1  m  a  n  n  bei  dem  dermaligen  Stand  der  Forschung  als  unmöglich 
kurz  ablehnte.  In  derselben  Sitzung  sprachen  außerdem  noch  Lallemand- 
Paris  über  die  Bewegungen  der  Erdoberfläche  und  Coli  et- Genf  über  die 
Erforschung  der  schottischen  Seen. 

In  der  7.  Hauptversammlung  am  Montag,  den  3.  August,  berichtete 
Herr  Oberleutnant  File hn er- Berlin  an  der  Hand  von  Lichtbildern  über 
seine  Expedition  nach  China  und  Nordost-Tibet  1903—1905.  Da  der  Vortragende 
über  dieses  Thema  bereits  in  unserem  Verein  gesprochen  hat  (vgl.  70.  Jahres- 
bericht S.  99  ff.),  so  brauchen  wir  auf  den  äußeren  Verlauf  der  Reise  hier  nicht 
näher  einzugehen.  Die  Absicht  des  Vortragenden,  dem  Kongreß  das  fertige 
Kartenmaterial  über  die  gesamte  Reise  vorzulegen,  hat  sich  leider  infolge 
einer  notwendig  gewordenen  Veränderung  des  Maßstabes  der  Karten  nicht 
ermöglichen  lassen,  aber  die  herumgereichten  Kartenblätter,  Skizzen  und  Photo- 
graphien ließen  die  vorzügliche  Arbeit  erkennen,  welche  der  jugendliche 
Forscher  und  seine  Gattin,  seine  tapfere  Begleiterin,  bis  jetzt  geleistet  haben. 
Das  gesamte  Kartenwerk,  ungefähr  200  Blätter  im  Ganzen,  dessen  Herausgabe 
auf  Staatskosten  erfolgt,  wird  in  6  bis  8  Teilen  erscheinen,  zwei  Teile  enthalten 
die  chinesischen  Aufnahmen  im  Maßstab  1 :  50  000,  4  bis  6  Teile  stellen  das 
Kartenmaterial  dar  über  Tibet  im  Maßstab  1 : 1(X)  000.  Die  Routenkarten, 
von  Filchner  selbst  konstruiert,  zeichnen  sich  durch  eine  klare  Gelände- 
darstellung aus.  Mehrere  Ergänzungsbände  zu  dem  Kartenwerke,  deren  Er- 
scheinen in  den  nächsten  drei  Jahren  zu  erwarten  ist,  werden  astronomische 
Ortsbestimmungen,  erdmagnetische  und  geologische  Beobachtungen  enthalten, 
und  dem  Ganzen  wird  noch  eine  Übersichtskarte  im  Verlag  von  Justus  Perthes 
hinzugefügt  werden.  Von  Veröffentlichungen  liegen  bis  jetzt  im  Drucke  vor : 
eine  Monographie  über  das  berühmte  Buddhistenkloster  Kumbnm,  der  Bericht 
über  den  äußeren  Verlauf  der  Expedition  unter  dem  Titel:  „Das  Rätsel  des 
Matschu^  und  von  den  wissenschaftlichen  Ergebnissen  der  Expedition  der 
Band,  welcher  die  zoologischen  und  botanischen  Sammlungen  umfaßt,  außer- 
dem ein  Band  mit  barometrischen  Höhenmessungen  und  meteorologischen 
Beobachtungen  und  schließlich  der  eben  erschienene  Band  mit  den  ethno- 
graphischen Forschungen.  Der  Redner  hofft,  daß  die  Zusammenarbeit  mit 
dem  zweiten  Mitglied  der  Expedition,  Herrn  Dr.  med.  Tafel,  der  später 
allein  noch  eine  weitere  Forschungsreise  zu  dem  großen  Knie  des  Gelben 
Flusses  unternahm  und  das  Tsaidam  durchquerte,  für  die  wissenschaftliche 
Kenntnis  jener  Gebiete  von  großem  Vorteil  sein  wird. 

In  der  an  diese  Hauptversammlung  sich  anschließenden  Delegierten- 
versammlung standen  Ort  und  Zeit  des  nächsten  Kongresses  zur  Beratung. 
Fünf  Einladungen  lagen  vor:  von  der  Geographischen  Gesellschaft  zu  Lissa- 
bon auf  1911  oder  1912,  der  Internationalen  Photograpischen  Ausstellung  zu 
Dresden  auf  1909,  der  Geographischen  Gesellschaft  von  Budapest  auf  1912, 
der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Rom  auf  1911  gelegentlich  des  fünfzig- 


-^     163    — 

jährigen  Bestehens  des  Königreiches,  znletzt  von  der  kgl.  (Geographischen 
Gesellschaft  von  Australasien  nach  Brisbane  für  1912.  Nach  lebhaften  Debatten, 
bei  welchen  zuerst  über  das  Jahr  abgestimmt  wurde,  entschied  sich  die  Ver- 
sammlung mit  62  gegen  57  Stimmen  für  das  Jahr  1911,  worauf  Rom  mit 
67  von  107  Stimmen  als  der  Sitz  des  X.  Internationalen  Qeographenkongresses 
gewählt  wurde. 

Die  Hauptversammlung  vom  Dienstag,  den  4.  August  brachte  zwei 
Kommissionsberichte  von  größter  Wichtigkeit.  Zunächst  den  Bericht  über 
die  von  Schrader-Schokalsky  in  der  zuständigen  Sektion  beantragte 
Bildung  einer  internationalen  kartographischen  Vereinigung  und  die  Heraus- 
gabe eines  aus  Karten  bestehenden  Kepetitoriums ,  in  das  die  Forschungs- 
ergebnisse eingezeichnet  werden  sollen.  Die  zu  diesem  Zweck  eingesetzte 
Kommission  empfahl  die  Vorschläge  dem  Kongreß  zur  Annahme  und  erklärte 
sich,  in  Übereinstimmung  mit  der  Kommission  zur  Herstellung  der  Welt- 
karte von  1 :  1 000  000  bereit ,  die  weiteren  Schritte  in  dieser  Angelegenheit 
zu  tun.  Die  Mitteilung  des  Präsidenten,  die  Mittel  zu  diesen  Vorarbeiten 
seien  von  einem  Anonymus  bereit  gestellt,  wurde  mit  Freuden  dankbar  begrüßt. 

Sodann  berichtet  Prof.  Penck  über  die  Beratungen  der  Kommission 
zur  Herausgabe  der  Weltkarte  von  1 : 1  000  000.  Redner  gibt  seiner  Freude 
Ausdruck,  daß  das  große  Werk  endlich  unter  Dach  und  Fach  gekommen  sei. 
Der  Meridian  von  Greenwich  sei  als  Einheitsmeridian  an- 
genommen. Dafür  hätten  sich  die  angelsächsischen  Länder  mit  der  Ein- 
führung des  Metermaßstabes  einverstanden  erklärt ;  die  letzte  Schranke  gegen 
die  Verwirklichung  dieses  großen  internationalen  Werkes  sei  damit  endlich  ge- 
fallen. Der  Bericht,  auf  dessen  einzelne  Bestimmungen  wir  hier  nicht  näher 
eingehen  können,  enthielt  u.  a.  Bestimmungen  über  den  Umfang  der  einzelnen 
Kartenblätter,  die  vier  Breiten-  und  sechs  Längengrade  messen  sollen.  Er 
verbreitete  sich  sodann  noch  über  die  Anwendung  der  polykonischen  Pro- 
jektion, über  Niveaukurven,  für  welche  der  Abstand  von  200m  als  Regel 
angenommen  wurde,  über  die  anzuwendenden  Farben,  braun  für  Niveaukurven, 
blau  für  Wasser,  über  Namenschreibungen  u.  a.  m.  Eine  lebhafte  Diskussion 
über  die  Frage,  ob  auf  den  einzelnen  Karten  außer  dem  Metermaßstab  vor- 
läufig noch,  wie  es  die  Kommission  empfahl,  ein  Maßstab  in  Meilen  und  Fuß 
beigefügt  werden  sollte,  um  den  Übergang  zu  dem  Metermaß  zu  erleichtem, 
wurde  schließlich  im  Sinne  der  Kommission  entschieden.  Diese  Beschlüsse 
sollen  den  einzelnen  Regierungen  zur  Annahme  unterbreitet  werden. 

Der  folgende  Mittwoch  brachte  noch  einige  recht  interessante  Vorträge. 
Blondel- Paris  behandelte  zunächst  die  Bedeutung  der  Freihäfen  mit  beson- 
derer Bezugnahme  auf  Frankreich.  Redner  sieht  in  dem  französischen  Schutz- 
zollsystem, das  sich  grundsätzlich  gegen  jede  freie  Zone  richtet,  die  Haupt- 
ursache in  dem  Rückgang  des  französischen  Handels.  Frankreich  besitzt  heute 
keinen  großen  Schiffsfrachtverkehr,  nur  26  %  von  Frankreich  gekauften  Waren 
werden  unter  der  Flagge  des  Landes  eingeführt..  Der  Mangel  an  Freihäfen 
hat  die  Handelswege  verschoben.  Das  beweisen  die  italienischen  und  spanischen 
Weine,  welche  früher  den  Winzern  von  Bordeaux  zum  Verschnitt  dienten, 
ebenso  geht  es  mit  der  chemischen  Industrie.  Die  Feuerzeugfabrikation  hat 
sich  nach  Schweden  und  England  verzogen,  Seifen-  und  Lichterindustrie  lebt 

11* 


—     164    — 

nur  noch  kümmerlich  in  Frankreich,  weil  das  billige  aosl&ndische  Rohmaterial 
fehlt.  Der  Transithandel  muß  an!  alle  Weise  gehoben  werden.  DeClapar^de 
meint,  die  große  Zahl  der  französischen  Häfen  trage  die  Schuld  an  ihrer 
yerhältnismäßigen  Minderwertigkeit.  Hente  müsse  ein  Hafen  den  größten  An- 
forderungen entsprechen,  wie  z.  B.  der  von  Hamburg,  für  den  225  Millionen 
aufgewendet  seien,  dadurch  vermittle  er  aber  den  Handel  von  fast  ganz 
Deutschland. 

Die  Geographie  der  großen  Städte  behandelte  Prof.  Oberhummer  in 
einem  fesselnden  Vortrage,  der  die  verschiedenen  Qründe  anführte,  die  geeignet 
sind,  die  großen  Städte  als  geographische  Individuen  zu  betrachten  und  zu 
studieren. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  den  Sektionen  zu.  Auch  hier  müssen  wir 
uns  bei  dem  uns  zur  Verfügung  stehenden  Raum  größter  Zurückhaltung 
befleißigen  und  unmöglich  ist  es,  über  die  mehr  als  100  Vorträge  im  einzelnen 
zu  berichten.  Wie  bereits  bemerkt,  tagten  7  Sektionen  gleichzeitig,  was 
große  Uebelstände  mit  sich  brachte  und  einen  umfassenden  Bericht  aus  eigener 
Anschauung  ausschließt.  Die  ganze  Organisation  des  Kongresses  ließ  überhaupt 
manches  zu  wünschen  übrig,  dazu  kam,  daß  von  der  Kongreßleitung  nicht  für 
eine   zeitige  und  zuverlässige  Bekanntgabe  des  Programms  gesorgt  war. 

In  der  Sektion  I  für  mathematische  Geographie  und  Karto- 
graphie kamen  nicht  weniger  als  15  Redner  zum  Wort,  die  zum  großen 
Teil  die  Erdmessungen  in  verschiedenen  Ländern  behandelten,  so  die  Resultate 
der  letzten  Messungen  in  Aegypten,  in  Frankreich  und  seinen  Hochgebirgen, 
besonders  am  Mont  Cenis,  Längenmessungen  der  russisch-asiatischen  Ströme 
und  die  Ergebnisse  der  Eisenbahn-Nivellierungen  im  europäischen  Rußland. 
Eginitis- Athen  besprach  die  Bestimmung  des  Längen-  und  Breitegrades 
von  Athen  und  befürwortete  die  Anwendung  von  drahtloser  Telegraphie  für 
geographische  Zeit-  und  Ortsbestimmungen.  Auch  auf  speziell  kartographischem 
Gebiet  waren  einige  Redner  tätig;  Karten  vom  Pilcomayo,  Panoramen  von 
der  Schweiz  und  Italien  wurden  vorgelegt;  Oberhnmmer  verlangte  die 
Anwendung  von  Niveaukurven  und  Schraffierung  in  den  Stadtplänen  ebensogut 
wie  auf  den  geographischen  Karten ;  ein  Bericht  von  Perron-  Genf  über  die 
Faksimile-Herstellung  alter  kartographischer  Denkmäler  und  deren  Nutzen 
bei  der  Errichtung  karthographischer  Museen  hatte  die  sofortige  Einsetzung 
einer  Kommission  zur  Folge. 

In  der  Sektion  II  für  physikalische  Geographie  waren  die 
Karpathen  Gegenstand  mehrerer  interessanter  Vorträge.  Besprochen  wurden 
femer  der  morphologische  Bau  des  niederländischen  Diluviums  nördlich  vom 
Rhein,  die  geomorphologischen  Verhältnisse  des  Kalkbodens  in  Jamaica  und 
die  Geologie  von  Portugal.  C  h  a  i  x  -  Genf  entwickelte  im  Namen  von  B  r  u  n  h  e  s  - 
Freiburg  den  Plan  zu  einem  internationalen  Atlas  von  Reliefformen,  zu 
welchem  Zwecke  er  ein  internationales  permanentes  Komitee  vorschlug,  das 
die  Sammlung  nach  seinem  Projekt  in  die  Hand  nehmen  soll.  Der  Antrag 
wurde  angenommen.  Bedeutsam  waren  die  Ausführungen  von  Prof.  Davis- 
Cambridge,  Mass.,  des  Austanschprofessors  für  Berlin  im  kommenden  Winter 
für  P  e  n  c  k ,  über  praktische  Aufgaben  in  der  physikalischen  Geographie  mit 
besonderer  Anwendung  auf  den  Schulunterricht.     An  der  Hand  von  Licht- 


—     165    — 

bildern  wurde  gezeigt,  wie  sich  eine  bessere  Gewinnimg  von  geographischen, 
besonders  morphologischen  Begriffen  ermöglichen  läßt.  Redner  führt  eine 
Axt  schematische  Bilder  vor,  die  dem  Schüler  ein  besseres  Verständnis  für 
die  Entstehung  von  Landschaftsformen  vor  Augen  führen.  Der  Aufbau  der 
Gebirgslandschaft  kommt  darin  deutlicher  zur  Wiedergabe,  ebenso  lassen  sich 
Entstehung  und  Lauf  der  Flüsse  besser  erkennen.  Zu  diesem  Vortrag,  der  leider 
durch  den  geräuschvoll  arbeitenden  Projektionsapparat  sehr  gestört  wurde, 
hatte  Sektion  XII  von  Sektion  II  eine  Einladung  erhalten. 

In  den  Vorträgen  der  Sektion  III  für  Vulkanismus  und  Seis- 
mologie  gelangten  hauptsächlich  Erörterungen  über  den  Mechanismus  der 
Vulkantätigkeit  und  über  Vulkantheorien  zur  Verhandlung,  so  z.  B.  wurden 
von  Niermeyer-Haag  einige  Vulkane  Ostindiens  besprochen,  sowie  topo- 
graphische Aufnahmen  der  Vulkane  von  Niederländisch-Indien.  Prof.  PI  a  tania 
aus  Arcireale-Sizilien  zeigte  in  selbst  aufgenommenen  kinematographischen 
Vorführungen  die  einzelnen  Phasen  des  Ausbruchs  des  Vulkans  auf  Stromboli 
aus  dem  Jahre  1887. 

Vorwiegend  seismologischen  Charakter  trugen  die  Vorträge  von 
R  u  d  0 1  p  h  -  Straßburg  über  die  Beziehungen  zwischen  den  tektonischen  und 
seismischen  Verhältnissen  Ost-Asiens,  sowie  über  die  großen  Meerestiefen, 
femer  von  Prof.  G  e  r  1  a  n  d ,  der  den  Atlantischen  und  den  Pazifischen  Ozean 
hinsichtlich  ihres  seismischen  Verhaltens  einer  interessanten  Betrachtung 
unterzog.  Prof.  Forel  besprach  die  Organisation  und  die  Arbeiten  der 
internationalen  seismologischen  Vereinigung,  worauf  ein  Glückwunschschreiben 
an  Prof.  Gerland,  den  Vorsitzenden  und  Begründer  dieser  Gesellschaft, 
gerichtet  wurde. 

Ganz  besonderes  Interesse  nahmen  in  der  Sektion  IV  für  Gletscher- 
kunde die  Auseinandersetzungen  über  die  verschiedenen  Theorien  über  die 
Ausgestaltung  der  alpinen  Landschaften  in  Anspruch,  die  in  einer  gemein- 
samen Sitzung  der  Sektion  II  und  IV  im  Athen^e  stattfanden.  Zwei  An- 
sichten stehen  sich  einander  gegenüber.  Prof.  P e n c k  und  Brückner  sind 
durch  ihre  Untersuchungen  der  Eiszeitspuren  im  gesamten  Alpengebiet  zum 
Resultat  gelangt,  daß  in  den  Alpen  die  glazialen  Züge  durchaus  vorherrschen, 
während  andere,  wie  Prof.  B  r  u  n  h  e  s  -  Freiburg,  dem  subglazial  fließenden 
Wasser  die  Hauptarbeit  zuschreiben,  weniger  dem  Eise  selbst ;  ähnlich  führt 
auch  Kilian-Grenoble  die  Bildung  der  Alpentäler  hauptsächlich  auf  Fluß- 
erosion während  der  Interglazialzeiten  zurück.  Nach  einem  vortrefflichen, 
von  lehrreichen  Aufnahmen  von  Alpentälem  und  Gletschern  im  Lichtbilde 
erläuterten  Vortrage  Brückners  über  die  glazialen  Züge  im  Antlitz  der 
Alpen,  in  dem  Redner  besonders  die  übereinstimmenden  Gesichtspunkte 
beider  Richtungen  hervorhob,  pflichtete  die  Versammlung  seiner  und  Pencks 
These  bei.  Eine  wesentliche  Stärkung  hatte  sie  durch  die  kürzlich 
erfolgte  Katastrophe  am  Lötschberg  erfahren,  über  welche  Prof.  Früh- 
Zürich  ausführlicher  berichtete.  Hier  war  man,  wie  bekannt,  nachdem  zu- 
erst in  dem  Tunnel  vom  Kandersteg  aus  festes  Gestein  durchbohrt  war,  auf 
Sandmassen  gestoßen,  welche  sich  in  einem  von.  einem  früheren  Gletscher 
gebildeten  Troge  vorfanden  und  durch  ihren  Einsturz  das  furchtbare  Unglück 
herbeiführten. 


—     166    — 

Von  weiteren  Vorträgen  seien  noch  hervorgehoben  die  Beitoäge  Ton 
Prof.  G  r  e  i  m  -  Darmstadt  zum  Wasserhaushalt  und  zur  Thermik  der  Gletscher- 
bäche, zu  deren  genaueren  Bestimmung  der  Redner  zahlreiche  Einzelunter- 
suchungen empfahl.  Jacob-  Grenoble  besprach  seine  Glazialforschungen  im 
Pelvouxmassiy  in  der  Dauphin^,  die  hauptsächlich  dem  Studium  der  Aus- 
dehnung der  Gletscher  galten.  Über  die  Struktur  des  Eises  verbreitete  sich 
Hamberg-Upsala  an  der  Hand  instruktiver  Lichtbilder,  von  Loczy- 
Budapest  machte  au!  die  Beziehungen  zwischen  den  drei  hohen  Gletscher- 
terrassen und  den  drei  Flußterrassen  an  der  mittleren  Donau  und  auf  die 
tiefen  Auskolkungen  im  Kazan-Paß  (bis  zu  75  m)  aufmerksam. 

In  der  Sektion  V  für  Hydrographie  eröffnete  Forel  die  Ver- 
handlungen mit  einem  Vortrage  über  den  Ursprung  der  Fische  im  L^man. 
Er  stellt  die  Frage,  wie  sich  die  Besiedelung  des  Sees  als  eines  geschlos- 
senen Beckens  vollzogen  hat.  Heute  zählt  man  in  ihm  ungefähr  40  ver- 
schiedene Arten  von  Fischen.  Es  ist  anzunehmen,  daß  in  postglazialer  Zeit 
zwischen  dem  Neuenburger  See  und  dem  Löman  eine  Verbindung  durch 
einen  Wasserlauf  bestanden  hat,  der  von  Norden  nach  Süden  floß.  Unter- 
suchungen über  die  Temperaturverhältnisse  alpiner  Seen  mit  besonderem 
Hinweis  auf  die  Wichtigkeit  ihrer  Zu-  und  Abflüsse  (Brückner),  über 
Niveauschwankungen  in  asiatischen  Seen  (Schokalsky,  Markow -Peters- 
burg und  von  Loczy),  sowie  über  Verdunstungsseen,  wie  der  Tschad-See 
und  Kondensations-Seen,  wie  Baikal-See  (Woeikof)  behandelten  einige 
andere  Vorträge  derselben  Sektion. 

Einen  bedeutsamen  Vortrag  in  der  Sektion  VI  für  Ozeanographie 
hielt  der  Abteilungsvorsteher  bei  der  deutschen  Seewarte  in  Hamburg,  Prof. 
Schott,   über  neuere   ozeanographische  Arbeiten   der  kaiserlich  deutschen 
Marine,  insbesondere  der  Seewartc.    In  dem  Arbeitsplan  der  deutschen  See- 
warte hat  sich  mit  der  Zeit  eine  vollständige  Verschiebung  der  geographischen 
Verteilung  des  Beobachtungsmaterials  herausgebildet,   veranlaßt  durch  die 
Abnahme  der  Segelschiffahrt  und  die  jährliche  Zunahme  der  Dampfschiffahrt, 
sowie  die  dadurch  bedingte  Veränderung  der  SchiSsrouten.  Eine  Folge  dieser 
Veränderung  ist  ^190ö  die  Herausgabe  des  Dampferhandbuches  für  den  Atlan- 
tischen Ozean   gewesen,  welches  für  den  Dampfer  dieselbe  Bedeutung  hat, 
wie  das  Segelhandbuch  für  den  Segler.    Die  deutsche  Marine,  besonders  die 
Seewarte,  arbeitet  seit  Jahren  an  der  Herstellung  einer  grundlegenden  karto- 
grapischen  und  tabellarischen  Beschreibung  der  Strömungen   des  Indischen 
Ozeans  und  wird  bei  dieser  großen  Arbeit,  die  in  zwei  bis  drei  Jahren  voll- 
endet sein  wird,  unterstützt  durch  das  Kgl.  Niederländische  Meteorologische 
Institut  in  De  Bildt.    Als  „kleine  Vorarbeit"  legt  der  Redner  den  Atlas  der 
Stromversetzungen  auf  den  wichtigsten  Dampferwegen  im  Indischen  Ozean 
und  in  den  ostasiatischen  Gewässern  vor;   ebenso  eine  andere  bedeutsame 
Arbeit  der  Seewarte,  die  aus  13  Blättern  bestehenden  Monatskarten  für  den 
Indischen  Ozean :  sie  sind  erst  vor  kurzem  erschienen.   In  diesen  Monatskarten 
erhält  die  Schiffahrt  für  die  monsunreichen  indischen,  australischen  und  ost- 
asiatischen Meere  ein  vorzügliches  kartographisches  Bild  von  den  zu  erwar- 
tenden Wind-,  Wetter-  und  Stromverhältnissen.    Ähnliche  Schiffahrtskarten 
haben  bekanntlich  die  Engländer  für  den  nordatlantischen  und  nordpaziflschen 


—     167    — 

Ozean  bereits  seit  geraumer  Zeit  angefertigt.  Von  den  jüngsten  üntemeh- 
mnngen  der  Marine  sei  hier  genannt  die  Tiefsee-Expedition  des  „Planet'' 
1906 — 1907,  die  um  das  Kap  der  Outen  Hoffnung  herumging,  über  deren 
Hauptergebnisse  im  Anschluß  an  die  Ausführungen  Schotts  Dr.  Brennecke 
einen  instruktiven  Vortrag  hielt.  Qeplant  ist  femer  die  Entsendung  des 
Vermessungsschiffes  .Möwe''  nach  dem  Kap  Hom.  Außerdem  werden  auf 
einem  Hamburger  Segelschiffe  Untersuchungen  über  die  regionalen  Unterschiede 
in  der  Verdunstungsgröße  des  Meerwassers  festgestellt  werden .  Vinciguerra- 
Rom  betonte  die  Notwendigkeit  der  Erforschung  des  Mittelmeeres,  besonders 
im  Interesse  des  Fischfanges.  Pettersson  zugleich  im  Namen  von  Schott 
verlangte  das  Gleiche  für  den  Atlantischen  Ozean  in  physikalischer  und 
biologischer  Hinsicht.  Beide  schlugen  die  Einsetzung  internationaler  Kom- 
missionen vor,  insbesondere  mit  der  Aufgabe,  ein  genaues  Arbeitsprogramm 
auszuarbeiten. 

In  der  Sektion  VII  für  Meteorologie  legte  Maurer- Zürich  die 
neue  Kegenkarte  der  Schweiz  vor  mit  den  Erhebungen  von  1864 — 1903,  als 
Ergänzung  der  B  i  1 1  w  i  1 1  e  r  sehen  Karte  von  1893 ;  P  o  1  i  s  -  Aachen  behandelte 
die  Wanderung  barometrischer  Hoch-  und  Tiefdruckgebiete  vom  Atlan- 
tischen Ozean  nach  Europa;  R.  Qauticr-Genf  sprach  über  die  Beobach- 
tungen am  Großen  St.-Bcrnhard ,  eine  der  längsten  Beobachtungsreihen,  die 
wir  aus  Hochregionen  besitzen ;  Prof.  H  e  1 1  m  a  n  n  erläuterte  ein  neues  Ver- 
fahren, die  Regenmenge  an  einem  bestimmten  Orte  zu  schätzen. 

In  der  Sektion  VIII  für  Biologie  sprach  Keller-  Zürich  über  die 
Verteilung  früherer  Rassen  unter  unseren  Haustieren.  Redner  hat  auf  den 
Balcaren  windspielartige  Hunde  entdeckt,  wie  sie  auf  ägyptischen  Denkmälern 
vorkommen,  und  die  man  für  ausgestorben  hielt.  Die  Erhaltung  dieser  Rasse 
in  dem  Urzustand  schreibt  er  den  auf  den  Balearen  massenhaft  vorkommenden 
Kaninchen  zu,  von  denen  die  Hunde  sich  nähren.  Wahrscheinlich  sind  sie 
von  Karthago  eingeführt  worden.  Chodat-Genf  behandelte  die  Flora  von 
Paraguay;  sie  macht  im  allgemeinen  einen  einförmigen  Eindruck.  Haupt- 
sächlich findet  man  Uferwälder.  Campos  und  Moorstriche.  Es  ist  ein  Gemisch 
von  brasilianischen,  argentinischen  und  andinischen  Formen.  Die  Flora  von 
Madagaskar  hat  Hoch  reu  tiner-Genf  eingehend  studiert.  Alle  die  neuen, 
von  ihm  entdeckten  Arten  zeigen  ostasiatische  und  südafrikaniche  Formen. 
Drei  Perioden  lassen  sich  für  ihre  Einführung  auf  der  Insel  unterscheiden: 
die  älteste,  eine  asiatische;  die  zweite  geht  von  Afrika  aus,  und  die  gegen- 
wärtige dritte  beruht  auf  Strömungen,  welche  aus  dem  äußersten  Osten 
Früchte  und  Samen,  die  ein  längeres  Verweilen  im  Seewasser  vertragen,  der 
Insel  zuführen.  Das  Vorkommen  des  von  ihm  in  Australien  entdeckten 
Affenbrotbaumes  führt  Redner  auf  die  gleiche  Ursache  zurück. 

Viele  für  die  Sektion  IX  für  An  th  ropologie  und  Ethnographie 
angemeldete  Redner  hatten  diese  im  Stich  gelassen,  dafür  waren  die  wenigen 
Vorträge  um  so  interessanter.  Prof.  Lenz-Prag  trug  vor  über  die  Juden 
in  Abessinien  und  Marokko.  In  beiden  Staaten  finden  sich  zerstreut  alte 
jüdische  Gemeinden.  In  Abessinien  heißen  sie  Falachas,  in  Nordafrika  His- 
paniolen.  Der  Ursprung  der  Falachas  läßt  sich  bis  vor  Christus  zurückführen ;  ihre 
Zahl  dürfte  20  000—30  000  Köpfe  nicht  überschreiten.    Seit  dem  4.  Jahrhundert 


—    168    — 

haben  sie  das  monophysitische  Christentum  angenommen,  aber  viele  jüdische 
Qebräuche  beibehalten.  Hebräisch  ist  ihnen  unbekannt,  ihre  Lage  unter  den 
Abessiniem  erträglich.  Die  Hispaniolen  in  Nordafrika  sind  in  einer  Starke 
Yon  etwa  150  000  Seelen  durch  das  ganze  Land  bis  weit  in  die  Sahara  hinein 
zerstreut.  Sie  wurden  durch  die  Römer,  denen  sie  als  Sklaven  dienten,  nach 
Nordafrika  verpflanzt  und  erhielten  später  bedeutenden  Zuzug  durch  Glaubens- 
genossen, welche  von  den  Arabern  aus  Spanien  vertrieben  wurden,  sodann 
von  Flüchtlingen,  welche  infolge  der  Inquisition  aus  ihrer  Heimat  auswanderten. 
Heute  spielen  die  Hispaniolen  infolge  ihres  ausgeprägten  Geschäftssinnes  im 
Wirtschaftsleben  Nordafrikas  eine  große  Rolle. 

Einen  sehr  eindrucksvollen  Vortrag  hielt  Prof.  Cholnocky- Klausen- 
burg über  die  Einwanderungen  in  Zentral-Asien  und  die  Völkerwanderungen 
auf  Grund  vieljähriger  Forschungen  in  Zentralasien  und  China.  Zentralasien 
hat  in  den  frühen  Zeiten  seiner  künstlichen  Bewässerung  ungeheure  Gebiete 
in  Ackerland  verwandelt  und  einem  hochkultivierten  bunten  Völkergemisch 
in  diesen  Oasen  Mittel  zu  seinem  Unterhalt  gewährt.  Mit  der  Zeit  sammelten 
sich  in  diesen  Oasen  immer  mehr  Menschen,  die  Ansiedelungen  wurden  größer, 
das  Wasser  kostbar.  Trat  in  der  regelmäßigen  Wasserzufuhr  eine  Stockung 
ein,  durch  klimatische  Verschiebungen  oder  Verminderung  der  jährlichen  Regen- 
menge, so  blieb  der  Rückschlag  auf  die  Bodenbebauung  nicht  aus.  Sie  ließ 
nach  und  hatte  die  Aufgabe  des  Landes  zur  Folge.  Man  wanderte  zuerst  in 
kleiner  Zahl,  die  nach  und  nach  größer  wurde,  schließlich  wuchs  sich  die 
Bewegung  zu  Völkerwanderungen  aus.  Nicht  plötzlich  ging  so  ein  Auszug 
vor  sich,  auch  nicht  infolge  von  Angriffen  von  räuberischen  Nomadenstämmen, 
sondern  wie  Stein  und  LeCoq  festgestellt  haben,  wohl  vorbereitet  und 
planmäßig.  Daher  finden  wir  heute  in  den  verlassenen  Ruinenstätten  Zentral- 
asiens mit  ihren  üeberresten  ehemals  großartiger  Bewässerungsanlagen  nichts 
Wertvolles,  nur  zerbrochene  und  andere  unbrauchbare  Gegenstände. 

Auf  solche  Weise  ist  nach  Ansicht  des  Redners  die  Einwanderung  der 
Chinesen  nach  China  erfolgt.  Die  Chinesen  haben  sich  keine  eigene  Kultur 
zugelegt,  sondern,  wie  es  oft  in  der  Weltgeschichte  der  Fall  gewesen  ist,  die 
Kultur  des  von  ihnen  unterworfenen  autochthonen  Volkes  angenommen.  Zum 
Beweis  für  seine  Behauptung  führt  Redner  die  vielfache  Verwendung  des 
Bambus  in  der  chinesischen  Architektur  und  Kunst  an.  Der  Bambus  fehlte 
aber  vollständig  in  den  Gebieten,  aus  denen  die  Chinesen  früher  herkamen. 
Seine  Heimat  ist  Südchina,  wo  er  im  täglichen  Leben  der  Bewohner  eine 
große  Rolle  spielt.  In  der  lebhaften  Diskussion,  die  sich  an  diesen  Vortrag 
anschloß,  machte  Dr.  Wegen er-Berlin  auf  ähnliche,  durch  klimatische  Ver- 
änderungen hervorgerufene  Verhältnisse  in  Ceylon  aufmerksam,  wo  in  heute 
unfruchtbaren  und  mit  dichten  Dschungeln  bedeckten  Gegenden  große  Be- 
wässerungsanlagen gefunden  worden  sind,  die  auf  eine  starke  Bevölkerungs- 
dichte in  früheren  Jahrhunderten  schließen  lassen. 

Einen  erlesenen  Genuß  bot  ein  Vortrag  von  Frau  Olga  Julia  Wegen  er, 
der  Gattin  des  ebengenannten  Forschungsreisenden,  über  altchinesische  Malerei. 
Seit  Jahren  mit  dem  Studium  dieses  für  die  Wissenschaft  wie  für  die  Kunst 
fast  unbekannt  gebliebenen  Gebietes  beschäftigt,  ist  es  Frau  Wegener  ge- 
langen,  nach  Ueberwindung  großer  Schwierigkeiten  auf  mehreren  Reisen  in 


—     169    — 

China  eine  Sammlnng  von  nicht  weniger  als  600  alten  wertvollen  chinesischen 
Bildern  zusammenzubringen.  Von  diesen  hatte  die  Frau  Vortragende  15  der 
kostbarsten  Stücke  zu  einer  kleinen  Ausstellung  vereinigt,  die  dem  lichtvollen 
Vortrage  als  Unterlage  dienten  und  das  Entzücken  des  zahlreich  erschienenen 
Publikums,  besonders  der  anwesenden  Sinologen,  hervorriefen.  Einzelne 
Bilder  dürfen  in  der  Tat  den  Anspruch  auf  höchste  künstlerische  Schönheit 
erheben,  so  z.  B.  ein  Tiger,  der  mit  durchaus  realistischer  Auffassung  und 
höchster  Vollendung  gemalt  ist.  Das  Bild  stammt  aus  der  Zeit  der  Ming- 
dynastie,  welche  von  1368—1644  regierte.  Als  das  beste  Stück  ihrer  Samm- 
lung erklärte  Rednerin  selbst  ein  Bildnis,  welches  auf  dunklem  Hintergrunde 
eine  mit  großer  Feinheit  gemalte  Hühnerfamilie  darstellt.  Einige  Landschafts- 
bilder und  Blumen  stücke  zeigten  ebenfalls  eine  geniale  Auffassung,  desgleichen 
verschiedene  Frauenporträts,  darunter  das  Bild  der  Qeliebten  des  Kaisers 
Wangli,  eine  nackte  Frauengestalt,  welche  von  einem  vollendet  schön  ge- 
malten roten  Schleier  bedeckt  ist,  eine  Seltenheit,  da  die  chinesische  Kunst 
das  Malen  unbekleideter  weiblicher  Gestalten  kaum  kennt.  Einige  Bilder 
stammen  sogar  aus  dem  frühen  Mittelalter,  aus  der  Zeit  der  Sungdynastie, 
so  ein  mit  außerordentlicher  Lebendigkeit  dargestellter  Adler  und  Bär,  die 
durch  große  Linien  ausgezeichnet  sind.  Wundervoll  wirkt  auf  den  Bildern 
aus  der  Mingdynastie  die  Farbenpracht.  Einige  Bilder  sind  nicht  gemalt, 
sondern  gewebt  und  vorzügliche  Beispiele  für  die  in  den  zartesten  Farben 
und  der  duftigsten  Anfertigung  arbeitende  chinesische  Webetechnik.  Die 
ganze  Sammlung  ist  einzig  in  ihrer  Art.  Hoffentlich  gelingt  es,  die  kostbare 
Sammlung  dem  Vaterlande  zu  erhalten.  Wie  wir  hören,  wird  die  königliche 
Akademie  der  Künste  zu  Berlin  in  ihrem  Palais  am  Pariser  Platz  die  ganze 
Sammlung  im  Dezember  ds.  Js.  zur  Ausstellung  bringen. 

Von  den  Vorträgen  der  Sektion  X  für  Wirtschafts-  und  Sozial- 
Geographie  möge  der  Vortrag  von.  D  a  y  -  Washington  über  die  Verteilung 
des  Petroleums  hervorgehoben  werden.  Der  Verbrauch  des  Petroleums  steigt 
stetig.  Im  letzten  Jahre  wurden  allein  in  den  Vereinigten  Staaten  28000000 
Tonnen  gewonnen.  Man  pumpt  jetzt  Oel  aus  neuen  Lagern  in  den  Terri- 
torien von  Wyoming  und  Oklahoma,  wobei  große  Verschwendung  getrieben 
wird.  White  (Amerika)  und  Heffer  (Deutschland)  haben  ein  neues,  für 
die  Auffindung  von  Petroleumquellen  wichtiges  Verfahren  gefunden.  C 1  e  r  g  e  f  - 
Lyon  sprach  über  die  Rhoneschiffahrt,  die  Möglichkeit  ihrer  Verbesserung 
für  die  Handelsbeziehungen  zwischen  dem  Osten  Frankreichs  und  Genfs  durch 
Anlegen  von  Flußhäfen,  Werften  und  durch  Angliederung  der  Rhone  an 
andere  Verkehrswege. 

In  der  Sektion  XI  für  Forschungsreisen  behandelten  mehrere 
Vorträge  polare  Fragen.  Zunächst  berichtete  Locol nte-üccle  über  das 
internationale  Polarinstitut  zu  Brüssel,  dessen  Aufgabe  hauptsächlich  in  der 
Errichtung  einer  Bibliothek,  welche  die  gesamte  Polarliteratur  umfaßt,  be- 
steht, der  Gründung  eines  Museums  und  der  Herausgabe  einer  internationalen 
Zeitschrift  polaren  Inhalts.  Bryant-New  York  brachte  einen ''Bericht  von 
Bridgman-New  York  über  die  Geschichte  und  die  Tätigkeit  des  „Peaiy- 
Arctic-Club'^  zur  Verlesung.    Aus  ihm  geht  hervor,   daß  der  Klub  bis  jetzt 


—     170    — 

14  arktische  Expeditionen  fast  allein  aas  eigenen  Mitteln  aasgerüstet  hat 
und  aach  die  gegenwärtige  unter  Peary. 

Kapitän  Harfeid -Brüssel  berichtete  an  der  Hand  von  selbstange- 
fertigten Karten  über  seine  Reisen  in  der  Provinz  Honan  in  Mittelchina, 
die  hauptsächlich  topographische,  hydrographische  und  geologische  Zwecke 
verfolgten.  Baron  de  Halot- Paris  lenkte  die  Aufmerksamkeit  der  Zuhörer 
auf  die  letzten  Forschungen  der  Franzosen  in  Algier  und  Tunis  und  ihrem 
Hinterland,  in  Französisch-Westafrika  und  dem  Kongogebiet.  Sie  beweisen 
die  Unermüdlichkeit  der  Franzosen,  die  wissenschaftliche  Erforschung  ihrer 
afrikanischen  Besitzungen  mit  Erfolg  durchzuführen.  Leider  stand  nur  dem 
Redner,  nicht  aber  den  Zuhörern  eine  Karte  zur  Verfügung. 

Einen  vortrefflichen  Vortrag  hielt  Dr.  We gener  über  das  Stromsystem 
des  Yangtse  innerhalb  Chinas  und  die  chinesiche  Binnenschiffahrt.  Die  Aus- 
führungen des  Redners  decken  sich  meist  mit  dem  Bericht  über  seine  neueren 
Reisen  in  Innerchina  1906—1907,  den  er  im  vorigen  Jahre  in  unserem  Verein 
gehalten  hat  (vgl.  S.  12ö  f.),  enthielten  aber  doch  manches  Neue,  besonders 
über  den  von  dem  Redner  genau  erforschten  Kankiang-Fluß,  einen  von  Süden 
kommenden  charakteristischen  Nebenfluß  des  Yangtse. 

Die  Sektion  XII  für  geographischen  Unterricht  beschäftigte 
sich  hauptsächlich  mit  der  Frage  der  Verbesserung  und  Förderung  des 
geographischen  Unterrichts  in  Elementar-  und  höheren  Schulen,  wobei  be- 
sonders kartographische  Fragen  mit  Vorführung:  neuer  Apparate  behandelt 
wurden. 

In  der  Sektion  XIU  für  historische  Geographie  sprach  de  Lima- 
Brüssel  über  die  Verhandlungen  seines  Vaterlandes  Brasilien  mit  sämtlichen 
Nachbarstaaten  über  die  Festsetzung  seiner  Grenzen.  Gumma  y  Marti- 
Barcelona  nahm  für  die  Spanier  die  Priorität  der  Entdeckung  Koreas  sehr 
lebhaft  in  Anspruch,  während  sein  portugiesischer  Nachbar  dcVasconcellos 
darauf  aufmerksam  machte,  daß  ein  Portugiese  im  17.  Jahrhundert  zum 
ersten  Male  die  Straße  durchfuhr,  welcher  Bering  im  folgenden  Jahrhundert 
seinen  Namen  gab.  Mit  historischer  Kartographie  beschäftigten  sich  zwei 
Vorträge,  der  des  ungarischen  Grafen  T  e  1  e  k  i  über  alte  spanische  und  portu- 
giesische Karten  von  Japan,  welche  in  einem  Kartenwerk  des  Redners  im 
Oktober  zur  Veröffentlichung  gelangen  werden,  und  von  L  u  i  g  i  -  Mailand,  der 
eine  merkwürdige  in  der  ambrosianischen  Bibliothek  in  Mailand  aufgefundene 
chinesische  Weltkarte  zeigte,  deren  Verfasser  zweifellos  ein  jesuitischer 
Missionar  war. 

Beachtung  verdienten  auch  die  Verhandlungen  der  XIV.  und  letzten 
Sektion,  die  sich  mit  allgemeinen  Normen  und  geographischer  Namen- 
gebung  befaßte.  Ein  Thema  allerdings  und  gleich  das  erste  war  von 
lokaler  Bedeutung.  Es  handelte  sich  um  die  alte  Frage,  soll  man  Genfer 
See  oder  Lac  L6man  sagen?  Bekanntlich  verlangen  die  Waadtländer 
das  letztere  und  wollen  vom  Lac  de  Gen^ve  nichts  wissen.  Nach  einem 
längeren  Vortrag  von  Roux-  Genf,  der  die  Frage  historisch  behandelte,  entschied 
sich  die  Yörsammlung  mit  50  gegen  2  Stimmen  dahin,  daß  beide  Bezeichnungen 
gleichberechtigt  sein  und  zusammen  auf  den  Karten  angegeben  werden  sollen. 
Um  es  gleich  vorweg  zu  nehmen,  auch  die  Delegierten- Versammlung  hieß  in 


—     171     — 

ihrer  Schlußsitzniig  diesen  Beschluß  gut,  freilich  nnr  mit  21  gegen  18  Stimmen, 
was  wohl  darin  seinen  Grund  hatte,  daß  einige  der  angesehensten  Mitglieder 
des  Kongresses  sich  der  Abstimmung  enthielten  mit  der  Begründung,  die  Frage 
scheine  mehr  nationalen  als  internationalen  Charakters  zu  sein. 

Richieri-Mailand  besprach  die  Schwierigkeit  der  Einführung  einer 
einheitlichen  Schreibweise  geographischer  Eigennamen  und  empfahl  die  Ein- 
setzung einer  internationalen  Kommission,  welche  für  den  nächsten  Kongreß 
einen  Bericht  vorbereiten  soll.  Auch  dieser  Antrag  wurde  Yon  den  Delegierten 
genehmigt.  Graf  Fleurieu-Paris  regte  die  Wiedereinsetzung  der  von  den 
Entdeckern  gegebenen  ursprünglichen  Namen  an.  Auch  diesem  Verlangen  trug 
später  die  Delegiertenversammlung  Rechnung  mit  den  Beschluß,  die  alten 
Namen  sollten  da,  wo  sie  noch  üblich  seien,  in  Zukunft  beibehalten  werden. 

0 1  u  f  8  e  n  -  Kopenhagen  unterbreitete  Vorschläge  einer  besseren  und 
engeren  Verbindung  unter  den  geographischen  Gesellschaften,  zu  welchem 
Zwecke  er  die  Bildung  eines  Komitees  beantragte,  das,  aus  den  General- 
sekretären der  Gesellschaften  in  Berlin,  Genf,  Kopenhagen,  London,  New 
York,  Madrid,  Paris  und  Rom  bestehend,  ein  über  die  ganze  Welt  verbreitetes 
Komitee  vorbereiten  soll.  Auch  diesem  Antrag  wurde  in  der  Delegierten- 
versammlung stattgegeben. 

Zur  endgültigen  Beschlußfassung  über  die  auf  dem  Kongreß  gestellten 
Anträge  trat  die  inzwischen  stark  zusammengeschmolzene  Delegiertenversamm- 
lung am  letzten  Verhandlungstage ,  Donnerstag  den  G.August,  noch  einmal 
zusammen. 

Angenommen  wurden  die  Anträge  der  Kommission  für  die  Erdkarte  in 
neun  Artikeln,  desgleichen  die  Vorschläge  zur  Bildung  einer  internationalen 
kartographischen  Vereinigung  nebst  der  Herausgabe  eines  graphischen 
Kartenrepertoriums.  Auch  der  Antrag  Roncaglis  auf  Einsetzung  eines  inter- 
nationalen geographischen  Bureaus  zur  Auskunfterteilung  in  geographischen 
Fragen  im  Interesse  des  Handels  fand  Genehmigung.  Ebenso  stimmte  die 
Versammlung  dem  Antrage  Lecointes  zu,  die  Regierungen  zu  einer  wohl- 
wollenden Prüfung  der  Frage  des  Anschlusses  an  die  internationale  Polar- 
kommission zu  bewegen.  Desgleichen  sollen  die  einzelnen  Regierungen  für 
die  Wiederherstellung  des  alten  Kartenmaterials  aus  dem  Mittelalter  und  der 
Renaissancezeit  gewonnen  werden. 

Von  den  Sektionsanträgen  wurden  u.  a.  angenommen  der  Antrag  der 
Stundenbezeichnung  von  0  bis  24,  d.  h.  von  Mittemacht  zu  Mitternacht; 
femer  sollen  die  Regierungen  ersucht  werden,  die  drahtlose  Telegraphie 
für  geographische ,  astronomische  Zwecke  und  diejenigen  der  Schiffahrt  in  den 
Dienst  der  Allgemeinheit  zu  stellen.  Zur  Erforschung  des  Atlantischen  Ozeans 
und  des  Mittelmeeres  wurden  besondere  Kommissionen  eingesetzt,  die  aus 
den  hervorragendsten  Ozeanologen  und  den  Direktoren  der  Observatorien  der 
in  Betracht  kommenden  Länder  bestehen  sollen  unter  dem  Vorsitz  des  Fürsten 
Albert  von  Monaco.  Eine  besondere  Kommission  hat  sich  mit  der  Förderang 
des  Fischfanges  im  Mittelmeer  zu  beschäftigen,  eine  andere  mit  der  Schreibweise 
geographischer  Eigennamen,  einer  dritten  wird  die  Schaffung  eines  Atlanten 
für  Reliefforaien   überwiesen.     Über  das   Schicksal   der  übrigen  bemerkens- 


—    172    — 

werteren  Antr&ge  ist  bei  den  einzelnen  SektionsTerhandlongen  bereits  be- 
richtet worden. 

Damit  war  die  wissenschaftliche  Tätigkeit  der  Genfer  Tagung  erschöpft. 
Wie  man  sieht,  hat  der  Kongreß  fleißig  gearbeitet  and  Tttchtiges  geleistet. 
Vor  allem  sind  heryorzuheben  die  hocherfreuliche  Förderung  der  Weltkarte 
und  die  Klärung  der  Ansichten  auf  dem  Gebiete  der  Glazialforschung.  Erfreu- 
liche Aussichten  verheißt  ein  gemeinsames  Zusammenarbeiten  auf  den  Gebieten 
der  Meereskunde  und  der  Kartographie  und  der  polaren  Forschung ,  und  doch, 
weniger  wäre  mehr  gewesen.  Es  wird  die  Aufgabe  des  nächsten  Kongresses 
sein,  auf  eine  stärkere  und  zweckmäßigere  Konzentration  der  Arbeit  durch 
eine  sorgfältige  Sichtung  der  angemeldeten  Vorträge  und  ihre  rechtzeitige 
Veröffentlichung  hinzuwirken.  Nicht  zum  wenigsten  bedarf  die  Organisation 
des  Delegiertenwesens,  aus  dem  sich  manche  Mißstände  ergeben  haben,  einer 
gründlichen  Umgestaltung. 

Die  wissenschaftlichen  Ausflüge,  die  dem  Kongreß  vorangingen  oder 
sich  ihm  anschlössen  und  sich  über  die  ganze  Schweiz  erstreckten,  verfolgten 
hauptsächlich  morphologische  und  besonders  glazialmorphologische  Zwecke. 

Zum  Schluß  wollen  wir  dankbar  auf  die  festlichen  Veranstaltungen 
hinweisen,  welche  geeignet  waren,  den  Kongressisten  den  Aufenthalt  in  der 
schönen  Stadt  angenehm  zu  machen.  Von  ihnen  seien  besonders  hervorgehoben 
die  Empfänge  in  den  herrlichen  Landsitzen  der  gastlichen  Familien  Bertrand 
und  L.  Gautier,  sowie  der  Empfang  durch  die  kantonalen  Behörden  im 
Parke  des  Musöe  Ariana,  vor  allem  aber  die  vom  schönsten  Sonnenschein 
begleitete  prächtige  Rundfahrt  auf  dem  See  mit  dem  entzückenden 
Aufenthalt  in  Montreux,  Veranstaltungen,  die  den  Teilnehmern  unvergeßlich 
bleiben  werden. 


••> 


Geschüftliche  Alitteilungen. 


Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins 

Yom  l.  Oktober  1906  bis  zum  30.  September  1908. 


Im  VereinsYorstande  und  in  der  Ämterverteilung 
innerhalb  desselben  traten  in  den  abgelaufenen  Geschäftsjahren 
mehrfache  Veränderangen  ein.  Vor  allem  müssen  wir  dem  lebhaften 
Bedauern  Ausdruck  geben,  daß  Herr  Geheimer  Konsistorialrat 
Professor  Dr.  Ebrard  sich  mit  Rücksicht  auf  seinen  Gesund- 
heitszustand gezwungen  sah,  das  Amt  des  Vorsitzenden  nieder- 
zulegen und  bis  zu  seiner  völligen  Wiederherstellung  einstweilen 
ganz  aus  dem  Vorstande  auszuscheiden.  Indem  wir  auch  an  dieser 
Stelle  den  besten  Wünschen  für  seine  baldige  Genesung  und 
der  Hoffnung  eines  seinerzeitigen  Wiedereintrittes  des  um  die 
Entwickelung  unseres  Vereins  so  hochverdienten  Mannes,  der 
25  Jahre  hindurch  die  Seele  des  Vereins  gewesen  ist,  Ausdruck 
geben,  verbinden  wir  damit  den  herzlichsten  Dank  für  die 
unablässige  und  hingebende  Mühewaltung  des  Heriii  Geheimrats 
Ebrard,  durch  die  der  Verein  nach  allen  Richtungen  gefördert 
und  auf  eine  früher  nie  geahnte  Höhe  gebracht  wurde. 

Gleichfalls  aus  Gesundheitsrücksichten  sah  sich  unser 
hochverehrter  Freund  Herr  Franz  Rücker  veranlaßt,  von 
seinem  Vorstandsamt  zurückzutreten ,  das  er  16  Jahre  hindurch 
mit  regstem  Eifer  und  lebhafter  Betätigung  für  die  praktischen 
Bedürfnisse  und  Interessen  des  Vereins  verwaltet  hatte.  Unsere 
Hoffnung  auf  allmähliche  Genesung  ging  leider  nicht  in  Erfüllung, 
am  11.  Mai  1908  erlag  er  seinem  langjährigen  Leiden.  Als  ein 
schwaches  Zeichen  unserer  Verehrung  haben  wir  mit  dankbaren 
Worten  eine  Kranzspende  an  seiner  Bahre  niedergelegt. 

Neu  traten  in  den  Vorstand  ein  die  Herren  Privatier 
Eugen  Grumbach-Mallebrein  und  Kaufmann  Friedrich 
Wilhelm  Lejeune.    Das  Amt  des  Vorsitzenden  übernahm  Herr 


-     176    — 

Geheimer  Justizrat  Dr.  Adolf  von  Harnier,  das  des  stell- 
vertretenden Vorsitzenden  Herr  Hofrat  Dr.  Hagen,  die  übrigen 
Vereinsämter  blieben  bei  ihren  seitherigen  Trägern. 

In  den  beiden  Wintern  1906/07  und  1907/08  wurden 
zusammen  34  Vorträge  gehalten,  von  denen  der  erste  am  24.  Ok- 
tober 1906,  der  letzte  am  12.  März  1908  stattfand.  Wie  in 
den  vorhergehenden  Jahren  hatten  sie  sich  stets  zahlreichen 
Besuches  zu  erfreuen  und  waren  fast  sämtlich  durch  Lichtbilder, 
zum  Teil  auch  durch  ethnographische  Ausstellungen  aus  dem 
städtischen  Völkermuseum  erläutert. 

Über  den  Verlauf  des  siebzigsten  Stiftungsfestes, 
das  der  Verein  am  12.  Dezember  1906  in  festlicher  Weise  beging, 
ist,  dem  jetzigen  Jahresbericht  vorgreifend,  bereits  in  dem  vorher- 
gehenden berichtet  worden. 

Die  Anzahl  der  ordentlichen  M  i  t  g  1  i  e  d  e  r ,  die  bei  Abschluß 
des  letzten  Jahresberichts  646  betragen  hatte,  verminderte  sich 
durch  Tod  und  Austritt  um  49,  dagegen  traten  ö4  neue  Mit- 
glieder ein,  sodaß  sie  sich  gegenwärtig  auf  651  beläuft.  Korrespon- 
dierende Mitglieder  zählt  der  Verein  11  (gegen  8  im  Vorjahre), 
Ehrenmitglieder  45  (gegen  42),  sodaß  die  Gesamtzahl  aller 
seiner  Mitglieder  707  (gegen  696)  beträgt. 

Durch  den  Tod  verlor  der  Verein  seine  Ehrenmitglieder 
den  geheimen  Regierungsrat  Professor  a.  D.  Dr.  Alfred  Kirch- 
hoff, Ehrenvorsitzenden  des  Vereins  für  Erdkunde  zu  Halle 
(gestorben  am  8.  Februar  1907  zu  Mockau  bei  Leipzig),  den 
geheimen  Regierungsrat  und  ordentlichen  Honorar -Professor 
an  der  Universität  Berlin  Dr.  Richard  B  o  e  c  k  h ,  vormals  Direktor 
des  Statistischen  Amts  der  Stadt  Berlin  (gestorben  am  5.  De- 
zember 1907  in  Grunewald  bei  Berlin)  und  den  kaiserlichen 
Admiralitätsrat  und  Abteilungsvorstand  der  Seewarte  in  Hamburg 
Karl  Koldewey  (gestorben  daselbst  am  18.  Mai  1908).  Im 
Kreise  seiner  ordentlichen  Mitglieder  hatte  der  Verein  insbe- 
sondere den  Verlust  seines  früheren  Vorstandsmitgliedes,  des 
Herrn  Professors  Dr.  Franz  Hof  1er  zu  beklagen,  der  am  18.  Juli 
1907  einem  längeren  Leiden  dahier  erlag.  Seit  vielen  Jahren 
Mitglied  des  Vereins  und  6  arbeitsreiche  Jahre  dem  Vorstand 
als  Generalsekretär  angehörig,  hat  Herr  Professor  Höfler  in 
verdienstvoller  Weise  die  Bestrebungen  des  Vereins  gefördert. 
Am  9.  Dezember  1907   wurde  uns  durch  den  Tod  ein  anderes 


—     177     — 

langjähriges  Mitglied  entrissen,  der  unserem  Verein  stets  reges 
Interesse  entgegenbrachte,  Seine  Exzellenz  wirklicher  geheimer 
Rat,  Professor  D.  Dr.  Moritz  Schmidt-Metzler.  Besonderen 
Dank  schulden  wir  ihm  für  die  Bereitwilligkeit,  mit  der  er 
bei  feierlichen  Anlässen,  zusammen  mit  den  übrigen  bei  dem 
Senckenbergianum  vereinigten  Gesellschaften  auch  unseren 
Verein  vertrat.  Auch  dieser  Verstorbenen,  an  deren  Bahre  der 
Vorstand  eine  Kranzspende  niederlegte,  werden  wir  stets  in 
Dankbarkeit  gedenken. 

Den  Ehrenmitgliedern  des  Vereins,  Herrn  Professor  Dr. 
Georg  Schweinfurth,  der  am  29.  Dezember  1906  seinen 
siebzigsten  Geburtstag  feierte,  sowie  Herrn  Präsidenten  Dr.  Emil 
Blenck,  wirklichem  geheimen  Oberregierungsrat  und  Direktor 
des  Königl.  Preußischen  Statistischen  Landesamts,  der  am 
23.  September  1907  sein  50jähriges  Dienstjubiläum  beging,  sandte 
der  Verein  telegraphisch  seine  herzlichsten  Glückwünsche;  des- 
gleichen sprachen  wir  unserem  Ehrenmitgliede  und  treuem  Freunde 
Herrn  Professor  Dr.  Siegmund  Günther-München  zu  seinem 
sechzigsten  Geburtstage  am  6.  Februar  1908  unsere  herzlichste 
Gratulation  aus  und  ebenso  unserem  langjährigen  Mitgliede  Herrn 
Major  a.  D.  Professor  Dr.  Lukas  von  Heyden  zu  seinem 
siebzigsten  Geburtstage  am  22.  Mai  1908. 

Bei  der  feierlichen  Einweihung  des  Jügelhauses,  des  neuen 
Auditoriengebäudes  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handels- 
wissenschaften, am  21.  Oktober  1906,  an  der  der  Verein  auf 
Einladung  der  Verwaltung  der  C.  C.  Jügelstiftung  und  des 
großen  Rates  der  Akademie  teilnahm,  ferner  bei  der  Eröffnung 
des  neuen  Museums  der  Senckenbergischen  Naturforschenden 
Gesellschaft  am  13.  Oktober  1907  überbrachte  Exzellenz 
Schmidt- Metzler  die  Glückwünsche  der  bei  dem  Sencken- 
bergianum vereinigten  Vereine,  also  auch  unseres  Vereins. 
Vom  Vorstand  nahmen  mehrere  Herren  an  diesen  Feiern  teil, 
ebenso  auch  an  der  Einweihung  des  neuen  Bürgerhospitals  an 
der  Nibelungen- Allee  am  18.  August  1907,  ferner  an  dem 
fünfzigsten  Stiftungstage  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde am  17.  Oktober  1907,  der  Feier  der  Eröffnung  des 
neuen  Institutsgebäudes  des  Physikalischen  Vereines  am  11.  Ja- 
nuar 1908,  bei  welcher  Herr  Professor  Dr.  Knoblauch  für 
die   wissenschaftlichen   Vereine   Frankfurts    sprach,    der   Ein- 

12 


—    178    — 

weihungsfeier  des  Neubaues  des  Kaufmännischen  Vereins  am 
11.  April  1908,  ferner  an  den  Feierlichkeiten  der  Handelskammer 
aus  Anlaß  ihres  100  jährigen  Jubiläums  am  7.  und  8.  Mai  1908 
und  an  der  Einweihung  der  neuen  Anatomie  am  2.  Juli  1908 
auf  Einladung  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftungs-Administration. 

Desgleichen  beteiligte  sich  der  Verein  auf  Einladung  der 
ebengenannten  Administration  an  der  Feier  des  zweihundertsten 
Geburtstages  von  Dr.  Johann  Christian  Senckenberg  und 
der  damit  verbundenen  Einweihung  des  neuen  Senckenber- 
gischen Bibliotheksgebäudes  am  18.  Februar  1907,  bei 
welcher  Gelegenheit  Herr  Geheimer  Justizrat  Dr.  von  Harnier 
der  Administration  die  Glückwünsche  des  Vereins  aussprach  und 
namens  desselben  gleichwie  andere  hiesige  Gesellschaften  eine 
Ehrengabe  zur  Vervollständigung  der  im  Besitze  der  Administration 
befindlichen  und  in  den  letzten  Jahren  entstandenen  Bilder- 
sammlung hervorragender  Frankfurter  Ärzte  und  Naturforscher 
aberreichte.  Wir  unsererseits  hatten  ein  Porträt  Eduard 
Rüppells  gewählt,  eine  vortreffliche,  von  dem  Frankfurter 
Maler  Hermann  Kruse  angefertigte  Kopie  nach  dem  Original 
im  Städelschen  Institut,  gemalt  von  Georg  Hom. 

Einladungen  erhielten  wir  ferner  von  der  k.  k.  Geogra- 
phischen Gesellschaft  zu  Wien,  die  am  15.  Dezember 
1906  die  Feier  ihres  fünzigjährigen  Bestehens  beging,  bei  wel- 
cher unser  langjähriges  Ehrenmitglied  Herr  Dr.  Julius  Ritter 
von  Payer-Wien  die  Freundlichkeit  hatte,  uns  zu  vertreten, 
sodann  von  der  Geographischen  Gesellschaft  zu  Lü- 
beck anläßlich  ihres  fünf undzwanzigjährigen  Stiftungsfestes  und 
der  Geographischen  Gesellschaft  zu  Genf,  die  am 
27.  März  1908  ihr  fünfzigjähriges  Bestehen  festlich  beging. 
Beiden  letzteren  übersandten  wir  auf  telegraphischem  Wege 
unsere  Glückwünsche,  ebenso  der  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde zu  Berlin  zu  ihrem  achtzigsten  Stiftungsfeste  am 
23.  Mai  1908. 

Am  30.  Januar  1907  konnten  wir  zu  unserer  Freude  die 
geographischen  Seminare  der  Nachbaruniversitäten  von 
Marburg,  Gießen  und  zum  Teil  auch  von  Heidelberg  in 
der  stattlichen  Anzahl  von  siebzig  Herren  unter  Führung  der 
Herren  geheimer  Regierungsrat  Professor  Dr.  Fisch  er- Mar- 
burg, Professor  Dr.  S  i  e  v  e  r  s  -  Gießen  und  Privatdozent  Dr.  0  e  s  t- 


—    179    — 

reich- Marbarg  in  unserer  Stadt  und  in  unserem  Verein  be- 
grüßen. Nach  einem  gemeinsam  eingenommenen  Mittagessen 
hielt  unser  stellvertretender  Vorsitzender  Herr  Hof  rat  Dr.  Hagen 
den  Gästen  im  Steinernen  Hause  als  Vorbereitung  für  den  Be- 
such des  Völkermuseums  einen  von  Lichtbildern  begleiteten  Vor- 
trag über  die  malaiische  Rasse  und  den  Entwicklungsgang  der 
malaiischen  Kultur,  deren  Belegstücke  darauf  im  Museum  einer 
eingehenden  Besichtigung  unterzogen  wurden.  Am  Nachmittag 
ging  es  sodann  zu  dem  geographischen  Semiuar  der  Akademie, 
dessen  praktische  Einrichtung  und  reiche  Sammlungen  Herr  Pro- 
fessor Dr.  Deck  er  t  freundlichst  erläuterte.  Nach  einem  von  der 
gastlichen  Familie  Hagen  in  ihrer  Wohnung  liebenswürdigerweise 
gespendeten  Imbiß  hörten  die  Herren  zum  Schluß  am  Abend  in 
unserem  Vereinslokale  den  Vortrag  von  Professor  Dr.  Voelz- 
k  0  w  -  Berlin  über  Madagaskar.  Diesem  Besuch  war  im  Sommer 
vorigen  Jahres  bereits  ein  Ausflug  des  Marburger  Seminars 
nach  Frankfurt  voraufgegangen,  der  dem  Studium  der  geogra- 
phischen Lage  unserer  Stadt  und  ihrer  Entwicklung  galt,  bei 
welcher  Gelegenheit  Herr  Bibliothekar  Dr.  Traut  den  erläu- 
ternden Vortrag  übernommen  hatte.  Wir  begrüßen  es  mit  Genug- 
tuung und  Freude,  daß  durch  diese  Besuche,  deren  Wiederholung 
in  geregelten  Zwischenräumen  geplant  ist,  die  freundschaftlichen 
Beziehungen  zwischen  unseren  Nachbaruniversitäten  einer-  und 
unserer  Stadt  und  den  hiesigen  wissenschaftlichen  Instituten 
anderseits  immer  enger  geknüpft  werden  und  erhoffen  von 
ihnen  wechselseitige  Belehrung  und  Förderung  der  von  unserem 
Verein  gepflegten  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  unserer  geo- 
graphischen Wissenschaft. 

Auf  dem  XVI.  Deutschen  Geographentag,  der  in 
der  Pflngstwoche  vom  20.  bis  23.  Mai  1907  in  Nürnberg  statt- 
fand, sowie  auf  dem  IX.  Internationalen  Geographen- 
kongreß, der  vom  27.  Juli  bis  6.  August  1908  in  Genf 
tagte,  war  der  Verein  durch  seinen  Generalsekretär  Herrn 
Dr.  Traut  vertreten.^) 

Zum  Versand  an  die  mit  uns  in  regelmäßigem  Tausch- 
verkehr stehenden  Behörden  und  Gesellschaften  gelangten  im 
verflossenen  Geschäftsjahre  das  Statistische  Handbuch  der  Stadt 

*)  Bericht  über  die  Genfer  Tagung  8.  Seite  154  ff. 

12* 


—    180    - 

Frankfurt  am  Main,  erste  Ausgabe,  enthaltend  die  Statistik  bis 
zum  Jahre  1905/06,  nebst  Ergänzungsheft  I. 

Neuer  Tauschverkehr  wnrde  angebahnt  mit  dem 
deutsch-österreichischen  Orientklub  zn  Wien,  dem  Ministöre  des 
Sciences  et  des  arts :  Administration  de  Penseignement  supörieur 
des  Sciences  et  des  lettres  ä  Bruxelles,  dem  Ethnological  sur- 
vey  for  the  Philippine  Islands  zu  Manila,  der  Kaiserlichen  Leo- 
poldinisch-Carolinischen  Akademie  der  Naturforscher  zn  Halle  a.S., 
der  Direccion  general  de  Estadistica  del  Uruguay  zu  Montevideo, 
der  Connecticut  academy  of  arts  and  sciences  zu  New  Haven 
und  der  Kaiser -Wilhelm -Bibliothek  zu  Posen.  Die  Gesamtzahl 
der  Tanschverbindungen  beträgt  zurzeit  244  (gegen  236). 


Yorstand  und  Amteryerteiluiig, 

(NMh  dem  Sund  vom  i.  Oktober  1908.) 


Vorstand. 

Vorsitzender : 
Dr.  Adolf  von  Harnier,  kgl.  geheimer  Justizrat  und  Rechts- 
anwalt. 

Stellvertretender  Vorsitzender: 
Dr.  Bernhard  Hagen,  großherzoglich  badischer  Hofrat   und 
Leiter  des  städtischen  Völkermnseums. 

Oeneralsekretiir : 
Dr.  Hermann  Traut,  Bibliothekar  an  der  Stadtbibliothek. 

Erster  Schriftführer: 
Dr.  Hermann  Traut,  Bibliothekar  an  der  Stadt bibliothek. 

Zweiter  Schriftführer: 
Rudolf  Stern,  Privatier. 

Kassenführer: 
August  Rasor,  Kaufmann. 

Beisitzer: 
Dr.  Heinrich  Bleicher,  Professor  und  Stadtrat. 
Dr.  Emil  Deckert,  Professor  an  der  Akademie  für  Sozial-  und 

Handelswissenschaften. 
Dr.  Theodor  Demmer,  praktischer  Arzt. 
Eugen  Grumbach-Mallebrein,  Privatier. 
Dr.  Alfred  Fritsch,  kgl.  Amtsrichter. 
Friedrich  Wilhelm  Lejeune,  Kaufmann. 
Wilhelm  Rehmer,  Privatier. 


—     182    — 

Yertreter  des  Vereins  in  der  gemeinsamen  Kommission  fBr 

die  Dr.  Sencltenbergische  Bibliothek: 

Dr.  Friedrich  ClemeDS  Ebrard,  kgl.  gebeimer  Konsistorialrat, 
Professor  und  Direktor  der  Stadtbibliotbek. 


Reyisoren. 


Albeit  Flersbeim,  Kaufmann. 
Pbilipp  Heinz,  Kaufmann. 
Georg  Völcker,  Buchhändler. 


Mitglieder-T  erzeich  nis. 

(Nach  dem  Stand  vom  1.  Oktober  1908.) 

I.    Ordentliche  Mitglieder. 

Einilie  Abresch,  Rentnerin.     190G. 

Dr.  Franz  A dickes,  Oberbürgermeister  und  Mitglied  des  Herrenhauses.  1891. 

Anton  Ahrens,  Bankbeamter.     1906. 

August  Albert,  Architekt.     1897. 

Heinrich  Alten,  Privatier.     1903. 

Ferdinand  Andreae,  Kaufmann.    1903. 

Philipp  A  n  d  r  e  a  e ,  Kaufmann.    1907. 

Frau  Edgar  Andreae-Grumbach.     1908. 

Alhard  Andreae-von  Grunelius,  Kaufmann.    1893. 

Frau  Elise  Andreae-Lemm6,  Privatiere.    1894. 

Victor  Andreae-Majer,  Bankier.     1904. 

Jean  Andreae-Passavant,  kgl.  geheimer  Kommerzienrat,  Präsident  der 
Handelskammer,  Direktor  der  Filiale  der  Bank  für  Handel  und 
Industrie  und  kgl.  rumänischer  Generalkonsul.     1893. 

Richard  Andreae-Petsch,  Bankier.     1874. 

Gottfried  Andreas,  Kaufmann.     1906. 

Julius  von  Arand,  Privatier.     1896. 

Alexander  Askenasy,  Ingenieur.     1902. 

Karl  Auffarth,  Buchhändler.     1898. 

Julius  Aurnhammer,  Kaufmann.    1904. 

Anton  Baldus,  Ingenieur.    1906. 

Frau  Marie  Bansa  geb.  Winckler,  Privatiere.     1880. 

Joseph  Baer,  Stadtrat.    1897. 

Max  Baer,  Bankier  und  kgl.  Generalkonsul  von  Schweden  und  Norwegen.  1903. 

Simon  Leopold  Baer,   Buchhändler.    1882. 

Dr.  Karl  Bardorff,  praktischer  Arzt.     1864. 

Karl  Th.  B  a  r  t  h  e  1 ,  Kaufmann.    1900. 

Emma  Baerwald,  Direktorswitwe.    1907. 

Jacob  de  Bary,   kgl.  geheimer  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1901. 

Karl  de  Bary,  Privatier.     1889. 

Heinrich  de  Bary-Jeanrenaud,  Bankier.    1888. 

Heinrich  de  Bary-Osterrieth,  Kaufmann.     1907. 


—     184    — 

Rudolf  Baner,  EaufmanD.    1907. 

Robert  Bau  nach,  Fabrikant.    1907. 

Dr.  Hans  Becker,  kgl.  Amtsrichter.    1902. 

Dr.  Beckmann,  kgl.  geheimer  Regierungsrat  und  Landrat  in  Usingen.  1900. 

Frau  Carl  Behrends.    1906. 

Robert  Behrends,  Ingenieur.    1898. 

Frau  Constanze  Behrends-Hauck,  Privatiere.    1907. 

Karl  Elias  Behrendt,  Privatier.    1897. 

Heinrich  Bernhard,  Professor  und  Oberlehrer  der  Musterschule.    1908. 

Eduard  Beit,  kgl.  Kommerzienrat  und  Bankier.    1903. 

Dr.  Alexander  Berg,  Rechtsanwalt.    1904. 

Heinrich  Berg,  Kunstgärtner.    1906. 

Moritz  Bern  er,  kgl.  Major  im  1.  kurhessischen  Inf.-Reg.  No.  81.    1900. 

Paul  Oskar  Bethge,  Oberlehrer  an  der  Humboldtschule.    1906. 

Gustav  Beyerbach,  Fabrikant  in  Hattersheim.    1887. 

Emil  Bieber,  Stadtbaumeister.    1908. 

Konrad  Bin  ding,  Privatier.     1903. 

Ludwig  Adolf  Blascheck,  Kaufmann.    1900. 

Dr.  Heinrich  Bleicher,  Professor  und  Stadtrat.    1890. 

Ferdinand  Bodesheim,  Kaufmann .     1906. 

Wilhelm  B  o  e  h  m ,  kgl.  geheimer  Justizrat  und  Oberlandesgerichtsrat  a.  D.  1907. 

Wilhelm  B.  B  o  n  n ,  Bankier.    1886. 

Karl  Borgnis,  Bankier.     1901. 

Frl.  Friederike  Bourgignon,  Privatiere.    1900. 

Friedrich  Braun,  Opernsänger.    1908. 

Otto  Braunfels,  kgl.  geheimer  Kommerzienrat,  Bankier  u.  kgl.  spanischer 

Konsul.    1904. 
Frl.  Cl.  Bremme.     1908. 
Ferdinand  Breuer,  Kaufmann.    1906. 
Otto  Brockmann,  städt.  Landmesser.    1906. 
Franz  Brofft,  Bauunternehmer.     1873.    (f) 
Richard  Brück,  kgl.  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1906. 
Max  Bruder,  Chemiker  in  Griesheim.    1907. 
Dr.  Julius  B  u  r  g  h  0 1  d ,  Rechtsanwalt.    1899. 
Adolf  Freiherr  von  Büsing-d'Orville,  Rentner.    1892. 
Alfred  Cahn,  Bankproknrist.     1903. 
Heinrich  Cahn-Blumenthal,  Bankier.    1903. 

Hermann  von  Chappuis,  kgl.  Generalleutnant  z.  D.,  Exzellenz.    1901. 
Carl  Clemm,  Privatier.    1906. 

Franz  Egon  C 1  o  1 1  e  n  ,  Kaufmann  und  Ingenieur.    1901. 
Frl.  Collischonn.     1903. 
Frau  Maria  Collischonn.     1906. 
Karl  Cr  am  er,  Kaufmann.    1902. 
Hermann  Creutzer,  Inspektor  der  Providentia.    1903. 
Alfred  Magnus  Cristiani,  Optiker.    1906. 
Dr.  Hugo  C  u  e  r  8  ,  Professor.    1903. 
Dr.  Dietrich  Cunze,  Fabrikbesitzer.    1890. 


—    185    — 

Theodor  Carti,  Direktor  der  Frankfurter  Zeitung.    1904. 

Gh)ttfried  Danbe,  Kaufmann.    1893. 

Dr.  Kurt  Danbe,  kgl.  Sanitätsrat  and  praktischer  Arzt.     1889. 

Dr.  Emil  Decker t,  Professor  an  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handels- 
Wissenschaften.     1906. 

Clemens  Delkeskamp,  Kaufmann.    1906. 

Dr.  Robert  D  e  1  o  s  e  a ,  praktischer  Arzt.     1877. 

Dr.  Theodor  D  e  m  m  e  r ,  praktischer  Arzt.     1896. 

Oskar  von  Deuster,  Rentier.     1886. 

Hugo  Dicke,  Direktor.     1907. 

Carl  Dickhaut,  Kandidat  des  höheren  Lehramts.     1906. 

Richard  Diener,  Kaufmann.     1904. 

Friedrich  Dieterichs,  Apotheker.     1900. 

Heinrich  D  i  e  t  z ,  Stadtrat  a.  D.     1907. 

Hermann  D  i  e  t  z  e  ,  Privatier.    1899. 

Frau  Elise  Dilger,  Privatiere.     1908. 

Dr.  Ernst  Doctor,  praktischer  Arzt.     1903. 

Karl  Philipp  Donner,  Kaufmann.    1871. 

Frau  Helene  Dorn,  geb.  Bartenstein,  Landgerichtsdirektorswitwe.     1907. 

William  W.  Drory,  Direktor  der  Englischen  Gasfabrik.     1874. 

August  Du  Bois,  Bankier  und  Konsul  der  Schweizerischen  Eidgenossen- 
schaft.   1888. 

Dr.  Friedrich  Eben  au,  praktischer  Arzt  und  Chefarzt  der  chirurgischen 
Abteilung  des  Bürgerhospitals.     1893. 

Friedrich  Eckhard,  Privatier.     1902. 

Georg  Egly-Manskopf,  Kaufmann.    1903. 

Stefan  Ehr  mann,  Kaufmann.     1903. 

Hermann  von  Eichhorn,  kgl.  General  der  Infanterie  und  kommandierender 
General  des  XVIII.  Armeekorps,  Exzellenz.    1904. 

Fritz  Eisele,  Architekt  und  Maler.     1903. 

Leo  Ellinger,  Kaufmann.    1893. 

Frau  Alice  Ellissen,  geb.  Heß,  Privatiere.    1884. 

Otto  Engelhard,  Fabrikant  in  Hofheim.     1906. 

Frau  Luise  Engelhard-Fay,  Privatiere.     1899. 

Jakob  Hermann  Epstein,  Kaufmann.    1879. 

Wilhelm  Freiherr  von  Erlanger  in  Niederingelheim.    1900. 

G.  Ern6,  Bäckermeister.     1907. 

Frau  Josefine  Etienne  geb.  Willemer,  Privatiere.     1897. 

Christian  Ewald,  Lehrer  an  der  Weißfrauenschule.     1904. 

Frau  Emma  Eyssen,  Privatiere.     1906. 

Remy  Eyssen,  Privatier.     1875. 

Frau  Alexandrine  Eyssen-Du  Bois,  Privatiere.     1885. 

Robert  Falke,  kgl.  Militär-Oberpfarrer  des  XVIII.  Armeekorps.     1906. 

Frl.  Victoria  Favre,  Privatiere.     1903. 

Dr.  Adolf  Fester,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1903. 

Frau  Fides  Fiedler-Kalb,  Privatiere.    1903. 

Robert  Flauaus,  Privatier.     1895. 


—     186     — 

Frau  Cornelia  Fleck  geb.  Kaiser,  Amtsgerichtsrats witwe.    1904. 
Albert  Flersheim,  Kaufmann.     1878. 
Robert  Flersheim,  Kaufmann.    1871. 
Wilhelm  Flinsch,  kgl.  Kommerzienrat.    1890. 
Gustav  Flörsheim,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Richard  Fösser,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1882. 
S.  Valentin  Franque,  Kaufmann.     1907. 
Wilhelm  Franz,  Schneidermeister.    1908. 
Albert  Frech,  Kaufmann.    1906. 
Frau  Mina  Frenzel,  Privatiere  in  Eschersheim.     1904. 
Dr.  Eduard  Fresenius.  Apotheker.     1907. 
Frl.  Minna  Fresenius,  Privatiere.    1907. 
Dr.  Philipp  Fresenius,  Apotheker.     1875. 
Dr.  Peter  Frey,  Zahnarzt.     1900. 
Richard  F  r  i  e  d  e  r  i  c i ,  kgl.  Landgerichtsrat.     1906. 
Anna  Friedleben-Martin,  Doktorswitwe.     1906. 
Heinrich  Friedmann,  Kaufmann.     1896. 
Dr.  Alfred  Fritsch,  kgl.  Amtsrichter.    1893. 
Frau  Mathilde  Fritsch  geb.  Eyssen,  Sanitätsratswitwe.     1905. 
Dr.  Theodor  von  Fritzsche,  Fabrikbesitzer.     1874. 
Friedrich  Fuchs,  Kaufmann.    1906. 
Konrad  Fuchs,  Kaufmann.    1901. 
Franz  Fuchs-Sie smay er,  Kaufmann.     1906. 
Karl  Funck,  Kaufmann.    1896. 
Dr.  Alfred  Fürth,  kgl.  Landrichter.     1907. 
Bruno  Gabler,  kgl.  Landgerichtsrat.     1903. 
Adolf  Gans,  Kaufmann.     1897. 
Friedrich  Gans,  Fabrikbesitzer.     1888. 

Dr.  Leo  Ludwig  Gans,  kgl.  geheimer  Kommerzienrat  und  Fabrikbesitzer.  1886. 
Karl  Geis,  Lehrer.    1907. 
Charles  Gemmer,  Privatier.     1904. 

Dr.  Eduard  Gent  seh,  Oberlehrer  am  Wöhler-Realgymnasium.     1903. 
Dr.  Carl  Ger  lach,  praktischer  Arzt.     1906. 
Moritz  Getz.     1899. 

Karl  Gneist,  kgl.  Major  im  1.  kurhessischen  Inf. -Reg.  No.  81.     1899. 
Harry  Goldschmidt,  beeidigter  Wechselsensal.    1888. 
Maximilian  Freiherr   von  Goldschmidt- Rothschild,   k.  u.  k.  öster- 
reichisch-ungarischer Generalkonsul.     1901. 
Louis  Greb,  Architekt.     1903. 
Ernst  Grieser,  Buchdruckereibesitzer.     1904. 
Dr.  Otto  Groß,  praktischer  Arzt.     1904. 

Dr.  Friedrich  Großmann,  Oberlehrer  an  der  Klinger-Oberrealschale.    1900. 
Eugen  Grumbach-Mallebrein,  Privatier.     1902. 
Konrad  Grumbacli-Petsch,  Privatier.     1903. 
Adolf  von  Grunelius,  Bankier.     1871. 
Eduard  von  Grunelius,  Bankier.     1871. 
Max  von  Grunelius,  Bankier.     1904. 


—     187    — 

Heinrich  Gunsenheimer,  kaiserl.  Postdirektor.    1903. 

Allred  Günther,  Architekt.     1901. 

Frl.  Helene  Günther,  Privatiere.     1895. 

Karl  Haack,  Kaufmann.     1904. 

Dr.  Hermann  Haag,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Direktor  der  Frank- 
furter Hypothekenbank.     1883. 

Frau  Luise  Haag  geb.  Mettenheimer,  Privatiere.     1904. 

Dr.  Justus  Haeberlin,  kgl.  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1870. 

Dr.  Bernhard  Hagen,  großherzogl.  badischer  Hof  rat  und  Leiter  des  städtischen 
Völkermuseums.    1900. 

Ferdinand  Hahn.     1906. 

Otto  Hahn,  Kaufmann.     1901. 

Frau  Regina  Hahn-Goldschmidt.     1902. 

Dr.  Fritz  Hallgarten,  Chemiker.     1908. 

Karl  Hamburg,  Privatier.     1900. 

Dr.  Karl  Hamburger,  kgl.  geheimer  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar. 
1871. 

Philipp   H  an  hart,  Kaufmann.     1897. 

Fritz  Happel,  Privatier.     1902. 

Dr.  Adolf  Harbordt,  kgl.  Sanitätsrat,  praktischer  Arzt  und  Chefchirurg 
des  Hospitals  zum  heiligen  Geist.     1895.    (f) 

Georg  Harig,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Adolf  von  Harnier,  kgl.  geheimer  Justizrat  und  Rechtsanwalt    1882. 

Dr.  Eduard  vonHarnier,  kgl.  geheimer  Justizrat  und  Rechtsanwalt.    1871. 

Eugen  Hartmann-Kempf,  Professor  und  Ingenieur.    1898. 

Franz  Hasslacher.  Patentanwalt.     1880. 

Alexander  Hauck,  Bankier.     1881. 

Max  Hauck,  Bankier.     1901. 

Otto  Hauck-von  Metzler,  Bankier.     1893. 

Robert  Haurand,  Kaufmann.     1907. 

Dr.  Ludwig  Hecht,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1908. 

Frau  Johanna  H  e  c  h  t  e  l  geb.  Schmidt,  Privatiere.     1899. 

Rudolf  Heer  dt,  Direktor  der  Frankfurter  Sparkasse.     1893. 

Karl  Heicke,  städt.  Gartendirektor  1905. 

August  Heimpel-Manskopf,  Kaufmann.     1892. 

Chrisostomus  Wilhelm  Heinrichs,  Privatier,  1907. 

Philipp  Heinz,  Kaufmann.     1879. 

H.  H  e  i  s  t  e  r ,  Kaufmann.     1903. 

Heinrich  Heitefuß,  Kaulmann.    1904. 

Frau  Mina  Held  geb.  Hausser,  Privatiere.     1875. 

Heinrich  Ernst  Hemmerich,  kgl.  Major  a.  D.     1892. 

Wilhelm  Hemmerich,  kgl.  Hauptmann  und  Kompagnie-Chef  im  1.  kurhea- 
sischen  Inf.-Reg.  Nr.  81.    1902. 

Felix  von  Herget,  Kaufmann.     1906. 

Karl  Herrmann,  kgl.  Rechnungsrat.    1903. 

Georg  Her t zog,  Privatier.    1902. 

Karl  Herzberg,  Bankdirektor  und  Konsul  der  mexikanischen  Republik.  1904. 


—     188    — 

Fraa  L.  Herzfeld.    1906. 

Aag^st  Heß,  Apotheker.    1904. 

Dr.  Jakob  Heinrich  Heß,  Chemiker  in  Qriesheiin.     1902. 

Dr.  Lucas  von  Hey  den,  kgl.  Major  a.  D.  und  Professor.     1867. 

Georg  von  Heyder,  Privatier.     1891. 

Arthar  Heyne,  stnd.  phil.  et  cam.     1907. 

August  Hinkel,  Ingenieur.    1902. 

Hermann  Hinüber,  Lehrer.    1906. 

Otto  Hirsch,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Raphael  Hirsch,  praktischer  Arzt  und  Zahnarzt.     1903. 

Heinrich  Hisgen  jun,  Kaufmann.     1907. 

Heinrich   Hobrecht,  Kaufmann.     1882. 

Otto  Höchberg,  Kaufmann.     1877. 

Zachary  Hochschild,  Direktor  der  Metallgesellschaft.     1893. 

Dr.  Ernst  Uochstädter,  Rechtsanwalt.     1906. 

Willy  Heinrich  Hof  er,  Kaufmann.     1906. 

Adolf  Hoff,  Kaufmann.     1903. 

Alfred  Hoff,  Kaufmann  und  kgl.  serbischer  Vizekonsul.     1905. 

Paul  Hoffmann-Ebner,   Fabrikant.     1884. 

Dr.  Moritz  H  o  f  m  a  n  n ,  Rechtsanwalt.     1902. 

Otto  Hofmann,  Rentier.     1906. 

Richard  Hof  mann,  Kaufmann.    1891. 

Moritz  Wilhelm  Hohenemser,  Bankier.     1901. 

Frau  von  Holbach,  Majorsgattin.     1906. 

Georg  Holtzwart,  Kaufmann.    1903. 

Hermann  Holz,  Kaufmann.     1903. 

Wilhelm  Holz,  Kaufmann.     1903. 

Leo  Holz  mann,  Kursmakier.     1906. 

Eugen  Hoerle,  Gutsbesitzer.    1908. 

Philipp  Alexander  Julius  Hoerle,  Kaufmann.     1903. 

Hans  Hörn,  Lehrer.    1906. 

Georg  Horstmann,  Zeitungs Verleger.    1897. 

Franz  von  Hoven,  kgl.  Baurat.     1906. 

Frau  Josephine  Hüllstrung  geb.  Daberkow,  Rentnerin.     1893. 

Dr.  Gustav   Adolf  Hu  ms  er,      kgl.  geheimer   Justizrat,   Rechtsanwalt  und 

Notar.     1871. 
Adolf  Hüttenbach,  Kaufmann.     1903. 
Heinrich  Hüttenbach,  Kaufmann.    1904. 
Frau  Susette  Ihlee  geb.  Andreae,  Privatiere.     1903. 
Frau  Marie  Ihm  geb.  Rittner,  Privatiere.     1898. 
Leo  Isaac,  Bankier.     1903. 
Frau  Dr.  H.  Jacob i  in  Griesheim.     1906. 
Norbert  Jacobi,  Ingenieur-  und  Bureauvorsteher  des  städtischen  Elektrizi- 

täts-  und  Bahnamtes.     1906. 
Frau  Sophie  Jacobi  geb.  Borle,  Privatiere.     1907. 
Hermann  Jacquet,  Rentner.     1897. 
Frau  Karl  Jacqaet,  geb.  Meyer,  Privatiere.    1908. 


—    189    — 

Gnstay  Jaf!6,  Rechtsanwalt.    1903. 

Dr.  Tbeophil  J  a  f  f  6 ,  kgl.  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1898. 

Fritz  Jäger-Manskopf,  Kaufmann.     1892. 

Dr.  August  J  a  s  8  0  y ,  Apotheker.     1901. 

Louis  Jay,  Rentner.    1901. 

Frau  Sophie  C.  Jay  geb.  Pickersgill,  Rentnerin.     1901. 

Heinrich  August  Jeanrenaud,  Kaufmann.    1907. 

Dr.  Friedrich  Jelkmann,  Tierarzt  I.  Kl.    1900. 

Dr.  Oscar  Jonas,  Chemiker  in  Griesheim.     1903. 

Frau  L.  M.  Jordan  de  Rouville,  Bankierswitwe.     1904. 

Dr.  Fritz  Jucho,  Kaufmann.     1903. 

Dr.  Heinrich  Jucho,  Notar.     1906. 

Dr.  Rudolf  Jung,  Professor  und  Direktor  des  Stadtarchivs.     1904. 

Frau  Emy  Jung6  geb.  Fritsch,  Kaufmannswitwe.     1902. 

Otto  Junghanss,  Fabrikbesitzer  in  Johannisberg  im  Rheingau.    1899 

Eduard  Jungmann,  Kaufmann.    1896. 

Gustav  Junker,  Direktor  der  Martins-Missionsanstalt.     1906. 

Hermann  Kahn,  Kaufmann.     1871. 

Richard  Kahn-Freund,  Fabrikant.     1900. 

Julius  Kahnweiler,  Privatier.     1908. 

Frau  Klara  Kalb  geb.  Faust,  Privatiere.     1904. 

Leonhard  Kalb,  Privatier.     1897. 

Moritz  Kalb,  Privatier.     1902. 

Bernhard  Kamel,  Kaufmann.    1894. 

Kauffmann,  Oberleutnant  in  Marburg  a.  d.  Lahn.    1907. 

Frau  M.  Kaysser,  Privatiere.     1902. 

August  Keller,  Buchhändler.     1901. 

Otto  Keller,  Buchhändler.    1890. 

Dipl.-Ing.  Paul  Kesten,  Direktor  der  Zentrale  für  Bergwesen.     1908. 

Frau  Emma  Kirchberg   geb.  Neubürger,  Privatiere.     1903. 

Raphael  M.  K  i  r  c  h  h  c  i  m ,  Bankier.     1903. 

Dr.  Simon  Kirchheim,  praktischer  Arzt  und  Chefarzt  des  israelitischen 

Gemeindehospitals.     1875. 
Hermann  Klee,  Kaufmann.     1907. 
Willi  A.  Klein,  Kaufmann.     1904. 
Jakob  Klein-Hoff,  Privatier.     1908 
Karl  K lim  seh,  Kunstmaler.    1904. 
Jakob  Kloos,  Kaufmann.    1907. 
Frl.  Paula  Klotz.     1903. 
Fritz  Knauer.     1904. 

Jean  Knauer,  Buchdruckereibesitzer.     1886. 
Hermann  Knecht.     1906. 
Louis  Koch,  Hof  Juwelier.     1904. 
Hermann  Köhler,  Bankier.     1897. 

Karl  Kohn,  Direktor  der  Frankfurter  Gasgesellschaft.     1903. 
Karl  Kolb,  Kaufmann.     1879. 
Adolf  Kolligs,  Kaufmann.     1906. 


—    190    — 

Heinrich  Freiherr  von  KOnigswarter,   Rentier.    1897. 

Heinrich  Königswerther,  Kaufmann.     1907. 

Emmeline  K  o  n  i  d  g  geb.  Reiser,  Professorswitwe.    1906. 

Oskar  Könitzer,  Privatier.    1902. 

Frau  AnDa  Korn  geb.  Dollmann,  Privatiere.     1903. 

Jakob  Kothe,  Schreinereibesitzer.    1891. 

Karl  Kotzenberg,  Kaufmann.     1903. 

Joseph  Kowarzik,  Bildhaner.     1897. 

Adolf  Kr  äfft,  Kommerzienrat  in  Offenbach.     1903. 

Georg  Kranz,  Privatier.     1906. 

Dr.  Alois  Kraus,  Professor,  Oberlehrer  an  der  städt.  Handelslehranstalt 
und  Privatdozent  an  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handelswissen- 
schaften.    1903. 

Hermann  Kreutzer,  Privatier.     1906. 

Frau  Klara  Kreuzberg.    1905. 

Eduard  Küchler  jnn.,  Fabrikbesitzer  in  Rödelheim.     1903. 

Eduard  Küchler  sen.,  Privatier.     1888. 

Karl  Küchler,  Kaufmann.     1893. 

Konrad  Adolf  Kugler,  Kaufmann.     1906. 

Karl  Künkele,  Kaufmann.     1901. 

Dr.  Friedrich  Kurtz,  praktischer  Arzt.     1901. 

Theodor  Kurz,  Kaufmann.     1906. 

Frau  Emma  Kyritz  geb.  Hagen,  Privatiere.    1899. 

Alfred  Kyritz-Drexel,   Kaufmann.     1897. 

August  Ladenburg,  Bankier.    1902. 

Ernst  Ladenburg,  kgl.  Kommerzienrat  und  Bankier.     1897. 

Willy  Lampe,  Schneidermeister.     1901. 

Frau  Gabriele  von  Lang-Puchhof  geb.  Frei  in  von  Reischacb,  Rentnerin. 
1901. 

Karl  Langenbach,  Kaufmann.     1904. 

Franz  Lauth-Becker.     1903. 

Alfred  Lejeune,  Kaufmann.     188Ö. 

Friedrich  Wilhelm  Lejeune,  Kaufmann.     1906. 

Franz  Lemm6,  Kaufmann.     1903. 

Toni  Freiherr  von  Lersner,  kgl.  Amtsanwalt.     1906. 

Georg  Leschhorn,  Privatier.     1890. 

Dr.  Maximilian  Leuchs-Mack,  kgl.  Gerichtsassessor.     1907. 

Adolf  Levi,  Kaufmann.     1906. 

Leopold  Levi,  Kaufmann.     1907. 

Philipp  Leyerzapf,  Lehrer  in  Langen.     1907. 

Dr.  Otto  Lindenmeyer,  Augenarzt.  1904. 

Wilhelm  Lind  he  im  er,  Domänenpächter.     1902. 

Frl.  Rosa  Livingston,  Privatiere.     1884. 

Frau  Anna  L  ö  f  f  1  e  r  geb.  Rücker,  Regicrungsratswitwe.     1902. 

Frau  Ludwig  Lohmeyer,  geh.  Bauratsgattin.     1907. 

Engelbert  Loeninger,  kgl.  Polizeirat.     1907. 

Frau  Fritz  Lorch.     1908. 


—    191    — 

Frau  Luise  L  o  r  e  y  geb.  Boeder,  Doktorewitwe,  Privatiere.    1906. 

Hedwig  Lösen  er,  Begierungsratswitwe.    1906. 

Dr.  Hago  Lotz,  kgl.  Oerichtsassessor.    1903. 

Adam  Ludwig.  Privatier.     1903. 

Fraa  Richard  Ludwig.     1904. 

Ferdinand  Haas,  Privatier.    1875. 

Robert  Mack,  Kaufmann.     1894. 

John  M.  Mackenzie,  Kaufmann.    1902. 

Johannes  Magdalinski,  Kaufmann.     1903. 

Dr.  Ernst  Maier,  praktischer  Arzt.     1906. 

Alexander  Majer,  Bankier.     1906. 

Frau  Helene  Manskopf  geb.  Keßler,  Bentneriu.     1874. 

Heinrich  Mappes,  kgl.  sächsischer  Generalkonsul  und  Konsul  von  Rrasilien. 

1888. 
Gustav  Marburg,  Kaufmann.    1903. 
Dr.  Karl  Marx,  praktischer  Arzt.    1906. 
Alexander  Matthes,  Kaufmann.    1900. 
Adam  May,  Fabrikant.    1890. 
Dr.  Franz  May,  Fabrikant.     1895. 
Martin  May,  Fabrikant.    1884. 
Bobert  May,  Kaufmann.    1893. 
Lttdo  Mayer,  Fabrikbesitzer.    1904. 
Frau  Meister  geb.  Hauswald,  Privatiere.     1904. 
J.  F.  Meixner,  Architekt.     1906. 

Friedrich  M eiber,  Kaufmann  und  Konsul  der  chilenischen  Bepublik.    1903 
Dr.  Wilhelm  Merton.  Kaufmann.    1888. 
Julius  Wilhelm  Merz,  Professor.     1899. 
Theodor  Mettenheim  er -Breul,  Kaufmann.     1901. 
Kduard  Metzener,  kgl.  geheimer  Begierungsrat  a.  D.    1891. 
Hugo  Metz  1er,  Bankier.    1900. 
Karl  Metzler.    1903. 
Albert  von  Metzler,  Bankier,  Stadtrat  u.  kgl.  bayrischer  Generalkonsul. 

Mitglied  des  Herrenhauses.     1893. 
Dr.  Paul  Meyer,  kgl.  Oberregierungsrat.     1903. 
Dr.  Edward  von  Meyer,  praktischer  Arzt.     1907. 
Eiiiil  Michel-Speltz,  Privatier.     190t). 
Heinrich  J.  F.  Minoprio,  Bankier.     1903. 
Franz  Moldenhauer,  Ingenieur.     1902. 
Fritz  Mönch,  Kaufmann  in  Offenbach.     1892. 
Eduard  Morel,  Kaufmann.    1884. 
Wilhelm  Mössinger,  Kaufmann.     1906. 
Frl.  Helene  Müller,  Privatiere.     1885. 
Frau  Mina  Müller.     1908. 
Wilhelm  Müller,  Kaufmann.     1899. 
Frau  Susette  MülIer-KoUigs,  Bentiere.     1897. 
Frau  Emma  Mumm  von  Schwarzenstein  geb.  Passavant.    1876. 
Frl.  Marie  Mumm  von  Schwarzenstein,  Privatiere.     1902. 


—    192    — 

Dr.  Max  Nassaaer,  Chemiker.    1906. 

Dr.  Edmund  Naumann,  Geologe.    1899. 

Andreas  Neander,  Kaufmann.     1903. 

Ludwig  Neher,  kgl.  Baurat.     1893. 

Dr.  Max  Neißer,  Professor  und  Mitglied  des  kgl.  Instituts  für  experimen- 
telle Therapie.     1903. 

Richard  Nestle  jun.,  Kaufmann.     1893. 

Curt  Netto-Nothwang,  Professor  und  Ingenieur.     1903. 

Dr.  Otto  Neubürger,  praktischer  Arzt.    1906. 

Robert  de  Neufville,  Kaufmann.     1897. 

Adolf  von  Neufyille,  Bankier.     1895. 

Karl  von  Neufville,  Bankier  und  Generalkonsul  a.  D.    1904. 

Frau  Emma  Neukirch,  Justizratswitwe.     1907. 

Hermann  Ochs,  Privatier.     1884. 

Franz  Oechsler,  Kaufmann.     1906. 

Frau  Frieda  Ohlenschlager.     1907. 

Gustav  Eduard  Oehler-Denner,  Buchhändler.     1906. 

Dr.  Hermann  Oelsner,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1903. 

Frau  Juliette  Oplin  geb.  Godchaux,  Privatiere.     1875. 

Eduard  Oppenheim,  Direktor  der  Dresdener  Bank  in  Frankfurt  a.M.  1907. 

Moritz  Oppenheim,  Kaufmann.     1887. 

Sir  Francis  Oppenheimer,  kgl.  großbritannischer  Generalkonsul.     1900. 

V.  d.  Osten,  Baronin  in  OSenbach.     1907. 

Frl.  Adele  Osterrieth,  Privatiere.     1904. 

Robert  Osterriech,  Kaufmann.     1907. 

Heinrich  Ostertag,  Kaufmann.     1906. 

Frau  Maria  Oestreich,  geb.  Creizenacb,  Lehrerswitwe.    1869. 

Dr.  Henry  Oswalt,  kgl.  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1871. 

Frau  L.  Overhamm  geb.  Hilf.     1899. 

Dr.  Alexander  Pagenstecher,  Chemiker  in  Mainkur.     1906. 

Johann  Friedrich  Pahl,  Kaufmann.    1904. 

Dr.  Alfred  Parrisius,  Bankdirektor.     1903. 

August  Parrot,  Privatier.     1892. 

Philipp  Passavant,  Kaufmann.     1901. 

Hermann  von  Passavant,  Kaufmann  und  kaiserlich  japanischer  Honorar- 
konsul.    1901. 

Richard  von  Passavant,  kgl.  geheimer  Kommerzienrat.    1889. 

Max  Paulsen,  kgl.  Ober-Telegraphen-Assistent.    1906. 

Dr.  Eduard  Pelissier,  Professor  und  Oberlehrer  am  Lessing  -  Gymnasium. 
1882. 

Frau  Wilhelmine  Peschel-Huygens,  Privatiere.     1907. 

Dr.  Theodor  Petersen,  Professor  und  erster  Vorsitzender  der  Sektion 
Frankfurt  am  Main  des  Deutschen  und  Österreichischen  Alpen- 
vereins.   1871. 

Karl  Peters-Frensdorff,  Kaufmann.     1906. 

Franz  Petry,  Kaufmann.     1906. 

Eduard  Petsch-Manskopf,  Privatier.     1900. 


—    193    — 

Fran  Dr.  Bertha  Pfefferkorn  geb.  Kessler.    1854. 

Christian  WUhelm  Pf eif f er-Belli,  Bentner.    1883. 

Dr.  Arthur  P fängst,  Chemiker.    1889. 

Lncien  Picard,  Bankier.    1906. 

Dr.  Gustav  PI  stör,  Chemiker  in  Griesheim.    1904. 

Theodor  P 1  i  e  n  i  n  g  e  r ,  Direktor  der  chemischen  Fabrik  Griesheim-Elektron. 
1906. 

Wilhelm  Pohl  mann,  Kaufmann.    1897. 

Frau  Mathilde  Ponfick-Salom6,  Kommerzienratswitwe.    1897. 

Dr.  Eduard  Posen,  Fabrikant.    1894. 

Sidney  Posen,  Fabrikant.     1883. 

Hermann  Quincke,  kgl.  Landgerichtsdirektor.    1902. 

Gnstay  Baabe,  Kaufmann.    1907. 

August  Basor,  Kaufmann.    1890. 

Walther  vom  Bath,  Bentner.    1897. 

Emil  Bau,  Kaufmann.     1901. 

Simon  Bavenstein,  Architekt.    1871. 

Dr.  Ludwig  Behn,  Professor  und  Oberarzt  der  chirurgischen  Abteilung  des 
städtischen  Krankenhauses.    1900. 

Frl.  Anna  Beichard,  Verwalterin.     1901. 

Fritz  Beichard,  Kaufmann.     1906. 

Frl.  Mina  Beichard.     1903. 

Gottlob  Beichard-Frey,  Kaufmann.  1900. 

August  Beichard- Marburg,  Kaufmann.    1877. 

Leopold  Bciss,  Prokurist.     1896. 

Dr.  Paul  Beiss,  kgl.  Justizrat  und  Bechtsanwalt.    1886. 

Otto  Benner,  Kaufmann.    1906. 

August  Beuter,  Lehrer. 

August  de  Bidder,  Kaufmann.     1908. 

Dr.  Alexander    Biese,    Professor.     1897. 

Frl.  Kathinka  Bode,  Lehrerin.     1898. 

Dr.  Paul  Bo  e  d  i  g  er ,  Bechtsanwalt  und  Direktor  der  Metallgesellschaft.  1893. 

Karl  Bog  er,  Direktor  der  Filiale  der  Bank  für  Handel  und  Industrie.  1890. 

Wilhelm  Böhmer,  Privatier.     1900. 

Dr.  Fritz  Bömer,  Professor  und  Direktor  des  Senckenbergischen  Natur- 
historischen Museums.    1906. 

Heinrich  Bömhcld,  Kaufmann.    1900. 

Dr.  med.  hon.  c.  Adolf  Börig,  kgl.  Forstmeister  a.  D.     1907. 

Dr.  Emil  Bosenbaum,  praktischer  Arzt.    1906. 

Alfred  Bosenthal,  Kaufmann.     1903. 

Dr.  Budolf  Bosenthal,  Bechtsanwalt.     1904. 

Frl.  Alwine  Both.     1906. 

Emil  Bothbarth,  Privatier.     1903. 

Georg  Bothgeb,  Kunst-  und  Dekorationsmaler.     1908. 

Ernst  Bttbsamen,  Apotheker.    1904. 

Franz  Bück  er,  Privatier.     1890.     (f) 

Heinrich  Buppel,  Kaufmann.     1890. 

13 


-     194    — 

Willy  Rytz    städt   Eabel-Ingenieor.    1907. 
Alfred  Salin,  EanfmanD.    1902. 
Wilhelm  Sandhagen,  Kaufmann.    1903. 
Fritz  Schaeffer-Stackert,  praktischer  Zahnarzt.    1908. 
Fran  Carrie  Schar  ff  geb.  Otto.    1890. 
Charles  A.  Scharff-Andreae,  Ingenieur.    1901. 
Dr.  Hugo  Schanmberger,  Oberlehrer.     1907. 
August  S  c  h  e  i  b  1  e ,  Fabrikant.    1906. 
Karl  Seh  eil  er,  Buchhändler.    1902. 
Heinrich  Theodor  Sehen ck,  Kaufmann.    1876. 
Hermann  Schepeler,  Kaufmann.    1906. 
Fritz  Schiermann-Steinbrenck,  Privatier.    1906. 
Ludwig  Schiff,  Kaufmann.    1878. 
Philipp  Schiff,  Privatier.    1903. 
Christ.  Schlesicky,  Kaufmann.     1903. 
Qustav  Schlesicky,  Kaufmann.     1895. 
Frau  Heinrich  Schlesicky,  Privatiere.    1902. 
Friedrich  Schleussner,  Fabrikdirektor.    1903. 
Dr.  Karl  Schleussner,  Fabrikdirektor.    1897. 
Frl.  Julie  Schlosser,  Lehrerin.    1903. 
Georg  Schlund,  Juwelier.    1888. 

Frau  Maria  Schlund  geb.  Leuchs-Mack,  Juwelierswitwe.    1901. 
August  Schmidt,  Kaufmann.     1906. 
Frau  Emma  Schmidt  geb.  Wolf,  Professorswitwe.     1907. 
Dr.  Isidor  Schmidt,  praktischer  Arzt.     1906. 
Wilhelm  Schmidt-Diehler,  Architekt.    1899. 
Gustav  Schmidt-Günther,  Ingenieur.    1864. 
Frau  Mathilde  Schmidt-Metzler,  Exzellenz.     1888. 
Edgar  Schmidt-Polex,  Privatier.    1907. 
Dr.  Wolf  gang  Schmidt-Scharff,  Rechtsanwalt.     1893. 
Peter  Schmölder,  Kaufmann.    1872. 

Alexander  Schneider,  Direktor  der  Deutschen  Gold-   und  Silber-Scheide- 
anstalt.   1875. 
Frl.  Marie  Schneider,  1907. 
Heinrich  Schnell,  Privatier.    1876. 
Hans  Schulze-Hein,  praktischer  Zahnarzt.     1885. 
August  Schumacher,  Kaufmann.     1906. 
Frl.  Katharina  Schumacher,  Privatiere.    1898. 
Dr.  Gustav  Schürenberg,  Augenarzt.     1906. 
Adolph  Schürmann,  Privatier.    1906. 
Bernhard  Schuster,  Rentier.     1874. 
Frau  Lina  Schöner  geb.  Holler,  Privatiere.     1903. 
Frau  Elisabeth  Schott,  geb.  Bruchhäuser,  Sanitätsrats witwe.     1908. 
Wilhelm  Schott,  Apotheker  in  Otfenbach.     1906. 
Heinrich  Schreiber  sen.,  Privatier.    1904. 
Frau  Margaretha  Schreyer,  Professorswitwe.    1904. 
Adolf  Schroeder,  Privatier.    1906. 


—     195    — 

Frl.  Charlotte  Schalte,  Privatiere  in  Cronherg.    1906. 

Dr.  Erich  Schwartze,  Oherlehrer.    1907. 

Albert  Schwarz,  kgl.  Landgerichtssekretär.     1906. 

Lic.  Dr.  Karl  Schwarzlose,  Pfarrer  der  St.  Katharinengemeinde.     1903. 

Jakob  Alfred  Schwarzschild,  Bankier.     1908. 

Moses  Martin  Schwarzschild,  beeidigter  Wechselsensal.    1888. 

Dr.  Engen  Scriba,  praktischer  Arzt.    1901. 

Wilhelm  S  e  e  f  r  i  e  d ,  Direktor  der  Frankfurter  Filiale  der  Deutschen  Bank.  1888 . 

Frau  Anna  S  e  e  g  e  r.     1901. 

Qeorg  Seeger,  Architekt.     1897. 

Qeorg  Seitz,  Finanzrat.     1899. 

Hermann  Seitz.    1904. 

Fran  Tina  Senm-Keller,  Privatiere.    1908. 

Fritz  Sichel.     1905. 

Carl  Hermann  Siebert,  Kaufmann.    1907. 

Arthur   Siebert-Mttller,   Direktor   der  Mitteldeutschen  Kreditbank  und 

kgl.  württembergischer  Konsul.    1901. 
Dr.  Friedrich  Sieger,  kgl.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.    1903. 
Ernst  Simon,  Kaufmann.    1906. 
Oskar  Simon-Buss,  Kaufmann.    1897. 
Eduard  Simonis,  Kaufmann.     1903. 
Hans  Simonis,  Kaufmann.    1903. 
Dr.  Emil  Sioli,  Direktor  der  Irrenanstalt.    1889. 
Dr.  Richard  So  Im,  Augenarzt.     1904. 
Friedrich  Sommerlad,  Kaufmann.    1904. 
Frau  Karl  Sömmerring  geb.  Kretzer,  Privatiere.     1865. 
Leopold  Sonnemann,  Privatier.     1881. 
Frau  Georg  Speyer  geb.  Gumbert,  Rentnerin.    1903. 
Frau  Clotilde  Spiess  geb.  Zickwolfi,  geh.  Sanitätsratswitwe.    1904. 
Karl  Stauffer,  Direktor  der  Bockenheimer  Volksbank.    1898. 
Frau  Baronin  Karoline  von  Stein,   Pröbstin  des    adeligen  von  Cronstett- 

und  von  Hynspergischen  evangelischen  Damenstifts.    1884. 
Dr.  Victor  Steinohrt,  Bankbeamter.     1903. 
Dr.  Johannes  Moritz  S  t  e  i  n  t  h  a  1 ,  Rechtsanwalt.    1893. 
Wilhelm  Steitz,  Lehrer  am  Wöhler-Realgymnasium.    1906. 
Frau  Anna  Stern  geb.  Kalb,  Privatiere.    1897. 
Dr.  Richard  Stern,  praktischer  Arzt.     1906. 
Rudolf  Stern,  Privatier.    1890. 
Frau  Theodor  Stern,  Privatiere.     1871. 
August  Stern-Wiedebusch,  Kaufmann.    1903. 
Paul  Sternberg,  Fabrikant.     1908. 
Karl  Stiebel,  Privatier.    1897. 
Emilie  Stiefel  geb.  Mayer,  Privatiere.     1906. 
Friedrich  Stock,  Kaufmann.     1904. 
Wilhelm  Stock-de  Neufville,  Bankier.     1882. 
Frl.  Lydia  Stoltze,  Privatiere.     1903. 
Otto  S  t  r  a  ß  f  e  1  d ,  Kaufmann.    1903. 

13* 


—     196    — 

Frau  Tony  Straus-Negbaar,  Privatiere.    1903. 

ErDSt  Strauß,  Kaulmann.    1906. 

Isaak  Strauß,  Privatier.    1906. 

Hans  Streck  ei  Ben,  Architekt  1903. 

Dr.  phil.  hon.  c.  Ignaz  Stroof,  Direktor.    1904. 

Bruno  Strubel!,  Kaufmann.    1903. 

Emil  Sulzbach,  Privatier.    1900. 

Alfred  von  Stryemieczny,  kgl.  Oberstleutnant  a.D.    190/. 

Dr.  Karl  S  u  1  z  b  a  c  h ,  Bankier.    1890. 

Heinrich  Tansent,  Privatier.     1906. 

Dr.  L.  Thebesius,  Rechtsanwalt  und  kgl.  serbischer  Generalkonsul.  1906. 

Dr.  Hermann  Traut,  Bibliothekar  an  der  Stadtbibliothek.    1893. 

Dr.  Gustav  Treupel,  Professor  und  Chefarzt  der  medizinischen  Abteilung 

am  Hospital  zum  heiligen  Geist.    1903. 
Jakob  Ivon  (Jeberfeld,  Kaufmann.    1906. 
Hermann  Uhlfelder,  Stadt-Bauinspektor.    1904. 
Albert  Ullmann,  Kaufmann.    1901. 
Otto  Ulrich,  Direktor  der  Diskonto-Gesellschaft.     1903. 
Dr.  Franz  Vaconius,  Pfarrer  der  Dreikönigs-Gemeinde.     1906. 
Julius  Valentin,  Kaufmann.     1906. 
Dr.  Friedrich  von  den  Velden,  praktischer  Arzt.    1899. 
Frau  Emmy  Vogtherr  geb.  Weiler,  Privatiere.    1899. 
Dr.  Karl  Vohsen,  kgl.  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.    1891. 
Georg  Völcker,  Buchhändler.    1879. 
Martin  Vowinckel,  Direktor  der  Providentia.    1882. 
Emil  Wagner,  Dentist.    1908. 
Dr.  Paul  Wagner,  Augenarzt.    1906. 
Karl  Wagner- Nurick,  Ingenieur.    1903. 
Frau  Anna  Wagner-Schaller,  Privatiere.    1904. 
Dr.  Gustav  Wahl,  Bibliothekar  der  Senckenbergischen  Bibliothek.     1908 
Wilhelm  Walb,  Fabrikant.     1906. 
Dr.  Leopold  Walter,  praktischer  Arzt.    1906. 
Dr.  Heinrich  Weber,  praktischer  Arzt.     1902. 
Karl  Weber,  Verwalter  der  Irrenanstalt.     1885. 
Frl.  Emilie  Weigel,  Privatiere.     1902. 
Martin  Weigel,  Verlagsbuchhändler.     1902. 
Jakob  Hermann  Weil  1er,  Bankier.     1871. 

Karl  von  Weinberg,  Fabrikbesitzer  und  kgl.  griechischer  Generalkonsul.  1903. 
Alfred  Weinschenk,  Bankier.     1903. 

Albrecht  Weis,  Kassierer  der  Englischen  Gasfabrik  a.  D.     1874. 
Richard  Weise,  kgl.  Major  a.  D.     1902. 
Philipp  Weinsperger,  Maler-  und  Weißbindermeister.     1907. 
Daniel  Weismann,  Bankier.     1902. 
Dr.  Albert  Weller,  Direktor  der  Vereinigten  Chininfabriken,  Zimmer  ft  Co. 

1907. 
Theodor  Wentz,  Buchdruckereibesitzer.    1907. 
Joseph  Werner,  Kaufmann.    1892. 


—    197    — 

Fran  Rosalie  Wertheim  geb.  Ballin,  Priyatiere.    1884. 

Emil  Wetzlar,  Bankier.    1900. 

Fritz  Christoph  Wiemer,  Mtthlenbesitzer  in  Bonames.     1893. 

Johann  Wilhelm  Wilke,  Fabrikant.    1906. 

Dr.  Karl  Willemer,  Augenarzt.    1903. 

Lndwig  Willemer-Rücker,  Kaufmann.    1893. 

A.  A.  Winter,  D.  D.  S.,  praktischer  Zahnarzt.    1906. 

Fritz  Winter,  Lithograph.     1903. 

Ünstav  Wiß,  stellvertr.  Direktor  der  Diskonto-Gesellschaft.    1906. 

Richard  Wobith,  Prediger.    1906. 

Karl  Wolf,  Pfarrer  der  St.  Petersgemeinde.    1903. 

Dr.  Ludwig  Wolff,  praktischer  Arzt.     1907. 

Frau  Emma  Wolfskehl  geb.  Feist,  Kommerzienratswitwe.     1874. 

August  Wolschendorff,  Kaufmann.    1904. 

Siegmund  Wormser,  Direktor  der  Deutschen  Vereinsbank.    1898. 

Emil  Wurmbach,  Rentier.     1880. 

Julius  Wurmbach,  Ingenieur.    1883. 

Dr.  Leo  Wurzmann,  Rechtsanwalt.     1906. 

Ernst  Wüsthoff,  Kaufmann.    1906. 

Louis  Zeiß-Bender,  Kaufmann.    1906. 

Theodor  Zelt  mann,  Privatier.    1896. 

Frau  Johanna  Zickwolff-Passavant,  Privatiere.    1906. 

Frau  Johanna  Z  legi  er  geb.  Kleyer,  Professorswitwe.    1902. 

J.  Ziervogel,  Oberingenieur  des  Dampfkessel-Uberwachungsvereins.    1904. 

Frl.  Bertha  Zimmermann,  Privatiere.     1907. 

Frau  Mathilde  Zisemann  geb.  Grüner,  Rentnerin.    1902. 


II.    Korrespondierende  Mitglieder. 

Dr.  Hermann  Vamb^ry,  Professor  in  Budapest,  ernannt  am  11.  Mai  1876. 

Anton  G  0  e  r  i  n  g ,  Professor  in  Leipzig,  ernannt  am  10.  Oktober  1887. 

Dr.  Felix  von  Lnschan,  Professor  und  Direktor  am  Museum  für  Völker- 
kunde in  Berlin,  ernannt  am  10.  Oktober  1887. 

Dr.  Karl  Diener,  Professor  und  Präsident  des  Österreichischen  Alpen- 
klubs in  Wien,  ernannt  am  20.  Januar  1888. 

Dr.  Alexander  Freiherr  von  Danckelman,  kgl.  geheimer  Regierungsrat 
und  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  28.  Juli  1890. 

Dr.  Alexander  von  Peez,  Ehrenpräsident  des  Industriellen  Club  in  Wien, 
ernannt  am  28.  Juli  1890. 

Dr.  Paul  Müller  -  Simonis,  Ehrendomherr  in  Straßburg,  ernannt  am 
29.  Juni  1892. 

Dr.  Wilhelm  Haacke  in  Jena,  ernannt  am  8.  März  1893. 

Dr.  Max  Friederich sen,  Professor  in  Bern,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Karl  0  est  reich,  Professor  in  Utrecht,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Georg  Wegen  er,  Forscbungsreisender  in  Berlin,  ernannt  am  12.  De- 
zember 1906. 


198    — 


lU.   Ehrenmitglieder. 

Dr.  Julius  Ritter  vonPayer,  k.  und  k.  österreichisch-UDgarischer  Haupt- 
mann a.  D.  in  Wien,  ernannt  am  14.  Oktober  1874. 

Dr.  Max  Buchner,  Professor  und  Direktor  des  kgl.  bayrischen  ethnologi- 
schen Museums  in  München,  ernannt  am  17.  Februar  1886. 

Dr.  Emil  B 1  e  n  c  k ,  kgl.  wirklicher  geheimer  Oberregierungsrat  und  Präsident, 
Direktor  des  kgl.  preuß.  statistischen  Landesamts  in  Berlin,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886. 

Luigi  Bodio,  kgl.  italienischer  Staatsrat,  Senator  und  Generaldirektor  der 
Statistik  im  kgl.  italienischen  Ministerium  fttr  Ackerbau  und  Handel 
und  Vizepräsident  der  Societä  geografica  Italiana  in  Bom,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Julius  Euting,  kaiserlicher  geheimer  Regierungsrat,  Professor,  Direktor 
der  kaiserlichen  Universitäts-  und  Landesbibliothek  und  Präsident 
des  Vogesenklubs  in  Straßburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Theobald  Fischer,  kgl.  geheimer  Regierungsrat  und  Professor  in 
Marburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Georg  Gerland,  Professor  in  Straßburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Wilhelm  Kobelt,  Professor  und  praktischer  Arzt  in  Schwanheim,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Georg  Ritter  von  Neumayer,  kaiserlicher  wirklicher  geheimer  Rat, 
Professor  und  Direktor  der  Seewarte  a.  D.,  Exzellenz,  in  Neustadt 
a.  d.  Haardt,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Karl  von  Obernberg,  Vorsteher  des  Statistischen  Amtes  der  Stadt a.  D., 
in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Eduard  Pechuel-Loesche,  Professor  in  Erlangen,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886. 

Baron  Max  du  Prel ,  kgl.  bayrischer  Kammerherr,  kaiserlicher  Ministerialrat 
und  Vorstand  des  statistischen  Bureaus  im  Ministerium  für  Elsaß- 
Lothringen  in  Str&ßburg  a.  D.,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Ernst  Georg  Rayenstein,  Kartograph  in  London,  ernannt  am  8.Dezemberl886. 

Ludwig  Rayenstein,  Kartograph  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886. 

Paul  Reichard,  Forschungsreisender,  z.  Zt.  im  Ausland,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886. 

Dr.  Johannes  Rein,  kgl.  geheimer  Regiemngsrat  und  Professor  in  Bonn, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Wilhelm  Reiss,  kgl.  geheimer  Regierungsrat  in  Könitz  (Thüringen), 
ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

QtoTg  Freiherr  yon  Schleinitz,  kaiserlicher  Vizeadmiral  und  Landes- 
hauptmann a.  D.,  Exzellenz,  in  Hohenborn  bei  Lügde  (Westfalen), 
ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Georg  Scbweinfurth,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 


—     199    — 

Elia  Sidenbladh,  Chefdirektor  des  kgl.  schwedischen  statistischen  Central- 
bureans  a.  D.  in  Stockholm,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Hermann  Wagner,  kgl.  geheimer  Begiemngsrat  und  Professor  in 
Göttingen,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Beinhold  von  Werner,  kaiserlicher  Vizeadmiral  a.  D.,  Exzellenz,  in  Wies- 
baden, ernannt  am  10.  Oktober  1887. 

Dr.  Karl  von  den  Steinen,  Professor  und  Abteilnngsdirektor  aui  kgl. 
Mnsenm  für  Völkerkunde  in  Berlin  (Charlottenbnrg),  ernannt  am 
20.  Februar  1889. 

Dr.  Hans  Meyer,  Professor  und  erster  stellvertretender  Vorsitzender  des 
Vereins  für  Erdkunde  in  Leipzig,  ernannt  am  2ö.  Februar  1891. 

Dr.  Siegmund  Günther,  Professor  in  München,  ernannt  am  2.  März  1892. 

Guido  Cora,  Professor  und  Direktor  des  geographischen  Instituts  in  Born, 
ernannt  am  20.  Dezember  1894. 

Adolf  Graf  vonGötzen,  kgl.  Major  ä  la  Suite  der  Armee,  kaiserl.  Gouverneur 
von  Deutsch-Ostafrika  und  Kommandeur  der  Schutztruppe  für 
Deutsch-Ostafrika  a.  D.,  kgl.  Gesandter  für  Hamburg,  Bremen, 
Lübeck  und  beide  Mecklenburg  in  Hamburg,  ernannt  am  9.  De- 
zember 1896. 

Dr.  ing.  Wilhelm  Launhardt,  kgl.  geheimer  Begierungsrat  und  Professor  in 
Hannover,  Mitglied  des  Herrenhauses,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Fridtjof  Nansen,  Professor  und  kgl.  norwegischer  Gesandter  a.D.,  er- 
nannt am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Albrecht  Penck,  kgl.  geheimer  Begierungsrat  und  Professor,  k.  k.  Hof- 
rat, Direktor  des  Instituts  für  Meereskunde  und  stellvertretender 
Vorsitzender  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Berlin,  ernannt  am 
9.  Dezember  1896. 

Dr.  Joachim  Graf  von  Pfeil  in  Schloß  Friedersdorf,  ernannt  am  9.  De- 
zember 1896. 

Peter  Petrowitsch  von  Ssemenow,  kaiserlich  russischer  wirklicher  geheimer 
Rat,  Senator,  Mitglied  des  Beichsrats  und  Vizepräsident  der 
kaiserlich  russischen  geographischen  Gesellschaft,  Hohe  Exzellenz, 
in  St.  Petersburg,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Sven  von  Hedin  in  Stockholm,  ernannt  am  16.  November  1897. 

Dr.  Friedrich  Clemens  Ebrard,  kgl.  geheimer  Konsistorialrat,  Professor  und 
Direktor  der  Stadtbibliothek  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
17.  Oktober  1900. 

Otto  Schleifer,  Hauptmann  der  Landwehr-Artillerie  und  Forschungs- 
reisender in  Bismarcksburg  (D.-Ostafrika),  ernannt  am  18.  De- 
zember 1901. 

Otto  Neumann  Sverdrup,  Kapitän  in  Christiania,  ernannt  am  22.  Oktober  1902. 

Dr.  Fritz  Sarasin  in  Basel,  ernannt  am  28.  Oktober  1903. 

Dr.  Paul  Sarasin  in  Basel,  ernannt  am  28.  Oktober  1903. 

Dr.  Erich  von  Drygalski,  Professor  und  Vorsitzender  der  geographischen 
Gesellschaft  in  München,  ernannt  am  2.  März  1904. 

Dr.  Karl  Bücher,  kgl.  geheimer  Hof  rat  \^kd  Professor  in  Leipzig,  ernannt 
am  12.  Dezember  1906. 


—    200    — 

Dr.  Friedrich  Delitzsch,  kgl.  geheimer  Regiemngsrat  und  Professor  in 

Berlin,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 
Dr.  Gottfried  Merzbacher,  Forschangsreisender  in  München,  ernannt  am 

12.  Dezember  1906. 
Dr.   Theodor  Petersen,  Professor  und   erster  Vorsitzender   der   Sektion 

Frankfurt   am  Main  des  Deutschen  und  Österreichischen   Alpen- 

Vereins,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 


Yerstorbene  Ehrenmitglieder. 

Dr.  Karl  Ritter,  Professor  in  Berlin,   ernannt  am  29.  August  1838,  ge- 
storben daselbst  am  28.  September  1869. 
Dr.  Friedrich   Tiedemann,    großherzogl.    badischer    geheimer    Rat    und 

Professor  a.  D.  in  Frankfurt  am  Main,   ernannt  am  22.  Mai  1851, 

gestorben  in  München  am  22.  Januar  1861. 
Karl  Weyprecht,  k.  u.  k.  österreichisch -ungarischer  Linienschi&sleutnant 

in  Triest,  ernannt  am  14.  Oktober  1874,  gestorben  in  Michelstadt 

am  29.  März  1881. 
Dr.  Eduard  Rüppell    in   Frankfurt  am  Main,    ernannt   am   20.  November 

1874,  gestorben  daselbst  am  10.  Dezember  1884. 
Dr.  Gustav  Nachtigal,   kaiserlicher  Generalkonsul  in  Tunis,   ernannt  am 

2.  Jtini  1875,   gestorben   an   Bord  Sr.  Maj.  Kreuzers   ^Möve"    am 

20.  April  1885. 

Dr.  Ferdinand  Freiherr  von  Richthofen,  kgl.  geheimer  Regierungsrat, 
Professor,  Vorsitzender  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  und  zweiter 
Präsident  des  Deutschen  und  Österreichischen  Alpenvereins  in 
Berlin,  ernannt  am  11.  Juni  1875,  gestorben  daselbst  am  6.  Ok- 
tober 1905. 

Dr.  Gerhard  Rohlfs,  kgl. Hofrat,  kaiserlicher  Generalkonsul  a.D.  in  Weimar, 
ernannt  am  9.  Januar  1877,  gestorben  in  Rüngsdorf  bei  Bonn  am 
2.  Juni  1896. 

Dr.  Georg  Varrentrapp,  kgl.  geheimer  Sanitätsrat  und  Ehrenpräsident 
des  Vereins  für  Geographie  und  Statistik  in  Frankfurt  am  Main, 
ernannt  am  24.  September  1881,  gestorben  daselbst  am  15. März  1886. 

Dr.  Emil  Holub  in  Wien,  ernannt  am  1.  März  1882,  gestorben  daselbst  am 

21.  Februar  1902. 

Dr.  Ferdinand  von  Hochstetter,  Lu.  k.  österreichischer  Hof  rat  und  Pro- 
fessor in  Wien,  ernannt  am  27.  Dezember  1882,  gestorben  daselbst 
am  18.  Juli  1884. 

Dr.  Hermann  von  Wissmann,  kgl.  Major  ä  la  suite  der  Armee  und 
kaiserlicher  Gouverneur  z.  D.,  ernannt  am  31.  März  1883,  gestorben 
in  Sting  bei  Weißenbach  (Obersteiermark)  am  15.  Juni  1905. 

Henry  M.  Stanley,  Parlamentsmitglied  in  London,  ernannt  am  8.  Januar 
1885,  gestorben  daselbst  am  10.  Mai  1904. 


—    201     — 

Dr.  Adolf  Bastian,  kgl.  geheimer  RegiemngBrat,  Direktor  der  ethnolo- 
gischen Sammlung  des  lloseums  für  Völkerkunde  nnd  Ehrenprä- 
sident der  Gesellschaft  für  Erdknnde  in  Berlin,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886,  gestorben  inPort-of-Spain  (Trinidad)  am  3.  Februar  1905. 

Dr.  Karl  Becker,  kaiserlicher  wirklicher  geheimer  Oberregierungsrat  und 
Direktor  des  Statistischen  Amtes  des  Deutschen  Beichs  in  Berlin, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Charlotten  bürg  am 
20.  Juni  1896. 

Dr.  Hermann  Berg  haus,  Professor  in  Gotha,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  3.  Dezember  1890. 

Dr.  Heinrich  Brugsch,  kaiserlicher  Legationsrat  und  Professor  in  Berlin,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  9.  September  1896. 

Francisco  Coello  de  Portugal  y  Quesada,  kgl.  spanischer  Ingenieur- 
Oberst  a.  D.,  Ehrenpräsident  der  Sociedad  geogräfica  nnd  Präsident 
der  Sociedad  espaliola  de  geografia  comercial,  Exzellenz,  in  Madrid, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  30.  Sep- 
tember 1898. 

Dr.  Ernst  Engel,  kgl.  geheimer  Oberregierungsrat  nnd  Direktor  des  kgl. 
statistischen  Bureaus  a.  D.  in  Oberlössnitz  bei  Dresden,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  8.  Dezember  1896. 

Dr.  Friedrich  August  Finger,  Oberlehrer  a.  D.  in  Frankfurt  am  Main,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  31.  Dezember  1888. 

Friedrich  Anton  Heller  von  Hellwald  in  Stuttgart,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886,  gestorben  in  Tölz  am  1.  November  1892. 

Dr.  Heinrich  Kiepert,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  21.  April  1899. 

Dr.  Alfred  Kirchhoff,  kgl.  geheimer  Eegierungsrat  nnd  Professor  a.  D.,  Ehren- 
vorsitzender des  Vereins  für  Erdkunde  in  Halle ,  in  Mockan  bei  Leipzig, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  8.  Februar  1907. 

Karl  Koldewey,  kaiserlicher  Admiralitätsrat  und  Abteilungsvorstand  der 
Seewarte  in  Hamburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben 
daselbst  am  18.  Mai  1908. 

Charles  Maunoir,  Generalsekretär  der  Society  de  g6ographie  in  Paris,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  22.  Dezember  1901. 

Baron  Cristoforo  Negri,  kgl.  italienischer  außerordentlicher  Gesandter 
und  bevollmächtigter  Minister  a.D.,  Senator'  des  Königreichs  und 
Primo  presidente  fondatore  der  Societä  geografica  Italiana  in 
Turin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Florenz  am 
18.  Februar  1896 

Dr.  Adolf  Erik  Freiherr  von  Nordenskiöld,  Professor  in  Stockholm,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  28.  August  1901. 

John  Wesley  Powell,  Major  und  Direktor  des  Bureau  of  ethnology  und 
des  United  States  geological  survey  in  Washington,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Haven  (Maine)  am  23.  September  1902. 

Nikolai  Michailowitsch  von  Prjevalsky,  kaiserlich  russischer  Generalmajor 
in  St.  Petersburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in 
Karakol  im  Gebiet  Ssemiretschensk  am  1.  November  1888. 


—    202     — 

Dr.  Friedrich  Rat  sei,  kgl.  sächBischer  geheimer  Hofrat,  Profestor  und 
Vorsitzender  des  Vereins  für  Erdkunde  in  Leipzig,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Ammerland  am  Stamberger  See 
am  9.  Augast  1904. 

Dr.  GKistav  von  Rümelin,  kgl.  württembergischer  geheimer  Rat  und 
Kanzler  der  Eberhard-Karls-Universität,  Exzellenz,  in  Tübingen,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  28.  Oktober  1889. 

Dr.  Wilhelm  Stricker,  praktischer  Arzt  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt 
-am  8.  Dezember  1886,  gestorben  am  4.  März  1891. 

Dr.  Bernhard  S  t  u  d  e  r ,  Professor  a.  D.  in  Bern,  ernannt  am  8.  Dezember  1886 
gestorben  daselbst  am  2.  Mai  1887. 

Dr.  Pieter  Jan  Veth,  Professor  a.  D.  in  Arohem,  ernannt  am 8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  14.  April  1895. 

Louis  Vivien  de  Saint-Martin,  Ehrenpräsident  der  Soci6t6  de  g^ographie 
de  Paris  in  Versailles,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben 
daselbst  am  3.  Januar  1897. 

Henry  Yule,  kgl.  großbritannischer  Ingenieur-Oberst  a  D.  in  London,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  30.  Dezember  1889. 

Dr.  Emil  von  Oven,  Senator  und  Ehrenvorsitzender  des  Vereins  für  Geo- 
graphie und  Statistik  in  Frankfurt  a.  M.,  ernannt  am  26.  Oktober 
1887,  gestorben  daselbst  am  27.  November  1903. 

Friedrich  Jakob  Kessler,  Senator  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
26.  November  1888,  gestorben  daselbst  am  3.  Mai  1889. 

Dr.  Wilhelm  Junker  in  Wien,  ernannt  am  25.  Februar  1891,  gestorben  in 
St.  Petersburg  am  13.  Februar  1892. 

Dr.  Richard  Böckh,  kgl.  geheimer  Regierungsrat,  Professor  und  Direktor 
a.  D.  des  Statistischen  Amtes  der  Stadt  Berlin,  in  Grunewald  bei 
Berlin,  ernannt  am  20.  Oktober  1895,  gestorben  daselbst  am  5.  De- 
zember 1907. 

Dr.  Hans  von  Scheel,  kaiserl.  geheimer  Oberregierungsrat  und  Direktor 
des  Statistischen  Amtes  des  Deutschen  Reichs  in  Berlin,  ernannt 
am  9.  Dezember  1896,  gestorben  daselbst  am  27.  September  1901. 

Dr.  Eugen  Zintgraff,  ernannt  am  9.  Dezember  1896,  gestorben  in  Teno- 
rife  am  4.  Dezember  1897. 

Dr.  Carlo  Freiherr  von  Erlanger  in  Niederingelheim,  ernannt  am  18.  De- 
zember 1901,  gestorben  in  Salzburg  am  4.  September  1904. 


Yerzeiehnls 
der 

Behörden,  Gesellschaften  und  Bedaktionen, 

mit  welchen  der  Yerein  in  regelmäßigem 
Schriftenaustausch  steht. 

(Nach  dem  Sfand  vom  i.  Oktober  1906.) 

A  a  r  a  n :  Mittelschweizerische  geograph.-commercielle  Gesellschaft. 

Statistisches  Bureau  des  Kantons  Aargau. 
A 1  b  a  D  y :  Bureau  of  statistics  of  labor  o!  the  State  o!  New  York. 

New  York  State  library,  serials  section. 
Altenburg:  Herzogliches  statistisches  Bureau. 

Amsterdam:         De  Indische  Mercuur. 

Koninklijk  Nederlandsch  aardrijkskundig  genootschap. 
Antwerpen:  Society  royale  de  g^ographie  d'Anvers. 

Baltimore:  Maryland  geological  survey. 

Basel:  Evangelisches  Missionsmagazin. 

B  a  t  a  y  i  a :  Bataviaasch  genootschap  van  kunsten  en  wetenschappen. 

Koninklijke  natuurkundige  vereeniging  van  Nederlandsch- 
IndiS. 
Berlin:  Bureau  des  Hauses  der  Abgeordneten. 

Bureau  des  Reichstages. 

Deutsch-Österreichischer  Orientklub. 

Deutsche  Eolonialgesellschaft. 

Evangelischer  Afrika -Verein. 

Gesellschaft  für  Erdkunde. 

Kaiserliches  Beichsamt  des  Innern. 

Kaiserliches  Reichsmarineamt,  nautische  Abteilung. 

Kaiserliches  statistisches  Amt. 

Königliche  Bibliothek. 

Königliches  Ministerium  der  geistlichen,  Unterrichts-  und 
Medizinalangelegenheiten. 

Königliches  Ministerium  für  Handel  und  Gewerbe. 

Königliches  statistisches  Landesamt. 

Statistisches  Amt  der  Stadt 


—    204    — 

Bern:  Eidgenössisches  statistisches  Bureau. 

Geographische  Gesellschaft  von  Bern. 

Schweizerische  statistische  Gesellschaft. 

Schweizerisches  Finanz-  und  Zolldepartement:   Alkohol- 
Verwaltung. 

Statistisches  Bureau  des  Kantons  Bern. 
Bordeaux:  Soci6t6  de  g^ographie  commerciale. 

Boston:  American  academy  of  arts  and  sciences. 

American  Statistical  association. 

Massachusetts  hureau  of  statistics  of  lahor. 
Braunschweig:  Verein  für  Naturwissenschaft. 
Bremen:  Bremisches  statistisches  Amt. 

Geographische  Gesellschaft. 
Breslau:  Magistrat  der  kgl.  Haupt-  und  Besidenzstadt 

Brisbane:  Royal  geographical  society  of  Au8tralasia,Queensland  brauch. 

Brunn:  Mährische  Museumsgesellschaft  (Landesbibliothek). 

Brüssel:  Commission  centrale  de  statistique. 

Inspecteur  en  chef  du  Service  d^hygiene  de  la  ville. 

Minist^re  de  Tint^rieur  et  de  Tinstruction  publique:  Ad- 
ministration de  la  statistique  g^n^rale. 

Minist^e  des  sciences  et  des   arts:   Administration  de 
renseignement  sup6rieur  des  sciences  et  des  lettres. 

Soci6t6  d*6tude8  coloniales. 

Soci6t6  royale  beige  de  g&ographie. 

Universit^  nouvelle,  Institut  g6ographique. 
Budapest:  Statistisches    Bureau    der    Haupt-    und    Residenzstadt 

Budapest. 

Ungarische  geographische  Gesellschaft. 
Buenos  Aires:    Departamento  nacional  de  estadistica. 

Deutscher  wissenschaftlicher  Verein. 

Direction  g6n6rale  de  statistique  municipale. 

Institute  geogräfico  Argentino. 

Museo  nacional. 

Oficina  demogräfica  nacional  (Ministerio  del  interne). 

Superintendencia  administrativa  de  la  comision  nacional 
de  educaci6n. 
Bukarest:  Societatea  geographica  Rominä. 

Caracas:  Ministerio  de  fomento:  Direcci6n  de  estadistica  ö  immi- 

gradön. 
Chicago:  Bureau  of  labor  statistics. 

Christiania:        Königlich  norwegische  Universitätsbibliothek. 

Statistisches    Centralbureau   im    königlich    norwegischen 
Ministerium  des  Innern. 
C  ö  1  n :  Gesellschaft  für  Erdkunde. 

Darmstadt:  Großherzogl.  hessische  Centralstelle  für  die  Landesstatistik. 

Verein  für  Erdkunde  und  verwandte  Wissenschaften. 
Douai:  Union  g^ographique  du  nord  de  la  France. 


—    205    — 

Dresden:  Königlich  sächBisches  statietisches  Landesamt. 

Verein  für  Erdkunde. 
Dublin:  Statistical  and  social  inquiry  society  of  Ireland. 

Dunkerque:  Soci6t6  de  g^ographie. 

Frankfurt  a.M.:  Administration  der  Dr.  Senckenbergiscben  Stiftung. 

Bürgeryerein. 

Finanzherold. 

Frankfurter  allgemeine  Lehrerversammlung. 

Frankfurter  Bezirksyerein  deutscher  Ingenieure. 

Frankfurter  Rudergesellschaft  «Germania". 

Frankfurter  Turnverein. 

Frankfurter  Zeitung. 

Freies  Deutsches  Hochstift. 

General- A  nzeiger. 

Gesellschaft  zur  Beförderung  nützlicher  Künste  und  deren 
Bilfswissenschaften  (Polytechnische  Gesellschaft). 

Handelskammer. 

Kaufmännischer  Verein. 

Kleine  Presse. 

Physikalischer  Verein. 

Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft. 

Stadtbibliothek. 

Stadtkanzlei. 

Stadtverordnetenversammlung. 

Statistisches  Amt  der  Stadt. 

Taunusclub. 

Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Freiberg  i.  S. :      Geographischer  Verein. 

St.  Gallen:  Ostschweizerische  geographisch-commercielle  Gesellschaft. 

Genf:  Soci6t6  de  g6ographie  de  Geneve. 

Gießen:  Gesellschaft  für  Erd-  und  Völkerkunde. 

Großherzoglich  hessische  Universitätsbibliothek. 

Glasgow:  Sanitary  department  (Medical  officer  of  health). 

Gotha:  Herzogliches  statistisches  Bureau. 

S^Gravenhage:     Indisch  genootschap. 

Institut  international  de  statistique. 

Koninklijk  instituut  voor  de  taal—  land—  en  volkenkunde 
van  Nederlandsch-IndiS. 

Ministerie  van  binnenlandsche  zaken. 
Greifswald:         Geographische  Gesellschaft. 
Guatemala:  Direcciön  general  de  estadistica. 

Kaiserliche  Leopoldinisch-Carolinische  Deutsche  Akademie 
der  Naturforscher. 
Halle  a.  S.  Verein  für  Erdkunde. 

Hamburg:  Geographische  Gesellschaft. 

Handelsstatistisches  Amt. 


—    206    — 

Hamburg:  Modieinal-Inspektorat  über  die  medidnische  Statistik  dn 

hamburgischen  Staates. 

Statistisches  Bnreaa  der  Steaerdeputation. 
Hanaa:  Bezirksverein  für  hessische  Geschichte  und  Landeskunde. 

Hannover:  üeographische  Gesellschaft. 

Heidelberg:        Großherzoglich  badische  Universitätsbibliothek. 
Helsingfors:       Geografiska  föreningen  i  Finlaad. 

Sällskapet  för  Finlands  geografi. 
Hermannstadt:  Siebenbttrgischer  Earpathenverein. 

Verein  für  siebenbürgische  Liandeskunde. 
Igl6:  Ungarischer  Earpathenverein. 

Jena:  Geographische  Gesellschaft  (für  Thtlringen). 

Karlsruhe:  Großherzoglich  badisches  statistisches  Landesamt. 

Kasan:  Naturforscher-Gesellschaft. 

Königsberg i.  Pr.:  Physikalisch-ökonomische  Gesellschaft. 
Kopenhagen:      Statens  statistiske  bureau. 
L  an  sing:  Department  of  State. 

La  P 1  a t a :  Direcciön  general de  Estadistica  de  la  Provincia  de  Buenos 

Aires. 
Le  Ha  vre:  Soci6t6  de  g6ographie  commerciale  du  Havre. 

L  e  i  p  I  i  g :  Geographisches  Seminar  der  Universität. 

Verein  für  Erdkunde. 
Lima:  Sociedad  geogräfica. 

Lissabon:  Sociedade  de  geographia. 

London:  Chamber  of  commerce. 

Royal  geographical  sociely. 

Royal  Statistical  society. 

Academy  of  science. 
Lübeck:  Geographische  G^ellschaft. 

Statistisches  Amt. 
Lyon:  Soci6t6  de  g^ographie. 

Madrid:  Sociedad  espaiiola  de  geografia  comercial  (äntes  de  afri- 

canistas  y  colonistas). 

Real  sociedad  geogr&fica. 
Mailand:  Societä  Italiana  di  esplorazioni  geografiche  e  commerciali. 

Mainz:  Großherzoglich  hessische  Handelskammer. 

Manchester:       Manchester  geographical  society. 

Manila:  Ethnological  survey  for  the  Philippine  Islands. 

Marseille:  Soci6t6  de  g6ograpliie. 

Melbourne:  Department  of  mines. 

Metz:  Gesellschaft  für  lothringische  Geschichte  u.  Altertumskunde. 

Verein  für  Erdkunde. 
Mexico:  Deutscher  wissenschaftlicher  Verein. 

Sociedad  de  geografia  y  estadistica  de  larepüblicaMexicana. 
Montevideo:        Direccion  general  de  estadistica  del  Uruguay. 
Montpellier:       Soci6t6  languedocienne  de  g^ographie. 


—    207    — 

Moskau:  Section  g^ographiqne  de  la  BOci6t6  imperiale  dei  amis 

des  sdences  naturelles. 
ICfl neben:  Geographische  Gesellschaft. 

Königlich  bayrisches  statistisches  Bureau. 
Nancy:  Sod^t^  de  g6ographie  de  TEst. 

Neapel:  Societä  Africana  dltalia. 

Neuch&tel:  Soci6t§  neuchateloise  de  g6ographie. 

New  Hayen:         Connecticut  ncademy  of  arts  and  sciences. 
New  York:  American  geographica!  society. 

Secretary  of  State. 
Offenbach:  Großherzoglich  hessische  Handelskammer. 

Oldenburg:  Großherzogliches  statistisches  Bureau. 

Paris:  Bureau  de  statistique  g6n6rale  de  France. 

Coniit^  de  TAfrique  fran^aise. 

Ministöre  du  commerce,  de  Tindustrie,  des  postes  et  des 
t^l^graphes :  Office  du  travail.  Bureau  de  la  statistique 
g6n6rale  de  la  France 

Soci6t6  acadömique  indo-chinoise  de  France. 

Societ6  de  g^graphie. 

Soci^tö  de  g^ographie  commerciale. 
St.  Petersburg:  Acad6mie  imperiale  des  sciences. 

Kaiserlich  russische  geographische  Gesellschaft. 
Philadelphia:     American  philosophical  society. 

Geographica!  society. 
Pola:  Kaiserliches    und  Königliches  marinetechnisches  Comit6 

(Iklarine-Bibliothek). 
Port-of-Spain:  Government  Statist  of  the  colony  of  Trinidad. 
Posen:  Kaiser- Wilhelm-Bibliothek. 

Prag:  Statistische  Kommission  der  königlichen  Hauptstadt  Prag. 

Providence:         City  registrar. 

Bio  de  Janeiro:    Ministerio  da  industria,  via^äo  e  obras  publicas:  Obser- 

vatorio. 

Sociedade  de  geographia. 
B  0  m :  Direzione  di  statistica  e  stato  dvile  de!  comune  di  Boma. 

Institut  international  de  statistique. 

Istituto  cartografico  Itaüano. 

Ministero  dei  lavori  public!. 

Ministero  deir  interne. 

Ministero  della  publica  istruzione. 

Ministero  delle  finanze:  Direzione  generale  delle  gabelle. 

Ministero  di  agricoltura,  industria  e  commerdo :  Direzione 
generale  della  statistica. 

Societä.  geografica  Italiana. 

Specnla  Vaticana. 
Bouen:  Soci6t6  normande  de  g6ographie. 

San  Francisco:  Gcographical  society  of  California. 

Health  department  of  the  city  and  county  of  San  Francisco. 


San  Josft  ä.  C.  B.:  Institnto  fiBico-geogrifico  nacional  de  CoeU  Bica. 
Oficina  de  depäsito  ;  cijije  de  pnblicaciones  de  la  n 
de  Costa  Rica. 
Santiago:  Deutscher  wiaseiiBcfaaltlicher  Verein. 

S  a  T  aj  e  V  o :  StatistiBchea  Departement  der  LandetregieruDg  für  ] 

und  die  Hercegowina. 
SchireriD:  Grofiherzogliches  statiBtiBcheB  Amt. 

Springfield:        Barein  of  labor  statigtica  ol  Illiaois. 
Stettin:  OeBellschaft  für  Volker-  und  Erdlrnnde. 

Vereiti  zur  FQrdeinag  ttberseeiBcber  Handelsbetiel 
8  t.  L  0  D  i  ■ :  Academ;  of  Bcience, 

Stockholm:  Eangl.  Btatiatiaka  centralbyrän. 

STenaka  taristlOremDgen. 
Straßbnrg  i.  B.:  KaiaerÜcbe  UniverBitita-  und  LandeBbibliothek. 

Statiatiachea   Bureau    des   kaiserlichen    Ministerin 

Elsafi-Lothringen, 
VogeEeaklub, 
Stuttgart:  Deutscher  Lehrer -Verein  für  Naturkunde. 

Kaniglicb  wOrttembergiiche  Zentralstelle  für  Hant 

Gewerbe. 
Eüniglicfa  württembergiachea  statietiaches  Landesa 
Statiatisches    Amt    der   kgl.  Haupt-   nnd    Beaidei 

Stuttgart. 
WUrtCembergiacber  Verein  IQr  Handel sgeographie. 
Tacnbaja:  Obserratotio  astronfimico  nacional. 

T  i  1 1  i  H :  Kankasiscbe  Sektion  der  kaiserlich  niBBiscbengeogtap 

Qesellschaft. 
Tokio:  Bureau  de  la  etatiatiqne   g^n^rale  au  cabinet  ii 

da  Japon. 
Deutsche  Qesellschaft  für  Natur-  und  Volk  erkunde  Ost 
Toronto:  UDiTeraiiätsbibliothek. 

Toulouse:  Biblioth^ne  de  runiversic6. 

Soci^tä  acad^uiiqne  franco-hispano-portugaise. 
Tonre:  Soci^t^  de  g^ographie. 

Tübingen:  Königlich  württembergieche  Universitätsbibliothek. 

Upsala:  Königliche  Univeraitütsbibliothek. 

Washington:  American  hiatorial  aasociation, 
Bureau  of  American  ethnolog;. 
Department  of  labor. 

Department  of  tbe  interior:  Bureau  of  education. 
Department  of  the  interior:  Census  offlce. 
Department  of  tbe  interior :  United  Statea  geological  i 
National  geogiapbic  Society. 
Smiths  OD  i  an  Institution. 
Treasnr;  deparunent:  Bureau  of  statistics. 
Treaanrj  department :  OfBce  of  comptroller  of  the  cui 
Unit«d  States  board  on  geographic  names. 


—    209    — 

Weimar:  Statistisches  Bureau  vereinigter  thüringischer. Staaten. 

Wien:  Industrieller  Club. 

Kaiserlich  königliche  geographische  Gesellschaft. 

Kaiserlich  königliche  Universitätsbibliothek. 

Kaiserlich  königliches  naturhistorisches  Hofmuseum. 

Kaiserliches  und  königliches  militärgeographiBches  Institut. 

Statistische  Abteilung  des  Magistrats. 

Verein  der  Geographen  an  der  Universität  Wien. 
Wtlrzburg:  Königlich  bayrische  Universitätsbibliothek. 

Zürich:  Geographisch-ethnographische  Gesellschaft. 

Kantonales  statistisches  Bureau. 


Tom 
Yerein  fttr  Geographie  und  Statistik  rerüelieiie 

Anszeichnungen. 


I.    Die  Nordenskiöld-Medaille : 

(in  Gemelnsohftft  mit  den  geographischen  Geselitohaften  von  Beriin,  Bremen,  Dresden, 

Halle,  Hamburg,  Hannover,  Leipzig  and  München): 

1885.  Adolf  Erik  Freiherr  von  N  o  r  d  e  n  s  k  i  o  1  d  in  Stockholm,  (f) 


II.    Die  Bfippell-Medaille  in  Gold: 

1894.  Hermann    von   Wissmann    in   Gut   Weißenbach    bei 

Lietzen  (Obersteiermark).  (f) 
1896.  Julius  Euting  in  Straßburg. 
1903.  Sven  von  Hedin  in  Stockholm. 
1906.  Theobald  Fischer  in  Marburg. 


III.    Die  KOppell-Medaille  in  Silber: 

1904.  Karl  G.  Schillings  in  Düren. 

1905.  Bernhard  Hagen  in  Frankfurt  am  Main. 

1906.  Wilhelm  Filchner  in  Berlin. 


0^ 

rbersicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben 

im  Jahre  1906/1907. 


EinDahmen: 

Saldo  des  Jahres  1905/1906 M 

Zinsen 

Beiträge  von  660  Mitgliedern 

Verkauf  von  Beikarten 

Ararialbeitrag 

Ein  Geschenk 

JEtückstellung  für  den  Jahresbericht 


71.12 
809.35 

9879.— 
245.— 
600.— 
100.— 

1000.— 


M  12  704.47 


Ausgaben: 

Honorare 

Saalmiete 

Lichtbilder  nnd  Ansstellangen 

Inserate 

Bibliothekariatbeitrag 

Gehalt  des  Vereinsdieners 

Aaslagen   für  Versendung  des  Jahresberichts,  für 
Porti  und  bei  Anwesenheit  der  Redner    .    .    . 

Diplome  und  Medaillen   anläßlich  der  Jubiläums- 
feier      

Vereinsregister 

Drucksachen,  BUcher,  Buchbinder 

Geschenk  an  die  Senckenbergische  Naturforschende 
Gesellschaft 

Geographentag 

Jahresbericht 

Kapitalanlage 

Kleinere  Auslagen       

An  die  Vereinsbank 

Saldo  auf  neue  Rechnung 


Jü  2650.— 
1352.25 
206.85 
169.34 
567.60 
400.- 

556.10 

480.90 

23.40 

178.95 

600.— 

15.20 

237275 

1954.85 

87.10 

1088.25 

—.93 


M  12  704.47 


Inhaltsübersicht. 


Seite 
A.  TVisseiischaftliche  Mitteilnni^en. 

1.:  Bartenstein,  R.:  Grundzüge  der  Bodenplastik  von  Tunesien. 

Mit  einer  Höhenschichtenkarte 5 

IL:  Aus  den  Vorträgen: 

B  a  e  1  z .  £.  von :  Das  französische  Kolonialreich  in  Hinterindien  123 

Bayer,  H.:  Was  lehrt  nns  der  Krieg  in  Südwestafrika ?  106 

Boshart,  A.:  Das  Kongobecken  und  seine  Bevölkerung  141. 

Bnllok-Workman,   F.:    Die  erste  Erforschung  des  Hoh- 

Lumba  und  des  Sosbon  -  Gletschers 127 

Delitzsch,  F.:  Handel  und  Wandel  in  Altbabylonien     .     .  91 

D  0  f  1  e  i  n ,  F. :   Eine  zoologische  Forschungsreise  nach  Japan  122 

Falkenhausen-Gnadenberg,  H.  von :    Im    Lande    der 

Hereros 94 

Fischer,  Th. :  Die  Häfen  von  Marokko 144 

Frobenius,  L. :  Bilder  vom  Kongo 119 

Grothe,  H.:  Wanderungen  im  südwestlichen  und  nordwest- 
lichen Persien 145 

Günther,  S. :  Aus  den  Felsengebirgen  von  Nordamerika     .  138 

Hartmeyer,   R. :    Bericht    über    meine    Reise    in    West- 

australien 98 

—     —     Die  Koralleninseln  des  westindischen  Mittelmeeres   .  149 

H  0  s  s  e  u  s ,  C.  C. :  Von  Bangkok  nach  der  Nordgrenze  Slams  116 

Kalbfus,  H.:  Der  Simplontunnel 103 

Kauffmann,  0. :  Britisch  -  Indien  und  sein  Wild  ....  92 

Kindermann,   K.:     Deutschlands    wirtschaftliche    Welt  - 

Stellung 126 

Le  Coq,  A.  von:  Ausgrabungen  in  Chinesisch-Turkestan      .  151 

Mielich,  L. :   Vom   Ostjordanland   durch  das   alte  Moab   in 

unbekannte  Gebiete  der  nordarabischen  Wüste     ....  100 

Müllendorf f,  F.:  Französisch  Guinea 105 

Nahm  er,  E.  von  der:   Quer   durch  Kleinasien,  vom  Mittel - 

meer  zum  Pontus       108 


—    214    — 

8«lto 

Oberhnmmer,  E. :  Von  Canada  bis  Mexiko 152 

Oestreich,  K. :  Ans  dem  nordwestlichen  Himalaja    .    .    .  133 

Penck,  A. :  Das  llnsenm  für  Meereskunde  zu  Berlin       .    .  114 

Salzmann:  Karthago  einst  und  jetzt 130 

S  a  r  a  s  i  n »  P. :  Unsere  letzte  Forschungsreise  nach  Ceylon  und 

die  Steinzeit  der  Weddas 140 

Schermann,  L.:   Die  religiöse  Kunst  des  alten  Buddhismus  134 

Schnee,  P. :  Jaluit  und  die  Marshallinseln     .              .     .     .  120 

Schwarzlose,  K. :  Serbien,  Land  und  Leute 96 

Steindorff,  G. :  Auf  alten  und  neuen  Wegen  im  englisch- 
ägyptischen Sudan 132 

Voeltzkow,  A. :  Madagaskar 110 

Wegener,  G. :  Über  meine  neueren  Reisen  in  lonerchina    .  125 

Zugmayer,  £.:  Über  meine  Forschungsreise  in  West-Tibet 

1906 136 

in.  Bericht  über  den  IX.  Internationalen  Geographen  -  Kongreß  in 

Genf  im  Jahre  1903.    Von  Dr.  H..  T  r  a  u  t 154 

B.  Geschäftliche  Mitteilungen. 

Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins  in  der  Zeit  vom  1.  Oktober 

1906  bis  30.  September  1908 175 

Vorstand  und  Amterverteilung 181 

MitgUederverzeichnis 183 

Verzeichnis  der  Behörden,  Gesellschaften  und  Redaktionen,  mit  welchen 

der  Verein  in  regelmäßigem  Schriftenaustausch  steht    ....  203 

Vom  Verein  für  Geographie  und  Statistik  verliehene  Auszeichnungen  210 

Übersicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben  im  Jahre  1906/1907       .     .  211 


-^^i/^A/b^UVXr^^-^ 


Jahresbericht 

des 

Frankfurter  Yereii^s 

fttr 

Greographie  und  Statistik 


DreiundsiebztgHter 

and 

Vierundsiebzlgster  Jahrgang. 
1908—1909  und  1909—1910. 


Im  Namen  des  Vorstandes  herausgegeben 


von 


Dr.  Hermann  Traut, 

Bibüuthekar  an  der  Stadtbibliothek. 
Generalsekretär  des  Vereins. 


Frankfurt  ain  Main. 
Umclc  nnd  Yerla^^  Ton  Gebrflder  Knauer. 

1910. 


WissenHchaftliche  Mitteilungen. 


Mit  Rücksicht  auf  das  in  Vorbereitung  begriffene  Werk  über 
die  von  dem  Verein  veranstaltete  große  Sanda-Expedition 
des  Herrn  Dr.  Johannes  Elbert  maßte  von  der  Aufnahme 
besonderer  wissenschaftlicher  Abhandlungen  in  den  vorliegenden 
Jahresbericht  Abstand  genommen  werden. 


Aas  den  Vorträgen 

Yom  28.  Oktober  1908  bis  9.  März  1910. 

Mit  teilweiser  Benutzung  der  Mitteilungen  der  Herren  Redner 

zusammengestellt 
Yon 

Dr.  H  Traut. 


Mittwoch,  den  28.  Oktober  1908. 

Herr  Professor  Dr.  Hermann  Klaatsch-Breslau:  Die 
Eingeborenen  Anstraliens  und  die  Urgeschichte  der  Mensch- 
heit.   (Lichtbilder.) 

Die  Anregung  zu  seiner  dreijährigen  Forschungsreise  nach  Australien 
(1904 — 1907)  empfing  der  Vortragende  durch  seine  Studien  über  den  fossilen 
Menschen  Europas.  Die  Parallele  zwischen  den  altdiluyialen  Skelettresten 
der  Neandertalrasse  und  den  heutigen  Eingeborenen  Australiens,  welche 
schon  Thomas  Huxley  in  den  sechziger  Jahren  gezogen  hatte,  besonders  mit 
Rücksicht  au!  die  eigentümliche  Bildung  der  mit  mächtigen  Überaugenwülsten 
versehenen  Stirn  lies  es  wünschenswert  erscheinen,  ein  reiches  Material  an 
Schädeln  zu  sammeln,  wie  es  der  Vortragende  gewonnen  hat.  Auch  in 
kultureller  Hinsicht  forderten  die  zahlreichen  Ähnlichkeiten  zwischen  dem 
Paläolithikum  Europas  und  dem  Australiens  sowie  den  leider  schon  aus- 
gestorbenen Tasmanien!  zu  Untersuchungen  an  Ort  und  Stelle  auf.  Außer 
einem  großen  Material  an  primitiven  Steinwerkzeugen  hat  der  Vortragende 
reiche  ethnographische  Sammlungen  mitgebracht,  die  sich  jetzt  in  den  Museen 
von  Hamburg,  Cöln  und  Leipzig  befinden. 

Die  Untersuchungen  des  Redners  haben  vollkommen  die  Richtigkeit 
seiner  schon  früher  vertretenen  Ansichten  über  die  außerordentliche  Primitivität 
der  Uraustralier  bestätigt.  Mit  keiner  der  übrigen  Rassenzweige  der  Menschheit 
speziell  verwandt,  bieten  sie  doch  in  ihrer  sehr  großen  individuellen  Variabilität 
Anklänge  an  lokal  weit  entfernt  wohnende  Völker,  besonders  an  Afrika- 
neger und  rohe  Europäertypen.  Dies  kann  nur  so  erklärt  werden,  daß  die 
Vorfahren  der  Australier  in  der  Tertiärperiode  von  dem  gemeinsamen  Urort 
der  Menschheit  abgekapselt  wurden,  als  die  Anfänge  einer  Rassenbildnng 


_    6    — 

noch  ganz  in  Fluß  waren.  Von  der  Urheimat  der  Menschheit,  welche  Redner 
in  einem  untergesunkenen  Kontinent  zwischen  Australien  und  Afrika  und 
Südasien  vermutet,  sind  durch  Landverbindungen  die  Vorfahren  der  Australier 
zusammen  mit  dem  wilden  Hunde,  dem  Dingo,  nach  dem  Kontinent  gelangt, 
der  seitdem  tiefgreifende  geologische  Veränderungen  durchgemacht  hat.  Sein 
Klima  war  im  Tertiär  besser,  seine  Tierwelt  in  gewaltigen  Formen  entwickelt. 
Diese  australische  Fauna,  in  deren  Mitte  Mensch  und  Hund  als  Fremdlinge 
erschienen,  besteht  aus  »lebenden  Fossilien",  wie  Darwin  gesagt  hat.  Die 
Säugetiere  sind  teils  eierlegende  „Monotremen",  teils  Beuteltiere,  welche  in 
ausgestorbenen  Vertretern  gewaltige  Größe  erreichten.  Ihre  Herkunft  weist 
nach  der  untergesunkenen  Antarktis  und  auf  Zusammenhänge  mit  Südamerika. 
In  einigen  Flüssen  Ostaustraliens  lebt  noch  heute  ein  Molchfisch  „Ceratodus*", 
dessen  nächster  fossile  Verwandte  der  übrigen  Welt  der  Triasperiode  an- 
gehört. Die  seit  undenklichen  Zeiten  bestehende  völlige  Absonderung  der 
australischen  Wilden  von  der  übrigen  Welt  erklärt  es,  daß  sie  körperlich 
in  vieler  Hinsicht  noch  unter  dem  Neandertalmenschen  stehen  und  kulturell 
sich  in  eigenartiger  Weise  ganz  für  sich  älteste  Waffen,  Werkzeuge,  soziale 
Einrichtungen  und  religiöse  Vorstellung  von  der  Primitivkultur  der  Menschheit 
erhalten  und  weiter  ausgebildet  haben. 

Australien  ist  noch  heute  der  am  wenigsten  bekannte  Erdteil;  das 
kann  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  man  bedenkt,  wie  kurz  die  Zeit  ist, 
welche  seit  der  Erschließung  dieses  Landes  verflossen  ist.  Auf  Grund  von 
Kartenmaterial  gibt  der  Vortragende  eine  kurze  Übersicht  über  die  Ent- 
deckung des  zuletzt  bekannt  gewordenen  Erdteils,  über  den  selbst  in  Australien 
noch  viel  Unkenntnis  herrscht.  Über  den  Fabelkontinent,  die  terra  australis, 
findet  man  schon  in  Karten  des  16.  Jahrhunderts  Andeutungen,  in  der  Mitte 
des  17.  Jahrhunderts  entdeckten  die  Holländer  Australien,  aber  nur  die  öde 
Westküste,  sodaß  sie  den  Besitz  aufgaben  und  ihn  den  Engländern  über- 
ließen, von  denen  Kapitän  Cook  an  der  Ostküste  in  der  Nähe  des  heutigen 
Sydney  landete.  Von  hier  aus  begann  im  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts 
die  Durchforschung  des  Kontinents.  Die  erste  Durchquerung  gelang  einem 
Deutschen  Dr.  Ludwig  Leichhardt,  der  bei  einer  zweiten  Expedition 
spurlos  verschwunden  ist,  dessen  Andenken  noch  heute  in  Australien  nicht 
erloschen  ist,  wie  überhaupt  die  deutschen  Kolonisten  in  Australien  ein 
großes  Ansehen  unter  den  dortigen  Engländern  genießen.  Während  der  Süden 
vollständige  europäische  Kultur  zeigt,  und  infolgedessen  die  Schwarzen  fast 
völlig  ausgerottet  sind,  trotzdem  die  Eingeborenen  den  Weißen  aufs  freund- 
lichste entgegenkamen  und  ihnen  das  Land  bereitwilligst  überließen,  findet 
man  im  Norden  und  Nordwest-Australien,  wo  es  noch  etwas  zu  erforschen 
gibt,  die  Schwarzen  in  ihrem  Urzustände.  Redner  schätzt  die  Zahl  der 
Ureinwohner  auf  etwa  100000,  die  aber  meist  nur  in  Trupps  von  20  bis  30 
zusammenleben,  die  nomadisieren,  aber  dabei  die  Grenzen  ihres  Bezirkes 
streng  innehalten,  sodaß  es  ganz  falsch  ist,  zu  behaupten,  daß  die  Ein- 
geborenen den  Begriff  des  Besitzes  nicht  kennen.  Redner  schildert  den  ersten 
Eindruck,  den  er  bei  seinen  Fahrten  von  den  Eingeborenen  erhielt,  als  er 
auf  einem  von  der  Regierung  Queensland  für  6  Wochen  ihm  zur  Verfügung 
gestellten  Segelschiff  die  einsamen  Küstengebiete  des  Carpentariagolfes  be- 


—    7     - 

suchte.  Zahlreiche  Lichtbilder  erläuterten  das  Vorgetragene.  In  den  Öden 
Gegenden  Nordwest-  und  Nord- Australiens  mußte  der  Vortragende  die  Qerüchte 
über  sehr  trübe  Zustände  bezüglich  der  Behandlung  der  Eingeborenen  leider 
bestätigen.  Die  Tendenz,  dieselben  auszurotten,  ist  unverkennbar,  und  es 
ist  lediglich  ein  Vorwand,  wenn  die  Kolonisten  behaupten,  die  Schwarzen 
töteten  die  Rinder,  welche  man  im  Norden  verwildem  läßt,  um  die  schnell 
vermehrten  Herden  in  großen  Transporten  nach  den  Kulturgegenden  des 
Südens  zu  befördern.  Die  armen  Schwarzen  werden  in  Zügen  von  20  bis 
H()  Mann  am  Hals  aneinandergekettet,  viele  Hunderte  von  Meilen  aus  dem 
Innern  nach  der  Küste  geschleppt,  wo  sie  als  Gefangene  gehalten  und  zu 
Straßenbauten  gezwungen  werden. 

Über  die  Tätigkeit  der  Missionare  urteilt  der  Vortragende  sehr  an- 
erkennend bezüglich  der  Aufopferung  und  des  guten  Willens  derselben,  den 
Eingeborenen  zu  besserer  Existenz  zu  verhelfen,  bezweifelt  aber  die  Möglich- 
keit eines  praktischen  Erfolges. 

Über  die  Kultur  der  Eingeborenen  berichtet  der  Redner  in  Kürze. 
Den  Schwarzen  fehlt  jede  Kenntnis  der  Töpferei,  der  Metalle,  des  Pfeils  und 
Bogens,  nur  Speere  aus  Holz  findet  man  als  Waffe,  die  mit  ganz  primitiven 
Steininstrumenten  geschärft  werden,  wie  sie  der  älteren  Steinzeit  Europas 
entsprechen.  Femer  dienen  als  Waffen  die  Bumerangs,  die  aber  durchaus 
nicht  in  jedem  Falle  die  ihnen  nachgesagte  Eigenschaft  haben,  zu  den 
Schützen  zurückzukehren.  Die  Holzschilde  sind  wunderbar  bemalt,  wie  der 
Farbensinn  bei  den  Eingeborenen  sehr  entwickelt  ist,  was  auch  aus  den  in 
Felsen  geritzten  gut  gezeichneten  und  bemalten  Tierfiguren  hervorgeht.  Die 
Behausung  besteht  entweder  aus  zusammengebogenen  Palmenzweigen  oder 
aus  Rindenstücken  hergestellten  primitiven  Hütten,  während  in  manchen 
Gegenden  nur  Höhlen  Schutz  gegen  die  Sonne  oder  die  Tropenregen  gewähren. 
Mit  langen  Stangen,  die  sie  auch  beim  Streite  untereinander  gebrauchen, 
graben  die  Frauen  Wurzeln  aus  dem  Boden.  Kleidung  fehlt  im  Norden 
gänzlich,  während  im  Süden  Felle  benutzt  werden  oder  auch  Rindenstücke, 
die  von  den  Frauen  mit  den  Händen  vor  den  Körper  gehalten  werden.  Statt 
der  Kleidung  besteht  durch  ganz  Australien  die  Mode  des  Narbenschneidens, 
quere  sehr  tiefe  Narben  gehen  über  den  ganzen  Oberkörper,  der  auch  weiß 
bemalt  wird.  Als  Schmuck  wird  ein  Stock  durch  die  Nase  getragen:  ein 
beliebtes  Schmuckmittel  ist  Menschenhaar,  das  eifrig  gesammelt  wird.  Die 
Eingeborenen  sind  ganz  vorzügliche  Kletterer,  der  Fischfang  geschieht  durch 
mehrspitzige  Speere  oder  Netze,  auch  indem  die  Fische  durch  einen  künst- 
lichen Steinwall  am  Meeresufer  an  der  Rückkehr  ins  Meer  bei  Ebbe  ge- 
hindert werden.  Die  Schiffahrt  fehlt  im  Westen  gänzlich,  in  anderen  Gegenden 
kommen  Rindenboote,  Einbäume,  auch  Auslegerboote  vor,  die  jedenfalls  zum 
Teil  von  benachbarten  Gebieten  entlehnt  sind.  Als  Trinkgefäße  werden  ein- 
fach Rindenstücke  benutzt,  aber  auch  Muscheln;  Feuer  wird  wie  in  Indien 
durch  einen  Feuerquirl  oder  mittels  Holzsäge  gemacht.  Heilige  Gegenstände 
sind  nur  in  geringer  Menge  vorhanden,  so  ein  flaches  Stück  Holz,  an  Menschen- 
haar geschwungen  ;  der  dadurch  hervorgerufene  Ton,  dem  Waldteufel  ähnlich, 
hält  Frauen  und  Kinder  fern  von  den  Männern.  Musik  wird  durch  An- 
einanderschlagen  zweier  Bumerangs  hervorgebracht,  bei  welchen  Tönen   die 


-    8    — 

nächtlichen  Tänze  aufgeführt  werden.  Feindliche  Konflikte  zwischen  den 
einzelnen  Stämmen  sind  selten,  häufig  dagegen  große  Massenversammlungen 
zur  Entscheidung  solcher  Konflikte  und  besonders  der  sehr  komplizierten 
Ehe?erhältnisse,  bei  denen  Verwandtenehen  anscheinend  ausgeschlossen  sind. 
Doch  ist  es  sehr  schwierig,  etwas  genaues  darüber  auszusagen,  da  die 
Schwarzen  über  ihre  intimen  Angelegenheiten  Unrichtiges  sagen,  wie  sie 
überhaupt,  sogar  an  die  Realität  der  Träume  glaubend,  nicht  wahrheitsliebend 
sind.  Eine  richtige  Religion  besitzen  die  Schwarzen  nicht,  sie  kennen  nur 
böse  Geister,  gegen  die  sie  sich  durch  Hülfe  der  Zauberdoktoren  schützen, 
die  Krankheiten  erzeugen  und  heilen  können.  Der  Zauberdoktor  kann  auch 
per  distanze  krank  machen  und  töten  durch  Zielen  mit  spitzen  Menschen- 
oder Tierknochen.  Sobald  der  Betreffende,  auf  den  so  gezielt  worden  ist, 
dieses  erfährt,  legt  er  sich,  von  Todesfurcht  ergriffen,  hin,  verweigert  die 
Nahrung  und  stirbt.  Alle  Naturkräfte  werden  durch  tote  Schwarze  ausgeübt. 
Die  Toten  werden  entweder  beerdigt  oder  auf  Bäumen  aufgebahrt,  die 
Knochen  nachher  von  den  Bäumen  heruntergeholt  und  als  Amulette  gebraucht. 
Auch  Grabdenkmäler  aus  bemalten  Muscheln  findet  man,  andere  Leichen 
werden  nach  Herausnahme  der  Eingeweide  durch  Räuchern  am  Feuer  mumi- 
fiziert. Es  gelang  dem  Vortragenden,  eine  solche  Mumie,  den  Häuptling 
eines  Stammes,  zu  erwerben.  Grabmonumente  kommen  nur  selten  vor,  doch 
fand  Redner  solche  auf  Melville-Island,  der  nördlich  von  Australien  gelegenen, 
in  jeder  Hinsicht  dem  Kontinent  zugehörigen  Insel.  Es  sind  hölzerne  Säulen, 
mit  Muscheln  und  Feuer  bearbeitet  und  farbig  bemalt,  die  in  großer  Zahl 
(bis  9)  in  Form  eines  Ovals  das  Grab  umgeben.  Sie  erinnern  an  ähnliche 
Grabdenkmäler  auf  den  Südsee-Inseln  und  bei  den  Ainos.  Die  Pietät  für  die 
Toten  ist  ein  Zug,  welcher  die  Eingeborenen  Australiens  in  sehr  günstigem 
Lichte  zeigt.  Daß  hierin  auch  der  altsteinzeitliche  Mensch  Europas  keines- 
wegs auf  niederster  Stufe  stand,  lehrt  der  neueste  Fund  eines  Neandertal- 
skeletts,  welches  Vortragender,  der  Einladung  des  Entdeckers,  des  bekannten 
Schweizer  Prähistorikers  0.  Hauser,  folgend,  im  August  dieses  Jahres 
ausgrub  und  zwar  in  dem  durch  seine  Kulturiunde  berühmten  Vez^re-Tal 
(Dordogne).  Dieses  Skelett,  das  in  ungestörter  Schicht  der  sogenannten 
Moustierkultur  in  der  bisher  nicht  berührten  unteren  Grotte  des  Moustier- 
felsens  aufgedeckt  wurde,  gehört  einem  jugendlichen  Individium  der  Neander- 
talrasse  an,  deren  sämtliche  Charakterzüge  an  Kopf  und  Extremitäten  es 
aufweist.  Zum  ersten  Male  wurde  hier  eine  richtige  Bestattung  aus  paläo- 
litischer  Schicht  festgestellt,  denn  das  Skelett  lag  in  einer  Schlummerstellung 
auf  der  rechten  Seite,  der  Kopf  auf  Silexplatten  gebettet,  die  künstlich  ge- 
schlagen und  sorgfältig  ausgewählt  waren.  Unter  der  Stirn  lag  eine  grad- 
kantig behauene  Platte  von  zirka  10  cm  Länge.  Ähnliche  Stücke  befanden 
sich  unter  den  Schläfen  und  der  Kieferregion.  Zwei  kleinere  Platten  faßten  die 
Nase  ein,  eine  den  Nasenrücken,  die  andere  der  Fläche  angelagert  so  genau, 
daß  der  Raum  zwischen  diesen  Silex  und  dem  Schädel  noch  die  Nasenform 
zeigt,  deren  Löcher  nicht  abwärts,  sondern  nach  vom  und  abwärts  schauten. 
Der  rechte  Ellbogen  lag  unter  dem  Kopf  und  auch  der  Arm  war  gestützt 
durch  eine  Silexplatte  am  Cubitalgelenk.  Zahlreiche  aufgeschlagene  und  mit 
Feuerspuren  versehene  Tierknochen  und  ein  schönes  Instrument  vom  Acheul^en- 


—    9    — 

Typus,  das  in  der  Nähe  der  linken  Hand  gefunden  wurde,  ließen  keinen 
Zweifel  an  der  Bestattung.  Der  Schädel,  den  der  Vortragende  aus  zahl- 
reichen Fragmenten  zusammenfügte,  zeigt  noch  viel  mehr  Ähnlichkeit  mit 
dem  der  Australier  als  die  erwachsenen  Neandertalschädel.  Die  Überaugen- 
wülste sind  noch  nicht  so  stark  ausgebildet,  ebenso  der  Ast  des  Unterkiefers 
noch  kleiner,  obwohl  der  Mund  ganz  wie  eine  „Schnauze"  vorspringt.  Die 
Unterschiede  des  jugendlichen  und  erwachsenen  Typus  bilden  eine  Parallele 
zu  den  Zuständen  bei  Anthropoiden,  speziell  Gorilla.  Der  Australierschädel 
weist  auf  dieselbe  Wurzel  hin,  wie  die  Neandertalrasse,  ist  aber  in  vieler 
Hinsicht  primitiver  geblieben,  und  durch  die  Vertiefung  der  Nasen  und 
Augenregion,  wodurch  der  hintere  Oesichtsausdruck  der  australischen  Wilden 
entsteht,  modifiziert. 

Mittwoch,  den  4.  November  1908. 

Herr  Pfarrer  Lic.  Dr.  Karl  Schwarzlose-Frankfurt  a.M.: 
Balgarlen,  Land  und  Leute.  Nach  eigener  Studienreise  ge- 
schildert.   (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende,  welcher  zu  kirchen-  und  kulturgeschichtlichen  Studien 
planmäßig  alljährlich  den  Balkan  bereist,  machte  im  August  und  September  1907 
eine  Studienreise  durch  Bulgarien,  die  durch  Empfehlungen  des  Berliner  Aus- 
wärtigen Amts  und  durch  wohlwollendes  Entgegenkommen  der  bulgarischen 
Staatsbehörden  in  jeder  Weise  gefördert  wurde.  Auch  der  damalige  Fürst  jetzige 
König  Ferdinand  wandte  derselben  sein  Interesse  zu.  In  der  Person  des  Sofianer 
Üniversitäts-Professors  Dr.  Dimitrow,  der  in  Jena  studiert  und  die  Doktor- 
würde erlangt  hatte,  erhielt  der  Vortragende  einen  sprachenkundigen  und  mit 
vielen  Gegenden  Bulgariens  vertrauten  Reisebegleiter.  Das  Ereignis,  welches 
Bulgarien  in  aller  Welt  in  den  Vordergrund  gerückt  hatte,  nämlich  die  am 
5.  Okt.  1908  erfolgte  Erklärung  zum  unabhängigen  Königreich, 
bot  sich  dem  Redner  wie  von  selbst  als  Ausgangspunkt  für  seine  Aus- 
führungen dar.  Er  bemerkte,  daß  das  Erstaunen  über  das  zielbewußte  Vor- 
gehen Bulgariens  nicht  so  groß  sein  würde,  wenn  das  Land  und  sein  Volk 
und  zwar  namentlich  die  nationale  Energie  und  militärische  Schlagfertigkeit 
desselben  besser  bekannt  wäre. 

Das  ehemalige  Fürstentum,  jetzige  Königreich  Bulgarien  —  Redner 
zweifelt  nicht  im  mindesten  daran,  daß  alle  Großmächte  sich  mit  der  voll- 
zogenen Tatsache  wtlrden  zufrieden  geben  müssen  —  hat  einen  Flächenraum 
von  96345  qkm,  von  den  B2Ö94  qkm  auf  das  ehemalige  Ostrumelien  ent- 
fallen, das  seit  1885  unter  der  Bezeichnung  Südbulgarien  dem  heutigen 
Königreich  angegliedert  ist.  Bulgarien  ist  doppelt  so  groß  wie  Serbien  und 
erreicht  mit  seinem  Umfang  etwa  den  der  deutschen  Königreiche  Bayern  und 
Württemberg  zusammengenommen.  Zwischen  Nordbulgarien,  das  auch  als 
Donau-Bulgarien  bezeichnet  werden  könnte,  und  Südbulgarien  besteht 
klimatisch  ein  gewaltiger  Unterschied,  der  z.  B.  schon  daran  anschaulich 
wird,  daß  man  in  Sofia  im  Winter  durchschnittlich  42  Schneetage  zählt,  in 
Philippopel  dagegen  nur  14.  Die  Grenze  zwischen  beiden  Landesteilen  bildet 
zumeist  der  Balkan  (zu  deutsch :   Gebirge) ,  das  Hauptgebirge  Bulgariens 


—    10    — 

und  zugleich   der  ganzen  Halbinsel,   das   in   einer  Ausdehnung  von  600  km 
vom  Timokfluß  bis  zum  Schwarzen  Meer  läuft  und  von  den  Alten  Hämns 
genannt  wurde,   während   es   bei   den  Bulgaren   Stara   Planina  =■  altes 
Gebirge  heißt.  Seine  höchste  Erhebung  ist  der  Jumruktschal,  neuerdings 
Ferdinandspitze  genannt,  mit  2385  m.     Er  liegt  au!  dem  Zentral balkan,  der 
auch   eine  Menge   vortrefflicher  Pässe   sein    eigen  nennt,   unter  denen   der 
Schipka   (Passhöhe  1808  m)   infolge   der  hier   im  russisch-türkischen   Kriege 
stattgehabten  blutigen  Kämpfe  der  berühmteste  ist.  Nach  Norden  hin  dacht 
sich  der  Balkan  allmählich  ab  und  ist  an  dieser  Seite   auch  mit  prächtigen 
Buchonwaldungen    bestanden.     Nennenswerte    Gebirge    sind    weiterhin    der 
majestätische,  aus  Urgestein  bestehende  Kilo  mit  dem  2924  m  hohen  Mussalla 
und  das  hochromantische,  aber  sehr  unwegsame  Rhodopegebirge,  außer- 
dem die  Vitoscha,   der  die  Sofianer  Ebene  beherrschende  und  2287  m  an- 
steigende Gebirgsblock.     Im  Kilo-  und  Rhodopegebirge  gibt  es  dichte,  hoch- 
stämmige Tannenwaldungen,  und  zahlreich  finden  sich  hier  noch  Gemsen  und 
Bären.  In  der  Umgegend  des  verborgen  im  Rilogebirge  gelegenen  Riloklosters 
bilden  beide  Tiere  keine  Seltenheit.   Redner  hat  alle  die  genannten  Gebirge 
persönlich  kennen  gelernt  und  au!  schwierigen  Pfaden  das  Rilo-  und  Rhodope- 
gebirge sowie  den  Balkan  überritten.  Bulgarien  ist  ein  überwiegend  gebirgiges 
Land:   die  mittlere  Höhe  beträgt  425  m.     Gleichwohl  sind  50 ^o  der  Boden- 
fläche  für   den  Ackerbau  geeignet,    der   noch   zumeist  in  primitiver  Weise, 
aber   mit   erfolgreichen    Ernten   betrieben   wird,    da    das    Land    von    einer 
staunenswerten  Fruchtbarkeit  ist.    In  dieser  Hinsicht  sind  besonders  gesegnet 
die  Strumaebene  bei  Küstendil,  die  Iskerebene  bei  Samokow  und  die 
weite  Maritzaebene  in  Südbulgarien.  Die  Maritza  ist  der  Fluß  Bulgariens, 
an  den   sich  die  nationale  Begeisterung  ähnlich  anschmiegt  wie  bei  uns  an 
den   Rhein.     Die   in    den    Freiheitskämpfen    gegen  die   Türken    entstandene 
Nationalhymne  beginnt   „Schumi   Maritza".    In   diesen    auch    landschaftlich 
sehr   reizvollen    fruchtbaren    Gebieten    gedeihen    nicht   bloß   alle    Getreide-, 
Gemüse-  und  Obstsorten  sowie  Wein  aufs  ergiebigste  und  in  edelster  Qualität, 
sondern    auch   Reis,   Tabak   und    südländische   Gewächse.     Der   beste  Wein 
Bulgariens  wächst  allerdings  am  Schwarzen  Meer,  an  den  Uferhängen  nördlich 
von  der  aufblühenden  Hafen- und  Handelsstadt  Warna,   wo  inmitten  eines 
200  ha  bedeckenden  Rebengeländes  König  Ferdinand  das  Schloß  Euxinograd 
besitzt,   seiner  Lage   nach  Miramare   bei  Triest  vergleichbar.     Die  Bulgaren 
sind    geborene    Gärtner;    viele    treiben    mit    diesem   Beruf    eine    Art   von 
Sachsen gängerei ,   namentlich  nach   Rumänien   und  Südrußland   hin.     Dieses 
ihr  Talent  wirkt  sich   vor  allem  im  Gemüsebau   und   in   der   Blumenzucht 
aus.    So  erklärt  sich  die   gewaltige  Rosenkultur,   deren  Hauptsitz  vorzugs- 
weise das  Tundschatal   ist,   das   sich  150  km  lang   und  20km  breit  am 
Fuße  des  Zentralbalkans  ausdehnt.     Hier  sieht  man   nichts   als  Rosenfelder, 
die  mit  buschartigen  Damaszenerrosen  bestanden  sind.   Der  Anbau  geschieht 
zum   Zwecke   der   Rosenöldestillation.      Der    Mittelpunkt   derselben   ist   die 
18  km    südlich    vom   Schipkapass   und    sehr    lieblich   gelegene    Stadt   K  a  - 
zanlyk.  Über  die  hohen  Preise  des  Rosenöls  wundert  man  sich  nicht  mehr, 
wenn   man   hört,   daß   von    12  Kilo   Rosenblüten   im   günstigsten  Fall  4  gr. 
Rosenöl  erzielt  werden.  Die  bulgarische  Staatsregierung  scheut  keine  Mühen 


—   11   — 

und  Opfer,  um  auf  jedem  Gebiete  die  Kultur  des  Landes  zu  heben.  Zu 
diesem  Behufe  sind  nicht  nur  in  allen  Bezirken  berufliche  landwirtschaft- 
liche Inspektoren  angestellt,  welche  durch  Vorträge.  Vorführung  der  neuesten 
Maschinen  u.  a.  m.  die  Fachkenntnisse  und  technischen  Fertigkeiten  der 
Bauern  zu  heben  haben,  sondern  auch  hie  und  da  Ackerbau-  und  Wcin- 
bauschulen  gegründet  worden,  welche  mit  tüchtigen,  meistens  im  Auslande 
vorgebildeten  Lehrkräften  besetzt  sind.  Vortragender  hat  die  in  Westbul- 
garien, in  Dupnitza  neu  ins  Leben  gerufene  Ackerbauschule  besucht.  Der 
Staat  unterhält  hier  und  überall  die  Schüler  vollständig.  Es  gibt  übrigens  in 
Bulgarien  keinen  Großgrundbesitz,  sondern  in  die  3Vs  Millionen  ha  unter  dem 
Pflug  teilen  sich  546084  Besitzer. 

Die  Bevölkerung  Bulgariens,  die  sich  gegenwärtig  auf  4036000 
beziffert,  bietet  ein  buntes  Gemisch  dar.  Neben  rund  3V5  Millionen  Bulgaren 
gibt  es  etwa  >/,  Million  Türken,  95000  Zigeuner,  84000  Rumänen,  70000 
Griechen,  36  000  Juden,  19  000  Tataren,  14  000  Armenier  u.  a.  mehr.  Infolge 
dieser  nationalen  Buntheit  stößt  man  in  Bulgarien  auf  viele  Sprachen  und 
vielseitige  Sprachkenntnisse.  Die  meisten  Bulgaren,  die  wie  alle  Slaven  über 
ein  erstaunliches  Sprachtalent  veriügen,  sind  mindestens  in  2—3  Sprachen 
gut  zu  Hause.  In  türkischer  Zeit  war  das  Türkische  die  Verkehrsspi-ache, 
jetzt  ist  es  das  Bulgarische,  welches  eine  südslawische,  dem  Serbischen  nahe 
verwandte  Sprache  ist;  ein  Hauptunterschied  besteht  darin,  daß  es  im 
Bulgarischen  einen  Artikel  gibt.  Neben  der  Landessprache  kommt  man  am 
weitesten  mit  Deutsch  und  Französisch.  Beide  Sprachen  werden  auf 
den  höheren  bulgarischen  Schulen  gelehrt.  Daneben  wird  selbstverständlich 
das  Russische  von  vielen  verstanden  und  gesprochen. 

Was  das  religiöse  Bekenntnis  angeht,  so  hängt  dasselbe  ge- 
wöhnlich eng  mit  der  Nationalität  zusammen.  Die  Mehrzahl  der  Bewohner 
—  etwa  3  Millionen  —  gehört  der  griechisch-morgenländischen  oder  or- 
thodoxen Konfession  an.  Die  bulgarische  orthodoxe  Kirche  ist  unabhängig 
und  wird  in  11  bischöfliche  Diözesen  zerlegt.  Ihr  Oberhaupt  ist  der  in 
Konstantinopel  residierende  Exarch,  dem  nicht  nur  die  orthodoxen 
Bulgaren  im  Königreich,  sondern  auch  die  noch  unter  türkischer  Herrschaft, 
namentlich  in  Mazedonien  lebenden  1200000  Bulgaren  in  geistlicher  Hinsicht 
unterstellt  sind. 

Ebenso  wie  Serbien  ist  auch  Bulgarien  altes  Kulturland.  Es  deckt 
sich  mit  dem  Mösien  (zwischen  Donau  und  Balkan)  und  Thracien  (süd- 
lich vom  Balkan)  der  Römer.  Infolgedessen  werden  unablässig  interessante 
Funde  aus  römischer  Zeit  gemacht.  Seit  1906  arbeitet  man  erfolgreich  daran, 
die  17  km  von  Tmovo  gelegene  Römerkolonie  Nicopolis  ad  Istrum 
wieder  auszugraben.  Namentlich  findet  man  bei  den  heilkräftigen  heißen 
Quellen,  an  denen  der  Balkan  so  reich  ist,  und  die  den  alten  Römern  schon 
bekannt  waren,  Spuren  ihrer  Kultur.  Ebenso  ist  Bulgarien  reich  an  alt- 
christlichen Altertümern.  Dieselben  sind  jetzt  sachgemäß  zusammengetragen 
im  Nationalmuseum  zu  Sofia.  Dieses  hieß  in  römischer  Zeit  Sardica  und 
war  im  4.  Jahrhundert  ein  Vorort  des  Christentums.  In  der  Zeit  der  Völker- 
wanderung fluteten  zuerst  germanische  Stämme  durch  das  Land,  denen  im 
6.  und  7.  Jahrhundert  Slawen  folgten,   die  sich  wie  im  Nordwesten  der 


—     12    — 

Halbinsel  so  auch  hier  festsetzten.  Am  Ende  des  7.  Jahrhunderts  wurden 
sie  von  einem  nachrückenden  ugro-finnischen  Stamm  unterjocht.  Es 
waren  dies  die  Bulgaren,  auch  Wolgaren  genannt  nach  ihren  ursprünglichen 
Sitzen  an  den  Ufern  der  Wolga.  Die  Bulgaren  wurden  nur  politisch  Herren 
des  Landes;  die  unterworfenen  Slawen  gaben  ihnen  Sprachen  und  Sitten. 
Von  Byzanz  her  nahmen  sie  im  Jahre  864  das  Christentum  an  und  gründeten 
im  Osten  der  Balkanhalbinsel  ein  starkes  Königreich.  Ihr  Herrscher  S  i  m  e  o  n 
(890—927)  dehnte  seine  Macht  über  Albanien  hin  bis  zum  Adriatischen  Meere 
aus  und  nahm  den  Titel  ,Zar  der  Bulgaren''  an.  Es  ist  dies  der- 
selbe Titel,  den  Fürst  Ferdinand  am  5.  Oktober  d.  J.  wieder 
aufgenommen  hat,  wobei  zu  bemerken,  daß  das  Wort  Zar 
in  der  bulgarischen  Sprache  nicht  Kaiser,  sondern  König 
bedeutet.  Im  Jahre  1015  kam  Bulgarien  unter  byzantinische  Oberhoheit; 
Yon  derselben  wurde  es  im  Jahre  1186  befreit  durch  das  fürstliche  Bruder- 
paar Johann  und  Peter  Assen,  welche  die  Dynastie  der  Asseniden  und 
das  zweite  bulgarische  Königreich  mit  der  Hauptstadt  Trnoyo  gründeten, 
romantisch  am  Nordabhang  des  Balkans  an  der  Jantra  gelegen  und  bis  zum 
heutigen  Tage  die  Stadt  des  bulgarischen  Nationalstolzes  und  der  bulgarischen 
Tradition.  Im  Jahre  1393  wurde  Bulgarien  eine  Beute  der  Türken,  unter 
deren  Joch  es  ziemlich  500  Jahre  lang  schmachtete.  Wenn  die  Bulgaren 
nicht  im  Türkentum  und  Islam  aufgingen,  so  danken  sie  dies  lediglich  ihrer 
orthodoxen  Kirche,  welche  ihnen  das  Christentum,  die 
Muttersprache  und  die  Erinnerung  an  die  vergangene 
nationale  Größe  bewahrte.  Infolgedessen  hängt  der  Bulgare  an  seiner 
Kirche  mit  dankbarer  Pietät;  er  weiß,  daß  die  Kirche  auch  die  Wiege  der 
politischen  Erneuerung  Bulgariens  war.  Die  Sehnsucht  nach  nationaler 
Wiedergeburt  warf  zuerst  der  Mönch  Paissij  in  das  Volk  hinein,  der 
Ende  des  18.  Jahrhunderts  lebte.  Sein  Traum  ging  erst  im  Jahre  1878  in 
Erfüllung  nach  dem  russisch-türkischen  Kriege.  Man  kann  nicht  sagen,  daß 
der  Berliner  Kongreß  vom  13.  Juli  1878  die  bulgarischen  Grenzen  zufrieden- 
stellend abgesteckt  hätte.  Es  ist  verständlich,  daß  die  Nation  seitdem  ziel- 
bewußt an  ihrer  Korrektur  arbeitet. 

Wie  bekannt,  war  der  aus  hessischem  Geblüt  stammende  Prinz 
Alexander  von  Battenberg  erster  bulgarischer  Fürst  (1879  bis 
1886).  Er  hat  mit  großem  Geschick  die  gesunden  Fundamente  für  eine  neue 
Kultur  des  Landes  und  besonders  für  eine  gute  Verwaltung  und  straffe 
militärische  Organisation  gelegt  und  durfte  dem  jungen  Staate  bei  Slivnitza 
auch  die  ersten  Kriegslorbeeren  gewinnen.  Seit  dem  14.  August  1887  regiert 
über  denselben  Prinz  Ferdinand  von  Coburg,  der  mit  liebenswürdiger 
Geduld  und  mit  opferfreudigem  Eifer  in  jeder  Hinsicht  an  der  Hebung  des 
Landes  gearbeitet  und  vor  allem  durch  seine  diplomatische  Tüchtigkeit 
Bulgarien  zu  einem  geachteten  Staatswesen  innerhalb  der  europäischen 
Völkerfamilie  erhoben  hat.  Besonders  ist  hervorzuheben  die  Energie  und 
Sachkunde,  mit  der  König  Ferdinand  von  Anfang  an  die  Verbesserung 
der  Kommunikationsmittel  und  den  planmäßigen  Ausbau  des  Eisen- 
bahnwesens sich  hat  angelegen  sein  lassen.  Auf  letzterem  Gebiete  ver- 
fügt er  persönlich  über  ein  bewundernswertes  fachmännisches  theoretisches 


—     13    — 

und  praktisches  Wissen,  Die  jetzt  im  Bau  befindliche,  großzügig  angelegte 
Balkan-Transyersalbahn,  die  eine  direkte  Verbindung  zwischen  Nord- 
und  Siidbulgarien  herstellt,  geht  ebenfalls  auf  seine  Initiative  zurück.  Bis 
jetzt  kann  man  nur  zu  Fuß  oder  zu  Pferde  über  den  Balkan  vom  Süden 
nach  dem  Norden  des  Landes.  Nicht  nur  militärisch,  sondern  auch  handels- 
politisch ist  diese  Förderung  des  Eisenbahnbaues  von  höchstem  Wert.  Daß 
aber  auch  das  Volk  etwas  davon  haben  und  die  Bahn  zum  Kennenlernen  des 
Vaterlandes  benutzen  soll,  beweist  die  neiderregende  bulgarische  Einrichtung, 
daß  in  der  Hauptreise-  und  Ferienzeit  vom  1.  Juli  bis  zum  30.  September 
sämtliche  Fahrkarten  mit  25%  Ermäßigung  verkauft  werden. 

Redner  hat  au!  seiner  Studienreise  alle  historisch,  kirchlich  und  kulturell 
nennenswerten  Orte  Bulgariens  kennen  gelernt  und  führte  Städte  (wie  z.  B. 
Sofia,  Philippopel,  Trnovo,  Warna,  Rustschuk,  Plewna), 
Dörfer,  Kirchen  und  Klöster,  Felder  und  Gebirgslandschaften  in  Lichtbildern 
nach  eigenen  Aufnahmen  vor.  Insonderheit  berichtete  er  von  Sofia,  wie  dies 
eine  aufblühende,  mit  allen  Errungenschaften  der  europäischen  Großstädte 
ausgestattete  Residenz  sei.  Das  neue  Theater  und  die  noch  im  Bau  befindliche, 
riesige  Dimensionen  aufweisende  Kathedrale  erregten  vor  allem  die  Be- 
wunderung der  Beschauer.  Die  Landstraßen  im  Innern  Bulgariens  sind  nicht 
schlecht ;  hier  ist  man  noch  sehr  auf  Fuhrwerke  oder  Reitpferde  angewiesen. 
Auch  außerhalb  der  großen  Städte  gibt  es  erträgliche  Gasthäuser.  Was  über 
die  Unsicherheit  des  Landes  und  über  die  Unreinlichkeit  vielfach  erzählt 
wird,  gehört  in  das  Reich  der  Fabeln.  Eine  gewisse  Vorsicht  ist  nur  geboten 
an  der  bulgarisch-mazedonischen  Grenze,  sonst  reist  man  im  ganzen 
Lande  völlig  sicher.  Die  Verhältnisse  des  Wohnens  und  die  Lebens- 
haltung überhaupt  sind  überwiegend  noch  sehr  primitiv,  was  sich  nicht 
bloß  aus  der  jungen  Kultur,  sondern  auch  aus  einer  bewußten  Genügsam- 
keit und  Sparsamkeit  der  Bulgaren  erklärt.  Das  Reisen  im  Lande  ist 
strapaziös,  aber  sehr  genußreich.  Die  größte  Schwierigkeit  liegt  für  den 
Fremden  in  der  Verpflegung,  da  die  Zubereitung  der  Speisen  eine  von  der 
unseren  völlig  abweichende  ist. 

Als  den  Glanzpunkt  seiner  Reise  schilderte  der  Redner  den  Besuch  des 
nicht  weit  von  der  türkischen  Grenze,  inmitten  eines  waldreichen  Felsentales 
1200m  hoch  im  Rilogebirge  gelegenen  Riloklosters.  Dieses  ist  das 
Nationalheiligtum  des  bulgarischen  Volkes,  gebaut  an  der  Stelle,  wo 
im  10.  Jahrhundert  ein  bulgarischer  Mönch,  der  hl.  Johannes,  als  Eremit 
gelebt  hat.  Das  heutige  Kloster  ist  ein  fünfeckiger,  festungsartiger  Bau. 
Nach  dem  Hof  zu  hat  es  vier  Stockwerke,  in  denen  sich  300  Zimmer  befinden, 
die  teils  den  Mönchen  (45  an  Zahl)  zur  Wohnung  dienen,  teils  zur  Aufnahme 
von  Gästen  und  Pilgern  bestimmt  sind.  An  sechs  Feiertagen  im  Jahr 
strömen  zwischen  15(X)— 6000  Pilger  im  Rilokloster  zusammen,  die  3  Tage 
lang  im  Kloster  umsonst  beherbergt  und  gespeist  werden.  Die  mumifizierte 
Leiche  des  Nationalheiligen  liegt  in  der  mit  Bildern  übersäten  Klosterkirche. 
Die  Klosterbibliothek  ist  reich  an  altslawischen  Codices,  die  Redner  ebenfalls 
im  Bilde  vorführte.  Außer  dem  Rilokloster  zeigte  er  verschiedene  hoch- 
romantisch gelegene  Klöster  aus  dem  Balkan,  z.  B.  Sv.  Bogoroditza  bei 
Gabrowo  u.  a. 


—    14    — 

Die  hervorstechendsten  Eigenschaften  der  Bulgaren  sind  Fleiß, 
Genügsamkeit,  Sparsamkeit,  schnelle  Auffassungsgabe,  militärische  Tüch- 
tigkeit. Sinn  für  Disziplin  und  opferwillige  Vaterlandsliebe.  Jeder  be- 
zahlt z.  B.  gern  Steuern  zum  Wohle  der  Gesamtheit.  Jedem  Fremden 
fällt  der  soldatische  Geist  des  Volkes  auf.  Überall  im  Lande  trifft  man 
auf  Soldaten.  Sofia  mutet  in  dieser  Beziehung  an  wie  Potsdam.  Der  bul- 
garischen Armee  hat  unser  Kaiser  ein  glänzendes  Zeugnis  ausgestellt. 
Auch  Bulgariens  König  und  Volk  schätzt  den  Wert  seines  Heeres  richtig 
ein.  Dieses  gab  ihm  den  Rückhalt  für  das  mutvolle  Vorgehen  im  Ok- 
tober d.  J.  und  sichert  ihm  eine  unverlierbare  Bedeutung  in  der  zukünftigen 
Geschichte  des  Balkans. 

Mittwoch,  den  11.  November  1908. 

Herr  Dr  Albert  Tafel-Stuttgart :  Meine  Reisen  in 
Osttibet.    (Lichtbilder.) 

Von  den  Reisen  Dr.  Tafeis  wurden  in  dem  Vortrage  nur  diejenigen 
behandelt,  die  er  in  den  Jahren  1906  und  1907  in  Osttibet  ausführte.  Der 
Redner  gab  zunächst  an  der  Hand  seiner  Lichtbilder  eine  kurze  Darstellung 
der  verschiedenen  Völkerschaften,  welche  die  Gegend  von  Hsi  ning  fu  und 
vom  Knku  nor,  also  der  Grenze  der  chinesichen  Provinz  Kan  su  und  Nordost- 
Tibets,  bewohnen.  Unter  der  Herrschaft  der  Chinesen  bezw.  Mantschu  drängen 
sich  dort  auf  einen  engen  Raum  chinesische  Bauern,  Mongolen,  die  vom 
einstigen  Kalmükenreich  übrig  geblieben  sind,  chinesische  und  türkische 
Mohammedaner,  Hsi  fan-Tibeter  und  endlich  Angehörige  eines  heute  kleinen, 
gleichfalls  Ackerbau  treibenden  Volkes  zusammen,  welche  die  Chinesen  T^u  jen 
nennen  und  die  unter  eigenen  Fürsten  stehen.  Die  Trachten  der  Frauen  aller 
dieser  Völker  zeigen  besonders  große  Verschiedenheit.  Die  der  T'u  jen  sind 
auffallend  bunt  und  originell. 

Nach  einem  ersten,  im  Januar  1906  ausgeführten  Versuch,  den  See 
Kuku  nor  genauer  zu  erforschen,  der  aber  wegen  eines  räuberischen  Über- 
falls vorzeitig  endete,  ging  die  Reise  im  Frühjahr  1906  auf  dem  rechten  Ufer 
des  Hoang  h'o  aufwärts  nach  Süden,  bis  in  die  Nähe  des  Berges  Amne 
Matschin.  Der  Berggeist,  der  nach  Ansicht  der  Tibeter  auf  diesem  Gipfel 
thront,  gilt  in  ganz  Nordosttibet  als  der  mächtigste  Gott,  von  dem  das  Wohl 
und  Wehe  der  Bewohner  abhängt.  Von  dort  ging  die  Reise  durch  unbe- 
wohntes Hochland  in  das  abflußlose  und  salzreiche  Becken  von  Ts^aidam 
hinab,  wo  die  Karawane  sich  etwas  erholte,  da  sie  aufs  neue  den  Unbilden 
der  tibetischen  Hochländer  ausgesetzt  wurde.  Südlich  von  Ts'aidam  ging  es 
nun  in  das  Quellgebiet  des  Hoang  h'o  zum  Sternenmeer  und  zu  den  äußersten 
Quellen  dieses  Flusses,  dann  an  den  Yang  tse  kiang,  wo  der  Stamm  der 
Yüchü-Tibeter  die  Reisenden  aufhielt.  Um  einen  feindlichen  Zusammenstoß 
zu  vermeiden,  zog  der  Vortragende  weiter  nach  Westen  und  erreichte  einen 
halben  Monat  später  die  Gegenden  der  flachen  Wasserscheiden  zwischen  dem 
abflußlosen  Gebiet  Hochtibets  und  den  Quellflüssen  des  Yang  tse  kiang. 
Dort  erlitt  das  Unternehmen  ein  weiteres  Fiasko.  Unbemerkt  waren  die  Yüchtl- 
Tibeter   nachgezogen   und   raubten  nun  die  Karawanentiere,  als  sie  auf  der 


—    15    — 

mageren  Weide  zerstreut  waren.  Es  begann  darauf  ein  äußerst  mühseliger 
Rückmarsch  zu  Fuß  über  den  Arka  tag  und  den  ganzen  nördlichen  Teil  des 
Hochlandes  von  Tibet  in  direkt  nördlicher  Richtung.  Erst  etwa  einen  Monat 
später  begegnete  man  wieder  Menschen.  Diese  gehörten  zu  den  Tätschinär- 
Mongolen;  es  war  gelungen,  Ts'aidam  zu  erreichen.  Zur  Ausrüstung  einer 
neuen  Karawane  mußte  etwa  bis  Hsi  ning  !u  zurückgegangen  werden. 

Die  dritte  Reise  nach  Tibet  führte  im  Januar  1907  über  den  oberen 
Hoang  h'o  quer  durch  das  Gebiet  der  völlig  unabhängigen  Nggolokh  nach 
Tombuda,  wo  einst  Dutreuil  de  Rhins  ermordet  worden  war,  und  dann  nach 
Dyerkundo.  Auch  dort  mißlangen  die  Bemühungen  des  Reisenden,  nach  Süden 
durch  das  bisher  ganz  unbekannte  Gebiet  des  Königs  Nan  tsien  zu  gelangen. 
Auf  der  sogenannten  oberen  Lhasastraße  zog  Redner  nach  der  chinesischen 
Provinz  Setschuan  und  bereiste  noch  im  Sommer  1907  die  chinesisch-tibetische 
Grenze,  die  Fürstentümer  Kiala,  Niarong,  Tschoktsi,  Somo,  Merge.  Dieser 
letzte  Teil  bot  namentlich  große  Terrainschwierigkeiten.  Im  September  1907 
wurde  der  äußerst  enge  Bogen  gefunden,  den  der  Hoang  h^o  in  Tibet  macht 
und  der  danach  weiter  östlich  und  südlich  liegt,  als  bisher  angenommen 
wurde. 

Die  Heimreise  führte  über  die  Grenzstadt  Tao  tschou  und  das  große 
tibetische  Kloster  Labrang,  das  nicht  bloß  eine  Hochburg  der  lamaistischen 
Religion,  sondern  auch  in  administrativer  Beziehung  von  größter  Bedeutung 
ist,  da  hiervon  viele  tibetische  Stämme  abhängig  sind.  Von  Kloster  Labrang 
aus  wurden  nach  einer  weiteren  dreimonatlichen  Reise,  die  noch  durch  ganz 
China  führte,  Hankow,  Shanghai  und  die  modernen  Verkehrsmittel  erreicht. 

Mittwoch,  den  25.  November  1908. 

Herr  Professor  Dr.  Karl  Dyroff-Mtinchen:  Die  Märchen 
der  Tausendandeinen  Naeht  auf  ihrer  Weltwandermig. 

Der  Redner  ging  aus  von  der  Tatsache  der  großen  Verbreitung  des 
Buches  „Tausendundeine  Nacht''  als  eines  Märchenbuches  für  die  Jugend. 
Er  bemerkte,  daß  ihm  persönlich  in  jüngster  Zeit  Anzeichen  lebhafteren  In- 
teresses für  das  Buch  entgegengetreten  seien,  und  meinte,  man  müsse  es  im 
kulturhistorischen  Sinne,  als  ein  Denkmal  des  arabischen  Mittelalters, 
lesen ;  so  könne  dann  das  Märchenbuch  auch  als  ein  vortreffliches  Hilfsmittel 
für  die  Kenntnis  des  modernen  orientalischen  Lebens  dienen,  das  von  dem 
mittelalterlichen  ja  gar  nicht  so  sehr  abweiche.  Die  Tatsache  seines  dau- 
ernden Fortlebens  sei  aber  doch  wohl  in  seinem  innem.  poetischen  Werte 
begründet,  und  in  der  Tat  hätten  eine  Reihe  nicht  unbedeutender  Prosa- 
dichter von  sehr  verschiedener  Nationalität  zum  Zustandekommen  der  Samm- 
lung beigetragen. 

Der  Redner  besprach  sodann  die  fünf  wichtigsten  Gestaltungen,  die 
das  Buch  im  Laufe  der  Jahrhunderte  durchgemacht  hat. 

Die  französische  Tausendundeine  Nacht,  durch  Galland  1704  be- 
gründet, ist  die  Quelle  für  fast  alle  europäischen  Bearbeitungen,  die  türkische 
ausgenommen.  Galland  hat  das  arabische  Buch  in  den  Stil  Louis  quatorze 
umgesetzt. 


—    16    - 

Von  der  ägyptischen  Taasendundeine  Nacht  gibt  es  eine  moderne 
Form,  die  der  landläufigen  arabischen  Drucke  und  Handschriften,  und  dann 
eine  ältere,  spätestens  zu  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  entstandene,  deren 
Umfang  und  Charakter  der  Redner  vor  kurzem  festzustellen  versucht  hat 
(im  12.  Band  der  im  Leipziger  Inselverlag  erschienenen  Übersetzung);  es 
waren  17  lange  und  meist  sehr  hübsche  Novellen  (oder  Romane). 

Die  bagdadische  Tausendundeine  Nacht  des  —  spätestens  —  10. 
Jahrhunderts,  die  nur  aus  literarischen  Nachrichten  bekannt  ist,  war  ein  von 
der  ägyptischen  völlig  verschiedenes  Buch ;  es  hatte  fast  nur  die  sogenannte 
Rahmenerzählung  mit  der  ägyptischen  gemeinsam  und  bestand  aus  kurzen 
Novelletten. 

Die  bagdadische  Tausendundeine  Nacht  war  aus  einer  persischen 
tlbersetzt  und  diese  ging  vielleicht,  was  gegenwärtig  nicht  nachzuweisen  ist, 
auf  eine  indische  zurück. 

Zum  Schluß  handelte  der  Redner  von  der  Wichtigkeit  der  arabischen 
Tausendundeinen  Nacht  für  die  moderne  Märchenforschung. 

Mittwoch,  den  2.  Dezember  1908. 

Herr  Dr.  Fritz  Jaeger-Off eubach:  Zorn  Hochland 
der  Biesenkrater  in  Dentsch-Ostafrika.    (Lichtbilder.) 

Bis  vor  wenigen  Jahren  war  der  zwischen  dem  Kilimandscharo  und 
dem  Viktoriasee  gelegene  Teil  unserer  ostafrikanischen  Kolonie  noch  sehr 
wenig  bekannnt.  1882  war  als  erster  Europäer  Dr.  Fischer  hier  in  das 
Land  der  kriegerischen  Massai  eingedrungen,  hatte  zuerst  den  Dönjo  TEngai, 
den  Gottesberg,  gesehen  und  seine  jungvulkanische  Natur  festgestellt.  An 
seinem  Fuße  entdeckte  er  einen  See,  der  so  salzhaltig  war,  daß  das  Salz 
sich  ausschied  und  wie  eine  Eisdecke  auf  dem  Wasser  schwamm.  Nach 
Fischer  durchzogen  1887  Graf  Telecki  und  Leutnant  v.  Höhnel  diese  Gebiete 
und  die  nördlicher  gelegenen  Gegenden.  Sie  hatten  einen  großen  wissen- 
schaftlichen Erfolg,  denn  auf  Grund  der  vorzüglichen  topographischen  Auf- 
nahmen V.  Höhneis  vermochte  der  Wiener  Geologe  Eduard  Sueß  den  „Großen 
Ostafrikanischen  Graben"  zu  erkennen,  der  vom  Nyassasee  nordwärts  bis 
nach  Abessynien  zieht  und  dann,  wenn  auch  in  veränderter  Richtung  im 
Roten  Meer,  im  Toten  Meer  und  im  Jordantal  seine  Fortsetzung  findet.  1892 
zog  Oskar  Baumann  zum  Viktoriasee.  Auf  den  Hochländern  über  dem  West- 
rand des  großen  Grabens,  welcher  als  steile  nach  Osten  abfallende  GJebirgs- 
mauer  das  Land  von  Norden  nach  Süden  durchzieht,  entdeckte  er  die 
kesselförmigc  Senke  Ngorongoro  sowie  den  langgestreckten  Njarasasee,  der 
auf  der  Sohle  einer  anderen  Grabensenke  liegt.  Nach  diesen  Pionier-  und 
Entdeckungsreisen  hörten  wir  kaum  mehr  etwas  aus  jenen  Gegenden  bis 
1904.  Seit  diesem  Jahre  haben  drei  größere  Unternehmungen  die  weißen 
Flecken  der  Karte  so  ziemlich  ausgefüllt.  Es  waren  dies  die  Vermessung  der 
Nordgrenze  des  Schutzgebiets  durch  eine  englisch-deutsche  Kommission  und 
zwei  wissenschaftlich  geographische  Forschungsreisen,  an  denen  ich  teilnahm. 

Die  erste  dieser  Reisen  war  von  Prof.  Dr.  Carl  Uhlig  geleitet  und 
fand  in   der  zweiten  Hälfte  1904  statt.    Ihr  Hauptforschungsgebiet  war  die 


—     17    — 

Sohle  und  der  Westrand  des  Großen  Ostafrikanischen  Grabens  zwischen  2. 
und  4.  Grad  südlicher  Breite.  Ein  östlicher  Grabenrand  existiert  in  dieser 
Gegend  nicht,  sondern  das  Land  senkt  sich  allmählich  westwärts  bis  zum 
Fuße  des  westlichen  Steilrands.  Da  also  in  dieser  geographischen  Breite 
die  Grabenform  nicht  vorhanden  ist,  so  nennt  Uhlig  den  Steilabfall,  der  die 
Fortsetzung  des  Graben  Westrandes  bildet,  die  „Ostafrikanische  Brachstufe''. 
Aus  der  Grabensohle  erheben  sich,  wie  riesige  Maulwurfshaufen,  einzelne 
mächtige  Vulkankegel.  Einer  derselben,  der  steile  Dönjo  TEngai,  der  Berg 
Gottes,  steigt  unmittelbar  am  Fuß  der  Bruchstufe  empor.  Seine  Besteigung 
war  überaus  anstrengend,  weil  er  mit  dicht  verfilztem  Gras  bewachsen  und 
von  steilen  Schluchten  durchfurcht  war,  besonders  aber,  weil  wir  die  Schwierig- 
keiten unterschätzt  und  uns  nicht  mit  genügend  Proviant  versehen  hatten. 
Bei  der  großen  Hitze  litten  wir  sehr  unter  dem  Durst.  Zuletzt  gelang  es 
mir  allein  den  Gipfel  zu  erreichen  und  festzustellen,  daß  dem  mit  weißem 
Salz  überkleideten  Krater  noch  Dämpfe  entströmten.  Uhlig  erkannte  unter- 
dessen auf  dem  Hochland  westlich  über  der  Bruchstufe  einen  ganz  gewaltigen 
Krater.  Diese  Entdeckung  veranlaßte  uns,  jenes  Hochland  zu  besteigen,  und 
wir  fanden  daselbst  noch  zwei  andere  große  Kraterberge.  Wir  erreichten 
am  Loomalasin  einen  Gipfel  von  3575  m. 

Inzwischen  hatte  sich  die  Landeskundliche  Kommission  zur  Erforschung 
der  deutschen  Schutzgebiete  unter  dem  Vorsitz  des  bekannten  Kilimandscharo- 
forschers Prof.  Dr.  Hans  Meyer  gebildet,  welche  die  Erforschung  systematisch 
zu  betreiben  beabsichtigte  und  dem  Kolonialamt  entsprechende  Vorschläge 
machte.  Auf  ihren  Beschluß  erhielt  ich  vom  Kolonialamt  den  Auftrag  zu 
einer  Forschungsreise  in  die  Gebiete  zwischen  Kilimandscharo  und  Viktoria- 
see. Als  Begleiter  schloß  sich  mir  auf  eigene  Kosten  mein  Vetter  Eduard 
Oehler  aus  Frankfurt  a.  M.  an,  der  die  meteorologischen  Beobachtungen, 
das  botanische  Sammeln  und  das  Photographieren  übernahm.  Außerdem  hat 
er  mich  in  allen  technischen  Schwierigkeiten  einer  solchen  Karawanenreise 
mit  großer  Hingebung  unterstützt,  so  daß  ich  seiner  selbstlosen  Hilfe  und 
treuen  Freundschaft  sehr  wesentlich  den  Erfolg  der  Expedition  verdanke. 

Unser  Hauptforschungsgebiet  lag  in  den  Hochländern  über  der  Bruch- 
stufe, westlich  anschließend  an  das  von  Uhlig  und  mir  besuchte  Gebiet.  Da  ich 
diese  Gegenden  nicht  nur  längs  einiger  Marschrouten,  sondern  über  die 
ganze  Fläche  hin  erforschen  wollte,  so  trat  an  Stelle  der  Routenaufnahme 
eine  wenn  auch  rohe  Triangulation,  die  eine  für  afrikanische  Verhältnisse 
sichere  Grundlage  der  Karten  abgeben  wird.  Wir  besuchten  —  um  nur 
einige  der  interessantesten  Unternehmungen  herauszugreifen  —  im  Oktober 
1906  den  von  Baumann  entdeckten  Njarasasec.  Eine  großzügige,  echt  afri- 
kanische Landschaft!  Die  weite,  sturmgepeitschte  Seeüäche  ist  beiderseits 
von  steilen,  hohen  Gebirgsmauern,  den  Rändern  des  Njarasagrabens  um- 
schlossen, am  Nordostende  ragen  zwei  gewaltige  Vulkane  darüber  empor. 
Ihnen  strebten  wir  zu,  konntf'n  sie  aber  nicht  erreichen,  weil  wir  kein 
Wasser  fanden.  Am  Ufer  des  Sees  entlang  marschierend,  mußten  wir  mit 
der  Gefahr  des  Vcrdurstens  rechnen,  denn  das  scharfe  Salzwasser  des  Sees 
war  gänzlich  untrinkbar.  Einen  des  Landes  und  namentlich  der  Wasser- 
stellen kundigen  Führer  hatten   wir  nicht  in   diesem  unbewohnten  Gebiet, 

2 


—    18    — 

daher  mußten   wir  umkehren   und   die   Erforschung  jener  Vulkane   auf   die 
Regenzeit  verschieben. 

Im  Januar  1907  kamen  wir  von  Nordwesten  her  wieder  in  diese  Gegen- 
den. In  dem  von  Baumann  entdeckten  riesigen  Kessel  von  Ngorongoro 
schlugen  wir  bei  der  Farm  eines  weltlem  hier  wohnenden  deutschen  An- 
siedlers unser  Standquartier  auf.  Das  Schwierigste  war  in  diesen  unbewohnten 
Ländern  die  Verpflegung  unserer  Karawane.  Wir  mußten  fast  die  Hälfte 
der  Leute  in  verschiedenen  Abteilungen  nach  8  Tage  entfernten  Orten 
schicken,  um  Proviant  für  die  Zurückbleibenden  einzukaufen.  Ngorongoro  ist 
ein  riesiger  vulkanischer  Krater  von  nicht  weniger  als  20  km  Durchmesser. 
Den  ebenen,  grasigen  Kraterboden,  auf  dem  sich  zahlreiche  Gnuherden  tummeln, 
umschließen  500  bis  700  m  hohe  steile  Lavawände.  Und  Ngorongoro  ist 
nicht  der  eineige  derartige  Krater.  Im  Südwesten  erheben  sich  die  schon 
vom  Njarasasee  aus  goschauten  Vulkane,  im  Nordosten  diejenigen,  die  ühlig 
und  ich  1904  entdeckten,  alle  von  mehr  als  3(KX)  m  Höhe.  Wir  haben  sie 
sämtlich  bestiegen.  Die  Stellen,  aus  denen  die  Lavamassen  ausquollen, 
liegen  hier  so  dicht  beieinander,  daß  sich  nicht,  wie  auf  der  Grabensohle 
einzelne  große  Vulkankegel  bilden,  sondern  daß  sie  untereinander  zu  einem 
massigen  Hochland  verwachsen,  über  das  nur  die  Gipfelkuppen  mit  ihren 
riesigen  Kratern  emporragen.  Die  gewaltige  vulkanische  Tätigkeit  ist  die 
Folge  des  sehr  zerbrochenen  Untergrundes.  Ringsum,  wo  das  alte  Rumpf- 
land unter  den  Laven  hervortritt,  ist  es  in  Schollen  zertrümmert,  deren 
Ränder  durch  Steilabfälle  kenntlich  sind.  Überblickt  man  das  Land  vom 
höchsten  der  Vulkane,  dem  3650  m  hohen  Loomalasin,  so  möchte  man  sich 
auf  eine  Mondlandschaft  versetzt  glauben  inmitten  dieser  vielen,  gewaltigen 
Kraterlöcher.  Darum  sei  dieses  mächtige  Gebirge,  nach  dem  Kilimandscharo 
die  massigste  Erhebung  Dcutsch-Ostafrikas,  das  Hochland  der  Riesenkrater 
genannt. 

Mittwoch,  den  9.  Dezember  1908. 

Herr  Abteilungs-Baumeister  Dipl.-Ingenieur  H.  Kalbfus- 
Altona:     Die  Albulabahn«     (Lichtbilder.) 

Die  Albulabahn  führt  von  Thusis  bezw.  nach  anderer,  ebenfalls  häufiger 
Auffassung  der  Zugehörigkeit  dieses  Namens,  von  Chur  nach  dem  Oberengadin 
und  ist  die  z.  Zt.  höchste  auch  für  den  Winterbetrieb  bestimmte  Adhäsions- 
bahn  Europas.  Infolge  des  hochgelegenen,  durch  die  große  Höhenlage  des 
Oberengadins  bedingten  Scheiteltunnels  unter  den  Piz  Giumels  weist  die  Linie 
wenigstens  auf  der  Nordseite  eine  hervorragende  Trassierung  auf  und  bietet 
ein  treffliches  Beispiel  dafür,  welche  Schwierigkeiten  derartige  Zufahrtsrampen 
oft  verursachen.  So  bildete  der  Vortrag  zugleich  eine  interessante  und 
wertvolle  Ergänzung  eines  früheren  desselben  Redners  über  den  Simplontunnel. 

Die  Albulabahn  gehört  zum  rätischen  Bahnnetze,  das  heute  noch  die 
Strecken  Landquart— Chur.  Landquart-  Davos,  sowie  Chur— Thusis  und 
Reichenau  -Ilanz  umfaßt,  in  nächster  Zeit  aber  noch  nach  Italien  zu.  sowie 
bis  Disentis  und  durch  eine  Querverbindung  Davos— Filisur  erweitert  werden 
wird.      Sein   eigentlicher  Mittelpunkt   ist,   auch   entsprechend   seiner  Eigen- 


—     19    — 

Schaft  als  größte  Stadt  Graubündens.  Char.  dem  in  der  Geschichte  des 
Bündener  — ,  sowie  des  nord-südlichen  Transit- Verkehres  von  jeher  eine 
nicht  unbedeutende  Rolle  zukam.  Denn  dank  der  Geländebeschaffenheit  der 
Bündener  Täler,  die  langgestreckt,  allmählich  aber  terrassenförmig  ansteigen, 
blieb  hier  der  öde  und  unwirtliche  Weg  zur  eigentlichen  Paßeinsattelung 
verhältnismäßig  kurz;  hinzu  kam  noch,  daß  der  bequemere  und  billigere 
Wasserweg  hier  ebenfalls  relativ  nahe  (Comer-  und  Walensee)  an  die  Pässe 
heranreichte.  Schon  frühzeitig  hatten  deshalb  die  Septimer-  und  Splügen- 
straße  starken  Verkehr,  ja  von  letzterer  wird  bereits  1498  gerühmt,  daß  ihr 
guter  Zustand  ihre  Benutzung  sogar  zur  Nachtzeit  und  mit  Eilwagen  er- 
laubte. Neben  der  Gunst  der  geographischen  Verhältnisse  war  aber  von 
Wichtigkeit,  daß  sich  schon  im  frühen  Mittelalter  die  anliegenden  Gemeinden 
zu  sogenannten  Portensgenossenschaften  zusammengeschlossen  hatten,  welche 
gegen  Wegegeld  für  Unterhaltung  der  Straßen  und  eine  gewisse  Sicherheit 
der  Transporte  sorgten. 

Während  somit  die  Geschichte  der  Grau  bündener  Straßen  von  viel 
verkehrspolitischem  Verständnis  zeugt,  ist  in  merkwürdigem  Gegensatze  dazu 
die  Geschichte  der  dortigen  Bahnen  ein  lehrreiches  Beispiel,  wie  trotz  aller 
Erkenntnis  selbst  die  besten  Projekte  an  steter  Uneinigkeit  der  Interessenten 
lange  scheitern  mußten.  Die  allerersten  Projekte  für  einen  Schweizer  Alpen- 
übergang tauchten  hier  auf ;  1888  für  den  Splügen,  kurz  darauf  auch  für 
den  Luckmanier,  welche  dann  nach  Sicherung  der  Gotthardbahn  durch 
Entwürfe  und  Rentabilitätsnachweise  des  Advokaten  Seb.  Hunger  in  Thusis 
für  eine  zentral  gelegene  Linie  Chur— Thusis— Filisur—Preda  verdrängt 
wurden.  Trotzdem  aber  inzwischen  der  Bündener  Transitverkehr  durch 
Brenner-  und  Gotthardbahn  fast  vernichtet  war,  geschah  nichts,  und  erst 
das  energische  Auftreten  Halsboer's,  der  binnen  4  Jahren  die  Linie 
Landquart- Davos  schaffte  und  mit  seinen  weiteren  Plänen  (Scaletta)  alle 
Hoffnungen  auf  Verwirklichung  der  Hunger'schen  Pläne  zu  vernichten  drohte, 
lehrte  Einmütigkeit  und  Verzicht  auf  alle  kleinlichen  Sonderinteressen. 
Halsboer  wies  mit  seiner  Bahn  aber  auch  auf  den  rechten  Weg;  Grau- 
bünden verzichtete  vorerst  auf  die  nach  Eröffnung  der  Gotthardbahn  nicht 
mehr  wirtschaftliche  normalspurige  Hauptbahn  und  entschied  sich  für  die 
billigere,  aber  noch  erreichbare  Schmalspurbahn  von  1  m  Spurweite.  Am 
20.  Juni  1898  beseitigte  ein  Eisenbahngesetz  alle  vorwiegend  finanziellen 
Hemmnisse  und  sicherte  die  19(J8  eröffnete  zentrale  Albulabahn. 

Diese  62,8  km  lange  Linie  von  Thusis  nach  St.  Moritz  hat  bis  Filisur  25  %o 
weiterhin  35  °/oo  größte  Steigung,  blieb  aber  trotzdem  noch  außerordentlich 
schwierig,  sodaß  außer  dem  5866  in  langen  Albulatunnel  noch  weitere  10 
km  Tunnel  und  rund  8'/«  km  Brücken  und  Viadukte  zu  erstellen  waren. 
In  der  Schynschlucht  beanspruchte  der  km  Unterbau  die  bedeutende  Summe 
von  220.0(X)  M  und  bot  zu  hervorragenden  Brückenbauten  Veranlassung, 
als  deren  wichtigster  die  in  einem  einzigen  42  m  weiten  Bogen,  86  m 
hoch  über  die  Schlucht  gespannte  Solisbrücke  zu  nennen  ist.  Auch  die 
kühnen  Bauten  vor  Filisur,  der  Schmittentobel-  und  der  Landwasserviadukt, 
bei  dem  ein  sehr  interessanter,  von  der  gewöhnlichen  Ausführung  abweichen- 
der   Bauvorgang    gewählt    war,    müssen    Erwähnung    finden.     Betreffs    der 

2* 


—    20    — 

Linienfühnmg  verdienen  neben  der  Schynschlacht  die  Strecken  Filisar— Bergün 
und  Yor  allen  Mnot — Naz  Beachtung.  Auf  letzterer  vermag  die  Bahn  den 
von  der  allerdings  steilen  Straße  in  2Vt  km  erreichten,  noch  dazu  um  40  m 
größeren  Höhenunterschied  nur  mittels  vierfacher  Kreuzung  des  Tales,  durch 
große  Kurven  und  mit  Hilfe  von  3  Kehrtunnels  zu  überwinden,  eine  Tras- 
sierung, die  den  Glanzstrecken  der  Gotthardbahn  in  nichts  nachsteht.  Manche 
Schwierigkeit  schafften  auch  einzelne  der  vielen  Tunnels,  ein  Martyrium  von 
Arbeit  verlangte  aber  der  große  Albulatunnel,  welcher  in  seiner  Zellen- 
dolomit und  in  der  südlichen  Eingangsstrecke  (Granitschutt  mit  Sand)  oft 
Stillstand  gebot  und  vielfach  keine  größeren  Tagesleistungen  als  10  bis 
30  cm  zuließ. 

Neben  solchen  technischen  Erörterungen  fehlten  aber  auch  ebenfalls 
durch  schöne  Lichtbilder  unterstützte  Landschaftsschilderungen  nicht,  und 
da  der  Vortragende  dazu  noch  der  wirtschaftlichen  Bedeutung  der  berührten 
Gebiete  nach  Siedlungsgeschichte  und  Industrie  (Bergbau)  Aufmerksamkeit 
schenkte,  boten  die  Ausführungen  ein  vielseitiges  und  umfassendes  Bild 
der  an  Naturschönheit  wie  an  technischer  Großartigkeit  gleich  beachtens- 
werten Bahn. 

Mittwoch,  den  16.  Dezember  1908. 

Herr  Hauptmann  a.  D.  Dr.  Wettstein -Heidelberg: 
Yergleiche  deutscher  Überseearbeit  in  SfidbrasilieD^  Deatsch- 
SBdwestafrika  und  der  Kapkolonie.    (Lichtbilder.) 

Redner  stellte  in  erster  Linie  die  beiden  erstgenannten  Neuländer 
und  jungen  deutschen  Kolonien  Südbrasilien  und  Südwestafrika  einander 
gegenüber,  um  au!  dieser  Basis  die  Gründe  des  höheren  Fortschritts  der 
Nachbarländer,  insbesondere  der  Kapkolonie,  zu  untersuchen  und  auf  Grund 
deren  Vorgeschrittenheit  wiederum  Schlüsse  auf  die  Entwicklungsfähigkeit 
Südwestafrikas  zu  ziehen. 

Im  Verfolg  der  geographischen  Bedingtheiten  der  genannten 
beiden  Neuländer  wurde  auf  die  scheinbar  gleichgültige  Tatsache  hingewiesen, 
daß  beide  Länder  zwar  auf  der  südlichen  Erdhalbkugel  in  denselben  sub- 
tropischen Breiten  lägen,  aber  auf  verschiedenen  Seiten  der  in  den  Ozean 
weit  hineinragenden  und  deshalb  dessen  klimatischen  Einflüssen  besonders 
ausgesetzten  Erdteile.  Während  Südwestafrika  auf  der  Regen-Schattenseite 
seines  Erdteils  gelegen  ist,  zwingen  die  Randgebirge  des  Berg-  und  Tafel- 
lands von  Brasilien  die  in  den  beiden  Ländern  vorherrschenden  Südostpassate 
zum  Aufsteigen;  daher  Abkühlen  der  Temperatur  und  deshalb  zu  starke 
Niederschläge.  Ähnlich  die  Ostküste  Südafrikas  und  der  Tafelberg  mit 
3000  Fuß  absoluter  und  relativer  Höhe.  Freilich  treten  dort  die  westlichen 
Winterregen  hinzu  und  schaffen  gerade  in  diesem  Teile  der  Kapkolonic 
häufige  Oasen  in  der  Steppenlandschaft. 

Das  verschiedene  Klima  bedingt  in  Südwestafrika  eine  dürftige  Vege- 
tation und  gestattet  nur  im  regenreicheren  Nordosten  des  Landes  z.  B.  am 
Waterberg  noch  Ackerbau  auf  unberieseltem  Boden;  im  Westen  aber  stirbt 
die  Vegetation  mit  Aloen  und  Agaven  ab,   verbleicht  und  verliert  sich  im 


—    21    — 

Wtlstensande  der  Namib.  Die  Flora  bei  Kapstadt  ist  zwar  sehr  mannigfaltig, 
allein  am  Tafelberg  finden  sich  300  Spielarten  des  Heidekrauts,  aber  sie 
bleibt  auf  die  regenreicheren  Oasen  beschränkt.  Demgegenüber  erhebt  sich 
im  Randgebirge  Südbrasiliens  tropischer  Urwald  mit  Palmen,  Orchideen, 
Lianen  und  Baumfamen. 

Trotzdem  erfuhren  beide  Länder  dasselbe  Schicksal  des  geschieht- 
lichenWerdegangs.  Sie  fielen  in  die  Machtsphäre  der  Portugiesen,  die 
volkswirtschaftlich  nicht  die  Spannnkraft  besaßen,  die  Besiedlungsaufgaben 
hier  der  Wüstensteppe,  dort  des  gebirgigen  Urwalds  zu  lösen.  Handel  mit 
dichtgescharten  Völkern,  bequeme  Bereicherung  an  deren  bereits  aufgestapelten 
Schätzen,  kostbare  Rohmaterialien,  namentlich  Gold,  das  waren  die  Lock- 
mittel, die  die  portugiesischen  Krämer  bestimmten.  Es  ist  dasselbe  Volk,  das 
auch  heutigen  Tages  43°/o  seines  Stammlandes  Portugal  als  Ödland  oder 
Unland  unkultiyiert  liegen  läßt.  Dabei  ist  heute  Portugal  dicht  beyölkert, 
damals  war  es  dünn  bevölkert.  Dieselbe  geringe  Zahl  seiner  Arbeitskräfte 
war  es,  die  auch  die  Holländer  verhinderte,  in  der  Kapkolonie  selbständig 
zu  besiedeln.  Eingewanderte  Hugenotten,  daneben  auch  Deutsche  waren  es, 
die  mit  ihnen  sich  ein  gemeinsames  Vaterland  schufen:  Afrika.  Sie  wurden 
Afrikaner,  d.  h.  Leute  gleichviel  welcher  nationalen  Abstammung,  die  sich 
Afrika  zu  ihrer  Heimat  gewählt  haben.  Auch  dort  gingen  die  Deutschen 
fast  vollständig  in  der  Bevölkerung  auf,  haben  sich  aber  immerhin  auch 
am  Kap  den  Ruf  der  besten  Kolonisten  erworben. 

Wie  nun  der  deutsche  Einwanderer  von  heute  seine  Besiedelungsauf- 
gaben  in  den  genannten  Ländern  auffaßt  und  behandelt,  die  Namib -Wüste 
mit  Bahnen  ausschaltet  und  den  Urwald  Brasiliens  mit  Axt  und  Waldmesser 
durchdringt,  zeigten  die  zahlreichen  Lichtbilder,  die  als  Illustrationen 
zu  dem  fortlaufenden  Vortragstext  des  besonderen  Teils  dienten. 

In  Südwestafrika  erweist  sich  als  vorteilhaft  die  Schulbildung  und 
Intelligenz  des  deutschen  Farmers,  eines  Mitteldings  zwischen  Bauer  und 
Rittergutsbesitzer,  der  sich  und  seine  Bildung  auf  dem  Laufenden  hält  und 
Errungenschaften  moderner  Technik  verwendet,  während  der  Bure  als  richtiger 
und  rückständiger  Bauer  einen  Argwohn  gegen  alles  Maschinelle  zeigt.  In 
Südbrasilien  ist  es  die  tief  eingewurzelte  Veranlagung  des  Waldvolks  der 
Germanen,  das  sich  im  Kampf  mit  dem  Walde  besonders  bewährt.  Waldvölker, 
damit  auch  die  deutschen  Stämme,  treten  meist  erst  spät  in  das  Licht  der 
Geschichte.  Je  länger  es  aber  gedauert  hat,  bis  das  deutsche  Volk  einen 
würdigen  Platz  in  der  Entwicklungsreihe  moderner  Völker  gefunden  hat, 
umsomehr  nationale  Kraft  ruht  hier  aufgespeichert. 

Die  Aufgaben  der  Kolonisation  sollen  wir  aber  nicht  zu  eng  fassen: 
„Das  Deutschtum  im  Auslande  ist  unsere  wichtigste  Kolonie*! 

Versuchen  wir  weitere  Perspektiven  zu  stellen,  so  leuchtet  in  etwa 
50  Jahren  dem  kontinentalen  Riesenreiche  Brasilien  eine  epochale  Entwick- 
lung ähnlich  der  in  den  Vereinigten  Staaten  Nordamerikas.  Südwestafrika 
aber  dürfte  wie  das  übrige  Südafrika  durch  eine  vorüberflutende  Goldwelle 
des  Bergbaus  und  des  durch  ihn  flüssig  gewordenen  Kapitals  wirtschaftlich 
gehoben  und  entwickelt  werden,  aber  nach  menschlicher  Berechnung  ein 
dünn  besiedeltes  Hirten-  und  Bauernland  sein  und  bleiben. 


—    22    — 

Mittwoch,  den  6.  Januar  1909. 

Frau  Cäcilie  Seler-Berlin:  Von  Mexico  uach  Gnate- 
mala.   (Lichtbilder. ) 

Wer  heute  von  Mexico  nach  Guatemala  reist,  benutzt  die  Isthmus- 
Bahn,  sodann  die  neue  Küstenbahn,  die  schon  fast  die  Grenze  Guatemalas 
erreicht.  Von  dort  muß  er  entweder  noch  mit  dem  Dampfer  bis  S.  Jos6,  von 
wo  die  Bahn  in  wenigen  Stunden  bis  zur  Hauptstadt  führt,  oder  er  fährt 
von  Salina  Cruz,  dem  Endpunkt  der  Istmus-Bahn,  gleich  nach  S.  J{>s6.  Auch 
mein  Mann  und  ich  hätten  vor  Jahren  schon  einen  Teil  dieser  Möglichkeiten 
für  unsere  Reise  benutzen  können ;  es  lag  uns  aber  weniger  daran,  schnell 
nach  der  Stadt  Guatemala  zu  gelangen,  als  vielmehr  die  Grenzgebiete,  die 
Gebirgsländer  von  Chiapas  und  Guatemala,  deren  Bevölkerung  und  etwa 
dort  vorhandene  alte  Kulturstätten  kennen  zu  lernen.  So  brachen  wir  von 
Oaxaca  zu  Pferde  auf  und  reisten  über  Tehuantepec  nach  Tonalä,  stiegen 
dann  von  der  Küste  das  Gebirge  hinan,  das  hier  wegen  der  fast  immer 
wehenden,  heftigen  Fallwinde  berüchtigt  ist.  Wir  durchzogen  auf  guten  und 
schlechten  Wegen  Chiapas,  das  uns  mit  seinen  herrlichen  flöhenwaldungen. 
seinen  vegetationsreichen  Schluchten,  seiner  indianischen  Bevölkerung  viel 
Interessantes  bot,  aber  in  archäologischer  Hinsicht  arg  enttäuschte.  Erst  au 
der  Grenze  blühte  uns  das  Glück,  ein  weites  Gebiet  zu  betreten,  das  in  alter 
Zeit  stark  besiedelt  war  und  viel  lohnende  Arbeit  bot.  Nach  mühseliger 
dreimonatlicher  Reise  erreichten  wir  die  Stadt  Guatemala,  die  für  ungefähr 
die  Dauer  eines  Jahres  der  Mittelpunkt  für  unsere  Streifzüge  nach  Norden 
und  Süden  wurde.  Wir  besuchten  die  Alta  Vera  Paz,  die  Ruinen  von  Qui- 
rigua  am  Motagua  und  die  von  Copan  in  Honduras,  um  über  den  weit- 
berühmten Wallfahrtsort  Esquipulas,  über  Ipala  nach  Guatemala  zurückzu- 
kehren. Wir  gingen  noch  einmal,  diesmal  über  Quetzaltenango.  nach  dem 
nördlichen  Grenzgebiet,  wo  wir  mehrere  Monate  arbeiteten,  und  besuchten 
zweimal  die  jenseit  der  beiden  groben  Vulkane  Fuego  und  Agua  am  Abfall 
zur  pazifischen  Küste  gelegenen  Kaffeegebiete,  wo  wir  Gelegenheit  hatten. 
Abklatsche  von  etlichen  interessanten  Skulpturen  zu  nehmen. 

(Vgl.  das  Werk  der  Frau  Vortragenden :  „Auf  alten  W\'gen  in  Mexiko 
und  Guatemala'.    Berlin,  I).  Reimer,  li)0().) 

Mittwoch,  den  13.  Januar  1909. 

Herr  Dr.  Gustav  W  von  Zahn  =  Berlin-Halensee: 
Der  Ibthmus  von  Tehaautepec.    (Lichtbilder.) 

Der  Isthmus  von  Tehuantepec  bezeichnet  die  erste  jener  verkehrs- 
geographisch so  wichtigen  Einschnürungen  in  Amerika  und  zugleich  das 
Ende  von  Nordamerika,  da  das  hier  beginnende  Zentralamerika  durchaus 
anderen  Bau  zeigt.  Von  Ost  nach  West  sich  erstreckend,  geht  er  nach 
Westen  in  die  Gebirge  Mexikos,  nach  Osten  in  die  von  Chiapas  und  Tabasco 
über.  Seinem  Bau  nach  zerfällt  er  in  drei  Teile,  die  sich  auch  durch  eine 
abweichende  Gestaltung  des  Flußnetzes,  des  Klimas,  der  Flora  und  der  wirt- 


—    23    — 

schaftlichen  Bedingangen  nnterscheiden.  Am  Pazifischen  Ozean  erstreckt 
sich  in  geringer  Breite  die  trockene,  unfruchtbare  pazifische  Küstenebene. 
Hinter  ihr  steigt  mauergleich  die  Sierra  bis  zu  600—700  m  an,  doch  bildet 
sie  nicht  ein  eigentliches  Gebirge,  sondern  einen  Wechsel  von  Bergketten 
und  breiten  Ebenen,  die  allmählich  nach  Norden  an  Höhe  verlieren.  Sie  ist 
regenreicher,  von  Savanne  und  Wald  bedeckt  und  ist  der  Ursprung  des  aus- 
gedehnten Flußnetzes  des  Rio  Coatzacoalcos.  Im  Norden  schließt  sich  die 
atlantische  Küstenebene  an ;  zuerst  ein  Hügelland,  bildet  sie  dann  eine  reine 
Ebene,  von  breiten  Flüssen  mit  sumpfigen  Ufern  durchzogen  und  von  tropi- 
schem Urwald  bedeckt,  der  dem  Regenreichtum  des  Gebietes  sein  Entstehen 
verdankt.  Sie  ist  wirtschaftlich  der  wichtigste  Teil,  da  der  Wald  tropische 
Nutzhölzer  liefert  und  eine  Fülle  tropischer  Nutzpflanzen  angebaut  werden 
können. 

Die  verkehrsgeographisch  günstige  Lage  des  Isthmus  ist  früh  erkannt, 
aber  erst  spät  ausgenutzt  worden.  Sie  erlaubt  bei  der  geringen  Höhe  und 
Breite  eine  leichte  Verbindung  von  Meer  zu  Meer  und  kürzt  von  den  drei 
zentralamerikanischen  Isthmen  den  Weg  um  Südamerika  am  meisten  ab. 
Seit  1894  führt  eine  Bahn  über  den  Isthmus,  die  aber  erst  seit  190(5  durch 
die  Arbeiten  der  Firma  Pearson  and  Son  in  London  wirklich  verkehrsfähig 
ist.  In  Verbindung  mit  der  mexikanischen  Regierung  hat  die  Firma  die 
beiden  Endhäfen  ausgebaut.  An  die  Mündung  des  Rio  Coatzacoalcos  am 
mexikanischen  Golf  wurde  Puerto  Mexico  angelegt  und  durch  Dammbauten 
die  hinderliche  Barre  zum  Teil  beseitigt.  An  der  Südküste  wurde  in  Salina 
Cruz  ein  guter  Hafen  mit  einem  großen  Trockendock  vollkommen  ausge- 
graben, da  die  sandige  Bucht  gar  keine  brauchbaren  natürlichen  Verhältnisse 
darbot.  Beide  Häfen  wurden  am  23.  Januar  UK)7  dem  Verkehr  übergeben. 
Es  scheint,  daß  bis  zur  einstigen  Eröffnung  des  Panama-Kanals  sich  hier 
ein  neuer  Welthandelsweg  entwickeln  wird.  Deutsche  Linien  laufen  die 
beiden  Häfen  bereits  an,  ebenso  Dampfer,  die  nach  Ostasien  gehen.  —  So 
wird  sich  in  gewissem  Sinne  Humboldts  Wort  erfüllen,  daß  der  Isthmus  von 
Tehuantepec  die  Brücke  des  Welthandels  sei. 

(Der  Vortrag  ist  gedruckt  in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde zu  Beriin  1907,  Heft  5  und  6.) 

Mittwoch,  den  20.  Januar  1909. 

Herr  Professor  Dr.  Oskar  Mann-Charlottenburg: 
Über  meine  Reise  im  tfirliisclieii  Kurdistan.  (Lichtbilder.) 

Was  die  erste  Expedition  des  Vortragenden  zur  Erforschung  des  Kurden- 
volkes, von  1901  bis  1904,  über  welche  er  am  25.  Januar  1905  dem  Vereine 
berichtet  hat,  hatte  unerledigt  lassen  müssen,  nämlich  die  Untersuchung  der 
auf  türkischem  Gebiete  gesprochenen  kurdischen  Mundarten,  galt  es  auf  der 
zweiten  Expedition,  die  vom  Februar  1906  bis  September  1907  dauerte,  nach- 
zuholen, nachdem  es  erneuten  Bemühungen  in  Konstantinopel  endlich  gelungen 
war,  die  Erlaubnis  der  Hohen  Pforte  zum  Aufenthalt  in  den  Wilayets  Aleppo, 
Diarbekr,  Bitlis,  Wan  und  Mosul  zu  erhalten.  Der  Vortragende  trat  die  Reise 
ins  Inland  Anfang  April  190B  von  Aleppo  aus  an.   Schon  in  Urfa,  sechs  Tage- 


—    24    — 

reisen  östlich,  wurden  vielfach  angesiedelte  Kurden  angetroffen,  und  schon 
hier  lohnte  eine  reiche  Ausbeute  an  alten  kurdischen  Volksliedern  und  epischen 
Gesängen  die  aufgewendete  Mühe.  Dann  ging  der  Reisende  mit  seiner  Kara- 
wane über  Siwerek,  wo  die  sogenannte  Zaza-Sprache  eingehend  studiert  wer- 
den konnte,  nach  Diarbckr,  und  von  dort  tigris-aufwärts  über  Arghana  nach 
Mezereh  und  Kharput.  Hier,  bei  der  alten  Hauptstadt  West-Armeniens,  fand 
der  Forscher  reichlich  Gelegenheit,  seine  Studien  über  das  sprachlich  wich- 
tige Zaza- Idiom  fortzusetzen.  Die  Heise  ging  darauf  ostwärts  auf  dem 
Nordufer  des  Euphrat  über  Palu  nach  Musch,  und  weiter  auf  den  Wegen 
Xenophons  nach  Bitlis  im  Tale  des  östlichen  Tigris.  Hier,  während  eines 
sechswöchigen  Aufenthaltes,  sowie  weiterhin  in  dem  unglaublich  schmutzigen 
Kurdenstädtchen  Dschezireh  Ibn-Omar  am  Tigris,  und  später  im  Winter 
1906.07  in  Mosul,  wurden  reiche  Sammlungen  aus  der  kurdischen  Volks-  und 
gelehrten  Poesie  angelegt.  Von  Mosul  aus  wurde  die  Sekte  der  Yeziden  in 
Sindschar,  sowie  späterhin  in  ihrem  heiligsten  Wallfahrtsorte  Scheich  Adi, 
einem  geradezu  paradiesischen  Fleckchen  Erde  in  den  Bergen  nördlich  von 
Mosul,  besucht.  Bis  Amadia  gelang  es  vorzudringen,  dann  aber  machte  das 
Mißtrauen  der  türkischen  Regierung,  die  gerade  damals  mit  Persien  Krieg 
führte,  den  weiteren  Studien  in  jenen  kurdischen  Grenzgebieten  ein  Ende. 
Von  Mosul  fuhr  der  Forscher  den  Tigris  hinab  nach  Bagdad,  von  dort  nach 
Buschehr  in  Persien.  Und  nun  ging  es  quer  durch  das  iranische  Hochland  von 
Süd  nach  Nord  über  Schiras,  Isfahan,  Kaschan  Suitanabad  nach  Teheran. 
Allerorten  konnte  noch  eine  umfangreiche  Nachlese  zu  den  im  Jahre  1902 
bis  1904  hier  gemachten  Studien  gehalten  werden.  Von  Teheran  aus  wurde 
dann  Ende  Juli  1907  die  Heimreise  über  Rescht,  Baku,  Batum  und  Kon- 
stantinopel angetreten. 

Mittwoch,  den  3.  Februar  1909. 

Herr  Dr.Max  Ohnef  alsch-Richter=Berlm-Friedenau: 
Dreißig  Jahre  englischer  Okkapation  and  die  heatige  Be- 
deatung  Gyperns  fKr  die  orientalische  Frage.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende,  welcher  14  Jahre  lang  auf  der  Insel  Cypem  lebte, 
daselbst  im  Dienste  der  englischen  Regierung,  des  Cyprus  Museum,  des  British 
Museum  und  der  Königl.  Berliner  Museen  stand,  auch  umfangreiche  Aus- 
grabungen ausgeführt  hat,  die  von  namhaftem  Erfolg  begleitet  wurden,  be- 
gann seine  Ausführungen  mit  dem  Hinweise,  daß  die  Kupferzeitkultur  Yon 
der  ca.  9537  qkm  großen  Insel  Cypem  ausging.  Hier  wurde  das  Kupfer  im 
Altertum  zuerst  entdeckt  und  bergmännisch  weit  früher  als  in  Spanien 
oder  anderen  Orten  der  alten  Welt  gewonnen. 

Der  geographischen  Lage  nach  zwar  zu  Asien  gehörend,  aber  gleich- 
sam zwischen  den  drei  Erdteilen  der  alten  Welt  gelegen,  auch  überreich 
an  dem  besten  Wald-,  Wein-  und  Ackerboden,  sowie  an  Quellen,  wurde  die 
Kupferinsel  mit  der  Zeit  ein  hochentwickeltes  Bindeglied  zwischen  Morgen- 
land und  Abendland  im  Altertume,  dann  zu  einem  großen  und  wichtigen 
Waffenplatze  und  Handel  semporium  im  Mittelalter  während  der  Kreuzzüge 
und  später  unter   der  Herrschaft  der  Lusignans  und  in  der  Renaissanceseit 


—    25    — 

zur  unentbehrlichen  Frucht-  und  Geldkammer  in  den  Kämpfen  der  Republik 
Venedig  mit  den  Türken. 

In  der  Zeit  der  mohammedanischen  Hochflut  1570/71  von  den  Türken 
erobert,  schaltete  Cypcrn  aus  dem  Groüverkehr  zwischen  Morgenland  und 
Abendland  ganz  aus  und  hat  seine  frühere  Bedeutung  nie  wiedererlangt, 
weil  es  heute  außerhalb  der  sämtlichen  großen  Verkehrswege  der  Neuzeit  liegt. 

Der  große  Landschienenweg  geht  nördlich  über  Konstantinopel.  Alle 
großen  Dampferstraßen  aus  den  europäischen  Häfen  befördern  Passagiere 
und  Waren  nach  den  Mittelmeerländem  und  den  Häfen  des  nahen  Orients 
wie  nach  dem  fernen  Osten  durch  den  Suezkanal,  ohne  Cypem  nur  zu  be- 
rühren.    So  bleibt  also  nur  der  geringe  Lokalverkehr. 

Ebensowenig  ist  Cypem  von  den  Engländern,  an  welche  die  Insel  seit 
dem  Berliner  Kongreß  abgetreten  ist,  als  wichtige  Militär-  und  Flottenstation 
zu  benutzen,  wie  Malta  und  Ägypten,  da  der  einzige  kleine  Hafen  des  Eilands 
Famagusta  an  der  Ostküste  der  Insel,  selbst  wenn  er  ganz  gereinigt  und 
unter  Riesenkosten  ausgebaut  würde,  nie  für  englische  Schiffskolosse  geräumig 
genug  gemacht  werden  kann. 

Die  zwar  hochinteressante,  aber  kleine  Hausindustrie,  der  Mangel  jeder 
Maschinenindustrie,  der  eingegangene  Kupferbergbau  und  die  bisher  fehl- 
geschlagenen Versuche,  ihn  unter  England  neu  zu  beleben,  weil  offenbar  die 
Kupfererzlager  bereits  im  Altertume  erschöpft  wurden,  haben  die  Insel  wieder 
zu  einem  reinen  Ackerbaulande  gemacht,  das  es  in  den  frühesten  Zeiten 
vor  der  Gewinnung  des  Kupfers  gewesen  war. 

In  den  dreißig  Jahren  englischer  Verwaltung,  bei  einer  Bevölkerung 
von  237053  Seelen  nach  der  Volkszählung  von  1901,  hat  sich  die  Insel,  wie 
Redner  im  einzelnen  ausführlich  darlegte,  außerordentlich  gehoben  und  ist 
ein  Muster  englischer  Kolonisation  und  Verwaltung  geworden. 

Jedoch  krankt  die  Insel  trotz  der  vortrefflichen  englischen  Neuein- 
richtungen an  dem  jährlichen  der  Hohen  Pforte  zu  zahlenden  Tribut  von  rund 
92800  Pfund  Sterling,  der  während  des  Kongresses  1878  in  einem  zwischen 
England  und  der  Türkei  abgeschlossenen  Geheimvertrage  festgesetzt  wurde. 

Mittwoch,  den  10.  Februar  1909. 

Herr  Dr.  Siegfried  Benignus-Berlin:  Wissenscliaft- 
liehe  und  wirtschaftliche  Studien  im  argentinischen  nnd 
chilenischen  Patagonien  und  auf  Feuerland.  (Lichtbilder  und 
Ausstellung  von  Landesprodukten.) 

Der  Vortragende,  der  in  lang  ausgedehnten  Forschungsreisen  in  den 
Jahren  1905— 1908,  meist  zu  Pferde  und  im  Boot,  dieses  südlichste  Land 
Amerikas  von  Nord  nach  Süd  und  von  West  nach  Ost  kennen  lernte,  gab 
ein  Bild  von  geographisch-politischen,  geologischen  und  wirtschaftlichen 
Gesichtspunkten  aus.  Auch  Flora,  Fauna  und  Ethnographie  wurden  gebührend 
berücksichtigt. 

Im  Gegensatz  zu  den  meisten  Forschern  bezeichnete  er  nicht  den  Rio 
Negro,  sondern  eine  Linie  nördlich  vom  Coloradofluß,  vom  Cerro  Payen  über 


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den  Urre  Lauquen-See  nach  Bahia  Bianca,  als  die  nördliche  Grenze  des  geo- 
graphischen Patagonien  im  engeren  Sinne,  oder  des  ansserandinen  Patagonien, 
das  sich  als  gewaltiges,  zum  atlandischen  Ozean  in  Terrassen  abfallendes, 
baumloses  Hochland  bis  zur  Magellanesstraße  über  15Vs  Breitengrade  aus- 
dehnt (Messina-Uamburg)  und  größtenteils  Argentinien  angehört.  Das  andine. 
meist  chilenische  Patagonien  zwischen  der  zerrissenen  Inselwelt  des  pazi- 
fischen Ozeans  und  den  Cordilleras  de  los  Andes  südwärts  vom  Gletscher- 
berg Tronador  (unter  41^)  ist  bis  zu  den  Inseln  des  Feuerlandes  dichtester, 
immergrüner,  in  manchen  Erscheinungen  subtropischer  Urwald,  von  Schnee- 
bergen, Gletschern,  Vulkanen.  Flüssen,  Seen  von  phantastisch  zerhackten 
Ufern,  von  Wasserfällen,  Inseln,  Buchten  und  Kanälen  labyrinthisch  durchsetzt. 

Feuerland,  von  dem  ein  kleiner  Streifen  der  östlichen  Hauptinsel  zu 
Argentinien  gehört,  zeigt  dieselben  physischen  Züge  wie  Patagonien  jenseits 
der  Magellanesstraße. 

Die  amtliche  Einteilung  vom  16.  Oktober  1884  in  die  argentinischen 
Nationalterritorien  Nöuquen,  Rio  Negro,  Chubut,  Santa  Cruz,  Tierra  del 
Fuego,  und  in  die  chilenische  Provinz  Llanquihue  und  das  Territorium 
Magellanes  gebraucht  kaum  mehr  den  geographischen  Namen  Patagonien. 
Das  ganze  Gebiet,  zweieinhalbmal  so  groß  als  Deutschland,  zählt  nur 
80000  Einwohner.  Die  „weißen"  Frauen  haben  Seltenheitswert,  da  an  der 
Ostküste  das  Verhältnis  zu  den  Männern  1  :  10.  am  Cordillerenrand  sogar 
1  :  40  ist. 

Land  und  Meer  haben  in  Patagonien  oft  miteinander  gewechselt.  So 
ragten  im  späteren  Pliocän  die  Cordilleren  nur  noch  als  Inseln  aus  den 
Fluten.  Aus  dieser  jüngsten  Meeresablagerung  zeigte  der  Vortragende  eine 
Riesenauster,  die  z.  B.  beim  mittelpatagonischen  Hafen  Comodoro  Rivadavia 
Riffe  von  800  Meter.  Berge  von  160  Meter  und  von  der  Höhe  abgestürzte 
Muschelfelsen  bildet,  in  welchen  die  Eingeborenen  sich  häuslich  niedergelassen 
haben.  (Lebende,  recht  schmackhafte  Austern  sind  nur  noch  am  Nordstrand 
des  andinen  Patagonien  anzutreffen.)  Die  späteren  glazialen  Erscheinungen 
haben  Patagonien  in  Orographie  und  Hydrographie  jene  seltsame  Eigenart 
bezüglich  der  Wasserscheide  geschaffen,  welche  zwischen  Chile  und  Argentinien 
die  heftigen,  über  ein  halbes  Jahrhundert  dauernden  Grenzstreitigkeiten  her- 
beigeführt haben,  die  1902  durch  englischen  Schiedsspruch  geschlichtet  wurden. 
Die  Eiszeit  diluvialer  Vergletscherung  hat  die  sehr  zahlreichen  patagoniscben 
Cordillerenseen,  von  denen  manche  größer  als  der  Bodensee  sind,  angefüllt 
und  fjordartig  gestaltet.  Mächtige  erratische  Blöcke  sind  bis  zu  den  beiden 
Ozeanen  verstreut  zu  finden.  Gletscher  in  der  Nähe  des  ewigen  Grüns  des 
Urwaldes  steigen  nicht  nur  in  den  Kanälen  des  Feuerlandes  zum  Meere 
hernieder,  sondern  in  den  Westkanälen  sogar  bis  zum  46'/«**  (entsprechend 
Lausanne  am  Genfersee). 

Die  erläuternden  Photogramme  zeigten  neben  Strecken  ödester  Trost- 
losigkeit eine  Welt  von  wunderbarer  Schönheit  und  überwältigender  Majestät. 
Sie  schilderten  auch  die  Flora,  zunächst  des  andinen  Patagonien,  wie  die 
Winter-  und  sommergrünen  Buchenarten  (Unterart:  Nothofagus),  welche  noch 
auf  Feuerland  urwaldbildend  auftreten,  die  eigenartigen  Coniferen,  wie  die 
stattliche  Araucaria  imbricata  mit   den   kopfgroßen  Zapfen   und   nährenden 


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Kernen,  Zypressenarten  wie  die  riesige  Alerce  (Fitzroya  patagonica  mit 
5  Meter  Durchmesser),  einen  Taxnsbaum,  weiter  einen  Magnolienbaum  Canelo 
(Drimys  Winteri),  den  heiligen  Baum  der  Araukaner,  und  manche  andere, 
die  an  australische  Bäume  erinnern,  zudem  undurchdringliche  Dickichte  von 
zwei  Bambuseen  (Chusquea).  scharlachrote  Fuchsien  und  Myrtenbäume,  sowie 
die  riesige  Blattpflanze  Gunnera  chilensis. 

Gleichermassen  wurde  das  außerandine  Patagonien  veranschaulicht 
mit  seinem  charakteristischen  Büschelgras  Coiron  (Festuca-Art)  und  Dorn- 
gestrüpp, den  üppigen,  für  unzählbare  Rinderherden  geeigneten  Weiden  am 
Cordillerenrande,  den  Geröllterrassen,  den  mächtigen  Basaltdecken,  von  Wind 
und  Regen  merkwürdig  geformten  Tuffen,  den  vielfach  gewundenen  Flüssen, 
oft  aufgestaut  durch  die  mit  Heftigkeit  wehenden  Westwinde,  den  Küsten- 
landschaften mit  den  Häfen,  die  oft  nur  aus  einzelnen  Hütten  be- 
stehen usw. 

Von  der  Flora  dieses  Teiles  zeigt  der  Vortragende  zwei  Arzneipflanzen, 
eine  Verbenaceae  und  eine  Acaenae,  welche  Pflanzen  den  Reisenden  heilten, 
als  er  infolge  eines  Sturzes  mit  dem  Pferde  in  dem  von  der  patagonischen 
Kammratte  Tucutucu  (Ctenomys  magellanicus)  durchsiebten  Boden  einen  Monat 
in  einer  Indianerhütte  zubrachte. 

Durch  die  ausgelegten,  zum  Teil  bemalten  Felle  und  auch  die  Licht- 
bilder wurden  die  hauptsächlichsten  Tierarten  des  Landes  beschrieben,  be- 
sonders auch  in  ihrer  Bedeutung  für  den  Indianer:  Guanaco  (die  südlichste 
der  vier  Lamaarten),  Strauß  mit  seinem  Fleisch  und  seinen  Eiern,  der  Silber- 
löwe Puma,  der  langbeinige,  patagonische  „Hase"  Mara  (zu  den  Meer- 
schweinchen gehörig),  Gürteltiere,  Stinktiere,  Tucutucu,  die  zwei  Hirscharten, 
der  Gabler  Huemul  und  der  Spießer  Pudu  (kleinster  aller  Hirsche),  W^ alfische, 
Ohrenrobben,  der  seltene  See-Elefant  (Blasenrobbe).  Condore,  Falken.  Schwäne, 
Flamingos  usw.,  weiter  die  eingeführten  Schafe,  Pferde  und  Rinder. 

Mit  sichtlicher  Vorliebe  verweilte  der  Redner  in  Wort  und  Bild  bei 
den  Eingeborenen,  den  wohlproportionierten,  1,83  m  großen  Tehuelchen  (fälsch- 
lich von  Magallanes  Patagonier  =  Großtatze  genannt),  einem  ausgeprägten 
.lägervolk,  den  mit  ihnen  verwandten  Onas  auf  Feuerland,  den  Bootsindianem 
Alacalufes  und  Yaaganes,  unsinnigerweise  Pescheräh  (eine  Makrelenart)  ge- 
nannt, und  den  Moluchen  (Ostaraukaner)  am  Nordostrande  der  Cordilleren. 
Bei  dieser  längeren  Schilderung  der  Ureinwohner  wußte  der  Vortragende, 
wie  in  seinem  ganzen  Vortrage,  viel  Neues  und  Interessantes  zu  berichten. 
In  wenigen  Jahrzehnten  werden  die  schwachen  Stämme  der  Indianer  ver- 
schwunden sein. 

In  wirtschaftlicher  Hinsicht  sieht  der  Redner  Patagonien  als  ein  sehr 
bedeutsames  Land  an.  Er  besprach  im  Einzelnen  die  Schaf-,  Rindvieh-, 
Pferde-  und  Maultierzucht,  Ackerbau,  Obstbau,  den  Holzreichtum  des  andinen 
Teiles  und  auf  Feuerland  die  Mineralschätze  (Gold,  Kupfer,  Silber,  Asbest, 
Petroleum),  die  Automobil-  und  Eisenbahnfrage. 

Für  eine  groß  angelegte  deutsche  Besiedelung  am  Cor- 
dillerenrande wäre  Patagonien  ein  geradezu  ideales  Land. 
Aber  in  wenigen  Jahren  wird  auch  diese  Welt  für  den  Deutschen  ver- 
geben sein. 


—    28    — 

Das  Klima  ist,  mit  Ausnahme  vom  yergletscherten  Süden,  durchaus 
gesund.    Giltige  Tiere  fehlen. 

Die  Zeit  der  eigentlichen  Entwickelang  für  Patagonien  beginnt  mit 
dem  Anlegen  der  Hamburg  -  Südamerikanischen  Dampfschiffahrtgesellschaft; 
die  am  15.  Oktober  1901  ihre  patagonische  Linie  eröffnete.  Der  Vortragende 
hofft,  daß  diese  deutsche  Linie  sich  siegreich  gegen  die  zwei  Konkurrenten, 
die  sich  im  Laufe  eines  halben  Jahres  —  ein  deutlicher  Beweis  für  die  wirt- 
schaftliche Bedeutung  Patagoniens  —  1908  eingestellt  haben,  behaupten  wird. 

Auch  die  argentinische  Regierung  bemüht  sich  ernstlich  um  die  Hebung 
Patagoniens.  Zwei  Eisenbahnlinien  sind  bereits  ausgeschrieben,  Stauwerke 
sollen  an  zwei  Flüssen  angelegt,  große  bauliche  Anlagen  an  verschiedenen 
Häfen  vorgenommen  werden.  Die  erforderlichen  Gelder  sind  bereits  bewilligt. 

Mittwoch,  den  17.  Februar  1909. 

Herr  Dr.  Hugo  Merton-Heidelberg:  Eine  zoologische 
Forschangsreise  nach  den  sädöstlichenMolnkken.  (Lichtbilder.) 

In  den  fünfziger  Jahren  des  verflossenen  Jahrhunderts  bereiste 
A.  R.  Wallace,  den  man  als  den  Begründer  der  neueren  Tiergeographie  be- 
trachten muß,  den  indoaustralischen  Archipel  und  in  einem  Brief,  den  er  von 
Temate  in  den  Molukken  an  Darwin  schrieb,  legte  er  seine  Anschauungen  dar, 
die  er  sich  auf  Grund  tiergeographischer  Beobachtungen  über  die  Entstehung 
neuer  Arten  gebildet  hatte.  Sie  deckten  sich  im  wesentlichen  mit  den  An> 
sichten  von  Darwin,  und  erst  dadurch  ließ  dieser  sich  bestimmen,  mit  seiner 
Entwicklungslehre  an  die  Öffentlichkeit  zu  treten.  Gerade  in  diesen  Tagen, 
wo  allerorten  der  hundertste  Geburtstag  von  Charles  Darwin  gefeiert  wird, 
scheint  es  daher  berechtigt,  darauf  hinzuweisen,  welch  enge  Beziehungen 
zwischen  Abstammungslehre  und  Tiergeographie  bestehen,  und  wie  bei  allen 
tiergeographischen  Untersuchungen  das  Problem  der  Abstammung  den  Aus- 
gangspunkt för  die  ganze  Fragestellung  bildet. 

Die  ganze  Inselwelt,  die  sich  zwischen  Asien  und  Australien  ausdehnt, 
ist  schon  lange  Gegenstand  tiergeographischer  Forschung.  Tiergeographische, 
geologische  und  paläontologische  Untersuchungen  haben  ergeben,  daß  die 
drei  großen  Sundainseln  in  früheren  Erdperioden  dem  asiatischen  Festland 
angehörten,  ebenso  wie  Neu-Guinea  früher  mit  Australien  eine  einheitliche 
Landmasse  gebildet  hat.  Die  Faunen  der  indischen  und  der  australischen 
Region  haben  nur  wenig  Berührungspunkte  und  die  Landverbindung,  die 
zwischen  asiatischem  und  australischem  Festland  vorübergehend  bestanden 
hat,  und  durch  die  Australien  den  größten  Teil  seiner  Tierwelt  erhielt,  ver- 
legt man  in  den  Beginn  des  Tertiärs.  Zwischen  diesen  beiden  tier- 
geographischen Regionen  läßt  sich  keine  scharfe  Grenzlinie  ziehen,  denn 
man  muß  den  ganzen  mittleren  Teil  des  Archipels  als  ein  Übergangsgebiet 
betrachten,  das  von  einer  indoaustralischen  Mischfauna  bewohnt  wird. 

Die  tiergeographischen  Fragen,  die  der  Vortragende  auf  seiner  Reise 
in  dem  indoaustralischen  Archipel  näher  untersucht  hat,  betreffen  die  A  r  o  e- 
und  Kei-Inseln,  zwei  Inselgruppen  in  den  südöstlichen  Molukken. 
Speziell  sollten  die  Beziehungen   der  Fauna  dieser  Inseln  zu  derjenigen  von 


—    29    — 

Neu-Goinea  näher  untersucht  werden,  um  dadurch  auch  Aufschlüsse  über  die 
frühere  Ausdehnung  des  australischen  Kontinents  zu  erhalten. 

Zusammen  mit  Dr.  Jean  Roux  von  Basel  reiste  der  Vortragende  über 
Colombo  und  Singapore  nach  Java,  wo  sich  die  beiden  Zoologen  einige  Zeit 
aufhielten,  zunächst  um  ihre  Vorbereitung  für  die  Weiterreise  zu  Ende  zu 
führen ;  dann  reisten  sie  durch  Java,  besuchten  in  Buitenzorg  den  wunder- 
baren botanischen  Garten,  fuhren  von  da  zu  den  alten  buddhistischen  Tempeln 
von  Central-Java,  um  dann  noch  die  im  östlichen  Java  gelegenen  Tengger- 
berge  aufzusuchen. 

Die  Fahrt  von  Batavia  bis  Dobo,  dem  Hauptort  auf  den  Aroe- 
Inseln  währt  15  Tage.  In  Dobo  wurde  für  längere  Zeit  das  Standquartier 
aufgeschlagen  und  von  hier  aus  die  verschiedenen  Inseln  in  mehrwöchent- 
lichen Touren  besucht.  Dank  dem  großen  Entgegenkommen  der  nieder- 
ländischen Regierung  stand  den  Forschern  zeitweise  der  in  Dobo  stationierte 
Polizeidampfer  zur  Verfügung,  und  auf  Inlandtouren  begleitete  sie  ein 
Detachement  Soldaten,  da  sie  sich  hier  vielfach  in  Gegenden  begaben,  wo 
kurz  zuvor  Aufstände  gewesen  waren.  Auf  der  Ostseite  der  Aroe-Inseln 
liegen  ausgedehnte  Perlaustembänke,  die  schon  seit  mehreren  Jahren  von 
Australiern  und  Arabern  befischt  werden.  Der  jährliche  Ertrag  der  Fischerei  ist 
ein  recht  beträchtlicher,  er  nimmt  aber  schon  zusehends  ab,  da  die  Fischerei  in  zu 
großem  Maßstab  betrieben  wird.  Trotz  zeitweise  ungünstiger  Wittcrungs- 
verhältnisse  gelang  es  ziemlich  umfangreiche  zoologische  Sammlungen  anzu- 
legen. Sehr  farbenprächtig  ist  die  Vogelwelt  der  Aroe-Inseln  und  neben  Kakadus 
und  Papageien  haben  die  Paradiesvögel  besonders  leuchtende  Farben ;  aber  sie 
sind  schon  recht  beträchtlich  dezimiert  worden,  da  sie  jährlich  in  großen 
Mengen  von  hier  in  den  Handel  gebracht  werden.  In  den  Monaten  Mai  und 
bis  Juli,  wenn  die  Paradiesvögel  ihr  schönstes  Gefieder  haben,  gehen  die 
Aroenesen  auf  die  Jagd;  sie  erlegen  die  Paradiesvogelmännchen,  denn  nur 
diese  haben  ja  das  kostbare  Gefieder,  mit  Pfeilen,  die  vorne  mit  Bolzen 
versehen  sind,  sodaß  die  Vögel  durch  den  Anprall  betäubt  zu  Boden  fallen. 

Die  Hauptlandmasse  der  Aroe-Inseln  wird  von  4  eigenartigen  See- 
wasserkanälen in  fünf  Inseln  gespalten,  die  als  Sungi's  bezeichnet  werden. 
Von  diesen  Sungi's  gehen  in  großer  Anzahl  Seitenkanäle  aus,  und  so  ist  es 
möglich  auf  Booten  tief  in  das  Innere  des  Landes  vorzudringen.  In  diesen 
Kanälen  und  vor  allem  in  der  Flachsee  auf  der  Ostseite  hat  die  Bodenfauna 
eine  wunderbar  üppige  Entfaltung  erfahren;  die  hier  ausgeführten  Dredge- 
züge  lieferten  eine  reiche  Ausbeute. 

Die  Aroe-Inseln  sind  schwach  bevölkert,  zumal  durch  verschiedene 
Epidemien  ihre  Einwohnerzahl  sehr  reduziert  worden  ist.  Das  hatte  auch 
zur  Folge,  daß  ein  großer  Teil  der  Küstenaroenesen  ins  Inland  flüchtete, 
aus  Furcht  vor  den  bösen  Geistern,  die  von  ihren  Dörfern  Besitz  ergriffen 
hatten.  Die  Aroenesen  sind  den  Papuas  von  Neu-Guineas  nah  verwandt 
nnd  stehen  auf  einer  sehr  niederen  Kulturstufe.  Sie  wohnen  in  Pfahlbauten, 
die  sie  jedoch  nie  in  das  Wasser  hinein  bauen.  Ihre  Boote  kaufen  sie  von 
den  Bewohnern  der  Kei-Inseln,  abgesehen  von  den  Einbäumen,  die  sie  selbst 
herstellen.  Auf  der  Westseite  der  Aroe-Inseln  gibt  es  eine  Anzahl  protestan- 
tischer Christendörfer,  in  denen  sich  ambonesische  Missionare  niedergelassen 


—    30    — 

haben.  In  einigen  Dörfern  lebt  eine  mohammedanische  Bevölkerung,  aber 
die  überwiegende  Mehrzahl .  aller  Aroenesen  ist  noch  heidnisch.  In  jedem 
Dorf  findet  man  einen  Opferplatz,  wo  der  Arocnese  Gongs,  Teller  und  andere 
für  ihn  wertvolle  Gegenstände  bei  den  verschiedensten  Gelegenheiten  als 
Opfer  darbringt. 

Nach  einem  Aufenthalt  von  vier  Monaten  auf  den  Aroe-Inseln  begaben 
sich  die  beiden  Reisenden  nach  den  weiter  westlich  gelegenen  Kci-Inseln, 
blieben  erst  eine  Zeitlang  auf  Klein-Kei,  das  wie  die  Aroe-Inseln  ganz  flach 
ist  und  gehobenen  FlachrifTen  seine  Entstehung  verdankt,  im  Gegensatz  zu 
Groß-Kei,  das  aus  einem  langgezogenen  Gebirgsrücken  besteht  In  Elat, 
dem  Hauptort  auf  Groß-Kei,  wurde  Aufenthalt  genommen.  Hier  in  Elat  haben 
sich  neben  Chinesen  und  Buginesen,  die  ja  in  allen  Hafenplätzen  des  Archipels 
anzutreffen  sind,  auch  die  früheren  Bewohner  der  Banda-Inseln  in  großer  Zahl 
niedergelassen  Sie  betreiben  hier  eine  ganz  kunstvolle  Töpferei,  die  neben 
den  primitiven  Töpfereien,  die  die  Keinesen  herstellen,  vor  allem  durch  ihre 
hübsche  Ornamentik  angenehm  auffällt.  Die  Dörfer  der  Keinesen  liegen 
größtenteils  an  der  Küste.  Es  gibt  aber  auch  noch  eine  Anzahl  Gebirgs- 
kampungs,  die  von  Befestigungsmauern  umgeben  sind.  Diese  hohen  Stein- 
mauern verfallen  langsam,  da  hier  jetzt  ziemlich  gesicherte  Zustände  herr- 
schen und  Kämpfe  zwischen  den  einzelnen  Stämmen  kaum  mehr  vorkommen. 
Die  Keinesen  haben  eine  bedeutend  hellere  Hautfarbe  als  die  Aroenesen,  aber 
Leute  mit  krausem  Haar  sind  auch  hier  noch  ganz  häufig. 

Mittwoch,  den  24.  Februar  1909. 

Herr  Professor  Dr.  Fritz  Römer-Frankfurt  a.  M.  (f): 
Die  Tiefsee.  (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  gab  einleitend  einen  Überblick  über  die  Geschichte 
der  Tiefseeforschung,  welche  zwar  schon  im  Altertum  die  Phantasie  der 
Menschen  lebhaft  beschäftigte,  aber  als  Wissenschaftszweig  im  Hinblick  auf 
die  groüen  Schwierigkeiten  und  den  Mangel  geeigneter  Instrumente  erst  seit 
etwa  40  Jahren  besteht.  Als  Vorläufer  auf  diesem  Gebiete  sind  zu  nennen 
der  englische  Kapitän  John  Ross.  der  1818  die  ersten  Seesterne  aus  der 
Tiefe  heraufholte  und  Edward  Forbes,  der  zuerst  Dredge-Netze  für  seine 
Tiefseeforschungen  anwandte  und  dadurch  zur  Erkennung  der  faunischen 
Zonen  in  den  Ozeanen  gelangte,  aber  jedes  Leben  in  Tiefen  von  über 
600  Metern  in  Abrede  stellte.  Erst  die  Legung  transozeanischer  Kabel 
machte  die  Ozeane  zum  Gegenstand  ausgedehnter  Forschungen,  insbesondere 
die  Hebung  des  unterseeischen  Kabels  im  Mittelmeer  im  Jahre  1868,  welche 
zur  Entdeckung  einer  bis  dahin  unbekannten  Tierwelt  von  den  abenteuer- 
lichsten und  mannigfaltigsten  Formen  führte.  Sie  hatte  die  Ausrüstung  der 
enghschen  Korvette  ,,Challengcr"*  zur  Erforschung  der  Meerestiefen  zur  Folge, 
deren  Expeditionsfahrten  1872—1876  mit  besonderer  Berücksichtigung  des 
Atlantischen  und  Indischen  Ozeans  epochemachend  und  grundlegend  für  alle 
weiteren  maritimen  wissonschaftlichen  Expeditionen  geworden  sind.  Ihre 
Ergebnisse  wurden  bis  jetzt  in  52  Prachtbänden  veröffentlicht.  An  dem 
internationalen   Wetteifer   der   neueren  Zeit   auf    dem  Gebiete   der  Tiefsee- 


—    31     — 

forschung  hat  sich  Deutschland  erst  spät  beteiligt,  dafür  aber  in  seiner 
Valdivia-Expcdition,  die  hauptsächlich  im  Atlantischen  Ozean,  im  Indischen 
Ozean  und  im  Südlichen  Eismeer  tätig  war,  von  Reichswegen  ein  Unter- 
nehmen ins  Werk  gesetzt,  dessen  Resultate  sich  denen  der  Ghali  enger- Expe- 
dition würdig  an  die  Seite  setzen  und  bis  jetzt  14  stattliche  Bände  zählen. 
Von  Privatleuten,  die  auf  dem  Gebiete  der  Tiefseefoi-schung  mit  großem 
Erfolge  arbeiten,  verdient  Fürst  Albert  von  Monaco  besondere  Hervorhebung. 

Redner  schilderte  sodann  die  bei  diesen  Expeditionen  angewandten 
Arbeitsmethoden  und  führte  im  Bilde  die  hauptsächlichsten  Instrumente 
und  Netze  zur  Tiefseeforschung  vor,  um  sich  darauf  über  die  Tiefenverhält- 
nisse der  Ozeane,  über  Lotungen,  Temperaturen  des  Meerwassers,  über  Licht- 
verhältnisse, über  Fauna  und  Flora,  die  Art  ihrer  Ernährung,  die  Häufigkeit 
ihres  Vorkommens  in  den  verschiedenen  Zonen  u.  a.  m.  im  Einzelnen  aus- 
führlicher zu  verbreiten. 

Den  Schluß  bildeten  hochinteressante  Mitteilungen  über  den  Laichort 
der  Aale,  der  bis  vor  kurzem  unbekannt  war,  sowie  über  ihre  Entwicklungs- 
form, den  vom  Italiener  Grassi  aufgefundenen  Bandfisch.  Eingehende  Arbeiten 
der  Vereinigung  für  inteniationale  Meeresforschung,  insbesondere  die  Unter- 
suchungen des  Zoologen  Johannes  Schmidt  in  den  Jahren  1904 — 1906  haben 
nach  vielen  vergeblichen  Versuchen  (550  Züge)  festgestellt,  daß  die  Laich- 
plätze der  Aale  sich  in  der  Nordsee,  dann  im  Westen  der  Hebriden  und 
besonders  im  Bristol-Kanal  befinden  und  in  einer  Tiefe  bis  über  1000  m 
sich  bis  an  die  spanische  Küste  erstrecken.  Ungeheure  Mengen  Aale  wurden 
darauf  im  Bristol-Kanal  gefangen.  Von  ihren  Laichplätzen  aus  wandern 
die  jungen  Aale  nach  östlicheren,  wärmeren  Zonen ;  bei  Helgoland  treffen 
sie  im  Mai  ein,  in  der  Ostsee  sind  sie  im  Herbst.  In  unseren  Flüssen  bleiben 
sie  6  bis  7  Jahre.  Hat  man  auch  die  Eier  der  Aale  bis  jetzt  noch  nicht 
gefunden  und  besteht  auch  noch  Ungewißheit  über  die  Nahrungsaufnahme, 
so  darf  doch  das  Aal-Problem  als  gelöst  angesehen  werden,  ein  Triumph  der 
neueren  Biologie. 

Mittwoch,  den  3.  März  1909. 

Herr  Professor  Dr.  F.  Sarre-Berlin:  Reise  in  Meso- 
potamien im  Winter  1907/08.     (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  berichtete  über  eine  Forschungsreise,  die  er  in  weiterem 
Verfolg  früherer  Studienreisen  in  Vorderasien  und  Persien  während  der 
Wintermonate  1907/08  in  Begleitung  von  Dr.  Ernst  Herzfeld  in  Mesopotamien 
unternommen  hatte.  Der  Zweck  der  Unternehmung  war,  Baudenkmäler 
des  Altertums  und  vor  allem  des  islamischen  Mittelalters  in  wenig  oder 
ungenügend  bekannten  Gegenden  aufzunehmen  und  zu  untersuchen.  Nach- 
dem der  Redner  in  Konstantinopel  durch  Vermittlung  der  Kaiserlichen  Bot- 
schaft die  nötigen  Empfehlungen  an  die  türkischen  Behörden  erhalten  hatte, 
fuhren  die  Reisenden  mit  der  anatolischen  Bahn  über  Konia  nach  Eregli, 
überstiegen  auf  den  kilikischen  Pässen  den  Taurus,  fuhren  von  Mersina  zu 
Schiff  nach  Beirut  und  dann  mit  der  syrischen  Bahn  nach  Aleppo,  wo  die 
Karawane  ausgerüstet  wurde,  und  die  Expedition  ihren  Anfang  nahm.    Die 


—    32    — 

üntersuchuDg  der  DeDkmäler  wurde  in  der  Weise  ausgeführt,  daß  der  Vor- 
tragende hauptsächlich  photographisch,  Dr.  Herzfeld  zeichnerisch  tätig  waren. 
Ein  genaues  Kontier  des  Weges  wnrde  nicht  vergessen  und  hat  der  besten 
bisherigen  Karte,  der  Kiepertschen  vom  Jahre  1893,  die  dem  Oppenheimschen 
Reisewerke  beigegeben  ist,  wichtige  Verbesserungen  und  Znsätze  zu  geben 
vermocht. 

In  sechswöchentlichem  Marsche  wurde  der  Weg  von  Aleppo  nach 
Mossul  zurückgelegt.  Man  ging  am  rechten  Euphratufer  bis  zur  Einmündung 
des  nördlichen  Nebenflusses,  des  Chabur,  dann  diesen  am  westlichen  Ufer 
aufwärts  bis  zur  Einmündung  des  Dscharadschak  und  von  hier  aus  östlich 
über  das  Sindschar-Gebirge  zum  Tigris  und  nach  Mossul. 

Als  bemerkenswertestes  Ergebnis  dieses  ersten  Teils  der  Reise  ist  die 
Untersuchung  der  bisher  fast  ganz  unbekannten  Ruinen  von  Rusafa-Sergio- 
polis,  der  südlich  vom  mittleren  Euphrat  gelegenen  Stadt  des  hl.  Sergius 
hervorzuheben.  Die  relativ  wohl  erhaltenen  Baudenkmäler,  die  das  Heiligtum 
begrenzende  Befestigung  mit  einem  Prachttor  sowie  eine  Säulenbasilika  und 
Zentralkirche  im  Innern  sind  für  die  frühbyzantinische  Kunst  von  hoher 
Bedeutung.  Sie  gehören  derselben  Zeit  an  und  dürften  spätestens  um  öOO 
n.  Chr.  entstanden  sein.  Dann  sind,  abgesehen  von  kleineren  Untersuchungen 
antiker,  byzantinischer  und  islamischer  Ruinen,  die  imposanten,  vom  Kaiser 
Justinian  errichteten  Befestigungswerke  von  Halebije-Zenobia  und  die  Moschee- 
und  Palast-Ruinen  der  Chalifenstadt  Rakka  hervorzuheben. 

Im  Chaburtal,  das  voll  ist  von  Resten  altorientalischer  Kultur,  wnrde 
u.  a.  Arban  und  im  weiter  östlich  gelegenen  Sindschar- Gebirge  die  Hauptstadt 
des  auch  ethnographisch  interessanten  Jeziden-Gcbietes,  die  Bergveste  Sind- 
schar mit  ihren  interessanten  mittelalterlichen  Denkmälern  näher  untersucht. 
Am  Chabur  und  Sindschar  konnte  die  bisherige  Karte,  besonders  was  die 
Lage  des  Teil  Kokab  und  des  Sees  von  Chatunije  betrifft,  bedeutend  ver- 
bessert worden. 

In  Mossul  beschäftigte  man  sich  während  eines  mehrwöchigen  Aufent- 
haltes mit  der  Aufnahme  mittelalterlich-islamischer  Denkmäler,  unter  denen 
die  architektonisch  wichtige  Hauptmoschee  und  dann  die  Bauten  des  Seld- 
schuken  Badr  eddin  Lulu  aus  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  vor 
allem  zu  nennen  sind.  Auch  die  christlichen  Kirchen  der  Jakobiten  und 
Nestorianer  mit  ihren  interessanten  Grundrissen  und  ihren  merkwürdigen 
dekorativen  Schmuckformen  wurden  in  den  Bereich  der  Untersuchungen 
gezogen 

Der  zweite  Teil  der  Expedition  betraf  das  Tigristal  zwischen  Mossul 
und  Bagdad.  Die  14tägige,  durch  häufigen  Aufenthalt  unterbrochene  Fahrt 
auf  dem  Fluß  wurde  auf  einem,  aus  aufgeblasenen  Ziegenhäuten  zusammen- 
gesetztem Floß,  wie  solche  schon  im  Altertum  in  Gebrauch  waren,  ausgeführt. 
Abgesehen  von  den  altorientalischen  Ruinenstätten  Ninive,  Nimrud,  Assur, 
wo  bei  den  Ausgrabungen  der  Deutschen  Orient-Gesellschaft  ein  mehrtägiger 
Halt  gemacht  wurde,  besuchte  man  frühchristliche  oder  islamische  Denkmäler, 
wie  die  von  Tekrit  und  Samarra.  Diese  gewaltige  Chalifenresidenz,  die  nur 
40  Jahre,  von  83(5— 87(j  bewohnt  gewesen  ist,  enthält  in  ihren  umfangreichen, 
sich  vor  allem  am  linken  Tigrisufer  ausstreckenden  Ruinen  die  Reste   Ton 


—    33    — 

zwei  großen  Moscheeanlagen,  von  denen  die  eine  mit  Säulen-,  die  andere 
mit  Pfeiler- Arkaden  ausgebaut  war ;  beiden  gemeinsam  ist  ein  merkwürdiges 
Minare,  massive  Spiraltürme  mit  einem  äußeren  Umgang,  die  an  die  alt- 
orientalischen Tempeltürme  erinnern. 

In  Bagdad  beschäftigte  man  sich  eingehend  mit  den  geringen  Resten, 
die  sich  hier  noch  aus  der  Chalifenzeit  erhalten  haben,  unter  denen  das 
sogenannte  Talismantor  mit  seinem  Portalrelief  besonderes  Interesse  verdient ; 
es  stellt  den  Chalifen  Masir  mit  Schlangen  zu  beiden  Seiten  dar. 

Ein  Ausflug  nach  Seleucia  ergab  die  ungefähre  Lage  der  Stadtmauern 
der  jetzt  unter  den  Schlammablagerungen  des  Tigris  begrabenen  Hauptstadt 
der  Diadochen.  Auf  der  gegenüberliegenden  östlichen  Seite  des  Flusses  lag 
Ktesiphon,  die  Winterhauptstadt  der  Sassaniden ;  hier  wurden  die  Reste  des 
von  Sapor  I.  erbauten  Königspalastes,  des  Tak  i  Kesra,  näher  untersucht. 
Bei  diesem  gewaltigen  Bauwerk  ist  die  wohl  als  Audienzraum  gebrauchte 
Mittelhalle  als  eine  der  in  ihren  Abmessungen  bedeutendsten  Gewölbeanlagen 
zu  beachten.  Weiter  im  Süden  von  Babylonien  wurden  längs  des  ehemaligen, 
den  Tigris  mit  dem  Euphrat  verbindenden  Kanals,  des  Schat  el  Nil,  nicht 
unwichtige,  früh-islamische  Ruinen  gefunden.  Den  Beschluß  dieser  kleineren 
Tour  machte  ein  Aufenthalt  in  Babylon,  wo  unter  Koldeweys  Führung  die 
seit  10  Jahren  im  Gange  befindlichen  Ausgrabungen  der  Deutschen  Orient- 
Gesellschaft  besichtigt  wurden. 

Der  Vortragende  schloß  seine  Ausführungen,  die  durch  eine  große 
Zahl  von  Lichtbildern  illustriert  wurden,  mit  dem  Hinweis  auf  die  Fülle 
des  wissenschaftlichen  Materials,  das  in  und  über  der  Erde  in  Mesopotamien 
noch  der  Erschließung  und  Untersuchung  harrt ;  er  sieht  die  hauptsächlichste 
Kulturaufgabe  der  projektierten  Bagdadbahn  darin,  die  wissenschaftliche 
Erschließung  Mesopotamiens  zu  fördern  und  zu  erleichtern. 

Mittwoch,  den  10.  März  1909. 

Herr  Pfarrer  Lic.  Dr.  Karl  Schwarzlose-Prankfurt 
a.  M  :  Montenegro,  Land  nnd  Leate.  Nach  eigener  Studien- 
reise geschildert.     (Lichtbilder.) 

Der  Redner,  welcher  für  einen  ausgebliebenen  Forschungsreisenden 
unvorbereitet  eintrat,  hat  im  August  und  September  1908  eine  Studienreise  durch 
den  Nordwestbalkan  und  zwar  hier  vorzugsweise  durch  das  noch  wenig 
bekannte  Innere  von  Montenegro  unternommen.  Die  montenegrinische 
Staatsregierung,  welche  seinen  Studien  ein  warmes  Interesse  entgegenbrachte, 
stellte  ihm  als  Reisebegleiter  den  Gymnasialprofessor  Reinwein 
zur  Verfügung.  Prof.  Reinwein,  der  seine  Aufgabe  mit  zuvorkommendem 
Eifer  erfüllte,  ist  Nachkomme  einer  in  Montenegro  eingewanderten  deutschen 
Familie,  dagegen  selbst  vom  Scheitel  bis  zur  Sohle  Montenegriner.  Wie  die 
meisten  gebildeten  Söhne  seines  Volkes  hat  er  seine  Studien  im  Ausland 
gemacht  und  verfügt  infolgedessen  über  namhafte  Sprachkenntnisse. 

Montenegro  (slaw.  Crnagora  —  Schwarzenbergj  zählt  9080  qkm 
und  etwa  300000  Einwohner,  die  überwiegend  dem  serbischen  Volks- 
stamm  und  hinsichtlich   der  Religion  dem   orthodoxen  Bekenntnis 

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angehören.  In  Podgoritza  gibt  es  noch  ein  Tollstftndiges  Türkenyiertel. 
Hier  sowie  überhaupt  im  Süden  des  Landes  wohnen  außerdem  Albanier,  die 
allerdings  montenegrinische  Staatsangehörige  sind.  Die  Flächenausdehnnng 
Cmagoras  ist  nahezu  2000  qkm  größer  als  das  deutsche  Großherzogtum 
Hessen  und  deckt  sich  an  Ausdehnung  etwa  mit  den  gesamten  thüringischen 
Staaten.  Wie  es  schon  der  Name  andeutet,  ist  Cmagora  ein  Gebirgsland. 
Kaum  irgendwo  anders  in  der  Welt  gibt  es  eine  so  schaurig  schöne  Berg- 
welt wie  hier.  Durch  den  Zetafluß,  der  das  Land  in  der  Mitte  von 
Norden  nach  Süden  durchfließt  und  sich  östlich  von  Podgoritza  mit  der  dem 
Skutarisee  zufließenden  Moratscha  vereinigt,  wird  Montenegro  in  zwei 
ihrer  Beschaffenheit  nach  sehr  ungleiche  Hälften  zerlegt  Die  Westhälfte, 
das  ursprüngliche  und  eigetitliche  Montenegro,  ist  eine  karstartige,  steinige, 
in  einzelne  felsige  mehr  oder  weniger  weite  Gebirgskessel  zerfallende  Hoch- 
fläche, die  zwischen  einer  Höhe  von  600—1000  m  abwechselt  und  sehr  wasser- 
arm und  unproduktiv  ist.  Dagegen  trägt  der  Ostteil,  die  sogenannte  B  r  d  a , 
einen  lieblichen  Charakter.  Hier  findet  sich  zureichende  Bewässerung,  frucht- 
bare Vegetation  und  guter  Waldbestand.  Auffallenderweise  besitzt  dieser 
freundlichere  Landesteil  die  höchsten  Bergspitzen,  den  Durmitor  mit  2528 
und  den  K  o  m  mit  2460  m,  während  in  dem  viel  gebirgigeren  und  wilderen 
Westen  die  höchste  Erhebung  nur  1759  m  erreicht  Diese  ist  der  Lovtschen, 
der  die  von  der  Natur  geschaffene  Zitadelle  des  Landes  darstellt,  niemals 
von  den  Türken  erobert  ist  und  daher  als  nationales  Wahrzeichen  gilt, 
letzteres  um  so  mehr,  als  auf  seinem  hochragenden  Gipfel  in  einer  weit- 
hin leuchtenden  weißen  Kapelle  der  Dichterfürst  aus  der  Dynastie  Petrovitch, 
Peter  ü.  (1830—1851),  der  als  Klassiker  der  serbischen  Literatur  gilt,  ein 
einsames,  aber  poesievolles  Grab  gefunden  hat. 

Die  Montenegriner  haben  übrigens  zur  Erklärung  ihres  steinigen 
Vaterlandes  eine  hübsche  Legende.  Dieselbe  lautet:  „Als  der  liebe  Gott 
die  Welt  geschaffen  und  die  Erde  gebildet  hatte  mit  ihren  Flüssen  und 
Fluren,  da  kam  ihm  dieselbe  sehr  monoton  vor.  Um  Abwechslung  hinein- 
zubringen, kam  ihm  der  Gedanke,  Berge  aufzutürmen.  Zu  diesem  Zwecke 
sammelte  er  Steine  aus  dem  Weltall  und  füllte  sie  in  zwei  große  Säcke, 
die  er  sich  über  die  Schultern  warf.  Als  er  nun  über  die  Erde  schritt, 
platzten  ihm  gerade  auf  der  Stelle,  wo  das  heutige  Montenegro  liegt,  die 
beiden  Säcke  und  alle  Steine  aus  denselben  fielen  hier  zu  Boden.  Durch 
dieses  Geschehnis  ist  Montenegro  solch  ein  steiniges  Felscnland  geworden.* 
Aber  dieses  Felsenland  ist  wunderbar  schön,  zumal  wenn  die  Abendsonne 
auf  die  wie  versteinerte  Meereswellen  aufragenden  Bergkuppen  fällt  und  an 
ihnen  ein  Farbenspiel  entfaltet,  das  noch  prächtiger  ist,  als  das  an  den 
Dolomiten.  Aber  Montenegro  ist  nicht  bloß  eine  Welt  von  Steinen,  sondern 
besitzt  auch  Gebiete  von  überraschender  Fruchtbarkeit.  Die  weite  Ebene 
von  Nikschitch,  das  Z e t a t a  1  bei  Danilograd,  dieMoratschaebene, 
in  der  die  zusehends  aufblühende  Handelsstadt  Podgoritza  liegt,  sowie  west- 
lich vom  Skutarisee  an  den  Hängen  des  Sutorman  die  lachende  Crmnitza- 
ebene,  das  sind  solche  Kornkammern  und  Obstgärten,  wie  man  sie  in 
Montenegro  infolge  der  verkehiten  gangbaren  Vorstellungen  von  dem  Lande 
nicht  vermutet.    Hier  gedeihen  nicht  nur  alle  Getreide-  und  Gemüsearten, 


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sondern  auch  Obst,  Wein  und  Tabak  in  hervorragenden  Erträgen  and  Quali- 
täten. Aber  auch  auf  den  minder  gesegneten  Strecken  seines  Vaterlandes 
müht  sich  der  Montenegriner  mit  zähem  Fleiß,  dem  steinigen  Boden  die 
unentbehrliche  Nahrung  für  Mensch  und  Vieh  abzuringen.  Es  ist  rührend 
anzuschauen,  wie  oft  winzige  Ackerfelderchen  und  Gärtchen  mit  dünnen 
Pflänzchen  wie  kleine  Oasen  schräg  an  den  kahlen  Steinbergen  hängen.  Und 
wer  dann  die  montenegrinischen  Männer  und  Frauen  mühsam  in  diese  ver- 
streuten Miniaturäcker  den  Humus  schleppen  oder  sie  darin  bei  glühendem 
Sonnenbrande  arbeiten  sieht,  der  glaubt  dann  nicht  mehr  an  das  Gerede, 
daß  die  Montenegriner  faul  seien.  Es  ist  auch  falsch,  daß  die  Männer  alle 
schwere  Arbeit  den  Frauen  aufbürden.  Wenn  dies  früher  geschah,  so  war 
dies  ein  Akt  der  Notwendigkeit,  weil  die  Männer  unablässig  mit  der  Waffe 
in  der  Hand  die  Grenzen  gegen  die  Türken  schützen  mußten.  Danach,  daß 
die  Frauen  zumeist  den  Verkehr  mit  Cattaro  vermitteln  und  Waren  in 
schweren  Lasten  hinunter-  und  hinauftragen,  darf  man  nicht  die  Zustände 
im  Lande  selbst  beurteilen. 

Wie  schon  erwähnt,  gehören  die  Montenegriner  dem  serbischen  Volks- 
stamm an  und  zwar  gelten  sie  als  die  Auslese  des  Serbentums.  Natur- 
gemäß ist  daher  ihre  Sprache  auch  eine  serbische  Mundart.  Der  ursprüngliche 
Name  des  Landes  zwischen  Skutarisee  und  Cattaro  ist  Zeta.  Als  auf  dem 
Schlachtfelde  von  Kossovo  am  lö.  Juni  1889  das  großserbische  Königreich 
der  Türkenmacht  erlag,  da  suchten  die  tapferen  und  freiheitliebenden  ser- 
bischen Familien,  welche  dem  türkischen  Joch  entrinnen  wollten,  ihre  Zuflucht 
in  den  öden,  schwer  zugänglichen  Felsentälern  des  Fürstentums  Zeta.  Hier 
haben  sie  sich  tapfer  fünf  Jahrhunderte  hindurch  gegen  die  türkische  Über- 
macht gehalten,  in  fortwährenden  blutigen  Kämpfen,  bei  denen  sie  sich  oft 
mit  Weib  und  Kind  auf  die  Höhen  der  Berge  zurückziehen  mußten.  Man 
darf  behaupten,  daß  fast  um  jeden  Stein  in  Montenegro  Blut  geflossen  ist. 
Aber  dieses  unablässige  Ringen  um  die  Freiheit  hat  dazu  gedient,  in  den 
Cmagorsen  einen  ritterlichen  Stolz  und  einen  glühenden  Sinn  für  Unab- 
hängigkeit zu  erzeugen  sowie  sie  zu  einem  Soldatenvolk  ersten  Ranges 
zu  erziehen.  Noch  heute  ist  jeder  Montenegriner  ein  geborener  Soldat,  bei 
dem  die  militärische  Dienstzeit,  zu  der  sich  jeder  mit  Begeisterung  drängt, 
nur  die  letzte  Feile  anlegt.  Die  militärische  Ausbildung  erfolgt  vorzugs- 
weise im  Sommer  und  zwar  im  Militärlager  auf  dem  hochragenden  gesunden 
Lovtschen  -  Plateau.  Sogar  in  den  Mußestunden  gibt  sich  hier  jeder  mit 
Eifer  militärischen  Studien  oder  Übungen  hin.  Es  ist  daher  eine  hervor- 
ragende tüchtige  Elitetruppe,  über  welche  Fürst  Nikolaus  gebietet,  und  auch  ein 
zahlenmäßig  bedeutend  überlegener  Gegner  wird  den  Kampf  mit  ihr  sehr 
ernst  zu  nehmen  haben.  In  der  Kleidung  ist  der  Soldat  kaum  vom  Zivilisten 
zu  unterscheiden;  nur  die  verschiedenartigen  Abzeigen  an  der  nationalen 
Kopfbedeckung  machen  den  ersteren  kenntlich.  Sonst  trägt  Zivil  wie  Mili- 
tär in  gleicher  Weise  die  kleidsame  Nationaltracht,  in  welcher  die  musku- 
lösen Gestalten  der  Cmagorsen,  deren  Durchschnittslänge  sich  auf  1,80  m  be- 
laufen dürfte,  recht  vorteilhaft  zur  Geltung  kommen.  Die  wichtigsten  Stücke 
der  Nationaltracht  sind  die  blaue  bauschige  Kniehose,  die  scharlachrote 
schalartige  Weste,  weiße  Strümpfe  und  ein  Gürtel  zur  Aufnahme  der  Waffen. 

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Sobald  ein  Junger  Sohn  der  Schwarzen  Berge  das  16.  Lebensjahr  erreicht, 
erhält  er  yon  Staatswegen  einen  Reyolyer,  den  er  beständig  im  Gflrtel  trägt. 
Den  Fremden  berührt  es  zuerst  eigentümlich,  daß  nicht  nur  der  Bauer  auf 
der  Landstraße  und  der  Kutscher  auf  dem  Wagenbock,  sondern  auch  der 
Postbeamte  am  Schalter  und  der  Lehrer  in  der  Schule  mit  der  Waffe  ver- 
sehen ist.  Trotz  der  allgemeinen  Bewaffnung  kommt  unüberlegtes  Schießen 
80  gut  wie  gar  nicht  vor.  Das  wird  schon  durch  die  Selbstbeherrschung 
behindert,  zu  der  jeder  von  frühester  Jugend  an  erzogen  wird.  Die  Farben 
der  Kleidung  sind  übrigens  nicht  willkürliche,  sondern  bilden  in  ihrer 
Zusammensetzung  die  alte  serbische  Tricolore:  Rot,  blau,  weiß  ab.  Ebenso 
hat  die  nationale  Kopfbedeckung,  eine  schirmlose  Kappe,  symbolische  Be- 
deutung. Der  schwarze  Rand  versinnbildlicht  die  Trauer  um  den  Untergang 
des  alten  Serbenreiches  auf  dem  Amselfelde  (1389),  der  rote  Deckel  das  viele 
um  Erhaltung  der  Freiheit  vergossene  Blut  und  die  darauf  golden  einge- 
stickten Initialen  des  Herrschers  die  Hoffnung,  die  man  auf  die  Dynastie 
setzt  für  eine  glorreiche  Zukunft.  Ein  Anzug  in  montenegrinischer  National- 
tracht ist  ziemlich  teuer,  und  es  ist  zu  befürchten,  daß  ihr  dieser  Umstand,  wie 
dies  auch  anderswo  zu  beobachten  ist,  leider  nach  und  nach  den  Untergang 
bereitet.  Gegenwärtig  wird  sie  allgemein  noch  sehr  hochgehalten  und  dies 
um  so  mehr,  als  Fürst  Nikolaus  und  seine  erlauchte  Gemahlin,  Fürstin 
Milena,  ausschließlich  in  Landestracht  erscheinen. 

Die  montenegrinischen  Frauen  sind  an  Wuchs  kleiner  als  die  Männer ; 
ihre  Tracht,  die  aus  Rock,  schalartiger  Bluse  und  einem  die  Brust  frei- 
lassenden Mantel  besteht,  ist  nicht  ganz  so  kleidsam  wie  die  der  Männer. 
Die  Verheirateten  tragen  auf  dem  Kopf  ein  Tuch,  die  jungen  Mädchen  die 
nationale  Kappe,  jedoch  ohne  die  lürstlichen  Initialen.  Die  Stellung  der 
Frau  war  unter  dem  Einflüsse  des  Türkentums,  welches  das  Land  umringte, 
früher  bei  aller  Hochschätzung  doch  nicht  eine  dem  Manne  ganz  ebenbürtige ; 
jedoch  vollzieht  sich  in  dieser  Beziehung  zusehends  eine  Wendung  zum 
Besseren. 

Neben  den  schon  angeführten  Eigenschaften  der  Montenegriner  sind 
weiter  als  solche  zu  vermerken  ihre  Nüchternheit,  Zuverlässigkeit,  Ehrlich- 
keit und  Sittenstrenge.  Mit  Neid  kann  man  in  vielen  Beziehungen  auf 
die  montenegrinischen  Zustände  blicken,  besonders  was  die  sittlichen  Ver- 
hältnisse anbetrifft.  Hoch  ist  die  Achtung  vor  weiblicher  Tugend  und 
Ehre.  Jede  Frau,  jedes  Mädchen  kann  allein  bei  Tage  und  bei  Nacht 
sicher  und  unbehelligt  auf  den  einsamsten  Gebirgs-  und  Waldpfaden 
wandern.  Wenn  man  das  einfache,  abgehärtete,  ernste  Volk  von  Cmagora 
mit  seinem  tapferen  Mut  und  mit  seinen  strengen  Sitten  kennen  lernt,  so 
wird  man  unwillkürlich  mit  ehrlicher  Hochachtung  für  dasselbe  erfüllt  und 
erlebt  Empfindungen,  wie  sie  die  Lektüre  der  Germania  des  Tacitus  in  den 
kultursatten  Römern  auslösen  mußte. 

Was  das  Reisen  im  Innern  des  Landes  anbetrifft,  so  ist  dasselbe 
strapaziös,  aber  vollständig  sicher.  Auch  die  Landstraßen  sind  gut. 
Meistens  schlängeln  sich  dieselben  in  Serpentinen  an  den  Felswänden  auf 
und  nieder,  ähnlich  der  Fahrstraße  Cattaro-Njegusch-Cettinje,  die  sich  in  28 
Serpentinen  an  den  Abhängen  des  Lovtschen-Gtebirges  emporwindet.    Bs  wird 


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seitens  der  montenegrinischen  Staatsreglemng  sehr  viel  für  Erhaltung  nnd 
Anlegung  von  guten  Landstraßen  getan,  überhaupt  für  Verbesserung  der 
Kommunikationsmittel  und  Hebung  des  Verkehrs.  Neuerdings  wird  die 
Verbindung  zwischen  Cattaro  und  Cettinje  durch  Postautomobile  besorgt, 
welche  den  für  Fuhrwerke  mühsamen  Weg  in  3Vt  Stunden  zurücklegen, 
was  ein  wichtiger  Faktor  ist  für  die  Hebung  des  Fremdenverkehrs  nach 
Montenegro.  Die  Postautomobile  fahren  übrigens  auch  in  das  Innere  des 
Landes  weiter  nach  Podgoritza  und  Nikschitch.  Dieses  Innere  Montenegros 
ist  wohl  eines  Besuches  wert,  namentlich  das  romantisch  hoch  in  der  Fels- 
wand des  Prekomitza-Gebirges  gelegene  Kloster  Ostrog,  das  religiöse 
Heiligtum  der  Montenegriner  und  ein  Wallfahrtsziel  für  die  Christen  des 
Balkans.  Von  großem  Reiz  ist  femer  eine  Fahrt  über  den  Skutarisee. 
Westlich  von  demselben  besitzt  Montenegro  zu  beiden  Seiten  des  Sutorman- 
passes  Gebiete  von  wunderbarer  Schönheit  und  Fruchtbarkeit.  Um  die  reichen 
Erträge  dieses  Landteiles  verwerten  zu  können,  ist  hier  seit  1908  eine  Bahn 
in  Betrieb  zwischen  Virpazar  und  dem  aufblühenden  Hafenort  Antivari, 
die  erste  Eisenbahn  Montenegros.  In  Dulcigno  am  Adriatischen  Meer 
besitzt  es  auch  ein  zukunftsvolles  Seebad.  Neuerdings  wird  zielbewußt  seitens 
der  montenegrinischen  Staatsregierung,  deren  Beamte  meistens  im  Auslande 
eine  sorgfältige  und  vielseitige  Ausbildung  errungen  haben,  nichts  versäumt, 
um  das  Land  in  jeder  Weise  auf  die  Höhe  der  europäischen  Kulturstaaten 
zu  bringen.  Handel  und  Wandel  werden  bewußt  gefördert,  das  Post-  und 
Tclegraphenwesen  ist  zuverlässig,  das  Schulwesen  geregelt  und  den  Bedürf- 
nissen des  Volkes  angepaßt;  auch  hygienische  Fürsorge  macht  sich  bemerk- 
bar. Das  Land  ist  verhältnismäßig  gut  mit  Ärzten  versorgt,  die  zumeist 
in  Osterreich  oder  in  Deutschland  studiert  haben.  In  Cettinje  ist  ein  vor- 
treffliches Krankenhaus. 

Die  politische  Stellung,  die  Montenegro  heute  einnimmt,  der  Gebiets- 
zuwachs, den  es  1878  erhalten,  sowie  die  kulturellen  Errungenschaften,  die 
es  sich  zu  eigen  gemacht,  alles  dies  ist  in  der  Hauptsache  das  Verdienst  des 
Fürsten  Nikolaus,  der  zweifellos  einer  der  tüchtigsten  und  weit- 
blickendsten Regenten  Europas  ist  und  sich  würdig  seinen  Vorgängern  aus 
dem  Hause  Petrovitch  anreiht,  das  seit  200  Jahren  die  Geschicke  Cmagoras 
lenkt.  Bis  zum  Jahre  1852  vereinigten  die  Herrscher  Montenegros  die  höchste 
geistliche  Würde  des  Landes  mit  der  weltlich-fürstlichen ;  seitdem  haben  sie 
sich  auf  die  letztere  beschränkt  und  die  geistliche  Verwaltung  dem  Metro- 
politen von  Cettinje  übertragen.  Fürst  Nikolaus  wird  im  August  1910  auf 
eine  öOjährige  erfolgreiche  Regierung  zurückschauen  können;  das  ganze 
Land  sieht  diesem  Jubiläum  mit  froher  Spannung  entgegen. 

Die  Ausführungen  des  Redners  wurden  durch  eine  stattliche  Reihe 
von  Lichtbildern  nach  eigenen  Aufnahmen  erläutert,  welche  überraschend 
die  eigenartigen  landschaftlichen  Reize  Montenegros  und  seine  Bewohner 
veranschaulichten.  Der  Vortragende  war  von  seiner  Gattin  begleitet,  ein 
Beweis,  daß  eine  Studienreise  in  das  wenig  besuchte  Innere  des  Landes 
der  Schwarzen  Berge  trotz  aller  Strapazen  gut  zu  bewältigen  ist. 


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Montag,  den  15.  März  1909. 

Seine  Hoheit  H e r z 0 g  Adolf  Friedrich  zu  Mecklen- 
burg: Die  Deutsche  wissenschaftliche  Zentral- Afrika-Expe- 
dition 1907 — 1908.  (Lichtbilder  und  kinematographische 
Vorführungen.) 

Seine  Hoheit  wies  einleitend  auf  die  Schwierigkeiten  hin  in  der  Zeit 
von  l'/s  Stunden  über  eine  Expedition  zu  berichten,  die  sich  über  einen 
Zeitraum  von  ^j^  Jahren  erstreckt  habe.  Er  müsse  sich  daher  begnügen 
unter  fast  gänzlicher  Ausschließung  des  wissenschaftlichen  Materials  nur 
eine  allgemeine  Übersicht  zu  geben,  persönliche  Arbeiten  nur  zu  streifen 
und  in  großen  Zügen  die  Aufgaben  und  die  wissenschaftlichen  Ergebnisse 
der  Expedition  darzulegen. 

Die  Aufgaben  der  Expedition  bestanden  in  der  wissenschaftlichen  Er- 
forschung des  zentralafrikanischen  Grabens  zwischen  Kiwu-See  und  Albert- 
See,  ferner  daran  anschließend  im  Osten  der  Landschaften  des  Kagera-Beckens 
und  Ruandas,  im  Westen  des  Ostrandes  des  großen  Kongo-Urwaldes  und 
weiter  der  großen  Kautschuk-Gebiete  am  Uelle  und  Aruwimi,  der  beiden 
großen  Nebenströme  des  Kongo. 

Die  Teilnehmer  der  Expedition  waren  Oberleutnant  Weiß  als  Topograph, 
Herr  Kirschstein  als  Geologe,  Dr.  Gzekanowski  als  Ethnologe  und  Anthro- 
pologe, Dr.  Schubotz  als  Zoologe,  Dr.  Mildbread  als  Botaniker  und  Dr.  von 
Raven  als  Arzt. 

Die  Herren  Oberleutnant  der  Schutztruppe  von  Wiese  und  Kaiserwaldan 
übernahmen  das  schwierige  Amt  der  Expeditionsleitung. 

Das  Programm  war  ein  sehr  reichhaltiges.  Es  galt  die  floristische 
und  faunistische  Grenze  zwischen  Ostafrika  und  Westafrika  nachzuprüfen 
und  zu  ergänzen,  große  floristische,  faunistische  und  ethnologische  Samm- 
lungen anzulegen,  Sprachen  phonographisch  aufzunehmen  und  Messungen  vor- 
zunehmen,  den  Kongo- Urwald  zu  erforschen,  die  großen  Vulkane  nördlich 
vom  Kiwu-See  einer  eingehenden  geologischen  Forschung  zu  unterziehen, 
unbekannte  Gebiete  zu  kartieren,  Flüsse  und  Seen  zu  untersuchen  und  die 
Verbreitung  der  Schlafkrankheit  möglichst  genau  zu  studieren. 

Die  Interessen  waren  also  verschieden  und  schon  aus  diesem  Grande 
war  es  geboten,  die  Karawane  möglichst  zu  teilen.  Tatsächlich  sind  nur 
ein  einziges  Mal  alle  Mitglieder  der  Karawane  zusammen  gewesen.  Die 
Expedition  bestand  aus  10  Europäern  und  700  Trägem,  eine  Menschenmenge, 
deren  Verpflegung  die  größten  Schwierigkeiten  verursachte,  besonders  im 
Kongogebiet.  Fünf  große  Depots  waren  angelegt  und  zwar  bis  in  den  Kongo- 
staat hinein. 

Am  17.  Juni  1907  trat  die  Expedition  den  Ausmarsch  aus  Bnkoba, 
am  Westrande  des  Viktoria- Nyansa-Sees,  nach  dem  Innern  an. 

Die  erste  Teilung  der  Karawane  erfolgte  schon  in  Kifumbiro,  einem 
ünteroffizierposten  am  Kagera,  von  wo  der  Zoologe  Dr.  Schubotz  und  der 
Botaniker  Dr.  Mildbread  eine  Sonderforschung  in  den  Buddu-Wald  unternahmen, 
der  wegen   seines  Kautschukreichtums  von  besonderer  Bedeutung   ist.     Die 


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Hauptabteilung  folgte  dem  Laufe  des  Kagera  bis  Mpororo,  das  am  1.  Juli 
erreicht  wurde,  während  der  Geologe  Kirschstein  und  der  Topograph  Ober- 
leutnant Weiß  die  Richtung  über  die  heißen  Quellen  Mtagata  in  Karagwe 
bis  an  den  Kagera  nahmen,  von  wo  aus  das  westlich  gelegene,  zu  Ruanda 
gehörige  Gebiet,  in  das  der  Herzog  als  erster  eingedrungen  war,  karto- 
graphisch aufgenommen  wurde.  Die  heißen  Quellen  von  Kagera  besitzen  eine 
außerordentliche  Heilkraft,  die  den  Eingeborenen  bekannt  ist. 

Nach  einigen  Ruhetagen  erfolgte  eine  abermalige  Teilung  der  Expe- 
dition. Seine  Hoheit  marschierte  mit  Dr.  Schubotz  und  Leutnant  Wintgens, 
einem  von  dem  Residenten  von  Ruanda  zur  Verfügung  gestellten  Offizier 
der  Schutztruppe,  am  östlichen  Gubogora  entlang  durch  ein  völlig  unbekann- 
tes Gebiet,  während  die  Herren  v.  Wiese  und  Weiß  besondere  Routen  ein- 
schlugen, desgleichen  Herr  Kirschstein. 

Der  Marsch  gestaltete  sich  außerordentlich  schwierig  und  ging  lang- 
sam vonstatten,  da  er  zum  Teil  über  Höhen,  Felsplateaus  und  steile  Abhänge 
führte.  Es  war  frisch  in  den  Morgen-  und  Abendstunden,  das  Thermometer  zeigte 
durchschnittlich  morgens  8  Grad  Celsius,  mittags  28  und  abends  kaum  15  bis 
18  Grad.  Das  Gebiet  ist  sehr  wildreich  und  besitzt  außergewöhnlich  viel 
Löwen.  Beim  Abbrennen  eines  Gebüsches  wurden  nicht  weniger  als  zehn 
Löwen  aufgetrieben  und  davon  drei  erlegt. 

Es  war  in  diesem  unübersichtlichen  Gelände  nicht  leicht,  die  Ver- 
bindung mit  den  anderen  Lagern  aufrecht  zu  erhalten,  was  sich  nur  mittelst 
Leuchtraketen  bewerkstelligen  ließ.  Später  war  auch  dieses  nicht  mehr 
möglich,  da  die  Steppen  nach  Süden  zu  so  dicht  bewachsen  waren,  daß 
Lichtsignale  nicht  mehr  funktionierten.  Deshalb  blieben  die  einzelnen  Ab- 
teilungen lange  Zeit  ohne  Nachricht,  was  oft  recht  unangenehme  Situationen 
verursachte.     So  erreichte  die  Expedition  den  Mohasi-See. 

Vom  Mohasi-See,  wo  eine  ganz  neue  Sumpfflora  entdeckt  wurde,  ging 
es  nach  dem  interessantesten  Teile  Zentralafrikas,  nämlich  nach  Ruanda, 
dessen  Sultan  Msinga  in  seiner  Residenz  Niansa  ein  Besuch  abgestattet 
wurde.  Ruanda,  auf  deutschem  Gebiet  gelegen  und  bis  an  den  Kiwu-See 
reichend,  ist  immer  noch  eine  terra  incognita  und  ein  Bergland  von  großer 
Schönheit  in  1600  m  Meereshöhe.  Graf  Goetzen,  der  es  im  Jahre  1894 
zuerst  besucht  hat,  verdanken  wir  die  ersten  Schilderungen,  sodann  Herrn 
Dr.  Kandt,  welcher  auch  jetzt  dort  als  Resident  ansässig  ist.  Neben  ihm 
hat  sich  Herr  Hauptmann  von  Grawert  die  größten  Verdienste  um  die  Er- 
schließung Ruandas  erworben.  Die  Einwohnerzahl  Ruandas  wird  auf 
5  Millionen  geschätzt.  Das  Klima  ist  ein  sehr  gesundes  und  verhindert  jede 
Krankheit  und  Fiebererscheinungen,  weder  Tsetsefliegen  noch  Moskitos  be- 
drohen die  Gesundheit  der  Europäer.  Die  tiefen  Schluchten,  welche  die 
Höhen  von  einander  trennen,  besitzen  reiche  Wasserläufe,  welche  selbst  in 
der  Trockenheit  nicht  versiegen.  Die  Bergkuppen  sind  fast  alle  mit  Resten 
von  Hainen  bedeckt,  die  als  heilig  gelten.  Die  Haine  wurden  einst  von  den 
Sultanen  angelegt,  sind  aber  bald  wieder  verfallen. 

Die  Bevölkerung  Ruandas  zerfällt  in  drei  Stämme :  die  Urbevölkerung, 
die  Wahutu,  sodann  die  später  eingewanderten  und  jetzt  im  Lande  herr- 
schenden Watussi  und  das  unentwickelte  kleine  Volk  der  Batwa. 


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Die  Watnssi,  deren  Gesichtsbildnng.  besonders  die  Nasen,  sie  ohne 
Weiteres  als  Angehörige  der  semitischen  Rasse  erkennen  lassen,  sind  sehr 
schlank  und  von  bedeutender  Körpergröße.  Messungen  ergaben  1,80  m  bis 
2,20  m.  Ihre  Hautfarbe  geht  vom  dunkelsten  Braun  bis  ins  hellste  Braun 
hinein,  in  allen  Variationen. 

Das  Land  mit  lebendem  und  totem  Inventar  gehört  dem  Sultan,  dem 
letzten  Autokraten,  den  wir  in  Afrika  noch  haben,  und  welcher  eine  be- 
deutende Rolle  spielt.  Unter  ihm  stehen  Unterhäuptlinge,  die  das  Land 
nach  allen  Kräften  aussaugen,  und  deren  Hauptbeschäftigung  darin  besteht, 
sich  allabendlich  ordentlich  zu  berauschen 

Dank  einem  gesunden  Klima  gedeiht  in  Ruanda  die  Viehzucht  ganz 
vorzüglich.  Im  Boden  liegen  noch  ungeheure  Kräfte  unbenutzt  und  bei  einem  ge- 
eigneten Schienenstrang  könnten  Landwirtschaft  und  Viehhandel  und  Viehzucht 
in  großem  Maßstabe  betrieben  werden.  Mit  Nachdruck  wies  der  Herr  Vor- 
tragende auf  den  Reichtum  und  die  Besiedlungsfähigkeit  Ruandas  hin,  dessen 
genauere  Erforschung  durch  das  Gouvernement  ein  unbedingtes  Erfordernis  sei. 

Um  Seine  Hoheit  besonders  zu  ehren,  beschenkte  ihn  der  Sultan  mit 
einer  Anzahl  Rinder  und  weit  über  1000  Schafe  und  Ziegen.  Der  Sultan 
Msinga  ist  eine  hohe,  schlanke  Erscheinung,  über  2  m  groß  mit  etwas 
weichlichen  Formen.  Sein  nicht  unsympathischer  Gesichtsausdruck  leidet 
unter  einem  Augenfehler  und  stark  hervortretenden  Oberzähnen. 

Hochinteressant  war  die  von  kinematographischen  Vorführungen  be- 
gfleitete  Schilderung  des  Besuches  des  Sultans  bei  Seiner  Hoheit  und  der 
Expedition  nach  ihrem  Einzug  in  der  Residenz  Niansa,  von  dem  einen  pracht- 
vollen Anblick  gewährenden  Zug  des  Sultans,  der  in  einer  Sänfte  getragen 
wurde,  nach  dem  Zelte  Seiner  Hoheit  sowie  des  interessanten  Treibens  der 
Eingeborenen,  ihrer  Tänze  und  ihrer  großen  Gewandtheit  im  Springen.  Bei 
den  Tänzen  findet  keine  Musikbegleitung  statt,  ein  Regisseur  leitet  sie  und 
feuert  durch  Händeklatschen  und  Stampfen  mit  den  Füßen  an.  Wenn  in 
Deutschland  eine  Kraftleistung  im  Hochsprung  1,74  m,  in  Amerika  der 
Record  hierin  1.97  m  beträgt,  so  waren  die  hier  vorgeführten  SprtLnge 
2,50  m  hoch,  eine  ganz  bedeutende  Leistung,  wenn  man  bedenkt,  daß  die 
Sprünge  bei  uns  mittelst  gut  federnden  Sprungbrettes  ausgeführt  werden, 
während  hier  nur  ein  Termitenhügel  als  Sprungbrett  dient. 

Von  den  Geschenken,  welche  der  Sultan  erhielt,  erfreute  ihn  am  meisten 
eine  alte  Weckeruhr  und  eine  Säge. 

Am  12.  August  1907  brach  die  Expedition  nach  der  Ostküste  des 
Kiwu-Sees  auf  und  überschritt  die  Wasserscheide  zwischen  Kongo  und  Nil, 
welche  zugleich  auch  die  Grenze  zwischen  einer  östlichen  und  westlichen 
Fauna  und  Flora  bildet.  Der  Kiwu-See,  landschaftlich  im  schönsten  Teil 
Zentralafrikas  gelegen,  ist  in  geologischer  und  zoologischer  Beziehung  sehr 
interessant ;  starke  Sinterkalkbildnngen  an  den  felsigen  Ufern  geben  Zeugnis 
von  dem  kalkhaltigen  Wasser,  in  dem  Krokodile  fehlen.  Dafür  aber  hat  er 
eine  reiche,  einheitliche  Fischfauna  und  gab  Gelegenheit  zu  fossilen  Funden. 
Merkwürdig  ist  die  Erscheinung,  daß  bei  Sonnenuntergang  eine  hohe  Bran- 
dung am  Ufer  auftritt,  was  noch  unerklärt  ist.  Plankton  wurde  reichlich 
gefunden,  Dredjezügc  lieferten  nur  reinen  Sand. 


—    41    — 

In  Kissenji,  dem  nördlichst«!!  Punkte  unseres  deutschen  Schutzgebietes 
an  der  kongonesischen  Grenze,  f&nd  sich  die  gesamteKarawane  wieder  zusammen 
und  blieb  hier  einige  Monate,  um  die  ganze  Gegend  nach  Osten  und  Westen 
genau  zu  durchforschen.  Kautschuk  und  Elfenbein  wird  hier  in  ungeheuren 
Mengen  durch  Schmuggler  über  die  Grenze  gebracht,  ein  Betrieb,  der  immer- 
hin unserem  Schutzgebiet  zugute  kommt. 

Aul  der  Insel  Kwidschwi  wurde  das  kleine  Volk  der  Batwa,  des 
dritten  Volksstammes  Ruandas,  besucht.  Sie  haben  eine  dunkle  Hautfarbe 
im  Gegensatz  zu  den  Pygmäen  des  Kongo-Urwaldes,  welche  heller  sind,  da 
sie  nicht  soviel  mit  der  Sonne  in  Berührung  kommen.  Die  vorgenommenen 
Messungen  ergaben  bei  den  Batwas  des  Kiwu-Sees  eine  durchschnittliche 
Größe  von  1,60  m,  bei  denen  des  Kongo-Urwaldes  etwa  1,40  m.  Die  Batwas 
sind  sehr  scheu,  aber  ausgezeichnete  Jäger  und  Fischer  und  große  Spitz- 
buben. Ihr  Häuptling  leistete  aber,  nachdem  er  sich  von  den  friedlichen 
Absichten  der  Expedition  überzeugt  hatte,  als  Führer  in  dem  undurchdring- 
lichen Wald  gute  Dienste.  Auch  das  Land  der  Batwas  ist  reich  an  Wild, 
besonders  an  Büffeln.  Auch  zeigten  sich  Bergelefanten,  die  bis  auf  3000  m 
hinauf  gehen  und  sich  von  denen  der  Ebene  durch  kleinere  Maße  und 
schlechtere  Zähne  unterscheiden,  ebenso  neue  Antilopen,  Affenarten,  Scha- 
kale u.  a.  m. 

Die  Expedition  wandte  sich  nun  den  großen  Vulkanen  nördlich  des 
Kiwu-Sees  zu,  deren  Untersuchung  den  interessantesten  Teil  der  Reise  bil- 
dete und  6  Monate  in  Anspruch  nahm.  Sie  zerfallen  in  eine  Ost-,  Mittel- 
und  Westgruppe.  Die  östlichen  und  mittleren  Vulkane  sind  erloschen, 
während  sich  im  Westen  noch  neue  Vulkane  bilden.  Die  meisten  Vulkane 
erreichen  fast  Montblanchöhe.  Mit  Ausnahme  des  Mikeno-Vulkans,  dessen 
Besteigen  sich  aber  wegen  der  Ungunst  der  Witterung  und  des  steilen  Aul- 
baus des  Gipfels  als  unmöglich  erwies,  wurden  sämtliche  Vulkane  erstiegen 
und  von  ihren  Ausbrüchen  photographische  Aufnahmen  gemacht. 

Beim  Abstieg  vom  Karissimbi,  welcher  quer  durch  den  Branca-Krater 
führte,  verlor  Herr  Kirschstein,  der  alle  Gipfel  erkletterte,  infolge  eines 
Schnee-  und  Hagelsturmes  die  Hälfte  seiner  Karawane  durch  den  Tod.  Der 
Führer  selbst  erkrankte  an  einem  heftigen  Fieber  und  mußte  zurückbleiben. 

Von  dem  Vortragenden  wurde  u.  a.  auch  der  Ninagongo  erstiegen,  den 
Graf  Goetzen  1904  zuerst  bestiegen  hat.  Der  Rand  des  Graf  Goetzen-Kraters 
fällt  mit  60  Grad  ab  und  hat  einen  Durchmesser  von  1251  m,  der  Um- 
fang desselben  beträgt  4V«  km.  Als  Graf  Goetzen  hier  war,  war  der  Vulkan 
noch  in  voller  Tätigkeit,  jetzt  ist  er  ruhig;  es  steigen  nur  noch  Schwefel- 
dämpfe auf. 

Den  schönsten  Anblick  gewährten  die  zahlreichen,  weithin  leuchtenden 
Auswürfe  des  der  Westgruppe  angehörenden  Namlagira.  17  dieser  Auf- 
brüche wurden  geschaut,  11  davon  sind  aus  unmittelbarer  Nähe  photogra- 
phisch festgehalten  worden.  Oberleutnant  Weiß  hat  die  Höhe  der  Rauchsäulen 
vom  Kraterrande  an  phototheodolitisch  gemessen  und  ist  zu  überraschenden 
Resultaten  gekommen.  Eine  Rauchsäule  hatte  eine  Höhe  von  3145  m 
bei  einer  Ausdehnung  von  etwa  4  km;  eine  spätere  war  sogar  9  km  hoch 
bei  einer  Ausdehnung  von  19  km.    Diese  Messungen   sind  von   der  königL 


-    42    — 

Landesaufnahme  in  Berlin  nachgeprüft  und  als  richtig  befanden  worden. 
Am  Fuße  des  Valkans  befand  sich  eine  Kette  von  18  Kratern,  die  wie  Perlen 
aneinandergereiht  waren,  welchen  Kohlensäure  und  Wasserdampf  entstiegen. 
Der  Umfang  des  Namlagirakraters  beträgt  ö^'s  km,  der  Durchmesser  2  km. 
Die  Nordostecke  des  Kraterloches  enthält  eine  ausgeprägte  Terrasse,  welche 
eine  Breite  von  800  m  hat.  Dem  Geologen  Herrn  Kirschstein  gelang  es  in 
einem  gefährlichen  Abstieg  bis  auf  den  Boden  des  Kraters  hinunterzusteigen, 
wobei  er  wesentliche  Verletzungen  durch  Aschenauswürfe  davon  trag. 
Mächtige  Layafeldcr  umlagern  die  Vulkane.  Wo  die  Tätigkeit  erloschen 
and  die  Lava  verwittert  ist,  ist  der  Boden  sehr  fruchtbar  und  wird  durch 
Pflanzung  von  Kartoffeln,  Bananen,  Bohnen,  Erbsen  und  Hirse  ausgenutzt. 

Zu  den  neuesten  Bildungen  im  Westen  gehört  ein  Kegel,  der  nach 
dem  Namen  des  Herzogs  genannt  wurde ;  seine  Lavaströme  ergießen  sich  in 
den  Kiwu-See. 

In  engem  Zusammenhang  mit  diesen  Virunga- Vulkanen  stehen  die 
Seengebilde  des  Zentral-Afrika-Grabens.  Herr  Kirschstein  konnte  feststellen, 
daß  die  Ebene  zwischen  Kiwu-  und  Albert-Edward-See  alter  Seeboden  ist, 
was  aus  vorgefundenem  Geröll  hervorgeht.  Diese  Gerolle  fand  er  300  m 
über  dem  Niveau  des  Albert-Edward-Sees,  das  also  soviel  höher  gelegen  haben 
muß.  Beide  Seen  haben  früher  ein  einheitliches  Seebecken  gebildet  und  sind 
erst  durch  die  Vulkane  getrennt  worden. 

Mit  dem  Verlassen  der  Vulkane  betrat  die  Expedition  nunmehr  das 
Gebiet  des  Kongostaates  und  durchwanderte  die  Ebene  den  Rutschuru  ent- 
lang bis  zum  Albert-Edward-See.  In  diesem  überaus  wildreichen  Gebiet  ge- 
lang es  faunistische  Sammlungen  anzulegen,  von  denen  jedes  Stück  für  die 
Wissenschaft  eine  Neuheit  bedeutet.  In  großen  Mengen  kommen  vor  die  Leier- 
antilope, Moorantilope,  Riedböcke,  Hirschantilopen,  Buschböcke,  von  denen 
allein  5  verschiedene  Arten  gesammelt  wurden,  Büffel,  Löwen  und  Leoparden. 

Weiter  ging  es  nach  dem  an  einem  Salzsee  gelegenen  und  für  den 
Salzhandel  wichtigen  Katwe,  um  das  sich  England  und  der  Kongostaat 
herumstreiten.  Die  rote  Färbung  des  Wassers,  hervorgerufen  durch  die  Salz- 
absonderung, gewährt  besonders  bei  blauem  Himmel  einen  prächtigen  Bindruck. 

Das  Weihnachtsfest  feierte  die  Expedition,  das  einzige  Mal,  da  sie 
bis  auf  Herrn  Kirschstein  vollzählig  zusammen  war,  in  Kasindi  am  Nord- 
ofer  des  Albert-Edward-Sees.  Die  Zeit,  welche  die  Verpackung  der  Lasten 
and  ihre  Beförderung  nach  Europa  beanspruchte,  verwandte  man  auf  die 
reizvolle  Jagd  auf  Elefanten,  die  hier  in  großen  Trupps,  oft  20  bis  60  Stück 
in  der  lichten  Steppe  leicht  gesehen  werden.  Ein  altes  Tier  wurde  erlegt, 
dessen  Zähne  2,53  m  lang  waren  und  die  98  Pfund  wogen.  Leider  mußte 
der  Arzt  Dr.  von  Raven,  der  einer  schweren  Verletzung  wegen  —  er  wurde 
von  einem  Büffel  in  die  Luft  geschleudert  und  brach  einige  Rippen  und 
einen  Arm  —  aus  der  Expedition  ausscheiden,  desgl.  Oberleutnant  Weiß, 
der  krankheitshalber  nach  Europa  zurückkehrte.  Auch  der  Ethnologe  und 
Anthropologe  Dr.  Gzekanowsky  verließ  die  Expedition,  um  seine  Spezial- 
Stadien  bei  den  Batwa  weiterzuführen. 

Von  Kasindi  aus  ging  es  zum  Ruwenzori,  dann  nach  Beni  und  am 
Ruwenzori  entlang  nach  dem  Albert-See.  Auf  der  Schleife,  die  westlich  vom 


—    43    — 

Ruwenzori  gemacht  wurde,  begegnete  man  zum  ersten  Male  den  Wambutti- 
Pygmäen,  welche  die  Aufmerksamkeit  der  Expedition  au!  das  lebhafteste  er- 
regten. Die  Färbung  dieser  Leute  ist  sehr  hell,  da  wegen  ihres  fortwähren- 
den Aufenthaltes  im  Wald  die  Pigmentbildung  fortfällt.  Ihr  Körperbau  ist 
kräftig,  die  Gesichtsbildung  ausdrucksvoll.  Obgleich  die  Zwerge  noch  nie 
mit  einem  Europäer  in  Berührung  gekommen  waren,  zeigten  sie  keine  Scheu, 
schlugen  ihre  Stätten  im  Lager  auf  und  leisteten  gute  Ftihrerdienste.  Die 
Messungen  ergaben  Größen  von  1,36  m  bis  1,42  m;  nur  ein  Mann  mit  1,45  m 
übertraf  dieses  Maß.  Die  Frauen  sind  von  großer  Häßlichkeit.  Die  Be- 
waffnung der  Männer  besteht  aus  Speer  und  Bogen  mit  vergifteten  Pfeilen. 
Die  Hütten  werden  aus  Pfählen  gebaut  und  mit  Laub  überdacht,  vor  ihnen 
spielt  sich  das  Leben  ab,  wenn  sich  die  Wambutti  nicht  auf  Raub,  Jagd 
oder  Diebstahl  befinden.  Die  Zwerge  sind  eifrige  und  vorzügliche  Jäger 
und  sehr  geschickt  in  der  Erlegung  des  Okapi.  Das  Okapi,  ein  Tier,  welches 
vor  vier  Jahren  überhaupt  erst  entdeckt  worden  ist,  sieht  der  Giraffe  sehr 
ähnlich,  zeigt  den  langen  Hals  und  den  Giraifenkopf,  hat  dunkle  Färbung 
und  gestreifte  Läufe  Der  Gouverneur  von  Uganda  Sir  Harry  Johnston  hat 
vor  vier  Jahren  das  erste  Fell  nach  Europa  gebracht,  wo  es  mit  20,000  fr. 
bezahlt  worden  ist.  Die  Felle,  welche  die  Expedition  mitbrachte,  ebenso 
das  Skelett  eines  Okapi,  waren  die  ersten,  die  direkt  nach  Deutschland  ge- 
kommen sind,  und  repräsentieren  einen  hohen  zoologischen  Wert.  Die  Jagd  auf 
das  lichtscheue  Tier  findet  in  der  Regenzeit  statt.  Die  Zwerge  folgen  der  Fährte 
oft  tagelang  im  Walde,  beschleichen  es  und  erlegen  es  mit  vergiftetem  Pfeil. 

Am  1.  Februar  brach  die  Expedition  nach  dem  Ruwenzori  auf,  der 
mit  Schnee  und  Eis  bedeckt  war  und  dessen  Höhe  von  dem  Herzog  der 
Abruzzen,  der  ihn  vor  drei  Jahren  bestieg,  auf  ö200  m  festgestellt  war.  Der 
Marsch  in  dem  dunstigen  Gelände  durch  das  mehrere  Meter  hohe  Matetengras, 
das  viele  Elefanten  beherbergt,  und  durch  ausgedehnte  Bananenpflanzungen 
war  überaus  beschwerlich  und  anstrengend,  dazu  herrschte  eine  unerträgliche 
Hitze,  mittags  45  Grad  Celsius,  abends  nie  unter  18  Grad.  Die  Askaris 
mußten  für  die  Lasten  erst  mit  dem  Messer  Wege  schlagen,  kaum  daß  man 
in  einer  Stunde  1  km  vorwärts  kam.  Während  die  Expedition  ihren  Weg 
nach  Norden  zum  Albert-See  fortsetzte,  um  Fühlung  mit  der  kongonesisch- 
englischcn  Grenzkommission  zu  bekommen,  trennten  sich  hier  der  Zoologe 
Dr.  Schubotz  und  der  Botaniker  Dr.  Mildbread  von  der  Hauptabteilung,  um 
Spezial-Untersuchungen  am  Ruwenzori  vorzunehmen,  die  in  der  Gewinnung 
von  großen,  zum  Teil  völlig  neuen  faunistischen  und  floristischen  Samm- 
lungen ebenfalls  von  reichem  Erfolg  begleitet  waren. 

Der  Albert-See  ist  sehr  fischreich.  Der  Fischfang  wird  von  der  Be- 
völkerung, den  Walegga's,  eifrig  betrieben.  Flußpferde  sieht  man  häufig, 
dagegen  scheinen  Krokodile  die  Flüsse  und  deren  Mündungen  mehr  zu  be- 
vorzugen, wenigstens  wurden  auf  den  Sandbänken  des  Semliki  große  Mengen 
von  Krokodilen  gesehen. 

Weiter  nach  Westen  leben  hauptsächlich  Bawira-  und  Bawischa-Leute, 
bei  denen  die  kreisrunde  Anlage  der  Dörfer  bemerkenswert  ist.  Die  BevÖl- 
kerungsdichtigkeit  nimmt  nach  Norden  beständig  zu,  hier  zählten  die  Dörfer 
40,  50  und  mehr  Hütten. 


—    44    — 

Nach  mehrtägigem  Aufenthalt  im  englischen  Lager  wnrde  Kilo  an  der 
Westküste  des  Sees  erreicht,  wo  seit  einigen  Jahren  Goldwäschereien  im  Be- 
trieh sind,  die  reiche  Erträgnisse  liefern.  Das  Gold,  meist  Alluvialgold, 
wird  in  der  geringen  Tiefe  von  1  his  1,50  m  unter  der  Erdoherfläche  auf 
dem  Grunde  der  Flußtäler  gefunden,  also  sehr  leicht  gewonnen.  Die  ganze 
Gegend  ist  sehr  goldreich,  doch  läßt  der  Betrieh  noch  viel  zu  wünschen 
ührig.  Das  gewonnene  Gold  wird  in  einem  Laboratorium  in  Barren  yon 
ungefähr  37,000  fr.  Wert  umgeschmolzen. 

Es  hält  schwer,  sich  von  den  im  Kongostaat  ruhenden  Schätzen  einen 
richtigen  Begriff  zu  machen.  Kupfer  nimmt  man  für  4  Milliarden  an,  das 
Gold  ebenfalls  für  einige  Milliarden.  Aus  diesem  Grunde  würde  sich  die 
Weiterführung  der  jetzt  projektierten  deutschen  Bahn  von  der  Ostküste  bis 
an  den  Tanganjika-See  wohl  rentieren  und  Deutschland  den  Transport  dieses 
Goldes  an  sich  reißen. 

Auch  der  Kautschukreichtum  ist  bekannt.  Es  ist  jedoch  nicht  zu 
verkennen,  daß  der  Staat  in  rücksichtslosester  Weise  die  Eintreibung  dieses 
Produktes  vornimmt  und  1  bis  3  kg  pro  Monat  und  Kopf  fordert.  Deshalb 
fangen  bereits  Eingeborene  an,  die  großen  Bestände  des  Kautschuk- 
baumes  zu  fällen,  um  sich  der  Arbeit  zu  entziehen,  was  die  Entsendung  von 
Truppen  in  die  nördlichen  Gebiete  notwendig  machte.  Die  Gewinnung  ist 
infolge  dieser  „ Kautschukmüdigkeit '^  in  einzelnen  Plätzen  von  14,000  kg 
auf  2 — 3000  kg  pro  Monat  zurückgegangen.  Der  Kongostaat  sucht  dieser 
Gefahr  durch  Anlage  von  Kautschukplantagen  zu  begegnen,  über  deren 
Nutzungswert  sich  jedoch  erst  in  sieben  bis  acht  Jahren  reden  lassen  wird ; 
zudem  herrscht  im  Kongostaat,  gerade  wie  in  Ostafrika  großer  Arbeiter- 
mangel. 

Ebenso  ist  der  Elfenbeinreichtum  ein  ungeheurer  und  übersteigt  weit 
die  allgemeine  Schätzung.  Die  Expedition  sah  während  ihres  20tägigen 
Marsches  durch  Urland  große  Mengen  von  Elefanten,  hörte  sie  im  Wasser 
and  im  Gebüsch  brechen.  Wenn  man  bedenkt,  daß  dieses  Gebiet  viermal  so 
groß  ist  wie  ganz  Deutschland,  'So  wird  man  einen  Schluß  auf  die  großen 
Mengen  von  Elefanten  ziehen  können.  Der  Herr  Vortragende  schätzt  die 
Anzahl  der  Elefanten  auf  einige  Hunderttausende. 

Um  dem  Arbeitermangel  entgegenzutreten,  hat  der  Kongostaat  ange- 
fangen, sich  den  Elefanten  dienstbar  zu  machen,  leistet  er  doch  so  viel  wie 
30  bis  40  Menschen.  25  jüngere  Tiere  sind  im  Depot  in  Api  am  Uälle  be- 
reits völlig  gezähmt,  sodaß  man  mit  dem  Erfolg  wohl  zufrieden  sein   kann. 

Auch  legt  der  Kongostaat  großen  Wert  auf  die  Verbesserung  der 
Karawanenstraßen,  wobei  in  letzter  Zeit  am  Uälle  Automobile  mit  sicht- 
lichem Erfolg  verwendet  werden. 

Von  Kilo  ging  es  den  oberen  Ituri  entlang  nach  dem  für  den  Handels- 
verkehr äußerst  wichtigen  Irumu,  dem  Knotenpunkt  sämtlicher  Handels- 
straßen im  östlichen  Kongostaate,  wo  Dr.  Mildbread  und  Dr.  Schubotz  wieder 
zu  der  Expedition  stießen,  und  dann  weiter  in  den  großen  Kongo-Urwald 
hinein.  Eine  gut  gehaltene  Etappenstraße,  die  in  Abständen  von  3  bis 
ö  Stunden  in  einzelne  Etappen  eingeteilt  ist,  führt  von  Irumu  nach  Stan- 
leyville.    Bei  allen  Etappen  sind  reichlich  Bananenpflanzungen  angelegt  zum 


—     45    — 

Unterhalt  der  durchziehenden  Träger.  Der  Wald  steckt  voll  der  kleinen 
diebischen  Mombutti-Pygmäen,  die  den  Straßen  viel  zu  schaffen  machen  und 
sich  der  Vorräte  bemächtigen.  Man  hat  den  Marsch  durch  den  großen  afrikanischen 
Urwald  geisttötend  genannt  und  namentlich  die  für  die  Posten  der  Ostgrenze 
bestimmten  belgischen  Beamten,  die  den  Urwald  durchqueren  müssen,  sprechen 
mit  gelindem  Qrausen  von  diesem  Marsch.  Sie  haben  darin  nicht  ganz 
Unrecht.  Wenn  man  ein  paar  Tage  hindurchgewandert  ist  und  das  erste 
Entzücken  über  das  Neue,  die  Üppigkeit  der  Vegetation  und  die  Größe  des 
Waldes  verflogen  ist,  beginnt  man  das  Eintönige  der  Szenerie  zu  spüren, 
und  wie  au!  einer  langen  Seefahrt  stellt  sich  Langeweile  ein.  Das  Meer  und 
dieser  Wald  haben  überhaupt  manches  gemeinsam.  Man  braucht  nicht  tief 
in  den  Wald  einzudringen,  ein  paar  hundert  Meter  schon,  und  man  fühlt 
gewissermaßen  das  Endlose  dieses  bis  in  die  weiteste  Feme  unverändert  sich 
hinstreckenden  Gewirres.  Urwaldriesen,  dicke  Lianen  mit  bizarren  Formen, 
Sträucher  und  Kräuter,  das  ist  es,  was  man  erblickt  und  was  sich  über  eine 
Fläche  erstreckt  von  der  Größe  von  ganz  Mitteleuropa.  Es  gehört  schon 
ein  gut  Teil  Formensinn  dazu,  um  diesen  Wald  anders  zu  empfinden,  als 
eine  durch  Eintönigkeit  bedrückend  wirkende  Masse. 

Ende  April  erfolgte  die  Ankunft  in  Avakubi  am  Aruwimi,  wo  die 
Träger  entlassen  und  die  treuen  Askaris  abgemustert  wurden,  um  von  hier 
aus  den  Heimweg  nach  Bukoba  und  der  Ostküste  anzutreten. 

Die  Weiterreise  ging  den  Aruwimi  auf  17  Booten  abwärts  bis  Basoko 
an  der  Einmündung  des  Flusses  in  den  Kongo.  Es  war  eine  genußreiche 
Fahrt,  die  aber  infolge  der  zahlreichen  Katarakte  und  Stromschnellen,  über 
welche  die  Boote  nur  mit  Mühe  transportiert  wurden,  nicht  ohne  Unfälle 
und  Verluste  ablief.  Bei  ganz  gefährlichen  Stellen  mußten  die  Boote  um- 
geladen werden.  Der  Aruwimi  hat  eine  stattliche  Breite,  die  zwischen 
400  und  1000  m  schwankt,  wodurch  er  ein  seenartiges  Aussehen  gewinnt, 
und  führt  gewaltige  Wassermassen  mit  sich.  Kamen  die  Weißen  in  Sicht, 
so  ließen  die  Eingeborenen  an  den  Ufern  dumpfe  und  weithin  hörbare 
Trommeln  ertönen,  welche  das  Nahen  der  Expedition  dem  nächsten  Dorfe 
ankündigten.  Auf  diese  Weise  wurde  sie  auf  Hunderte  von  Kilometern  im 
voraus  angemeldet.  Auch  die  Fahrt  über  die  Stromschnellen  veranschaulichte 
der  Vortragende  durch  vorzügliche  kinematographische  Vorführungen. 

In  Basoko,  wo  die  Expedition  von  dem  Sultan  und  den  belgischen 
Beamten  die  liebenswürdigste  Aufnahme  fand,  bestiegen  die  Reisenden  am 
14.  Mai  1908  den  Dampfer  „Flandre",  der  sie  in  lOtägiger  Fahrt  nach 
Leopoldville  beförderte.  Boma  wurde  am  24.  Mai  erreicht,  worauf  die  Heim- 
fahrt auf  dem  Dampfer  „Mandingo'^  erfolgte. 

Am  Schlüsse  des  Vortrags  faßte  Seine  Hoheit  noch  einmal  kurz  die 
wissenschaftlichen  Ergebnisse  der  Expedition  zusammen,  unter  denen  er 
besonders  die  Feststellung  der  Westgrenze  des  Kiwu-Sees  und  seiner  geologi- 
schen Zusammengehörigkeit  mit  dem  Albert-Edward-See  hervorhob.  Topo- 
graphisch wurden  5900  qkm  Land  aufgenommen,  5000  photographische 
Aufnahmen  gemacht,  14  magnetische  und  10  astronomische  Stationen  wurden 
festgelegt,  die  Vulkane  geologisch  erforscht,  11  Vulkanausbrüche  konnten 
photographisch  aufgenommen  werden.     Die  Sammlungen  weisen  u.  a.  auf: 


—    46    — 

884  S&nger,  240  Felle,  150  ganze  Tiere,  800  Fische,  8000  Insekten,  im 
ganzen  ungefähr  15,000  Zoologica,  etwa  öOOO  ethnographische  Stücke  and 
über  1000  Menschenschädel.  40  Sprachen  konnten  phonographisch  aofge- 
nommen  werden. 

Nachdem  der  Redner  schließlich  für  die  allseitige  Unterstützung,  die  er 
bei  Bekanntwerden  der  Expedition  erfahren  habe,  seinen  Dank  ausgesprochen 
hatte,  gab  er  dem  Wunsche  Ausdruck,  daß  es  immer  so  hochherzige  Leute 
geben  möge,  die  die  Arbeit  der  Pioniere  da  draußen  unterstützen,  und  wies 
darauf  hin,  daß  eine  so  große  Expedition  nur  durch  das  uneigennützige,  von 
patriotischem  Geist  getragene  Zusammenwirken  vieler  deutscher  Männer 
möglich  gewesen  sei. 

(Inzwischen  erschien  das  Werk  Seiner  Hoheit :  Ins  innerste  Afrika.  Be- 
richt über  den  Verlauf  der  deutschen  wissenschaftlichen  Zentral- Afrika-Expe- 
dition.   1907—1908.    Leipzig,  Verlag  von  Rlinkhardt  &  Biermann  1909.) 

Montag,  den  29.  März  1909. 

Herr  Professor  Dr.  Sven  von  Hedin-Stockholm:  Meine 
neueste  große  Forschungsreise  in  Tibet  1906—1908.  (Licht- 
bilder.) 

Der  Herr  Vortragende  begann  seine  Ausführungen  mit  dem  Hinweise, 
wie  schwierig  es  sei,  eine  Reise  im  Laufe  einer  Stunde  zu  schildern,  die 
drei  Jahre  und  drei  Monate  in  Anspruch  genommen  habe.  Er  trat  seine  Ex- 
pedition, die  fünfte  in  Zentralasien,  von  Stockholm  aus  im  Oktober  190d  an. 
Sie  führte  ihn  durch  Europa,  Persien,  Balutschistan  und  Kaschmir  zur  west- 
lichen Grenze  von  Indien,  dann  nach  Ladak  und  im  Oktober  1906  nach  Leb, 
der  Hauptstadt  von  Ladak  und  dem  eigentlichen  Ausgangspunkt  der  Reise. 
In  Leh  wurde  die  erste  Karawane  zusammengestellt :  26  Mann  und  30  Maul- 
tiere und  Pferde;  sie  nahm  Proviant  für  etwa  ein  halbes  Jahr  mit,  femer 
eine  vollständige  Ausrüstung  an  wissenschaftlichen  Instrumenten. 

Tibet  ist  das  größte  Bergland  der  Erde,  mit  den  größten  und  höchsten 
Erhebungen.  Es  ist  viermal  so  groß  wie  Frankreich  und  grenzt  im  Westen 
an  das  Pamirgebirge,  im  Nordwesten  an  Ost-Turkestan,  im  Osten  an  China 
und  im  Süden  an  den  Himalaja  und  an  Britisch-Indien.  Während  aber  auf 
den  neuesten  Karten,  auch  noch  auf  der  letzten  Ausgabe  der  Royal  Geo- 
graphical  Society  in  London,  Tibet  als  ein  Hochplateau  erscheint  zwischen 
dem  Kwenlun  im  Norden  und  Himalaja  im  Süden  mit  Gebirgen,  die  nur 
eine  kurze  Ausdehnung  in  Ketten  oder  Gruppen  zeigen,  ist  es  tatsächlich 
nach  den  neuesten  Foschungen  Hedins  eine  Hochfläche  mit  mächtigen  Gebirgs- 
ketten, die  von  dem  Gebirgsknoten  im  Westen,  auslaufend  wie  die  Finger 
einer  Hand,  sich  in  fortlaufenden  Zügen  bis  nach  China  hinein  erstrecken. 
Unter  ihnen  bildet  der  Transhimalaja,  der  zwar  im  Osten  und  Westen 
stückweise  bekannt  war,  von  dem  aber  niemand  den  Zusammenhang  beider 
Teile  ahnte,  die  gewaltigste  und  höchste  Gebirgskette  der  Erde,  ungefähr 
1800  km  lang,  im  Osten  100  bis  120,  im  Westen  30  Meilen  breit.  Vom 
Himalaja  wird  sie  nur  durch  die  Höhe  seiner  Gipfel  übertroffen.  Der  Trans- 
himalaja bildet  die  Wasserscheide  zwischen  dem  Ozean  und  dem  abflußlosen 


—    47    — 

Inner- Asien.  Zwischen  den  Gebirgsketten  von  Tibet  breiten  sich  ziemlich 
breite  und  offene  Längstäler  aus.  Jedes  Tal  zerfällt  in  eine  Reihe  in  sich 
abgeschlossener,  abflußloser  Becken,  und  in  der  Mitte  eines  jeden  Beckens 
befindet  sich  an  der  tiefsten  Stelle  in  der  Regel  ein  Salzsee,  in  den  die 
Ströme  und  Bäche  von  Regenwasser  und  geschmolzenem  Schnee  aus  dem 
umliegenden  Gebirge  fließen.  Das  Wasser  dieser  Seen  verdunstet  mehr  Und 
mehr,  sodaß  sie  im  Laufe  der  Jahrtausende  immer  salziger  geworden  sind. 

Tibet  ist  auch  das  größte  Faltenland  der  Erde  und  deshalb  ist  es 
leichter  hier  von  Osten  nach  Westen  zu  marschieren  und  umgekehrt  als  von 
Norden  nach  Süden,  in  welcher  Richtung  man  eine  Menge  hoher  Pässe  zu 
überschreiten  hat.  Die  ganze  westliche  Hälfte  des  Landes  liegt  überall  höher 
als  der  Gipfel  des  Montblanc.  Das  gilt  sogar  von  den  Tälern  und  Salzseen, 
während  die  Gebirge  sich  zeitweilig  noch  1000  m  höher  erheben.  Bei  dieser 
Riesenhöhe  ist  das  Klima  sehr  streng,  die  Luft  sehr  dünn,  das  Herz  hat  die 
doppelte  Arbeit  wie  an  der  Meeresküste  zu  verrichten.  Gras  wächst  nur  an 
wenigen  Stellen,  und  Weideplätze  sind  schwer  zu  finden.  Doch  gibt  es  in 
Tibet  eine  große  Menge  wilder  Tiere,  Yaks,  Ochsen,  Wölfe,  Wildesel  neben 
Antilopen,  Gazellen,  Schafen,  welche  die  Stellen  des  Graswuchses  in  den  ge- 
schützten Tälern  seit  Generationen  kennnen.  Eine  Karawane,  die  nur  durch 
Zufall  Gras  findet,  ist  schon  von  Anfang  an  dem  Untergang  geweiht,  deshalb 
haben  von  den  130  Tieren  der  Expedition  nur  6  die  ganze  Reise  bis  Schigatse 
überstanden. 

Der  Herr  Vortragende  gab  hierauf  eine  eingehende  Übersicht  über  die 
wichtigsten  Forschungsreisen  in  Tibet,  wobei  er  besonders  an  Schlagin  weit 
erinnerte,  der  in  Kaschgar  ermordet  wurde,  im  Süden  an  die  Reisen  von 
Younghusband  und  Rawling,  im  Osten  an  Filchner  und  Tafel.  Über  Lhassa 
mit  seinen  Tempeln  hat  Pater  Georgi  ein  schönes  und  ausführliches  Buch 
geschrieben.  Sodann  begann  er  mit  der  Schilderung  seiner  letzten  Expedition, 
die  am  14.  August  1906  von  Labore  aus  angetreten  wurde  und  aus  130  Tieren 
und  25  Ladaken  bestand.  Karawanenführer  war  Mohamed  Jsa,  ein  zu- 
verlässiger Mohammedaner  mit  30jährigen  Erfahrungen  in  Tibet,  der  die 
Expeditionen  von  Younghusband,  Ryder  und  Rawling  mitgemacht  hatte  und 
von  Y'ounghusband  empfohlen  worden  war.  Proviant  wurde  für  einen  Monat 
mitgenommen.  Die  neue  Reise  hatte  den  Zweck,  die  noch  übrigen  weißen 
Flecken  auf  der  Karte  auszufüllen ;  einer  derselben,  am  Nordende  des  Bramah- 
putra  gelegen,  mit  der  größte  der  Erde,  übertrofFen  vielleicht  nur  von  der 
Antarktis,  dem  Gebiete  des  Amazonas  und  vom  südlichen  Arabien.  Hedin 
brach  von  Leh  zunächst  in  nördlicher  Richtung  auf,  überschritt  den  Karakorum, 
schwenkte  dann  ostwärts  nach  Tibet  ab,  welches  er  in  südöstlicher  Rich- 
tung bis  Schigatse  durchquerte.  Unter  großen  Entbehrungen  und  Verlusten 
wurde  die  Buka-Mangna- Kette  überschritten ;  an  einem  Tage  gingen  9  Tiere 
verloren. 

Nach  83  Tagen  wurden  bei  dem  von  Dutreuil  de  Rhins  entdeckten 
Ammoniaksce  die  ersten  Nomaden  angetroffen,  neuer  Proviant  und  Tiere 
konnten  angekauft  werden.  Am  Flusse  Bogtsangtsangpo  kreuzte  die  Ex- 
pedition die  vorige  Reise-Route,  verbrachte  Weihnachten  am  Dumbok-tso  und 
blieb  zur  Erholung  in  Ngantse-tso  längere  Zeit,  die  dem  Studium  der  Tiefen 


—    48    — 

and  der  Entstehung  der  Seen  gewidmet  wurde.  Der  Goavemeur  Ton  Nan- 
tsang-jong,  derselbe  der  schon  1901  die  Expedition  zur  Rückkehr  gezwangen 
hatte,  verbot  zwar  anfangs  die  Weiterreise,  gab  aber  bald  seinen  Widerstand 
aaf  zar.r'großen  Überraschung  Hedins,  weil  er  glaubte,  dieser  hätte  geheime 
Erlaubnis,  nach  Schigatse  zu  gehen.  Der  Ärmste  hat  durch  diesen  Glauben 
freilich  seine  Stellung  verloren,  was  den  Vortragenden  zwar  sehr  geschmerzt 
bat,  doch  meinte  er,  sein  geographisches  Gewissen  habe  mit  seinem  ge- 
wöhnlichen nichts  zu  tun.  Im  letzten  Teil  des  Weges  zwischen  dem  Ngantse- 
tso  und  dem  Tale  des  Tsangpo,  des  Oberlaufes  des  Brahmaputra,  bis  nach 
Schigatse,  wurden  die  Gebirgsketten  Nientschen-Tang-la  mit  hohen  Pässen 
überstiegen,  von  denen  der  Sela-la-Pass  der  höchste  ist.  Die  Gipfel  der  Kette 
erheben  sich  bis  zu  7700  m.  Dieses  Gebirgssystem  ist  von  verschiedenen 
Reisenden  bereits  gekreuzt  worden,  doch  war  der  Chalamba-la-Pass  der 
westlichste  bekannte  und  überschrittene  Pass ;  der  Sela-la-Pass  liegt  170  km 
westlich  davon. 

Von  diesem  westlichen  Gebirgssystem,  dem  Transhimalaja,  war  bisher 
noch  gar  nichts  bekannt.  Nachdem  der  Sela-la-Pass  überschritten  war,  wurde 
im  Süden  nach  einem  schroffen  Abstieg  der  My-tschu,  ein  Nebenfluß  des 
Raga-Tsangpo  entdeckt,  der  größte  Nebenfluß  des  Brahmaputra.  In  seinen 
Tälern  lebt  eine  ziemlich  dichte  Bevölkerung,  keine  Nomaden,  sondern  seß- 
hafte Leute,  die  in  Dörfern  beisammen  wohnen  und  Tempel  und  Klöster 
haben.  Die  Lamas  in  diesen  Klöstern  haben  eine  eigentümliche  Sitte.  In 
einer  Art  von  religiösem  Fanatismus  opfern  sie  manchmal  den  Rest  ihres 
Lebens  ganz  der  Mystifikation  in  einer  Höhle  im  Gebirge,  weit  von  ihrer 
Heimat.  Ein  Lama  begibt  sich  in  eine  solche  dunkle  Höhle,  in  welcher  er 
sich,  ohne  seinen  Namen  zu  nennen,  einmauern  läßt  und  so  von  der  Erde 
verschwindet.  Kein  Mensch  erfährt  wieder  etwas  von  ihm.  Die  Höhle  wird 
hinter  ihm  zugemauert  und  seine  Nahrung  wird  ihm  durch  einen  unterirdischen 
Gang  hineingeschoben.  Bleiben  die  Nahrungsmittel  einige  Male  unberührt, 
so  ist  das  ein  Zeichen,  daß  der  Lama  entweder  krank  oder  tot  ist.  Wieder- 
holt es  sich,  so  wird  die  Leiche  herausgeholt,  feierlich  verbrannt  und  die 
Asche  in  einem  Turm  beigesetzt.  Der  Lama  gilt  dann  als  Heiliger.  In 
dieser  Weise  hatte  ein  Lama  3  Jahre  in  einer  Höhle  gelebt,  ein  anderer 
15  Jahre  und  ein  dritter,  der  vor  10  Jahren  gestorben  war,  sogar  69  Jahre 
im  Dunkeln  zugebracht.  Einige  Lamas  leben  nur  1  Jahr,  andere  3  Jahre, 
wieder  andere  nur  Monate  in  solchen  Höhlen  und  kommen  dann  wieder  ans 
Tageslicht. 

Nach  mehrtägigem  Marsche  auf  dem  Nordufer  des  Tsangpo  und 
zweitägiger  Bootsfahrt  langte  der  Vortragende  am  9.  Februar  1907  in 
Schigatse  an,  wo  er  47  Tage  verweilte.  Schigatse  ist  nach  Lhassa  die  zweit- 
größte Stadt  in  Tibet.  Hier  in  Schigatse  oder  vielmehr  ganz  außerhalb  der 
Stadt  befindet  sich  der  große  Tempel  des  Taschi-Lama,  in  welcher  dieser 
residiert.  Er  ist  der  Papst  von  Süd-Tibet  und  hat  denselben  religiösen  Rang 
wie  der  Dalai-Lama.  Stirbt  der  Taschi-Lama,  so  wandert  seine  Seele  in  den 
Körper  eines  Knaben,  der  gerade  zur  Todesstunde  geboren  wurde.  Dieser 
wird  aufgesucht  und  heilig  gesprochen.  Es  traf  sich  glücklich,  daß  der 
Redner  in  Schigatse  gerade  zu  den  Neujahrsfeierlichkeiten  eintraf,  die  20  Tage 


—    49    — 

dauern,  and  an  denen  sich  Pilger  aus  ganz  Tibet  und  Repräsentanten  der 
Yielen  Mongolen- Völkerschaften  im  Norden  hier  in  der  heiligen  Tempelstadt 
Tashi-lanpo  einfinden. 

Die  Pilger  sammeln  sich  in  einem  Platz,  der  von  Galerien  umgeben 
ist,  auf  denen  die  Tibeter  sich  niederlassen.  In  der  Mitte,  in  einer  Loge,  sitzt 
der  Taschi-Lama,  umgeben  von  seinen  Kardinälen  und  empfängt  die  Grüsse 
der  verschiedenen  Lama-Korporationen.  Die  Kardinale  sind  ehrwürdige  Herren, 
ebenso  ehrwürdig  wie  die  Kardinäle  in  Rom.  Teufelstänze  werden  aufgeführt, 
um  die  bösen  Geister  wegzujagen,  begleitet  von  einer  donnernden,  bizarren 
und  disharmonischen  Musik;  die  Gesänge  dagegen  sind  hübsch.  Am  Ende 
des  ersten  Tages  wird  in  der  Mitte  des  großen  Platzes  ein  Feuer  angezündet, 
zwei  Lamas  treten  hervor  und  werfen  Papiere,  auf  denen  alle  möglichen 
unangenehmen  Sachen  verzeichnet  stehen,  welche  man  für  das  nächste  Jahr 
los  zu  werden  wünscht,  in  die  Flammen.  Das  Papier  wird  vom  Feuer  ver- 
zehrt und  damit  auch  die  unangenehmen  Sachen. 

Der  Vortragende  fand  beim  Taschi-Lama  die  liebenswürdigste  Aufnahme 
und  konnte  sich  in  den  Klöstern  und  Tempeln  vollständig  frei  bewegen  und 
durfte  auch  photographische  Aufnahmen  machen.  Auch  hörte  er  Vorlesungen 
der  Professoren  der  Theologie  an  und  wohnte  Disputationen  um  den  Doktor- 
grad bei,  bei  welchen   der  Taschi-Lama  selbst  als  Opponent  anwesend  war. 

Endlich  kamen  Gesandte  aus  Lhassa,  welche  den  Reisenden  zur  Rück- 
kehr nach  Indien  bewegen  sollten.  Nach  längeren  Verhandlungen  aber  gaben 
sie  die  Erlaubnis  zur  Weiterreise  nach  Ladak,  wohin  am  28.  März  1907  auf- 
gebrochen wurde.  In  westlicher  Richtung,  80  km  am  Tsangpo,  darauf  an 
seinem  Nebenfluß  Raga-Tsangpo  entlang,  überschritt  Hedin  den  Transhimalaja 
bei  dem  Passe  Tschang-la  Pod-la  und  erreichte  den  See  Dangra-jum-tso,  an 
dessen  Südufer  sich  der  Berg  Targo-gangri  erhebt,  einer  der  schönsten  und 
höchsten  Berge  des  Himalaja.  An  seinem  östlichen  Fuße  liegt  das  Kloster 
Särschitz-gumpa,  dessen  Lamas  der  Pembo-Sekte  angehören.  Zwischen  dieser 
Sekte  und  den  Orthodoxen  gibt  es  einen  großen  Unterschied.  Diese  drehen 
ihre  Gebetsmühlen  nach  der  einen,  jene  nach  der  anderen  Seite,  und  zwischen 
ihnen  besteht  ein  tötlicher  Haß.  Der  See  gilt  den  Tibetanern  als  heilig,  und 
wer  in  ihm  gebadet  hat,  ist  vor  Räubern  und  Krankheit  geschützt.  Außer 
ihm  gibt  es  noch  2  andere  heilige  Seen  in  Tibet,  die  alle  3  von  Pilgern 
besucht  werden.  Nachdem  auf  dem  Weitermarsche  der  große  See  Schuru-tso 
am  Nordfuß  des  Transhimalaja  entdeckt  und  dieser  etwa  100  km  westlich 
wiederum  überschritten  war,  ging  es  zum  Brahmaputra  hinab.  Unterwegs 
in  Saka  starb  der  Führer  Mohamed  Isa,  dessen  Tod  für  die  Expedition 
einen  schweren  Verlust  bedeutete.  Nach  erfolglosen  Versuchen  in  die  bisher 
unbekannte  Provinz  Bongba  einzudringen,  sowie  einem  Abstecher  nach  Nepal, 
wurde  der  Weg  nach  Westen  weiter  fortgesetzt,  um  die  bisher  vergeblich 
gesuchte,  wirkliche  Quelle  des  Tsangpo  zu  entdecken.  Wiederum  wurde  die 
Hauptkette  auf  2  Pässen  überschritten.  Im  Norden  fließt  das  Wasser  zum 
Tsangpo,  von  dem  aus  sich  der  Boden  ganz  langsam  und  für  das  Auge  kaum 
merklich  erhebt,  in  Süden  zum  Ganges,  zu  dem  der  Abfall  fast  vertikal 
herunter  eriolgt.  Es  wäre  leicht  und  nur  eine  Geldfrage,  durch  einen  Kanal 
den  oberen  Brahmaputra  zu  zwingen,  ein  nördlicher  Nebenfluß  des  Ganges 


-     50    — 

zu  werden.  Bei  der  Entdeckung  der  Quelle  des  Brahmaputra,  der  aus  den 
Gletschern  des  Kuhi-gangri  entspringt,  wurde  rein  wissenschaftlich  vorge- 
gangen und  das  Problem  durch  genaue  Messung  der  Wassermengen  sämtlicher 
Nebenflüsse  systematisch  gelöst. 

Von  dort  ging  es  weiter  westlich  zu  den  heiligen  Seen  Manasarovar 
und  Rakas-tal,  von  denen  der  erstere  durch  einen  unterirdischen  Abfluß  sich 
in  den  letzteren  entleert.  Auch  ihr  Wasser,  das  nicht  wie  Quellwasscr  ist, 
wurde  genau  gemessen.  Die  Aufnamen  auf  dem  Manasarovar  mußten  einmal 
nachts  geschehen,  da  am  Tag  der  See  unruhig,  nachts  aber  so  glatt  wie  ein 
Spiegel  war.  Da  gewährte  es  denn  einen  wundervollen  Anblick,  wenn  die 
Landschaft  ringsum  noch  in  die  Schatten  der  Nacht  gehüllt  war  und  die 
Gebirge  am  östlichen  Ufer  sich  wie  Silhouetten  ganz  schwarz  vom  Hinter- 
grunde abhoben,  die  ersten  Strahlen  der  Sonne  die  Gipfel  der  fernsten  Schnee- 
berge beleuchteten,  die  Wolken  allmählich  rosenrot  sich  färbten,  bis  schließlich 
alles  in  ein  Feuermeer  verwandelt  zu  sein  schien. 

Hier  liegt  ein  heiliger  Berg  Kailas,  nach  dem  Glauben  der  Hindus  der 
Sitz  des  Paradieses  Schiwas.  Einmal  im  Jahre  komme  der  Gott  zum  See« 
um  darin  als  weißer  Schwan  zu  schwimmen,  weshalb  der  See  von  zahlreichen 
Pilgern  besucht  wird,  welche  um  den  Berg  Wanderungen  ausführen,  be- 
sonders alle  12  Jahre.  Sie  gehen  in  derselben  Richtung,  wie  die  Zeiger  einer 
ühr,  die  Taschi-Lamas  gehen  jedoch  umgekehrt.  Ein  Pilger,  der  den  Berg 
13  mal  umwandert  hat,  erhält  für  alle  seine  Sünden  Vergebung,  derjenige 
aber,  der  den  ganzen  Weg  mit  der  Länge  seines  Körpers  mißt,  indem  er  sich 
hinlegt  und  so  die  Strecke  hinter  sich  bringt,  braucht  das  nur  einmal  zu 
tun.  um  der  eben  genannten  Belohnung  teihaftig  zu  werden.  Der  Vortragende 
hat  die  Wanderung  ebenfalls  ausgeführt,  aber  zu  Pferde,  was  aber  nicht 
gezählt  wurde.  Dort  ist  auch  ein  Tunnel,  durch  den  jeder  ehrliche  Mann 
hindurchkriechen  kann,  ein  Schurke  bleibt  stecken.  Ein  Diener  Hedins  ver- 
suchte hindurchzukommen,  er  mußte  aber  mit  Stricken  an  den  Füßen  wieder 
herausgezogen  werden. 

Nicht  weit  westlich  hiervon  befindet  sich  auch  die  Quelle  des  Satledsch, 
des  bedeutendsten  Nebenflusses  des  Indus,  die  unschwer  erreicht  und  auf 
dieselbe  Weise  wie  die  des  Indus  selbst  und  des  Tsangpo  festgestellt  wurde. 

Von  Gartok  aus,  wo  2  tibetische  Vizekönige  wohnen,  die  sich  gegen- 
seitig kontrollieren,  folgte  Hedin  dem  Oberlaufe  des  Indus  entlang,  nachdem 
sein  Versuch,  direkt  nach  Norden  durchzubrechen,  an  dem  Widerstände  der 
tibetischen  Behörden  gescheitert  war.  Doch  auch  jetzt  gab  er  seinen  Plan, 
das  ganze  westliche  Tibet  zu  erforschen,  nicht  auf.  Mit  einer  neuen,  durch 
vorausgesandte  Boten  in  Leh  zusammengesetzten  Karawane  von  12  Mann 
und  40  Tieren,  brach  er  Ende  November  1906  von  Durga,  östlich  von  Leh, 
auf,  angeblich  um  über  Chotan  nach  Peking,  wie  er  durch  Reuter  telegraphieren 
ließ,  zu  reisen.  Der  neue  Führer  Abdul  Kerim  war  zwar  ein  ehrlicher  Mann, 
dafür  aber  ein  um  so  größerer  Dummkopf,  der  für  die  Männer  für  etwa 
3  Monate  Proviant,  für  die  Tiere  aber  nur  für  kaum  20  Tage  Futter  mit- 
genommen hatte.  Nachdem  die  Dapsang-Ebene  überschritten  war,  wandte 
sich  Hedin  nach  Norden  zum  Karakorumgebirge  und  den  Nebenflüssen  des 
oberen  Indus,  um  dann  plötzlich  nach  Osten  umzuschwenken  und  die  tibetische 


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Grenze  wieder  zu  überschreiten.  Es  war  die  schlimmste  Reise,  die  er  Je 
gemacht  hatte.  Unter  den  größten  Beschwerden,  bei  furchtbarster  Kälte,  —  das 
Thermometer  sank  bis  40  ^  —  und  bei  anhaltenden  Schneestürmen  wurden  die 
Seen  Shemen-tso  und  Lemtschung-tso  erreicht  und  der  Weg  nach  Südosten 
fortgesetzt.  Fast  sämtliche  Tiere  gingen  ein.  Endlich  nach  64t&giger 
Wanderung  wurden  wieder  die  ersten  Nomaden  angetroffen,  von  denen  man 
Schafe  kaufen  und  Träger  erhalten  konnte.  Jetzt  yerbrannte  der  Reisende 
seine  europäische  Kleidung  und  verwandelte  sich  in  einen  Ladaker  mit  Pelz 
und  täglich  schwarz  gemachten  Gesicht  und  Händen,  ohne  jedoch  so  schmutzig 
zu  werden,  wie  ein  Eingeborener.  Während  er  als  der  niedrigste  Diener 
Abdul  Kerims  galt  und  Schafe  treiben  mußte,  wozu  er  allerdings  wenig 
Geschick  zeigte,  wenn  man  Nomaden  begegnete,  galt  jener  als  Führer  der 
Expedition,  die  sich  freilich  in  solchen  Momenten  allerlei  Freiheiten  erlaubte. 
Die  Instrumente  und  Aufzeichnungen  wurden  in  Reissäcken  versteckt. 
Während  eines  Sturmes  gingen  sämtliche  Hunde  verloren,  weshalb  neue  ge- 
kauft wurden,  von  denen  der  bissigste  an  Hedins  Zelt  gebunden  wurde  und 
ihm  alle  Tibeter  vom  Leibe  hielt.  Unter  solchen  Vorsichtsmaßregeln  wurden 
wieder  das  Karakorumgebirge  und  eine  große  Anzahl  von  Pässen  über- 
schritten, welche  zu  der  bis  dahin  unbekannten  Provinz  Bongba  führten, 
welche  mehrfach  durchquert  wurde.  Sie  zerfällt  in  11  Bezirke,  vor  deren 
Namen  immer  Bongba  steht.  Sie  ist  die  wohlhabendste  und  wichtigste 
Provinz  Tibets,  und  von  ihrer  Existenz  hat  selbst  China  keine  Ahnung 
gehabt.  Dann  gelangte  die  Expedition  wieder  an  die  Hauptkette  des 
Transhimalaja.  Auf  die  Dauer  ließ  sich  die  Verkleidung  Hedins  jedoch  nicht 
aufrecht  erhalten,  und  nachdem  es  gelungen  war,  mehrfach  tibetische 
Häuptlinge,  die  behaupteten,  es  müsse  sich  im  Lager  ein  Europäer  befinden, 
zu  täuschen,  wurde  er  gezwungen,  sein  Incognito  aufzugeben.  Als  am 
24.  April  1908  verschiedene  tibetische  Beamte,  darunter  3  alte  Bekannte 
Hedins  im  Lager  erschienen  mit  dem  Auftrage  der  Regierung,  jeden  einzelnen 
Mann  sowie  jedes  Gepäckstück  zu  untersuchen,  hielt  er  es  für  klüger, 
sich  zu  erkennen  zu  geben,  worauf  sich  eine  charakteristische  Szene  ent- 
wickelte. Auf  die  Frage,  warum  er  das  Land  wieder  betreten  habe,  obgleich 
er  doch  Befehl  erhalten  habe,  es  zu  verlassen,  antwortete  Hedin,  weil  er  ihr 
Land  und  sie  alle  so  furchtbar  liebe  und  ohne  sie  nicht  leben  könne,  deshalb 
komme  er  auch  immer  wieder.  Darauf  erwiderten  sie,  das  sei  ja  sehr  freundlich, 
aber  er  könne  ja  auch  sein  eigenes  Land  ein  wenig  lieben  und  Tibet  ver- 
lassen. Als  dann  der  Gouverneur  des  Landes  selbst  im  Lager  erschien  und 
Hedin  zur  Rückkehr  und  zwar  auf  demselben  Wege,  den  er  gekommen  war, 
zwingen  wollte,  da  erhielt  er  von  diesem  zur  Antwort,  das  sei  unmöglich, 
lieber  wolle  er  sterben,  denn  ein  Gesetz  seines  Landes  verbiete  ihm,  in  seine 
eigenen  Fußtapfen  zu  treten,  was  dem  Tibeter  allerdings  sehr  sonderbar 
vorkam. 

Hedin  hatte  aber  seinen  Zweck  völlig  erreicht,  er  befand  sich  wieder 
in  gänzlich  unerforschtem  Gebiete  und  setzte  es  nach  mehrtägigen  Ver- 
handlungen mit  dem  Gouverneur  durch,  daß  er  sich  seine  Abzugsroute  selbst 
wählen  durfte.  Am  5.  Mai  brach  er  unter  militärischer  Bedeckung  nach 
Nordeu  auf,  überschritt  den  Transhimalaja,  verfolgte  den  Tschaktak-tsangpo 


—    52    - 

bis  zur  Quelle,  worauf  er  den  See  Teri-nam-tso  näher  erforschte.  Nachdem 
er  dann  nach  Westen  zu  den  großen  Fluß  Soma-tsangpo  erreicht  hatte  und 
nach  abermaliger  Übersteigung  des  (lebirges  an  den  See  Nganglaring-tso 
gekommen  war,  um  schließlich  den  Transhimalaja  auf  zwei  Pässen  zum 
10.  Male  zu  durchqueren,  erreichte  der  kühne  Forscher  auf  bekannten  Wegen 
Simla,  wo  er  am  lö.  September  anlangte  und  am  vizeköniglichen  Hofe  mit 
den  größten  Ehren  empfangen  wurde. 

(Vgl.  auch  des  Redners  inzwischen  erschienenes  Werk:  Transhima- 
laja. Entdeckungen  und  Abenteuer  in  Tibet.  1 — 2.  Leipzig,  F.  A.  Brock- 
haus 1909.) 

Mittwoch,  den  27.  Oktober  1909. 

Herr  Pf  arrer  Lic.  Dr.  Karl  Schwarzlose-Frankfurt  a.  M.: 
Rumänien,  Land  und  Leute.    (Lichtbilder.) 

Der  Redner  hatte  im  August  und  September  1909  eine  Studienreise 
nach  Rumänien  unternommen.  Da  er  für  diese  Reise  mit  den  maßgebendsten 
Empfehlungen  des  Auswärtigen  Amtes  in  Berlin  ausgestattet  war  und  von 
der  rumänischen  Staatsregierung  sowie  vom  deutschen  Gesandten  Exzellenz 
von  Eiderlen -Wächter  in  der  liebenswürdigsten  Weise  gefördert  wurde,  so 
gelang  es  ihm,  in  yerhältnismäßig  kurzer  Zeit  einen  guten  Überblick  über 
das  Land  zu  gewinnen,  welches  er  nach  allen  Richtungen  hin  durchquerte. 
Er  führte  etwa  folgendes  aus: 

Das  Königreich  Rumänien  teilt  mit  den  benachbarten  Balkan- 
staaten das  Mißgeschick,  daß  noch  recht  viele  unrichtige  und  ungünstige 
Urteile  darüber  im  Kurs  sind.  In  diese  Rubrik  gehört  z.  B.  das  Gerede  von 
der  ünsauberkeit  und  von  den  Judenverfolgungen.  K.  E.  Franzos  gab  Mitte  der 
siebziger  Jahre  seinen  Reiseschilderungen  über  das  südöstliche  Europa  den  Titel 
„Halbasien^.  Diese  Bezeichnung  war  schon  damals  übertrieben.  Und  daß  sie 
heute  ein  schreiendes  Unrecht  für  Rumänien  wäre,  sieht  wohl  jeder  ein,  wenn 
er  bedenkt,  daß  in  diesem  Lande  seit  43  Jahren  einer  der  tüchtigsten  Hohen- 
zollemfürsten  mit  Einsetzung  aller  seiner  Kräfte  Kulturarbeit  geleistet  hat, 
daß  hier  die  geistreiche  und  kunstsinnige  Carmen  Sylva  als  Königin  Hof 
hält  und  außerdem  viele  deutsche  Landsleute  in  allen  möglichen  BemfsarbeiteB 
tätig  sind.  Es  gibt  allein  25  deutsch-evangelische  Gemeinden,  allerdings  mit 
sehr  verschiedener  Seelenzahl.  In  einer  Finanzstadt  wie  Frankfurt  wird  die 
Mitteilung  das  Interesse  steigern,  daß  Deutschland  mit  seiner  Geldkraft  stark 
an  Rumänien  beteiligt  ist;  denn  nicht  nur  die  junge  rumänische  Industrie 
wird  zum  großen  Teil  durch  deutsches  Kapital  ermöglicht,  sondern  auch 
53%  der  rumänischen  Anleihen,  nämlich  170Mill.fr.,  sind  in  Deutschland 
untergebracht. 

Das  heutige  Königreich  Rumänien  wird  oft  irrig  zu  den  Balkan- 
staaten gerechnet;  es  ist  aber  ein  noch  zu  Mitteleuropa  gehörender  D onau- 
staat.  Sein  Flächenraum  wird  gegenwärtig  vom  Großen  Generalstab  der 
rumänischen  Armee  neu  vermessen.  Das  Resultat  dieser  Arbeiten  steht  noch 
nicht  fest;  deshalb  müssen  wir  die  Oberfläche  noch  nach  der  alten  Zahl  Yon 
131353  qkm  angeben,  eine  Größe,  die  ziemlich  genau  derjenigen  von  Sttd- 


—    68    — 

deutschland  einschließlich  der  Reichslande  entspricht.  Während  aher  diese 
deutschen  Gehiete  von  rund  14  Bfill.  Menschen  hewohnt  werden,  hat  Rumänien 
nur  6  */4  Mill.  Einwohner.  Es  setzt  sich  aus  drei  Bestandteilen  zusammen, 
aus  der  Walachei  mit  rund  77000,  der  Moldau  mit  rund  38000  und 
der  Dohrudscha  mit  rund  15000  qkm.  Die  Moldau  war  ursprünglich 
das  umfangreichere  der  beiden  Donaufürstentümer,  denn  sie  umfaßte  ehedem 
auch  die  Bukowina  mit  rund  10500  qkm,  welche  Osterreich  1774  besetzte, 
und  Bessarabien  mit  rund  45 600  qkm,  dessen  letzte  Distrikte  Kußland 
vertragswidrig  1878  für  sich  in  Anspruch  nahm,  wofür  dann  Rumänien  die 
südlich  der  Donaumündungeki  gelegene  Dohrudscha  erhielt.  Man  zählt 
in  Europa  gegenwärtig  etwa  12  Millionen  Rumänen ;  von  diesen  wohnen  im 
Königreich  nur  6  Millionen,  die  übrigen  6  Millionen  verteilen  sich  auf  Österreich- 
Ungarn,  Rußland,  Serbien,  Bulgarien,  Türkei  und  Griechenland.  In  Ungarn 
bewegt  sich  das  rumänische  Volkstum  spürbar  in  aufsteigender  Linie.  Die 
Rumänen  auf  türkisch-griechischem  Boden  sind  die  am  Pindosgebirge  seßhaften 
Zinzaren  oder  Kutzowalachen,  auch  Aromunen  genannt.  Mit  Rücksicht  auf 
diese  Stammesgenossen  hat  auch  Rumänien  ein  Interesse  an  der  mazedonischen 
Frage. 

Interessant  ist  die  Entstehung  des  rumänischen  Volkstums.  Ursprünglich 
wohnten  zu  beiden  Seiten  der  Karpathen  Dacier,  ein  thrazischer  Volks- 
stamm. Mit  diesem  verinischten  sich  die  Kolonisten,  welche  Kaiser  Trajan 
am  Anfange  des  2.  christl.  Jahrhunderts  nach  Eroberung  Daciens  in  die  ent- 
völkerte Donauebene  berief.  Aus  dieser  Mischung,  bei  der  die  römische 
Kultur  und  die  lateinische  Verkehrssprache  das  Bindemittel  abgab,  entstand 
das  dakoromanischeVolkstum.  Die  Dakoromanen  waren  vornehmlich 
Hirten;  das  Herz  ihrer  Wohnsitze  war  die  Ölten ia,  die  zwischen  Donau 
und  Alt  gelegene  sogenannte  kleine  Walachei,  wo  sich  dem  wald-  und 
schluchtenreichen  Karpathengebirge  verschiedene  andere  Bergketten  verlagern. 
Ohne  den  starken  Schutz  der  Karpathen  wäre  das  junge  dakoromanische 
Volkstum  in  den  Stürmen  der  Völkerwanderung,  die  hier  7  Jahrhunderte  hin- 
durch währte,  sicher  zu  Grunde  gegangen.  Nacheinander  zogen  Goten, 
Hunnen,  Gepiden,  Avaren,  Slawen,  Bulgaren,  Magyaren,  Petschenegen,  Ku- 
manen  und  Tartaren  durch  das  Land ;  etliche  von  diesen  blieben  länger  darin 
seßhaft  und  traten  mit  den  angestammten  Bewohnern  in  Verbindung.  Daraus 
ergibt  sich,  daß  diese  sich  nicht  rein  erhalten  konnten,  sondern  physisch, 
kulturell  und  sprachlich  sich  mit  den  Eindringlingen  mischten.  Das  Resultat 
dieser  neuen  Mischung,  bei  der  allerdings  das  dakoromanische  Element  schon 
infolge  seiner  Seßhaftigkeit  das  Dominierende  blieb,  ist  das  rumänische 
Volkstum. 

Dieser  Werdegang  spiegelt  sich  in  der  rumänischen  Sprache 
wieder,  die  nach  ihrem  Grundcharakter  eine  romanische  Sprache  ist.  Sie 
hat  für  das  Ohr  eine  sofort  erkennbare  Ähnlichkeit  mit  dem  Italienischen. 
Den  Grundstock  des  Rumänischen  bildet  das  Dakoromanische,  das  aus  einer 
Mischung  des  Vulgärlateinischen  mit  der  Sprache  der  dacischen  Ureinwohner 
entstanden  ist.  Namentlich  sind  es  Worte  des  kirchlichen  Vokabulariums, 
denen  man  noch  unverkennbar  die  lateinische  Herkunft  anmerkt.  Diese 
lateinischen  Worte  beweisen  außerdem,  daß  das  Christentum  schon  mit  der 


,_      ;64      --- 

römischen  Kolonisation  seinen  ersten  Eingang  in  Rum&nien  gefanden  hat. 
Der  dakoromanischen  Sprache  haben  sich  dann,  wie  dies  bei  dem  bunten 
Wechsel  der  Völker  au!  dem  Boden  des  heutigen  Rumäniens  nicht  ausbleiben 
konnte,  eine  Menge  fremder  Bestandteile  zugesellt.  Am  stärksten  ist  der 
slawische  Einschlag.  Dies  erklärt  sich  daher,  daß  das  Slawische  Tom 
9. — 18.  Jahrhundert  in  beiden  Donaufürstentümern  die  Kirchensprache  war. 
Liegen  die  Anfänge  des  rumänischen  Christentums  auch  schon  in  der  Zeit 
der  römischen  Kolonisation,  so  faßte  dasselbe  doch  im  Lande  erst  festen  Fuß, 
als  die  benachbarten  Bulgaren  in  der  zweiten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts 
Christen  geworden  waren.  Von  ihnen  übernahmen  die  Rumänen  Dogma  und 
Verfassung,  d.  h.  sie  wurden  ebenfalls  Anhänger  des  byzantinischen  Patri- 
archats, Mitglieder  der  orthodoxen  oder  griechisch  morgen- 
ländischen Konfession.  Die  Unterordnung  unter  das  byzantinische 
Partriachat  ist  seit  1859  aufgehoben;  seitdem  besitzt  Rumänien  eine  völlig 
unabhängige  Landeskirche.  Da  das  Schulwesen  hier  ebenso  wie  im  Abend- 
land ursprünglich  und  lange  im  engsten  Zusammenhang  mit  den  Kirchen  und 
Klöstern  stand,  so  war  das  Kirchenslawische  auch  die  Unterrichtssprache; 
infolgedessen  ist  auch  die  altrumänische  Volksliteratur  mit  cyrillischen  Buch- 
staben geschrieben.  Seit  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  ist  das  Rumänische 
Kirchen-  und  Unterrichtssprache  und  wird  seitdem  auch  mit  lateinischen 
Lettern  geschrieben.  Es  herrscht  übrigens  gegenwärtig  die  bewußte  Absicht, 
die  Sprache  von  den  eingedrungenen  fremden  Bestandteilen  möglichst  zu 
säubern  und  dafür  romanische  Ausdrücke  einzubürgern.  Diese  Aufgabe  der 
Sprachreinigung  im  Sinne  der  Nationalität  ist  eine  der  vornehmsten  Pflichten 
der  rumänischen  Kgl.  Akademie  der  Wissenschaften. 

Außer  den  Angehörigen  der  orthodoxen  Konfession  gibt  es  in  Rumänien 
etwa  150000  Katholiken,  25 000  Evangelische,  45000  Mohammedaner,  300000 
Juden,  5000  Armenier  usw. 

Solange  die  Moldau  und  Walachei  die  Durchgangsstraße  für  wandernde 
Völkerschwärme  abgaben,  war  hier  an  eine  feste  Staatenbildung  nicht  zu 
denken.  Erst  im  10.  und  11.  Jahrhundert  kam  es  zur  Bildung  von  kleinen 
selbständigen  Woiwodschaften.  Bedeutung  erhielten  diese  erst,  als  sie  sich 
SU  größeren  Komplexen  vereinigten.  Solchen  Zusammenschluß  führte  im  Süden 
der  Karpathen  um  1290  der  Woiwode  Bassarab  herbei,  der  als  Be- 
gründer des  Fürstentums  Walachei,  und  östlich  der  Karpathen  um  1350  der 
Woiwode  Bogdan,  der  als  Stifter  des  Fürstentums  Moldau  anzusehen 
ist.  Grenze  beider  Staaten  wurde  der  kleine  Milcovflnß.  Kaum  hatten  sie 
sich  konsolidiert,  da  erwuchs  ihnen  ein  gefährlicher  Feind  in  den  Türken.  Sie 
haben  sich  lange  tapfer  gegen  die  Osmanen  gewehrt,  und  als  schließlich  die  Unter- 
werfung unter  die  Türkei  unvermeidlich  war,  dank  ihrer  tüchtigen  Fürsten,  die 
heute  noch  mit  Recht  als  Nationalhelden  gefeiert  werden,  bedeutend  günstigere 
Bedingungen  erhalten  als  Bulgarien  und  Serbien.  Sie  mußten  zwar  einen  Tribut 
zahlen  und  in  Kriegsfällen  Heeresfolge  leisten,  aber  sie  behielten  ihre  ein- 
beimischen Fürsten  und  administrative  Selbständigkeit ;  außerdem  durften  die 
Türken  nördlich  der  Donau  keinen  Grundbesitz  und  keine  Moscheen  haben.  So 
blieb  es  bis  zum  Beginne  des  18.  Jahrhunderts.  Da  setzten  die  Türken  in 
beiden    Yuallenitaaten    phanariotisohe  Fürsten  ein,    d«  h.   sie  beldmlMi 


^    66    ~ 

griechische  in  Konstantlnopel  heimatberechtigte  Finanzgrößen  mit  der  Fürsten- 
würde und  zwar  gegen  eine  hohe  Belehnungsgebühr,  welche  die  Ernannten 
ihrerseits  wieder  mit  noch  vielen  anderen  Summen  aus  den  unglücklichen 
Ländern  herauspressten.  Im  großen  und  ganzen  war  diese  Periode  (1712—1821) 
die  traurigste  in  der  rumänischen  Geschichte.    Der  griechische  Aulstand  im 

19.  Jahrhundert  yeranlaßte  die  Pforte,  wieder  Einheimische  mit  der  Fürsten- 
würde zu  belehnen.  Fürst  C  u  z  a  vereinigte  die  Donaustaaten  im  Jahre  1859 
durch  Personalunion,  im  Jahre  1861  durch  faktische  Union.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit erhielt  der  neue  Einheitsstaat  den  Namen  Rumänien.  Fürst 
Alexander  Cuza  machte  sich  durch  moderne  Reformen,  z.  B.  durch  Aufhebung 
der  Leibeigenschaft  und  Bodengesetzgebung,  um  das  Land  verdient,  wurde 
aber  am  23.  Februar  1866  abgesetzt.  Nun  wurde  durch  einmütige  Volksab- 
stimmung der  am  20  April  1839  zu  Sigmaringen  geborene  Prinz  Karl 
von  Hohenzollern  zum  erblichen  Fürsten  von  Rumänien  erwählt.    Am 

20.  Mai  1866  landete  er  in  Tum  Severin,  am  22.  Mai  hielt  er  seinen  Einzug 
in  Bukarest.  Bukarest,  die  Hauptstadt,  zählt  heute  etwa  320000  Ein- 
wohner, nimmt  aber  eine  bebaute  Fläche  ein,  die  sieben  mal  größer  ist  als 
die  Frankfurts.  Es  ist  mit  allen  Erfordernissen  einer  Großstadt  ausgestattet 
und  wird  von  den  Rumänen  als  „Paris  des  Orients'^  gepriesen.  Dem  Fremden 
fallen  die  zahlreichen  und  geschmackvollen  Monumentalbauten  der  Residenz 
auf.  Über  solche  verfügen  auch  andere  rumänische  Städte.  Nennenswert  sind 
unter  diesen  J  a  s  s  y ,  die  Hauptstadt  der  Moldau,  mit  80  000,  C  r  a  i  o  v  a ,  die 
Hauptstadt  der  kleinen  Walachei,  mit  50000  und  die  Handelsplätze  Galatz 
und  Braila  mit  über  60000  Einwohnern.  In  allen  diesen  Städten  sowie  im 
Hafenort  Constantza  befinden  sich  deutsche  Kolonien  und  evangelische 
Gemeinden,  die  vom  Redner  besucht  wurden. 

Der  Regierungsantritt  des  Hohenzollern  war  ein  segensvoller  Wende- 
punkt in  der  Entwicklung  Rumäniens.  Seitdem  ging  es  zusehends  aufwärts. 
Vor  allem  ließ  Fürst  Karl  sich  die  Hebung  der  Kommunikationsmittel 
und  die  Reorganisation  der  Armee  angelegen  sein.  Die  an  die  Armee 
gewandte  Sorgfalt  belohnte  sich  im  russisch-türkischen  Kriege  von  1877/78, 
wo  die  Rumänen  als  Bundesgenossen  der  Russen  unter  Fürst  Karl  als  Ober- 
befehlshaber der  vereinigten  russischen  und  rumänischen  Streitkräfte  die 
siegreiche  Entscheidung  vor  Plewna  herbeiführten.  Mit  Recht  erlangte 
Rumänien  nach  seiner  ausschlaggebenden  Beteiligung  an  diesem  Kriege 
volle  Unabhängigkeit  von  der  Türkei  und  uneingeschränkte  Souveränität. 
Eine  Nachwirkung  dieses  kriegerischen  Erfolges  war  die  Proklamierung  des 
Königtums  im  März  1881. 

König  Karl  ist  seit  dem  15  Nov.  1869  mit  der  Prinzessin  Elisabeth 
zu  Wied  vermählt,  die  sich  als  Schriftstellerin  unter  dem  Namen  Carmen 
Sylva  einen  Weltruf  erworben  und  durch  Förderung  humaner  Veranstal- 
tungen Bleibendes  für  das  Land  geleistet  hat. 

Für  die  Bevölkerung  Rumäniens  in  ihrer  Lebenshaltung  und  für  das 
wirtschaftliche  Leben  des  Landes  ist  seine  geographische  Gliederung 
das  Bestimmende.  Die  fischreiche  und  verkehrfördemde  Donau,  die  dem 
Ackerbau  und  der  Viehweide  dienenden  ungeheuren  Landflächen  der  walachi- 
schen  Tiefebene  und  des  Moldauplateaus,  das  den  Karpathen  in  einer 


—    66    ~ 

Brbebang  Ton  200 — 700  m  Torgelagerte  Hfigelland  mit  seiner  Wein-  nnd 
Obstlniltar  and  endlich  das  mächtige  Faltengebirge  der  Karpathen,  die 
in  einer  Länge  Yon  1171  Inn  zu  Rumänien  gehören:  in  dieser  Reihenfolge 
bant  sich  das  Land  auf,  beinahe  wie  ein  Amphitheater.  Die  höchste  Er- 
hebung in  den  Moldankarpathen  ist  der  Ciahlan  mit  2131  m,  in  den 
walachischen  Karpathen  das  Bncsecs- Massiv  mit  seinen  bis  ara  2d00  m 
aalragenden  Qipfeln  and  der  Negoi,  der  mit  seinen  2536  m  die  anderen 
Spitzen  noch  übertrifft. 

Das  Klima  Rumäniens  ist  gesund.  Die  Sommer  sind  sehr  heiß,  die 
Winter  kalt.  Frühling  und  Herbst  sind  kurze  Übergänge  nnd  währen  häufig 
nur  einige  Tage. 

Die  Donau  nimmt  alle  Wasser  in  sich  auf,  die  von  den  Karpathen 
durch  Rumänien  fließen.  Die  auffallende  Tatsache,  daß  sie  verhältnismäßig 
knapp  vor  ihrer  Einmündung  in  das  Schwarze  Meer  nach  Norden  abschwenkt, 
erklärt  sich  aus  den  Bergen  der  Dobrudscha.  Diese  haben  weder  mit 
den  Karpathen  noch  mit  dem  Balkan  einen  Zusammenhang,  sondern  sind 
Reste  eines  alten  Gebirges,  das  vom  Kaukasus  und  von  der  Krim  bis  hierher 
reichte  und  durch  den  Einbruch  des  Schwarzen  Meeres  verschwand.  Die 
Donau  lagert  an  ihren  Mündungen  sehr  viel  Land  ab.  Zu  Herodots  Zeiten 
im  5.  vorchr  Jahrhundert  reichte  das  Schwarze  Meer  bis  zur  Stadt  Tulcea; 
der  vor  40  Jahren  an  der  Sulinamündung  erbaute  Leuchtturm  steht  jetzt 
schon  1  km  von  der  Küste  entfernt.  Im  Bereich  der  Donaumündungen  trifft 
man  auf  manche  Vogelarten,  die  sonst  in  Europa  ausgestorben  sind,  z.  B. 
auf  wilde  Schwäne,  Flamingos  und  Pelikane.  Die  Donau  erreicht  bei  Galatz 
und  Braila  eine  Breite  von  1000  m  und  eine  Tiefe  von  25  m;  sie  befördert 
^/t  aller  Waren  des  rumänischen  Handels.  Sehr  störend  war  infolgedessen 
das  oft  1—3  Monate  währende  Gefrieren  des  Flusses.  Diese  Verkehrsstörung  ist 
überwanden  durch  die  am  26.  Sept.  1895  eröffnete  Brücke  von  Gerna- 
voda,  von  dem  Bnkarester  Ingenieur  Saligny  erbaut,  welche  die  bedeutendste 
Brückenanlage  des  europäischen  Continents  ist.  Ihre  Kosten  betrugen  34 
Mill.  Fr.  Ober  diese  Brücke  führt  ein  Schienenweg  nach  Gonstantza, 
dem  aufblühenden  Handels-  und  Hafenplatz  Rumäniens  am  Schwarzen  Meer, 
an  dem  es  durch  die  Dobrudscha  mit  einer  Uferstrecke  von  225  km  beteiligt 
ist  Zwischen  Gonstantza  und  Konstantinopel  besteht  eine  gute,  regelmäßige 
Personenbeförderung.  Die  ganze  Dobrudscha  ist  archäologisch  hochinteressant; 
namentlich  ergebnisreich  sind  die  Ausgrabungen  bei  Adamclissi,  welches 
man  das  rumänische  Pompeji  nennen  könnte.  In  Gonstantza  finden  wir  das 
antike  T  o  m  i  wieder,  wo  0  v  i  d  von  8—17  n.  Ghr.  in  der  Verbannung  lebte. 
Von  dem  aufblühenden  Handel  Rumäniens  legen  die  dortigen  gewaltigen  Silos 
ein  beredtes  Zeugnis  ab.  Sein  Einfuhrhandel  beläuft  sich  auf  etwa  340 
Mill.  Fr.,  der  Ausfuhrhandel  auf  etwa  460  Mill.  Fr.  Die  Hauptexportfracht 
ist  der  Weizen,  von  dem  jährlich  durchschnittlich  l*/4  Mill.  Tonnen 
exportiert  werden,  was  dem  Lande  einen  Gewinn  von  250  Mill.  Fr.  einbringt. 

Dies  führt  uns  auf  den  Stand  der  Landwirtschaft  in  Rumänien. 
Das  Land  ist  noch  so  gut  wie  ganz  ein  agrarischer  Staat.  Die  Industrie 
ist  noch  jung  und  beschäftigt  nicht  viel  mehr  als  200000  Personen.  Dies 
wird  anden  werdeiii  wenn  die  ungeheuren  Bodensohätse  erst  mehr  Betditaiig 


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finden  und  der  Rumäne  sich  zu  dem  für  industrielle  Betätigung  erforderlichen 
Wagemut  aufrafft.  Es  fällt  auch  ins  Gewicht,  daß  die  Hausindustrie  in 
Rumänien  noch  das  Vorherrschende  ist.  Ein  aufblühender  Industrieort  ist 
Azuga  in  den  Karpathen.  Hier  gibt  es  verschiedene  Werke  der  Holz- 
industrie, eine  Glasfabrik,  Bierbrauerei,  ja  sogar  eine  Sektfabrik.  Gegen- 
wärtig wohnen  noch  81^/o  der  Bevölkerung  auf  dem  Lande.  Der  Ackerboden 
ist  von  einer  fabelhaften  Fruchtbarkeit,  der  ohne  besondere  Pflege  und  ohne 
Düngung  jahraus,  jahrein  gute  Ernten  liefert.  Der  König  sowie  die  Staats- 
regierung geben  sich  alle  Mühe,  um  unter  den  Bauern  die  Errungenschaften 
der  modernen  Agrikultur  zu  verbreiten.  Diesem  Zwecke  dienen  neun  land- 
wirtschaftliche Schulen  und  die  Krondomänen,  die  sich  unter  der  Verwaltung 
des  General -Administrators  Joan  Kalindero  zu  Mustergütern  entwickelt  haben. 

Von  dem  Flächenraum  Rumäniens  sind  produktiver  Boden  76°/o ;  unter 
dem  Pflug  sind  46°/©.  Von  dem  bestellbaren  Land  gehören  3*/i  Millionen  ha 
kleinen  und  3  Millionen  ha  Großgrundbesitzern.  Die  letzteren  bauen  über- 
wiegend Weizen,  die  ersteren  Mais.  Dieser  ist  in  Gestalt  eines  Maisbreis, 
Mamaliga  genannt,  das  Hauptnahrungsmittel.  Der  rumänische  Bauer  wohnt 
durchgchends  noch  sehr  bescheiden ;  in  der  Ebene  herrscht  das  Lehmhaus  vor, 
in  waldreichen  Gegenden  das  Holzhaus.  Eine  Eigentümlichkeit  der  rumänischen 
Hausanlage  ist  der  Pridvor,  ein  offener  Umgang  um  das  Haus  mit  einer 
auf  schmalen  Holzsäulen  ruhenden  Überdachung.  Die  Bauern  wohnen  vielfach 
auf  Einzelgehöften,  besonders  in  gebirgigen  Gegenden.  Hierdurch  wird  der 
Schulbesuch  der  Kinder  benachteiligt  oder  ganz  gehindert  und  das  Vorhanden- 
sein von  Analphabeten  trotz  des  geltenden  Schulzwangs  und  eines  geordneten 
Schulwesens  erklärt.  Es  herrscht  allgemeine  Wehrpflicht.  Die  Nationaltracht 
ist  einfach.  Die  Männer  gehen  gewöhnlich  in  Weiß ;  sie  tragen  ein  tunika- 
artiges Hemd  über  dem  Beinkleid.  Die  Tracht  der  Frauen  ist  farbenfreudiger. 
Nationale  Tugenden  der  Rumänen  sind  ihre  Gastlichkeit,  Freigebigkeit,  Höf- 
lichkeit und  Barmherzigkeit. 

Die  Viehzucht  spielt  heute  nicht  mehr  die  Rolle  wie  früher,  da 
der  Export  wegen  der  Sperre  an  der  österreichisch-ungarischen  Grenze  uner- 
heblich geworden  und  der  Fleischkonsum  im  Lande  verhältnismäßig  gering 
ist.  Auch  der  Gemüse-  und  Obstbau  könnte  stärker  und  ergiebiger  betrieben 
werden.  Der  erstere  ruht  ziemlich  ausschließlich  in  den  Händen  von  bul- 
garischen Wandergärtnern.  Der  Wein  ist  gut,  doch  vielfach  zu  wenig  ge- 
pflegt Zur  Hebung  des  Weinbaus  sind  Weinbauschulen  und  Musterkeller 
eingerichtet. 

Im  Bereiche  der  Hügelregion  liegen  Bodenschätze  Rumäniens,  die 
gegenwärtig  gleichsam  von  neuem  entdeckt  werden.  Ungeheuer  sind  die 
Kohlenlager  und  S  a  1  z  1  a  g  e  r ,  letztere  von  solcher  Stärke,  daß  der  Donan- 
staat  jahrhundertelang  ganz  Europa  mit  Salz  versorgen  könnte.  In  der 
Römerzeit  und  wieder  im  14.  Jahrhundert  blühte  schon  einmal  ein  intensiver 
Bergbau.  Am  meisten  macht  von  sich  reden  die  seit  1897  in  großem  Maß- 
stabe betriebene  Petroleumförderung.  Am  ganzen  Südabhange  der 
Karpathen  ziehen  sich  Petroleumlager  hin.  Die  reichste  Ausbeutung  vollzieht 
sich  in  Buschtenari  im  Prahovabezirk,  wo  die  „Steana  Romana'  die  Förde- 
rung mit  Kapitalien  der  Deutschen  Bank  und  die  ,Concordia*  dieselbe  mit 


—    56    — 

QveCe  fe?  WiA^-iTifcfc^T.    Sdilst  4it  im  des  RaÜBcnea  mos- 
RtatWifiiife  si»l  ».Hck  T^enrt&Aar  ab  Hfiimalrrial  der  Loko- 


!ncM  Miiifr  «bscZk^  W««e  l«stia  Kmmimum  m  scnm  Waldbe- 
staBdLAwäP«  A(rOlMf<kfWWi*wfo.  Häer  fawMB«  ■■wftliA  die  Karpa- 
tk*BiBB<cnckt.dK  Kck  tWr  Ekisi£<f  Urv^iU»  Tufi^ca.  Gci^eBv&Etig  fiadea 
H4ii£IIIxx:c««  scfcn.  lad  t^  Geid  iu  Laad  WsgeB.  Die  ab> 
Fbka  KftüMm  ix  T;f^McäcxKi«Kf  Fnst  wkiler  «■fcdontcc  verd^ 
Dk-  scUKteea*  «sd  vildreÄr^B  KAifiubcs  Kovn  bocIi  Tiele  Bäien. 
Wtffe.  LadBe  «sd  vüAe  Kaeks.  Lk  Anna  T««tMkt««  TmkfB  licfea  wmdk  die 
■  fcJBTtif  Aiiea  Kirckea  ssd  Kli^sttr  iUBiucsi.  il  B.  Cutcm  de 
AisvicIl  5<mB£L  Si(k«L  Vfimbca  xsd  Afifü.  mSk  iwilick  kodöBtcraBaBt. 
D6t  brfftSha  snd  laadsckiftädk  tvk  «mt  Knaukaad«  «ad  roMastnclMi 
iSrhJMfcrir  kenlick  ist  is  di«si»  HiKäcftt  der  R»tetsrmpa6^  das  Tal 
der  Biscritia  asd  da»  Prak^TaiaL  la  ktztam  liefm  die  asf- 
SiMKiüiüAem  R»M.fca»^tw  ULter  ik»A  Siaaia.  das  irmäBisci» 
'Bidf  IStr  On  veniMikt  «uxe  Exssc^ki^  timtm  Eksur.  das  die 
Fawbe  CamcKd»»  i»  Jaii«  leS«  ^  H^tffiz  aaf  der 
Ijiaiitii,  asd  lis  ekansi^  vW  der  On  CBi^nMia  Aftdarck  gev<i 


Castel  Pelesek.  ix  des  e$  K^t^Kate  ^r«B  Mai kis Xv^^mker 
T-Mtza^cade.  vekker  «eifem»  ^i»  K4«i£S|ttaRS  die  kaldr^^Ilne 


deui  tWikaxft  dutk  «ia  rnck«  BiMeEBatenal  das  iker 


D»  Bedbas  icU«6  mh  lex  CiteiL  ^16  RsBiai«  ia  dn  Irtxfeea  De- 
aal  alka  Gekictea  der  Kanst  aad  WisMasckiik.  der  Aikdt  aad  der 


da6  CS  öelWvaÄs  aMk  ft«iseiva  Zmst^mJfw  aad  VerUk^taüam 
Dm  HaayrvefdkH«  aa  der  ^neickfiea  H^^  RasJuneas  ia  fuiitiaku 

ia  c«»fiicer  aai  wirtuckaftlickfr  Bewkaa^  kat  Kiaif  Karl 
V-iik  Bis  Reckt  >rtzs  »cku«  ica  ^Weiwa  aad  ^ 


MinvociL  den  3.  Noreaber  1».«^. 

Herr  Epm  Fr.  Kirscksiein-BerliB:   !■ 
der  TirvBgm-Tvlkaae.  Erletaiat««  m4  Fsrsrkngca  ia  Inrtral- 
IfHka.     LkktbOder/ 

Der  Vim^iHbit  kas  aa  •^  Exfkeii&:«  le»  üenwcs  AM!  Fiie^clck  aa 

ia    ker   patMOiOL   2tt:v:ciä«:äf«s.  £rt-:  rK'rLsu    ^   »atti  i  tfriWainfkf a 

läf/i  kü  Eoiie  lUcE  Ijiji^  Tia  lisl  fluLie&i  £it*ns  wxrde.    A^  enier  fiarryfar 
ex  Ö  Feaerkeiye    ia   dos   dkt  N^rdvesigEvatat    v«a 


—    69    - 

bildenden  Vnlkangebiete,  und  es  gelang  ihm  nicht  weniger  als  11  große 
Ausbrüche  zu  beobachten  und  zu  photographieren.  Die  fesselnden,  Yon  treff- 
lichen Lichtbildern  näher  erläuterten  Ausführungen  des  Redners,  die  Schilde- 
rung seiner  gefahrvollen  Aufstiege,  seiner  Forschungen  und  persönlichen  Er- 
lebnisse sind  im  Kapitel  VI  des  inzwischen  erschienenen  Werkes  des  Herzogs 
Adolf  Friedrich  zu  Mecklenburg,  Ins  innerste  Afrika  (vgl.  S.  46  des  Jahres- 
berichts) zum  Abdruck  gelangt. 

Mittwoch,  den  10.  November  1909. 

Herr  Dr.  Hugo  Grothe-München:  Natar-  nnd  Wlrt- 
scliaftsbiider  aus  Mesopotamien.    (Lichtbilder.) 

Ackerbau  und  Nomadentum,  diese  beiden  sich  feindlichen  Phasen  mensch- 
licher Wirtschaft  haben  in  keinem  Ländergebiet  einen  so  scharfen,  in  ihrem 
Ausgang  so  wechselvollen  Streit  ausgefochten  wie  in  Vorderasien,  insbesondere 
auf  der  Scholle  Mesopotamiens. 

Geographische  Lage  und  natürliche  Beschaffenheit  Vorderasiens  be- 
gründen und  begünstigen  ein  derartiges  Aufeinanderprallen  der  Mächte  mflk- 
sam  befruchtenden  Aufbaus  und  roher  Zerstörung.  Yon  Hochasien  über  Persien, 
Syrien  und  Arabien  ziehen  sich  umfangreiche  Steppen  und  Wüsten,  die  unge- 
stümen Stämmen  ein  geeignetes  Wanderfeld  bieten  —  und  diesen  Ödnissen 
betten  sich  Striche  ein,  wo  Täler  sich  mit  den  von  alpengleichen  Bergen 
rinnenden  Bächen  füllen  und  grünende  Fluren  und  blühende  Städte  n&hren, 
wo  wasserreiche  Ströme  die  durstigen  Ufer  beleben  und  Kulturzonen  schaffen, 
die  emsigen  Menschen  zum  Schauplatz  geistigen  und  wirtschaftlichen  Ringens 
werden.  ^ 

Fassen  wir  Mesopotamien  im  weiteren  Sinne  als  alles  Land,  das  von 
Süd  nach  Nord  von  den  Randgebirgen  des  armenischen  Taurus  bis  zum  Per- 
sischen Golf,  von  Südwest  nach  Nordost  vom  Steilrand  der  syrisch-arabischen 
Wüstentafel  bis  zu  den  persischen  Randketten  sich  erstreckt,  so  eröffnet  sich 
dem  diese  Landstriche  Durchwandernden  eine  markante  Verschiedenheit 
zwischen  den  nördlich  und  den  südlich  gelegenen  Teilen,  zwischen  Ober-  nnd 
Niedermesopotamien.  Ersteres  zeigt  sich  ihm  als  eine  hügelige  Hochsteppe 
in  einer  durchschnittlichen  Höhe  von  600  Metern  über  dem  Meere,  aus  tertiären 
von  Euphrat  und  Tigris  oft  tief  durchschnittenen  Gesteinen  gebildet,  letzteres 
als  ein  völlig  ebenes  Alluvialland,  von  Wüste,  Sümpfen  und  reiche  Yege- 
tationsoasen  tragenden  Kulturflächen  erfüllt,  die  in  ihren  höchsten  Teilen  nur 
50—60  Meter  über  dem  Spiegel  des  Persischen  Golfes  liegen. 

Die  physischen  Faktoren  des  oberen  Mesopotamiens,  das  ich  vom 
Februar  bis  April  1907  durchzogen  habe,  lassen  sich  mit  wenigen  Strichen 
zeichnen. 

Zwei  bemerkenswerte  Erhebungslinien  treten  ans  seiner  weiten  welligen 
Fläche  hervor:  eine  nördliche  und  eine  südliche.  Erstere  bewegt  sich  in 
vorzugsweise  ostwestlichen  Streichen  von  Djesireh  am  Tigris  bis  Biredjik  am 
Euphrat.  Das  zweite  Bergzugsystem,  das  die  mesopotamische  Steppe  durch- 
quert und  ebenfalls  in  westöstlichen  Streichen,  liegt  in  der  Breite  Ton  Mossnl. 
Sein  östlicher  Teil  wird  durch  den  Sin4jardagh,  sein  weetlioher  dnzch  den 


~    80    — 

'AM-ul-'Aslsdagh  dargestellt.  Eine  Ebene  von  20—30  km  Breite  liegt  zwischen 
den  beiden  Gebirgen,  die  vom  Ch&bür  auf  seinem  nordsüdlichen  Laufe  durch- 
zogen wird.  Der  Ch&bür,  der  seine  Wasser  von  den  Südhängen  des  Karad- 
jadagh  und  des  Tür  ^Abdtn  in  zahlreichen  Adern  sammelt,  ist  kein  harmlos 
dahinkriechender  Steppenfluß.  Er  tritt  in  seinem  reißenden  Oberlaufe  weit 
über  seine  Ufer,  führt  auch  im  Sommer  ansehnliche  Wassermengen  und  ist 
in  seinem  Unterlaufe  nur  an  wenigen  Furten  zu  überwinden. 

Fetter  als  die  Ufer  des  Ch&bür  sind  die  des  westlichen  Steppenflnsses 
Yon  Mesopotamien,  des  Beiich,  der  seine  Quellen  in  der  Harr&nebene  hat  und 
wie  der  Chäbür  in  nordöstlichem  Laufe  dem  Euphrat  zueilt,  den  er  bei  Rakka 
erreicht.  Gerste,  Mais,  Dura,  Reis,  Hanf,  Mohn  gedeihen  trefflich  in  den 
vom  Beiich  bewässerten  Landschaften,  vor  allem  in  der  von  Serudji,  die  sich 
von  Harr&n  nordwestlich  bis  an  den  Fuß  der  obermesopotamischen  Kalk- 
gebirge erstreckt. 

Skizzieren  wir  nun  die  zwischen  den  genannten  Berglinien  und  Flüssen 
weithin  sich  dehnenden  Flächen  der  mesopotamischen  Steppe. 

Verschiedenartig  ist  ihr  Charakter.  Bald  haben  wir  gesteinübersäte, 
völlig  flache,  rotbraune  oder  graue  Kalksteppe  vor  uns,  bald  zeigt  sich  uns 
welliger  Boden,  mit  fahlgrüner  Grasnarbe  bedeckt.  Auch  dünenartige  Flächen, 
in  denen  Wind  und  Wasser  die  Sandpartikelchen  zu  Hügeln  geformt  hat, 
treten  uns  entgegen ;  hier  und  da  tauchen  eigentümliche  runde  Hügel  auf, 
die  sogenannten  teils ;  es  sind  Wohnschutthügel,  unter  denen  die  Reste  ehe- 
maliger Stadtanlagen  und  Kastelle,  heidnischer  Tempel  und  christlicher 
Kirchen  schlafen 

Von  außerordentlich  finsterem  Charakter  sind  die  mit  Basalttrümmem 
bedeckten  Steppen,  die  sich  rings  um  den  Karadjadagh  ziehen.  Kaum  ein 
Halm  sprießt  zwischen  den  schwarzen  vulkanischen  Blöcken,  wo  nährende 
Wasserfurchen  fehlen. 

Ein  Seltsames  wirkt  in  den  mesopotamischen  Steppen  auf  Sinn  nnd 
Auge :  die  Durchsichtigkeit  der  Luft,  die  den  Blick  ins  Unendliche  zu  weiten 
scheint.  Und  Sonnenauf-  und  -Untergänge  überschütten  die  Erde  mit  Farben- 
spielen, die  man  sonst  vergeblich  sucht.  Bald  liegen  die  Bodenwellen  mit 
grauvioletten  Schleiern  bedeckt,  bald  zucken  blutrote  Tinten  von  Wellensanm 
zu  Wellensaum. 

Glühend  und  sengend  liegt  im  Sommer  die  Sonne  auf  den  Fluren. 
Im  Winter  und  Frühjahr  fällt  der  Regen  in  der  Regel  stark  genug,  um  in 
den  nördlichen  Teilen  den  Ackerbau  ohne  künstliche  Bewässerung  zu  ermög- 
lichen. In  den  zentralen  und  südlichen  Gebieten  des  oberen  Mesopotamiens 
führen  die  Flüsse,  vor  allem  der  Ch&bür  und  Beiich  und  ihre  Nebenadem, 
hinreichende  Wassermengen  mit  sich,  um  in  der  regenlosen  Zeit  (dieselbe 
fällt  in  die  Monate  Juni,  Juli,  August  und  September)  durch  einfache  und 
wenig  kostspielige  Stauungen  und  Berieselungen  ansehnliche  Strecken  von 
neu  zu  schaffendem  Kulturland  zu  tränken.  Wie  die  Feuchtigkeit  nährend 
sich  aufspeichert,  lehren  manche  mulden artige  Triften,  in  denen  im  Frühjahr 
ein  dichter  fetter  Graswuchs  wuchert,  ein  bunter  Blumenteppich  sich  spannt, 
die  Lerchen  in  der  klaren  Luft  jubilieren,  in  denen  sommergrüne  Lanbb&nme 
I^ahrung  finden  und  stattliche  Fl  erden  von  Schafen  und  Ziegen  weiden. 


—    61     — 

Das  Klima  ist  ein  rein  kontinentales.  Der  Schwüle  des  Sommers 
stehen  weit  niedrigere  Wintertemperaturen  gegenüber,  als  man  gemeiniglich 
annimmt.  Ein  weißes  Schneetach  spannt  sich  häufig  über  die  Qefilde  Meso- 
potamiens, ohne  allerdings  vor  den  schnell  wieder  durchbrechenden  Sonnen- 
strahlen länger  als  wenige  Tage  haften  zu  können. 

Die  Landstriche,  durch  die  in  ihrem  unterlaufe  die  beiden  Brüder- 
ströme Euphrat  und  Tigris  in  zahlreichen  Schlingen  sich  bewegen,  bilden 
das  eigentliche  Babylonien,  das  Land  der  Kanäle,  ein  flacher  Alluvialboden, 
den  die  Ablagerungen  der  beiden  Flüsse  im  Laufe  der  Jahrtausende  geschaffen 
haben.  Die  befruchtenden  Rinnennetze,  die  heute  durch  dieses  Marschland 
laufen,  in  denen  zur  Überschwemmungszeit  mittels  badewannenartiger  mit 
Pech  verkleideter  Binsenkörbe  auch  die  Personenbeförderung  sich  abspielt, 
sind  ein  Kinderspiel  gegen  die  großartigen  Bewässerungsnetze,  in  deren 
Maschen  einst  der  Erntereichtum  sich  häufte.  Ja,  gewaltig  ist  der  Gegen- 
satz zwischen  Gegenwart  und  Vergangenheit. 

Freilich,  die  Kulturhöhe  früherer  Zeiten  ist  relativ  zu  fassen.  Sie 
stand  wohl  in  ihrem  Reichtum  und  ihrem  wirtschaftlichen  Ertrage  im 
gewaltigen  Gegensatz  zu  dem  Tiefstand  der  umliegenden  Gebiete,  muß  aber 
bescheiden  erscheinen,  wenn  man  den  Maßstab  unserer  modernen  Wirtschafts- 
welt anlegt.  Solche  Überschätzung  galt  bisher  nicht  nur  der  Produktions- 
kraft  der  mit  Sagen  umwobenen  Wiege  der  Kultur  im  Zweistromlande, 
sondern  auch  der  Größe  des  anbaufähigen  und  der  Kultivierung  zuzuführenden 
Areals,  Irrtümer,  die  hauptsächlich  darum  ihre  Entstehung  fanden,  weil  meist 
das  Auge  der  Historiker,  Archäologen  und  Orientalisten,  selten  aber  geschultes 
geographisches  und  naturwissenschaftliches  Sehen  der  mesopotami sehen  Scholle 
sich  zuwandte.  Diese  gutgemeinten  Überschwenglichkeiten  haben  zum  großen 
Teil  dazu  beigetragen,  daß  der  Erfüllung  der  Bagdadbahnpläne  eine  märchen- 
hafte Wirkung  zugeschrieben  wurde,  die  eine  nüchterne,  erdkundlich  und 
weltwirtschaftlich  geführte  Betrachtung  des  Phantastischen   entkleiden  muß. 

Konstruieren  wir  ein  Rechteck,  dessen  beide  lange  Seiten  im  S.  £. 
von  der  syrisch-arabischen  Wüsten tafel,  im  N.  E.  von  den  iranischen  Rand- 
ketten begrenzt  wird,  und  dessen  beide  Schmalseiten  im  N.  die  Taurusberge, 
im  S.  der  Persische  Golf  bilden,  so  erhalten  wir  360  000  bis  380000  qkm  je 
nach  der  Abgrenzung,  die  wir  Mesopotamien  geben,  das  ist  etwas  mehr  als 
das  Königreich  Preußen  und  nicht  ganz  die  dreifache  Oberfläche  Rumäniens. 
Von  diesem  Gesamtareal  fallen  '/s  auf  das  obere  Mesopotamien,  Vt  ^^^  ^^^ 
Alluvialland  des  unteren  Mesopotamiens.  Anbaufähig  dürften  jedoch  höchstens 
Ve  dieses  Areals,  also  ungefähr  60000  qkm  sein.  Das  ist  die  Fläche,  die 
in  Ungarn  allein  dem  Anbau  von  Brotkom  gewidmet  ist,  während  die  Ver- 
einigten Staaten  von  Nordamerika  dem  Zerealienanbau  ein  Achtfaches, 
Australien  ein  Zehnfaches  mehr  bieten.  Das  Land  der  schwarzfarbenen 
Schwemmerde  Babylons,  das  durch  künstliche  Bewässerung  der  Erzeugung 
ländlicher  Produktion  nach  Abzug  aller  unverwertbaren  Flächen  wirklich 
eröffnet  werden  kann,  mißt  zwischen  25  000  und  30  000  qkm,  von  denen  ein 
Drittel  bereits  unter  in  primitiven  Formen  geübter  Kultur  steht.  Ein  gleiches 
Areal  befindet  sich  in  den  vier  Hauptweizenprovinzen  Argentiniens  nur  für 
Körnerfrüchte  unter  dem  Pfluge.    Von  den   obengenannten  60000  qkm  der 


—    62     - 

Gesamtfläche  des  oberen  und  unteren  Mesopotamiens  wäre  jedoch  wohl  nicht 
mehr  als  die  Hälfte  ausschließlich  für  Getreidebau  verwertbar.  Diese  aus 
der  heutigen  Weltwirtschaft  gegebenen  Parallelen  stellen  den  Zukunftswert 
Mesopotamiens  ungefähr  in  die  richtige  Einschätzung. 

Landschaft  und  Bevölkerung  des  babylonischen  Flachlandes  läßt  sich 
mit  wenigen  Strichen  zeichnen.  Verläßt  man  Bagdad  von  der  südwestlichen 
Vorstadt  aus,  so  nimmt  den  Wandernden  bald  eine  kahle  Sandsteppc  auf. 
Was  an  Vegetation  in  ihr  vorhanden  ist,  sind  über  den  Boden  kriechende 
Kräuter,  ein  paar  kümmerliche  Weidenbäume,  die  am  Rand  eines  Bewässerungs- 
grabens stehen.  Wenig  Nutzland,  zumeist  Kamel-  und  Schafweide,  zeigen 
heute  diese  Striche  versalzten  und  versumpften  Bodens.  Abseits  der  Flnfi- 
l&ofe  sind  Palmenhaine  und  immergrüne  Laubbäume,  die  vom  Grundwasser 
gespeist  werden,  eine  seltene  Erscheinung.  Aus  diesen  wenigen,  aber  herr- 
lichen Gartenoasen  blicken  hie  und  da  die  weißen  Gehöfte  von  reichen 
Bagdader  Latifundienbesitzem  oder  von  Gütern  der  Zivilliste  des  Sultans. 
Feste  Dorfschaften  befinden  sich  nur  in  der  Nähe  der  Wasseradern. 

Wenn  wir  von  der,  die  Euphratufer  verbindenden  Schiffsbrücke  von 
Mosseijib  stromabwärts  uns  bewegen,  so  kreuzen  wir  Ufergebiete,  in  denen 
die  Spuren  der  Bebauung  häufiger  werden  und  eine  dichtere  Bevölkerung 
ansässig  ist.  Besser  erhalten  sind  hier  die  Kanäle  und  reichlicher  wird  ihre 
Zahl.  Üppige  Gärten  entfalten  sich  unter  den  Palmen ;  Reis-  und  Uirsefelder, 
in  deren  Bearbeitung  das  starke  Buckelrind  verwendet  wird,  ziehen  sich  um 
die  Ortschaften.  Herden  von  Büffeln  lagern  im  schlammigen  Ufersaum.  Zar 
Zeit  der  Frühjahrsüberschwemmung  schwillt  mächtig  der  Euphrat  und  füllt 
die  im  Herbst  ausgetrockneten  Lachen,  die  dann  wieder  für  Monate  zu  schwer 
zu  durchwatenden  Sümpfen  werden.  Bei  Kufa  schon  ist  der  Euphrat  ein 
imposant  wirkender,  von  Dattelbaumhainen  umsäumter  Strom  von  IVi  km 
Breite.  Eine  Streitaxt  oder  Streitkeule  in  der  Hand  pilgert  eine  Schar  von 
Marschbauern  zur  nächsten  Basarstadt.  Eine  Ansammlung  eigenartig  ge- 
stalteter Zelte  zeigen  die  Dorf  Schäften,  deren  Material  hier  die  Natur  mit 
offenen  Händen  beut.  Einige  Rohrmatten  sind  halbkreisailig  über  mehrere 
in  die  Erde  gerammte  Pflöcke  gebogen,  und  die  beiden  Offnungen  des  so 
entstehenden  Halbzylinders  sind  mit  Palmenzweigen  und  Binsen  verkleidet. 
Ober  den  Zeltreihen  ragen  breite  quadratische  Türme  aus  Lehmziegeln  auf, 
von  deren  Höhe  der  Dorfwächter  Ausschau  hält,  ob  nicht  der  Raubzug  eines 
feindlichen  Stammes  droht. 

Was  eine  rationelle  landwirtschaftliche  Arbeit  aus  ödem  nackten 
Steppenland  in  wenigen  Jahrzehnten  machen  kann,  das  habe  ich  mit 
staunenden  Augen  bei  meiner  Wanderung  von  Bagdad  nach  der  persischen 
Grenze  gesehen.  Vor  30  Jahren  hatte  ein  Konstant! nopler  Grieche  in  der 
Nachbarschaft  eines  alten,  versandeten,  vom  Diala,  einem  Nebenfluß  des  Tigris, 
gespeisten  Kanals  ein  Stück  Wüstenland  im  Umfange  von  50  000  ha  für 
18000  türkisches  Pfund  gekauft.  Heute  nach  Wiederinstandsetzung  des 
Hauptkanals  und  seiner  Nebenäste  ziehen  sich  die  Palmen-,  Gerste-,  Weizen-, 
Hirse-  und  Reispflanzungen  15  Reitstunden  von  N.  W.  nach  S.  E.,  und  der 
jährliche  Ertrag  der  Oase  beträgt  6000-8000  türkische  Pfund,  d.  i.  ein 
Drittel  des  damaligen  Kaufpreises. 


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Mittwoch,  den  24.  November  1909. 

Herr  Professor  Dr.  Gerhard  Schott-Hamburg:  Skizzen 
aus  westindischen  Revolatlonsgebieten  mit  besonderer  Berfick- 
sichtigung  von  Yenezuela.    (Lichtbilder.) 

Die  westindischen  Tropenländer  sind  Gebiete  mit  häufigen,  umwälzen- 
den, großen  Naturereignissen,  z.  B.  Erdbeben,  Vulkanausbrüchen,  Wirbel- 
stürmen oder  Orkanen  —  dies  ergibt  sich  aus  einer  Betrachtung  der  wich- 
tigsten geophysikalischen  Verhältnisse  jener  Gegenden.  Westindien  ist  aber 
auch  der  Schauplatz  zahlreicher  staatlicher  Umwälzungen,  von  Revolutionen, 
deren  der  Redner  drei,  je  eine  in  Domingo,  in  Haiti  und  in  Venezuela, 
gelegentlich  einer  Studienreise  selbst  miterlebte. 

Für  uns  Deutsche  ist  die  Eingangspforte  nach  Westindien  meist 
St.  Thomas,  die  kleine  dänische  Insel,  deren  ehemalige  große  Bedeutung 
als  Stapel-  und  Umschlags-  und  Ordre-Platz  infolge  der  Entwicklung  der 
transatlantischen  Kabel  und  DampfschifTahrt  fast  ganz  verschwunden  ist.  — 
Auf  dem  altspanischen  Hispaniola  existieren  heute  zwei  staatliche  Gebilde, 
im  Osten  der  Kreolenstaat  Domingo,  im  Westen  der  Negerstaat  Haiti. 
In  der  Haupstadt  der  erstgenannten  Republik,  in  Santo  Domingo  am  Ozama- 
fluß,  stößt  man  sehr  vielfach  auf  die  Erinnernngsdenkmale  der  großen  spani- 
schen Entdeckerzeit ;  noch  steht  der  Columbusturm,  in  dem  Columbus  mehrere 
Monate  gefangen  saß,,  ferner  sind  schöne  Ruinen  des  Palastes  des  Diego 
Columbus  vorhanden  u.  a.  m.  Die  Kreolen  sind  im  ganzen  leidlich  gebildete, 
z.  T.  hochgebildete  Leute;  der  Staat  ist  de  facto  bereits  der  Oberaulsicht 
der  nordamerikanischen  Union  unterworfen,  wenn  formell  auch  bisher  nur 
eine  Art  Finanzkontrolle  besteht.  Ein  gleiches  Schicksal  steht  früher  oder 
später  der  Negerrepublik  Haiti  bevor,  diesem  Zerrbilde  eines  staatlichen 
Gemeinwesens.  An  sich  reicher  als  Domingo  steht  Haiti  doch  in  jeder  Hin- 
sicht heute  tief  unter  Domingo,  da  die  „freien*^  Neger  alles  und  jedes  ver- 
lottern lassen,  und  auch  hier  wieder  der  Beweis  erbracht  ist,  daß  die  Neger- 
rasse nicht  fähig  ist,  im  ganzen  —  einzelne  Individuen  mögen  ausgenommen 
sein  —  zu  höherer  Kultur  aufzusteigen,  am  wenigsten  aus  eigener  Kraft. 
Früher,  im  18.  Jahrhundert,  war  Haiti  die  blühendste  Kolonie  Frankreichs 
und  versorgte  durch  die  Erträgnisse  ihrer  von  den  Negersklaven  bearbeiteten 
Plantagen  fast  die  ganze  Welt  mit  Zucker.  Heute  ist  ein  großer  Teil  des 
Landes  zur  Wüstenei  herabgesunken;  die  „Befreiung'^  der  Negersklaven  ist  dem 
Lande,  das  in  immer  erneuten  Revolutionen  sich  verzehrt,  kein  Segen  geworden. 

Venezuela,  an  Areal  doppelt  so  groß  wie  Deutschland,  hat  dabei 
nur  2Vt  Millionen  Einwohner.  Riesige  Flächen  sind  deshalb  kaum  bewohnt 
und  kommen  heute  wirtschaftlich  wenig  oder  noch  gar  nicht  in  Betracht. 
Das  Zentralgebiet  venezolanischer  Kultur  und  Bevölkerung  sind  die  Gegenden 
zwischen  Caracas  und  Valencia,  die  die  deutsche  Eisenbahn  verbindet;  von 
beiden  Hauptplätzen  aus  geht  je  eine  englische  Bahn  zum  Meer,  nämlich  von 
Caracas  aus  steil  hinab  nach  La  Guaira,  von  Valencia  aus  nach  Puerto  Gabello. 
Die  Küstenkordillcre,  in  der  Silla  de  Caracas  kulminierend,  läuft  parallel  und 
unmittelbar  der  Küste  entlang  bis  hinüber  nach  Trinidad ;  die  Innenkordillere 
südlich  von  Caracas  und  Valencia.    Beide  Gebirgsketten  sind  in  dem  großen 


—    64     - 

Bergknoten  von  Los  Teques  vereint;  darch  dies  Berggewirr  ist  die  deutsche 
Eisenbahn  unter  Überwindung  großer  Schwierigkeiten  gebaut.  Die  zum  Ex- 
port kommenden  Bodenprodukte  Venezuelas  sind  hauptsächlich  Kakao  und 
Kaffee,  auch  Vieh.  Die  Bevölkerung  ist  eine  Mischrasse  aus  Spaniern,  Indi- 
anern, Negern  usw.  and  die  Anzahl  der  Weißen  gering.  Auch  hier  treten 
die  Nordamerikaner  mit  großen,  z.  T.  unverhüllten  politischen  Ansprächen 
auf,  obwohl  sie  der  Zahl  nach  die  kleinste  Gruppe  der  Weißen  darstellen. 
Das  wichtigste  Kulturelement  darch  Ärzte,  Ingenieure,  Kaufleute  u.  s.  f.  liefern 
zweifellos  die  Deutschen.  Seit  der  Befreiung  der  Lande  von  der  spanischen 
Herrschaft  durch  Simon  Bolivar  sind  längere  Perioden  ruhiger  Entwicklung 
nur  selten  gewesen ;  Castros  Willkürherrschaft  war  insofern  kein  außergewöhn- 
liches Ereignis,  obschon  er  es  besonders  arg  getrieben  hat  Die  Gefahr,  daß  in 
Verfolg  der  Monroe-Doktrin  die  Union  auch  in  Südamerika  einmal  ausschlag- 
gebenden Einfloß  gewinnen  kann  und  dann  Zollschranken  und  sonstige 
Hindemisse  dem  freien  Verkehr  erstehen,  nötigt  alle  europäischen  Staaten, 
solang  wie  möglich  und,  soweit  es  in  ihren  Kräften  steht,  die  weitere  selb- 
ständige Existenz  der  westindischen  und  auch  der  kleineren  südamerikanischen 
Republiken  zu  begünstigen,  wenn  auch  noch  so  sehr  die  innere  Hohlheit 
und  Halbkultur  dieser  politischen  Gebilde  offen  zu  Tage  tritt. 

Mittwoch,  den  1.  Dezember  1909. 

HerrOberleutnanta.D.O.Kauffmann-Marburga.d.Lahn: 
Durch  unerforschte  Gebiete  Yon  Gochin  in  Britisch-Indien. 

(Lichtbilder.) 

Während  der  Redner  in  einem  früheren  Vortrage  ein  allgemeines  Bild 
von  Britisch-Indien  zu  entwerfen  bemüht  war,  gab  er  diesmal  einen  Ein- 
blick in  einen  südindischen  Eingeborenenstaat  anter  britischer  Schutzherr- 
schaft, wohin  ihn  eine  seiner  letzten  Expeditionen  geführt  hatte.  Gerade 
das  eine  Million  Einwohner  zählende  Cochin  mit  seinem  alten  Dynasten- 
geschlecht und  seiner  abwechslungsreichen  Geschichte,  seinem  natürlichen 
Reichtum  und  im  Gegensatz  hierzu  dem  durch  die  Einwirkung  des  tropischen 
Klimas  verursachten  großen  Elend,  bietet  uns  einen  charakteristischen  Einblick  in 
die  Vorzüge  und  Schwächen  eines  indischen  Eingeborenenstaates,  der  trotz  alter 
Kultur  durch  politische  Zerrissenheit  in  seiner  Entwicklung  stets  gehemmt  war. 

Phöniker,  Juden,  Griechen,  Römer,  Portugiesen  und  Holländer  sind  an 
den  Küsten  Cochins  gelandet  und  haben  Handel  getrieben.  VonVasco  da 
Gama  für  Portugal  erobert,  kam  das  Land  1662  an  Holland  und  durch  die 
Schlacht  von  Srirangapatan  (1799),  in  welcher  Oberst  Wellesley,  der  spätere 
Herzog  von  Wellington,  den  mächtigen  Sultan  von  Maisur  Tipu  Sahib  be- 
siegte, endgültig  unter  die  Schutzherrschaft  des  anglo-indischen  Reiches. 

Der  Redner  erklärte  zunächst  die  Stellung  der  indischen  Schutzstaaten 
zur  indischen  Krone  und  verbreitete  sich  eingehend  über  ihre  innere  Ver- 
waltung, die  dem  Radscha  untersteht,  der  wie  die  anderen  Fürsten  indischer 
Schntzstaaten  selbständigen  regen  Anteil  an  ihr  nimmt.  Er  zahlt  der  Re- 
gierung einen  Tribut  von  20 000  Pfund  und  erhält  dafür  die  Einnahmen  an 
Zöllen  usw.,  welche  die  genannte  Summe  wieder  einbringen. 


—    66     — 

Obwohl  die  politische  Zerrissenheit  durch  Rassen,  Religionen  und  infolge 
des  Kastenwesens  kaum  größer  sein  kann  als  wie  in  Cochin.  so  scheinen 
seine  Bewohner  doch  mit  ihrem  Lose  zufrieden  zu  sein,  da  die  Natur  ihnen 
den  Lebensunterhalt  so  leicht  gewährt  und  Hungersnot  in  Gochin  so  gut 
wie  unbekannt  ist.  Die  Aufruhrbewegung,  welche  in  jüngster  Zeit  einige 
Nordprovinzen  Indiens  ergriffen,  hat  bisher  in  Cochin  wenige  Anhänger  ge- 
funden. 

Das  Land  zeigt  in  Klima  und  Vegetation  viel  Ähnlichkeit  mit  Ceylon 
und  ist  außerordentlich  fruchtbar.  Der  Ackerbau  steht  in  hoher  Blüte;  die 
hauptsächlichsten  Produkte  sind  Reis,  von  dem  jährlich  drei  Ernten  eingebracht 
werden,  Hanf,  Flachs,  Zuckerrohr,  Baumwolle,  Kaffee,  Gummi,  Ingwer  und 
Pfeffer.  Gesundheitlich  wird  die  Bevölkerung  schwer  heimgesucht  von  ver- 
heerenden Krankheiten,  wie  Pocken,  Lepra,  Pest,  ganz  besonders  aber  von 
Malaria,  deren  Entstehung  und  Übertragung  in  Cochin  immer  noch  ein  zu 
lösendes  Problem  bildet.  Um  die  Bekämpfung  der  Lebra  hat  sich  die  Baseler 
Mission  große  Verdienste  erworben,  indem  sie  sich  der  zahlreichen  Lepra- 
kranken annimmt  und  sie  in  Asylen  verpflegt. 

Die  Bewohner  sind  in  ihrer  Mehrzahl  Hindus.  Die  einsässigen  Juden 
zerfallen  in  zwei  Typen,  die  als  schwarze  und  weiße  Juden  bezeichnet  werden. 
Letztere,  die  später  als  die  ersteren,  aber  doch  schon  in  den  ersten  nachchristlichen 
Jahrhunderten  eingewandert  sind,  haben  sich  rein  erhalten  und  erlangten 
schon  früh  gewisse  Vorrechte. 

Besondere  Aufmerksamkeit  hat  der  Vortragende  auf  seinen  Expeditionen 
den  Ureinwohnern,  speziell  dem  dravidischen  Problem  geschenkt.  So  be- 
suchte er  auf  seinen  verschiedenen  Reisen  von  1901  bis  1908  die  Gebiete  der 
Baigers  und  Gonds  in  den  Zentralprovinzen,  der  Currumbas  in  Maisur,  der 
Todas  in  den  Nilghiri-Bergen  und  besonders  der  Kadirs  in  den  Urwäldern 
Cochins.  Die  Kadirs  leben  als  Nomaden  in  ihren  Wäldern,  über  die  sie  aber 
nie  hinausgehen ;  sie  sind  ehrlichen,  gutmütigen  Charakters  und  huldigen 
einem  rohen  Polytheismus.  Alle  diese  auf  primitivster  Kulturstufe  stehenden 
Waldvölker  sind  dravidischen  Ursprungs  mit  Ausnahme  der  Todas,  welche 
arischen  Typus  aufweisen. 

Fauna  und  Flora  zeigen  beide  die  vielseitigsten  Formen.  Besonders 
zahlreich  vertreten  ist  der  Gaur,  das  große  Wildrind,  das  in  zwei  Typen  als 
Berg-  und  Sumpfgaur  vorkommt,  sodann  Elefanten,  Wildschweine,  Panther 
und  verschiedene  Arten  Hirsche;  Bären  und  Tiger  finden  sich  selten.  Aus 
der  Vogelwelt  verdient  der  große  Nashornvogel,  der  sein  Weibchen  während 
der  Brutzeit  einmauert,  besondere  Hervorhebung.  Auffallend  zahlreich  ist 
die  Insektenfauna,  unter  welcher  die  Einwohner  sehr  zu  leiden  haben.  Einen 
prächtigen  Anblick  bieten  die  Feuerfliegen,  welche  in  Millionenschwärmen 
den  Urwald  in  magischem  Lichte  erscheinen  lassen.  Der  Hauptreichtum 
Cochins  besteht  in  seinen  Waldungen,  aus  denen  die  Regierung  durch  Aus- 
fuhr von  Tickholz,  Rosenholz,  Sandel-  und  Ebenholz  ihre  bedeutendsten  Ein- 
nahmen erzielt.  Mit  dem  Hinweis  auf  die  vielen  Geheimnisse,  welche  der  Urwald- 
Dschungel  für  den  Forscher  und  Jäger  noch  immer  birgt  und  diesen  trotz 
der  vielen  Gefahren  gern  zu  weiteren  Studien  in  sie  zurückführt,  schloß  der 
Redner  seine  von  zahlreichen  Lichtbildern  erläuterten  Ausführungen. 


—    66    — 

Mittwoch,  den  9.  Dezember  1909. 

Herr  Professor  Dr.  Gottfried  Merzbacher-Mönchen: 
Ton  meiner  neuen  Forsch an§^r eise  in  den  TIan-8ehan 
1907  — 1908.  (Lichtbilder  und  Ausstellung  von  Gebirgs- 
panoramen.) 

Der  Vortragende  warf  zunächst  einen  Rückblick  auf  seine  große  in 
den  Jahren  1902  und  1903  ausgeführte  Tian-Schan- Expedition,  über  welche 
er  am  15.  November  1905  in  unserem  Verein  einen  Bericht  erstattet  hat. 
(Siehe  Jahresbericht  1905/06,  S.  103  ff.) 

Der  damalige  Vortrag  samt  den  ausgestellten  großen  Panoramen  war 
ein  ausgezeichnetes  Mittel,  den  Hörern  von  dem  Bau  und  der  ungeheuren 
Vereisung  des  bisher  so  wenig  bekannten  großartigen  innerasiatischen  Ge- 
birges, insbesondere  von  seinen  zentralsten  und  innersten  Ketten  eine  zutreffende 
Vorstellung  zu  erwecken.  Damals  bildete  der  Schauplatz  der  Forschungen 
des  Reisenden  der  eigentliche  zentrale  Teil  des  Tian-Schan,  seine  bis  dahin 
noch  von  keinem  Forscher  betretenen  innersten  Teile,  besonders  das  Gebiet 
der  höchsten  Kammerhebung,  das  des  Khan-Tengri,  dessen  wirkliche,  in  den 
bisherigen  Karten  falsch  dargestellte  Lage,  zum  erstenmal  festgestellt  wurde. 
Über  Nord-  und  Südabhang  des  zentralen  Teiles  verbreiteten  sich  die  Wege 
des  Forschers  und  besonders  die  noch  unbekannten,  bedeutendsten  Quertaler 
des  Südabhanges  wurden  durchforscht,  wobei  damals  der  eigentliche  Durch- 
bruch des  nach  Süden  zum  Tarim- Becken  ausmündenden  größten  der  im 
Norden  entspringenden  Tian-Schan-Ströme,  des  Sary-Dschass,  festgestellt 
werden  konnte,  sowie  seine  in  allen  bisherigen  Karten  unrichtige  Lage 
berichtigt  wurde.  Die  Expedition  beschäftigte  sich  des  weiteren  mit  der 
Erforschung  der  großen  Gletscher  des  Gebietes  und  ihrer  Vermessung,  wobei 
mehrere  bisher  unbekannte  große,  darunter  ein  über  70  km  Länge  erreichender 
Gletscher  entdeckt  und  begangen  wurde.  Vollständige  Quernngen  des  (Ge- 
samtkomplexes der  Ketten  wurden  hiermit  verbunden,  um  geologische  Quer- 
profile zu  erlangen,  deren  Inhalt  zum  Teil  schon  veröffentlicht  ist.  Wie 
reich  das  von  dieser  Expedition  heimgebrachte  wissenschaftliche  Material 
indessen  auch  war,  so  schien  es  dem  Forscher  doch  nicht  auszureichen,  um 
als  sichere  Basis  für  die  Herstellung  der  tektonischen  Leitlinien  und  für  die 
Abfassung  der  jüngeren  Entwicklungsgeschichte  des  Tian-Schan  zu  dienen. 
Es  drängte  sich  vielmehr  eine  Reihe  von  Fragen  auf,  deren  Beantwortung 
zum  Teil  unsicher,  zum  Teil  unmöglich  schien.  Daß  diese  Fragen  nur  gelöst 
werden  könnten,  wenn  es  gelänge,  die  Beobachtungen  auch  auf  den  östlichen 
Teil  des  Gebirges  auszudehnen,  wurde  dem  Forscher  bald  klar  und  zwar 
nicht  allein  deshalb,  weil  die  Erkenntnis  des  genetischen  Zusammenhanges 
gewisser  Erscheinungen  nur  durch  vielfache  Vergleiche  ermöglicht  werden 
könne,  sondern  auch  weil  infolge  dort  vorherrschender  ganz  anderer  klima- 
tischer Bedingungen  im  östlichen  Tian-Schan  die  Spuren  gewisser  Vorgänge 
in  klarerer  Weise  erhalten  geblieben  sein  mußten.  Die  Notwendigkeit  der 
neuen  Forschungsreise  stand  ihm  also  klar  vor  Augen. 

Indessen  würde  sich  die  Ausführung  vielleicht  noch  einige  Jahre  ver- 
zögert haben,  wenn  nicht  zu  Beginn  des  Jahres   1907  von  dem  inzwischen 


—    67    — 

verstorbenen  Prinzen  Arnulf  von  Bayern  an  Professor  Merzbacher  eine  Ein- 
ladung ergangen  wäre,  ihn  auf  eine  Expedition  in  den  Tian-Schan  zu  be- 
gleiten, welche  der  Prinz  unternehmen  wollte,  um  auf  Wildschafe  und  Stein- 
böcke zu  jagen.  Da  der  Prinz  der  Bedingung  zustimmte,  daß  Professor 
Merzbacher  nicht  gehindert  sein  solle,  seinen  wissenschaftlichen  Zielen  nach- 
zustreben, nahm  dieser  die  Einladung  an.  Der  Forscher  weiß  von  dem  edlen 
Charakter  des  so  früh  verstorbenen  Prinzen,  von  seiner  umfassenden  Bildung, 
von  seiner  großen  Begeisterung  und  seinem  lebhaftem  Verständnis  für  die 
Erscheinungen  der  großartigen  und  fremdartigen  Bergwelt  nur  Rühmendes 
zu  sagen.  Die  Expedition  war  auch  diesmal  von  einem  jungen  Qeologen 
Dr.  Kurt  Leuchs  aus  München  und  einem  Tiroler  Bergführer  Franz  Kostner 
aus  Gorvara  begleitet,  sowie  von  einem  zoologischen  Präparator  und  einem 
Jäger  des  Prinzen. 

Am  17.  April  1907  wurde  München  verlassen  und  am  15.  Mai  Taschkent, 
von  wo  auf  dem  Posttrackte  durch  die  Steppen  von  Tnrkestan  und  Semiret- 
schensk  der  chinesischen  Grenze  zugestrebt  wurde.  In  der  chinesischen 
Grenzstadt  Kuldscha  wurde  die  Expedition  organisiert  und  in  zwei  getrennten 
Gruppen  zusammengestellt:  eine  für  die  der  Jagd  gewidmeten  Ziele  des 
Prinzen  Arnulf  bedurfte  einer  besonderen  Organisation,  verschieden  von  der, 
welche  den  Forschungszielen  Professor  Merzbachers  zu  dienen  hatte.  Beide 
Gruppen  hielten  sich  durch  Boten  und  gelegentliche  Zusammenkünfte  ihrer 
Führer  in  Fühlung.  Das  erste  Ziel  der  Forschung  waren  die  Täler  der 
beiden  größten,  der  den  Nordabhang  des  östlichen  zentralen  Tian-Schan 
entwässernden  Ströme,  des  Agias  und  des  Kok-su.  Beide  weisen  die  Eigen- 
artigkeit auf,  daß  sie,  bei  einer  Länge  des  Laufes  von  je  ca.  150  km,  in 
der  oberen  Hälfte  ihres  Laufes  in  Längstälem  fließen,  dann  knieartig 
umbiegen  und  das  Gebirge  im  Querlaufe  durchbrechen,  ohne  daß  tektonische 
Gründe  für  diese  Aenderung  wahrnehmbar  wären.  Dem  Forscher  gelang  es 
in  beiden  Fällen,  die  Ursache  dieses  auffallenden  Verhältnisses  aufzuhellen, 
was  er  in  summarischer  Weise  und  an  Hand  von  Lichtbildern  darlegte.  Er 
erwähnte  hierbei,  daß  diese  beiden  ungemein  wildreichen  Täler  schon  zu 
wiederholten  Malen  das  Ziel  von  Sportsleuten,  insbesondere  anglo-indischer 
Jäger  waren,  welche  mit  hohen  Kosten  und  einem  begleitenden  großen  Troß 
unter  mühevollen,  langen  Wanderungen  den  Karakorum  und  Tian-Schan 
überschreitend,  in  das  Tekes-Tal  hinabstiegen,  um  in  dessen  Seitentälern  zu 
jagen.  Die  Wissenschaft  hatte  jedoch  von  diesen  Besuchen  keinen  Vorteil, 
und  so  blieb  Prof  Merzbacher  die  erste  wissenschaftliche  Untersuchung  dieser 
in  vieler  Hinsicht  interessanten  Täler  vorbehalten.  Besonders  im  Oberlaufe 
des  Kok-su  zeigen  sich  für  die  spätere  Entwicklungsgeschichte  des  Tian-Schan 
merkwürdige  Verhältnisse.  Dort  weitet  sich  das  bisher  zum  größten  Teile 
unzugängliche  Engen  bildende  Tal  zu  einem  ungeheuren  Becken,  begrenzt 
im  Norden  von  einer  granitischen  Vorkette  und  im  Süden  von  der  aus 
palaeozoischen  Sedimenten  und  alten  kristallinischen  Gesteinen  aufgebaute 
Hauptwasserscheide.  Diese  gewaltige  Hohlform  ist  jedoch  von  einem  jüngeren 
Gebirge  ausgefüllt,  das,  wiewohl  nur  aus  Trümmergesteinen  bestehend 
(Konglomeraten,  Sandsteinen  etc.)  doch  bis  in  die  Region  ewigen  Schnees 
ansteigt.    Von    den   abenteuerlichen  Formen,   in   welche   die  Erosion    diese 

5* 


—    68    — 

Gebilde  zerlegt  hat.  erwecktes  die  Lichtbilder  des  Redners  eine  klare  Yor- 
■tellnng.  Da  die  K&mme  teilweise  in  einen  wahren  Wald  schlanker  Nadeln 
aufgelöst  sind,  nannten  die  Kirgisen  das  Gebirge  Karagai-tasch  ^  steinerner 
Wald.  Über  die  Ursachen  dieser  stannenswerten  Ansammlung  Ton  Trümmer- 
gesteinen gab  der  Redner  aal  Grond  seiner  rntersnchongen  eine  Erkl&rong 
und  verbreitete  sich  dann  über  den  Ban  des  östlichen  Tian-  Schan  überhaupt, 
dessen  heutige  Form  zum  großen  Teile  leicht  zu  Terfolgenden  Lingsbrüchen. 
and  den  sie  schneidenden,  schwerer  festzustellenden  Querbrüchen  zu  verdanken 
ist.  So  entstanden  die  großen  Längstäler  Kash  und  Knnges  durch  einen 
großen  Grabenbruch,  in  dessen  Hohlform  jeder  der  beiden  Ströme  sich  ein 
Bett  gegraben  hat.  während  die  Wasserscheide  zwischen  beiden  infolge  von 
Querbrüchen  stellenweise  bis  nahezu  zur  Unkenntlichkeit  abgesunken  ist. 

Zwei  andere  der  großen  Längstäler  des  östlichen  Tian-Schan  sind  die 
Täler  Groß-  und  Klein- Ynldus,  die  eine  auffällige  eiförmige  Gestalt  haben, 
für  deren  Entstehung  der  Redner  die  Erklärung  gab  und  in  Lichtbildern 
die  eigenartigen  morphologischen  Verhältnisse  dieser  Gebiete  erläuterte,  wo 
im  Rahmen  ungeheurer  eisbedeckter  Ketten  sich  trockene,  weite,  baumlose 
Hochsteppen  dehnen,  die  stellenweise  in  Sumpf,  an  anderen  Orten  in  Wüsten 
übergehen.  In  einer  jüngeren  geologischen  Periode  waren  alle  diese  Hohl- 
formen nach  dem  Verlaufe  einer  früheren  Eisperiode  durch  gewaltige  Binnen- 
seen ausgefüllt,  die  mit  einander  in  Verbindung  standen.  Nach  deren  Rück- 
tritt bahnten  sich  auf  den  alten  Seeböden  Flüsse  ihren  Lauf,  deren  Richtung 
Ton  dem  der  heutigen  Flüsse  abweicht,  da  späte  tektonische  Bewegungen 
und  namentlich  Anhänfungen  glazialer  Schuttmassen  ein»  späteren  Eisseit 
ihnen  den  alten  Weg  verlegten.  Diese  glacialen  Schuttmengen  verbreiteten 
sich  in  ungeahnt  großer  Ausdehnung  auch  über  den  Südabhang  des  östlichen 
Tian-Schan.  der  heute  den  nahezu  ausgetrockneten  Rand  des  heißen  Tarim- 
Beckens  bildet. 

Auch  in  die  obersten  Quellgebiete  der  beiden  Ströme  Agias  und  Kok-sa 
führte  der  Redner  seine  Zuhörer  und  zeigte  ihnen  in  vortrefflichen  panora- 
matischen Lichtbildern  die  großartigen  Bergformen  und  ausgedehnten 
Gletscher  dieser  Gebiete  sowie  die  ihrer  großen  Nebenflüsse  Kopr-sai  und 
Kongr-bulak.  endlich  auch  die  des  wundervollen  Gebirgsrahmens.  welcher 
das  Quellgebiet  des  nördlichen  großen  Masart-Flusses  umschließt.  Beispiellos 
ungünstige  Witterang  hatte  die  geodätischen,  geologischen,  topographischen  und 
photographischen  Arbeiten  der  Expedition  sehr  erschwert.  In  6  Monaten 
waren  nur  9  Tage  ohne  Niederschläge  in  Form  von  Schnee  oder  Regen. 

Im  Oktober  1907  vereinigte  sich  der  Forscher  in  der  hart  an  der 
chinesischen  Grenze  gelegenen  Staniza  Narjm-kol  mit  dem  inzwischen  nach 
Beendigung  seiner  Jagden  dort  eingetroffenen  Prinzen  Arnulf,  den  er  nun 
aus  dem  Gebirge  zurück  nach  Taschkent  geleitete.  Dr.  Leuchs  setzte  die 
Forschungen  im  Gebirge  inzwischen  noch  weiter  fort.  Ende  November  war 
Prof.  Merzbacher  wieder  bei  seinen  Leuten  eingetroffen  und  überschritt  mit 
ihnen  im  strengsten  Winter  die  tief  verschneiten  Ketten  des  Temurlyk-Tau, 
um  wieder  nach  Kuldscha  am  Nordfuße  zu  gelangen.  Von  dort  reisten  Dr. 
Leuchs  and  der  Tiroler  Führer  zurück  in  die  Heimat.  Bis  Ersatz  hierfür 
in  den  Personen  des  Dr.  Paul  Gröber  und  des  Tirolers  Franz  Wenter  einge- 


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troffen  war,  verbrachte  Prof.  Merzbacher  die  schlimmste  Zeit  des  ungemein 
strengen  und  schneereichen  Winters  in  Kuldscha. 

Ende  März  1908  erfolgte  die  Ausreise  zur  Erforschung  der  östlichsten 
Teile  des  Tian-Schan,  insbesondere  der  schon  erwähnten  großen  Längstäler 
Kasch,  Kunges,  Groß-  und  Klein- Yuldus.  Aus  dem  Schlüsse  des  letzt- 
genannten Tales  gelangte  die  Expedition  über  den  Kotyl-Paß  zum  Südabhang. 
Auf  diesem  Wege  begegnete  sie  der  Aufwanderung  des  zahlreichen  Torgouten- 
stammes,  der  in  der  Ebene  von  Karaschai  überwintert  und  nun  zu  den 
Sommerweidegründen  in  den  Yuldustälem  hinaufzog.  Der  Vortragende 
schilderte,  unterstützt  von  wohlgelungenen  Lichtbildern,  die  ungemein 
malerischen  und  mannigfaltigen  Szenen,  welche  sich  in  den  unendlichen 
Zügen  dieses  mongolischen  Yolksstammes  mit  seinen  großen  Herden  und  der 
zahlreichen  zugehörigen  Geistlichkeit  entwickelte.  Diese  buddhistischen 
Geistlichen,  die  Lamas,  bilden  fast  die  Hälfte  des  Volkes,  das  unter  dem 
aussaugenden  Einfluß  der  Lamas  und  bei  deren  von  dem  gedankenlosesten 
Formalismus  beherrschten  Religionsübungen  an  jeder  geistigen  und  materiellen 
Entwicklung  verhindert  wird. 

Der  Reisende  hatte  später  Gelegenheit,  die  Sommerresidenz  der  diesen 
torgoutischen  Stamm  beherrschenden  Fürstin  zu  besuchen.  Auf  weitem 
grünen  Plan  inmitten  eines  schneegekrönten  Bergkranzes  erhebt  sich  eine 
aus  Filzzelten  bestehende  kreisrund  angelegte  Stadt.  Die  Mitte  des  Kreises 
nehmen  außer  den  prächtigen  Zelten  der  Fürstin  und  ihrer  Familie  eine 
große  Anzahl  von  Tempelzelten  ein,  aus  denen  den  ganzen  Tag  über  der 
unharmonische  Lärm  von  zahlreichen  Musikinstrumenten  der  Lamas  ertönt 
und  den  heiligen  Frieden  der  schönen  Bergeswelt  stört,  die  rings  den  eigen- 
artigen Herrschersitz  umrahmt. 

Auch  von  seinen  Besuchen  bei  Fürsten  anderer  mongolischer  Stämme 
des  Tian-Schan  erzählte  der  Reisende.  Einer  von  diesen,  der  Wan  Bayar- 
dschung,  der  seinen  Wohnsitz  am  Nordrande  des  Gebirges  in  Sügoschur  hat, 
ist  ein  gebildeter  und  aufgeklärter  Mann.  Ein  schönes  Bild  vergegenwärtigte 
ihn  und  seine  Familie  in  höchst  eigenartigen  Kostümen.  Ein  von  diesem 
Wan  unterhaltenes,  im  Gebirge  herrlich  gelegenes  Buddhistenkloster  (Zagan- 
ussun)  wurde  in  schönen  Bildern  in  seiner  malerischen  Lage  und  Bauart, 
sowie  in  seinen  reich  geschmückten  inneren  Räumen  den  Zuhörern  vorgeführt. 

Von  der  Reise  am  Südabhang  schilderte  Professor  Merzbacher  zunächst 
die  Stadt  Karaschar  und  den  großen  Randäee  Bagratsch-kul,  dann  die  durch 
die  ungeheure  Gewalt  der  Sonnenbestrahlung  und  durch  Sandstürme  schwierig 
gemachte  Wüstenreise  am  Nordrande  der  südlichen  Gobi  bis  zur  Stadt 
Kutscha,  wobei  er  einiges  aus  den  geologischen  Ergebnissen  dieses  Teiles 
der  Reise  erwähnte.  Eingehender  wurde  in  Wort  und  Bild  das  malerische 
und  farbenprächtige  bewegte  Volksleben  dieser  Stadt  vorgeführt,  die  der 
Vortragende  als  die  schönste  aller  Städte  des  Tarimbeckens  erklärt.  Einen 
besonderen  Zug  in  diesem  Leben  bilden  die  Frauen,  deren  physische  Vorzüge 
der  Redner  schilderte. 

In  Kutscha  stand  er  vor  dem  schwierigsten  Teil  seiner  Reise.  Es 
handelte  sich  darum,  die  gesamten  Ketten  des  östlichen  Tian-Schan,  der  hier 
seine  größte    Breitenentfaltung  annimmt,  quer  zu   ihrem  Streichen    zu  über^ 


it 


—    70    — 

schreiten,  um  ein  geologisches  Gesamtprofil  zu  erlangen.  Ungemein  große 
Schwierigkeiten  stellten  sich  diesem  Unterfangen  entgegen,  da  das  Gebirge 
gänzlich  unbewohnt  ist  und  auf  irgendwelche  Hilfsmittel  nicht  zu  rechnen 
war.  Auch  konnten  keine  verläßlichen  Auskünfte  über  die  Natur  dieser 
unbekannten  Gegend  erlangt  werden.  Die  größten  Hindemisse  bildeten  die 
{  um   die    Zeit    des   Besuches    der  Expedition   durch   die  Schmelzwasser    der 

I  zahlreichen  Gletscher  ungemein  angeschwollenen,   in  Engen  dahinstüraenden 

Gcbirgsströme  Manas,  Chorgos  und  Ulan-ussu. 

Die  notgedrungenen  häufigen  Überschreitungen  dieser  tosenden  Ströme 

brachten  die  Expedition  öfters  in  große  Gefahren,  und  schließlich  schien  ihr 

•  Rückzug  sowohl  als  Yorwärtsdringen  abgeschnitten.     Durch  Überschreitung 

\  mehrerer  hoher,  vergletscherter  Pässe  auf  Terrain,  dessen  Überwindung  durch 

eine  zahlreiche  Karawane   nach   den   vorgeführten  Bildern   fast  unglaublich 
I  dünken   mußte,  wenn  nicht  gerade  auch  in   diesen  Bildern  gezeigt   worden 

:'  wäre,  wie  durch  mutiges  und  verständnisvolles  Zusammenwirken  der  Leute 

unter  erfahrener  Leitung  selbst  das  scheinbar  Unmögliche  dennoch  durch- 
geführt werden  kann.  Freilich  ging  es  nicht  ganz  ohne  Opfer  ab.  Mehrere 
Tragtiere  stürzten  in  Abgründe  und  wertvolle  Teile  der  Sammlungen  gingen 
hierbei  verloren.  Einzelbilder  und  Panoramen  zeigten  die  großartigen 
Formen  und  die  reiche  Vergletscherung  dieser  vorher  noch  von  keinem  Europäer 
erblickten  geheimnisvollen  Hochgebirgswelt.  Indessen  waren  infolge  der 
langen  Dauer  dieser  Querung  die  Lebensmittel  der  Expedition  zu  Ende  ge- 
gangen, so  daß  der  Hunger  als  ein  neuer  Feind  drohte.  Es  mußte  also  ein 
endgültiger  Ausgang  aus  den  unwirtlichen  Engen  des  Gebirges  gefunden 
werden.  Um  den  Preis  unerhörter  Anstrengung  und  mit  Hilfe  torgoutischer 
Jäger,  die  ein  glücklicher  Zufall  hier  dem  Reisenden  in  seinen  Weg  führte, 
wurde  endlich  der  Ausgang  zum  Nordabhang  des  Gebirges  gefunden. 

Über  die  Städte  Schichodse  und  Manass  gelangte  die  Expedition  dann, 
dem  Nurdrand  des  Tian-Schan  entlang  nach  Osten  wandernd,  zur  großen 
Stadt  Urumtschi,  dem  Sitze  der  Zentralregierung  der  Provinz  Sing-kiang. 
In  kurzen  Worten  und  mit  Hilfe  schöner  Bilder  entwarf  der  Redner  eine 
Skizze  von  der  Lage,  Bauart  und  dem  Volksleben  dieser  großen  Handelsstadt 
des  westlichen  Chinas.  Sodann  führte  er  die  Zuhörer  weiter  nach  Osten  an 
den  Fuß  der  östlichsten  der  großen  Tian-Schan-Ketten  der  Bogdo  Ola-Kette. 
Diese  war  bisher  nur  von  einer  russischen  Expedition  unter  den  Brüdern 
Grum-Grschimailo  flüchtig  berührt  worden,  und  die  Kenntnis  von  ihr  war  daher 
bislang  nur  eine  unzureichende.  Diese  in  großartigen  Formen  aufgebaute  und 
reich  vergletscherte  Kette  erhebt  sich  ca.  5500  Meter  hoch,  zwischen  den  sonnen- 
durchglühten Ebenen  der  Dsungarei  im  Norden  und  der  tiefsten  Einsenkung 
des  zentralasiatischen  Kontinentes  der  Senke  von  Turfan  im  Süden  (bei 
Lutzchun  bis  1H4  Meter  unterm  Meeresniveau  sinkend),  sodaß  ihre  Höhe  noch 
gewaltiger  erscheint,  als  sie  ist.  Seit  alten  Zeiten  hat  sie  daher  die  Fantasie 
der  wandernden  Bevölkerung  wie  der  Städtebewohner  am  Rande  des  Gebirges 
erfüllt.  Chinesen,  Mongolen  und  die  türkisch-mohammedanische  Bevölkerung 
halten  das  Gebirge  für  heilig.  Bogdo-ola  heißt  heiliges  Gebirge.  Die 
mannigfachsten  Sagen  knüpfen  sich  an  diese  Bergwelt,  die  als  eine  Art 
Pamassus  Zentralasiens  gelten   muß.    Der   Reisende   schilderte  seine  Reise 


-    71    - 

bis  zum  Innern  des  Gebirges,  wo  ein  wundervoller  Alpensee  in  stark  be- 
waldeter Bergumrahmnng  liegt,  überragt  von  den  großartigen  Eisdomen  des 
zentralen  Gebietes.  Dieser  See  gilt  als  heilig.  Au!  seinen  schön  geformten 
Uferwällen  erheben  sich  mehrere  chinesische  Klöster,  die  von  dem  Reisenden 
besucht  wurden.  Von  seinen  Erlebnissen  mit  den  in  sonderbarem  Aberglauben 
befangenen  Mönchen  erzählte  er  einige  ergötzliche  Zwischenfälle,  und  schöne 
Lichtbilder  führten  die  Zuschauer  in  diese  geheimnisvolle,  sagenumwobene 
Bergeinsamkeit.  In  flüchtigen  Strichen  entwarf  Prof.  Merzbacher  dann  eine 
Darstellung  von  seinen  verwickelten  Wegen  zur  gründlichen  Erforschung 
der  orographischen  Züge  und  des  geologischen  Baues  der  Bogdo-ola.  Sowohl 
am  Nordrande  wie  nach  Querung  der  großen  Kette  auch  am  Südrande, 
wurden  hohe  vereiste  Berge  erstiegen,  um  Einblick  in  den  Bau  des  Gebirges 
zu  gewinnen  und  panoramatische  Aufnahmen  hiervon  zu  machen.  In  Projektion 
vorgeführte  Panoramen  des  Nord-  und  des  Südabhanges  vermittelten  zum 
erstenmale  zutreffende  Vorstellungen  hiervon  einem  europäischen  Publikum. 

Durch  das  Tal  Gurban-bogdo  wurde  dann  der  im  südlichen  Randgebiet 
sich  erstreckende  See  Aidin-kul  erreicht  und  von  dort  das  Gebirge  nochmals 
nach  Norden  gequert  und  zur  Stadt  Urumtschi  zurückgekehrt.  Wegen  vor- 
geschrittener Zeit  konnte  der  Reisende  von  seinen  weiteren  Unternehmungen 
an  diesem  Abende  keine  weiteren  Aufklärungen  geben.  Mit  einem  Rückblick 
auf  die  fünf  opfer-  und  mühevollen  Forschungsjahre,  die  er  der  Erschließung 
des  fernen  Himmelsgebirges  bislang  gewidmet  hat  und  mit  dem  Ausdruck 
der  Hoffnung,  daß  das  heimgebrachte  reiche  Material  nun  ausreichend  für 
das  geplante  große  Werk  sei,  schloß  der  Redner  seine  Ausführungen. 

Wie  bei  seinem  früheren  Vortrage  hatte  Prof.  Merzbacher  auch  dies- 
mal wieder  eine  Reihe  prächtiger  Panoramen  ausgestellt,  welche  von  den 
eigenartigen  Formen  und  dem  Bau  der  großen  vereisten  Ketten  des  östlichen 
Tian-Schan  dem  Beschauer  getreue  Vorstellungen  erweckten. 

(Vgl.  den  Aufsatz  des  Herrn  Vortragenden:  Von  meiner  Tian-Schan- 
Expedition  1907  und  1908  in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Erdkunde 
zu  Berlin  1910,  Nr.  4  u.  6.) 

Mittwoch,  den  15.  Dezember  1909. 

Herr  Professor  Dr.  Siegfried  Passarge-Hamburg: 
Algier.    (Lichtbilder.) 

Der  Redner,  welcher  im  Sommer  und  Herbst  1906  ausgedehnte  Studien- 
reisen in  Algerien  hauptsächlich  zur  Beobachtung  der  Verwitterungsverhält- 
nisse in  den  Hochsteppen  und  in  der  Sahara  unternommen  hatte,  gab  zunächst 
einen  Überblick  über  die  Oberflächengcstaltung  und  den  geologischen  Aufbau 
des  Landes,  sowie  Klima,  Pflanzenwelt  und  Bevölkerung.  Sodann  schilderte 
er  die  Stadt  Algier,  ihre  herrliche  Lage  an  dem  felsigen  Bücken  des  Buzar^a, 
die  moderne  französische  und  die  alte  enge,  aber  äußerst  malerische  Stadt 
der  Araber-  und  Türkenzeit.  Es  folgte  ein  Blick  in  den  Teil-Atlas  an  der 
Küste  und  die  französische  Besiedlung,  die  teils  in  Städten,  teils  in  einzelnen 
Landgütern  erfolgt  ist.  Wein-,  Weizen-  und  Olivenkultur  nebst  Viehzucht 
bilden  die  Haupterwerbszweige  neben  Handwerken  und  etwas  Industrie.  Eine 


—    72    — 

besondere  Betrachtung  galt  dem  dicht  besiedelten  Djnrdjora-Gebirge  mit  der 
so  ungemein  interessanten  Berberbevölkerung,  die  in  genau  demselben  Zu- 
stand lebt,  wie  vor  2000  Jahren  zur  Römerzeit  und  ihre  uralte  soziale  und 
politische  Verfassung  bis  in  unsere  Tage  sich  bewahrt  hat.  Der  Islam  ist 
in  vielen  Grundzügen  völlig  verändert  worden,  und  im  Gegensatz  zu  den 
Arabern  zeigen  sich  die  Berber  europäischer  Kultur  und  Schulbildung  zu- 
gänglich. Volksschulen  sind  allenthalben  verbreitet;  Knaben  und  Mädchen 
besuchen  sie  gemeinsam. 

Nun  folgte  eine  Schilderung  der  öden  und  monotonen,  und  doch  so 
interessanten  Hochsteppen  und  des  algerischen  Atlas,  wo  im  hei^n  Sommer 
die  Nomaden  ihre  Zeltlager  aufschlagen  und  ihre  Herden  von  Kamelen  und 
Schafen  weiden,  im  Winter  aber  oft  viele  Fuß  hoch  der  Schnee  liegt  und 
eisige  Stürme  bis  in  den  April  hinein  rasen.  Daher  ziehen  die  arabischen 
Stämme  im  Herbst  in  die  Vorwüste  hinab  an  den  Fuß  des  Atlas-Gebirges, 
wo  sie  den  Winter  bei  mäßiger  Kälte  und  mäßiger  Weide  verbringen.  Im 
Mai  gehen  dann  die  Züge  wieder  hinauf  auf  das  Hochplateau.  Eine  Dar- 
stellung der  Oasen  der  Sahara  und  Palmengärten  von  Tnggurt  und  Wargha, 
der  hochinteressanten  mit  alten  Mauern  und  Türmen  befestigten  Städte  des 
Mzab,  sowie  eine  Schilderung  der  verschiedenen  Formen  der  Wüste,  der 
felsigen  mit  Steingeröll  bedeckten  Hammada  des  Mzabplateaus  und  der  Sand- 
und  Lehniwüsten  des  Ighargharbeckens  schloß  den  Vortrag. 

Mittwoch,  den  5.  Januar  1910. 

Herr  Dr.  Alfons  Paquet  -  Frankfurt  a.  M. :  Durch 
Sibirien  und  die  Mongolei,    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  unternahm  im  Frühjahr  1908  im  Auftrage  der  Qeo- 
graphischen  Gesellschaft  (für  Thüringen)  zu  Jena  eine  Reise  durch  Sibirien 
und  die  Mongolei.  Gegen  das  in  massiger  Breitenausdehnung  angrenzende 
Sibirien  ist  die  Mongolei  im  Westen  und  Norden  durch  die  Gebirgszüge  des 
Altai  und  des  Sajan  abgeschlossen  und  nur  an  wenigen,  miteinander  außer 
Zusammenhang  stehenden  Stellen  durch  beschwerlich  zu  bereisende  Saumpfade 
zugänglich,  die  in  der  Hauptsache  den  langgestreckten  Erosionstälem  in  das 
Gebirge  aufwärts  folgen  und  dieses  auf  hohen  Pässen  überschreiten.  Die  von 
sibirischen  Woll-  und  Pelzhändlern  benutzten  Pfade  über  den  Altai  folgen 
den  Tälern  des  oberen  Irtysch  und  des  Buchtarma.  Der  von  den  in  Bijsk 
und  in  der  Fußzone  des  Altai  ansässigen  Kaufleuten  benutzte  Handelsweg 
der  sogenannte  Tschuiski  Trakt,  führt  an  den  Quellflüssen  des  Ob,  Katun 
und  Tschuja  aufwärts  bis  zur  chinesischen  Grenze  auf  der  Hochsteppe  von 
Koschagatsch,  wo  wegen  der  wechselnden  Verkehrsbedingungen  zumeist  eine 
Umladung  der  Karawanen  stattfindet.  Der  wichtigste  Ausgangspunkt  des 
russisch-mongolischen  Handels,  dessen  Objekte  und  Formen  der  Vortragende 
näher  schilderte,  ist  Bijsk.  Von  hier  aus  reichen  die  russischen  Handels- 
beziehungen bis  weit  in  das  Innere  von  Chalcha ;  sie  haben  ihre  Stützpunkte 
in  den  Städten  Kobdo  und  Uljassutai.  Außer  Bijsk  unterhält  in  geringem 
Maße  nur  noch  die  am  Oberlauf  des  Jenissei  gelegene  Stadt  Minussinsk 
direkte  Handelsbeziehungen  zur  Mongolei,   die  einstweilen  aUerdings   nicht 


—    73    - 

weiter  als  bis  in  das  Gebiet  der  Urianghai-Stämme  reichen  und  in  ülankom 
endigen.  Erst  vom  Südzipfel  des  Baikalsees  aus  stellt  wieder  der  zum 
Kossogol  führende  sogen.  Tunkinskische  Viehtrakt  eine  fast  nur  für  Vieh- 
transporte aus  der  Mongolei  benutzte,  für  sonstige  Handelsbeziehungen  bisher 
noch  wenig  in  Aufnahme  gekommene  Verbindung  zwischen  dem  Gouverne- 
ment Irkutsk  und  den  angrenzenden  mongolischen  Gebieten  her.  Die  öst- 
lichste und  bekannteste  Handelsstraße,  der  frühere  Hauptweg  der  Teekara- 
wantn  aus  China,  führt  von  Irkutsk  durch  das  Transbaikalgebiet,  seit  Fertig- 
stelluiig  der  Transbaikaleisenbahn  von  der  Gamisonstadt  Werchne-Udinsk 
aus  m^ch  Kjachta-Maimatschen  und  von  dort  über  Urga  durch  die  Gobi  nach 
Kaigan  und  Peking. 

Die  Reise  des  Vortragenden  nahm  ihren  Ausgang  von  Nowo-Nikola- 
jewsk,  einer  an  der  Kreuzung  der  Sibirischen  Bahn  mit  dem  Ob  vor  etwa 
10  Jahren  entstandenen,  aufblühenden  Handelsstadt,  dem  „Mannheim  Sibiriens". 
An  der  Hand  zahlreicher  Lichtbilder  schilderte  Redner  den  Verlauf  seiner 
Reise  den  Ob  aufwärts  über  Barnaul  und  Bijsk,  durch  die  großartigen 
Gebirgslandschaften  im  Altai  und  die  Wüsteneinöden  des  mongolischen  Hoch- 
lands. Auf  monatelanger  beschwerlicher  Wanderung  wurden  die  Städte 
Kobdo  und  Uljassutai  besucht  und  in  beiden  Aufenthalt  genommen.  Abseits 
der  Karawanenwege,  die  das  abflußlose,  an  Salzseen  und  ausgedehnten  Dünen- 
wällen reiche  nordmongolische  Becken  in  westöstlicher  Richtung  durchziehen, 
ist  das  Land  hier  noch  wenig  erforscht.  Seinem  sterilen  Charakter  gemäß 
ist  es  von  den  mongolischen  Nomaden  äußerst  spärlich  bevölkert.  Von  den 
beiden,  durch  besonders  schwierige  Sandstrecken  getrennten  Städter  Kobdo 
und  Uljassutai  macht  die  erstere  einen  relativ  freundlicheren  Eindruck. 
Beide  liegen  in  geschützte  Täler  eingebettet.  Beide  Städte,  reine  Verkehrs- 
siedelnngen  ihrem  Ursprünge  nach,  setzen  sich,  wie  fast  alle  kolonialen 
Niederlassungen  der  Chinesen,  aus  streng  getrennten  Teilen  zusammen. 
Isoliert  von  der  eigentlichen  Handelsstadt,  dem  Sitz  der  Fremden  —  aus 
China,  Sibirien  und  Turkestan  vorübergehend  eingewanderte  Kaufleute  — , 
erhebt  sich  die  chinesische  Festung,  der  Sitz  des  Ambans  und  seiner  Beamten, 
sowie  einer  kleinen  chinesischen  Garnison,  die  zur  Beherrschung  der  um- 
wohnenden Nomadenstämme  genügt.  Abseits  davon  erheben  sich  dann  die 
oft  wechselnden  Zeltlager  der  Mongolen.  Besonders  bemerkenswert  sind  in 
Uljassutai  die  von  chinesichen  Bauern  mit  unermüdlichem  Fleiß  gemachten 
landwirtschaftlichen  Versuche,  die  aber  wegen  des  wenig  fruchtbaren  Bodens 
und  des  auch  im  Sommer  äußerst  harten  Klimas  niemals  einen  größeren 
Umfang  annehmen  dürften.  Zum  Schutz  gegen  Menschen  und  wilde  Tiere 
sind  die  Felder  und  Gärten  dieser  Ansiedler  von  hohen  Palisaden  umgeben. 
Russische  und  chinesische  Kaufleute,  russischer  und  chinesischer  Einfluß  stehen 
in  der  Nord-Mongolei  miteinander  in  regem  Wetteifer.  Jedenfalls  werden, 
solange  nicht  in  Zukunft  die  Ausbeute  mineralischer  Reichtümer  das  Ent- 
stehen industrieller  Niederlassungen  begünstigt,  das  extreme  kontinentale 
Klima,  die  Höhenlage  des  mongolischen  Hochlandes,  die  Abflußlosigkeit  seiner 
meisten  Gebiete  und  seine  Holzarmut  noch  auf  lange  hinaus  das  bisherige 
Nomadenleben  seiner  Bewohner  weiter  bedingen.  In  seiner  Beurteilung  der 
mongolischen   Geistlichkeit  und  der  Klöster,   deren  er  einige  nebst  Szenen 


—     74     — 

charakteristischer  Volksfeste  im  Bilde  vorführte,  kommt  der  Vortragende 
zu  teilweise  günstigeren  Resultaten  als  andere  Reisende 

Der  Redner  schloß  seine  Ausführangen  mit  einer  Schilderang  seiner 
Überschreitung  des  Khangai  in  nördlicher  Richtung  zum  Kossogol  und  mit 
zusammenfassenden  Betrachtungen  über  die  sowohl  von  russischer  wie  chine- 
sischer Seite  gemachten  Aufwendungen,   um  in  der  Mongolei  Fuß  zu  fassen. 

(Vgl.  die  Abhandlung  des  Redners :  Sibirien  und  die  Nordwestmongolei 
in  den  Mitteilungen  der  Geographischen  Gesellschaft  (für  Thüringen)  zu  Jena 
27.  Bd.  Jena  1909.) 


Mittwoch,  den  12.  Januar  1910. 

Herr  Dr.  Wilhelm  Valien tin -Berlin:  Streifzfige  doreh 
Argentinien.    (Lichtbilder.) 

In  der  Einleitung  wies  der  Redner  von  vornherein  auf  die  Gunst  der 
natürlichen  Klima-  und  Bodenverhältnisse  Argentiniens  hin,  die  es  mit  einer 
verhältnismäßig  nur  geringen  Bevölkerung  —  6Vi  Millionen  Seelen  bei  einem 
(  Areal  5Vtmal   so   groß  wie  Deutschland  —  ermöglichen,  daß  das  Land  mit 

I  seinen  Massenprodukten  heute  schon  auf  dem  Weltmarkt  konkurrieren  kann. 

^  Im  Außenhandel  mit  Argentinien  nimmt  Deutschland  eine  wenig  günstige 

Stellung  ein;   es  kauft  von   dort  etwa  dreimal  so  viel,  als  es  dorthin  ver- 
kaufen kann.  (1909  etwa  für  446  Mill.  gegen  nur  147  Mill.  M.).   Es  arbeitet  also 
mit  einer  Unterbilanz,  weil  es  dort  keinen  Absatzmarkt  hat  wie  andere  Nationen. 
;  In  großen  Zügen  geht  der  Vortragende  sodann  auf  die  geographische 

Lage  des  Landes  ein,  mit  den  verschiedensten  Klimaten,  und  auf  die  Boden- 
gestaltung.   Er  schildert   das  Hochgebirge,   die  Kordilleren,   die  sich  in  ge- 
i  waltigen  Hochflächen  und  Gebirgszügen  nach  Süden  hinabziehen ;  im  Norden 

j  starr,  vegetationslos,  von  dem  37.  Breitengrade  ab  mit  einer  herrlichen  Vege- 

J  tation,  mit  Hochwäldern  und  Bergseen  und  fruchtbaren  Tälern,  der  wunder- 

I  baren  Alpenwelt  Patagoniens.     Er  erklärt  die  Eigenheiten  der  gewaltigen 

Pampa,  deren  kalkhaltiger  Alluvialboden  den  Nahrungswert  der  Futter- 
pflanzen bedingt,  und  erzählt  von  den  äußerst  günstigen  Wasserverhältnissen 
des  Landes,  vom  prächtigen  Stromgebiet  des  Rio  de  la  Plata  und  dem  Wasser- 
reichtum der  südlichen  Kordilleren.  Künstliche  Bewässerung  ist  überall 
-  möglich,   selbst  in  früheren  Sand  wüsten,   wie  z.  B.  in  der  Pampa,   die  heute 

I  zum  besten  Weizenboden  geworden  ist. 

i  Nach  kurzer  Erwähnung  des  Mineralreichtums  —  Gold,  Silber,  Kupfer 

!  und  Blei  —  spricht  Redner  über  die  Art  der  wirtschaftlichen  Tätigkeit,  wie 

sie  bedingt  ist  durch  geographische  Lage,  Klima,  Höhenverhältnisse,  Boden- 
beschaffenheit und  dergl.,  wie  im  heißen  Norden  Baumwolle,  Zuckerrohr, 
Kaffee,  im  Westen  eine  vorzügliche  Weinrebe,  im  Osten  des  Landes  Obst- 
bäume aller  Art  gut  gedeihen,  wie  aber  überall  sowohl  in  Gebirgsländem 
wie  auch  in  Steppen  Viehzucht  getrieben  wird.  Und  doch  ist  Argentinien 
bereits  ein  Ackerbauland  geworden;  sein  kultureller  und  sozialer  Schwer- 
punkt ist  verschoben ;  stabilere  Verhältnisse  sind  dadurch  geschaffen.  Als 
Beispiel  von  dem  Aufschwung  führt  der  Vortragende  an,  daß  1891  alles  be- 
baute Land   nur  3  Mill.  Hektar  betrug;    1909  war  diese  Fläche  auf  15  Mill. 


—    76    - 

Hektar  angewachsen.  Sicherlich  wird  Argentinien  in  nicht  zu  femer  Zeit 
das  beste  und  größte  Weizenland  der  Erde  sein. 

Im  Zusammenhang  mit  der  riesigen  Entwicklung  des  Ackerbaues 
steht  die  Entwicklung  des  Eisenbahnwesens.  Alle  Bahnen  aber  (25  000  km) 
sind  in  englischen  Händen.  Von  deutschem  Kapital  und  Unternehmergeist 
keine  Spur  au!  diesem  so  rentablen  Gebiet  Von  deutschem  Kapital  sind 
in  Argentinien  bis  jetzt  nur  600—700  Millionen  Mark  angelegt,  während 
England  mit  5  Milliarden  Mark  beteiligt  ist. 

Um  eine  deutsche  Kolonisation  zu  fördern,  müßten  vor  allem  die 
vielen  Vorurteile,  die  bezüglich  der  argentinischen  Verhältnisse  bei  uns  herrschen, 
beseitigt  werden  und  zwar  bald,  bevor  die  südamerikanische  Welt  wirtschaft- 
lich vergeben  ist. 

Falsche  Vorstellungen  bestehen  bei  uns  auch  noch  bezüglich  der  Ein- 
geborenen. Indianer  sind  z.  B.  in  der  Pampa  und  Patagonien  kaum  mehr 
vorhanden.  Sie  sind  dem  Aussterben  nahe  und  werden  durch  die  Schnaps- 
pest, das  Feuerwasser,  systematisch  ihrem  Untergange  entgegengeführt.  Der 
Vortragende  schildert  dann  einzelne  Indianerstämme,  bei  denen  er  gelebt 
hat,  ihre  Wohnung,  Kleidung,  Waffen  und  Qerätschaften. 

Argentinien  ist  ein  von  Natur  bevorzugtes  Land,  in  seiner  gemäßigten 
Zone  aber  von  ganz  besonderer  Bedeutung  für  die  germanische  Hasse.  Hier 
liegt  das  Zukunftsland  der  deutschen  Auswanderer,  nicht  in  heißen  Tropen- 
ländern; hier  die  Schaffung  eines  zahlungsfähigen  Absatzmarktes  für  unsere 
Waren  und  Industrieprodukte. 

(Vgl.  die  verschiedenen  Werke  des  Redners  über  Argentinien  und 
Südamerika.) 

Donnerstag,  den  20.  Januar  1910. 

Sir  Ernest  H.  Shackleton-London:  Die  englische 
Südpolar-Expedition  1907/1909.  (Lichtbilder  und  kinemato- 
graphische  Vorführungen.) 

Am  6.  August  1907  verließ  die  Expedition  England,  nachdem  tags 
zuvor  der  König  und  die  Königin  das  Expeditionsschiff  „Nimrod"  besichtigt 
und  die  Königin  dem  Vortragenden  den  Union-Jack  übergeben  hatte  mit  dem 
Wunsche,  es  möge  ihm  gelingen,  die  Flagge  Großbritanniens  au!  dem  Südpol 
zu  hissen.  Wenn  dieser  Wunsch  auch  nicht  ganz  in  Erfüllung  gegangen 
ist,  indem  Shackleton  mit  seinen  Begleitern  wegen  Proviantmangel  und 
dadurch  hervorgerufene  Erschöpfung  der  Kräfte  nur  24  englische  Meilen 
vom  Pol  entfernt,  zur  Umkehr  gezwungen  wurde,  so  vermochte  er  doch  bis 
88*  23'  s.  Br.  vorzudringen. 

Die  eigentliche  Polarreise  begann  am  Neujahrstage  1908  von  Littelton 
auf  Neuseeland  aus  auf  dem  kaum  227  Tonnen  fassenden  Schifife,  dem  kleinsten 
Fahrzeuge,  das  je  dem  Südpol  zugestrebt  ist,  das  sich  aber  ausgezeichnet 
bewährte.  An  Bord  waren  37  entschlossene  Männer,  10  mandschurische 
Ponies,  von  denen  die  4  überlebenden  Shackleton  vortreffliche  Dienste  leisteten, 
9  Hunde,  welche  sich  bei  der  Rückkehr  auf  22  vermehrt  hatten ;  Proviant 
hatte  man  für  2  Jahre  mitgenommen;  die  sorgfältig  getroffene  Ausrüstung 


—    76    — 

an  Kleidung  und  Schlitten  ließ  nichts  zu  wünschen  übrig,  die  an  wissen- 
schaftlichen Instrumenten,  welche  z.  T.  die  Admiralität  zur  Verfügung  ge- 
stellt hatte,  war  vollkommen.  Außerdem  hatte  man  noch  ein  Automobil  an 
Bord,  das  aber  die  auf  es  gesetzten  Hoffnungen  nur  auf  glatten  Flächen 
erfüllte. 

Die  Fahrt  yerlief  außerordentlich  stürmisch.  Bereits  am  zweiten  Tag 
brach  ein  heftiges  Unwetter  los,  das  tagelang  dauerte  und  dem  kleinen 
Schiffe  hart  zusetzte.  Infolge  der  schweren  Belastung  ging  das  Fahrseug 
so  tief,  daß  es  kaum  3  Fuß  aus  dem  Wasser  hervorragte.  Um  Kohlen  zu 
sparen,  wurde  es  1500  Meilen  von  dem  Dampfer  „Koonya"  ins  Schlepptau 
genommen,  der  dann  wieder  zurückkehrte.  Am  16.  Januar  wurde  die  Roß- 
See  erreicht  und  am  23.  Januar  in  südwestlicher  Richtung  die  große  Eis- 
barriere gesichtet,  wo  in  dem  Barrier-Inlet  die  Winterquartiere  geplant 
waren.  Da  aber  diese  Zunge  verschwunden  war  und  sich  eine  Landung  auf 
dem  bisher  gänzlich  unbekannten  König  Edward  VU.-Land  durch  feste,  weit 
nach  Norden  vorgeschobene  Packeismassen  mit  eingefrorenen  Eisbergen  als 
unmöglich  erwies,  fuhr  man  nach  Mc  Murdo-Sund  weiter,  um  dort  auf  Cap 
Royds  auf  der  Westseite  der  Roßinsel  die  Winterquartiere  aufzuschlagen, 
32  km  nördlich  von  den  ehemaligen  Quartieren  der  Discovery-Expedition 
1902/1903.  Am  22.  Februar  trat  der  Nimrod  die  Heimfahrt  an,  um  im 
folgenden  Sommer  nach  der  Antarktis  zurückzukehren  und  die  Expedition 
wieder  an  Bord  zu  nehmen. 

Die  erste  wichtige  Tat  bildete  die  Besteigung  des  Mount  Erebus  durch 
eine  Abteilung  von  6  Mann,  von  denen  5  nach  5  Tagen  angestrengtesten 
Marsches  am  Rand  des  noch  tätigen  800  m  tiefen  und  einen  Durchmesser 
von  ^/i  Meile  bildenden  Kraters  standen.  Die  Höhe  des  Mount  Erebus  wurde 
auf  13  350  Fuß  festgelegt.  Viele  ebenso  wichtige  wie  interessante  Be- 
obachtungen über  die  Dicke  des  Eises,  über  Temperaturverhältnisse  und  die 
Einwirkung  sehr  niedriger  Temperaturen  und  der  Verdampfung  auf  die  Ge- 
staltung der  Eisformationen  (Eishöhlen)  konnten  gemacht  werden,  ebenso 
wichtige  geologische  Funde.  Die  Wintermonate  brachten  sodann  u.  a.  ganz 
neue  biologische  Entdeckungen  über  kleinste  Zellenlebewesen  unter  dem  Eise, 
die  sich  als  sehr  lebenskräftig  und  gegen  jede  Temperatur  widerstandsfähig 
erwiesen.  Die  wissenschaftlichen  Veröffentlichungen  der  Expedition  werden 
die  Resultate  dieser  Beobachtungen  ihres  Entdeckers  Murray  bringen  und 
für  Biologen  vom  größten  Interesse  sein.  Außerdem  wurden  von  Shackleton 
und  einigen  Begleitern  die  Wintermoaate  noch  zu  Schlittenfahrten  zur  Er- 
forschung der  Oberfläche  der  großen  Eisbarriere  sowie  zu  mehreren  Vor- 
stößen nach  Süden  benutzt,  um  genauere  Kenntnis  von  dem  künftigen 
Operationsfeld  zu  erlangen.  Depots  für  die  geplante  Polarexpedition  wurden 
bis  Hut  Point  und  Minna  Bluff  angelegt. 

Das  Frühjahr  brachte  eine  Arbeitsteilung,  indem  zunächst  eine  Abteilung 
zur  Entdeckung  des  magnetischen  Poles  aufbrach,  Shackleton  selbst  sollte 
zum  geographischen  Pole  vorstoßen,  und  einer  dritten  Abteilung  fiel  als  Auf- 
gabe die  geologische  Untersuchung  der  Berge  westlich  von  Mc  Murdo-Sund 
zu  mit  dem  besonderen  Auftrag  der  Entdeckung  von  Fossilien;  auch  hatte 
sie  photographische  Aufnahmen  zu  machen. 


~     77     — 

Am  29.  Oktober  1908  brach  Shackleton  mit  drei  Begleitern  Leutnant 
Adams,  Karthograph  Marshall  und  Wild,  vier  Ponies,  Schlitten  und  Proviant 
fttr  91  Tage  (773  Pfund)  von  Gap  Royds  auf,  aufänglich  begleitet  von  einer 
kleinen  Unterstützungsmannschaft,  die  Depots  anzulegen  hatte.  Nach  drei 
Tagen  war  Hut  Point  erreicht,  das  am  3.  November  verlassen  wurde.  Der 
Marsch  ging  anfangs  nur  langsam  und  beschwerlich  vor  sich,  da  heftige 
Schneestürme  und  schlechte  Eisverhältnisse  das  Vordringen  hemmten.  Brst 
am  15.  November  wurde  das  im  Frühjahr  am  weitesten  vorgeschobene  Depot 
erreicht.  Bessere  Marschtage  folgten,  und  am  26.  November  hatten  die  Forscher 
Scott's  südlichsten  Punkt  auf  82»  18S't'  überschritten.  Neuland  und  eine 
hohe  südöstlich  streichende  Bergkette  wurden  gesichtet.  Das  erste  Pony  war 
schon  am  21.  November  getötet  und  ein  Depot  von  Ponyfleisch  und  anderen 
Lebensmittel  für  die  Rückkunft  errichtet  worden ;  bald  folgten  zwei  andere 
nach.  Um  diese  Zeit  stellte  sich  die  Notwendigkeit  heraus,  die  Bergkette 
zu  überschreiten,  um  weiter  südwärts  zu  kommen.  Am  2.  Dezember  lagerte 
die  Expedition  bei  83«  28'  an  einem  roten  Granitfelsen  von  3000  Fuß  Höhe, 
der  am  folgenden  Morgen  erstiegen  wurde  und  von  dessen  Gipfel  ein  ge- 
waltiger  Gletscher  in  südlicher  Richtung  zu  Gesicht  kam,  dessen  Über- 
schreitung sofort  beschlossen  wurde.  Unter  den  größten  Schwierigkeiten, 
über  Schneeabhänge  und  zahlreiche  Gletscherspalten  ging  es  langsam  auf- 
wärts. In  einer  von  diesen  trügerischen,  mit  Schnee  bedeckten  Spalten, 
welche  gerade  überschritten  war,  ging  das  letzte  Pony  verloren,  kaum  daß 
Wild,  der  es  führte,  sich  selbst  und  den  Schlitten  in  Sicherheit  bringen 
konnte.  Die  beiden  Schlitten  mußten  jetzt  von  den  vier  Männern  selbst 
gezogen  werden,  von  denen  jeder  250  Pfund  zu  schleppen  hatte.  Abermals 
wurde  ein  Depot  errichtet  und  die  täglichen  Rationen  herabgesetzt,  was  bald 
eine  Untertemperatur  von  2*  zur  Folge  hatte.  Am  18.  Dezember  erreichte 
man  eine  Höhe  von  6800  Fuß.  Allmählich  ging  der  Gletscher  in  9000  Fuß 
Höhe  in  ein  Plateau  mit  Eisabstürzen  nieder,  das  in  langen  Kämmen  bis 
10,000  Fuß  anstieg.  Zwei  wichtige  Entdeckungen  wurden  hier  gemacht: 
An  einem  Bergabhang  fanden  sich  Kohlen,  sowie  in  Sandsteinen  fossile 
Koniferenreste.  Der  Weihnachtstag  fand :[ die  Expedition  auf  85*  55'  s.  Br., 
von  wo  ein  weites  Plateau  gesichtet  wurde  mit  Eisabstürzen,  nach  Südosten 
zu  Gletscherland,  augenscheinlich  in  einen  hohen  Berg  endigend.  Die  fort- 
währende schwere  Arbeit,  der  weiche  Schnee,  die  karge  Nahrung  und  die 
große  Kälte  in  der  Höhenluft  vereinigten  sich,  um  die  Kräfte  der  kühnen 
Männer  immer  mehr  zu  verringern.  Am  7.  und  8.  Januar  raste  ein  solcher 
Schneesturm  von  Süden,  daß  die  Forscher  in  ihren  Schlafsäcken  liegen  bleiben 
mußten  und  furchtbar  unter  der  Kälte  litten.  Jetzt  gab  Shackleton  den 
Plan  auf,  den  Pol  zu  erreichen.  Am  9.  Januar  brachen  die  Männer  ohne 
Zelt  auf  zum  letzten  Vorstoß  nur  mit  Nahrung,  Instrumenten  und  der  Flagge 
versehen.  Nach  fünfstündigem  Marsche  erreichten  sie  in  88^  23'  den  süd- 
lichsten Punkt.  Von  hier  aus  breitete  sich  eine  weite  Ebene  in  der  Richtung 
nach  dem  Pole  zu,  von  dem  sie  jetzt  nur  noch  24  Meilen  entfernt  waren. 
Nachdem  sie  die  englische  Flagge  gehißt,  traten  sie  den  Rückmarsch  an, 
der  durch  Nahrungsmangel  und  Dysenterieanfälle,  hervorgerufen  durch  den 
Genuß  des  Fleisches  eines  Ponys,  das  in  dem  Zustand  äußerster  Erschöpfung 


—    78     — 

hatte  getötet  werden  müssen.  Die  heftigen  Südwinde,  welche  das  Vor- 
dringen nach  Süden  so  sehr  erschwert  hatten,  beschleunigten  jetzt  die  Rück- 
reise der  Männer.  Aus  ihrem  Zelttnche  verfertigten  sie  sich  ein  Schlitten- 
segel und  kamen  so  zeitweilig  mit  großer  Schnelligkeit  vorwärts.  Ohne 
jegliche  Nahmng  waren  sie  am  16.  Januar  nach  einem  31-stündigen  Marsche 
vom  nächsten  Depot  entfernt,  das  im  Zustand  größter  Erschöpfung  erreicht 
wurde.  Am  23.  Februar  gelangten  sie  zum  letzten  Depot  bei  Minna  Bluff. 
Hier  mußte  Marshall,  der  an  heftiger  Dysenterie  schwer  litt,  mit  Adams 
zurückgelassen  werden,  während  Shackleton  und  Wild  in  Eilmärschen  zum 
Schiffe  eilten,  um  Hilfe  zu  holen,  welche  den  Kranken  auch  glücklich  an 
Bord  brachte.  Insgesamt  hatten  die  kühnen  Männer  über  2700  km  in 
126  Tagen  zurückgelegt. 

Von  den  Resultaten  seines  Marsches  hob  der  Vortragende  kurz  folgende 
hervor:  Eine  Kette  hoher  Berge  erstreckt  sich  in  nordöstlicher  Richtung 
vom  Mount  Markham  bis  86^,  andere  Ketten  zwischen  84  und  86®  laufen 
nach  Südwest,  Süden  und  Südosten.  Einer  der  größten  Gletscher  der  Erde 
führt  zu  einem  Hochplateau,  welches  höchstwahrscheinlich  die  Fortsetzung 
des  Viktoria-Plateaus  bildet  und  sich  vermutlich  über  den  geographischen 
Südpol  hinaus  erstreckt.  Man  kann  annehmen,  daß  der  geographische  Pol 
auf  diesem  Plateau  zwischen  10—11000  Fuß  über  dem  Meere  liegt.  Die 
Entdeckung  von  Kohlen  und  Fossilien  verbreitet  Licht  über  die  geologische 
Entwicklung  und  die  Geschichte  des  antarktischen  Kontinents.^) 

Mit  einem  kurzen  Wort  wies  der  Redner  sodann  noch  auf  die  Schicksale 
und  Ergebnisse  der  beiden  anderen  obengenannten  Expeditionen  hin.  Zur 
Erreichung  des  magnetischen  Südpols  brach  die  eine  Abteilung  unter  Führung 
von  Professor  David  unter  Teilnahme  von  Dr.  Mackay  und  Douglas  Mawson 
am  6.  Oktober  1908  von  Cap  Royds  auf,  marschierte  nördlich  an  der  Küste 
entlang  auf  dem  Eise  bis  zur  Drygalski-Barriere,  überschritt  den  Drygahski- 
Gletscher  und  erklomm  unter  großen  Schwierigkeiten  ein  Festlandplateau  bis 
zu  7000  Fuß.  Nach  einem  langen  beschwerlichen  Marsche  in  nordwestlicher 
Richtung  wurde  der  magnetische  Pol  bei  129  2b'  s.  Br.  und  155<>  16'  ösü. 
Länge  erreicht.  Als  einen  Triumph  für  die  deutsche  Wissenschaft  hob  der 
Vortragende  besonders  hervor,  daß  Gauß,  unser  großer  Mathematiker,  vor 
vielen  Jahren  an  der  Hand  unvollkommener  Instrumente  auf  Grund  seiner 
scharfsinnigen  Berechnungen  die  Lage  des  Poles  nur  wenige  Minuten  von 
der  tatsächlichen  verschieden  angegeben  hatte.  Den  Rückweg  nahm  Professor 
David  in  Gewaltmärschen  nach  der  Drygalski-Barriere  und  wurde  hier  von 
dem  Nimrod  aufgefunden,  der  schon  längere  Zeit  an  der  Küste  nach  der 
Expedition  gesucht  hatte,  da  ihr  durch  das  inzwischen  erfolgte  Aufbrechen 
des  Küsteneises  zwischen  der  Drygalski-Barriere  und  dem  Mc  Murdo-Sund 
der  Rückweg  nach  dem  Lager  abgeschnitten  war. 

Die  West-Expedition  unter  Armytage,  Priestley  und  Brockehurst  über- 
schritt den  großen  Ferrargletscher,  allerdings  ohne  dort  Fossilien  zu  finden, 


*)  Über  die  geographischen  Resultate  von  Shackletons  Südpolar-Ex- 
pedition  vergl.  den  Aufsatz  0.  Baschin's  in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft 
für  Erdkunde  zu  Berlin  1910,  No.  4,  Seite  245  ff. 


—    79    — 

legte  geologische  Sammlangen  an  und  machte  viele  photographische  Auf- 
nahmen.   Auch  sie  wurde  auf  dem  Rückmärsche  vom  Nimrod  aufgenommen. 

Nachdem  am  4.  März  1909  alle  Teilnehmer  der  Expedition  wieder 
glücklich  an  Bord  waren,  trat  der  Nimrod  sofort  die  Rückreise  an.  Kap 
Adare  wurde  erreicht  und  zur  Festlegung  der  Küstenlinie  ein  Vorstoß  nach 
dem  Nordkap  versucht.  Da  jedoch  Packeismassen  das  Schiff  in  die  Gefahr 
brachten,  eingeschlossen  zu  werden,  gab  Shackleton  auf  166®  14'  östl. 
Länge  und  69<^  47'  s.  Br.  seine  Absicht  auf  und  schlug  den  Kurs  nach  Neu- 
seeland ein,  wo  er  am  22.  März,  begrüßt  von  dem  begeisterten  Jubel  des 
Volkes,  an  dem  Ausgangspunkte  der  Expedition  in  Port  Littelton  anlangte. 

(Inzwischen  erschien  das  Werk  des  Vortragenden:  21  Meilen  vom 
Südpol.  Die  Geschichte  der  britischen  Südpol-Expedition  1907/09.  Über- 
setzt und  bearbeitet  von  Frederick  Becker.  1.  2.  3:  Die  wissenschaftlichen 
Resultate  der  Expedition,  Berlin.  W.  Süsserott,  190910.) 

Mittwoch,  den  26.  Januar  1910. 

Herr  Professor  Dr.  Karl  Sapper- Straßburg:  Neu- 
Mecklenburg.    (Lichtbilder.) 

Im  Anfang  des  Jahres  1908  gingen  Professor  Dr.  Sapper  als  Geograph 
und  Hauptmann  a.  D.  Dr.  G.  Friederici  im  Auftrag  des  Reichskolonialamts 
nach  Neu-Mecklenburg  und  dessen  Nebeninseln  im  Bismarckarchipel,  wo  sie 
von  Ende  April  bis  Anfang  September  des  Jahres  arbeiteten  und  auf  zahl- 
reichen Durchquerungen  und  sonstigen  Reisen  zu  Fuß  oder  im  Boot  das  Ziel 
der  Expedition  erreichten,  nämlich  einen  Überblick  über  die  Natur-  und 
Völkerverhältnisse  des  Gebietes  zu  gewinnen.  Der  Redner  berichtete  über 
diese  Reise  und  ihre  Ergebnisse.  Er  hatte  früher  12  Jahre  lang  im  alten 
spanischen  Kolonialland  (Zentral-Amerika)  teils  als  Forschungsreisender, 
teils  als  Kaffeepflanzer  gelebt  und  gearbeitet,  zudem  zahlreiche  europäische 
Kolonien  in  verschiedenen  Gegenden  besucht  und  konnte  durch  den  Vergleich 
mit  den  im  Bismarckarchipel  gewonnenen  Eindrücken  und  seinen  anderwärts 
gemachten  früheren  Erfahrungen  feststellen,  daß  im  Bismarckarchipel  ein 
guter  Anfang  der  wirtschaftlichen  Entwicklung  gemacht  ist  und  die  besten 
Aussichten  für  ein  weiteres  Gedeihen  des  Schutzgebiets  bestehen. 

Neu-Mecklenburg  ist  eine  gegen  400  km  lange  Insel  von  wechselnder 
Breite,  die  stellenweise  bis  zu  etwa  50  km  anschwillt ;  die  Nachbarinsel  Neu- 
Hannover  ist  öö  km  lang,  35  km  breit,  die  Nebeninseln  nehmen  nur  kleinen 
Flächeninhalt  in  Anspruch.  Der  Flächeninhalt  des  Gebiets  mag  dem  des 
Großherzogtnms  Mecklenburg-Schwerin  gleichkommen;  die  Einwohnerzahl 
dürfte  aber  kaum  ^lu  derjenigen  des  genannten  deutschen  Staates  sein,  die 
Volksdichte  ist  also  sehr  gering  und  weite  Flächen  des  Innern,  stellenweise 
selbst  der  Küsten  sind  wenig  oder  gar  nicht  bewohnt. 

Die  größeren  Inseln  sind  alle  gebirgig ;  Neu-Hannover  gipfelt  in  875  m, 
während  Neu-Mecklenburg  über  2000  m  Höhe  erreicht.  Am  Aufbau  der  Inseln 
beteiligen  sich  ältere  und  jüngere  Eruptivgesteine,  sowie  verschiedenalterige 
Tertiärsedimente  nebst  jugendlichen  Tiefseeablagerungen  und  gehobenen 
Korallenkalken.  Letztere  bilden  zahlreicheTerrassen  in  verschiedener  Höhenlage, 


—    80    — 

stellenweise  mehrere  100  m  überm  Meeresspiegel  nnd  bringen  ein  eigenartiges 
Element  in  die  Landschaft  hinein,  die  vielfach  durch  schroffen  Abfall  des 
Gebirges  nach  dem  Meere  zu,  aber  plateauartige  Entwicklung  der  Binnen- 
flächen ausgezeichnet  ist. 

Das  Klima  ist  warm  und  feucht.  Regen  fällt  häufig  und  reichlich. 
Wo  wasserundurchlässige  Gesteine  anstehen,  ist  die  Bewässerung  daher  sehr 
reichlich;  im  Kalksteingebiet  aber  versinken  die  Tagesgewässer  zumeist  im 
kluftigen  Gestein  und  kommen  erst  in  der  Nähe  der  Küste  in  Riesenquellen 
wieder  zum  Vorschein.  Die  meisten  Wasserläufe  sind  zu  reißend  und  seicht, 
um  als  Verkehrswege  dienen  zu  können.  Einige  größere  Flüsse  Neu-Hannovers 
und  Mittel-Neu-Mecklenburgs  können  im  Unterlauf  für  flachgehende  Ein- 
geborenenboote (Auslegerboote)  befahren  werden. 

Üppige  Urwälder  mit  zahllosen  Palmen,  Epiphyten,  Lianen  und  Kletter- 
gewächsen bedecken  den  größten  Teil  des  Gebiets ;  sie  enthalten  gar  manche 
wertvolle  Hölzer.  Auf  den  höchsten  Höhen  der  Gebirge  Süd-Neu-Mecklenburgs 
werden  die  Bäume  krüppelhaft  infolge  der  heftigen  Winde;  die  Wälder  sind 
hier  licht,  das  Unterholz  üppig,  die  Bäume  tragen  in  diesen  häufig  von 
Nebeln  heimgesuchten  Gebieten  oft  Moospolster  oder  lange  Bartflechten.  An 
den  Küsten  dehnen  sich  vielfach  Mangrowegehölze  aus,  und  im  Innern  finden 
sich  an  Stelle  ehemaliger  Pflanzungen  oft  ziemlich  ausgedehnte  Grasfluren. 
Die  Pflanzenarten  sind  meist  indischer  Herkunft,  seltener  (z.  B.  Casuarinen) 
australischer. 

Die  Tierwelt  ist  ärmlich,  vielfach  australischer  Herkunft  (so  die  relativ 
häufigen  Beuteltiere).  Häufig  sieht  man  Vögel  und  Fledermäuse  (darunter 
große  fliegende  Hunde) ;  in  manchen  Flußmündungen  sind  zahlreiche  Leisten- 
krokodile zu  finden.  Schlangen  sind  ziemlich  selten  und  gehören  großenteils 
nicht  giftigen  Arten  an.  Die  Gewässer  sind  reich  an  Fischen,  die  für  die 
Ernährung  der  Eingeborenen  eine  beträchtliche  Rolle  spielen ;  doch  ist  Vorsicht 
vonnöten,  da  es  auch  sehr  giftige  Fischarten  gibt.  Haifische  sind  zahlreich 
zu  finden.  Schildkröten,  Trepang  und  Perlmuscheln  liefern  einiges  für 
die  Ausfuhr. 

Die  Eingeborenen  (Melanesier)  stehen  den  Papuas  nahe,  haben  aber 
offenbar  somatisch  und  kulturell  starken  malayischen  Einschlag.  Sie  leben 
in  der  Hauptsache  von  vegetabilischen  Nahrungsmitteln :  Taros,  Yams,  Brot- 
frttchten,  Kokosnüssen  etc.  Der  Feldbau  ist  Sache  der  Frau.  Die  Kultur  der 
Eingeborenen  ist  in  mehrfacher  Hinsicht  sehr  niedrig;  so  fehlt  die  Töpferei, 
weshalb  das  Kochen  vielfach  mit  Hilfe  von  heißen  Steinen  besorgt  wird;  in 
anderer  Hinsicht  war  dagegen  schon  eine  gewisse  Höhe  der  Kultur  erreicht, 
so  muß  das  altgebräuchliche  Muschelgeld  als  eine  sehr  gute  Gteldsorte  an- 
gesehen werden  nnd  auch  der  Bootbau,  Holzschnitzerei  und  andere  Gebiete 
haben  bereits  eine  gewisse  Höhe  erreicht.  Die  Zahl  der  Eingeborenen  ist 
leider  im  Rückgang  begriffen. 

Die  Europäer  sind  erst  in  geringer  Zahl  vorhanden,  haben  aber, 
namentlich  im  Westdistrikt  von  Neu-Mecklenburg  (Käwi^ng),  wo  das  große 
Organisationstalent  des  Stationschefs  Boluminski  auch  den  Wegebau  sehr  su 
fördern  gewußt  hat,  bereits  ansehnliche  wirtschaftliche  Eriolge  errungen. 
Bergbau  gibt  es  nicht,  auch  Viehzucht  wird  nur  in  bescheidenen  Anfängen 


—     81    — 

getrieben.  Dagegen  wird  dem  Plantagenban  (Kokospalm-  and  Eautschnk- 
bauanpflanzungen)  rege  Aufmerksamkeit  zugewendet;  manche  Pflanzungen 
liefern  bereits  gute  Erträge,  andere  werden  bald  Ernten  geben,  und  da  Pflanz- 
land von  vorzüglicher  Beschaffenheit  in  Menge  vorhanden  und  das  Klima 
sehr  günstig  ist,  wird  Neu-Mecklenburg  mit  seinen  Nebeninseln  im  Laufe  der 
Zeit  ein  sehr  wertvolles  Plan  tagengebiet  werden. 

(Der  Vortrag  ist  in  erweiterter  Fassung  zum  Abdruck  gelangt  in 
der  Geographischen  Zeitschrift,  hrsg.  v.  A.  Hettner.  15.  Jahrg.  8.  Heft. 
Leipzig  1909,  sowie  in  den  Verhandlungen  des  siebzehnten  Deutschen  Geo- 
graphentages zu  Lübeck  vom  1.  bis  6.  Juni  1909;  Berlin  1910,  Seite  141  ff.) 

Mittwoch,  den  2.  Februar  1910. 

Herr  Leo  Frobenius-Berlin:  unter  deutscher  und 
französischer  Fahne  yon  Senegambien  fiber  Liberia  und 
Timbuktn  nach  Togo.    (Lichtbilder.) 

Der  Redner  berichtet  in  seinem  in  vier  Abschnitte  gegliederten  Vortrage 
über  die  Resultate  der  zweiten  Reiseperiode  der  Deutschen  Inner- Afrikanischen 
Forschungs-Expedition. 

In  dem  ersten  Abschnitte  besprach  er  die  Kulturformen  in  den  großen 
Städten.  Es  herrschen  dort  ritterliche  Sippen  nordischer  Herkunft  über  Hack- 
bau em  teilweise  höherer,  älterer  Kulturverwandtschaft.  Im  Osten  wurde  das 
große  Kaiserreich  der  M  o  s  s  i  durchwandert,  in  dem  ein  feudal  organisiertes 
Volk  die  verschiedensten  älteren  Kulturschichten  verbindet.  Dort  leben  die 
einzelnen  Reste  älterer  Kulturperioden  noch  nebeneinander.  Im  Gegensatz 
hierzu  herrschen  im  Westen  auf  dem  Mande-Plateau  die  von  Norden  herein- 
gewellten und  heute  schon  in  den  älteren  Familien  stark  gemischten  Ab- 
kömmlinge der  Berber,  in  einem  Gebiete,  in  welchem  die  Assimilierung  der 
einzelnen  Typen  durchgeführt  ist.  Es  entspricht  dieser  Tatbestand  der 
historischen  Kenntnis,  wie  sie  die  arabischen  Schriftsteller  uns  überliefert 
haben,  daß  nämlich  die  östlichen  Stämme  verhältnismäßig  geschichtsarm 
und  ohne  große  Vergangenheit,  die  westlichen  dagegen  reich  an  Traditionen 
und  gewaltigen  geschichtlichen  Vorgängen  sind.  Besonders  der  Westen 
interessiert  dadurch,  daß  das  Kastenwesen  außerordentlich  ausgesprochen  ist. 
Wir  haben  eine  Gliederung  vorliegend,  wie  sie  auch  das  ältere  Indien  schon 
gezeigt  hat.  Diese  Kastenorganisation,  die  man  in  Edele  oder  Ritter,  in 
Barden  oder  Sänger,  in  Gewerbetreibende  und  in  Hörige  gliedert  —  die  Sklaven 
repräsentieren  eigentlich  gar  keine  Kaste  — ,  ist  die  gleiche,  die  wir  schon  bei 
den  alten  Schriftstellern  als  diejenige  der  Lande  im  südlichen  Arabien  an- 
treffen. Wir  betinden  uns  also  auf  einem  bestimmten  Kultumiveau.  Die 
drei  Kastonländer  Indien,  Südarabien  und  der  West-Sudan  liegen  in  einer 
gleichen  Schicht.  Damit  soll  absolut  nicht  gesagt  werden,  daß  etwa  alte 
Inder  oder  Araber  die  Gründer  einer  solchen  Kasteneinteilung  in  Westafrika 
sind.  Vielmehr  müssen  wir  uns  damit  begnügen,  die  geographische  Ver- 
breitun^r  solcher  Übereinstimmung  zunächst  festzulegen,  und  werden  dann 
später  unter  Zuhilfenahme  anderer  Symptome  die  Beziehung,  Wanderung  und 
Geschichte  solcher  Kulturformen  feststellen  müssen. 


—    82    — 

In  dem  zweiten  Abschnitt  berichtete  der  Redner  sodann  über  die  Aus- 
nahmeerscheinnngen  sowohl  geographischen  wie  ethnischen  Tatbestandes. 
Die  große  wellenförmige  Völkerbewegang,  die  mit  Leichtigkeit  über  die 
Ebene  hingleitet,  vrirkte  überall  nivellierend,  nnd  dies  besonders  in  den  Ge- 
bieten, in  denen  sie  sich  mehrfach  wiederholt  hat.  Ältere  Reste,  sei  es  nun 
solcher,  die  von  den  Wellen  verdrängt  sind,  oder  aber  auch  die  seitwärts 
geschleuderten  Reste  der  jüngeren  gebrochenen  Wellen  pflegen  sich  dann  in 
bestimmten  schwer  zugänglichen  Gebieten  ein  vor  dem  weiteren  Wellengange 
schützendes  Heim  zu  gründen.  Es  wird  also  hier  besonders  betont,  daß  es 
nicht  nur  immer  alte  Schichten  zu  sein  brauchen,  die  in  den  Zufluchts- 
winkeln der  Erdoberfläche  Schutz  suchen.  Vielmehr  kann  es  auch  vorkommen, 
daß  jüngere  Einbrüche,  die  das  Ganze  und  auch  die  Schlupfwinkel  über- 
schwemmen, auf  den  großen  Flächen,  in  den  Steppen  von  der  schon  homo- 
genisierten Kultur  absorbiert  werden,  in  eben  diesen  Schlupfwinkeln  aber 
nach  der  Verdrängung  alter  Reste  in  der  Lage  sind,  dem  nivellierenden  Einfluß 
der  großen  Flächen  und  der  unterworfenen  Masse  sich  zu  entziehen.  Diese 
Beobachtung  erscheint  außerordentlich  wichtig  und  darf  bei  der  Beurteilung 
der  Altersunterschiede,  der  Altersschichtung  derartiger  insularer  Vorkommnisse 
nicht  unberücksichtigt  bleiben.  Es  wird  das  hier  deswegen  betont,  weil  eine 
Neigung  besteht,  derartige  Reste  ein  für  allemal  als  j,das  Älteste'  anzu- 
sehen. —  Für  den  Westsudan  kommen  als  solche  Schlupfwinkel  zunächst  in 
Betracht  die  Gegenden  am  Ende  der  wellenförmigen  Flächenbewegung,  also 
am  Rande  der  Ökumene,  —  heißt  also  im  vorliegenden  Falle  der  Westküste,  — 
da  die  Wellenbewegung  hier  im  allgemeinen  von  Norden  nach  Süden  erfolgt. 
Solche  Reste  haben  wir  demnach  vor  allen  Dingen  im  Urwalde.  Wir  haben 
sie  im  Hinterlande  von  Liberia  angetroffen.  Eine  zweite  Gruppe  von  Er- 
scheinungen solcher  Art,  inselartiger  Erhaltung,  treffen  wir  in  den  durch 
Erosion  hervorgerufenen  Tafelbergen,  die  von  dem  Gebiet  südlich  von 
Timbuktu  bis  tief  nach  Senegambien  hinein  das  Land  durchziehen.  Auf  den 
Spitzen  dieser  Bergstöcke  liegen  die  Ortschaften  außerordentlich  gesichert 
und  jedenfalls  gut  bewahrt  vor  den  Angriffen  der  über  die  Flächen  hin- 
streichenden Eroberungsheere. 

In  dem  dritten  Teile  führte  der  Redner  die  Zuhörer  auf  den  Booten  der 
Expedition  von  Westafrika  herab  nach  dem  Hinterland  von  Liberia  bis  nach 
Timbuktu  und  machte  besonders  die  verschiedenen  Städte,  die  seit  undenklichen 
Zeiten  perlartig  an  den  Wegen  dieser  Wanderstraßen  sich  angereiht  haben, 
durch  bildliche  Vorführung  vertraut.  Die  nördlichste  Stadt  dieser  Art,  die 
aufgesucht  wurde,  war  das  altberühmte  Timbuktu.  Von  Timbuktu  verlautet 
bis  jetzt,  daß  es  in  verhältnismäßig  junger  Zeit  in  der  Wüste  nördlich  des 
Nigerbogens  gegründet  sei,  —  eingehende  Untersuchungen  der  Expedition  haben 
aber  ergeben,  daß  wir  es  hier  mit  einer  sehr  alten  Stadt,  mit  sehr  alten 
Kulturanlagen  zu  tun  haben,  die  anscheinend  übereinander  geschichtet  sind, 
gleich  dem  alten  Troja,  oder  dem  berühmten  Karthago.  Die  gewaltigen 
Bauten,  welche  als  Moscheen  heute  mehr  und  mehr,  weil  vernachlässigt,  dem 
Untergänge  entgegengehen,  sind  früher  sicher  besser  unterhalten  worden. 
Jedenfalls  steht  soviel  fest,  daß  die  Nachkommen  der  alten  Kaiserdynastie 
des  Songai-Reiches  hier  einen  Palast  hatten,  ihren  Madugu,  aus  welchem  bei 


—    88    — 

der  Islamisiernng  die  Moschee  hervorging.  Ein  anderer  Madng^  in  Timbnkta 
ging  zu  Grunde.  Schon  der  Pater  Dnbois  hat  uns  mit  interessanten  Legenden 
bekannt  gemacht,  welche  in  den  Köpfen  der  schwarzen  Bevölkerung  des 
Landes  heimisch  sind.  In  mchrwöchentlicher  Arbeit  konnten  diese  Stücke  in 
außerordentlich  wichtigen  Teilen  ergänzt  und  verdoppelt  werden.  Der  Geist, 
der  aus  den  Traditionen  dieser  Art  spricht,  ist  gänzlich  abweichend  von  dem 
der  sonstigen  Dichtungen  der  afrikanischen  Kulturwelt  und  erinnert  in  vieler 
Hinsicht  an  die  magischen  Dichtungen  etwa  eines  Bogda-Gesser-Khan.  Magische 
Kräfte,  gigantische  Erscheinungen,  gewaltige  Recken  und  Riesinnen  der 
Vergangenheit  spielen  und  wirken  hier  durcheinander,  und  nicht  allzuselten 
haben  wir  hier  dann  auch  dem  Typus  nach  eine  Art  von  Dichtung,  wie  sie 
uns  Longfellow  in  seinem  Hiawatha  so  vertraut  gemacht  hat.  Also  uraltes 
Kulturleben  in  den  Städten,  und  besonders  in  den  älteren,  seitwärts  der 
großen  Wanderstraßen  gelegenen  Gebieten  finden  wir  Gründungen,  welche 
weit  zurückreichen  über  die  islamitische  Periode. 

Der  letzte  Teil  des  Vortrags  beschäftigte  sich  mit  einigen  Resultaten 
dieser  Studien.  Die  allgemeine  Aufgabe  der  Expedition  lief  dahin  aus, 
wesentliche  Beiträge  zu  liefern  zur  Typenkunde  der  Ethnographie  Afrikas. 
Nebenher  wurden  aber  auch  andere  Institutionen  für  solche  Tätigkeit  interessiert 
und  in  einer  großen  Menge  von  Fragebogen,  die  von  Regierungswegen  in 
französischen  und  englischen  Kolonien  verteilt  worden  sind,  wurde  schon 
eine  Mitarbeiterschaft  von  etwa  500  Kennern  Westafrikas  gewonnen.  Aul 
dieser  breiten  Basis  nun,  die  mehr  bietet  als  die  einfache  ethnische  Profil- 
konstruktion einer  einzelnen  Reise,  erhebt  sich  das  Studium  der  Expedition. 
Die  Verschiedenartigkeit  der  Geräte,  Industrien  und  Gebräuche  wird  in  die 
Karten  eingetragen.  Es  ergeben  sich  bestimmte  Räume  als  bedeckt  von 
Eigentümlichkeiten  der  verschiedenen  Kulturen :  Wir  erkennen  die  Wanderungs- 
Tendenz  verschiedener  wesentlicher  Merkmale,  ihre  Mischung  und  Umbildung, 
und  auf  dieser  Basis  nun  bemühen  wir  uns,  die  geschichtlichen  Vorgänge  und 
Beziehungen  zu  Ländern  innerhalb  und  außerhalb  des  Erdteiles  zu  erkennen. 

Eines  der  wesentlichsten  Momente  ergab  schon  früher  die  nähere  Er- 
forschung bestimmter  westafrikanischer  Provinzen,  deren  Kulturgehalt  mit 
demjenigen  Indiens  und  Ozeaniens  absolut  übereinstimmt.  Nunmehr  haben 
wir  aber  im  Laufe  der  Zeit,  und  zwar  seit  1906,  also  nach  dem  Abschloß 
der  ersten  Reiseperiode,  die  Beobachtung  gemacht,  daß  sehr  wesentliche 
Kulturgüter  auch  von  Norden  nach  Westafrika  bis  hinauf  zu  den  Kongo- 
und  Kassai-Quellen  hingewandert  sind.  Die  Verbreitung  wird  demnächst  in 
einem  Ergänzungshefte  zu  „Petermanns-Mitteilungen"  graphisch  dargestellt 
erscheinen  und  bietet  ein  geradezu  verblüffendes  Bild.  Im  Norden  haben  wir 
Reste  erhalten  in  dem  Atlas,  dann  isulare  Vorkommnisse  in  der  Sahara,  wesent- 
liche Bestandteile  im  Nigerbogen  und  dann  den  Ausläufer  über  Benin  bis  zu 
den  Kongo- Völkern,  deren  vorgeschrittene  Kultur,  besonders  ihre  Schnitzerei- 
kultur durch  den  Vortragenden  näher  seiner  Zeit  erforscht  wurden.  Der  Name 
Benin  ist  durch  die  Engländer  berühmt  geworden,  als  vor  einigen  Jahren  der 
gewaltige  Bronzeschmuck,  die  Bruchstücke  verschwundener  Königsgröße,  ent- 
deckt und  mitgebracht  wurde.  Die  Übereinstimmung  dieser  Benin-Kultur  mit 
den  Bakuba  konnte  der  Redner  schon  früher  nachweisen  und  ihre  Besiehungen 

6» 


—    84    — 

nach  dem  Norden  andeuten.  (Zeitschrift  für  Ethnologie  1907,  S.  330  ff.), 
Jetzt  sind  noch  weitere  Funde  gelungen,  und  der  Beleg  ist  erbracht,  daß 
diese  Kultur  als  eine  atlantische  aus  dem  Mittelmeergebiet  stammt,  daß  sie 
zum  Teil  wohl  noch  bei  den  zurückgezogenen  Stämmen  des  Atlas  in  reichen 
Spuren  erhalten  ist,  daß  sie  einen  Zusammenhang  repräsentiert  mit  west- 
europäischem alten  Besitz,  daß  in  der  Ornamentik  von  den  Kelten  bis  herab 
zu  den  Bakuba  eine  einzige  Linie  sich  hinzieht. 

Dieser  Erfolg  darf  als  einer  der  wichtigsten  Ergebnisse  der  Afrika- 
Kunde  bezeichnet  werden.  Die  Identifizierung  westafrikanischer  Kultur  mit 
den  Darstellungen  eines  alten  Solon  über  Kulturpracht  in  .Atlantis",  in 
Westafrika,  wird  im  Laufe  der  Zeit  zu  erbringen  sein.  Es  gilt  noch  einige 
Bindeglieder  zu  finden. 

Zu  diesem  Zwecke  begab  sich  der  Redner  unmittelbar  nach  seinem 
Vortrage  in  unserem  Verein  auf  einige  Zeit  zu  vorbereitenden  Studien  an 
den  Nordrand  der  Sahara,  von  wo  er  im  Frühjahr  wieder  nach  Berlin  zurück- 
kehrte und  gegenwärtig  die  nächste  große  Reise  vorbereitet. 

Es  gibt  in  Westafrika  noch  ein  Land,  welches  die  wunderbarsten 
Qöttergcstalten  in  großartiger  Weise  und  Mythologie  vorführt,  ein  Land, 
in  dem  alte  Steintechnik  heimisch  ist,  in  dem  die  Bronze  noch  eine  große 
Rolle  spielt,  und  in  dem  die  Ruinen  alter  Städte  unter  dem  Schutt  der 
Jetztzeit  lagern.  Dies  Gebiet  aufzufinden,  ist  der  Zweck  der  nächsten  Reise. 

Mittwoch,  den  9.  Februar  1910. 

Herr  Dr.  Marc  Aurel  Stein-Oxford:  Geographische 
und  archäologische  Forschungsreisen  in  Zentralasien  1906 
bis  1908.    (Lichtbilder.) 

Aufbrechend  von  der  Nordwest-Qrenzprovinz  Indiens,  wo  der  Herr 
Vortragende  vor  Beginn  seiner  im  Auftrage  der  britisch-indischen  Regierung 
unternommenen  Reise  im  Dienste  des  Indian  Archaeological  Department  tätig 
gewesen  war,  zog  er  durch  die  Alpentäler  von  Dir,  Chitral  und  Mastuj  über 
die  Hindukushkette  in  das  Oxustal  und  zu  den  afghanischen  Pamirs. 
Von  dort  folgte  Dr.  Stein  über  Sarikol  der  Route  Marco  Polos  und  der  alten 
chinesischen  Pilger  nach  Kashgar  und  erreichte  Anfang  August  1906  die 
Oase  von  Khotan  im  Süden  der  großen  Taklamakanwüste,  die  ihm  bereits  in 
den  Jahren  1900—1901  als  Basis  für  ergebnisreiche  archäologische  Expeditionen 
gedient  hatte.  Dr.  Stein  widmete  die  restlichen  Sommermonate  der  topo- 
graphischen Aufnahme  der  von  großen  Gletschern  gekrönten  Hauptkette  des 
Kun-lun  südlich  von  Khotan  und  begann  darauf  seine  archäologische  Campagne 
mit  Ausgrabungen  an  alten  Stätten  dem  Wüstenrand  entlang  östlich  gegen 
Keriya  und  Charchan,  die  infolge  von  Desikkation  vom  Flugsand  verschüttet 
worden  waren.  Sie  lieferten  reiche  Ausbeute  an  Relief  Skulpturen ,  Holz- 
schnitzereien, Fresken,  alle  Beweis  ablegend  vom  Einfluß  der  nach  Zentral- 
Asien  verpflanzten  griechisch -buddhistischen  Kunst.  Auch  Dokumente  und 
Korrespondenzstücke  auf  Holz,  meist  in  alt-indischer  und  chinesischer  Schrift, 
zurückreichend  bis  aufs  3.  nachchristliche  Jahrhundert,  kamen  in  großer  Zahl 
ans  Licht 


—    86    — 

Im  Dezember  1906  zog  Dr.  Stein  durch  die  wasserlose  Wüste  nördlich 
vom  Lop-nor  zu  den  Rainen  einer  seit  dem  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  verlassenen 
Kolonie  an  der  alten  Karawanenstraße,  die  während  der  Han-periode  dem 
Verkehr  aus  dem  Innern  China  ins  Tarimbecken  und  nach  Westen  gedient 
hatte  und  seither  durch  Desikkation  unzugänglich  geworden  war.  Reichliche 
Funde  an  Dokumenten  und  Resten  der  Kunstindustrie  belohnten  die  Grabungen 
au!  dieser,  durch  den  völligen  Mangel  an  Wasser  und  durch  das  halbarktische 
Winterklima  überaus  erschwerten  Wüstenexpedition.  Dann  folgten  Aus- 
grabungen an  der  Stätte  von  Mi  ran  in  der  Wüste  südlich  vom  Lop-nor, 
wo  Schriftdenkmäler  aus  der  Zeit  tibetanischer  Okkupation  und  schöne 
Überreste  graeco-buddhistischer  Kunst  aus  einer  weit  früheren  Periode  in 
großer  Zahl  ans  Licht  kamen.  Ein  Zug  auf  dem  erst  vor  kurzem  wieder 
entdeckten  ca.  650  Kilometer  langen  Wüstenweg  ostwärts  nach  China,  dem 
einst  Marco  Polo  gefolgt  war,  brachte  Stein  zu  Anfang  des  Frühjahrs  1907 
zu  den  Überresten  eines  durch  verfallenen  Wall  und  Wachttürme  markirten 
antiken  Limes,  der  einst  zur  Deckung  des  südlich  vom  Su-lo-ho  -  Fluß 
gelegenen  für  die  Chinesen  strategisch  wichtigen  Gebiets  gedient  hatte.  Er 
erwies  sich  durch  Funde  an  Dokumenten  auf  Holz  und  Bambu  als  vom  Ende 
des  2.  Jahrhunderts  vor  Chr.  stammend  und  bis  zur  Mitte  des  2.  Jahrhunderts 
nach  Chr.  besetzt.  Das  überaus  trockene  Wüstenklima  war  der  Erhaltung 
von  Antiquitäten  an  dieser  alten  befestigten  Grenzlinie  besonders  günstig 
gewesen,  erschwerte  aber  gar  sehr  die  archäologische  Durchforschung  der- 
selben. Sie  lieferte  reichliche  Ausbeute  an  chinesischen  und  anderen  Schrift- 
stücken, an  von  den  Besatzungsposten  einst  zurückgelassenen  Objekten  aller 
Art  etc.  Die  bis  in  den  Mai  1907  fortgesetzte  Untersuchung  des  an  240 
Kilometer  langen  westlichen  Endteils  dieses  durch  die  Wüste  geführten 
Grenzwalles  ergab  auch  geographisch  wichtige  Resultate. 

Der  Vortragende  wandte  sich  dann  zu  den  als  „Hallen  der  Tausend 
Buddhas"  bekannten  Gruppen  buddhistischer  Tempelgrotten,  die  sich  an  den 
Wänden  eines  öden  Felstals  südöstlich  von  der  Oase  von  Tun-huang  oder 
Sha-chou  hinziehen.  Außer  der  Aufnahme  der  sehr  zahlreichen  aus  der  Tang- 
Periode  (7—9.  Jahrb.  n.  Chr.)  stammenden  großen  Fresken  und  Stuckskulpturen 
gelang  Stein  hier  die  Durchsuchung  eines  wenig  Jahre  früher  zufällig  in  einer 
Grotte  entdeckten  Schatzes  an  alten  Handschriften,  Malereien  auf  Seide  und 
anderen  Kunstresten,  der  dort  bald  nach  dem  Jahr  1000  n.  Chr.  vermauert 
worden  war.  Nach  Überwindung  von  bedeutenden  Schwierigkeiten  hatte  Stein 
die  Befriedigung,  aus  diesem  großen  Depot  an  zwanzig  Kisten  voll  meist  sehr 
gut  erhaltener  HSS.  in  Chinesisch,  Tibetanisch,  Sanskrit,  Alt-türkisch  und  in 
einer  Zahl  anderer  Sprachen,  bis  ins  3.  Jahrb.  n.  Chr.  hinaufreichend,  und 
dazu  Hunderte  an  schönen  buddhistischen  Malereien,  Stickereien  etc.  für 
seine  Sammlung  zu  sichern. 

Nach  weiteren  archäologischen  Forschungen  widmete  er  die  Sommer- 
monate von  1907  topographischen  Arbeiten  in  den  hohen  und  zum  Teil 
noch  unerforscht  gebliebenen  Gebirgsketten  des  westlichen  und  zentralen 
Nan-shan,  wo  es  ihm  bis  September  gelang  mit  Hülfe  seines  indischen  Topo- 
graphen ein  Gebiet  von  ca.  62000  Quadratkilometer  kartographisch  und 
zum  Teil  in  photographischen  Panoramen  aufzunehmen.    Dann  zog  er  auf 


—    86    — 

der  Jetzt  begangenen  Hauptkarawanenstraße  von  Kan-chon  ans  wieder  an 
2000  Kilometer  nordwestlich,  um  im  Dezember  eine  zweite  archäologische 
Winterkampagne  im  Tarim-Becken  zu  beginnen.  Die  Aosgrabangen  alter 
Rainenstätten  um  Kara-shahr  lieferte  eine  Menge  schöner  buddhistischer 
Skulpturen  in  Stuck  und  Holz,  sowie  Fresken.  Nach  Untersuchung  eines 
bisher  unbekannt  gebliebenen  Wüstengebiets  im  Norden  des  Tarim  durchquerte 
Stein  die  große  Taklamakan- Wüste  nach  Süden.  Erst  nach  vierzehntägigem 
infolge  des  Mangels  an  Wasser  gefährlichem  Marsche  durch  hohe  Dünen 
erreichte  die  Karawane  im  Februar  1908  das  erstorbene  Delta,  wo  der  seit 
Dr.  Hedins  Reise  in  1896  verschobene  Endlauf  des  Keriyaflusses  im  Sande 
Tersiegt. 

Die  folgenden  Monate  waren  Ausgrabungen  an  verschiedenen  früher 
unerforscht  gebliebenen  alten  Stätten  in  der  Wüste  nördlich  von  der  Keriya- 
Khotan-Linie  gewidmet.  Dann  folgte  ein  auch  an  archäologischen  Fanden 
ergiebiger  Zug  dem  trockenen  Bette  des  Khotanflusses  entlang  nordwärts 
nach  Aksu  und  durch  die  niedrigen  Wüstengebirge  von  Kelpin,  bis  die 
Sommersglut  den  Forscher  zur  Rückkehr  nach  Khotan  zwang.  Nach  sorg- 
fältiger Verpackung  der  fünfzig  Kamellasten  von  Antiquitäten  für  den  langen 
und  schwierigen  Transport  nach  Indien  brach  er  ins  hohe  Kun-lun  Gebirge 
nach  Südosten  auf,  um  das  vorher  völlig  unbekannt  gebliebene  Gletscher- 
quellgebiet des  Yurung-kash  oder  Khotan-Stromes  zu  erforschen.  Es  gelang 
ihm  trotz  großer  Hindemisse  in  jene  fast  unzugängliche  Bergwelt  von  engen 
tief  eingeschnittenen  Schluchten  und  vereisten  Gebirgskämmen  bis  über  7000  m 
Seehöhe  einzudringen  und  später  sich  einen  Weg  über  die  nordwestlichsten 
hohen  Plateaus  Tibets  zum  Quellgebiet  des  Karakash  -  Flusses  zu  bahnen. 
Beim  letzten  Aufstieg  zur  gletscherbcdeckten  Wasserscheide,  der  zum  Ab- 
schluß der  topographischen  Aufnahmen  nötig  war,  erfroren  Stein  auf  zirka 
6100  m  Seehöhe  die  Zehen  des  rechten  Fußes  am  22.  September  1908.  Drei 
Wochen  brauchte  er  dann,  bis  er,  über  die  hohen  Karakoram-Pässe  getragen, 
ärztliche  Hülfe  in  Ladak  erreichte.  Die  erste  Ordnung  der  in  100  Kisten 
zurückgebrachten  archäologischen  Funde  und  die  Ausarbeitung  eines  Be- 
richtes über  die  wissenschaftlichen  Resultate  wird  Stein  bis  Ende  1911  in 
England  beschäftigen. 

(Der  Vortrag  ist  in  erweiterter  Fassung  abgedruckt  in  den  Mittei- 
lungen der  kais.  königl.  geographischen  Gesellschaft  in  Wien,  Band  52,  Heft 
7  und  8.    Wien  1909.) 

Mittwoch,  den  16.  Februar  1910. 

Herr  Prosper  M  ü  1 1  e  n  d  o  r  f  f  -  K  ö  1  n  a.  Rh. :  Tom  Indischen 
Ozean  zum  Yictoria-Nyausa.     (Lichtbilder.) 

Nach  einer  kurzen  Schilderung  des  Hafenplatzes  Mombassa  mit  seiner 
arabisch-indischen  Mischkultur  hob  der  Vortragende  bei  der  Fahrt  auf  der 
Ugandabahn  den  Unterschied  zwischen  dem  Tiefland  und  der  Steppe  hervor. 
Die  Eisenbahnwerkstätten  von  Nairobi  gaben  ihm  Anlaß  zu  einem  Vergleich 
zwischen  deutscher  und  englischer  Verwaltungsmethode  in  Ostafrika:  Was 
die  Staatsverwaltung  in  Britisch-Ostaf rika  hier  geleistet  hat»  dazu  ist  in  Deutaoh- 


—    87    — 

Ostafrika  die  Priyattätigkeit  —  yerireten  durch  die  Banfinna  Holsmaim  Sl  Co. 
und  die  Eisenbahngesellschaft  —  ebenfalls  im  Stande;  dagegen  fehlt  es  der 
deutschen  Kolonie  an  einer  fest  gegliederten,  über  das  ganze  Land  yerteilten 
Verwaltung  für  die  allgemeinen  öffentlichen  Arbeiten,  wie  diejenige,  die  in 
Nairobi  ihren  Sitz  hat. 

Beim  Überschreiten  des  „afrikanischen  Qrabenrandes'^,  an  dem  die 
Siedlungstätigkeit  begonnen  hat,  erwähnte  der  Redner  die  namhaften 
Erfolge  des  Ackerbaus  und  der  Viehzucht;  bei  letzterer  kann  für  die 
Gebirgsinseln  und  Hochsteppen  Deutsch  -  Ostafrikas  namentlich  die  Woll- 
schafszucht vorbildlich  werden.  Das  Auftreten  der  Kikuyu  und  der  Kawi- 
rondo  gab  ihm  Gelegenheit,  auf  die  unterschiede  in  den  Eingeborenen- 
rassen  hinzuweisen  und  die  in  diesen  Strichen  noch  übliche  urtümliche, 
fliegende  Kulturart  der  Eingeborenen  zu  kennzeichnen,  um  im  weiteren 
Verlauf  des  Vortrags  die  gehobene  Wirtschaft  wie  auch  den  besseren  Haus- 
bau der  Baganda,  der  Eingeborenen  und  eingewanderten  Herrenrasse  im 
Hinterlande  von  Bukoba,  und  der  Wassukuma  in  der  Gegend  yon  Muansa 
zu  kennzeichnen. 

Nacheinander  schildert  er  die  Plätze  Djinja  am  Ausfluß  des  Nils  aus 
dem  Victoriasee,  Entebbe,  den  Sitz  der  Kolonialverwaltung  Ugandas  und  die 
deutsche  Station  Bukoba,  um  längere  Zeit  bei  der  Beschreibung  eines  Festes 
beim  Sultan  Mutahangarua  von  Kisiba  zu  verweilen,  wo  er  gleichzeitig 
Anfänge  von  Pflanzungen  nach  europäischem  Muster  (Kautschuk,  Kaffee)  und 
beim  Kriegstanz  der  Massen  die  volle  ursprüngliche  afrikanische  Wildheit 
beobachten  konnte,  mit  der  man  in  Bukoba  und  erst  recht  weiter  westlich 
in  Ruanda  rechnen  muß.  Muansa  gab  Gelegenheit,  die  Fragen  der  Handels- 
wirtschaft zu  berühren,  die  sich  auf  die  Sammeltätigkeit  (Häute,  Wachs)  und 
den  Ackerbau  der  Wassukuma  (Erdnüsse,  Reis)  begründen,  und  die  Notwen- 
digkeit einer  Bahnverbindung  von  Tabora  nach  Muansa  zu  betonen,  die 
einerseits  den  Norden  der  deutschen  Kolonie  unabhängiger  von  Uganda  machen, 
anderseits  den  Wassukuma  und  Wanyamwesi  die  Möglichkeit  eines  erhöhten 
Ackerbaues  geben  würde,  dessen  Erzeugnisse  über  Tabora  ohne  Umladung 
nach  Daressalam  an  die  Küste  gelangen  würden. 

Zum  Schluß  berührte  der  Redner  den  Kampf  gegen  die  Schlafkrankheit, 
der  auf  deutscher  wie  auf  britischer  Seite  nachdrücklich  geführt,  durch 
sanitätspolizeiliche  Maßregeln  vielen  Tausenden  das  Leben  gerettet  hat,  aber 
noch  lange  nicht  zu  Ende  ist. 

Seine  häufigen  Vergleiche  zwischen  Britisch-  und  Deutsch-Ostafrika 
liefen  dabin  aus,  daß  auf  beiden  Seiten  gut  gearbeitet  wird,  wenn  auch  im 
Einzelnen  verschieden  gut.  Die  Pflanzertätigkeit  im  deutschen  Küsten- 
strich und  Tiefland  fand  er  viel  weiter  gefördert  als  im  britischen,  die 
Anlage  der  Städte  und  Marktplätze  auf  deutschem  Boden  zweckmäßiger, 
dagegen  das  Wegenetz  im  britischen  Uganda  besser  entwickelt;  auch  er- 
wähnte er  die  sachgerechtere  Einrichtung  der  Justiz  in  den  beiden  bri- 
tischen Kolonien. 

(Vergl.  des  Redners  inzwischen  erschienenes  Werk:  Ost- Afrika  im 
Aufstieg.     Essen,  G.  D.  Baedeker,  1910.) 


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Mittwoch,  den  23.  Februar  1910. 

Herr  Professor  Dr.  Georg  Greim-Darmstadt:  Neuere 
Ansichten  Aber  den  Anfban  der  Alpen.    (Lichtbilder.) 

Der  tektonische  Bau  der  Alpen  hat  sich  viel  komplizierter  herausgestellt, 
als  man  ursprünglich  glaubte.  Den  Aufbau  im  großen  hatte  man  bald  er- 
kannt und  festgestellt,  daß  im  allgemeinen  eine  Zone  krystalliner  Gesteine 
in  der  Mitte  des  Alpenbogens  vorhanden  ist,  die  auf  der  Nord-  und  Südseite 
von  Kalkzonen  eingeschlossen  wird.  Genauere  Untersuchungen  führten  jedoch 
bald  zur  Einsicht,  daß  die  Kalkzone  im  Süden  zu  einem  großen  Teil  fehlt 
und  da,  wo  sie  überhaupt  vorhanden,  mit  der  nördlichen  nicht  geologisch 
gleichwertig  ist.  Die  in  großer  Zahl  vorhandenen  Faltungen  und  Biegungen 
der  Gesteinsschichten  führten  dann  zur  Auffassung  der  Alpen  als  Faltengebirg. 
Das  Studium  des  Zusammenhangs  zwischen  innerem  Bau  und  äußerer  Form 
wird  jedoch  bei  den  Alpen  durch  die  sehr  verwickelten  Lagerungsverhältnisse 
und  nachträgliche  Veränderungen  bedeutend  erschwert,  deshalb  ist  es 
praktischer,  zur  Erläuterung  der  Grundbegriffe,  die  bei  der  Faltung  von 
Gesteinsschichten  in  Betracht  kommen,  die  Verhältnisse  an  einem  einfacher 
gebauten  Faltengebirg,  dem  Schweizer  Jura,  zu  Hilfe  zu  nehmen.  Hier  lassen 
sich  Faltensättel  und  Mulden,  stehende  und  liegende  Falten  und  alle  ihre 
Übergänge  und  Abarten  bis  zur  vollständigen  Zerreißung  der  Falte  und 
Überschiebung  des  einen  Teils  klar  erkennen.  Auch  in  den  Alpen,  besonders 
den  Weätalpen,  finden  sich  viele  Stellen,  wo  die  Gesteine  deutlich  gefaltet 
und  die  Falten  z.  T.  auch  überschoben  sind,  die  also  die  Beweise  für  die 
Natur  der  Alpen  als  Faltengebirge  liefern.  Eine  Anzahl  Erscheinungen  aus 
den  Alpen  lassen  sich  jedoch  aus  den  einfachen  Faltungsvorgängen  nicht 
erklären  und  bereiteten  deshalb  den  Geologen  große  Schwierigkeiten.  Dahin 
gehören  vor  allem  die  sogenannten  „Klippen",  eigentümliche  Kalkberge  aus 
älteren  Gesteinen,  die  auf  jüngerem  Gestein  der  vorderen  Alpenketten 
„wurzellos"  aufsitzen,  „schwimmen",  wie  an  tiefen  Aufschlüssen  nachgewiesen 
werden  konnte.  Sie  erschienen  auch  in  Hinsicht  auf  die  Beschaffenheit  ihres 
Gesteins  und  die  in  ihnen  enthaltenen  Versteinerungen  als  fremde  Gebilde 
für  die  Gegend,  wo  sie  sich  befinden.  Ahnliche  sogenannte  , Faziesunter- 
schiede" zeigen  auch  die  Nagelfluh  der  Schweizer  Vorketten  und  die  Gesteine 
der  Voralpen  zwischen  Thuner  See  und  Arve,  was  sich  an  diesem  Platz  durch 
einen  vollständig  andern  Charakter  der  Bergformen  äußert,  als  ihn  die  um- 
liegenden Gruppen  besitzen.  Hier  entstand  denn  auch  die  neue  Auffassung, 
alle  diese  fremden  Gebilde  für  Bestandteile  von  großen  Gesteinsdecken  anzu- 
sehen, die  nach  Norden  überschoben  wurden  und  dadurch  auf  jüngere  Gesteine 
in  vollständig  fremder  Gegend  zu  liegen  kamen,  auf  denen  sie  fem  von  ihrem 
ürsprungsort  „wurzellos"  schwimmen.  Durch  diese  Theorie  der  Überschiebungs- 
decken werden  aber  auch  an  andern  Stellen  die  seither  vorhandenen  Schwierig- 
keiten beseitigt  und  eine  leichtere  Erklärung  ermöglicht.  Das  ist  vor  allem 
im  Gebiet  der  sogenannten  Glamer  Doppelfalte  der  Fall,  wo  man  seither 
die  tatsächlichen  Befunde  durch  gegeneinandergerichtetc  von  Norden  und  von 
Süden  ausgehende  Faltungen  zu  erklären  suchte.  Die  theoretischen  Schwierig- 
keiten lösen  sich  leichter  nach  der  Deckentheorie,  die  das  Ganze  durch  Ton 


—    89    — 

Süden  überschobene  Decken  entstanden  ansieht.  Man  unterscheidet  heute  vier 
solcher  Gesteinsdecken  in  den  Alpen,  die  helvetische,  lepontische,  ostalpine 
und  südalpine,  die  sich  in  dieser  Reihenfolge  ursprünglich  in  nordsüdlicher 
Richtung  nebeneinander  befanden  und  bildeten  und  dann  nach  Norden  über^ 
einandergeschoben  wurden.  Unter  den  überlagernden  Decken  sehen  manch- 
mal in  tiefen  Aufschlüssen  die  tieferlagernden  Decken  heraus,  es  sind  dies 
die  sogenannten  „Fenster",  die  der  Anfang  der  Zerschneidung  der  über- 
lagernden Decke  sind,  in  deren  Fortschreiten  die  Decken  allmählich  einzelne 
größere  Partien  und  zuletzt  in  Klippen  sich  auflösen.  Die  Bildung  und 
Überschiebung  der  Decken  bildet  natürlich  nur  eine  Phase  in  der  geologischen 
Geschichte  der  Alpen,  die  gerade  deshalb  so  schwer  zu  enträtseln  ist,  weil 
sich  die  verschiedenen  Faltungsprozesse,  denen  sie  im  Laufe  der  geologischen 
Zeiten  unterworfen  waren,  gegenseitig  durchsetzten  und  ihre  Resultate 
komplizierten,  vermischten  und  zerstörten. 

Mittwoch,  den  2.  März  1910. 

Herr  Hofrat  Dr.  Bernhard  Hagen-Frankfurt  a.  M.: 
Über  die  Beyölkerunf^  der  Philippinen.   (Lichtbilder.) 

Die  Inselgruppe  der  Philippinen  besteht  in  der  Hauptsache  aus  zwei 
großen  Inseln,  einer  nördlichen,  Luzon,  und  einer  südlichen,  Mindanao, 
zwischen  denen  eine  Anzahl  kleinerer  liegen :  Mindere,  Panay,  Samar,  Negros, 
Cebu  u.  a.,  im  Ganzen  etwa  3000.  Zwei  Inselbrücken  führen  hinüber  nach  der  Insel 
Bomeo ;  eine  nördliche,  welche  hauptsächlich  durch  die  langgestreckte  Insel  Pala- 
wan,  und  eine  südliche,  welche  durch  die  Sulu-  oder  Jolo-Inseln  gebildet  wird. 

Der  geologische  Bau  der  ganzen  Gruppe  schließt  sich  eng  an  den- 
jenigen von  Borneo  und  Celebes  an.  Zahlreiche  Gebirgszüge,  meist  ans 
krystallinen  Schiefem  bestehend  und  nach  Süden  fächerförmig  auseinander- 
laufend, durchziehen  die  Hauptinseln,  begleitet  von  zwei  Reihen  z.  T.  heute 
noch  tätiger  Vulkane,  die  bis  zu  8200  m  Höhe  sich  erheben  mit  Hochgebirgs- 
Charakter  (Koniferen  etc.).  Die  Fauna  ist  arm  und  zeigt  namentlich  in  der 
Vogelwelt  eine  deutliche  Mittelstellung  zwischen  dem  malayischen  und  dem 
papuanischen  Faunengebiet. 

Im  Jahre  1521  durch  Magelhaens  entdeckt,  sind  die  Philippinen  seit 
1571  stets  in  spanischem  Besitz  gewesen;  die  Küstenbevölkerung  ist  darum 
vollständig  christianisiert  d.  h.  katholisiert.  Auch  von  Rassenreinheit  kann 
bei  ihr  keine  Rede  mehr  sein,  da  seit  langen  Jahrhunderten  zu  viele  fremde 
Elemente  zersetzend  auf  sie  eingewirkt  haben. 

Außer  den  bereits  genannten  Spaniern  waren  es  vor  allem  die  Chinesen, 
dann  aber  auch  Indier,  Malayen,  Japaner  usw.  So  sind  z.  B.  80  Prozent  der  Be- 
völkerung Manilas,  der  Hauptstadt,  Mischlinge,  und  von  der  ganzen  etwas  über 
7*/»  Millionen  betragenden  Eingebomen-Bevölkerung  sind  ca.  7  Millionen  mit 
fremden  Elementen  gemischt  und  bereits  vollständig  zivilisiert.  Sie  zerfallen 
in  eine  Unmenge  kleiner  und  kleinster  Völkerschaften.  Nirgends  im  malayischen 
Archipel  ist  die  Zersplitterung  so  groß,  wie  auf  den  Philippinen.  Man  zählt 
nahezu  60  einzelne  Volksstämme,  die  sich  aber  gut  auf  vier  Hauptgruppen 
zurückführen  lassen. 


—    90    — 

Die  erste  Gruppe  umfaßt  die  gesamten  Küsten-Mischvölker  der  Tagalen, 
Visayas  oder  Bisayas,  Docanos,  Bicol,  Cagayan  und  wie  sie  alle  heißen 
mögen.     Die  wichtigsten  sind  die  Tagalen  und  die  Bisayas. 

Die  Tagalen  oder  Tagalog,  welche  am  häufigsten  mit  den  fremden 
Binwanderem  in  Berührung  gekommen  sind  und  deren  Sprache  merkwürdig 
viele  Hindu-Bestandteile  enthalten  soll,  bewohnen  hauptsächlich  die  mittleren 
Teile  der  nördlichen  Hauptinsel  Luzon  und  bilden  auch  die  Hauptbevölkemng 
der  Stadt  Manila,  während  die  Bisayas  vorwiegend  die  Inseln  Samar,  Panay, 
Gebu,  die  Südküste  von  Mindoro  und  die  Nord-  und  Ostküste  von  Mindanao 
bewohnen. 

Tagalen  und  Bisayas  nebst  ihren  zahlreichen  Mischlingen  aller  Schattie- 
rungen bilden  zusammen  mit  den  ebenfalls  stark  gemischten  Nachkommen 
der  eingewanderten  Spanier  den  Hauptbestandteil  der  sogenannten  Filipinos. 
Sie  sind  das  wirtschaftlich  wichtigste  Element. 

Gehen  wir  von  der  Küste  ins  Innere  der  großen  Inseln,  so  finden  wir, 
daß  die  Zivilisation  sehr  schnell  abnimmt.  Trotz  der  jahrhundertelangen 
Okkupation  ist  der  europäische  resp.  spanische  Einfluß  nie  sehr  weit  ins 
Binnenland  vorgedrungen  und  wir  finden  dort  noch  zwei  scharf  voneinander 
geschiedene  Gruppen  von  verhältnismäßig  reinen  und  unberührten  Naturvölkern. 

Die  eine  Gruppe  sind  die  Igoroten  und  ihre  Verwandten:  Ilongoten. 
Silipanen,  Tingianen,  Bukidnon  etc.  Es  sind  ausgesprochene  Bergvölker,  die 
den  ganzen  nördlichen  Teil  der  zentralen  Gebirgsstrecken  von  Luzon  be- 
wohnen. Sie  stellen  einen  primitiven  Ur-Malayenstamm  dar,  sehr  nahe  ver- 
wandt mit  den  Dajak  auf  Bomeo  und  den  Batak  auf  Sumatra  und  ungefähr 
auf  gleicher  Kulturstufe  mit  diesen.  Man  kann  mit  großer  Wahrscheinlichkeit 
annehmen,  daß  sie  den  Grundstock  abgegeben  haben,  aus  welchem  sich  an 
der  Küste  infolge  Zutritts  der  fremden  Einwanderung  die  verschiedenen 
oben  erwähnten  Küsten-Mischvölker  herausgebildet  haben. 

Die  Igoroten  sind  noch  „Heiden"  mit  Scelenglauben  und  Ahnenkultus, 
leben  in  unauflöslicher  Monogamie  und  besitzen  einen  hochentwickelten 
Acker-(Reis-)bau  mit  ausgedehnten  künstlichen  Bewässerungsanlagen  und  eine 
gut  entwickelte  Industrie  (Weberei,  Töpferei,  Eisenschmiede).  Wie  die  Batak 
auf  Sumatra  wohnen  sie  in  Pfahlbauhäusern  in  geschlossenen  Dörfern.  Eine 
zusammenfassende  größere  Staatsgewalt  fehlt,  jedes  Dorf  steht  auf  sich  selbst. 
Sie  sind  ein  kriegerisches,  streitlustiges  Volk.  Ihre  Waffen  sind  Lanzen  und 
eigentümlich  geformte  Äxte,  die  aber  auch  friedlichen  Zwecken  dienen,  sowie 
Hiebmesser,  letztere  jedoch  weniger  häufig.  Ein  hölzerner  mehrspitziger 
Schild  vervollständigt  die  kriegerische  Ausrüstung. 

Sie  sind  noch  Kopfjäger  schlimmster  Sorte.  Wohl  neun  Zehntel  aller 
Männer  tragen  auf  ihrer  Brust  eintätowiert  das  Emblem,  Welches  sie  als 
siegreiche  Erbeuter  eines  menschlichen  Kopfes  kennzeichnet.  Anlaß  zum 
Unternehmen  eines  Kopfjagdzuges  findet  sich  stets ;  jeder  Todesfall  z.  B.  muß 
mit  dem  Kopf  eines  armen,  harmlosen  Wanderers  gesühnt  werden.  So  viel 
Finger  der  Verstorbene  im  Todeskrampf  ausgestreckt  hat,  so  viel  Köpfe 
müssen  erbeutet  werden.  Die  Rückkehr  einer  Kopfjägerbande  wird  mit  großen 
Festlichkeiten  und  Tänzen  gefeiert,  wobei  manchmal  das  Blut  und  Hirn  der 
erbeuteten  Köpfe  mit  Palmwein  vermischt  getrunken  wird. 


—    91    ~ 

Auch  die  den  Igoroten  benachbarten  üongoten  sind  leidenschaftliche 
Kopfjäger,  die  Tingaianen,  ihre  südlichen  Nachbarn,  und  die  Bukidnon  jedoch 
nicht.  Das  sind  friedfertige«  wenig  kriegerische  Völklein,  die  im  Gegensatz 
zu  den  vorigen  keine  festen  Wohnsitze  haben,  sondern  in  ihrem  Gebiete 
herumnomadisieren  und  die  Kopfjagd  verabscheuen. 

Hierher  gehören  auch  die  Manguianen  auf  der  Insel  Mindoro,  die  es 
sogar  schon  zu  einer  eigenen  Schrift  gebracht  haben. 

Auf  der  Insel  Mindanao  wohnen  die  ebenfalls  der  Ur-Malayen-Gruppe 
zuzuzählenden  Manobo  und  Bagobo.  Bei  ihnen  herrscht  noch  eine  Art  ab- 
gemilderter Menschenfresserei  in  der  Weise,  daß  einer  der  gelegentlich  eines 
Kriegszugs  gemachten  Gefangenen  nach  glücklicher  Heimkehr  gewissermaßen 
als  Dank  dem  Kriegsgott  Tagbusan  geopfert  wird,  wobei  der  Häuptling- 
Priester  das  Recht  und  die  Pflicht  hat,  aus  dem  Leichnam  des  getöteten 
Feindes  ein  Stück  Herz  oder  Leber  herauszureißen  und  zu  verzehren.  Dem 
gemeinen  Volk  ist  diese  Art  Menschenfresserei  jedoch  nicht  mehr  gestattet. 
Wir  sehen  also  hier  den  Kannibalismus  im  Aussterben  und  nur  noch  als 
priesterliche  Funktion  teilweise  erhalten. 

Die  andere  Gruppe  von  Urstämmen,  die  dritte  der  ganzen  Reihe  und 
vielleicht  die  älteste  von  allen,  sind  die  Negritos,  eine  von  den  ürmalayen 
verschiedene,  an  die  Neger  oder  Papua  erinnernde  kleine  dunkelhäutige  und 
kraushaarige  Menschenform,  die  bei  den  Europäern  und  Filipinos  unter  ver- 
schiedenen Namen  bekannt  ist :  Aöta,  Aita,  Baluga,  Dumagat,  Mamanua  etc. 

Sie  leben  heute,  in  kleine  Reste  zerstreut  und  zersplittert,  im  ganzen 
kaum  30  000  Köpfe  stark,  im  Innern  und  sonstigen  versteckten  Winkeln  der 
einzelnen  Inseln.  Ihre  Kulturstufe  ist  die  niedrigste  von  allen;  sie  sind 
nomadisierende  Jäger  und  Nahrungssammler  ohne  festen  Wohnsitz,  fast  ohne 
Ackerbau,  nur  in  allerprimitivsten  Hütten  oder  besser  gesagt :  Windschirmen, 
nächtigend.  Irgendwelche  größere  soziale  Verbände  fehlen  vollständig,  sie 
schwärmen  immer  nur  in  kleinen  Horden  unter  Familienältesten  als  Ober- 
haupt herum.  Ein  Hauptleckerbissen  sind  für  sie  Bienenlarven,  die  sie  samt 
den  Waben  und  dem  Honig  zu  einem  Brei  mit  den  Händen  zerquetschen 
und  mit  Behagen  genießen. 

Ihre  Hauptwaife  ist  der  bei  den  übrigen  philippinischen  Völkern  sonst 
unbekannte  Bogen  und  Pfeil  —  letzterer  manchmal  vergiftet  — ,  den  beide 
Geschlechter,  die  hier  noch  nicht  so  differenziert  sind,  wie  auf  den  höheren 
Kulturstufen,  gleich  gut  zu  handhaben  wissen.  Einzelne  Horden  gibt  es 
jedoch,  die  Bogen  und  Pfeil  noch  nicht  kennen,  sondern  nur  mit  Speer  und 
Grabstock  bewaffnet  ihren  jämmerlichen  Kampf  ums  Dasein  führen. 

Auch  bei  ihnen  herrscht  die  vielleicht  von  den  Igoroten  übernommene 
Sitte,  jeden  Gestorbenen  durch  den  Mord  einer  fremden  Person  zu  rächen. 

Metalle  sind  ihnen  fast  gänzlich  unbekannt,  ebenso  fehlt  ihnen  beinahe 
jegliche  Industrie.  Die  ihnen  nötigen  diesbezüglichen  Dinge  tauschen  sie 
sich  von  den  umgebenden  höheren  Stämmen  ein. 

Im  allgemeinen  sind  sie  sehr  scheu  und  zurückhaltend  und  schließen 
sich  möglichst  von  allen  Fremden  ab.  um  unwillkommene ^Gäste  von  ihrem 
Gebiet  abzuhalten,  legen  sie  öfters  mit  Blut  beschmierte  Pfeile  und  Bogen 
als  Warnung  auf  den  Zugangswegen  zu  ihren  Schlupfwinkeln  nieder. 


—    92    — 

In  welchem  ZnsammenhaDg  diese  rätselhaften  kleinen  dunklen  Yölkei 
mit  der  übrigen  Philippinenbevölkcrung  stehen,  ist  ein  noch  ungelöstes  anthro- 
pologisches Kätsel.  Ihre  nächsten  Verwandten  befinden  sich  im  Innern  dei 
Halbinsel   Malakka  und    auf   den   Andamancn-Inseln. 

Die  vierte  und  letzte  Gruppe  der  Philippinenbevölkerung  endlich  bildet 
ein  dieser  Inselgruppe  ursprünglich  fremdes  Element,  nämlich  die  sogenanntem 
Moros,  welche  auf  der  großen  Südinsel  Mindanao  und  der  als  Brücke  nacli 
Borneo  hinüberführenden  Sulu-Inselgruppe  sitzen.  Sie  kamen  wahrscheinlicl: 
im  Laufe  der  Zeiten  von  Borneo  oder  noch  wahrscheinlicher  von  Gelebe« 
herüber  und  sind  richtige  mohammedanische  Malayen,  die  mit  ihrer  fremdes 
Religion,  dem  Mohammedanismus,  auch  eine  fremde  Kultur  gebracht  haben, 
welche  sich  hauptsächlich  in  der  Herstellung  prächtiger  Metallarbeiten,  be- 
sonders Waffen,  Helmen,  Rüstungen  u.  dgl.  betätigt.  Die  Moros  sind  eii 
sehr  kriegerisches  Volk  und  die  Seeräuber  des  Sulu-Archipels  waren  bis  voi 
kurzer  Zeit  im  ganzen  malayischen  Archipel  berüchtigt  und  gefürchtet. 

Mittwoch,  den  9.  März  1910. 

Dr.  A.  Berge r-Cassel:    In    Afrikas    Wildkammern. 

(Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  hat  in  den  Jahren  1908/09  mit  zwei  Freunden  eim 
Forschungsreise  durch  Englisch  Ost-Afrika,  Uganda  und  die  Lado-£nclav( 
des  Kongo-Staates  unternommen. 

Zweck  der  Reise  war  zoologische  Sammlungen  heimzubringen,  einig( 
zoogeographische  Fragen  zu  lösen  und  Bilder  von  Tieren  in  Freiheit  zu  ge- 
winnen. Hierbei  wurde  nur  bei  Tageslicht  gearbeitet,  und  zwar  kam  es,  wie  dei 
Redner  hervorhob,  ihm  nicht  darauf  an,  einzelne  Tiere  auf  möglichst  kurz( 
Entfernung  zu  photographieren,  sondern  ganze  Herden,  wie  sie  in  der  Stepp< 
und  im  Wald  leben,  in  der  für  sie  typischen  Umgebung  aufzunehmen,  um  aul 
diese  Weise  einwandfreies  biologisches  Material  zu  schaffen,  das  für  alh 
Zeiten  seinen  Wert  behält.  Die  fesselnden  Ausführungen  des  Redners  wurder 
denn  auch  durch  vortrefflich  kolorierte  Lichtbilder  erläutert. 

Die  Reise  ging  von  Mombasa  mit  der  Uganda-Bahn  nach  Nairobi 
Unterwegs  sahen  die  Reisenden  von  der  Bahn  aus  unzähliges  Wild  aller  Art 
Giraffen,  Zebras,  Hartebeeste,  Gazellen  etc.  In  Nairobi  wurde  die  Ezpeditioi 
zusammengestellt  und  nun  begann  der  Marsch  nach  den  Athi-Plains,  den 
Thika-Fluß  und  dem  Tana.  Hier  gelang  es  eine  große  Anzahl  Tiere  an  dei 
Tränke  auf  die  Platte  zu  bringen.  Weiter  führte  der  Weg  nach  Kikuju 
Land,  wo  die  Reisenden  bei  den  Eingeborenen  gastliche  Aufnahme  fanden 
Eine  Zeit  lang  wurden  die  Urwälder  am  Kenia  durchstreift,  dann  zog  mal 
weiter  nach  dem  Guaso  Njiro,  einem  Fluß,  der  im  Bogen  den  Kenia  nördlicl 
umkreist.  Hier  gibt  es  noch  unzählige  Giraffen.  Der  Vortragende  traf  ii 
dieser  Gegend  eines  Tages  über  100  dieser  riesigen  Tiere  in  einem  Rade 
vereinigt,  er  zeigte  auch  ein  Bild  mit  4B  Giraffen.  Außer  diesen  sind  di< 
Nashörner  besonders  zahlreich,  doch  schienen  sie  nicht  so  angriffslustig  zi 
sein,  wie  sie  von  vielen  anderen  Reisenden  beschrieben  werden.  Dr.  Berge 
machte  eine  Serie  von  Bildern  von  einem  Nashorn,  an  das  er  ohne  Decknnj 


—    93    — 

an!  30  Schritte  herangegangen  war,  ohne  daß  das  Tier  ihn  angenommen 
hätte. 

Weiter  marschierte  man  über  das  Leikipiaplateaa  nach  dem  Baringo- 
Sec,  wo  sich  noch  die  fast  ausgestorbenen  Kadn  finden,  nach  dem  Hannington- 
Sec  mit  seinen  nnzähligcn  Flamingos,  dem  Solei-See  mit  dem  vielen  Wasser- 
geflügel und  Moskitos.  In  Ravine,  einer  englischen  Station,  wurde  eine 
Ruhepause  gemacht,  um  weiter  nach  dem  Guaso  Ngisho  zu  ziehen.  Unterwegs 
führte  ein  Abstecher  noch  nach  dem  Elgeyo-Graben,  den  erst  einmal  Europäer 
betreten  hatten.  Hier  konnten  merkwürdigerweise  die  Eingeborenen  „jodeln", 
genau  wie  die  Tiroler. 

Die  außerordentlich  wildreichen  Gegenden  der  Guaso  Ngisho  boten  für 
den  Zoologen  viel  Interessantes.  In  unzähligen  Herden  fanden  sich  Giraffen, 
Wasserböcke,  Hartebeeste,   Zebra,  Tobi,  Riedböcke,   Grasantilopen  u.  a.  m. 

Der  Marsch  führte  am  Ostabhange  des  dichtbewaldeten  Mt-Elgon 
entlang.  Hier  trafen  die  Reisenden  sehr  viel  Elefanten;  es  gelang  einige 
Bilder  von  einzelnen  dieser  Tiere  im  Dickicht,  sowie  ganzer  Herden  auf  der 
Steppe  aufzunehmen.  Im  Bogen  wurde  der  gewaltige  Bergstock  des  Mt-£lgon 
umkreist,  bei  Jinja  der  Nil  überschritten,  und  dann  in  Entebbe  am  Victoria- 
See  einige  Tage  Rast  gemacht.  Hier  trafen  die  Reisenden  ihre  Vorbereitungen 
für  den  letzten  Teil  der  Expedition  nach  der  Lado-Enclave. 

Nach  9  Tagen  wurde  Butiaba  am  Albert-See  erreicht,  hier  eine  Dampf- 
pinasse bestiegen,  die  in  wenigen  Tagen  nach  dem  Orra  Sumpf  führte.  Hier  war 
man  nun  im  Lande  des  „weißen  Nashorns",  des  seltensten  jetzt  lebenden 
Tieres.  In  dieser  Lado  Enclave  herrschte  in  den  letzten  Jahren  die  tollste 
Anarchie.  Die  Wilddiebe  schössen  ganze  Elefantenherden  nieder,  ohne  daß 
die  Kongo-Regierung  etwas  dagegen  getan  hätte.  So  war  natürlich  auch 
das  riesige  „weiße"  oder  „Breitmaulnashorn'  sehr  bedroht,  und  da  bisher 
noch  kein  Exemplar  dieses  wertvollen  Tieres  in  Europa  vorhanden  war,  so 
war  naturgemäß  das  Sinnen  und  Trachten  der  Reisenden  auf  dieses  Tier 
gerichtet,  um  wenigstens  für  die  Wissenschaft  noch  ein  Exemplar  zu 
retten,  ehe  es  zu  spät  ist.  Redner  hatte  das  Glück  ein  derartiges  Tier  zu 
erlegen,  die  Haut  und  den  Schädel  zu  präparieren  und  nach  Deutschland  zu 
zu  bringen,  wo  er  dieses  seltene  Stück  dem  Berliner  Zoologischen  Museum 
zum  Geschenk  machte.  Dort  ist  es  jetzt  kürzlich  aufgestellt  worden.  Bisher 
fehlte  es  auch  an  Bildern  dieses  Tieres,  und  so  stellte  sich  Dr.  Berger  als 
letzte  Aufgabe  seiner  Reise,  dieses  Tier  auch  noch  lebend  zu  photographieren. 
Ganz  unerwartet  traf  er  plötzlich  auf  zwei  ruhende  Nashörner  und  konnte  auch 
diese  im  Bild  festhalten. 

Fast  die  sämtlichen  reichhaltigen  zoologischen  Sammlungen  der  wohl- 
gelungenen Expedition  hat  Dr.  Berger  dem  Berliner  Zoologischen  Museum 
überwiesen.  Gesundheitlich  hatte  die  Expedition  nie  zu  leiden,  obgleich  sie 
die  wegen  Malaria  und  Schlafkrankheit  gefährlichsten  Gegenden  durchziehen 
mußte. 

(Inzwischen  erschien  das  Werk  des  Herrn  Vortragenden:  In  Afrikas 
Wildkammem  als  Forscher  und  Jäger.    Berlin.    P.  Parey.     1910.) 


Geschäftliche  Mitteilungen. 


Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins 

in  den  Jahren  1908—09  nnd  1909—10. 

(Abgeschlossen  am  15.  August  1910.) 


Das  bedeutsamste  Ereignis  aus  den  abgelaufenen  Berichts- 
jahren 1908—10  bildet  die  Ausrüstung,  Entsendung  und  Durch- 
führung einer  wissenschaftlichen  Vereins-Expedition.  Seit  ge- 
raumer Zeit  hatte  sich  der  Vorstand  mit  dem  Gedanken  getragen, 
das  75  jährige  Vereins- Jubiläum,  das  im  Dezember  1911  in  be- 
sonders feierlicher  Weise  begangen  werden  soll,  durch  eine 
geographische  Tat  zu  verherrlichen  und  den  Mitgliedern  des 
Vereins  die  Ergebnisse  einer  im  Auftrage  und  auf  Kosten  des 
Vereins  zu  unternehmenden  Expedition  in  Gestalt  einer  Fest- 
schrift vorzulegen. 

In  diesem  Sinne  ernannte  der  Vorstand  in  seiner  Sitzung 
vom  15.  Oktober  1908  zunächst  eine  Kommission,  bestehend  aus 
den  Herren  Deckert,  Ebrard,  Hagen,  Stern  und  Traut  mit  der 
Aufgabe,  die  vorbereitenden  Schritte  in  die  Wege  zu  leiten,  und 
unterbreitete  sodann,  nachdem  die  Arbeiten  dieser  Kommission  die 
Billigung  des  Gesamtvorstandes  gefunden  hatten,  der  Mitglieder- 
versammlung vom  19.  Januar  1909  den  Vorschlag,  eine  wissen- 
schaftliche Expedition  in  den  malayischenArchipel  zwecks 
näherer  Erforschung  des.  einstigen  Zusammenhangs  der  beiden 
Erdteile  Asien  und  Australien  zu  entsenden,  der  in  einer  früheren 
Erdepoche  durch  eine  feste  Landbrücke  gebildet  wurde.  Die 
Trümmer  dieser  im  Laufe  der  Jahrtausende  eingesunkenen 
Brücke  bilden  heute  die  Inseln  des  malayischen  Archipels. 
Deren  UntersuchuDg  in  geographisch-geologischer  Hinsicht  durch 
die  Expedition  sollte  über  die  Art  und  Weise  und  die  Zeit  des 
einstigen  Zusammenhangs  und  womöglich  auch  des  Zusammen- 
bruchs Aufschluß  bringen.  Zugleich  sollte  aber  auch  die  au£er- 

7 


—    98    — 

ordentlich  wichtige  tiergeographische  Frage  über  den  Zusammen- 
hang und  die  Vermischung  der  einzigartigen  altertümlichen 
Tierwelt  Australiens  mit  der  heutigen  Tierwelt  Asiens  ihrer 
Lösung  nähergebracht  und  insbesondere  die  neuerdings  viel  be- 
strittene sog.  Wallace'sche  Grenzlinie  zwischen  indischer  und 
australischer  Fauna,  welche  zwischen  den  kleinen  Sunda-Inseln 
Bali,  Lombok  und  nach  Norden  gehend  die  großen  Sunda-Inseh 
Borneo  und  Celebes  voneinander  trennt,  auf  ihre  Richtigkeit 
geprüft  werden. 

Zum  Leiter  dieser  Expedition  wurde  Herr  Dr.  Johannes 
Elbert  aus  Münster  i.  W.  ausersehen,  ein  Forscher,  der  vor 
einigen  Jahreu  bereits  eine  Reise  nach  den  Sunda-Inseln  als 
Geologe  und  Geograph  mit  Erfolg  durchgeführt  hatte. 

Mit  lebhafter  Befriedigung  stimmte  die  Mitgliederversamm- 
lung den  Vorschlägen  des  Vorstandes  sowohl  was  Zweck,  Ziele 
und  Leiter  der  Expedition  anlangte,  als  auch  bezüglich  des 
sorgfältig  aufgestellten  Finanzierungsplanes  einstimmig  zu. 

Auf  Grund  dieser  Beschlüsse  schloß  der  Vorstand  mit 
Herrn  Dr.  Elbert  einen  Vertrag  ab,  der  die  sämtlichen  in  Betracht 
kommenden  Fragen  im  einzelnen  regelte,  und  am  11.  März  1909 
trat  Herr  Dr.  Elbert  begleitet  von  seiner  jungen  Gattin  seine 
Ausreise  an. 

Schon  in  der  ordentlichen  Mitgliederversammlung  des  vorigen 
Jahres  vom  20.  Oktober  1909  war  der  Vorstand  in  der  Lage, 
über  unsere  Expedition  hocherfreuliche  Mitteilungen  machen  zu 
können.  Nachdem  ihr  dank  der  bereitwilligst  gewährten 
Empfehlungen  der  Deutschen  Reichsregierung  und  der  Egl. 
Niederländischen  Staatsregierung  in  ihrem  Arbeitsgebiete  seitens 
Seiner  Exzellenz  des  Herrn  Generalgouverneurs  von  Nieder- 
ländisch-Indien  die  liebenswürdigste  Aufnahme  und  die  weitest- 
gehende Förderung  durch  Gewährung  von  Präparatoren, 
Gouvernementsdampfern  und  militärischem  Schutz  zuteil  ge- 
worden war,  hatte  sie  im  Laufe  des  Sommers  1909  ihre  erste 
schwierige  Aufgabe,  die  Besteigung  und  Untersuchung  des  nach 
den  Messungen  Dr.  Elberts  3605  m  hohen,  noch  von  keinem 
wissenschaftlichen  Reisenden  bestiegenen  Vulkans  Rindjani  auf 
Lombok,  sowie  die  genaue  Erforschung  dieser  Insel  durchgeführt. 
Ferner  waren  die  bisher  noch  so  gut  wie  unerforschten  südlich 
von  Celebes  liegenden  kleinen  Inseln  Muna,  Boeton  und  Kabaäna, 


—    99     - 

sowie  die  Takangbessi-Inseln  (letztere  nur  flüchtig)  untersucht 
und  mehrfach  durchquert  worden. 

Da  sich  für  Dr.  Elbert  aus  der  Erforschung  dieser  Inseln 
die  Notwendigkeit  einer  Untersuchung  des  noch  gänzlich  unbe- 
kannten Südostzipfels  von  Celebes  ergab,  trug  er  kein  Bedenken, 
diese  Erweiterung  des  ursprünglichen  Arbeitsprogramms  trotz 
der  erheblichen  Mehrkosten  im  Hinblick  auf  die  zu  erhoffenden 
wissenschaftlichen  Ergebnisse  zu  unternehmen,  umsomehr  als  er 
dadurch  zugleich  einem  Wunsche  der  niederländischen  Regierung 
entsprach.  Unter  dem  Schutze  militärischer  Bedeckung  wurden 
auf  sehr  beschwerlichen  Märschen  die  Landschaften  Rumbia, 
Membulu  und  Mengkoka  mit  großem  Erfolge  durchquert  und 
diese  Gebiete,  welche  von  Wissenschaftlern  überhaupt  noch  nicht 
(Mengkoka  nur  von  den  Vettern  Sarasin)  besucht  worden  waren, 
bei  dieser  Gelegenheit  endgiltig  der  holländischen  Regierung 
unterworfen. 

Nach  Beendigung  der  Celebes-Expedition  wurde  die  Unter- 
suchung Sumbawas  in  Angriff  genommen,  wo  die  Expedition  in 
2Vs  Monaten  einen  Weg  von  650  km  zurücklegte  und  das  Land 
nach  allen  Richtungen  hin  durchquerte. 

Da  das  allgemeine  Ergebnis  der  bisherigen  geologischen 
Untersuchungen  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  auf  einen  ehe- 
maligen Zusammenhang  von  Südost-Celebes  sowohl  mit  der  Insel 
Wetar  bezw.  dem  Timor- Archipel  und  Australien,  wie  auch  auf 
eine  zweite  Landbrücke  über  Bima  auf  Sumbawa  mit  den  kleinen 
Sunda-Inseln  hinwies,  so  wurde  dem  Antrage  Dr.  Elberts  statt- 
gegeben, zur  Gewinnung  eines  vollständigen  und  abgeschlossenen 
geographisch-geologischen  Bildes  das  Arbeitsfeld  auch  noch  auf 
die  Inseln  Flores  und  Wetar  auszudehnen,  trotz  der  z.  Zt.  auf 
Flores  herrschenden  kriegerischen  Verwicklungen  und  der  feind- 
seligen Haltung  der  wilden,  noch  dem  Kannibalismus  huldigenden 
Bewohner  von  Wetar.  Freilich  erhöhte  auch  dieser  Beschluß 
die  Expeditionskosten  wieder  sehr  erheblich.  Auch  diese  beiden 
ohne  jeden  militärischen  Schutz  ausgeführten  Expeditionen,  sowie 
ein  kurzer  Besuch  auf  Portugiesisch-Tiraor  bestätigten  vollauf 
die  auf  Grund  der  bisherigen  Ergebnisse  gehegten  Vermutungen. 
Die  Insel  Flores  wurde  zweimal  von  Endeh  aus  durchkreuzt, 
eine  vollständige  Durchquerung  der  Insel  Wetar  aber,  auf  der 
die  Expedition  bis  an  den  unbekannten  Tihu-See  vordrang,  er- 

7* 


—    100    — 

wies  sich  infolge  der  offenen  Feindseligkeit  der  Eingeborenen, 
welche  die  Expedition  Hals  über  Kopf  znr  Umkehr  zwang,  als 
unmöglich.  Von  Iliwacki,  dem  Hauptort  an  der  Südküste  Wetars, 
traten  Dr.  Elbert  und  seine  tapfere  Gattin,  die  mit  bewunderungs- 
würdiger Kühnheit  und  Ausdauer  die  Expedition  auf  allen  ihren 
Zügen  begleitet  und  ihr  die  wesentlichsten  Dienste  geleistet 
hatte,  die  Heimreise  an  und  trafen  nach  14  monatlicher  Ab- 
wesenheit am  18.  Mai  wohlbehalten  wieder  in  Frankfurt  ein. 
Die  ganze  Expedition  machte  als  Assistent  Dr.  Elberts  Herr  Gurt 
Gründler  mit,  den  ersterer  auf  Bali  als  solchen  engagiert  hatte. 

Es  erübrigt  sich,  an  dieser  Stelle  ausführlicher  auf  den 
Verlauf  und  die  bisher  veröffentlichten  wissenschaftlichen  Er- 
gebnisse der  Expedition  einzugehen ;  wir  verweisen  auf  die  von 
dem  derzeitigen  Vereinsvorsitzenden  veröffentlichten  schriftlichen 
Berichte  Dr.  Elberts  in  Petermanns  Mitteilungen,  56.  Bd.,  No.  VI, 
sowie  im  ersten  Morgenblatt  No.  173  vom  25.  Juni  1910  der 
Frankfurter  Zeitung. 

Unsere  Expedition  ist  also  glücklich  und  erfolgreich  und, 
was  bei  der  Feindseligkeit  der  Eingeborenen  besonders  wichtig 
ist,  ohne  Verlust  von  Menschenleben  und  ohne  jeden  Unfall  zu 
Ende  geführt,  das  wissenschaftliche  Ergebnis  —  das  läßt  sich 
jetzt  schon  beurteilen  —  ist  hervorragend  und  die  umfangreichen 
Sammlungen,  deren  Sichtung  und  Bearbeitung  bereits  begonnen 
hat,  bedeuten  eine  wesentliche  Bereicherung  der  in  Betracht 
kommenden  wissenschaftlichen  Institute  unserer  Stadt,  für  deren 
Sammlungen  sie  bestimmt  sind. 

Freilich  haben  die  gewonnenen  Forschungsergebnisse, 
welche  im  Verlaufe  der  Expedition  eine  zweimalige  erhebliche 
Erweiterung  des  ursprünglichen  Programms  bedingten,  sehr  be- 
deutende Mehrkosten  verursacht.  Der  Vorstand  glaubte  aber 
bei  der  Wichtigkeit  der  sich  eröffnenden  wissenschaftlichen 
Probleme  auf  halbem  Wege  nicht  stehen  bleiben  zu  dürfen,  in 
der  sicheren  Hoffnung,  daß  das  Interesse  unserer  Mitglieder  an 
unserer  Expedition  auch  ferner  nicht  erlahmen  wird,  daß  die 
freiwilligen  Beiträge,  welche  im  Verlaufe  des  letzten  Jahres 
bereits  eine  stattliche  Höhe  erreicht  haben,  uns  auch  weiterhin 
zufließen  und  wir  dadurch  in  den  Stand  gesetzt  werden,  das 
reiche  und  vielseitige  Material  zu  einer  würdigen  Festschrift 
verarbeiten  zu  lassen.  — 


—    101    — 

Im  Vereinsvorstande  nnd  in  der  Ämterverteilnng 
innerhalb  desselben  trat  in  den  beiden  abgelaufenen  Geschäfts- 
jahren insofern  eine  Veränderung  ein,  als  der  bisherige  stellver- 
tretende Vorsitzende  Herr  Hof  rat  Dr.  Hagen  das  Amt  des  Vor- 
sitzenden übernahm  und  Herr  Geh.  Justizrat  Dr.  von  Harnier  auf 
seinen  eigenen  Wunsch  dasjenige  des  Vorsitzenden  mit  dem  des 
stellvertretenden  Vorsitzenden  vertauschte ;  Herr  Amtsgerichtsrat 
Dr.  Fritsch  wurde  zum  ersten  Schriftführer  gewählt;  die 
übrigen  Vereinsämter  blieben  bei  ihren  seitherigen  Trägern. 

In  den  beiden  Wintern  1908/09  und  1909/10  wurden 
35  Vorträge  gehalten,  deren  erster  am  28.  Oktober  1908  und 
deren  letzter  am  9.  März  1910  stattfand.  Sind  wir  auch  sämt- 
lichen Rednern  für  ihre  Ausführungen  zu  lebhaftem  Danke  ver- 
pflichtet und  hatten  sich  alle  Vorträge  zahlreichen  Besuches  zu 
erfreuen,  so  gilt  das  doch  vor  allem  von  drei  Abenden,  die  an 
dieser  Stelle  besondere  Hervorhebung  verdienen  und  auf  deren 
Verlauf  der  Verein  stolz  sein  darf. 

Am  15.  März  1909  hatten  wir  die  Ehre,  Seine  Hoheit 
Adolf  Friedrich  Herzog  zu  Mecklenburg,  welcher  über  die 
von  ihm  geleitete  Deutsche  wissenschaftliche  Zentral-Af rika - 
Expedition  1907/1908  berichtete,  bei  uns  begrüßen  zu  dürfen. 
Entsprechend  der  Bedeutung  des  Vortrags  hatten  wir  zu  diesem 
Festvortrage,  der  von  uns  gemeinsam  mit  der  Deutschen  Kolonial- 
gesellschaft, Abteilung  Frankfurt  a.  M.,  veranstaltet  wurde,  wobei 
unserem  Verein  die  Rolle  des  einladenden,  gastgebenden  Vereins 
zufiel,  an  die  Spitzen  der  staatlichen  und  städtischen  Behörden, 
sowie  an  die  Vorstände  der  uns  nahestehenden  und  befreundeten 
Korporationen  Einladungen  ergehen  lassen,  welchen  allseitig  Folge 
geleistet  wurde.  Auch  Seine  Hoheit  Prinz  Friedrich 
KarlvonHessen  und  der  Herr  Oberpräsident  unserer  Provinz, 
Exzellenz  Hengstenberg,  wohnten  dem  Vortrage  bei. 

Zu  Beginn  der  Festsitzung,  die  im  großen  Saale  des  Kauf- 
männischen Vereins  stattfand  und  von  etwa  2000  Personen  be- 
sucht war,  begrüßte  der  Vorsitzende,  Herr  Hofrat  Dr.  H  a  g  e  n , 
den  erlauchten  Gast^  indem  er  der  Freude  Ausdruck  gab,  daß 
es  auch  unserem  Verein  vergönnt  sei,  aus  dem  Munde  Seiner 
Hoheit  selbt  den  Bericht  über  die  Deutsche  wissenschaftliche 
Zentral-Afrika-Expedition  zu  hören,  deren  großartige  Resultate 
sie  über  ein  deutsch-koloniales  Unternehmen  hinaus  zu  einer 


—    102    — 

wissenschaftlichen  Tat  von  allgemeiner  internationalen  Bedeutung 
erhoben  hätten,  auf  die  das  Vaterland  stolz  sein  dürfe.  In  An- 
erkennung dieser  wissenschaftlichen  Bedeutung  überreichte  der 
Vorsitzende  sodann  Seiner  Hoheit  die  höchste  Auszeichnung  des 
Vereins,  die  Rüppell-Medaille  in  Gold,  womit  die  Ehrenmit- 
gliedschaft unseres  Vereins  verbunden  ist.  Mit  Worten  warmen 
Dankes  nahm  der  Gefeierte  die  Auszeichnung  an,  indem  er  be- 
sonders darauf  hinwies,  daß  er  diese  Ehrung,  wie  die  ihm  von 
anderen  Gesellschaften  bereits  zuteil  gewordenen  Auszeich- 
nungen, als  das  Haupt  der  Expedition  im  Namen  der  Mitglieder 
annehme,  in  der  Voraussetzung,  daß  diese  Ehrung  eine  Anerkennung 
der  wissenschaftlichen  Arbeiten  bedeuten  solle,  welche  seine 
Begleiter  unter  seiner  Führung  hatten  leisten  können. 

Nach  dem  Vortrage,  der  in  großen  Zügen  einen  Überblick 
über  die  Ergebnisse  der  Expedition  gab  und  durch  zahlreiche 
wundervolle  Lichtbilder  und  kinematographische  Vorführungen 
erläutert  wurde,  versammelten  sich  etwa  120  Teilnehmer  zu  einem 
gemeinsamen  Festmahle  im  Frankfurter  Hof,  bei  dem  Herr 
Dr.  Hagen  Seiner  Hoheit  nochmals  den  Dank  des  Vereins  zum 
Ausdruck  brachte.  Der  Redner  führte  aus,  daß  die  Deutsche 
Zentral- Afrika-Expedition  zu  den  bedeutendsten  Forschungsreisen 
auf  afrikanischem  Boden  gehöre  und  so  reiche  wissenschaftliche 
Ausbeute  mit  heimgebracht  habe,  daß  diese  zurzeit  in  Berlin  eine 
ganze  Ausstellung  fülle.  Mit  ihrer  Bearbeitung  würden  zahlreiche 
Spezialgelehrte  Jahre  lang  zu  tun  haben  und  die  Ergebnisse  ihrer 
Forschung  ein  viele  Bände  umfassendes  Prachtwerk  bilden.  Herbei- 
geführt sei  dieser  große  Erfolg  durch  die  kluge,  zielbewußte  und 
umsichtige  Leitung  Seiner  Hoheit,  der  es  verstanden  habe,  jedem 
seiner  wissenschaftlichen  Begleiter  den  richtigen  Platz  anzu- 
weisen, ihn  im  geeigneten  Augenblick  in  voller  Aktionsfreiheit 
seine  eigenen  Wege  wandeln  zu  lassen  und  zur  richtigen  Zeit 
zu  gemeinsamer  Arbeit  wieder  an  sich  zu  ziehen.  Besonderer 
Dank  aber  gebühre  Seiner  Hoheit,  daß  er  es  als  eine  Ehren- 
pflicht betrachte,  dem  deutschen  Volke  in  Bild  und  Wort  die 
Ergebnisse  dieser  großen,  wissenschaftlichen  Expedition,  zu  der 
auch  einige  Frankfurter  Förderer  ihr  Scherflein  beigetragen 
hätten,  selbst  vorzuführen,  und  daß  er  auf  unsere  Bitte  trotz 
der  Ungunst  der  Zeit  und  der  Verhältnisse  auch  nach  Frankfurt 
gekommen  sei. 


-     108    — 

Der  zweite  Abend  des  vorigen  Vereinsjahres,  der  weit  über 
den  gewöhnlichen  Rahmen  unserer  Vortragsabende  hinausragte, 
galt  Sven  v.  Hedin.  Am  29.  März  1909  hatten  wir  die  Freude, 
unseren  hochgeehrten  Freund  zu  einem  Berichte  ttber  seine 
neueste  große  Forschungsreise  in  Tibet  1906 — 1908  bei  uns 
begrüßen  zu  dürfen.  Auch  dieser  Vortrag,  der  ebenfalls  im 
großen  Saale  des  Kaufmännischen  Vereins  stattfand,  trug  das 
Gepräge  einer  Festveranstaltung,  die  sich  in  ihrem  Verlauf  zu 
einer  Huldigung  für  den  kühnen  Forscher  gestaltete.  Auch  ihm 
widmete  Herr  Dr.  Hagen  herzliche  Begrüßungsworte.  An  den 
Festvortrag,  der  das  zahlreiche,  den  großen  Saal  bis  auf  den 
letzten  Platz  füllende  Publikum  zu  begeisterten  Beifallsäußerungen 
hinriß,  schloß  sich  ein  gemeinsames  Festmahl  im  Frankfurter 
Hof  an,  das  einen  überaus  stimmungsvollen  Verlauf  nahm,  und 
bei  dem  unser  Ehrenmitglied  Herr  Geheimrat  Dr.  Ebrard  in 
begeisterten  Worten  die  hervorragenden  Forschereigenschaften 
Hedins  als  eines  echten  Schülers  Richthofens  feierte  und  warme 
Worte  für  seine  persönlichen  Vorzüge  fand,  die  dem  Forscher 
allseitige  Sympathien  eingetragen  hätten.  In  bewegten  Worten 
dankte  der  Begrüßte  für  den  großartigen  Empfang  in  Frankfurt 
und  die  gastliche  Aufnahme,  die  er  bei  uns  gefunden.  So  oft 
er  hierher  komme,  habe  er  das  Gefühl,  unter  alten  guten 
Freunden  zu  weilen.  Auch  andere  Reden  legten  an  diesem 
Abend  Zeugnis  ab  für  das  herzliche  Verhältnis,  das  zwischen 
Hedin  und  der  Frankfurter  Geographischen  Gesellschaft  besteht. 

Einen  ebenso  würdigen  Verlauf  nahm  endlich  auch  die 
Festveranstaltung  zu  Ehren  des  Leiters  der  Englischen  Sttdpolar- 
Expedition  Sir  Ernest  H.  Shackleton,  der  am  20.  Januar  1910 
einer  Einladung  des  Vorstandes  zu  einem  Vortrage  in  unserer 
Gesellschaft  gefolgt  war.  Wiederum  versammelte  sich  ein  äußerst 
zahlreiches  Vereinspublikum  in  demselben  Saale  zu  diesem  Vortrage, 
dem  auch  Ihre  Kgl.  Hoheiten  Kronprinz  und  Kronprin- 
zessin von  Griechenland  und  Landgraf  von  Hessen  bei- 
wohnten. Der  Festsitzung,  welche  mit  Rücksicht  auf  einen  öffent- 
lichen Vortrag  SirErnests  an  demselben  Abend  bereits  nachmittags 
4  Uhr  stattfand,  war  ein  gemeinsames  Frühstück  im  Frankfurter 
Hof  voraufgegangen,  bei  welchem  Herr  Generalsekretär  Dr.  Traut 
den  kühnen  Forscher  herzlich  willkommen  hieß.  In  seiner  Be- 
grüßungsansprache faßte  er  die  wesentlichen  Züge  und  Resultate 


—     104    — 

der  Expedition  zusammen  und  hob  besonders  die  uneingeschränkte 
Anerkennung  hervor,  welche  Shackleton  und  seine  kühnen  Be- 
gleiter auch  seitens  aller  Fachgenossen  gefunden  hätten.  Sir 
Ernest  dankte  hierauf  in  humorvollen  Worten.  Vor  Beginn  der 
Festsitzung  widmete  sodann  auch  der  Vorsitzende  Herr  Hofrat 
Dr.  Hagen  dem  berühmten  Gast  warme  Begrüßungsworte.  Auch 
er  wies  hin  auf  die  großen  Resultate  dieser  denkwürdigen  Ex- 
pedition und  zollte,  nachdem  er  die  Möglichkeiten  angedeutet, 
welche  sich  für  die  Wissenschaft  aus  Shackletons  Entdeckungen 
ergeben,  den  persönlichen  Eigenschaften  des  Forschers  und 
seiner  selbstlosen  opferwilligen  Gattin  reiches  Lob.  Darauf 
überreichte  er,  in  englischer  Sprache  fortfahrend,  dem  Gefeierten 
die  Rüppell-Medaille  in  Gold  und  das  damit  verbundene 
Diplom  der  Ehrenmitgliedschaft  des  Vereins.  Unter  allgemeinem 
Beifall  nahm  Sir  Ernest  Medaille  und  Urkunde  entgegen  und  begann 
nach  einigen  Dankesworten,  daß  es  ihm  gestattet  sei,  sich  der 
englischen  Sprache  bedienen  zu  dürfen,  seinen  Vortrag,  der,  von 
Lichtbildern  und  kinematographischen  Vorführungen  wirkungsvoll 
unterstützt,  das  Publikum  am  Schlüsse  zu  begeisterten  Huldi- 
gungen hinriß. 

Die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder,  die  bei  Abschluß 
des  letzten  Jahresberichts  651  betragen  hatte,  verminderte  sich 
durch  Tod  und  Austritt  um  169,  dafür  traten  158  neue  Mit- 
glieder ein,  sodaß  sie  sich  gegenwärtig  auf  640  beläuft.  Korre- 
spondierende Mitglieder  zählt  der  Verein  wie  im  Vorjahre  11, 
Ehrenmitglieder  43  (gegen  45),  sodaß  die  Gesamtzahl  aller  seiner 
Mitglieder  694  (gegen  707)  beträgt. 

Durch  den  Tod  verlor  der  Verein  die  Ehrenmitglieder  Geh. 
Regierungsrat  Dr.  Wilhelm  Reiß,  den  früheren  Vorsitzenden  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin,  gestorben  am  29.  September 
1908  unweit  Schloß  Könitz  (Thüringen),  den  Kaiserlichen  Vize- 
admiral a.  D.  Exzellenz  Reinhold  von  Werner,  gestorben  am 
26.  Februar  1909  zu  Charlottenburg,  und  den  Kaiserlichen 
Wirklichen  Geheimen  Rat,  Professor  und  Direktor  der  Deutschen 
See  warte  a.  D.  Exzellenz  Dr.  Georg  von  Neumayer,  gestorben 
am  24.  Mai  1909  in  Neustadt  a.  d.  Haardt.  Den  Hinterbliebenen 
sprachen  wir  unsere  herzliche  Teilnahme  aus. 

Im  Kreise  seiner  ordentlichen  Mitglieder  hatte  der  Verein 
insbesondere  den  Verlust  des  Direktors  des  Dr.  Senckenbergischen 


—     105    — 

Naturhistorischen  Museums  Professor  Dr.  Fritz  Römer  zu  be- 
klagen, der  am  20.  März  1909  einem  typhösen  Fieber  erlag.  Obgleich 
erst  seit  1906  Mitglied  unseres  Vereins,  verfolgte  er  unsere  Be- 
strebungen mit  regstem  Interesse  und  durch  seine  Bereitwilligkeit, 
am  24.  Februar  1909  für  einen  verhinderten  Redner  mit  einem 
vortrefflichen  Vortrage  über  die  Tiefsee  einzuspringen,  obgleich  er 
bereits  unter  schwerer  körperlicher  Indisposition  litt,  hat  er 
uns  zu  herzlichem  Danke  verpflichtet.  An  seiner  Bahre  legte 
der  Vorstand  mit  warmen  Dankesworten  eine  Kranzspende  nieder. 

Unsere  Teilnahme  bewiesen  wir  ferner  dem  Wttrttem- 
bergischen  Verein  für  Handelsgeographie  anläßlich  des  am 
20.  Januar  1910  in  Stuttgart  erfolgten  Hinscheidens  seines  ver- 
dienstvollen Leiters,  Seiner  Exzellenz  Dr.  Graf  Karl  von  Linden, 
mit  dem  wir  seit  vielen  Jahren  freundschaftliche  Beziehungen 
unterhalten  hatten. 

Allen  Dahingeschiedenen  bewahren  wir  ein  dankbares  und 
ehrendes  Andenken! 

Den  Ehrenmitgliedern  des  Vereins,  Herrn  Geh.  Regierungs- 
rat Dr.  Julius  Euting  in  Straßburg,  der  am  11.  Juli  1909.  dem 
Herrn  Professor  Dr.  Wilhelm  Kobelt  in  Schwanheim,  der  am 
20.  Februar  1910,  Herrn  Geh.  Regierungsrat  Professor  Dr.  Her- 
mann Wagner  in  Göttingen,  der  am  23.  Juni  1910  und  Herrn 
Professor  Dr.  Pechuel-Loes che  in  Erlangen,  der  am  26.  Juli 
1910  den  70.  Geburtstag  feierte,  sandte  der  Verein  die  herzlich- 
sten Glückwünsche,  ebenso  Herrn  Geh.  Konsistorialrat  Professor 
Dr.  Ebrard  zu  seinem  60.  Geburtstag  am  26.  Juni  1910. 

Der  Verein  nahm,  wie  in  diesem  Bericht  noch  nachträglich 
bemerkt  werden  soll,  auf  Einladung  der  Frankfurter  Gesellschaft 
für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  teil  an  der  Er- 
öffnungssitzung der  XXXIX.  Allgemeinen  Versammlung  der 
Deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft  am  3.  August  1908, 
wobei  Herr  Professor  Dr.  Edinger,  der  Präsident  des  Ärztlichen 
Vereins,  die  Versammlung  als  Vertreter  der  hiesigen  wissen- 
schaftlichen Vereine  auch  in  unserem  Namen  begrüßte.  Seitens 
des  Magistrats  erging  an  den  Verein  eine  Einladung  zur  Neu- 
eröffnung des  Städtischen  Völkermuseums  auf  den  22.  Oktober 
1908,  bei  welcher  Herr  Sanitätsrat  Dr.  R  ö  d  i  g  e  r ,  der  Delegierte 
der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung,  als  der  ältesten  der  ein- 
geladenen Korporationen,  die  Glückwünsche  auch  unseres  Vereins 


—    106    — 

überbrachte.  Mit  Freuden  beteiligten  wir  uns  auch  an  der  Er- 
innernngsfeier  aus  Anlaß  des  100  jährigen  Geburtstags  von 
Geheimrat  Dr.  Georg  Varrentrapp  am  20.  März  1909,  zu  der 
die  Anregung  aus  dem  Kreise  derjenigen  Vereine,  denen  Varren- 
trapp als  Mitstifter  oder  langjähriges  Vorstandsmitglied  angehört 
hatte,  hervorgegangen  war.  Sie  galt  einem  Manne,  der  sich 
um  unseren  Verein  unvergängliche  Verdienste  erworben  hat  und 
Jahrzehnte  lang  sein  erfolgreicher  Leiter  gewesen  ist.  Bei 
dieser  Feier  sprach  Herr  Stadtarzt  Sanitätsrat  Dr.  K  o  e  n  i  g  über 
Varrentrapp  als  Arzt  und  Hygieniker,  während  Herr  Stadtrat 
Professor  Dr.  Stein  ihn  als  Sozialpolitiker  würdigte.  Schließlich 
folgten  wir  noch  einer  Einladung  des  Ärztlichen  Vereins  zur 
akademischen  Feier  zum  Gedächtnis  des  hundertsten  Geburts- 
tags von  Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Heinrich  Hoffmann  (geboren 
13.  Juni  1809),  sowie  am  7.  November  1909  zur  Feier  des 
50jährigen  Bestehens  des  Freien  Deutschen  Hochstifts.  Ebenso 
war  unser  Verein  vertreten  am  16.  Juui  1910  bei  dem  Festakt 
aus  Anlaß  des  50jährigen  Jubiläums,  das  Herr  Major  a.  D. 
Professor  Dr.  hon.  c.  Lucas  von  Heyden  als  arbeitendes  Mit- 
glied der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft 
feierte. 

Auf  dem  XVII.  Deutschen  Geographentag,  der  in 
der  Pfingstwoche  1909  in  Lübeck  stattfand,  war  der  Verein 
durch  seinen  Generalsekretär  Herrn  Dr.  Traut  vertreten. 

Zum  Versand  an  die  mit  uns  in  regelmäßigem  Tauschver- 
kehr stehenden  Behörden  und  Gesellschaften  gelangten  im  ver- 
flossenen Geschäftsjahre :  Statistische  Jahresübersichten  der  Stadt 
Frankfurt  a.  M.,  Ausgabe  für  1907/08  und  1908/09  (2.  und  3.  Er- 
gänzungsheft zum  Statistischen  Handbuch  der  Stadt  Frankfurt  a.  M., 
erste  Ausgabe),  sowie  Beiträge  zur  Statistik  der  Stadt  Frank- 
furt a.  M.,  Neue  Folge,  6.  Heft.  Die  Versendung  dieser  Ver- 
öffentlichungen erfolgte  durch  die  in  Leipzig  1909  ins  Leben 
gerufene  „Gesellschaft  für  Schriftenaustausch **,  der  wir  bei- 
getreten sind,  um  durch  den  Anschluß  an  diese  Gesellschaft 
eine  Vereinfachung  der  Versendungsarbeiten  und  dadurch  eine 
erhebliche  Verminderung  der  stetig  steigenden  Portoausgaben 
herbeizuführen. 

Auch  in  den  abgelaufenen  Vereinsjahren  hatten  wir  uns  wieder 
des  Besuches  des  Marburger  Geographischen  Seminars 


—    107    — 

unter  Leitung  von  Geheimrat  Professor  Dr.  Theobald  Fischer 
zu  erfreuen.  Nach  dem  Besuch  der  Herren  im  Städtischen 
Völkermuseum  und  im  Senckenbergischen  Museum  wurde  der 
Abend  dem  Vortrage  von  Herrn  Dr.  Albert  T  a  f  e  1-Stuttgart  Ober 
seine  Reise  in  Osttibet  in  unserem  Verein  gewidmet. 

Neuer  Tauschverkehr  wurde  angebahnt  mit  der  Soci6t6  de 
g^ographie  commerciale  de  Paris  (Section  tunisienne)  in  Tunis. 
Die  Gesamtzahl  der  Tausch  Verbindungen  beträgt  zurzeit  245 
(gegen  244).*) 


^)  Das  Verzeichnis  der  Behörden,  Gesellschaften  und  Redaktionen,  mit 
welchen  der  Verein  in  regelmäßigem  Schriftenanstansch  steht,  gelangt  im 
nächsten  Jahresbericht  wieder  zur  Veröffentlichung. 


Yorstand  nnd  Ämtenrerteilnng. 

(Nach  dem  Stand  vom  1.  September  1910.) 


Yorstand. 


Vorsitzender : 

Dr.  Bernhard   Hagen,    Hofrat    und    Leiter    des   Städtischen 
Völkermuseums. 

Stellvertretender  Vorsüeender : 
Dr.  Adolf  von  Harnier,  Geh.  Justizrat  und  Rechtsanwalt. 

Genercdsekretär : 
Dr.  Hermann  Traut,  Bibliothekar  an  der  Stadtbibliothek. 

Erster  Schriftführer: 
Dr.  Alfred  Fritsch,  Amtsgerichtsrat. 

Zweiter  Schriftführer: 
Rudolf  Stern,  Privatier. 

K<issenführer : 
August  Rasor,  Kaufmann. 

Beisitzer : 

Dr.  Heinrich  Bleicher,  Professor  und  Stadtrat. 

Dr.  Emil  D  e  c  k  e  r  t ,  Professor  an  der  Akademie  für  Sozial-  und 

Handels  Wissenschaften. 
Dr.  Theodor  Demmer,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt. 
Eugen  Grumbach-Mallebrein,  Privatier. 
Friedrich  Wilhelm  Lejeune,  Kaufmann. 
Wilhelm  R ohmer,  Privatier. 


Tertreter  des  Vereins  In  der  gemeinsamen  KommlulOM  Ar 
die  Dr.  Seaekenberglgehe  Bibliothek : 

Dr.  Friedrieb  ClemeDs  Ebrard,  Geh.  Eonsistorialrat,  Professor 
and  Direktor  der  Stadtbibliothek. 


RerlBoren. 

Albert  Flersheim,  EaufDiann. 
Philipp  Heinz,  Eanfmann.  (f) 
Georg  TS  Icke  r,  Bachb&ndler.  (f) 


Mitglieder-Yerzeichnis. 

(Nach  dem  Stand  vom  l.  September  1910.) 


I.    Ordentliche  Mitglieder. 

Emilie  Abresch,  Rentnerin.    1906. 

Frau  Aona  Achenbach  geb.  Wirth,  Priyatiere.    1908. 

Dr.  FraDz  A  dick  es,  Oberbürgenneister  und  Mitglied  des  Herrenhaiues.  1891. 

Anton  Ahrens,  Bankbeamter.    1906. 

August  Albert,  Architekt.    1897. 

Alezander  Friedrieb  Landgraf  von  Hessen,  Egl.  Hoheit.    1910. 

Heinrich  Alten,  Privatier.     1903. 

Ferdinand  Andreae,  Kaufmann.     1903. 

Philipp  Andreae,  Kaufmann.    1907. 

Alhard  Andreae -von  Grnnelius,  Kaufmann.    1893. 

Frau  Elise  Andreae-Lemm6,  Privatiere.    1894.    (f) 

Victor  Andreae-Majer,  Bankier.    1904. 

Jean  Andreae-Passavant,  Qeh.  Kommerzienrat,  Präsident  der  Handels- 
kammer, Direktor  der  Filiale  der  Bank  für  Handel  und  Industrie 
und  Rumänischer  Generalkonsul.     1893. 

Richard  Andreae-Petsch,  Bankier.    1874. 

Gottfried  Andreas,  Kaufmann.    1906. 

Alexander  Askenasy,  Ingenieur.    1902. 

Erich  Aue,  Ober-Stadtassistent.    1909. 

Franz  Auffarth,  Verlagsbuchhändler.    1909. 

Julius  Aurnhammer,  Kaufmann.    1904. 

Anton  Bald  US,  Ingenieur.    1906. 

Paul  Ballhorn,  Intendantur-Bausekretär.     1909. 

Frau  Marie  Bansa  geb.  Winckler,  Privatiere.    1880. 

Joseph  Baer,  Stadtrat.    1897. 

Max  Baer,  Bankier  und  Generalkonsul  von  Schweden.    1903. 

Simon  Leopold  Baer,   Buchhändler.     1882. 

Dr.  Karl  Bardorff,  praktischer  Arzt.     1864. 

Kari  Th.  B  a  r  t  h  e  1 ,  Kaufmann.    1900. 

Karl  de  Bary,  Privatier.    1889. 

Heinrich  de  Bary- Jeanrenaud,  Bankier.    1888. 

Heinrich  de  Bary-Osterrieth,  Kaufmann.    1907. 


—    112    — 

Rudolf  Baaer,  Kaufmann.    1907. 
Friedrich  Bauer-Weber,  Ingenieur.    1910. 
Bobert  Bau  nach,  Fabrikant.    1907. 

Dr.  Beckmann,  Geh.  Regierangsrat  und  Landrat  in  Usingen.  1900. 
Fritz  Beckmann,  Kaufmann.    1909. 
Alfred  Behr,  Landwirt.     1910. 
Frau  Konsul  Carl  Behrends.    1906. 
Robert  Behrends,  Ingenieur.    1898. 

Eduard  Beit  von  Speyer,  Kommerzienrat  und  Bankier.    1903. 
Frau  Paula  Berend  geb.  Löwengard,  Doktorswitwe.    1908. 
Dr.  Alexander  Berg,  Rechtsanwalt.    1904. 
Paul  Oskar  Bethge,  Oberlehrer  an  der  Humboldtschule.    1906. 
Freifrau  Helene  von  Bethmannn,  geb.  Freün  von  Wendland.     1909. 
Qustav  Beyerbach,  Fabrikant  in  Hattersheim.    1887. 
Emil  Bieber,  Stadtbaumeister.    1908. 
Konrad  Bin  ding,  Stadtrat.     1903. 
Ludwig  Adolf  Blascheck,  Kaufmann.    1900. 
Dr.  Heinrich  Bleicher,  Professor  und  Stadtrat.    1890. 
Adolf  Blumenthal,  Kaufmann.    1910. 
Heinrich  Blttthe,  Kaufmann.     1908. 
Ferdinand  Bodesheim,  Kaufmann.    1906. 

Wilhelm  B  o  e  h  m ,  Geh.  Justizrat  und  Oberlandesgerichtsrat  a.  D.     1907.   (f) 
Wilhelm  B.  B  o  n  n ,  Bankier.    1886. 
Karl  Borgnis,  Bankier.     1901. 
Frl.  Friederike  Bourgignon,  Privatiere.    1900. 
Friedrich  Braun,  Opernsänger.    1908. 

Otto  Braunfels,  Geh.  Kommerzienrat,  Bankier  und  Spanischer  Konsul.  1904. 
Frl.  Clara  Bremme.    1908. 
Theodor  Bresgott,  Braumeister.    1909. 
Otto  Brockmann,  Landmesser.    1906. 
Dr.  Siegfried  Brodnitz.  praktischer  Arzt.     1909. 
Richard  Brück,  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1906. 
Dr.  Julius  B  u  r  g  h  0 1  d ,  Justizrat  und  Rechtsanwalt.    1899. 
Franz  Burkhard,  Architekt.     1909. 

Adolf  Freiherr  von  Büsing-d'Orville,  Rentner.     1892. 
Alfred  Cahn,  Bankprokurist.     1903. 
Heinrich  Cahn-Blumenthal,  Bankier.     1903. 

Hermann  von  Chappuis,  Generalleutnant  z.  D.,  Exzellenz.     1901.     (f) 
Carl  Clemm,  Privatier.     1906. 
Albert  CorniU,  Kaufmann.     1910. 

Charles  Correvon,  Pfarrer  d.  franz(3sisch-reformierten  Gemeinde.  1910. 
Fräulein  Lina  Creß.     1909. 

Hermann  C r e iit z e r ,  Inspektor  der  Providentia.     1903. 
August  Creuzberg,  Kaufmann.     1908. 
Theodor  Curti,  Direktor  der  Frankfurter  Zeitung.    1904. 
Dr.  FrancisJ.  Curtis,  Professor  an  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handels- 
wissenschaften.    1910. 


—     113    — 

Gottfried  Daube,  Kaufmann.    1893. 

Dr.  £nrt  Daube,  Geb.  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.    1889. 

Dr.  Emil  Deckert,  Professor  an  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handels- 
wissenschaften.   1906. 

Clemens  Delkeskamp,  Kaufmann.    1906. 

Dr.  Robert  D  e  1  o  s  e  a ,  praktischer  Arzt.    1877. 

Dr.  Theodor  D  e  m  m  e  r ,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1896. 

Oskar  von  Deuster,  Rentier.    1886. 

Hugo  Dicke,  Direktor.    1907. 

Carl  Dick  haut,  Kandidat  des  höheren  Lehramts.    1906. 

Richard  Diener,  Kaufmann.    1904. 

Friedrich  Dieterichs,  Apotheker.    1900. 

Heinrich  D  i  e  t  z ,  Stadtrat  a.  D.    1907. 

Hermann  Dietze,  Privatier.    1899. 

Frau  Elise  Dilger,  Privatiere.     1908. 

Karl  Philipp  Donner,  Kaufmann.    1871. 

William  W.  Drory,  Direktor  der  Frankfurter  Gasgesellschaft.     1874. 

August  Du  Bois,  Bankier.    1888. 

Dr.  Friedrich  Eben  au,   praktischer   Arzt  und   Chefarzt   der   chirurgischen 
Abteilung  des  Bürgerhospitals.    1893. 

Friedrich  Eckhard,  Privatier.     1902. 

Georg  Egly-Manskopf,  Kaufmann.    1903. 

Frau  Julie  Ehr  mann  geb.  Wertheim,  Privatiere.    1908. 

Hermann  von   Eichhorn,   General   der  Infanterie   und  Kommandierender 
General  des  XVIII.  Armeekorps,  Exzellenz.    1904. 

Fritz  Eisele,  Architekt  und  Maler.    1903. 

Leo  E Hinge r,  Kaufmann.    1893. 

Frau  Luise  Engelhard-Fay,  Privatiere.     1899. 

Frau  Bernhard  Engelhard-Hauck,  Privatiere.     1909. 

Jakob  Hermann  Epstein,  Kaufmann.    1879. 

Viktor  Erlanger,  Fabrikant.    1910. 

Georg  Ern6,  Bäckermeister.    1907. 

Frau  Josefine  Etienne  geb.  Willemer,  Privatiere.     1897. 

Carl  Euler,  Lehrer.    1908. 

Frau  Emma  Eyssen,  Privatiere.    1906. 

Remy  Eyssen,  Privatier.     1875.    (f) 

Frau  Alexandrine  Eyssen-Du  Bois,  Privatiere.    1885. 

Waldemar  v.  Fahl  and,  Hauptmann  und  Batteriechef  im  2.  Nassauischen 
Feldartillerie-Regiment  No.  63  Frankfurt.    1908. 

Moritz  Felbel,  Kaufmann.     1908. 

Dr.  Hans  Fester,  Rechtsanwalt.     1909. 

Fräulein  Johanna  Ficus,  Privatiere.     1910. 

Frau  Fides  Fiedler-Kalb,  Privatiere.    1903. 

Robert  Fl  au  aus,  Privatier  und  Stadtverordneter.    1895. 

Albert  Flersheim,  Kaufmann.    1878. 

Robert  Flersheim,  Kaufmann.    1871. 

Wilhelm  Flinsch,  Kommerzienrat.    1890. 

8 


—     114    — 

GobUt  Flörsheim,  Kaufmann.    1906. 

Freiherr  Theodor  ▼.  F 1  o  t  o  w ,  Kammerherr,  Hofchef  Sr.  Hoheit  des  Prinzen 
Friedrich  Karl  von  Hessen.    1909. 

S.Valentin  Franqne,  Kaufmann.    1907. 

Dr.  Alexander  Franz,  Oberlehrer  an  der  Liebig- Realschule  und  Priyatdozent 
an  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handelswissenschaften.     1910. 

WUhelm  Franz,  Privatier.     1908. 

Albert  Frech,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Philipp  Fresenius,  Apotheker.     1875. 

Dr.  Martin  Freund,  Professor  an  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handels- 
wissenschaften und  Direktor  des  chemischen  Instituts  des  Physi- 
kalischen Vereins.    1909. 

Dr.  Peter  Frey,  Zahnarzt.    1900. 

Richard  Friederici,  Landgerichtsrat.    1906. 

Heinrich  Friedmann,  Kaufmann.    1896. 

Dr.  Alfred  Fritsch,  Amtsgerichtsrat.    1893. 

Frau  Mathilde  Fritsch  geb.  Eyssen,  Sanitätsratswitwe.    1877. 

Dr.  Theodor  von  Fritzsche,  Fabrikbesitzer.     1874. 

Konrad  Fuchs,  Kaufmann.     1901. 

Franz  Fuchs-Siesmayer,  Kaufmann.    1906. 

Paul  Fulda,  Kaufmann.    1909. 

Karl  Ludwig  F  u  n  c  k ,  Kaufmann,  Mitglied  des  Hauses  der  Abgeordneten.  1896. 

Bruno  Gabler,  Landgerichtsdirektor.     1908. 

Adolf  Gans,  Kaufmann.    1897. 

Friedrich  Gans,  Fabrikbesitzer.     1888. 

Dr.  Leo  Ludwig  Gans,  Geh.  Kommerzienrat  und  Fabrikbesitzer.    1886. 

Charles  F.  Gardner,  Großbritannischer  Vizekonsul.    1910. 

Charles  Gemmer,  Privatier.    1904. 

Dr.  Eduard  G en  t seh ,  Professor  u.  Oberlehrer  am  Wöhler-Realgymnasium.  1903. 

Dr.  Carl  Ger  lach,  praktischer  Arzt.     1906. 

Moritz  Getz,  Privatier.    1899. 

Fritz  V.  Goldammer,  Hauptmann  a.  D.  und  Rittergutsbesitzer.     1908. 

Harry  Goldschmidt,  beeidigter  Wechselsensal.     1888. 

Maximilian  Freiherr   von  Goldschmidt-Rothschild,  Österreichisch- 
Ungarischer  Generalkonsul.     1901. 

Constantin  Gravenkamp,  Ober-Stadtsekretär.    1909. 

Louis  Greb,  Architekt.     1903. 

Ernst  Grieser,  Buchdruckereibesitzer.     1904. 

Dr.  Otto  Groß,  praktischer  Arzt.     1904. 

Dr.  Friedrich  Großmann,  Oberlehrer  an  der  Klinger-Oberrealschule.    1900. 

Dr.  Emil  Großmann-de  Chapeaurouge,  praktischer  Arzt.     1908. 

Eugen  Grumbach-Mallebrein,  Privatier.     1902. 

Konrad  Grumbach-Petsch,  Privatier.     1903. 

Adolf  von  Grunelius,  Bankier.     1871. 

Eduard  von  Grunelius,  Bankier.     1871. 

Max  von  Grunelius,  Bankier.     1904. 

Alfred  Günther,  Architekt.    1901. 


—     115     - 

Karl  Haack,  EaafmaDn.    1904. 

Dr.  Hermann  Haag,   Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Direktor  der  Frankfurter 

Hypothekenbank.     1883. 
Phiüpp  Haag,  Privatier.     1909. 
Fran  Emilie  Haas-Bandell,  Privatiere  1909. 
Dr.  Jnstns  H  a  e  b  e  r  I  i  n ,  Jnstizrat  und  Bechtsanwalt.     1870. 
Dr.  Bernhard  Hagen,  Hofrat  und  Leiter  des   Städtischen  Völkermuseums. 

1900. 
Ferdinand  Hahn,  Kaufmann.     1906. 
Dr.  Fritz  Hallgarten,  Chemiker.     1908. 
Karl  Hamburg,  Privatier.     1900. 

Dr.  Karl  Hamburger,  Qeh.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1871. 
Philipp   H  an  hart,  Kaufmann.     1897. 
Fritz  Happel,  Privatier.     1902. 

Dr.  Adolf  von  Harnier,  Geh.  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1882. 
Dr.  Eduard  von  Harnier,  Geh.  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1871. 
Wilhelm  Uartmann,  Stadtgeometer.     1909. 
Eugen  Hartmann-Kempf,  Professor  und  Ingenieur.     1898. 
Franz  Hasslacher.  Patentanwalt.     1880. 
Alexander  Hauck,  Bankier.    1881. 
Max  Hauck,  Bankier.     1901. 
Otto  Hauck- von  Met  zier,  Bankier.     1893. 
Robert  Haurand,  Kaufmann.     1907. 

Dr.  Ludwig  Hecht,  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1908. 
Frau  Johanna  Hechtel  geb.  Schmidt,  Privatiere.     1899. 
Rudolf  Heer  dt,  Direktor  der  Frankfurter  Sparkasse.     1893. 
Dr.  Paul  H ei d rieh,  Oberlehrer  an  der  Sachsenhäuser  Oberrealschule.  1909. 
August  Heimpel-Manskopf,  Kaufmann.     1892. 
Salomon  Heinemann,  Reallehrer.    1909. 
Philipp  Heinz,  Kaufmann.     1879.    (f) 
Heinrich  Heister,  Kaufmann.     1903. 
Frau  Mina  Held  geb.  Hausser,  Privatiere.     1875. 
Wilhelm  Hemmerich,  Hauptmann  und  Kompagnie-Chef  im  1.  Kurhessischen 

Infanterie-Regiment  Nr.  81.     1902. 
Carl  Henrich,  Technischer  Betriebsleiter.     1909. 
Karl  Herrmann,  Steuersekretär.     1903. 
Georg  Her t zog,  Privatier.     1902. 

Karl  Herzberg,  Bankdirektor  und  Konsul  der  Mexikanischen  Republik.  1904. 
Frau  L.  Herzfeld.     1906. 
August  Heß,  Apotheker.     1904. 

Dr.  Lucas  vonHeyden,  Major  a.  D.  und  Professor.     1867. 
Georg  von  Heyder,  Privatier.     1891. 
Arthur  Heyne,  Cand.  math.     1907. 
Alfred  Hirsch,  Kaufmann.     1909. 
Otto  Hirsch,  Kaufmann.     1906. 
Felix  Hirschhorn,  Privatier.    1910. 
Heinrich  Hobrecht,  Kaufmann.    1882. 

8* 


—    116    — 

Otto  Höchberg,  Kaufmann.    1877. 

Zachary  Hochschild,  Direktor  der  Metallgesellschaft.    1893. 
Willy  Heinrich  Hof  er,  Kaufmann.     1906. 
Adolf  Hoff,  Kaufmann  und  Handelsrichter.    1903. 
Alfred  Hoff,  Kaufmann  und  Serbischer  Vizekonsul.    1906. 
Paul  Hoffmann-Ebner,   Fabrikant.    1884. 
Dr.  Moritz  H  o  f  m  a  n  n ,  Rechtsanwalt.     1902. 
Otto  H  0  f  m  a  n  n ,  Rentier.     1906. 
Richard  Hof  mann,  Kaufmann.     1891. 
Moritz  Wilhelm  Hohenemser,  Bankier.     1901. 
Frau  von  Holbach,  Majorsgattin.    1906. 
Karl  Ho  Ich,  Kaufmann.     1909. 
Georg  Holtzwart,  Kaufmann.     1903. 
Hermann  Holz,  Kaufmann.    1903. 
Richard  Holz,  Kaufmann.     1909. 
Wilhelm  Holz,  Kaufmann.     1903. 
Leo  Holzmann,  Kursmakler.     1906. 
Eugen  Hoerle,  Gutsbesitzer.     1908. 
Philipp  Alezander  Julius  Hoerle,  Kaufmann.    1903. 
Frau  Elise  Horstmann  geb.  Hoffmann,  Privatiere.     1908. 
Georg  Horstmann,  Zeitungsverleger.     1897. 
Franz  von  Hoven,  Baurat.     1906. 

Dr.  Gustav  Adolf  Humser,  Geh.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.    1871. 
Adolf  Hüttenbach,  Kaufmann.     1903. 
Frau  Marie  Ihm  geb.  Rittner,  Privatiere.     1898. 
Frau  Sophie  Jacobi  geb.  Borle,  Privatiere.     1907. 
Hermann  Jacquet,  Rentner.    1897. 
Gustav  Jaff6,  Rechtsanwalt.     1903. 

Dr.  Theophil  Jaff6,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.    1898. 
Fritz  Jäger-Manskopf,  Kaufmann.     1892. 
Dr.  August  J  a  s  s  0  y ,  Apotheker.     1901. 
Louis  Jay,  Rentner.     1901. 

Frau  Luise  Amalie  Jordan  de  Rouville,  Bankiers witwe.    1904. 
Dr.  Fritz  Jucho,  Kaufmann.     1903. 
Dr.  Heinrich  Jucho,  Notar.     1906. 

Dr.  Rudolf  Jung,  Professor  und  Direktor  des  Stadtarchivs.     1904. 
Otto  Junghanss,  Fabrikbesitzer  in  Johannisberg  im  Rheingau.     18!)9. 
Gustav  Junker,  Direktor  der  Martins-Missionsanstalt.    1906. 
Richard  Kahn-Freund,  Fabrikant.     1900. 
Julius  Kahnweiler,  Privatier.     1908. 
Frau  Klara  Kalb   geb.  Faust,  Privatiere.     1875. 
Leonhard  Kalb,  Privatier.     1897. 
Moritz  Kalb,  Privatier.     1902. 
Bernhard  Kamel,  Kaufmann.     1894. 

Dr.  Rudolf  K  a  s  p  r  z  i  k ,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1908. 
Dr.  Albert   Katzenellenbogen,    Direktor    der  Mitteldeutschen   Kredit- 
bank.    1909. 


—     117     — 

0.  Kanffmann,  Oberleutnant  a.D.  in  Marburg  a.  d.  Lahn.    1907. 

Max  Kay 8 er,  Landgerichtsrat.    1909. 

Frau  M.  Eaysser,  Privatiere.    1902. 

August  Keller,  Buchhändler.    1901. 

Frau  Emma  Kirchberg  geb.  Neubürger,  Privatiere.    1903. 

Raphael  M.  Kirchheim,  Privatier.    1903. 

Dr.  Simon  Kirchheim,  praktischer  Arzt,  Chefarzt  des  israelitischen  Ge- 
meindehospitals und  Stadtrat.    1875. 

Hermann  Klee,  Kaufmann.    1907. 

Erich  Kleemann,  Leutnant  im  1.  Kurhessischen  Inf. -Reg.  No.  81.    1908. 

Willi  A.  Klein,  Kaufmann.    1904. 

Jakob  Klein-Hoff,  Privatier.    1908. 

Karl  K  lim  seh,  Kunstmaler.    1904. 

Jakob  Kloos,  Kaufmann.    1907. 

Frl.  Paula  Klotz.     1903. 

Jean  Kn  au  er,  Buchdruckereibesitzer.    1886. 

Hermann  Knecht.    1906. 

Dr.  Paul  Knoblauch,  praktischer  Arzt.    1909. 

Louis  Koch,  Hof  Juwelier.    1904. 

Hermann  Köhler,  Kommerzienrat  und  Bankier.    1897. 

Karl  Kohn,  Direktor  der  Frankfurter  Gasgesellschaft.    1903. 

Karl  Kolb,  Kaufmann.    1879. 

Adolf  Kolligs,  Kaufmann.    1906. 

Heinrich  Freiherr  von  Königswarter,  Bentier.    1897. 

Heinrich  Königswerther,  Kaufmann.    1907. 

Oskar  Könitzer,  Privatier.    1902. 

Alois  Kopp,  Kaufmann.    1909. 

Frl.  Hildegard  K  o  r  w  a  n.    1909. 

Heinrich  Koßmann,  Privatier.    1908. 

Jakob  Kothe,  Schreinereibesitzer.    1891. 

Karl  Kotzenberg,  Kaufmann.    1903. 

Joseph  Kowarzik,  Bildhauer.    1897. 

Georg  Kranz,  Privatier.     1906. 

Wilhelm  Kranz,  Kaufmann.    1909. 

Dr.  Alois  Kraus,  Professor,  Oberlehrer  an  der  Stadt.  Handelslehranstalt 
und  Privatdozent  an  der  Akademie  ftlr  Sozial-  und  Handelswissen- 
schaften.   1903. 

Hermann  Kreutzer,  Privatier.     1906. 

Eduard  K lieh  1er  jun.,  Fabrikbesitzer  in  Rödelheim.    1903. 

Eduard  Küchler  sen.,  Privatier.     1888. 

Karl  Küchler,  Kaufmann.     1893. 

Konrad  Adolf  Kugler,  Kaufmann.    1906. 

Karl  Künkele,  Kaufmann.     1901. 

Dr.  Friedrich  Kurtz,  praktischer  Arzt.    1901. 

Frau  Emma  Kyritz  geb.  Hagen,  Privatiere.    1899. 

Alfred  Kyritz-Drexel,   Kaufmann.    1897. 

August  Ladenburg,  Bankier.    1902, 


—    118    — 

Ernst  Ladenbarg,   Kommerzienrat,  Bankier  und  Stadtverordneter.     1897. 

Frl.  Lammie,  Lehrerin.    1909. 

Willy  Lampe,  Schneidermeister.    1901. 

Karl  Langenbach,  Kaufmann.    1904. 

Frau  Elise  Lauth-Becker,  Privatiere.    1903. 

Dr.  Johannes  Lehmann,  Assistent  am  Städtischen  Völkermuseum.    1909. 

Leo  Lehmann,  Rentner.    1908. 

Alfred  Lejeune,  Kaufmann.     1885. 

Friedrich  Wilhelm  Lejeune,  Kaufmann.     1906. 

Franz  Lemm6,  Kaufmann.     1903. 

Georg  Leschhorn,  Privatier.    1890. 

Dr.  E.  Leser,  Geh.  Sanitätsrat,  Professor  und  praktischer  Arzt.     1908. 

Dr.  Maximilian  Leuchs-Mack,  Gerichtsassessor.    1907. 

Adolf  Levi,  Kaufmann.     1906. 

Leopold  Levi,  Kaufmann.     1907. 

K.  Leydhecker,  Pfarrer,  Auerbach.    1909. 

Dr.  Franz  L  i  e  s  a  u ,  Oberlehrer  an  der  Sachsenhäuser  Ob^rrealschule.  1906. 

Dr.  Otto  Lindenmeyer,  Augenarzt.  1904. 

Wilhelm  Lindheimer,  Domänenpächter.     1902. 

Nachum  H.  Loeb,  Ktirsmakler.     1910. 

Dr.  Hugo  Lotz,  Gerichtsassessor.     1908. 

Adam  Ludwig,  Privatier.     1903. 

Frau  Richard  Ludwig.     1904. 

Ferdinand  Maas,  Privatier.     1875. 

Robert  Mack,  Kaufmann.     1894. 

John  M.  Mackenzie,  Kaufmann.     1902. 

Dr.  Ernst  Mai  er,  praktischer  Arzt.    1906. 

Alexander  Majer,  Bankier.     1906. 

Frau  Helene  Manskopf  geb.  Keßler,  Rentnerin.     1874. 

Heinrich   Mappes,   Sächsischer   Generalkonsul    und   Konsul   von 

Brasilien.    1888. 
Gustav  Marburg,  Kaufmann.     1903. 
Dr.  Karl  Marx,  praktischer  Arzt.     1906. 
Paul  Mausolff,  Kaufmann.     1910. 
Adam  May,  Fabrikant.     1890. 
Dr.  Franz  May,  Fabrikant.     1895. 
Martin  May,  Fabrikant.     1884. 
Robert  May,  Kaufmann.     1893. 
Jacob  Mayer,  Kaufmann.     1910. 
Ludo  M  a  y  e  r ,  Fabrikbesitzer.    1904. 
Frau  Meister   geb.  Hauswald,  Privatiere.     1904. 
J.  F.  M  e  i  X  n  e  r ,  Architekt.     1906. 
Dr.  Wilhelm  M  er  ton,  Privatier.     1888. 
Julius  Wilhelm  Merz,  Professor.     1899. 
Theodor  Mettenheimer-Breul,  Kaufmann.     1901. 
Hugo  Metzler,  Bankier.     1900. 
Karl  Metzler.     1903. 


—     119    — 

Albert  von  Metsler,   Bankier,    Stadtrat  und   Bayrischer  Generalkonral, 

Mitglied  des  Herrenhanses.    1893. 
Dr.  Paal  Meyer,  Oberregiemngsrat  a.  D.    1903. 
Dr.  Edward  yon  Meyer,  praktischer  Arit.    1907. 
Franz  Carl  Michel-Qellert,  Kaufmann.    1909. 
Emil  Michel-Spelti,  Privatier.    1906. 
Dr.  Ernst  Michels,  Kandidat  des  höheren  Lehramts.    1909. 
Heinrich  J.  F.  Minoprio,  Bankier.    1903. 
Frau  Christine  Mohr  geb.  Weingärtner,  Prifatiere.    1908. 
Franz  Moldenhaner,  Ingenieur.    1902. 
Rudolf  M  0 1 1  i  k ,  Ingenieur,  Cronberg  i.  T.    1909. 
Fritz  Mönch,  Kaufmann  in  Offenbach.    1892. 
Eduard  Morel,  Kaufmann.    1884. 
Wilhelm  Mössinger,  Kaufmann.    1906. 
Wilhelm  Müller,  Kaufmann.    1899. 

F.  George  Mttller-Beeck,  Kaiserlich  Deutscher  Generalkonsul  a.  D.   1907. 
Frau  Emma  Mumm  von  Schwarzenstein  geb.  Passavant.    1876. 
Hugo  Nathan,  Kaufmann.     1909. 
Dr.  Edmund  Naumann,  Geologe.    1899. 
Andreas  Neander,  Kaufmann.    1903. 
Ludwig  Neb  er,  Baurat.    1893. 
Dr.  Max  Neißer,   Professor   und   Direktor  des    Städtischen    Hygienischen 

Institute.    1903. 
Richard  Nestle  jun.,  Kaufmann.    1893. 
Cnrt  Netto-Nothwang,  Professor  und  Ingenieur.    1903. 
Dr.  Friedrich  Neubauer,  Direktor  des  Lessing-Gymnasiums     1910. 
Dr.  Otto  Neubttrger,  praktischer  Arzt.    1906. 
Robert  de  Neufville,  Kommerzienrat.    1897. 
Adolf  von  Neufville,  Bankier.    1896. 
Gustav  Adolf  von  Neufville,  Bankier.    1909. 
Karl  von  Neufville,  Bankier  und  Generalkonsul  a.  D.    1904. 
Dr.  Hugo  N  0 1 1  e  n ,  Verbandsdirektor.    1910. 
Hermann  Ochs,  Privatier.    1884. 

Dr.  Hermann  Oelsner,  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.    1903. 
Frau  Juliette  Oplin  geb.  Godchaux,  Privatiere.    1875. 
Moritz  Oppenheim,  Kaufmann.    1887. 

Sir  Francis  Oppenheimer,  Großbritannischer  Generalkonsul.    1900. 
Frau  Leontine  Oppenheimer  geb.  Livingston,  Privatiere.    1909. 
Frl.  Adele  Osterrieth,  Privatiere.    1904. 
Robert  Osterrieth,  Kaufmann.    1907. 
Frau  Maria  Oestreich  geb.  Creizenach,  Lehrerswitwe.    1869. 
Dr.  Henry  Oswalt,  Justizrat  und  Rechtsanwalt.    1871. 
Frau  L.  Overhamm  geb.  Hilf.    1899. 
Dr.  Ferdinand  Pachten,  Justizrat  und  Rechtsanwalt.    1909. 
Dr.  Alexander  Pagenstecher,  Chemiker  in  Mainkur.    1906. 
Johann  Friedrich  Pahl,  Kaufmann.    1904. 
Dr.  Alfred  Parrisius,  Bankdirektor.    1903. 


—    120    — 

Eduard  Parrot,  Privatier.    1909. 

Philipp  Passayant,  Kaufmann.    1901. 

Hermann  von  Passavant,  Kaulmann  und  Japanischer  Eonsol.     1901. 

Richard  von  Passavant,  Geh.  Kommerzienrat.    1889. 

Dr.  Eduard  Pelissier,  Professor  und  Oberlehrer  am  Leasing- Gymnasinm. 
1882. 

Franz  Petry,  Kaufmann.    1906. 

Eduard  Petsch-Manskopf,  Privatier.    1900. 

Dr.  G.  P  f  a  n  n  m  tt  1 1  e  r ,  praktischer  Arzt.    1909. 

Frau  Bertha  Pfefferkorn  geb.  Kessler,  Doktorswitwe  n.  Privatieie.  1854. 

Christian  Wilhelm  Pf eif f er-Belli,  Rentner.    18&S. 

Dr.  Arthur  Pfungst,  Chemiker.    1889. 

Lucien  Picard,  Bankier.    1906. 

Dr.  Hermann  Pieper,  Rechtsanwalt.    1909. 

Theodor  P 1  i  e  n  i  n  g  e  r ,  Direktor  der  chemischen  Fabrik  Grieeheim-Elektron. 
1906. 

Siegfried  Pohl,  Kaufmann.    1909. 

Walter  Pohl,  Oberstleutnant  z.  D.    1909. 

Frau  Emmy  P  o  h  1  m  a  n  n  geb.  Pohlmann,  Privatiere.    1897. 

Frau  Mathilde  Ponfick-Salom6,  Kommerzienratswitwe.    1897. 

Friedrich  Gustav  Porcher,  Architekt.     1909. 

Dr.  Eduard  Posen,  Fabrikant.    1894. 

Sidney  Posen,  Fabrikant.     1883. 

Harry  Quittmann,  Apotheker.    1908. 

August  Rasor,  Kaufmann.    1890. 

Walther  vom  Rath,  Rentner,  Mitglied  des  Herrenhauses.    1897. 

Emil  Rau,  Kaufmann.    1901. 

Dr.  Friedlieb  Rausch,  Direktor.     1909. 

Simon  Ravenstein,  Architekt.    1871. 

Dr.  Ludwig  Rehn,  Geh.  Sanitätsrat,  Professor  und  Direktor  der  chirurgi- 
schen Abteilung  des  Städtischen  Krankenhauses.    1900. 

Frl.  Anna  Reichard,  Verwalterin.     1901. 

Fritz  Reichard,  Kaufmann.    1906. 

Frl.  Mina  Reichard.    1903. 

Gottlob  Reichard -Frey ,  Kaufmann.  1900. 

August  Reichard-Marburg,  Kaufmann.    1877. 

Frau  Jenny  Reichenbach.    1908. 

Alfred  Reis,  Kaufmann.    1909. 

Leopold  Reiss,  Prokurist.    1896. 

Dr.  Paul  Reiss,  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1886. 

Otto  Renner,  Kaufmann.    1906. 

Dr.  Heinz  R  i  c  h  a  r  t  z ,  praktischer  Arzt.     1909. 

August  de  Ridder,  Rentier.    1908. 

Dr.  Alexander   Riese,    Professor.    1897. 

Johannes  Robe,  Rentner.    1909. 

Frl.  Kathinka  Rode,  Lehrerin.    1898. 

Dr.  Ernst  Roediger,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.    1910. 


—     121    — 

Dr.  Paul  Ro  e  di  g  er ,  Rechtsanwalt  und  Direktor  der  Metallgesellschaft.  1893. 

Karl  Roger,  Direktor  der  Filiale  der  Bank  für  Handel  nnd  Industrie.  1890. 

Wilhelm  Rehmer,  Privatier.    1900. 

Heinrich  Römheld,  Kaufmann.    1900. 

Dr.  Emil  Rosenbaum,  praktischer  Arzt.    1906. 

Alfred  Rosenthal,  Kaufmann.     1903. 

Dr.  Rudolf  Rosenthal,  Hechtsanwalt.     1904. 

Dr.  Wilhelm  R  o  s  e  r ,  Professor  und  Chemiker.    1910. 

Frl.  Alwine  Roth.     1906. 

August  Hother,  Kaufmann.    1910. 

Qeorg  Roth  geh,  Kunst-  nnd  Dekorationsmaler.    1906. 

Ernst  Rttbsamen,  Apotheker.    1904. 

Frau  Julie  Rübsamen  geb.  Meyer,  Privatiere.    1908. 

Dr.  Georg  R  u  o  f  f ,  Chemiker.    1908. 

Willy  Hytz,  Kabel-Ingenieur.     1907. 

Alfred  Salin,  Kaufmann.     1902. 

Fritz  Schaeffer-Stuckert,  D.  D.  S.,  praktischer  Zahnarzt  a.  Direktor  des 
zahnärztlichen  Instituts  „Carolinum"  am  Stadt.  Krankenhanse.  1906. 

Frau  Carrie  Schar  ff  geb.  Ott.    1890. 

Heinrich  Theodor  Schenck,  Kaufmann.    1876. 

Hermann  Schepeler,  Kaufmann.     1906. 

Remi  Schepeler,  Kaufmann.    1909. 

Ludwig  Schiff,  Kaufmann.    1878. 

Philipp  Schiff,  Privatier.    1903. 

Gustav  Sohle sicky,  Kaufmann.    1895. 

Frau  Heinrich  Schlesicky,  Privatiere.    1902. 

Friedrich  Schlenssner,  Fabrikdirektor.    1903. 

Dr.  Karl  Schlenssner,  Fabrikdirektor.    1897. 

Georg  Schlund,  Juwelier.    1888. 

Frau  Maria  Schlund  geb.  Lenchs-Mack,  Juwelierswitwe.    1901. 

Carl  Schmidt,  Prokurist  der  Brauerei  Binding.    1909. 

Frau  Emma  Schmidt  geb.  Wolf,  Professorswitwe.    1907. 

Wilhelm  Schmidt-Diehler,  Architekt.    1899. 

Dr.  Wolfgang  Schmidt-Scharf f,  Hechtsanwalt.    1893. 

Peter  SchmOlder,  Kaufmann.    1872. 

Julius  Ferdinand  Schnatter,  Architekt.    1906. 

Alexander  Schneider,  Direktor  der  Deutschen  Gold-  and  Silber-Scheide- 
anstalt.   1875. 

Frl.  Marie  Schneider.     1907. 

Heinrich  Schnell,  Privatier.    1876. 

Friedrich  S Chol tz,  Generalleutnant  nnd  Kommandeur  der  XXI.  Division, 
Exzellenz.    1909. 

Frau  Lina  Schöner  geb.  Holler,  Privatiere.    1903. 

Frau  Elisabeth  Schott,  geb.  Bmchhftaser,  Sanit&tsratswitwe.    1908. 

Wilhelm  Schott,  Apotheker  in  Offenbach.    1906. 

Heinrich  Schreiber  sen.,  Privatier.    1904. 

Frau  Margaretha  Schreyer,  Professorswitwe.    1904. 


—     122    — 

Adolf  Schroeder,  Privatier.    1906. 

Frl.  Charlotte  Schulte,  Privatiere  in  Cronberg.    1906. 

Frl.  Katharina  Schumacher,  Privatiere.    1898. 

Adolph  Schürmann,  Privatier.    1906. 

Bernhard  Schuster,  Bentier.    1874. 

Dr.  Erich  Schwartze,  Oberlehrer.    1907. 

Albert  Schwarz»  Bechnungsrat  am  Landgericht.     1906. 

Lic.  Dr.  Karl  Schwarzlose,  Pfarrer  der  St.  Eatharinengemeinde.     1903. 

Jakob  Alfred  Schwarzschild,  Bankier.     1908. 

Moses  Martin  Schwarzschild,  Privatier.    1888. 

Dr.  Eugen  Scriba-Schmidt-Polex,  praktischer  Arzt.    1901. 

Frau  Mathilde  S  e  e  f  r  i  d  geb.  Bühler,  Privatiere.     1888. 

Frau  Anna  S  e  e  g  e  r.     1901. 

Frau  Jennie  S  e  e  g  e  r  geb.  Gravelius,  Privatiere.     1909. 

Georg  S  e  i  t  z ,  Finanzrat  a.  D.     1899. 

Hermann  Seitz.    1904. 

Oskar  Selb  ach,  Kaufmann.    1907. 

Siegfried  Seligmann,  Privatier.    1909. 

Frau  Tina  Seum-Keller,  Privatiere.    1908. 

Fritz  Sichel.     190d. 

Arthur   Siebert-Müller,   Direktor   der  Mitteldeutschen  Kreditbank   und 

Württembergischer  Konsul.    1901. 
Dr.  Friedrich  Sieger,  Justizrat,  Bechtsanwalt  und  Notar.     1903. 
Oskar  Simon-Buss,  Kaufmann.    1897. 
Eduard  Simonis,  Kaufmann.     1903. 
Hans  Simonis,  Kaufmann.    1903. 

Dr.  Emil  Sioli,  Professor  und  Direktor  der  Irrenanstalt.    1889. 
Dr.  Bichard  Solm,  Augenarzt.     1904. 
Friedrich  Sommerlad,  Kaufmann.     1904. 
Frau  Karl  Sömmerring  geb.  Kretzer,  Privatiere.    1865. 
Leopold  Sonnemann,  Privatier.    1881.    (f) 
Frau  Emilie  Sonntag  geb.  Holzmann,  Privatiere.     1909. 
Frau  Georg  Speyer  geb.  Gumbert,  Bentnerin.     1903.    (f) 
Karl  Stauffer,  Direktor  der  Bockenheimer  Volksbank.    1898. 
Frau  Baronin  Karoline  von  Stein,   Pröbstin  des    adeligen  von  Oronstett- 

und  von  Hynspergischen  evangelischen  Damenstifts.     1884. 
Dr.  Victor  Steinohrt,  Bankbeamter.     1903. 
Dr.  Johannes  Moritz  S  t  e  i  n  t  h  a  1 ,  Bechtsanwalt.     1893. 
Frau  Anna  Stern  geb.  Kalb,  Privatiere.     1897. 
Budolf  Stern,  Privatier.     1890. 
Frau  Theodor  Stern,  Privatiere.     1871. 
August  Stern- Wiedebusch,  Kaufmann.     1903. 
Paul  Sternberg,  Fabrikant.     1908. 
Karl  Stiebe  1,  Privatier.    1897. 
Emilie  Stiefel  geb.  Mayer,  Privatiere.     1906. 
WUhehn  Stock-de  Neufville,  Bankier.     1882. 
Frl.  Lydia  S  t  o  1 1  s  e ,  Privatiere.     1903. 


—    123    — 

Dr.  Otto  Zur  Strassen,   Professor  und  Direktor   des  Senckenbergisclieii 

Naturhistorischen  Museums.    1910. 
Otto  S  t  r  a  ß !  e  1  d ,  Kauf maDn.    1903. 
Erust  Strauß,  Kaufmann.     1906. 
Isaak  Strauß,  Privatier.     1906. 
Hans  Streckeisen,  Architekt.  1903. 
Heinrich  Stresau,  Agent.     1909. 

Dr.  phil.  hon.  c.  und  Dr.  ing.  hon.  c.  Ignaz  Stroof,  Direktor.     1904. 
Bruno  Strubel!,  Kaufmann.    1903. 
Alfred  von  Stryemieczny,  Oberstleutnant  a.  D.,  Villenkolonie  Buchschlag. 

1907. 
Georg  Sturmfels,  Lehrer.     1909. 
Emil  Sulzbach,  Privatier.    1900. 
Dr.  Karl  S  u  1  z  b  a  c  h ,  Bankier.     1890. 

Dr.  L.  T  h  e  b  e  s  i  u  s ,  Rechtsanwalt  und  Serbischer  Generalkonsul.    1906. 
Moritz  Thomae,  Rentier.     1909. 

Dr.  Hermann  Traut,  Bibliothekar  an  der  Stadtbibliothek.     1893. 
Dr.  Gustav  Treupel,   Professor  und  Chefarzt  der  medizinischen  Abteilung 

des  Hospitals  zum  heiligen  Geist.     1903. 
Jakob  Ivon  Ueberfeld,  Kaufmann.     1906. 
Hermann  Uhlfelder,  Magistrats- Baurat.    1904. 
Albert  U  lim  an  n,  Kaufmann.     1901. 
Otto  Ulrich,  Bankdirektor  a.  D.     1903. 

Dr.  Franz  Vaconius,  Pfarrer  der  Dreikönigs-Gemeinde.     1906. 
Willy  Veit,  Pfarrer  der  St.  Katharinengemeinde.     1909. 
Frau  Emmy  Vogtherr  geb.  Weiler,  Privatiere.    1899. 
Georg  Völcker,  Buchhändler.     1879.    (f) 
Louis  Volk,  Ober-SUdtsekretär.    1909. 
Martin  Vowinckel,  Privatier.    1882. 
Eduard  Waetjen,  Oberleutnant  im  Thflringischen  Ulanen-Regiment  No.  6 

in  Hanau.    1909. 
Dr.  Paul  Wagner,  Augenarzt.    1906. 
Karl  Wagner-Nurick,  Ingenieur.    1903. 
Frau  Anna  Wagner-Schaller,  Privatiere.     1904. 
Dr.  Gustav  Wahl,  Bibliothekar  der  Senckenbergischen  Bibliothek.    1908. 
Dr.  Heinrich  Weber,  praktischer  Arzt.    1902. 
Karl  Weber,  Verwalter  der  Irrenanstalt.     1885. 
Frl.  Emilie  Weigel,  Privatiere.     1902. 
Martin  Weigel,  Verlagsbuchh&ndler.     1902. 
Jakob  Hermann  Weil  1er,  Bankier.     1871. 

Karl  von  Weinberg,  Fabrikbesitzer  und  Griechischer  Generalkonsul.    1903. 
Alfred  Weinschenk,  Bankier.     1903. 

Philipp  Weinsperger,  Maler  und  Weißbindermeister.    1907. 
Albrecht  Weis,  Kassierer  der  Englischen  Ghtsfabrik  a.  D.    1874. 
Martin  Weis,  Kaufmann.     1910. 
Richard  Weise,  Major  a.  D.    1902. 
Daniel  Weismann,  Bankier.     1902. 


—    124    — 

Dr.  Albert  Weiler,  Direktor  der  Vereinigten  Chininfabriken,  Zimmer  &  Co. 

1907. 
Joseph  Werner,  Kaufmann.     1892. 
Fran  Rosalie  Wertheim  geb.  Ballin,  Privatiere.    1884. 
Dr.  Engen  Wertheimber,  Bankier.    1909. 
Emil  Wetzlar,  Bankier.     1900. 
Adolf  Wiechmann.  Fabrikant.     1909. 
Frl.  Johanna  Wiedenmann,  Privatlehrerin.     1908. 
Wilhelm  Wiederhold,  Privatier.    1908. 
Fritz  Christoph  Wiemer,   Mühlenbesitzer  in  Bonames.     1893. 
Georg  Wilhelm,  Gärtner.    1910. 
Dr.  Karl  Willemer,  Augenarzt.     1903. 
Ludwig  Willemer-Rücker,  Kaufmann.     1893. 
Fritz  Winter,  Lithograph.     1903. 
Sascha  v.  Winterberger,   Oberst  und  Kommandeur  des  Landwehrbezirks 

Frankfurt  a.  M.     1909. 
Otto  Wirth,  Kaufmann.    1908. 
Carl  Wittekind,  Direktor.     1908. 
Karl  Wolf,  Pfarrer  der  St.  Petersgemeinde.     1903. 
Dr.  August  von  Wolf,  Freiherr.     1908. 
Dr.  Ludwig  Wolff,  praktischer  Arzt.     1907. 
Frau  Emma  W  o  l  f  s  k  e  h  l  geb.  Feist,  Kommerzienratswitwe.     1874. 
August  Wolschendorf f,  Kaufmann.     1904. 
Hermann  W  renk  er,  Kaufmann.    1909. 
Emil  Wurmbach,  Bentier.     1880. 
Julius  Wurmbach,  Ingenieur.    1883. 
Ernst  Wttsthoff,  Kaufmann.    1906. 
Louis  Zeiß-Bender,  Kaufmann  und  Konsul  der  Freistaaten  Guatemala 

und  Costa-Rica.     1906. 
Theodor  Zeltmann,  Privatier.     1896. 
Frau  Johanna  Ziegler  geb.  Kleyer,  Professorswitwe.    1902. 
J.  Ziervogel,  Oberingenieur  des  Dampf kessel-Überwachungsvereins.    1904. 
Frl.  Bertha  Zimmermann,  Privatiere.    1907. 


II.   Korrespondierende  Hitglieder. 

Dr.  Hermann  Vamb6ry,  Professor  in  Budapest,  ernannt  am  11.  Mai  1876. 

Anton  Goering,  Professor  in  Leipzig,  ernannt  am  10.  Oktober  1887. 

Dr.  Felix  von  Luschan,  Professor  und  Direktor  am  Museum  für  Völker- 
kunde in  Berlin,  ernannt  am  10.  Oktober  1887. 

Dr.  Karl  Diener,  Professor  und  Präsident  des  Österreichischen  Alpen- 
klubs in  Wien,  ernannt  am  20.  Januar  1888. 

Dr.  Alexander  Freiherr  von  Danckelman,  Geh.  Regierungsrat  u.  Professor 
in  Berlin,  ernannt  am  28.  Juli  1890. 

Dr.  Alexander  von  Peez.  Ehrenpräsident  des  Industriellen  Club  in  Wien, 
ernannt  am  28.  Juli  1890. 


—    126    — 

Dr.  Paul  Mttll er  -  Simonis,  Ehrendomherr  in  Straßburg,  ernannt  am 
29.  Joni  1892. 

Dr.  Wilhelm  H  a  a  c  k  e  in  Otterndorf ,  ernannt  am  8.  März  1893. 

Dr.  Max  Friederich sen,  Professor  in  Greifswald,  ernannt  am  12.  Dezember 
1906. 

Dr.  Karl  0 estreich,  Professor  in  Utrecht,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Georg  We gener,  Forschangsreisender  in  Berlin,  ernannt  am  12.  De- 
zember 1906. 


III.    Ehrenmitglieder. 

Dr.  Julias  Ritter  von  Payer,  E.  und  K.  Österreichisch-Ungarischer  Haupt- 
mann a.  D.  in  Wien,  ernannt  am  14.  Oktober  1874. 

Dr.  Max  Bn ebner,  Professor  und  Direktor  des  Kgl.  Bayrischen  Ethnologi- 
schen Museums  in  München,  ernannt  am  17.  Februar  1886. 

Dr.  Emil  Blenck,  Wirklicher  Geheimtr  Oberregiemngsrat  und  Präsident 
des  Kgl.  Preußischen  Statistischen  Landesamts  in  Berlin,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886. 

Lnigi  Bodio,  Italienischer  Staatsrat,  Senator  und  Generaldirektor  der 
Statistik  im  Kgl.  Italienischen  Ministerium  für  Ackerbau  und  Handel 
und  Vizepräsident  der  Societä  geografica  Italiana  in  Rom,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Julius  E  u  t  i  n  g ,  Geh.  Regiemngsrat,  Professor,  Direktor  der  Kaiserlichen 
Universitäts-  und  Landesbibliothek  a.  D.  und  Präsident  des  Vogesen- 
klnbs  in  Straßburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Theobald  Fischer,  Geh.  Regiernngsrat  und  Professor  in  Marburg,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Georg  Gerland,  Professor  a.  D.  in  Straßbarg,  ernannt  am  8.  Dezember 
1886. 

Dr.  Wilhelm  Kobelt,  Professor  und  praktischer  Arzt  in  Schwanheiro,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Karl  von  Obernberg,  Vorsteher  des  Statistischen  Amts  der  Stadt  a.  D., 
in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Eduard  Pechuel-Loesche,  Professor  in  Erlangen,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886. 

Baron  Max  du  P r  e  1 ,  Kgl.  Bayrischer  Kammerherr,  Kaiserlicher  Ministerialrat 
und  Vorstand  des  Statistischen  Bureaus  im  Ministerium  für  Elsaß- 
Lothringen  in  Straßburg  a.  D.,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Ernst  Georg  Ravenstein,  Kartograph  in  London,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Ludwig  Ravenstein,  Kartograph  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886. 

Paul  Reichard,  Forschungsreisender,  z.  Zt.  im  Ausland,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886. 

Dr.  Johannes  Rein,  Geh.  Regiernngsrat  und  Professor  in  Bonn,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886. 


-     126    — 

QtOTg  Freiherr  von  Schleinits,  Viseadmiral  and  LandeshaoptmaDD  a.  D., 
Exzellenz,  in  Hohenborn  bei  Lügde  (Westfalen),  ernannt  am 
8.  Dezember  1886. 

Dr.  Georg  Schweinfnrth,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Blis  Sidenbladb,  Chefdirektor  des  Kgl.  Schwedischen  Statistischen  Central- 
bureans  a.  D.  in  Stockholm,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Hermann  Wagner,  Geh.  Regiemngsrat  and  Professor  in  Göttingen, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Karl  von  den  Steinen,  Professor  nnd  Abteilangsdirektor  am  Kgl. 
Mnseam  für  Völkerkande  in  Berlin  (Charlottenbarg),  ernannt  am 
20.  Februar  1889. 

Dr.  Hans  Meyer,  Geh.  Hof  rat,  Professor  and  erster  stellvertretender 
Vorsitzender  des  Vereins  für  Erdkande  in  Leipzig,  ernannt  am 
25.  Febraar  1891. 

Dr.  Siegmand  Günther,  Professor  in  München,  ernannt  am  2.  März  1892. 

Guido  Cora,  Professor  und  Direktor  des  Geographischen  Instituts  in  Rom, 
ernannt  am  20.  Dezember  1894. 

Adolf  Graf  vonGötzen,  Major  k  la  suite  der  Armee,  Kaiserl.  Gouverneur 
von  Deatsch-Ostafrika  und  Kommandeur  der  Schntztmppe  für 
Deutsch-Ostafrika  a.  D.,  Kgl.  Gesandter  für  Hamburg,  Bremen, 
Lübeck  und  beide  Mecklenburg  in  Hamburg,  ernannt  am  9.  De- 
zember 1896. 

Dr.  ing.  Wilhelm  Launhardt,  Geh.  Regiemngsrat  und  Professor  in  Hannover, 
Mitglied  des  Herrenhauses,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Fridtjof  Nansen,  Professor  und  Kgl.  Norwegischer  Gesandter  a.  D.,  er- 
nannt am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Albrecht  Penck,  Geh.  Regierangsrat  und  Professor,  K.  K.  Hof  rat, 
Direktor  des  Instituts  für  Meereskunde  und  Vorsitzender  der  Ge- 
sellschaft für  Erdkunde  in  Berlin,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Joachim  Graf  von  Pfeil  undKlein-EUguth  in  Schloß  Friedersdorf, 
ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Peter  Petrowitsch  vonSsemenow,  Russischer  Wirklicher  Geh.  Rat,  Senator, 
Mitglied  des  Reichsrats  und  Vizepräsident  der  Kaiserlich  Russischen 
Geographischen  Gesellschaft,  Hohe  Exzellenz,  in  St.  Petersburg, 
ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Sven  von  Hedin  in  Stockholm,  ernannt  am  16.  November  1897. 

Dr.  Friedrich  Clemens  Eb rar d,  Geh.  Konsistorialrat,  Professor  und  Direktor 
der  Stadtbibliothek  in  Frankfurt  a.  M.,  ernannt  am  17.  Oktober  1900. 

Otto  Schleifer,  Hauptmann  der  Landwehr- Artillerie  und  Forschungs- 
reisender, z.  Z.  Charlottenburg,  ernannt  am  18.  Dezember  1901. 

Otto  Neumann  Sverdrup,  Kapitän  in  Cbristiania,  ernannt  am  22.  Oktober  1902. 

Dr.  Fritz  Sarasin  in  Basel,  ernannt  am  28.  Oktober  1903. 

Dr.  Paul  Sarasin  in  Basel,  ernannt  am  28.  Oktober  1903. 

Dr.  Erich  von  Drygalski,  Professur  und  Vorsitzender  der  Geographischen 
Gesellschaft  in  München,  ernannt  am  2.  März  1904. 

Dr.  Karl  Bücher,  Geh.  Hofrat  und  Professor  in  Leipzig,  ernannt  am  12.  De- 
zember 1906. 


—     127    — 

Dr.  Friedrich  Delitzsch,  Geh.  Regierangsrat  and  Professor  in  Berlin,  er- 
nannt am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Gottfried  Merzbacher,  Professor  und  Forschongsreisender  in  München, 
ernannt  am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Theodor  Petersen,  Professor  und  erster  Vorsitzender  der  Sektion 
Frankfurt  am  Main  des  Deutschen  und  Österreichischen  Alpen- 
vereins, ernannt  am  12.  Dezember  1906. 

Seine  Hoheit  Adolf  Friedrich  Herzog  zu  Mecklenburg,  Major 
k  ia  suite  des  2.  Garde-Dragoner-Regiments  Kaiserin  Alexandra 
von  Rußland,  Rabensteinfeld  in  Mecklenburg,  ernannt  am 
lö.  März  1909. 

Sir  Ernest  H.  Shackleton,  Leutnant  der  Reserve  der  Kgl.  Marine  in 
London,  ernannt  am  20.  Januar  1910. 


Verstorbene  Ehrenmitglieder. 

Dr.  Karl  Ritter,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  29.  August  1838,  ge- 
storben daselbst  am  28.  September  1859. 
Dr.   Friedrich  Tiedemann,    Großberzogl.    Badischer    Geheimer   Rat   und 

Professor  a.  D.   in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am  22.  Mai  1861, 

gestorben  in  München  am  22.  Januar  1861. 
Karl  Weyprecht,  K.  u.  K.  Österreichisch- Ungarischer  Linienschiffsleutnant 

in  Triest,   ernannt  am  14.  Oktober  1874,  gestorben  in  Michelstadt 

am  29.  März  1881. 
Dr.  Eduard   RUppell    in  Frankfurt  am  Main,    ernannt  am  20.  November 

1874,  gestorben  daselbst  am  10.  Dezember  1884. 
Dr.  Gustav  Nachtigal,    Kaiserl.    Generalkonsul    in  Tunis,    ernannt   am 

2.  Juni  1875,   gestorben  an  Bord  Sr.  Maj.  Kreuzers   «Möve*   am 

20.  April  1885 

Dr.  Ferdinand  Freiherr  von  Richthofen,  Geh.  Regierungsrat,  Professor, 
Vorsitzender  der  Gesellschaft  ftlr  Erdkunde  und  zweiter  Präsident 
des  Deutschen  und  Österreichischen  Alpenvereins  in  Berlin,  ernannt 
am  11.  Juni  1875,  gestorben  daselbst  am  6.  Oktober  1905. 

Dr.  Gerhard  Rohlf  s,  Kgl.  Hof  rat,  Kaiserlicher  Generalkonsul  a.  D.  in  Weimar 
ernannt  am  9.  Jannar  1877,  gestorben  in  Rttngsdorf  bei  Bonn  am 
2.  Juni  1896. 

Dr.  Georg  Varrentrapp,  Geh.  Sanitätsrat  und  Ehrenpräsident  des  Vereins 
für  Geographie  und  Statistik  in  Franldurt  am  Main,  ernannt  am 
24.  September  1881,  gestorben  daselbst  am  15.  März  1886. 

Dr.  Emil  Holub  in  Wien,  ernannt  am  1.  März  1882,  gestorben  daselbst  am 

21.  Februar  1902. 

Dr.  Ferdinand  von  Hochstetter,K.  u.  K.  Österreichischer  Hofrat  und  Pro- 
fessor in  Wien,  ernannt  am  27.  Dezember  1882,  gestorben  daselbst 
am  18.  Juli  1884. 


—    128    — 

Dr.  Hermann  yon  Wissmano,  Major  k  la  raite  der  Armee  and  Kaiserlicher 
Gouvernenr  z.  D.,  ernannt  am  31.  März  1883,  gestorben  in  Sting  bei 
Weißenbach  (Obersteiermark)  am  15.  Jnni  1905. 

Henry  M.  Stanley,  Parlamentsmitglied  in  London,  ernannt  am  8.  Jannar 

1885,  gestorben  daselbst  am  10.  Mai  1904. 

Dr.  Adolf  Bastian,  Geh.  Regierangsrat,  Direktor  der  ethnologischen  Samm- 
lang des  Museoms  für  Völkerkande  and  Ehrenpräsident  der  Gesell- 
schaft für  Erdkande  in  Berlin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  ge- 
storben in  Port-of-Spain  (Trinidad)  am  3.  Febraar  1905. 

Dr.  Karl  Becker,  Wirklicher  Geheimer  Oberregierangsrat  and  Direktor  des 
Statistischen  Amts  des  Dentschen  Reichs  in  Berlin,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Charlottenborg  am  20.  Jani  1896. 

Dr.  Hermann  Berghaas,  Professor  in  Gotha,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  3.  Dezember  1890. 

Dr.  Heinrich  B  r  u  g  s  c  h  ,  Legationsrat  and  Professor  in  Berlin,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  9.  September  18%. 

Francisco  Coello  de  Portagal  y  Quesada,  Spanischer  Ingeniear- 
Oberst  a.  D.,  Ehrenpräsident  der  Sociedad  geogräfica  and  Präsident 
der  Sociedad  espafiola  de  geografia  comercial,  Exzellenz,  in  Madrid, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  30.  Sep- 
tember 1898. 

Dr.  Ernst  Engel,  Geh.  Oberregierangsrat  and  Direktor  des  Kgl.  Statistischen 
Bnreaas  a.  D.  in  Oberlössnitz  bei  Dresden,  ernannt  am  8.  Dezember 

1886,  gestorben  daselbst  am  8.  Dezember  1896. 

Dr.  Friedrich  Aagast  Finger,  Oberlehrer  a.  D.  in  Franklart  am  Main,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  31.  Dezember  1888. 

Friedrich  Anton  Heller  von  Hellwald  in  Stattgart,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886,  gestorben  in  Tölz,  am  1.  November  1892. 

Dr.  Heinrich  Kiepert,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  21.  April  1899. 

Dr.  Alfred  Kirchhoff,  Geh.  Regierangsrat  and  Professor  a.  D.,  Ehrenvor- 
sitzender des  Vereins  für  Erdkande  in  Halle,  in  Mockaa  bei  Leipzig, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  8.  Febraar  1907. 

Karl  Koldewey,  Admiralitätsrat  and  Abteilangsvorstand  der  Dentschen 
Seewarte  in  Hamburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben 
daselbst  am  18.  Mai  1908. 

Charles  Maanoir,  Generalsekretär  der  Soci6t6  de  g^ographie  in  Paris,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  22.  Dezember  1901. 

Baron  Cristoforo  Negri,  Italienischer  Anßerordentlicher  Gesandter  and  Be- 
vollmächtigter Minister  a.  D.,  Senator  des  Königreichs  and  Primo 
presidente  fondatore  der  Societä  geografica  Italiana  in  Tarin,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Florenz  am  18.  Febraar  1896. 

Dr.  Georg  Ritter  von  Neumayer,  Wirklicher  Geheimer  Rat,  Professor 
and  Direktor  der  Seewarte  a.  D.,  Exzellenz,  in  Neustadt  a.  d.  Haardt, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  24.  Mai  1909. 

Dr.  Adolf  Erik  Freiherr  von  Nordenskiöld,  Professor  in  Stockholm,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  28.  Aagast  1901. 


—    129    — 

John  Wesley  Powell,  Major  and  Direktor  des  Bureau  of  Ethnologj  und 
des  United  States  geologlcal  Survej  in  Washington,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Hayen  (Maine)  am  23.  September  1902. 

Nikolai  Michailowitsch  von  Prjevalsky,  Russischer  Generalmajor  in 
St.  Petersburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Karakol 
im  Gebiet  Ssemiretschensk  am  1.  November  1888. 

Dr.  Wilhelm  Reiss,  Geh.  Regierungsrat  in  Könits  (Thüringen),  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  29.  September  1908. 

Dr.  Friedrich  Ratzel.  Sächsischer  Geheimer  flofrat,  Professor  und  Vorsitzender 
des  Vereins  für  Erdkunde  in  Leipzig,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben   in  Ammerland  am  Stamberger  See  am  9.  Aagust  1904. 

Dr.  Gustav  vonRümelin,  Württembergischer  Geheimer  Rat  und  Kanzler  der 
Eberhard-Karls-Uniyersität ,  Exzellenz,  in  Tübingen,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  28.  Oktober  1889. 

Dr.  Wilhelm  Stricker,  praktischer  Arzt  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886,  gestorben  am  4.  März  1891. 

Dr.  Bernhard  8  tu  der,  Professor  a.  D.  in  Bern,  ernannt  am  8.  Dtzember  1866, 
gestorben  daselbst  am  2.  Mai  1887. 

Dr.  Pieter  Jan  V  eth ,  Professor  a.  D.  in  Arnhem,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  14.  April  1896. 

Louis  Viyien  de  Saint-Martin,  Ehrenpräsident  der  Sed^t^  de  g6ographie 
de  Paris  in  Versailles,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben 
daselbst  am  3.  Januar  1897. 

Henry  Y  a  1  e ,  Großbritannischer  Ingenieur- Oberst  a.  D.  in  London,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  30.  Dezember  1889. 

Reinhold  von  Werner,  Vizeadmiral  a.  D.,  Exzellenz,  in  Charlottenburg, 
ernannt  am  10.  Oktober  1887,  gestorben  daselbst  am  26.  Februar  1909. 

Dr.  Emil  von  Oven,  Senator  und  Ehrenvorsitzender  des  Vereins  für  Geo- 
graphie und  Statistik  in  Frankfurt  a.  M.,  ernannt  am  26.  Oktober 
1887,  gestorben  daselbst  am  27.  November  1903. 

Friedrich  Jakob  Kessler,  Senator  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
26.  November  1888,  gestorben  daselbst  am  3.  Mai  1889. 

Dr.  Wilhelm  Junker,  in  Wien,  ernannt  am  25.  Februar  1891,  gestorben  in 
St.  Petersburg  am  13.  Februar  1892. 

Dr.  Riebard  B  o  e  c  k  b ,  Geh.  Regierungsrat,  Professor  und  Direktor  a.  D.  des 
Statistischen  Amts  der  Stadt  Berlin  in  Grunewald  bei  Berlin,  er- 
nannt am  20.  Oktober  1895,  gestorben  daselbst  am  5.  Dezember  1907. 

Dr.  Hans  von  Scheel,  Geh.  Oberregierungsrat  und  Direktor  des  Statistischen 
Amts  des  Deutschen  Reichs  in  Berlin,  ernannt  am  9.  Dezember  1896, 
gestorben  daselbst  am  27.  September  1901. 

Dr.  Bugen  Z  i  n  t  g  r  a  f  f ,  ernannt  am  9.  Dezember  1896,  gestorben  in  Tene- 
rife  am  4.  Dezember  1897. 

Dr.  Carlo  Freiherr  von  Erlanger,  in  Niederingelheim,  ernannt  am  18. De- 
zember 1901,  gestorben  in  Salzburg  am  4.  September  1904. 


9 


—    130    — 


Vom 


Verein  fikr  Geographie  und  Statistik  verliehene 


Auszeichnungen. 


I.    Die  Nordenskiöld-Medaille : 

(in  Gemeinschaft  mit  den  geograpliiBchen  Oeselisohaften  von  Berlin,  Bremen,  Dresden, 

Halle,  Hambarg,  Hannover,  Leipzig  und  M&nchen): 

1885.  Adolf  Erik  Freiherr  von  Nordenskiöld  in  Stockholm,  (f) 


II.    Die  Rüppell-Medaille  in  Gold: 

1894.    Hermann    von   Wissmann    in    Gut    Weißenbach    bei 

Lietzen  (Obersteiermark),  (f) 
1896.  Julius  Euting  in  Straßburg. 
1903.  Sven  von  Hedin  in  Stockholm. 
1906.  Theobald  Fischer  in  Marburg. 

1909.  Adolf    Friedrich    Herzog    zu    Mecklenburg     in 

Rabensteinfeld  in  Mecklenburg. 

1910.  Emest  H.  Shackleton  in  London. 


III.    Die  Bappell-Medaille  in  Silber: 

1904.  Karl  G.  Schillings  in  Düren. 

1905.  Bernhard  Hagen  in  Frankfurt  am  Main. 

1906.  Wilhelm  Fil ebner  in  Berlin. 


—     131     — 


Übersicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben 

im  Jahre  1908/1909. 


Einnahmen: 

Saldo  des  Jahres  1908/1909 M    138.70 

Zinsen ,  778.77 

Beiträge  von  626  Mitgliedern „  9348.— 

Verkauf  von  Beikarten „  296. — 

Ararialbeitrag „  600. — 

Ein  Geschenk „  100.— 

Verkauf  von  Jahresberichten „  21. — 

Verkaufte  Effekten „  9122.85 

Entnahme  aus  der  Vereinsbank ^  2471. — 

Für  die  Elbert-Sunda-Expedition _,  11633.10 

Ausgaben: 

Honorare -  jH  2590.— 

Saalmiete „  1635.— 

Lichtbilder  und  Ausstellungen „  241.65 

Inserate ,  288.12 

Bibliothekariatbeitrag ,  697.43 

Gehalt  des  Vereinsdieners ,  400. — 

Auslagen  für  Porti,  Depeschen  usw „  415.40 

Auslagen  bei  Anwesenheit  der  Redner      .     .     .    .  „  439.15 
Auslagen   anläßlich   der  Festveranstaltungen  vom 

15.  und  29.  März  1909 „  671.55 

Vereinsregister „  11.05 

Drucksachen,  Bücher,   Buchbinder „  462.75 

Geographentag „  165.20 

Ankauf  von  Effekten ,  240580 

Kleinere  Auslagen ,  239.20 

Für  die  Elbert-Sunda-Expedition ,  23733.77 

Saldo  auf  neue  Rechnung ^  112.35 


M  34  508.42 


M  34  508.42 


—    133    ^ 


Seite 
A.  Wissenschaftliche  Mitteilnn^eB. 

Ans  den  Vorträgen: 

Adolf  Friedrich  Herzog  zaHecklenbnrg:  Die  Deutsche 

wissenschaftliche  Zentral-Afrika-Ezpedition  1907/06     ...      38 
Benignus,  S.:  Wissenschaftliche  und  wirtschaftliche  Studien 
im    argentinischen    und    chilenischen   Patagonien   und   auf 

Feuerland 26 

Berger,  A. :  In  Afrikas  Wildkammem 92 

Dyroff,  K. :    Die  Märchen   der  Tausendundeinen  Nacht  auf 

ihrer  Weltwanderung 15 

Frobenius,  L. :    Unter  deutscher  und  französischer  Fahne 

Yon  Senegambien  über  Liberia  und  Timbuktu  nach  Togo    .      81 
Grcim,  G.:  Neuere  Ansichten  über  den  Aufbau  der  Alpen  88 

Grothe,  H. :  Natur-  und  Wirtschaftsbilder  aus  Mesopotamien  69 
Hagen,  B. :  Über  die  Bevölkerung  der  Philippinen  ....  89 
Hedin,   S.   von:    Meine   neueste    große  Forschungsreise   in 

Tibet  1906—1908 46 

Jaeger,   F.:    Zum  Hochland   der  Riesenkrater   in   Deutscfa- 

Ostafrika 16 

Ealbfus,  H.:  Die  Albulabahn 18 

Kauffmann,  0.:   Durch  unerforschte  Gebiete  yon  Gochin  in 

Britisch-Indien 64 

Kirschstein,  F.:  Im  Bannkreis  der  Virunga- Vulkane  .    .    .      68 
Klaatsch,  H. :   Die  Eingeborenen  Australiens   und   die  Ur- 
geschichte der  Menschheit 6 

Mann,  0.:  Über  meine  Reise  im  türkischen  Kurdistan   ...      23 
M ertön,  H. :  Eine  zoologische  Forschungsreise  nach  den  süd- 
östlichen Molukken 28 

Merzbacher,  G. :  Yon  meiner  neuen  Forschungsreise  in  den 

Tian-Schan  1907—1908 66 

Müllendorff,P. :  Vom  indischen  Ozean  zum Victoria-Nyansa      86 
Ohnefalsch-Richter,   M.:    Dreißig  Jahre   englischer  Ok- 
kupation und  die  heutige  Bedeutung  Gjrpems  für  die  orien- 
talische Frage 24 

Paquet,  A.:  Durch  Sibirien  und  die  Mongolei 72 

Passarge,  S.:  Algier 71 

Römer,  F.:  Die  Tiefsee 80 

Sapper,  K.:  Neu-MeoUenburg 79 

Barre,  F.:  BOm  in  MetopotMoien  itt  Winter  1907/08  .    »    »     81 


—     134    — 

Seit« 
Schott,  G. :    Sldzzen   aus  westindischen  Reyolationsgebieten 

mit  besonderer  Berücksichtigung  von  Venezuela     ....  63 

Schwarzlose,  K.:  Bulgarien 9 

—  —             Montenegro 33 

—  —             Rumänien 62 

Sei  er,  C. :  Von  Mexiko  nach  Guatemala 22 

Shackleton,    E.  H. :    Die    englische   Sftdpolar -  Expedition 

1907—1909 75 

Stein,  M.A.:    (Geographische  und  archäologische  Forschungs- 
reisen in  Zentralasien  1906—1908 84 

Tafel,  A. :  Meine  Reisen  in  Osttibet 14 

Vall entin,  W. :  Streifzüge  durch  Argentinien 74 

Wettstein:    Vergleiche    deutscher    Überseearbeit    in    Süd- 
brasilien, Deutsch-Südwestafrika  und  der  Kapkolonie  ...  20 
Zahn,  W.  von:  Der  Isthmus  von  Tehuantepec 22 

B.  Geschäftliche  Mitteilongeii. 

Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins  in  den  Jahren  1906/09 

und  1909/10 97 

Vorstand  und  Ämterrerteilung 109 

Mitgliederverseichnis 111 

Vom   Verein   für  Geographie    und   Statistik   verliehene  Aus- 
zeichnungen       130 

Obersicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben  im  Jahre  1908/09  .     .  131 


-wa/l/7/2/ '^/Z/l/U'v- 


Jahresbericht 

des 

Frankfurter  Toreins 

fllr 


Greographie  und  Statistik 


Fflnfnndsiebzigster 

und 

Seehsandsiebzigster  Jahrgang. 
1910—1911  und  1911—1912. 


Im  Namen  des  Vorstandes  herausgegeben 


Ton 


Professor  Dr.  Hermann  Traut^ 

Bibliothekar  an  der  StadtbibUothek, 
Generaliekretar  des  VereiiiB. 


'♦'•-•- 


Frankfurt  am  Main. 

Druck  and  Yerlag  Ton  Oebrttder  Knaner. 

1912. 


Wissenschaftliche  Mitteilungen. 


Die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  der 

Sunda-Expedition. 

Von 

Dr.  Johannes  Elbert,  Expeditions-Leiter. 

(Vortrag  gehalten  am  17.  Dezember  1911 
im  „Verein  für  Geographie  und  Statistik"  zu  Frankfurt  a.  M.) 


Die  Jubiläums-Expedition  des  „Vereins  für  Geographie  und 
Statistik"  im  Jahre  1909/10  verfolgte  den  Zweck,  die  Frage 
nach  dem  ehemaligen,  heute  durch  die  Inselwelt  des  indoaustra- 
lischen Archipels  unterbrochenen  Zusammenhang  der  beiden  Fest- 
länder Asien  und  Australien  einer  Lösung  näher  zu  bringen. 
Heute,  am  Tage  des  75  jährigen  Bestehens  der  geographischen  Ge- 
sellschaft, möchte  ich  Ihnen  in  Kürze  die  hauptsächlichsten  Resultate 
vortragen,  die  eingehend  in  meinem  Werke*)  behandelt  werden. 

Eine  auffallende  Tatsache  besteht  in  dem  Vorkommen  einer 
altertümlichen  Tierwelt  in  Australien,  der  Beutel-  und  Kloaken- 
tiere, jener  Vorfahren  unserer  Säugetiere.  Zoologen  und  Geologen 
erklären  ihre  Erhaltung  durqh  eine  frühzeitige  Isolierung  Austra- 
liens, nehmen  aber  für  eine  spätere  Epoche  eine  Verbindung 
Asiens  mit  Australien  an.  In  der  jüngeren  Tertiärzeit  bestand 
im  Gebiete  des  indoaustralischen  Archipels  ein  Meer,  aus  welchem 
allmählich  ein  Land  emporstieg,  zur  selben  Zeit  nämlich,  als 
die  Kräfte  der  Erde  auf  den  Festländern  die  großen  Gebirge 
auftürmten.  Asien  wuchs,  eine  Kulisse  nach  der  anderen  in 
den  indischen  Ozean  hinausschiebend,  Australien  entgegen,  wie 
wahrscheinlich  auch  umgekehrt.  Dieser  Umstand  berechtigt  uns 
aber  zu  folgenden  Fragen:  1.  Näherten  sich  die  Festländer 
einander  oder  2.  durchdrangen  sich  die  vorgeschobenen  Faltenzüge 
und  bildeten  einen  zusammenhängenden  Kontinent,  oder  aber  er- 
zeugten sie  3.  nur  insulare  Regionen  mit  temporären  Notbrücken? 

*)  Dr.  Johannes  Elbert:  Die  Sonda-Ezpedition  des  Verems  für  Geo- 
graphie und  Statistik  zu  Frankfurt  a.  M.,  Festschrift  zur  Feier  des  76  jährigen 
Bestehens  des  Vereins,  Band  I,  Frankfurt  a.  M.,  Hennann  Minjon,  1911. 
Band  II  ist  im  Druck. 


—     6     — 

Der  erste  Versuch  einer  Lösung  dieser  Fragen  ging  von 
den  Tiergeographen  aus.  Die  ärmliche  Tierwelt  Australiens 
wanderte  der  reichen  Fauna  Indiens  entgegen.  Schon  den  Natur- 
forschern in  den  ersten  Jahrzehnten  des  19.  Jahrhunderts  ist 
ein  Unterschied  zwischen  der  Lebewelt  der  westlichen  Großen 
Sunda-Inseln  und  der  östlichen  Kleinen,  wie  außerdem  derjenigen 
der  östlichen  Molukken  und  Neu-Guinea  aufgefallen.  Im  Jahre 
1840  sprach  Salomon  Müller  in  seiner  Abhandlung:  „Über 
den  Charakter  der  Tierwelt  auf  den  Inseln  des  Indischen  Archipels, 
ein  Beitrag  zur  zoologischen  Geographie"  im  „Archiv  für  Natur- 
geschichte" den  tiergeographischen  Gedanken  zuerst  in  klarer 
Weise  aus.  Nach  ihm  beginnt  der  australische  Charakter  der 
Fauna  und  Flora  mit  Celebes  und  Flores.  Bereits  ein  Jahr 
vorher,  1845,  versuchte  W.  Earle  auf  geologischer  Grundlage 
die  heutige  Tierverbreitung  zu  erklären.  Die  große  asiatische 
Bank,  so  sagt  er,  habe  Südost-Asien  über  Borneo  mit  Sumatra 
und  Java  verbunden  und  die  australische  Neu-Guinea  mit  den 
Aru-Inseln  vereinigt.  Im  Zwischengebiete  habe  die  vulkanische 
Tätigkeit  die  Inseln  in  fantastische  Formen  geworfen. 

Dann  kam  Alfred  Russell  Wallace,  dessen  An- 
schauungen verschiedene  Wandlungen  durchgemacht  hatten,  bis 
zum  Erscheinen  seines  denkwürdigen  Werkes:  „The  Malay 
Archipelago"  im  Jahre  1859.  Er  teilte  die  ganze  Inselwelt  in 
zwei  Hälften,  eine  indomalayische  und  eine  austromalayische 
Region  und  zog  die  bekannte  Grenzlinie  zwischen  Bali  und 
Lombok,  sowie  weiter  zwischen  Celebes  und  Borneo,  wie  Min- 
danao.  Hier  soll  das  asiatische  und  australische  Festland  mit 
großen  insularen  Regionen  geendet  haben. 

Die  ersten  Gegner  fand  diese  Theorie  in  E.  v.  Märten s, 
der  dieselben  Molluskenarten  auf  Celebes  und  Java  nachwies, 
und  welcher  1876  einen  allmählichen  Übergang  für  die  asiatische 
und  australische  Fauna  annahm.  Demgegenüber  glaubte  G  ünther , 
1880  auf  Grund  der  Fischverbreitung  dennoch  Bali  von  Lombok 
trennen  zu  müssen  und  Jentink  1889,  daß  auf  Grund  der  Säuge- 
tiere ein  Unterschied  mit  Lombok  nicht  bestände.  Auch  die 
Botaniker  begannen,  1890,  eine  scharfe  Trennung  der  asiatischen 
und  australischen  Flora  in  Abrede  zu  stellen. 

Einen  weiteren  Stoß  erhielt  die  Wallacesche  Theorie  durch 
die  ichthyologisclien  Untersuchungen  von  Max  Weber.    Dieser 


—     7     — 

konstatierte  eine  auffallende  Abnahme  der  Süßwasserfische  von 
West  nach  Ost,  welche  bereits  auf  Java  einsetzte  und  auf  Bali 
sich  vergrößerte,  dann  besonders  zwischen  Celebes  und  Borneo 
auffiel.  Infolgedessen  nahm  er  für  Celebes  eine  im  hohen  Grade 
verarmte  indische,  nicht  australische  Pischfauna  an.  Weber 
versuchte  weiter  auch  seine  Auffassung  auf  die  Kleinen  Sunda- 
Inseln  auszudehnen,  doch  lag  ihm  leider  von  der  Insel  Lombok 
nur  ein  Exemplar,  eine  Cyprinide,  also  ein  echter  westmalayischer 
Fisch  vor.  Dieser  stammte  aber  außerdem  noch  von  der  West- 
küste, wo  Balier  und  Sasaker  Fischzucht  in  Teichen  treiben, 
sodaß  dieser  Fund  an  Beweiskraft  verliert.  Wallace  betonte 
dann  auch  noch  einmal  im  Jahre  1895  in  der  zweiten  Auflage 
seines  „Island  Life"  in  aller  Schärfe  die  Gegensätze,  welche 
etwa  so  groß  wären,  wie  zwischen  England  und  Japan.  Nur 
Celebes  galt  seit  langem  schon  als  ein  Mischungsgebiet  indo- 
raalayischer  und  austromalayischer  Formen. 

Eine  ganz  neue  Phase  beginnt  mit  den  Untersuchungen 
der  Vettern  Sara  sin s.  Diese  Forscher  weisen  der  Straße 
zwischen  Celebes  und  Borneo,  der  Makassar-Straße,  eine  tief- 
greifende Bedeutung  als  tiergeographische  Grenze  zu,  ziehen 
aber  diese  Linie  weiter  durch  die  Java-See  südlich  Borneo  nach 
West  und  lassen  sie  blind  endigen;  die  Lombok-Straße  abej' 
bezeichnen  sie  als  eine  Grenzlinie  zweiten  Ranges  und  wenden 
sich  gegen  die  Ansicht  von  Kükenthal,  der  selbst  der  Makassar- 
Straße  eine  besondere  Bedeutung  abspricht. 

Nach  den  grundlegenden  Untersuchungen  der  Sarasins 
setzt  sich  die  Fauna  von  Celebes  aus  4  Komponenten  zusammen, 
Tieren,  welche  auf  ehemaligen  Landverbindungen  von  Java, 
Flores,  den  Philippinen  und  den  Molukken  eingewandert  sind. 
An  der  Hand  der  zoologischen  Ergebnisse  wird  der  Versuch 
gemacht,  diese  Landbrücken  zu  rekonstruieren  und  eine  geologische 
Entwicklungsgeschichte  der  indoaustralischen  Inselwelt  zu  geben. 

Aus  diesem  Stande  der  Frage  nach  der  Bedeutung  der 
Wallaceschen  Linie  ersieht  man  zugleich  die  von  der  Sunda- 
Expedition  auszuführenden  Aufgaben.  Zuerst  mußte 
die  tier-  und  pflanzengeographische  Seite  neu  geprüft,  dann  aber 
die  geologische  Unterlage  festgestellt  werden. 

Besonders  geeignet  für  die  tiergeographischen  Zwecke  sind 
die  Flußfische,  da  diese  durch  das  Gebundensein  an  süßes 


Wasser  nicht  imstande  sind,  Ueeresanne  zu  überschreiten,  dann 
Amphibien  und  Reptilien,  sowie  Mollusken.  Die  Untersuchung  der 
von  mir  gesammelten  2500  Fische  durch  Fräulein  Dr.  C.  Popta>- 
Leiden  führte  zu  folgendem  Resultat :  Die  echten  Süßwasserfische 
der  Inseln  Lombok  und  Sumbawa  tragen  einen  ausgesprochenen 
indomalayisclien  Charakter,  und  die  vom  Meere  eingewanderten 
Arten  sind  Östlichen  Ursprungs.  In  ichthyologischer  Be- 
ziehung bilden  also  Lombok  undSnmbawa  dieFort- 
setzung  des  asiatischen  Festlandes  über  Malakka, 
Sumatra,  Java  und  Bali.  Lombok  und  mehr  noch 
Sumbawa  zeigen  weiterhin  eine  starke  Verarmung 
indomalayischer  Formen  und  bilden  das  Übergaugs- 
gebiet  zur  austromalayischen  Region. 

Wb.  1.  Tabellariaehe    ZuummeuBtellang 

der  Flaehfamilien  and  -gattangea. 


—    9    — 

Was  die  Nachbarinseln  betrifft,  so  unterscheidet  sich  Lom- 
bok  von  Sumbawa  durch  seine  westmalayischen  Cyprinodonten, 
von  Celebes  durch  seine  Cypriniden  und  von  Java  und  Borneo 
durch  das  Vorkommen  einer  ostmalayischen  Form:  Eleotris 
gyrinoides. 

Die  Untersuchungen  lehren  jedoch  nicht  allein  das  Vorhanden- 
sein einer  aus  west-  und  ostmalayischen  Elementen  bestehenden 
Mischfauna,  sondern  die  Tatsache  der  Bildung  neuer  Arten  und 
Varietäten  zeigt  auch  eine  frühzeitig  erfolgte  Isolierung  Lora- 
boks  und  Sumbawas.  Daß  die  letzten  beiden  Inseln  länger  mit- 
einander in  Verbindung  gestanden  haben,  zeigt  das  gemeinsame 
Vorkommen  einer  neuen  Rashora-Ait, 

Über  die  Zeitdauer  der  Umwandlung  der  ostmalayischen 
Meeres-  in  Süßwasserfische  machte  ich  in  Sumbawa  folgende 
interessante  Beobachtung.  Im  westlichen  Teil  der  Insel  liegt 
ein  12  km  langer  und  3  km  breiter  morastiger  See,  der  zur 
Zeit  der  Trennung  Sumbawas  von  Lombok  bei  der  Bildung  der 
Alas-Straße  entstand,  und  welchen  später  eine  Hebung  vom 
Meere  abgeschnitten  hat.  Sein 'Wasser  wurde  im  Laufe  der 
Alluvialzeit  ausgesüßt,  und  heute  enthält  es  eine  Reihe  von 
umgewandelten  Meeresfischen.  Dieser  Vorgang  der  Artenbildung 
vollzog  sich  also  in  verhältnismäßig  kurzer  Zeit. 

Verfolgen  wir  nun  an  der  Hand  einiger  Tabellen  (Tab.  1) 
die  Verbreitung  der  Süßwasserfische  im  Archipel: 
Die  Cyprinodonten  reichen  vom  asiatischen  Festlande  bis  Lom- 
bok, die  Cypriniden  und  Sjrmbranchiden  bis  Sumbawa,  die 
Ophiocephaliden  bis  Flores,  die  Anabantiden  und  Gobiiden  bis 
Timor.  Die  östlichen  Formen  gehen  von  Australien,  bezw.  Neu- 
Guinea  durch  den  ganzen  Archipel  bis  Asien.  Noch  deutlicher 
wird  die  Verbreitungsart  nach  den  Gattungen:  Barbus  und 
Haplochilus  findet  sich  von  Malakka  nur  bis  Lombok,  Rasbor a^ 
ClariaSy  Monopterus  bis  Sumbawa,  Anabas  bis  Timor  und  Sycidium 
bis  Wetar.  Eine  Wanderung  vom  asiatischen  Festlande  über 
Borneo  nach  Celebes  machten  die  Cyprinodonten  und  vielleicht 
auch  die  Symbranchiden,  welche  Familien  bis  in  die  Molukken 
vordrangen. 

Jetzt  möchte  ich  die  Verbreitung  der  Reptilien  und 
Amphibien  an  der  Hand  von  Tabellen  (Tab.  2)  vergleichen: 


Tab.  2.   Tabellariselie  Zasammenstellnng  der  wiebtigsteii 
Reptilien  uud   Ampblbieu  des  iiidoaastraUsefaeH  Aretaipels. 


.  Qymnodactjlus  jellesmae  Bigr. 

I.  Hemidactylna  frenatuB  D.  B 

I.  Qecke  verticiUatos  Laur.  , 
..      „       monarchuB  Schleg. 

1.  Draco  voUns  L 

i.      „      beecari  Pbs.  Der.     .     , 

I.  Calotes  criBtatellQi,  Kohl .     . 
I.  Lophnra  £ri 
>.  Varanns 

..  Hkbnia  mnltifosciata  Kahl    . 
i.        „       mdis  Slgr.  . 
I.  Lygosoma  Tariegatnm  Petra. 
„  LesB. 

I.       „  cyonnmm  Less. 


I,        „  Temraincki  D.  B.  . 

I.        „  florense,  M.  Welwr 

L        „  chalcidis  L.  . 

.  DlbamuB  D  B, 

I.  Tbjphlops  braminns  Dand. 
I.        „  Blbcrti,  J.  Rom  . 

;.        „  ater  Scbleg.     .     . 

I.  Fbyton  reticnlatas  Sehn.  . 
i,        „      moloruB  L.   .     .     . 
'.  Coluber  OKycepbalaa  Boie. 
I.        „       subradiatna  Schleg.  . 
>.        ,,       erythraraa  D.  B 
I.        „       radiatas  .    .     . 

Boie  , 
!.  Boie. 

I.  Lycodon  aallciis  L.  .  .  . 
^.  „  anbcJDctus  Boie, 
i.  Chrysopelea  ornata  Shaw. 
i.  DoBdropbis  pictna  Omcl.  . 
f.  Paammndynastes  pulverulentusBtiie, 
I.  PaeodorhabdiiiDi  longiceps  Can, 


Auf  der  Expedition  wurden  40  verschiedene  Arten  (s.  Tab.  2  *) 
gesammelt  und  in  der  Zusammenstellung  durch  22  andere  vervoll- 
.stäudigt,  jedoch  mußten  alle,  im  Gebiete  weit  verbreiteten  Arten, 
die  für  unsere  Schlußfolgerungen  bedeutungslos  sind,  fortgelassen 
werden.  Die  Bestimmung  dieser  Tiergruppen  wurde  von  Herrn 
Dr.  J.  Roux -Basel  ausgeführt. 

Von  den  westmalayischen  Arten  finden  sich  Draco  monarehtts 
von  Malakka  bis  Java  und  Draco  volans,  Bufo  biporcatus  bis 
Lombok,  Gymnodadylits,  Htmidadylus  und  Lachesis  gratnmineus 
bis  Sumbawa,  dann  Dry<^his,  Dendrophis,  Rkacopkorus,  Callula, 
Oxygiossus  bis  Plores,  resp.  Timor,  ferner  Mabuia,  Lycodon, 
Cylindrophis  und  Rana  tigrina  bis  Wetar,  andere  sctiließlich  wie 
Cerberus  rhynchops,  Hi^irhina  plumbea,  Cyclem^s  bis  Australien, 


—     12    — 


bezw.  Neu-Guinea.  Die  papuasischen  Reptilien  kamen  zum  Teil 
von  Osten  über  Wetar,  Flores,  Sumbawa  bis  Lombok,  mehrere 
Lygosoma-Arten  finden  sich  nur  bis  Flores,  bezw.  Timor,  aber 
ein  papuasischer  Frosch,  Rana  modesta,  wurde  noch  auf  Lombok 
nachgewiesen.  Ein  anderes  Reptil  Draco  retictdaris  stammt  von 
den  Philippinen  und  gelangte  über  Celebes  nach  Lombok;  den- 
selben Weg  nahm  das  celebensische  Amphibium  Spetwjyhryney 
nämlich  über  Sumbawa  nach  Lombok. 

Betrachten  wir  nun  die  folgende  Tabelle  (Tab.  3) :  Von 
den  westmalayischen  Arten  kommen  noch  23  auf  der  Insel 
Lombok  vor,  9  sind  bis  Wetar  vorgedrungen.  Weiterhin  finden 
sich  5  ostmalayische  Arten  auf  Lombok,  7  auf  Flores,  femer 
nur  2  papuasische  auf  der  ersten,  3  auf  der  letzten  Insel  und 
schließlich  auf  Wetar  4  Formen,  jedoch  dürften  wohl  später  die 
bis  jetzt  noch  nicht  gesammelten  echt  papuasischen  Arten  von 
Lombok  und  Flores  auch  auf  Wetar  gefunden  werden. 

Tab.  3.   Die  Yerbreitangsart  der  Reptilien  und  Amphibien 

im  indoanstralischen  Archipel. 


Anzahl  der  Arten 

Westmalayische 
Ostmalayische    .     . 
Papuasische       .     . 


Lombok       Sumbawa 


Flores 


Wetar 


23 

15 
5 
2 


18 

4 

2(7?) 


22 

14 
7 
3 


9 

6 

4  (7?) 
1  (4?) 


Gemeinsame  Arten      Westmalayische!  Ostmalayische  '    Papuasische 


Lombok  mit  Java 

,,    Sumbawa 


»» 


Celebes  . 


„  „    Philippinen 

Sumbawa  mit  Flores  . 
„  „   Celebes  . 

„  „   Philippinen 

Flores  mit  Wetar  .    . 
,,       „    Celebes 
f,       „    Philippinen 
W  etar  mit  Celebes 


15 

8 
13 
13 

9 
10 
10 

4 

13 
13 

3 


3  1 

4  2 

2  1 

3  1 
3  1 

2  ;          1 

2  I  1 
6  3 

3  3 
1  I              1 


Die  untere  Zusammenstellung  der  Tabelle  lehrt  die  Ver- 
wandtschaft der  einzelnen  Inseln  miteinander.  Von  den  23  west- 
malayischen    Arten    Lomboks    sind    15   javanisch,    die    übrig- 


—    13    — 

bleibenden  8  auch  celebensisch  und  philippinisch,  aber  auch 
sumbawanisch.  Demnach  müssen  ein  Teil  der  westmalayischen 
Formen  vom  asiatischen  Festlande  über  Java,  ein  anderer  über 
Borneo,  via  Celebes  und  Sumbawa  nach  Lombok  gekommen 
sein.  Celebes  besitzt  etwa  die  doppelte  Anzahl  westlicher  Arten 
gegenüber  Lombok,  weist  also  eine  größere  Verwandtschaft  mit 
Java  auf  als  die  letzte  Insel.  Flores  und  Lombok  haben 
nun  noch  mit  Celebes  und  den  Philippinen  13  westliche  Arten 
gemeinsam,  wodurch  wiederum  eine  enge  Beziehung  mit  Celebes 
hervorgeht. 

Auf  die  geographischen  Fragen,  welche  sich  durch  die 
Betrachtung  der  anderen  Tierklassen  ergeben,  will  ich  nicht 
näher  eingehen,  da  ich  sonst  die  Untersuchungen  der  Sarasins 
wiederholen  müßte.  Nur  über  die  Säugetiere  soll  noch  fol- 
gendes ergänzend  hinzugefügt  werden:  Die  Affen,  vor  allem 
Nemestrinus  verfolgte  ich  von  Lombok  über  Sumbawa  bis  Timor 
und  Pithecus  bis  Sumbawa.  Sie  nehmen  auffallender  Weise  von 
West  nach  Ost  bedeutend  in  ihrer  Größe  ab.  Für  die  auf  Wetar 
gesehenen  Tiere  möchte  ich  jedoch  eine  Einfulir  von  Timor  her 
annehmen.  Das  westliche  Schwein,  Sus  verrucosus,  traf  ich 
noch  bis  Wetar  an ;  das  Stachelschwein,  Acanthion^  lebt  noch  auf 
Flores  und  in  einer  der  javanischen  ähnlichen  neuen  Art  auf 
Sumbawa.  In  der  Südost-Halbinsel  von  Celebes  finden  sich 
femer  neben  den  australischen  Phalanger  mehrere  asiatische 
Eichhörnchen,  Sciurus,  unter  denen  eine  Art  von  Herrn  Dr. 
Schwarz- Frankfurt  als  neu  nachgewiesen  wurde. 

Die  tiergeographischen  Untersuchungen  lassen  also  folgende 
Schlüsse  zu:  Die  indomalayische  Tierwelt  nimmt  von 
West  nach  Ost  an  Artenzahl  ab,  und  die  austro- 
malayische  bezw.  ostmalayische  von  West  nach 
Ost  zu,  ohne  daß  eine  scharfe  Grenze  zwischen 
beiden  Mischungskomponenten  irgendwo  zu  beob- 
achten wäre.  Der  Verarmung  der  asiatischen  Fauna  von 
West  nach  Ost  folgt  eine  Anreicherung  mit  australisch-papu- 
asischen  Elementen.  Ferner  ergibt  die  Tiergeographie 
eine  doppelte  Verwandtschaft  von  Celebes  mit 
der  südlichen  Inselkette  von  Lombok,  Sumbawa, 
Flores,  Timor.  Auf  einer  vermutlichen  Landbrücke 
im    westlichen   Teile    wanderten    wesentlich   indo- 


—     14     — 

malayische  Tiere  von  Nord  nach  Süd  und  auf  einer 
zweiten  im  östlichen  Teile  austromalayische  von 
Süd  nach  Nord.  Zwar  spricht  die  Verwandtschaft 
zwischen  der  Tierwelt  Lomboks  mit  Java  für  einen 
früheren  Zusammenhang,  doch  muß  dieser  eher  zer- 
stört sein  als  die  Verbindung  mit  Celebes,  zu 
welcher  Zeit  Lombok  undSumbawa  noch  ein  Ganzes 
bildeten. 

Verlangt  die  Tiergeographie  die  Annahme  von  alten  Land- 
verbindungen,  so  werden  diese  auch  von  der  Pflanzen- 
geographie bestätigt,  mit  dem  Unterschiede  nur,  daß  die 
Argumente  weniger  zwingend  sind,  da  die  Verbreitung  der 
Pflanzen  auch  unter  Umständen  auf  dem  Wasserwege  erfolgen 
kann.  Der  Botaniker  War  bürg  war  der  erste,  welcher  auf 
den  Bergspitzen  von  Celebes  australische  Relikten  nachwies. 
Wie  die  Sarasins  auf  zoologischer  Grundlage,  so  kommt 
dieser  Forscher  auf  botanischer  zu  der  Annahme,  daß  1.  die 
Makassar-Straße  ein  hohes  Alter  haben  müsse,  da  sie  ganz  ver- 
schiedene Pflanzenregionen  von  einander  trennt,  und  2.,  daß 
eine  Verwandtschaft  der  Flora  mit  Java,  wie  überhaupt  im 
allgemeinen  mit  Indien,  bestehe. 

Meine  botanischen  Untersuchungen  auf  dem  Rindjani- 
Vulkan  Lomboks  führten  zu  dem  Resultat,  daß  die  Pflanzenwelt 
der  indischen  Florenregion  angehört,  die  Lombok-Straße  also  keine 
Grenze  zwischen  dem  indischen  und  australischen  Reiche  bilden 
kann.  Ich  fand  sogar  eine  auffallende  Übereinstimmung  zwischen 
der  Gipfelflora  des  Rindjani  und  der  Vulkane  Javas.  Die  defi- 
nitiven Bestimmungen  Dr.  H all iers- Leiden  bestätigten  meine 
Resultate  und  zeigten  ferner  das  Vorkommen  von  timoresischen 
und  australischen  Typen  in  tieferen  Höhenlagen  bis  etwa  1650  m 
auf  Lombok,  u.  a.  einer  timoresischen  prächtigen  Winde  Siicto- 
cardia  pulchra,  einer  australischen  Ipomoea  plebeja  und  weiter 
einer  australisch-papuasischen  Lilie:  Emtrephus^  sowie  einer 
aus  der  entwicklungsgeschichtlich  hochstehenden  Familie  der 
Bignoniaceen :  Pandorea. 

Weiterhin  ergab  die  Bearbeitung  der  auf  den  östlich  sich 
anschließenden  Inseln  Sumbawa  und  Flores  gesammelten 
Pflanzen  eine  durchweg  indische  Flora  mit  einzelnen 
australischen    Arten.      Nur    auf    Sumba,    Timor    und 


—     15     — 

Wetar  wird  der  Charakter  durch  die  Eucalyptus-Bäuirie, 
welche  wie  immer  auf  große  Strecken  alle  anderen  verdrängen, 
ein  australischer.  Doch  auch  auf  Wetar  beobachtete  ich 
noch  zahlreiche  indische  Pflanzen. 

Zwischen  der  südmalayischen  Kette  und  Celebes  bestehen 
floristisch  zwei  große  Unterschiede.  1.  In  dem  zweiten  Gebiete 
treten  die  australischen  Pflanzen  nur  in  höheren,  und  dem  ersten 
in  tiefer  liegenden  Teilen  auf,  und  2.  verschieben  sich  noch 
auf  Celebes  die  Vegetationsregionen  nach  unten  hin  voll- 
ständig. Während  auf  Lombok  die  Gewächszonen  sich  nämlich 
im  großen  und  ganzen  an  die  von  Java  und  dem  asiatischen 
Festlande  bekannten  Verhältnisse  anschließen,  gehen  die  gemäßigte 
und  kühle  Region  auf  Celebes,  in  derselben  Weise  wie  auf  Borneo, 
etwa  800 — 1000  m  tiefer  zur  Ebene  hinab.  Die  Gipfelflora  mit 
ihren  Ericaceen,  wie  Vaccinium^  Rhododendron,  dann  Myrtaceen, 
wie  Leptospermum,  reicht  hier  bis  etwa  500 — 550  m  ü.  M.,  während 
die  Pflanzen  der  gemäßigten  Vegetationszone,  wie  Sonnentau, 
Lobelien,  Enzian  und  Erica-artige  noch  in  der  Rumbia-Ebene 
von  Südost-Celebes  leben. 

Die  Verarmung  der  asiatischen  Flora  von  West  nach  Ost, 
und  umgekehrt  das  Vordringen  der  australischen  von  Ost  nach 
West  dürfte  aber  außer  in  den  ehemaligen  Landverbindungen 
wesentlich  in  klimatischen  Verhältnissen  zu  suchen  sein.  Bei 
der  früheren  größeren  Ausdehnung  des  Festlandes,  vor  allem 
von  Australien  nach  Nord  wird  der  Einfluß  der  australischen 
Depression  noch  weiter  gereicht  haben,  als  heute.  Meine  mete- 
orologischen Beobachtungen  auf  dem  Rindjani  Lomboks  zeigen 
auch,  daß  hier  zu  Zeiten  in  größeren  Höhen  bereits  der  austra- 
lische Monsun  weht  und  nicht  etwa  der  asiatische  Südost-Passat 
wie  auf  Java. 

Mögen  uns  diese,  auf  tier-  und  pflänzengeographischer 
Basis  beruhenden  Untersuchungen  unserem  Ziele,  der  Rekon- 
struktion von  ehemaligen  Landbrticken,  näher  bringen,  so  gewinnt 
die  Tlieorie  erst  festen  Fuß,  wenn  die  Geologie  die  angenommenen 
Verbindungen  bestätigt.  Auf  die  geologische  Entwicklung 
des  indoaustralischen  Archipels  übte  die  Verteilung  der  archä- 
ischen, sowie  paläozoischen  Formationen  einen  wesentlichen  Einfluß 
aus.  Man  gewinnt  sogar  den  Eindruck,  daß  alle  Gebirgsbildungen 
nur  auf  einer  Wiederbelebung  der  Gebirge  des   unterlagemden, 


—     16    — 

paläozoischen  Rumpfes  beruhen.  Dieser  ist  im  Laufe  der 
späteren  Erdepochen  immer  mehr  zum  indischen  und  pazifischen 
Ozean  abgesunken  und  hat  in  seinen  Randgebieten  Stauungen 
hervorgerufen,  die  zur  Bildung  des  tertiären  und  diluvialen 
Festlandes  geführt  haben.  Die  kristalline  Schieferformation 
geht  nun  von  Hinterindien  bis  Sumatra  nnd  über  Bomeo  nach 
Celebes,  von  da  über  die  Bangai-  und  Sula-Inseln,  über  Batjan, 
Buru,  Ceram  bis  nach  Neu-Guinea.  Die  Permformation  Australiens 
findet  nach  Nord  ihre  Fortsetzung  auf  Timor,  wo  sie  mit  den 
ürschiefem  vorkommt.  Das  Rumpfgebirge  zieht  nun  von  Timor 
über  Letti,  Kisar,  Sermata,  Babar  und  die  Kei-Inseln ;  Neu-Guinea 
vermittelt  die  Verbindung  beider  Züge.  Innerhalb  von  diesen, 
dem  australischen  und  pazifischen,  entwickelte  sich  später  vor 
allem  das  tertiäre  und  diluviale  Gebirge.  Daß  seine  Faltung 
in  dem  alten  Rumpf  einen  Widerstand  fand  und  nicht  frei  zur 
Ausbildung  gelangen  konnte,  macht  sich,  wie  anderswo,  auch 
hier  bemerkbar. 

Im  Miocän  etwa  begann  der  erste,  der  burmanische 
Faltenzug  von  Hinterindien  aus  sich  in  diese  Lücke  hinein- 
zuschieben und  einzweiter,  paralleler,  dürfte  ihm,  entsprechend 
der  Verteilung  und  Ausbildung  des  Neogens,  erst  in  der 
Pliozänzeit  gefolgt  sein.  Der  erste  Faltenwurf  des  malay- 
ischen  Bogens  lief  am  Innenrande  des  australischen  Gebirgs- 
rumpfes  entlang,  von  Timor  über  die  Inseln  Letti,  Babar, 
Tenimber,  Kei  nach  Ceram,  und  schloß  sich  an  das  westliche 
Neu-Guinea  an.  Im  Zusammenhang  mit  dieser  Gebirgsbildung 
hat  man  eine  Verbindung  des  Timor-Archipels  mit  Neu-Guinea 
zu  suchen.  Während  der  erste  Faltenzug  den  alten  Formationen 
folgte,  hob  der  zweite  jüngere  vor  allem  das  Tertiär  und  ging 
von  Mores  über  Wetar,  Roma,  Banda  nach  Ambon  und  machte 
den  westlichen  Teil  von  Hinterindien  bis  Flores  zum  Festlande. 
Mit  der  Entstehung  der  malayischen  Doppelfalte  dürfte  gleich- 
zeitig eine  starke  Absenkung  des  äußeren  Teiles  zum  indischen 
Ozean  in  einer  Flexur  erfolgt  sein  und  die  Trennung  von  Australien 
bewirkt  haben. 

Hatte  bereits  der  genannte  äußere,  der  Kei-Ceram-Bogen, 
durch  seine  starke  Biegung  und  durch  den  am  alten  Grundgebirge 
gefundenen  Widerstand  eine  starke  innere  Zerrung  erfahren, 
so  mußte  eine  in  noch  stärkerem  Maße  beim  inneren  Banda- 


—     17     — 

Bogen  verursacht  werden.  Die  Torsion  mußte  in  jedem  von 
ihnen  deshalb  eine  Unzahl  von  radialen  Spalten  erzeugen,  welche 
den  Grund  zu  der  späteren  Zerstückelung  dieser 
Ketten  legte  und  die  Inselbildung  beförderte.  Eine  weitere 
Folge  der  zweiten  Faltung  war  ein  Einbruch  zwischen  den 
beiden  Bögen.  Der  bereits  Java  der  Länge  nach  von  West 
nach  Ost  durchziehende  tektonische  Graben  läuft  über  Bali, 
Lombok  bis  Sumbawa.  Seine  Fortsetzung  bildet  die  Sawu-See 
südlich  von  Mores  und  die  Wetar-Straße  nördlich  Timor;  denn 
man  findet  z.  B.  an  der  Ende-Bucht  von  Flores  stark  auf- 
gerichtete, 0-W  streichende  vulkanische  und  marine  Schichten, 
und  0-W  Brüche  an  der  Stidküste  von  Wetar  werden  durch 
Quarzgänge  markiert.  —  Auf  den  Horsträndem  des  Grabens 
türmten  sich  nach  und  nach  die  neogenen  Vulkane  auf,  deren 
Tätigkeit  bis  heute  noch  andauert.  Diese  Vorgänge  erklären 
nun  1.  das  vorwiegende  Auftreten  von  tertiären  Sedimenten  mit 
Einlagerungen  älterer  vulkanischer  Gesteine,  wie  Porphyrite 
Dazite,  Trachyte,  Thephrite  und  älterer  Andesite  in  den  Südhälften 
der  Inseln  Java,  Bali,  Lombok  und  Sumbawa  und  die  Fortsetzung 
der  marinen  Tertiärsedimente  auf  Sumba  und  Timor,  und  2. 
dasjenige  der  jungvulkanischen  Produkte  mit  jüngeren  Andesiten 
in  den  nördlichen  Teilen  der  Inseln  und  ihren  weiteren  Verlauf 
über  Alor,  Roma,  Nila,  Banda,  sowie  über  Ambon  und  Batjan, 
nach  Temate,  Halmahera  und  den  Philippinen. 

Dieser  Periode  folgt  unmittelbar  die  Bildung  einer  Reihe 
kürzerer  Faltenzüge  innerhalb  des  Hauptbogens, 
begleitet  von  dem  allmählichen  Zerfall  der  südlichen  Kette, 
welche  mehrfach  mit  Celebes  in  Verbindung  tritt.  Zwei  Ge- 
birgssysteme  lassen  sich  unterscheiden,  deren  tektonischen  Kräfte 
in  einem  Falle  von  einem  Gebiete  des  Westens,  im  anderen 
einem  des  Ostens  ausgingen.  Diese,  die  westmalayischen  und 
ostmalayischen  Bögen,  treten  zu  je  zweien  zusammen,  durch- 
dringen sich  und  stören  sich  an  anderer  Stelle,  so  daß  zwischen 
ihnen  naturgemäß  bedeutende  Absenkungen  von  Schollen  statt- 
finden müssen.  —  Die  westmalayischen  Bögen  entstanden  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  von  Osten  nach  Westen  nacheinander.  — 
Beide  Faltenzüge  sind  als  Reste  in  den  Gebirgsketten  der  Süd- 
west- und  südöstlichen  Halbinsel  von  Celebes  vorhanden,  die 
westmalayischen    laufen    nahe   den  Westküsten    und    die    ost- 

2 


~     18    — 

malayiscben  den  Ostkästen.  Die  ersten  bilden  eine  Verbindnn 
von  Java  mit  der  südwestlichen  Halbinsel  und  von  Smnbaw 
mit  der  südöstlichen,  die  anderen  verlängern  den  Südwest-Zipfi 
aber  Salayer  nach  Bonerate  und  vermitteln  den  Anschloß  de 
südöstlichen  über  Buton-Muna,  Tukang-besi-Inseln  an  Weta: 
Wie  den  inneren  Bögen,  so  folgen  anch  den  sich  von  ihne 
abzweigenden  Seitenarmen  Vulkane  und,  wie  es  scheint,  bi 
zur  Annäherung  an  das  alte  Giebirge.  Zu  dem  Javab<^n  gf 
hört  der  auf  Celebes  liegende  Bontain,  zum  Bimabogen :  Sutgeaj 
zu  dem  von  Ost-Flores :  Batu  Tara  und  dem  von  Wetar :  Batu  Ap 

In  der  nun  folgenden  Zeit,  dem  Rest  des  Dilu 
viums  und  im  Alluvium,  bewegte  sich  Austrs 
sien  mehrfach  periodisch  auf  und  ab,  Vorgange,  wi 
man  sie  ganz  ähnlich  aus  dem  Ostseegebiete  kennt.  Beid 
Paltenzüge  schufen,  wie  bereits  gesagt,  durch  ihre  starke  B« 
gung  ein  System  von  sich  schneidenden  Torsionsspalten,  zwische 
welchen  das  Land,  vielleicht  »chon  während  seiner  Bildung,  tei! 
weise  einbrach,  und  die  sowohl  die  südliche  Kette  von  neuen 
sowie  ihre  eigenen  Gebirgszüge  zerstückelten.  Dieser  Zerfa 
Austrasiens  wurde  aber  wesentlich  unterstützt  durch  die  Osl 
West-streichenden  und  der  jungen  Faltung  Widerstand  entgegei 
setzenden  Formationen  des  alten  Gebirgarumpfea.  Alle  wesl 
malayiscben  Bögen  nämlich  brechen  auf  Celebes  an  Ost-Wesl 
Spalten  ab  und  enden  an  nord-  und  nordnordöstlich-laafeode 
Grabenbrüchen. 

Die  südöstliche  Halbinsel  besitzt  etwa  folgende  Bruct 
gebiete  auf  ca.  Nord-SUd-Spalten :  Die  Buton-,  Eabaöna-^rafit 
die  Westküste  von  Rumbia  und  Polesng,  wahrscheinlich  auc 
den  Towuti-8ee  und  die  Nordost-Seite  des  Boni-Golfes,  dann  ai 
Ost-West-licben  und  teilweise  zusammen  mit  Nord-Süd-Brüchei 
Die  Kumbia-Gbene  und  -Straße,  die  Ealing-tjussu-,  Mingkoki 
Bucht  und  wahrscheinlich  auch  die  Kendari-  und  Lasolo-Ba 
sowie  die  Nordecke  des  Boni-Busens.  Die  südwestliche  Hall 
insel  erhielt  ihre  äußere  Form  dorch  die  Nord-Süd-laufend 
Salayer-Spalte,  die  den  Boni-Golf  schuf,  und  eine  zweite,  d: 
der  Westküste  von  Gowa  und  Sidenreng  entlang  zieht,  dac 
durch  Ost -West-Einbrüche  au  der  südlichen  Mandar-Kä» 
und  am  Südende  zwischen  Festland  und  Salayer.  Zwei  Nordendi 
schließlich,  weitere  Reste  westmalayischer  Bögen,  scheinen  dt 


—    19    — 

Südost-Zipfel  von  Celebes  am  Boni-Golf  südlich  des  Towuti-Sees 
und  den  südwestlichen  in  der  Mandar-Halbinsel  abzuschließen. 

Zur  weiteren 
Erklärung  der  ge- 
schilderten tekto- 
nischen  Vorgänge 
möchte  icli  etwas 
näher  auf  den 
Bau  der  Süd- 
west-Halbinsel 
vonCelebesein- 
gehen.  (Fig.  1.) 
Sie  besteht  aus 
Teilen  der  archä- 
ischen Formation 
von  ursprünglich 
Ost-West-Strei- 
chen. Wie  bereits 
betont,  bestehen 
hier  zwei  an  - 
nähernd  parallele 
Gebirgszüge,  die 
Ost-  und  West- 
kette, welch  letz- 
tere    im    Süden 

durch  Rumbia 
zieht.  Im  süd- 
lichen Teile  dieser 
Landschaft  liegen 

außerdem    noch 

Ost-West-Iiche 
Bergzüge.  Das 
früher  Ost- West- 
streichende Fal- 
tengebirge wurde 
nun  durch  Über- 
faltung in  ein 
Horstgebirge  um- 
gewandelt.    Sein        Pig.  l.    Kwte  von  Bnablft  In  Sfldoit-CelabM. 


—    20    — 

antiklinaler  Kern  steckt  beim  südlichen  Berglande  im  Tankeno,  nnd 
seine  Südilanke  fällt  in  schuppenförmigen  Schollen  zum  Rumbia- 
Graben  ab,  sodaß  infolgedessen  die  südlichen  Taler  und  Ebenen 
Isoklinaltäler  darstellen.  Die  große  Rumbia-Ebene  jedoch  zwischen 
dem  Tankeno  und  der  Westkette  bildet  ein  grabenärtiges  Ein- 
bruchgebiet. Die  von  Westen  ausgehenden  gebirgsbildenden 
Kräfte  bogen  die  ursprünglich  Ost- West-laufenden  Faltenzüge  in 
der  Richtung  Nordwest-Südost  und  teilweise  bis  Nord-Süd  um ; 
die  alten  Schichtensättel  wurden  durch  die  Torsion  in  keil- 
förmige Schollen  zerlegt  und  diese  selbst  mit  zunehmender 
Drehung  immer  mehr  von  West  nach  Ost  übereinander  ge- 
schoben. Im  Tankeno-Berge  verlagerten  sich  die  Schollen  unter 
spitzem  Winkel  gegeneinander  und  im  nördlichen  Teil  der  West- 
kette sogar  bis  gegen  90®,  sodaß  eine  vollständige  Querlegung 
erfolgte.  Die  Überfaltung  hat  demnach  eine  Kom- 
pensation durch  die  Bildung  von  Schollen  erfahren 
und  statt  eines  Falten-  ein  Bruchgebirge  gebildet. 

Eine  derartige  Tektonik  ist  für  den  indoaustralischen 
Archipel  besonders  kennzeichnend,  und  ich  konnte  sie  von  den 
einfachsten  bis  kompliziertesten  Formen  nachweisen,  z.  B.  auf 
Java  im  Kendeng,  jener  durch  die  Funde  des  Pithecan- 
thropus  berühmt  gewordenen  Bergketten,  die  ihre  Fortsetzung 
über  Madura,  Kangeang  nach  Südwest-Gelebes  nehmen  und  die 
Java-Brücke  bilden.  Ihre  erste  Faltung  vollzieht  sich  am  Ende 
des  Tertiärs  und  eine  weitere  fand  im  Altdiluvium  statt.  Sie 
ist  wegen  der  starken  Torsion  des  Java-Celebes-Bogens  von 
Überschiebungen  und  Zusammenstauchungen  begleitet. 

Die  durch  die  Faltungen  entstandenen  Massendefekte  in 
der  Erdrinde  veranlaßten  in  der  Periode  der  Oszillationen  ver- 
mittels Torsion  gebildeter  Sprünge  einen  Ausgleich  durch  Ein- 
brüche des  Landes,  die  den  gänzlichen  Zerfall  Austrasiens  im 
Verlaufe  der  Diluvial-  und  Alluvialzeit  zur  Folge  hatten.  Eine 
eigentliche  Festlandperiode  für  ganz  Austrasien  dürfte  nach  dem 
Gesagten  wohl  kaum  bestanden  haben,  sondern  vielmehr  nur 
große  insulare  Regionen  mit  temporären  Notbrücken.  Die  vielen 
Meeresterrassen  über  und  unter  dem  Wasserspiegel  weisen  auf 
die  mannigfaltigen  Wandlungen  während  dieser  letzten  Periode 
hin.  Manche  sind  Erosionsbildungen,  andere  stufenförmig  ab- 
fallende Wall-  und  SaumriSe  oder  nur  von  Korallenkalk  um- 


—    21    — 

rindete  Terrainabsätze.  Noch  heute  zeugt  der  bedeutende  unter- 
seeische terrassenförmige  Abfall  Sumbas  zur  Sawu-See  von  der 
großen  Absenkung  des  ehemaligen  Festlandes.  —  Die  zahllosen 
Strandlinien,  die  prächtigen  Konglomeratbildungen  der  frü- 
heren Strandwälle  auf  Celebes,  die  Sandterrassen  von  Bali  und 
Lombok,  sowie  die  ganz  jungen  Korallenriffe  fast  aller  Inseln 
bis  hoch  über  dem  Meere  beweisen  die  Hebung  des  Landes 
zur  Alluvialzeit. 

Die  heutigen  Meeresterrassen  zwischen  den  In- 
seln der  Kette  von  Java  bisWetar  trennen  gar  keine 
verschiedenen  Gebirgssysteme  voneinander,  sondern 
sind  lediglich  spätere,  im  Diluvium  und  Alluvium 
entstandene  Grabenbrtiche.  Auf  Lombok  und  Sumbawa 
stellte  ich  eine  Schaarung  von  ca.  Nord-Süd-lichen  Torsions- 
spalten auf  den  Ost-  und  Westseiten,  unfern  den  Meeresstraßen,  fest 
und  ebenso  kleine  randliche  grabenartige  Einsenkungen  in  ihnen 
benachbarten  Gebieten.  Ein  Teil  der  von  Nord  oder  Süd  ins 
Land  hineingreifenden  Buchten  dürften  meist  weiter  nichts  als 
kleinere  sekundäre  Querbrüche  des  sich  lockernden  Gebirgs- 
bogens  sein. 

Mit  dem  geschilderten  Bau  des  Archipels  stehen  auch  die 
Vulkane  in  enger  Beziehung.  Meine  vulkanischen  Unter- 
sucimngen  auf  Sumatra,  Java  und  Lombok  haben  folgende  Re- 
sultate gezeitigt: 

Die  Vulkane  nehmen  den  Rand  des  zum  indischen  Ozean 
abgesunkenen  asiatischen  Festlandes  ein,  liegen  an  der  Innen- 
seite des  malayischen  Faltenbogens  und  folgen  den  Leitlinien 
der  Gebirgszüge.  Sie  erheben  sich  auf  den  stehengebliebenen 
Uorsträndern  von  Senkungsgebieten  und  ordnen  sich  in  band- 
artigen Gruppen  in  Ost-West-,  auf  Sumatra  in  Nordwest-Südöst- 
liclier  Richtung  an;  in  diesem  Sinne  sind  auch  die  Krater  oft 
ausgezogen.  Spätere  Eruptionsschächte  bilden  sich  vorwiegend 
nörd-  und  südlich  von  älteren  Vulkanen,  folgen  also  Quer- 
spalten, seltener  in  Ost-West-licher  Richtung  den  Horsträndem. 

Die  Vulkane  sind  meist  Ringgebirge,  seltener  Kegelberge 
und  diese  durchweg  die  jüngsten  Bildungen.  Die  ersten  be- 
stehen vorwiegend  aus  Laven,  die  anderen  aus  Zerstäubungs- 
inassen, und  beide  sind  durch  Übergänge  miteinander  verbunden, 
die  neben  Breccien  und  Agglomeraten  vorwiegend  aus  Schlacken- 


—    22    — 

lava  aufgebaut  sind.  Die  Unterlage  der  Wall-,  weniger  der 
Eegelberge,  sind  Lava-Baue,  deren  Magmen  sich  durch  größere 
Dünnflüssigkeit  auszeichnen.  Mannigfaltige  Zwischenformen  ver- 
binden die  Yulkanberge  mit  den  Spaltenausfüllungen  in  Gestalt 
von  Decken,  Quellkuppen,  Rücken  und  anderen  Grebilden.  Die 
dem  Expeditionswerke  beigegebene  Karte  zeigt  die  verschieden- 
alterigen  Teile  des  Rindjani-  und  Sembalun -Vulkans,  welche 
in  grünen,  dunkel-  und  hellroten  Farben  dargestellt  sind.  Das 
äußere  Ringgebirge  ist  das  älteste,  der  innere,  steil  zum  Krater- 
see des  Segare-Anak  abfallende  Wall  der  jüngste  Teil.   (Fig.  2.) 

Die  Entwicklungsgeschichte  der  indoaustralischen  Insel- 
welt zeigt  Ihnen  die  außerordentlich  mannigfaltigen  Vorgänge 
der  Entstehung  und  des  Zerfalles  vom  ehemaligen  Austrasien. 
In  derselben  Weise  müssen  sich  deshalb  auch  die  Bewegungen 
der  Tier-  und  Pflanzenwelt  in  diesen  Grebieten  vollzogen  haben. 
Grerade  dort,  wo  heute  tiefe  Meere  die  Inseln  trennen,  wie  in 
der  Celebes-,  Flores-  und  Arafura-See  haben  sich  die  ehemaligen 
Landbrücken  des  alten  Kontinents  befunden.  Die  tiefsten  graben- 
artigen Einbrüche  liegen  in  dem  Durchkreuzungsgebiete  der 
vier  Hauptgebirgsbögen,  nämlich  im  Boni-Golf,  dessen  7300  m 
betragende  größte  Tiefe  zugleich  diejenige  des  ganzen  indischen 
Ozeans  ist.  Ein  besonders  bedeutender  Kesselbruch  besteht 
im  Gebiete  der  Banda-See,  nämlich  bis  5700  m,  wo  ein  west- 
malayischer  und  ein  ostmalayischer  Gebirgsbogen  zu  einem  voll- 
ständigen Ringsystem  sich  vereinigen. 

Gewinnt  die  Annahme  von  drei  bezw.  vier  Landbrücken 
mit  Celebes,  einer  Java-,  Sumbawa-  und  Wetar-  bezw.  Flores- 
Brücke  durch  den  geschilderten  geologischen  Aufbau  des  Archipels 
eine  feste  Grundlage,  so  läßt  sich  heute  jedoch  keineswegs  bereits 
eine  genaue  Entwicklungsgeschichte  geben,  da  die  Altersbe- 
ziehungen der  geotektonischen  Vorgänge  erst  noch  weiterer 
Untersuchungen  bedürfen.  Jedenfalls  aber  fällt  die  Entstehung 
der  celebischen  Landbrücken  der  Hauptsache  nach  in  die  Zeit 
des  Diluviums,  nicht  des  Tertiärs,  wie  die  Tiergeographen 
annehmen,  in  welcher  Periode  die  Landwerdung  allerdings  schon 
einsetzte. 

Der  fortschreitende  Zerfall  Austrasiens  schrieb  außer  den 
Tieren  und  Pflanzen  nun  auch  den  Menschen  ihren  Weg  vor. 
Ob  der  Pithecanthropus,  welcher  zu  Anfang  des  Diluviums  auf 


—     25    — 

Java  lebte,  gezwungen  durch  die  Ginwanderung  des  asiatischen 
MenscheD,  sich  nach  Osten  wandte  und  der  Stammvater  der 
australischen  Rasse  wurde,  bleibt  lediglich  eine  Vermutung.    In 
spaterer  Zeit  erschienen  im  Archipel  die  Dravidas,  Hindus  und  die 
islamitischen  Jungmalayen,  welche  den  Indonesiern  nicht  nur  neue 
Rasseneigentümlichkeiten,  sondern  auch   eine   neue   und    fort- 
schrittliche   Kultur 
brachten.    Nur    an 
wenigen      Punkten 
Ündetman  baldmehr, 
bald  weniger  stark 
gemischte  Beste  ei- 
ner Urbevölkerung. 
Den  Toala  von  Cele- 
bes   schließen   sich 
die   Mie  Muna   an, 
und    zwischen    den 
höherstehenden  To- 
radjas  und  den  pri- 
mitiven Munanesen 
in  der  Mitte  stehen 
die  Miano  Buton  und 
die  Tokea.    Mit  der 
Einführung  des  Is- 
lam Hand  in  Hand 
vollzieht    sich    die 
Vermischung  der  In- 
donesier mit  jung- 

malayischenGlemen-  Fig.  8.    Bud^-Swaker 

ten,     aus    welchem  '<•"  *«'  UrbeTfllkemng  LombokB. 

Vorgange  die  Bugis 

und  Makassaren  auf  Celebes,  dann  die  Bimanesen  und  Sumbawanen 
auf  Sumbawa  als  neuer  junger  Stamm  hervorgingen.  Einen  gleichen 
Entwicklungsgang  machten  die  Bewohner  Lomboks  und  Javas 
durch.  Die  Beimischung  von  Hindublut  bei  den  Sasakem  Lomboks 
(Fig.  3)  wirkte  nicht  nachhaltig  genug,  hinterließ  jedoch  auf 
Sumbawa  deutlichere  Spuren.  Während  hier  bereits  früh- 
zeitig muhamedanische  Reiche  aufblähten,  fand  auf  Lombok  erst 
viel  später  und  nur  langsam  der  Islam  Eingang.    Die  Sasaker 


—     26     — 

sind  deshalb  Indonesier  geblieben,  und  die  Bewohner  Sumbawas 
wurden  den  Bugis  von  Celebes  und  die  Bimas  den  Makassaren 
ähnlich  umgebildet.  Nur  einige  Urstämme  im  Gebirge,  die 
Donggos  und  manche  Teile  Nord-Bimas  weisen  Bewohner  anf, 
welche  den  Sasakern  nahe  verwandt  sind.  Der  Hinduismus  hat 
im  west-  und  ostmalayischen  Archipel  bald  mehr,  bald  weniger 
deutliche  Spuren  hinterlassen.  Am  größten  sind  diese  ohne 
Frage  auf  Java  und  Bali,  aber  auch  auf  Celebes  tritt  der  arische 
Zug  bei  den  pygmaeoiden  Maronene  in  der  südöstlichen  Halb- 
insel deutlich  hervor.     (Fig.  4.) 

Analysiert  man  alle  Völker  des  indoaustralischen  Archipels, 
so  entdeckt  man  Übereinstimmungen  bei  den  Bewohnern  von 
Hinterindien,  Sumatra,  Java,  Bali,  Lombok,  Sumbawa,  sowie 
Bomeo  und  Celebes.  Diese  indomalay ischen  Völker  unterscheiden 
sich  wesentlich  von  den  Bewohnern  der  weiter  östlich  liegenden 
Inseln,  welche  durch  ihre  papuasische  Beimischung  an  Melanesier 
erinnern.  Diese  austromalayischen  Indonesier  haben  am  wenigsten 
jungmalayisches  Blut  in  sich  aufgenommen,  und  der  Oxydations- 
ring beschränkt  sich  nur  auf  die  Efistenstrecken.  Das  Übergangs- 
gebiet zwischen  den  indomalayischen  und  austromalayischen 
Stämmen  liegt  im  westlichen  Mores,  der  Landschaft  Man^^rai, 
einem  Teile  des  bimanesischen  Reiches. 

Derselbe  Unterschied  zwischen  indomalayischen  und  austro- 
malayischen Völkern  tritt  auch  deutlich  in  der  verschiedenen 
Kultur  hervor.  Ich  will  mich  hier  darauf  beschränken,  nur 
einiges  aus  der  Ornamentik  und  der  Religion  hervorzuheben. 

Die  Grundformen  der  urmalay ischen  Kunst  sind  die 
Strich-,  Punkt-,  Linienkreuz-  und  Kreuzblütenmuster,  die  ersten 
ursprünglich  auf  Töpfereien,  die  letzten  auf  Rindengegenständen, 
Flecht werken  und  Stickereien.  Kreuze,  Quadrate,  Diagonalfiguren, 
Schachbrett-,  Zacken-  und  Sanduhrmuster  bilden  die  verschiedenen 
Stadien  der  Entwicklung.  Durch  unvollständige  Ausführung  der 
Kreuzblüte  entstehen  Haken,  die  nach  Weiterbiegung  zu  Spiral- 
omamenten  geworden  sind.  Dieser  Entwicklungsgang  wird  bei 
den  Maronene  deutlich,  und  seine  weitere  Ausbildung  bei  Toradjas 
und  Bugis  fülirt  zu  komplizierten  Rankentiguren. 

Diese  Haken-  und  Spiralornamente  findet  man  überall  im 
Archipel,  im  Westen  ebenso  liäutig  wie  im  Osten  auf  Flores, 
Wetar-  und  den  Kei-lnselii. 


—     28     - 

Die  Entwicklung  der  Ornamentik  hielt  gleichen  Schritt 
mit  der  Vervollkomraniing  der  Flechtkunst.  Körbe  aus  Sago- 
htillblatt  verzierte  man  dnrch  Bekleben  mit  Streifen  und  aus- 
geschnittenen buntgeförrbten  Lappen,  die  man  auch  unter  Aus- 
schnitte nähte.  Die  Muster  wurden  anfänglich  bei  Flechtwerken 
durch  eine  Art  Überflechtung,  nämlich  nachträglich  durch 
Einstecken  und  Durchziehen  von  Streifen,  sozusagen  durch 
„Sticken"  angebracht.   Erhalten  hat  sich  diese  Kunst  vor  allem 


Fig,  5.    Ein  FeDBteraockel  mit  Nagd-Schlangen  aas  Ost-Bnton. 

auf  Buton,  wo  man  gewölmliche  taftbindige  Matten  mit  den 
schönsten  Rankenmustem  „bestickt"  und  damit  denselben  Ein- 
druck erzielt,  wie  bei  beklebten  oder  benähten  Baumrinden-  oder 
ZeugstofFen.  Ans  dieser  Methode  konnte  sich  erst  die  eigentliche 
Überflechtung  entwickeln,  durch  den  Versuch  nämlich,  gleich- 
zeitig mit  der  Herstellung  der  taftbindigen  Unterlage  die 
gemusterte  Oberschicht  taft-,  köper-  oder  atlasbindig  herzustellen. 
Mit  der  Hindukultur  trat  dann  ein  neue.s  Element  in 
die  Ornamentik:  Ranke  und  Blüte.  Man  kann  zwei  Arten  von 
raiikenartigen  Mustern  unterscheiden.  1,  Die  Ranke,  teils  einfach 
blütenlos,  teils  reich  an  Blumen,  die  übliche  Verzierung  java- 
nischer Hindu-Tempel  aus  dem  6./!).  Jahrhundert  und  der  heutigen 
auf  Bali  und  2.  Die  ornamental  rankenähnlicli  um- 
gebildete Naga-Schlange.  Die  Naga,  Jenes  hinduische 
^Fabeltier,  spielt  in  den  religiösen  Anschauungen  der  Indonesier 
eine  große  Rolle.  Auf  Buton  wii-d  sie  zum  Schutz  gegen  das  Ein- 
dringen böser  (loister  auf  Türschwellen,  Peiistersockeln  (Fig.  5), 
Seelenhäuschen  und  Schiffsschnäbeln  angebracht,  jedocli  vergleicht 
oder  verwechselt  man  sie,  wie  es  scheint,  mit  der  liier  häufig 
vui'kiininu'iideii  Wasst-rfchse  Lopkura  iiinhohmisis.  legt  ilir  jedoch 
den  Nunien  Nagu  bei.     Im  üstlichcit  Teile  des  Archipels,  z.  B. 


auf  Wetar,  Letti,  Kissar  und  den  „Südostinseln"  gibt  man  ihr 
selbst  Flügel  und  drei  Hörner,  so  daß  sie  an  den  chinesischen 
Drachen  erinnert. 

Bei  Bugis  und  Sumbawanen  dient  die  llaga  als  Hausgiebel- 
verzierung und  gilt  als  Segenbringer  für  die  Bewohner ;  auch  liebt 
man  es  auf  Sumbawa,  sie  auf  Himmelbetten  anzubringen  (Fig.  6). 


Fig.  G.    Bin  Himmelbett  mit  ITaga-Motlr  von  Sambawa. 

Eine  solche  Barstellung  zeigt  auch  die  Umgestaltung  der  Naga  zu 
einem  rankenartigen  Gebilde.  Im  Mittelfelde  liegen  der  Symmetrie 
wegen  je  zwei  Schlangen  mit  den  Bäuchen  zusammen.  Der 
Kopf  zeigt  zwei  Äugen,  aus  dem  aufgesperrten  Kachen  ragt 
eine  lange  Zunge,  und  der  Schwanz  ist  bereits  zu  einem  drei- 
teiligen Blatt  geworden,  ebenso  die  „Rückenflossen"  des  Tieres. 
Der  heilige  Garuda-Vogel  sitzt  an  verschiedenen  Stellen  auf 
der  Naga-Schlange.  Die  Muster  der  Umrahmung  des  Mittel- 
feldes seilen  schon  ganz  wie  Banken  aus,  von  denen  man  ihre 
Entstehung  aus  der  Naga  nicht  ohne  weiteres  vermutet.    Ans 


—    30     — 

dem  Kopf  der  Schlange  ist  eine  dreiteilige  Blume  und  dem  Leib 
eine  ganz  dünne  Ranke  geworden;  nur  der  Garuda -Vogel  läßt 
sich  noch  deutlich  wiedererkennen.  Die  gleichen  Rankenomamente 
haben  Bugis,  Toradjas,  Maronene  und  Butonesen,  und  die  Ähn- 
lichkeit bezw.  Übereinstimmung  fällt  sofort  auf.  Außerdem  aber 
besteht  überall  dieselbe  Bezeichnung  für  dieses  Ornament,  nämlich 
Naga.  Die  Javanen  verfertigen  komplizierte  Rankenmuster,  und 
dabei  scheint  ihnen  die  Idee  der  Naga  ganz  verloren  gegangen 
zu  sein.  Den  Garuda-Yogel  lösen  sie  in  seine  Teile  auf  und 
gestalten  ihn  um.  Seine  Flügel  liefern  das  bekannte  Semfen- 
Muster,  welches  nur  von  fürstlichen  Personen  in  gebatikten 
Kleidern  getragen  werden  darf.  Ein  interessantes  hinduisches 
Ornament  habe  ich  bei  den  Maronene  Rumbias  gefunden:  Den 
schuppigen  Teil  einer  Naga,  umgeben  von  einer  Art  strahlender 
Sonnen  und  von  „Wölkchen",  Darstellungen,  wie  ich  sie  ähnlich  auf 
javanischen  Bronzetellem  aus  der  Zeit  des  Reiches  Mftdj&pait  sah. 
Das  eigentliche  Pflanzenornament  ist  im  Archipel 
weit  verbreitet.  Ganze  Pflanzen  mit  Blüten,  Blättern  und 
Stengeln  bringen  die  Javanen  auf  allen  Gegenständen  an. 
Besonders  stark  ausgeprägt  tritt  uns  ferner  diese  Kunstrichtung 
bei  den  Sasakern  Lomboks  entgegen.  Diese  geben  jedem  Ornament 
einen  Pflanzennamen  und  haben  mir  bestimmte  Arten  als  Vor- 
bilder bezeichnet.  Eine  der  schönsten  Ranken  ist  das  Tandan- 
mata-kulit-Motiv,  entnommen  der  Zaunrebe,  Ctemaiis  f?üdlbaj 
welche  auch  bei  uns  überall  an  Zäunen  wächst.  Sie  wird  als 
Ganzes  dargestellt  oder  nur  ihre  Blüten  und  gedrehten  Frucht- 
stände. Daß  die  Pflanzenornamentik  auf  Lombok  heute  noch 
im  Zustande  der  Fortentwicklung  steht,  lehrt  das  Sengigi-Motiv, 
die  Darstellung  des  Schwarzkümmels,  Kigella  sativa.  Diese  Pflanze 
ist  erst  durch  die  chinesischen  Händler  als  Gewürz  eingeführt 
und  wächst  nur  in  kalten  Regionen.  Die  Gebirgs-Sasaker  der 
Sembälun-Hochebene  pflanzen  den  Kümmel  an  und  haben  mir  auch 
eine  Hand  voll  Früchte  gebracht.  Aus  einer  Aneinanderreihung 
der  Blüten  dieser  Pflanze  gestalten  sie  ein  Bandmuster.  Die 
Blumen  werden  in  Reilien  nebeneinander  gesetzt  und  vier  der 
Blütenblätter  soweit  verlängert,  daß  sie  sich  berühren.  Durch 
Stilisierung  entsteht  dann  die  rhombische  Felderteilung  mit  den 
im  Kreuzungspunkte  der  Linien  eingestreuten  Blüten.  Das  auf 
Java  verbreitete,  von  Indien  stammende  und  auf  Lombok,  Sum- 


—     31     — 

bawa  and  Celebes  häufig  gesehene  Zacken- 
ornament, das  Putjuk  trebong,  deuten  die 
Sasaker  als  Bambusschößlinge.     (Fig.  7.) 
Außer  den  Pflanzenornamenten  haben 
auch    die   Tier o rn am e n t e   eine   weite 
Verbreitung,  doch  treten  sie  im  westmalay- 
iscben  Gebiete  stark  hinter  den  pflanz- 
lichen Mustern  zurück.    Auf  Lombok  und 
Celebes  sind  der 
Skorpion.dieHaut 
der     Schlangen, 
Varane  und  der 
Tansendfuß    be- 
liebte Vorbilder. 
Auf  Bnton  ist  ein 

Bandomament 
aus  einer  Anein- 
anderreibung  der 
Zeichnung  eines 
Gecko  hervorge- 
gangen. Das  Bild 
stellt  eine  Bam- 
busbtlchse  darmit 
dem  ganzen  Tier 
in  der  Mitte  und 
den  Bandverzie- 
rungen an  den 
£nden.  Selbst  die 
Tüpfel  dieser  bei 
denEingeborenen 
Hausrecht  besitz- 
enden Eidechse 
sind  getreulich  in 
das  Band  hinein- 
gebracht (Fig.  8). 
Charakteristisch 
für  den  austro- 
Fig.7.  Ornwnente  auf  Fig.8.  DaB  Qecko-Band-         n,a|fl.vi«(.hpn    Ar- 

einer BambMTÖhre  omament  tob  Bnton  maiayiscneu   AT 

von  Nord-Lombok.  und  a^  Vorbild.  chipel     hingegen 


—    32     — 

aber  ist  gerade  das  Tierornament.  Auf  Flecfatwerken  nnd 
Gieweben  stellt  man  mit  großer  Kunstfertigkeit  Tiere,  vor  all«n 
anf  den  Inseln  Mores,  Sumba,  Timor,  Wetar,  Kisar,  Letti  n.  s. 
her.  Tücher  von  Sumba  zeigen  Hirsche,  Pferde,  Reihervögel, 
Hähne,  Meerestiere,  wie 
Gameelen ,  Octopus  und 
anderes.Dieostmalayischen 
Stämme  stellen  auch  den 
Menschen  dar.  Man  ündat 
diesen  auf  Fleditwerkm 
von  Flores  und  Wetar  nnd 
auf  den  prächtigen  Geweben 
Sumbas.  Auf  der  letzten 
Insel  wird  sogar  das  Skelett 
sichtbar  angebracht  oder 
man  bildet  nur  Köpfe  ab,  die 
auf  Pfählen  oder  Bäumen 
aufgepflanzt  sind;  sie  weisen 
also  auf  den  Schädellniltus 
hin.  Fast  auf  allen  dieiseuln- 
seln  tätowieren  sich  die  Be- 
wohner menschliche  Figu- 
ren auf  die  Brust,  vor  allem 

Fig.  9.    Grabdenkmäler  als  Seelen-  auf  Plores,  Alor  und  Wetar. 

wohnongen  Ton  Oat-Baton.  Auch  Sonne  und  Mond  dienen 

sowohl  als  Verzierung  der 

Leiber  als  der  Flechtwerke. 

Wie  in  der  Ornamentik  der  indo-  und  austromalayischen 

Völker  ein  tiefgreifender  unterschied  besteht,   so  auch  In  den 

religiösen  Anschauungen.   Im  ganzen  Archipel  bildet  die 

Verehrung  der  Seelen  der  Eltern  und  Vorfahren  die  Grundlage 

des  Kultus.    Man  glaubt  auf  Celebes,   die  Seele  wohne  in  dem 

über  dem  Grabe  errichteten  Häuschen  oder  im  GrabpfeUer,  dem  die 

Bewohner  Bntons  deshalb  die  Form  eines  Hauses  geben  (Fig.  9). 

Den  Ahnenseelen  aber  errichtet  man  Miniatur-Wohnhäuser  zoni 

gemeinsamen  Aufenthalte.     Beiden  bringt  man  Opfergaben,  am 

sich  ihre  Gunst,  besonders  zur  Abwehr  von  Krankheiten,  zu 

bewahren.    Besondere  Verehrung  genießen  die  Seelen  von  Fürsten. 

Jemehr  die  Kenntnis  von  der  ehemaligen  Ekistenz  dieser  Menschen 


33 


unter  den  Nachkommen  verschwindet,  desto  größer  wird  nnter 
Umstanden  die  Verelirnng.  Uas  Seelenliäuschen,  ehemals  in  der 
Nälie  des  Dorfes  errichtet,  wandert  auf  einen  benachbarten 
heiligen  Hügel,  und  die  Seele  wird  in  die  Eeihe  der  guten  Geister 


! 


Fig.  10.    Holzbilder  von  Scbatigeistern  and  Qültern  Wetars. 


versetzt.  Diesen  Übergang  der  Seelenverehrung  in  den  Geister- 
glauben konnte  ich  auf  Buton  verfolgen.  Aus  dem  Grabhause 
der  Scelenwohnung,  auf  der  man  Sirihpinang,  Essen,  Schlaf- 
matte und  Kopfkissen  des  Verstorbenen  niederlegt,  entstehen  der 
Oi)ferstock  und  der  Altar,  die  heiligen  Plätze,  zu  welchen  die 
Geister  zu  besonderen  Zeiten  herabsteigen. 

Im  ostmalayischen  Archipel  hat  die  Seelenverehrung  eine 
charakteristische  Veränderung  erfahren,  welche  sich  mehr  den 
Anschauungen  der  Völker  Neu-Guineas  und  Polynesiens  nähert. 
Aus  dem  Seelenhause  auf  den  Gräbern,  bezw.  den  Grabpfeilern 
sind  Pfähle  von  der  Form  einer  mensclilichen  Gestalt  geworden. 
Sie  bilden  aber  niclit  nur  die  Wohnstätte  der  Seele,  sondern 
werden  direkt  wie  ein  Fetisch  verehrt.     Der  Solui  macht  sich 


—    34     — 

ein  Holzbild  seines  Vaters  oder  wählt  die  Seele  eines  Ahnen  zu 
seinem  Schutzgeist  und  Schirmherrn  der  Familie.  Nicht  auf 
dem  Grabe,  sondern  in  besonderen  Häusern,  Höhlen  oder  inmitten 
des  Dorfes  errichtet  man  das  Geisterbild.  (Fig.  10.)  Dieses 
erinnert  auf  den  „Südwest-  und  Südost-Inseln''  gelegentlich  an 
hinduische  Göttergestalten. 

Zeigt  sich  in  der  Seelenverehrung  bereits  der  Gegensatz 
der  west-  und  ostmalayischen  Völker,  so  tritt  er  ebenfalls  in 
der  Verehrung  des  Oberwesens,  sofern  ein  solches  vorhanden 
ist,  hervor.  Die  indomalayischen  Stämme  kennen  vor  allem 
den  Gott  der  Winde  oder  des  Himmels,  welcher  den  Monsunen 
gebietet,  während  der  Gott  des  Meeres  und  derjenige  der  Erde 
überall  vorkommt  und  sich  meist  an  die  Existenz  der  Vulkane 
oder  großer  Berge  anknüpft.  Die  austromalayischen  Völker 
hingegen,  beginnend  mit  denen  von  Flores,  verehren  Sonne  und 
Mond  und  manche  auch  noch  andere  Sterne.     (Fig.  11.) 

Zum  Schluß  dieser  Ausführungen  möclite  ich  die  Haupt- 
resultate kurz  zusammenfassen: 

Zwischen  Asien  und  Australien  erhebt  sich  aus 
den  Tiefen  des  indischen  Ozeans  ein,  beide  Konti- 
nente verbindendes  Gebirge,  von  dem  jedoch  nur 
die  Spitzen  als  Inseln  über  dem  Wasserspiegel  her- 
vorragen: Es  entstand  infolge  Wiederbelebung  des 
paläozoischen  Rumpfgebirges  aus  einer  jungtertiären 
Doppelfalte,  welche  die  südliche  Inselkette  um- 
faßt, und  aus  vorwiegend  diluvialen  Bögen,  welche 
eine  Verbindung  mit  Celebes  bewirkten.  Da  aber 
schon  frühzeitig  auf  den  zahlreichen  Torsions- 
spalten grabenartige  Einbrüche  gebildet  wurden, 
so  setzte  sich  das  ehemalige  Austrasien  nur  aus 
großen  insularen  Regionen  zusammen,  die  jedoch 
durch  Landbrücken  vielfach  in  Verbindung  traten. 
In  der  nachfolgenden  Zeit  der  großen  Oszillationen, 
deren  letzte  heute  noch  als  Hebung  fortdauert, 
löste  sich  der  Zusammenhang  der  Gebirgszüge  voll- 
ständig auf  und  schuf  die  nach  Hunderten  zählende 
Inselwelt  des  indoaustralischen  Archipels. 

Der  allmählichen  Entstehung  Austrasiens  ent- 
sprechend, wanderte  die  asiatische  und  australi  sehe 


Fig.  11.    Tihu-Leute  aus  dem  Inotni  der  Insel  Wetar. 


36    — 


Tier-  und  Pflanzenwelt  ein  und  vermengte  sich. 
Beim  Abbruch  der  Landbrücken  blieb  eine  Misch- 
fauna und  -flora  zurück,  die  sich  in  ihren  dama- 
ligen Eigentümlichkeiten  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  erhalten  hat.  Nur  denMenschen  geboten  die 
trennenden  Meeresarme  keinen  Halt,  aber,  trotzdem 
immer  neue  Schwärme,  von  Asien  kommend,  sich 
die  Küsten  des  Archipels  entlang  schoben,  lassen 
sich  doch  noch  ihre  beiden  alten  Hauptmischungs- 
komponenten wiedererkennen.  Zwarkannman  nicht 
wie  Wallace  und  Salomon  Müller  das  ganze  Gebiet 
in  zwei  Hälften,  eine  asiatische  und  australische, 
teilen,  wohl  aber  in  zwei  verschiedene  Übergangs- 
bezirke, nämlich  eine  indomalayische  und  eine 
austromalayische  Region. 


Ans  den  Vorträgen 

Tom  26.  Oktober  1910  bis  6.  März  1912. 

Mit  Benutzung  der  Mitteilungen  der  Herren  Redner 

znsammeDgestellt 
von 

Prof.  Dr.  H.  Traut. 


Mittwoch,  den  26.  Oktober  1910. 

Herr  Dr.  Johannes  Elbert-Frankfurta.  M. :  DleSnnda- 
Expedition  des  Frankfurter  Vereins  f&r  Geographie  und 
Statistik.  (Lichtbilder  und  Ausstellung  ethnographischer,  von  der 
Expedition  gesammelter  Gegenstände.) 

Der  Redner  besprach  zunächst  die  der  Expedition  gestellten  Aufgäben, 
schilderte  sodann  ihren  Verlauf  und  gab  zum  Schluß  einen  Überblick  über 
die  hauptsächlichsten  wissenschaftlichen  Ergebnisse. 

(Inzwischen  ist  von  dem  Werke  des  Redners :  Die  Sunda-Expedition  des 
Vereins  für  Geographie  und  Statistik  zu  Frankfurt  a.  M.,  Festschrift  zur 
Feier  des  75  jährigen  Bestehens  des  Vereins,  Band  1,  Frankfurt  a.  M.,  Hermann 
Minjon  1911  zur  Veröffentlichung  gelangt;  Band  2  befindet  sich  im  Druck. 
Vergleiche  auch  den  ausführlichen  Vortrag  Dr.  Elberts  über  die  wissenschaft- 
lichen Ergebnisse  der  Expedition,  gehalten  in  der  Festsitzung  des  Vereins 
am  17.  Dezember  1911,  abgedruckt  in  vorliegendem  Jahresbericht  S.  öif.) 

Mittwoch,  den  2.  November  1910. 

Herr  Professor  Dr.  Georg  Wegener-Berlin:  Britisch- 
indien und  das  indisclie  Problem.    (Lichtbilder.) 

Der  Redner  wies  auf  das  besondere  Interesse  hin,  das  auch  wir 
an  den  Fragen  haben,  die  Indien  betreffen.  Einmal  ist  es  das  größte 
Kolonialreich  der  Welt  und  wirkt  als  Grundstein  des  englischen  Weltreiches 
auf  die  gesamte  Weltpolitik,  sodann  nehmen  die  dort  immer  häufiger  auf- 
tretenden Unruhen,  welche  auf  einem  tiefgehenden  politischen  Gegensatz  zum 
Mutterland  beruhen,  die  Aufmerksamkeit  der  ganzen  Welt  in  Anspruch. 
Über  die  Ursachen  dieser  Unruhen  sowie  die  Machtmittel,  über  welche  Eng- 


—    38    — 

land  zu  ihrer  Unterdrückung  verfügt,  herrscht  freilich  noch  große  Unklarheit. 
In  Dentschland  ist  das  Interesse  für  Indien  zur  Zeit  besonders  lebhaft,  als 
der  deutsche  Kronprinz,  welchem  der  Redner  eine  Reihe  von  Vorträgen  über 
Ostasien  gehalten  hat,  in  kurzer  Zeit  Indien  besuchen  und  dort  zwei  Monate 
verweilen  wird. 

Nach  diesen  einleitenden  Bemerkungen  gab  der  Vortragende  einen  Über- 
blick über  die  geographischen  und  klimatischen,  religiösen  und  kulturellen,  sowie 
die  ethnographischen  und  politischen  Verhältnisse.  Um  diese  richtig  zu  ver- 
stehen, muß  man  sich  vor  allem  die  ungeheuren  räumlichen  Verhältnisse 
vor  Augen  halten.  Britisch-Indien  ist  kein  Land,  sondern  ein  Erdteil,  so 
groß  wie  das  außerrussische  Europa  mit  nahezu  gleicher  Bevölkerungsziffer 
und  einer  Vielgestaltigkeit  der  Rassen  und  Sprachen,  sowie  Unterschieden  in 
den  Kulturen,  die  nicht  hinter  denen  Europas  zurückbleiben. 

Das  indische  Problem  zerfällt  in  ein  äußeres  und  ein  inneres.  Das 
äußere  beruht  in  der  Qefahr,  die  England  bei  einem  Angriff  auf  seinen  Kolonial- 
besitz droht.  Infolge  der  ausgezeichneten  strategischen  Lage  des  Landes, 
das  Lord  Curzon  einst  mit  einer  Festung  mit  V/ällen  und  Wassergraben 
verglichen  hat,  zeigt  dieses  nur  eine  verwundbare  Stelle  und  zwar  im  Nord- 
westen am  Hindukusch,  die  das  Bindringen  einer  fremden  Macht  und  damit 
auch  die  Einmischung  in  die  inneren  Verhältnisse  des  Landes  gestattet. 
Augenblicklich  bereitet  das  äußere  Problem  den  Engländern  durch  ihre 
geschickte  Politik  der  Schwächung  ihres  gefährlichen  Rivalen  Rußlands  im 
Kriege  mit  Japan,  sowie  der  darauffolgenden  klugen  Verständigung  mit  Ruß- 
land wenig  Sorge,  sodaß  es  seine  ganze  Aufmerksamkeit  den  inneren  Schwierig- 
keiten widmen  kann. 

Den  inneren  Verhältnissen  Indiens  sich  zuwendend,  bot  der  Redner 
sodann  ein  anschauliches  Bild  über  die  ethnographische  Entwicklung  des 
Landes,  ausgehend  von  den  kulturell  sehr  tiefstehenden  Ureinwohnern  und 
den  höherstehenden  Dravidas.  Über  dieser  Bevölkerungsgrundlage  haben  sich 
etwa  2000  Jahre  v.  Chr.  durch  die  schon  erwähnte  Völkerpforte  im  Nord- 
westen die  Volksstämme  der  Arier  ergossen,  die  sich  zunächst  in  Pandschab 
festsetzten.  Ihre  eigenartige,  auf  Ackerbau  beruhende  Kultur  schuf  dort  die 
ältesten  Weltreligionen,  ferner  die  Grundzüge  des  Kastenwesens,  jene  seltsam 
starre  soziale  Gliederung,  die  seit  Jahrtausenden  die  Bevölkerung  Indiens 
wie  mit  eisernen  Klammern  umfangen  hält.  Zu  der  Fülle  von  Religionen 
und  Sekten,  die  sich  im  Laufe  der  Zeit  herausbildeten,  und  von  denen  nur  die 
durch  ihr  kaufmännisches  Geschick  und  ihren  großen  Reichtum  einflußreiche 
kleine  Sekte  der  Parsen  hervorgehoben  werden  möge,  ist  seit  dem  Jahre 
1000  n.  Chr.  noch  die  dritte  der  großen  Weltreligionen  getreten,  der  Islam, 
der  für  die  kulturelle  Entwicklung  Indiens  von  nachhaltigster  Bedeutung 
geworden  ist. 

Diese  Welt  voller  Gegensätze  beherrschen  die  Engländer  mit  einer 
numerisch  geradezu  lächerlich  geringen  Macht.  Die  Anzahl  der  weißen 
Truppen  beträgt  nicht  mehr  als  75  0(X)  Mann;  sie  allein  sind  im  Falle  der 
Not  eine  absolut  zuverlässige  Macht,  während  die  daneben  bestehende  ebenso 
starke  Eingeborenentruppe  doch  immer  eine  gefährliche  Waffe  bleibt.  Es 
beruht  das  vor  allem  darauf,  daß  80— iK)Vo  der  Bevölkerung  Landbauern  auf 


—     39     — 

ursprünglichster  Stufe  sind,  die  allen  politischen  Fragen  teilnahmlos  gegen- 
überstehen und  in  diesem  Zustand  durch  die  weltverachtenden  Lehren  der 
hinduistischen  Religion  noch  bestärkt  werden. 

Das  englische  Übergewicht  liegt  femer  in  der  glänzend  durchgeführten 
Politik  des  altrömischen  Grundsatzes :  Divide  et  impera,  der  ihnen  ermöglicht, 
Staaten,  Kassen  und  Religionen  geschickt  gegeneinander  auszuspielen  und 
so  alle  zu  beherrschen. 

Unter  Englands  Herrschaft  hat  Indien  in  langer  Friedensperiode  einen 
großartigen  Aufschwung  genommen,  namentlich  auf  den  Gebieten  des  Eisen- 
bahn-, Post-  und  Telegraphenwesens,  des  Kanal-  und  Bewässerungssystems, 
sowie  der  Münzwährung.  Die  yollkommenen  ärztlichen  Einrichtungen,  die 
große  Sicherheit  des  Lebens  und  Eigentums,  die  Volksbildung,  eine  ausge- 
zeichnete einheitliche  Rechtspflege,  das  Pflichtgefühl  und  die  Hingabe  des 
Einzelnen  an  die  Allgemeinheit,  die  geistige  Hebung  des  Volkes,  die 
Tüchtigkeit  und  Integrität  der  Beamtenschaft  u.  dergl.  mehr  sind  Zeugen 
englischer  Kulturarbeit. 

Und  trotzdem  wachsende  Unzufriedenheit,  sich  mehrende  Unruhen. 
Die  Hauptursache  liegt  in  erster  Linie  darin,  daß  die  englische  Herrschaft 
von  der  eingeborenen  Bevölkerung  schließlich  doch  als  Fremdherrschaft,  für 
deren  Politik  der  materielle  und  ideelle  Vorteil  des  Mutterlandes  unbedingt 
in  erster  Linie  maßgebend  ist,  empfunden  wird  und  zwar  umsomehr,  je  höher 
das  Volk  in  kultureller  Hinsicht  gehoben  wird.  Ein  weiteres  schwieriges 
Problem  bildet  die  starke  Übervölkerung  des  300  Millionen  zählenden  Landes 
und  die  damit  im  engsten  Zusammenhange  stehenden,  wie  unvermeidliche 
Naturereignisse  regelmäßig  wiederkehrenden  Hungersnöte.  Bin  dunkler  Punkt 
in  der  englischen  Verwaltung  ist  femer  die  zunehmende  Agrarisierang  der 
indischen  Bevölkerung,  da  die  Engländer  durch  ihre  Zollpolitik,  indem  sie 
Indien  zum  Freihandel  zwangen,  die  kräftig  entwickelte  Industrie  der  Kolonie 
zugunsten  der  heimischen  Manufakturen  systematisch  zu  Grande  gerichtet 
und  so  große  Teile  der  Bevölkerung  wieder  dem  Ackerbau  zugetrieben  haben. 
Ebenso  hat  die  höhere  Bildung,  welche  die  Engländer  den  Indem  durch  das 
moderne  Schulwesen  vermittelten,  mißliche  Verhältnisse  geschaffen.  Durch 
die  Überfülle  des  Angebots  ist  ein  geistiges  Proletariat  entstanden,  das  der 
Träger  der  Unzufriedenheit  geworden  ist,  besonders  auf  den  seit  1885  alljährlich 
in  einer  anderen  Stadt  tagenden  sogenannten  National kongressen. 

Das  schwierigste  Problem  aber  ist  das  langsame  Erwachen  des  indischen 
Nationalgefühls  und  damit  die  Herausbildung  eines  Nationalstaates,  die  sich 
allmählich  vollzieht.  Die  indische  Regierang  erkennt  diese  Gefahr  wohl  und 
hat  dagegen  administrative  Maßregeln  bereits  ergriffen,  so  z.  B.  durch  die 
Teilung  der  Provinz  Bengalen  in  eine  östliche  und  westliche  Provinz,  da 
gerade  bei  den  intelligenten  Bengalen  das  Nationalgefühl  besonders  lebhaft 
ausgeprägt  erscheint. 

Augenblicklich  liegt  nach  Ansicht  des  Redners  für  England  eine  akute 
Gefahr  nicht  vor,  aber  in  der  Zukunft  werden  sich  Schwierigkeiten  ergeben, 
deren  Lösung  sehr  zweifelhaft  sein  wird.  Ein  Zusammenbrach  der  englischen 
Herrschaft  in  Indien  wird  zur  Folge  haben,  daß  wir  an  keinem  anderen 
Punkte   der   Erde    die   Vorherrschaft   der   weißen   Rasse   aufrecht  erhalten 


—    40    — 

können,  denn  Britisch-Indien  ist  das  yollendetste  Beispiel  der  Überlegenheit 
der  weißen  Rasse  an  Intelligenz  wie  an  Bildung. 

(Vgl.  den  Aufsatz  des  Redners  über  die  indische  Frage  in :   Die  neue 
Rundschau  1909,  Heft  11,  Seite  1582—1599,  Berlin,  S.  Fischer.) 

Mittwoch,  den  9.  November  1910. 

Herr  Dr.  Hermann  Pinnow-Frankfurt  a.  M. :   Kaiser 
Menelik  und  sein  Land.    (Lichtbilder.) 

Meneliks  Werk  muß  hilligerweise  mit  dem  Maßstab  gemessen  werden, 
der  mit  der  Eigenart  seines  Landes  gegeben  ist;  nur  Unkenntnis  wird  von 
Menelik  die  schnellfertige  Übernahme  europäischer  Einrichtungen  erwarten. 
Die  Eigenart  Abessiniens  ist  nicht  ohne  genaueres  Eingehen  au!  Natur  und 
Greschichte  des  Landes  verständlich.  Wie  eine  gewaltige  Bastion  ragt  das 
Hochland  von  Abessinien  in  die  ostafrikanische  Küstenniederung  hinein.  Doch 
was  sich  nach  außen  als  geschlossene  Masse  darstellt,  ist  im  Innern  höchst 
ungleichartig  und  durch  natürliche  Einschnitte  scharf  geschieden.  So  hat 
die  Natur  sowohl  die  Abwehr  äußerer  Angriffe  wie  die  getrennte  Entwicklung 
der  vier  großen  Landesteile  begünstigt.  (Gemeinsame  Merkmale  des  nationalen 
Charakters  sind  kriegerischer  Sinn,  verbunden  mit  Rassebewußtsein  und  Stolz 
auf  das  Bekenntnis  zum  Christentum.  Der  Staat  trägt  durchaus  feudalen 
Charakter;  die  übermäßige  Belastung  des  Bauernstandes  ist  eine  ernste  Ge- 
fahr für  die  wirtschaftliche  Entwicklung.  —  Menelik  hat  das  System  unbe- 
rührt gelassen ;  auch  wo  er  gegen  Auswüchse  anging,  hat  er  mit  den  Mitteln 
überlieferter  Staatskunst  gearbeitet.  Die  teilweise  Ersetzung  der  eingeborenen 
Aristokratie  in  der  Leitung  der  Provinzen  durch  abhängige  Gouverneure 
bedeutet  so  wenig  einen  Fortschritt  zum  Beamtenstaat  wie  die  Bildung  eines 
Ministerrates.  Ganz  modern  berühren  jedoch  die  Bestrebungen,  europäische 
Errungenschaften  auf  technischem  und  wirtschaftlichem  Gebiete  zur  Einführung 
zu  bringen.  Den  Erfolg,  wirtschaftliche  Entwicklung  von  innen  heraus  an- 
zuregen, haben  die  mit  Opferwilligkeit  unternommenen  Versuche  nur  in 
geringem  Grade  gehabt.  Die  Ausbeutung  des  aussichtsreichen  Landes  bleibt 
der  Zukunft  überlassen.  Daß  bei  der  Arbeit  namentlich  deutscher  Beteiligung 
die  Wege  geebnet  würden,  machen  nicht  nur  politische  Erwägungen,  sondern 
auch  die  Sinnesart  des  Thronfolgers  wahrscheinlich   — 

An  den  Vortrag  schloß  sich  die  Vorführung  einer  Anzahl  von  Licht- 
bildern, durch  die  die  Natur  des  Landes,  Rassentypen,  Kunst,  Bauart  der 
Häuser,  Straßenszenen  und  Gebäude  des  kaiserlichen  Palastes  zur  Anschauung 
gebracht  wurden. 

Mittwoch,  den  23.  November  1910. 

Herr  Dr.  Paul  Ehren  reich -Berlin:  Altamerikanische 
Kulturstätten  in  Mexiko  und  Yukatan.     (Lichtbilder.) 

Die  p-oßartigen  Denkmäler  der  alten  Kulturen  Zentralamerikas,  die 
in  weiteren  Kreisen  noch  viel  zu  wenig  bekannt  und  selbst  für  die  Gelehrten- 
welt noch  vielfach  mit  dem  Schleier  des  Geheimnisvollen  umgeben  sind,  sind 


—    41    — 

durch  die  neuzeitlichen  Verkehrsverbesserungen  in  erreichbare  Nähe  gerückt, 
und  demgemäß  wächst  auch  das  Interesse  für  diese  kulturgeschichtlich  so 
hochbedeutsamen  Überreste. 

Der  Vortragende  hatte  Gelegenheit,  im  Herbst  1906  im  Anschluß  an 
den  Internationalen  Amerikanischen  Kongreß  zu  Quebec  einige  der  wich- 
tigsten Ruinenstätten  Mexikos  zu  besuchen,  die  den  Gegenstand  der  Vor- 
führung bildeten. 

Die  Heise  führte  von  Chicago  ans  über  El  Paso  nach  der  Hauptstadt 
Mexiko,  deren  Denkmäler,  Volksleben  und  nähere  Umgebung  geschildert 
wurden,  besonders  die  Kathedrale,  das  Denkmal  Guatemozin's,  des  letzten 
von  Cortez  schmachvoll  hingerichteten  aztekischen  Königs,  der  Park  von 
Chapultepec  und  endlich  einige  hervorragende  Altertümer  des  National- 
museums. Ausflüge  zum  Hügel  von  Iztapalapan,  einer  alten  Opferstätte  mit 
herrlichem  Femblick  auf  das  Hochtal,  sowie  nach  Amecameca  am  Fuß  der  gewal- 
tigen Schneevulkane  Pop  okatepetl  und  Iztaccihuatl  schlössen  sich  an. 

Ein  zweiter  Ausflug  führte  nach  dem  alten  Tazcoco  mit  seiner  Königs- 
burg und  zu  den  Palastresten  von  Huayotla,  sowie  dem  Steinbild  des  Tlaloc 
(Regengottes)  von  Coatlinchan.  Ein  dritter  zu  den  in  vollem  Betrieb 
befindlichen  Ausgrabungen  von  Teotihuacan,  dessen  riesige  Pyramiden  der 
ältesten  Kultur  des  Landes,  der  Tolteken-Periode  angehören.  Ein  vierter  endlich 
nach  Cuernavaca,  dem  Lieblingssitz  des  Cortez  und  des  Kaisers  Maximilian. 
Die  Hauptsehenswürdigkeit  der  Umgegend  ist  die  große  Tempelpyramide  von 
Xochicalco,  das  schönste  erhaltene  Denkmal  aztekischer  Architektur. 

Über  Puebla  mit  der  großen  toltekischen  Pyramide  von  Chotula 
ging  es  weiter  nach  Oaxaca,  in  deren  Umgebung  die  großartigen  zapotekischen 
Heiligtümer  von  Mont-Alban  und  Mitla  liegen.  Nach  Mexiko  zurück- 
gekehrt, wurde  der  Hafenplatz  Vera  Cruz  auf  der  Gebirgsbahn  erreicht  und 
von  dort  nach  Progresso  und  Merida,  der  Hauptstadt  der  Halbinsel  Yukatan 
übergesetzt  Von  den  großartigen  Ruinenstätten  der  alten  Maya-Kultur  wurden 
[Ix mal  mit  seinen  Pyramiden  und  ausgedehnten  Palastanlagen,. sowie  das 
historisch  bedeutsame  Chichenitza,  wo  mexikanische  und  MayarKnltur 
sich  mischen,  aufgesucht.  Die  Rückreise  erfolgte  über  Mexiko,  £1  Paso, 
New  Orleans  und  New  York. 

Mittwoch,  den  80.  November  1910. 

Herr  Dr.  Jan  Czekanowski-St.  Petersburg:  In 
Emin-Pasclias  Provinz  nnd  bei  den  Zwergen.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  besprach  zunächst  kurz  die  Reisen  des  ersten  Jahres 
der  Deutschen  Zentral- Afrika-Expedition  unter  Führung  S.  H.  des  Herzogs 
Adolf  Friedrich  zu  Mecklenburg  in  Ruanda  und  im  Gebiete  des  Großen  Afri- 
kanischen Grabens  und  ging  dann  zu  den  wissenschaftlichen  Ergebnissen  über. 

Den  Mittelpunkt  der  Untersuchungen  des  Redners  bildete  die  anthro- 
pologische und  ethnographische  Gliederung  des  Nil-Kongo-Zwischengebietes. 
Die  Aufgabe  konnte  im  gewünschten  Umfange  gelöst  werden,  und  es  stellte 
sich  ein  Parallelismus  der  anthropologischen,  linguistischen  nnd  kulturellen 
Erscheinungen  heraus. 


—     42     — 

Die  anthropologischen  Gresichtspunkte  allein  genügen  schon,  nm  die 
folgenden  fünf  Provinzen  auszusondern :  1.  Das  Zwischen-Seen-Gebiet ;  2.  Die 
Nil- Provinz ;  3.  Der  Ituri-Wald ;  4.  Das  Mangbetn ;  5.  Die  Nyam-Nyam-Länder. 
Man  findet  in  ihnen  Bevölkerungselemente,  deren  Gegensätze  wohl  die  Unter- 
schiede, die  man  in  Europa  beobachten  kann,  bei  weitem  übertreffen.  Diese 
Gegensätze  sind  so  groß.  da6  sie  sogar  die  im  Beobachten  ungeübten  Laien, 
für  die  alle  Neger  bloß  schwarz  sind,  bei  einer  systematischen  Zusammen- 
stellung der  Bilder  zu  erfassen  imstande  sind.  Die  Bevölkerung  der  ein- 
zelnen Provinzen  ist  aber  bei  weitem  nicht  einheitlich.  Im  Zwischen-Seen-Gebiet 
findet  man  neben  der  riesenwüchsigen  Hirtenaristokratie,  deren  Vertreter  im 
Durchschnitt  1,80  m  messen,  beinahe  zwerghafte  Paria- Jäger  ~  die  Batwa, 
deren  Körpergröße  einen  Durchschnitt  unter  1 ,60  m  hat.  Im  Urwalde  kommen 
neben  dem  mittelgroßen  Neger  noch  Zwerge  (Pygmäen)  vor.  Die  anderen 
Provinzen  haben  zwar  eine  mehr  einheitliche  Bevölkerung,  trotzdem  kann 
man  zwerghafte  Elemente  fast  überall  nachweisen. 

Nach  der  Schilderung  dieser  Bevölkerungselemente,  die  durch  Licht- 
bilder erläutert  wurden,  ging  der  Vortragende  zu  den  komplizierten  eth- 
nischen Verhältnissen  über  und  erläuterte  die  Sprachenkarte  des  Gebiets, 
wobei  die  Hauptaufmerksamkeit  der  Scheidung  der  Zone  der  Sudan-Sprachen 
von  der  der  Bantu-Sprachen  gewidmet  wurde.  Er  wies  auch  auf  die  allgemeinen 
sprachlichen  Verschiedenheiten  der  einzelnen  Provinzen  hin  und  verbreitete  sich 
dann  über  die  Grundlagen  der  sozialen  Organisation.  Diese  ist  in  ihrem  Wesen 
recht  einheitlich.  Sie  beruht  fast  überall  auf  der  ezogamen,  totemistischen 
Glanorganisation.  Nur  die  Beherrschungsformen  der  Clanangehörigen  weisen 
in  den  einzelnen  Provinzen  Unterschiede  auf. 

Diesen  Erörterungen  folgte  sodann  die  Schilderung  der  Reisen  des 
Vortragenden  in  Emin-Paschas  Provinz  und  in  den  Urwäldern  des  Itnri- 
Beckens,  wobei  die  materielle  Kultur  der  Bevölkerung  und  ihre  Existenz- 
bedingungen besonders  hervorgehoben  wurden. 

Den  .Ausgangspunkt  der  im  Jahre  1908  ausgeführten  Reisen  bildete 
die  englische  Station  Toro.  Von  hier  reiste  der  Vortragende  über  die  Pässe 
der  Nordabhänge  des  Ruwenzori-Massivs  zu  den  Baamba,  die  die  Urwälder 
des  Westabhanges  bewohnen.  Nach  erfolglosen  Versuchen,  dort  mit  den 
Zwergen  in  Kontakt  zu  kommen,  setzte  er  über  den  Semliki  und  erreichte 
auf  dem  rechten  Ufer  des  Flusses  einige  vom  Ruwenzori  durch  Hunger  ver- 
triebene Pygmäen.  Von  hier  reiste  er  über  Beni  zum  Ituri,  folgte  diesem 
bis  nach  Avakubi,  ging  den  Nepoko  herauf  bis  zum  nördlichen  Urwaldrande, 
folgte  ihm  weiter  nach  Osten,  durchquerte  zam  zweiten  Mal  den  Urwald  und 
vereinigte  sich  nach  dreimonatlicher  Abwesenheit  mit  der  Hauptkolonne  der 
Expedition  in  Irumu.  Während  dieser  ganzen  Reise  blieb  der  Vortragende 
stets  in  Berührung  mit  den  Zwergen  und  konnte  ausgedehnte  anthropologische 
Untersuchungen  anstellen.  Für  die  ethnographischen  Untersuchungen  waren 
diesmal  die  Reise  Verhältnisse  ungünstig  und  die  Kolonne  hatte  mit  großen 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen.  Die  Verpflegung  war  sehr  knapp  und  die  spär- 
liche Bevölkerung  durchaus  nicht  überall  entgegenkommend,  zum  Teil  sogar 
feindlich,  so  daß  die  Träger  an  einer  Stelle  von  den  Eingeborenen  beschossen 
wurden. 


—     43    — 

Von  Iramn  trat  die  Hanptkolonne  der  Expedition  den  Marsch  nach 
Westen  an,  der  sie  zum  Kongo  nnd  der  Atlantischen  Küste  führen  sollte. 
Dr.  Czekanowski  hatte  aber  noch  die  Untersuchnngen  im  Uelle-Becken  zur 
Aufgabe.  Er  begab  sich  zunächst  zu  den  Zwergen,  die  im  Ituri-Quellengebiet 
herumstreiften.  Nach  den  Untersuchungen  beim  Häuptling  Salambongo  und 
nach  einem  erfolglosen  Versuche,  von  dort  die  U6lle-Quellen  zu  erreichen, 
kehrte  die  Expedition  auf  dem  schon  einmal  zurückgelegten  Wege  zum  Ne- 
poko  zurück,  überschritt  die  flache  Wasserscheide  und  erreichte  die  belgische 
Station  Oumbari,  die  als  Basis  während  der  Reisen  im  USlle-Becken  gedient  hat. 

Von  Qumbari  wandte  sich  der  Vortragende  durch  das  Momvu-  und 
Logo-Gebiet  nach  der  Enclave  von  Lado,  schlug  dann  den  Weg  nach  Westen 
ein  und  erreichte  in  dieser  Richtung  das  von  den  Belgiern  besetzte  Amadi, 
von  wo  er  wieder  zum  Bomokandi  zurückkehrte  und  diesen  noch  bis  nach 
Gumbari  (am  Urwaldrande  entlang)  verfolgte.  Hierauf  marschierte  er  unter 
großen  Schwierigkeiten  zu  den  Ituri-Quellen,  setzte  die  Reise  bis  Kilo  fort 
und  erreichte  nach  achtmonatlicher  Abwesenheit  auf  zum  Teil  unbegangenen 
Wegen  wieder  Irumu. 

Von  Irumu  wurde  noch  das  Lendu-Plateau  besucht.  Die  Reise  nahm 
einen  Monat  in  Anspruch  und  lieferte  sehr  wichtige  Beiträge  zur  Kenntnis 
der  Bevölkerung  der  Aquatorial-Provinz.  Von  dort  kehrte  der  Vortragende 
nach  Uganda  zurück.  In  dieser  Weise  wurde  die  Provinz  Emin-Paschas  in 
verschiedenen  Richtungen  durchquert  und  aufgenommen,  und  nur  so  konnte 
eine  Orientierung  im  Wirrwarr  der  dort  zusammengedrängten  Völkerschaften 
erreicht  werden. 

Zum  Schlüsse  wies  der  Vortragende  auf  die  Spuren  hin,  die  das  Wirken 
Emin-Paschas  hinterlassen  hat.  Abgesehen  von  den  Niederlassungen  am  Nil 
und  Albert-See,  die  jetzt  fast  durchweg  verlassen  sind,  stößt  man  nur  noch 
gelegentlich  auf  Erinnerungen  an  ihn.  Die  älteren  Häuptlinge  wie  z.  B. 
Arama  aus  der  Umgebung  von  Vankerkhoverille  verstehen  von  Emin-Bey 
zu  erzählen.  Sie  kennen  ihn  alle  aber  als  „mokoto  na  Kuturia^'  —  als  den 
Türkenhäuptling.  Diese  Erzählungen  schildern  das  damalige  Regime  durchaus 
nichts  weniger  als  human. 

Mittwoch,  den  7.  Dezember  1910. 

Herr  Professor  Dr.  Carl  Friedrich  Lehmann-Haupt- 
Berlin,  jetzt  Liverpool.  Aas  dem  Qaellgebiet  des  Eaphrat 
und  des  Tigris.     (Lichtbilder.) 

Das  Quellgehiet  des  Euphrat  und  des  Tigris,  das  armenische  Hoch- 
land, wie  es  jetzt  nach  dem  Volke  bezeichnet  wird,  das  dort  im  6.  Jahr- 
hundert einzuwandern  begann,  schilderte  der  Vortragende  aus  eigener  An- 
schauung und  unter  Vorführung  zahlreicher  an  Ort  und  Stelle  in  den  Jahren 
1898/99  aufgenommener  Lichtbilder.  Es  galt  aber  nicht  blos  die  Jetztzeit 
zu  schildern,  sondern  auch  die  Vergangenheit  dieses  Oebietes  wurde  beleuchtet 
und  belebt.  Die  Kämpfe,  die  zwischen  den  Assyrem  und  den  vorarmenischen 
Bewohnern  dieses  Gebietes,  den  (Jrartäem  oder  Chaldem  (nicht  zu  ver- 
wechseln  mit   den   in   Südbabylonien   wohnenden   Chaldäem!)  ansgefochten 


—     44     — 

wurden,  müssen  nm  so  lebhafteres  Interesse  erregen  als  sie  zu  den  Zeiten  der 
historischen  Semiramis  ihren  Höhepunkt  hatten.  Die  geschichtliche  Semiramis 
aber  steht  neuerdings  durch  eine  neue,  in  ihrem  Namen  gesetzte  Inschrift 
aus  der  Reihe  der  Königstelen  Ton  Assur,  die  dort  die  deutsche  Orient- 
Gesellschaft  aufgedeckt  hat,  noch  viel  deutlicher  und  geschichtlich  fa6barer 
Yor  uns,  als  es  schon  Torher  der  Fall  war.  Es  sei  dafür  auf  den  Vortrag 
verwiesen,  den  der  Redner  am  6.  Februar  1910  in  Gegenwart  S.  M.  des 
Kaisers  in  der  deutschen  Orient-Gesellschaft  hielt  und  der  neuerdings  unter 
dem  Titel  ,Die  historische  Semiramis  und  ihre  Zeif  als  reichillnstrierte 
Broschüre  im  Verlage  yon  J.  C.  B.  Mohr  in  Tübingen  erschienen  ist. 

Salmanassar  HI.  (860—26  v.  Chr.),  der  Schwiegerrater  der  Semiramis, 
ist  bis  zum  Tigristunnel  und  darüber  hinaus  yorgedrungen  und  hat  an  dessen 
Wänden  seine  schwer  lesbaren,  vom  Vortragenden  entzifferten  Inschriften 
hinterlassen.  War  doch  diese  Ortlichkeit  den  Assyrem  nicht  minder  wie 
später  den  älteren  griechischen  Geographen  besonders  interessant. 

Die  merkwürdigen,  in  den  lebendigen  Felsen  gehauenen  Wohn-  und 
Grabanlagen  der  Chalder  sowie  ihre  Befestigungen  und  ihre  grandiosen 
Wasserbauten  kamen  in  Wort  und  Bild  ebenso  zu  ihrem  Recht,  wie  die 
heutigen  Bewohner  des  Landes,  die  Armenier  in  ihren  ärmlichen  Dörfern 
und  ihre  Quäler,  die  kriegerischen  und  ritterlichen  aber  auch  grausamen  und 
hinterhaltigen  und  blutdürstigen  Kurden.  Die  Stätte  des  alten  Tigranokerta, 
das  von  der  Expedition  genau  an  der  Stelle  nachgewiesen  wurde,  an  der  es 
Moltke  mit  Kennerblick  bei  flüchtigem  Besuche  erkannt  hatte,  wurde  gleich- 
falls geschildert  und  im  Bilde  vorgeführt.  Die  heutige  Stadt  Maijafatikin 
oder  abgekürzt  Farkin  nimmt  nur  einen  kleinen  Teil  des  mächtigen  Stadt- 
gebietes ein. 

Mit  dem  Gemahle  und  dem  Sohne  der  Semiramis  Samsi-Adad  (826 
bis  811  V.  Chr.)  und  Adadnirari  IV.  (811—783  v.  Chr.)  haben  die  mächtigsten 
und  bedeutendsten  Herrscher  des  Reiches  Urartu  criolgreiche  Kämpfe  besonders 
um  die  den  Ürmia-See  umsäumenden  fruchtbaren  Gebiete  bestehen  müssen. 

Auch  Armenien  selbst  ist  keineswegs  nur  ein  wildes  Bergland,  sondern 
die  Gebirge  umschließen  weite  fruchtbare  Ebenen,  in  denen  reichliches  Getreide 
gedeiht,  aber  mangels  genügender  Beförderungsmittel  oft  auf  dem  Halme 
verdorrt,  während  in  anderen  Provinzen  des  türkischen  Reichs  Dürre  nnd 
Mangel  herrschen.  Diese  Ebenen  werden  aber  mehrfach  noch  bewässert  und 
kulturfähig  durch  die  Kanalisations-  und  Stauanlagen,  die  vor  mehr  denn 
2Vs  Jahrtausenden  die  Beherrscher  des  urartäischen  Reiches  oft  mit  unsäg- 
lichen Mühen  und  unter  Anwendung  staunenswerter  technischer  und  trigono- 
metrischer Kenntnisse  geschaffen  und  durch  die  Gebirge  geführt  haben,  so 
besonders  die  Ebene  von  Van,  der  einstigen  Hauptstadt  des  Reiches,  durch 
den  vom  Könige  Menuas  um  800  gebauten  Aquädukt,  der  bei  den  heutigen 
Anwohnern  den  Namen  des  „Semiramis-Flusses''  führt,  und  der  auch  tatsächlich 
zu  ihrer  Zeit,  wenn  auch  freilich  nicht  von  ihr,  sondern  von  ihrem  ärgsten 
Gegner  angelegt  wurde 

(Vgl.  C.  F.  Lehmann-Haupt:  Armenien  einst  und  jetzt.  Reisen  und 
Forschungen.  1.  Vom  Kaukasus  zum  Tigris  und  nach  Tigranokerta.  Berlin, 
B.  Behr,  1910 ) 


—    45    — 

Mittwoch,  den  14.  Dezember  1910. 

Herr  Oberleutnant  Dr.  Wilhelm  Filchner,  früher  Berlin, 
z.  Zt.  Antarktis:  Heine  Spitzbergen-Expedition  als  Vor- 
läufer der  Deutschen  Antarktischen  Expedition  und  die 
Aufgaben  der  letzteren.     (Lichtbilder.) 

Spitzbergen  ist  trotz  seiner  Lage  nahe  dem  Pol  (1000  km)  leichter  zu 
erreichen  als  z.  B.  Grönland,  dessen  Ostkttste  sich  mehr  als  2000  km  weiter 
nach  Süden  erstreckt.  Das  hat  seinen  Grand  im  Golfstrom,  der  die  West- 
küste Spitzbergens  von  Eis  frei  hält,  während  die  Ostküste  Grönlands  stets 
von  Eis  blockiert  ist.  Otto  Nordenskjöld  hat  Spitzbergen  einmal  das  klassische 
Land  der  Polarforschung  genannt,  weil  es  wegen  seiner  verhältnismäßig 
leichten  Zugänglichkeit  und  mitten  in  der  Arktis  gelegen,  zuerst  die  wissen- 
schaftliche Erkenntnis  der  Polarnatur  ermöglichte. 

Das  Jahr  1910  war  für  eine  Spitzbergen-Expedition  insofern  ein  auf- 
fallend ungünstiges,  als  ein  breiter  Eisgürtel  die  Westseite  Spitzbergens 
umschloß.  Diese  außergewöhnliche  Erscheinung  war  dadurch  hervorgerufen, 
daß  sich  durch  die  höhere  Temperatur  von  den  Küsten  Franz  Josephs-Land  Eis 
losgerissen  hatte,  welches  durch  Nordostwinde  nach  Südwesten  abgetrieben 
und  um  das  Südkap  Spitzbergens  hemm  von  der  Strömung  des  Golfstroms 
an  der  Westküste  Spitzbergens  entlang  nach  Norden  geschoben  wurde.  So 
begegnete  die  Expedition  in  diesem  Sommer  schon  bei  75  Vt*^  Eis.  Zuerst 
waren  es  dünne,  lockere  Schollen,  die  sich  bald  verdichteten  und  den  Aeolus, 
das  Schiff,  welches  die  Expedition  nach  Spitzbergen  brachte,  am  Weiter- 
fahren hinderten.  Durch  geschickte  Navigierung  gelang  es  endlich,  nachdem 
noch  eine  dicke  Nebelbank  gewichen  war,  den  Eisgürtel  zu  durchfahren  und 
in  den  Eis-Fjord  und  nördlich  davon  in  die  Safe-Bai  einzulaufen.  An  den 
Ufern  ist  überall  starke  Vergletscherung  sichtbar.  In  ungeheurer  Breite 
schiebt  der  Kjemulf-Gletscher  seine  riesigen  Eismassen  an  das  Meer  heran, 
die  in  jähem,  steilem  Absturz  am  Meer  enden,  zahlreiche  Tore  und  Höhlen 
bildend. 

Zu  den  Moränen-Bildungen  übergehend,  wies  der  Redner  sodann  an  der 
Hand  von  Karten  und  Bildern  nach,  daß  die  Spitzbergen-Gletscher  im  allge- 
meinen im  Zurückgehen  begriffen  sind,  was  der  ausgezeichnete  schwedische 
Geologe.  De  Geer  in  jahrelanger  Arbeit  festgestellt  hat. 

Nachdem  der  Aeolus  auf  der  Weiterfahrt  die  Advent-Bai  passiert  und 
sodann  um  das  Kap  Diabas  herum  in  die  Tempel-Bai  eingelaufen  war,  erreichte 
man  den  ebenfalls  mit  hohem  Steilabsturz  ins  Meer  fallenden  gewaltigen 
Post-Gletscher,  der  als  Ausgangspunkt  der  Fußwanderung  bestimmt  war.  Hier 
verabschiedete  sich  die  Expedition  von  den  Teilnehmern  des  Stockholmer  Geo- 
logenkongresses, die  sie  bis  hierher  auf  dem  Aeolus  begleitet  hatten,  der  sofort 
die  Rückreise  antrat.  Ein  Boot,  das  die  Expedition  später  wieder  nach  der 
Advent-Bai  bringen  sollte,  wurde  hier  zurückgelassen.  Der  Anstieg  begann 
an  einem  tiefen,  gefrorenen  Gletscherbach,  der  die  Expedition  von  dem  Glet- 
scher trennte.  Der  Aufstieg  war  wegen  des  häufigen  Steinschlages  mit  großen 
Gefahren  verknüpft.  Die  Verwitterung  arbeitet  im  arktischen  Klima  infolge 
der  großen  Temperaturgegensätze  so  intensiv,  daß  ständig  Felstrümmer  an 


—     46     — 

den  höher  gelegenen  Teilen  der  Berge  loBgesprengt  werden.  So  bilden  sich 
am  Fuße  der  Gletscher  breite  Schatthänge  und  an  den  Seiten  große  Mor&nen- 
wälle,  deren  Überschreiten  mit  dem  Schlitten  und  Gepäck  viel  Anstrengung 
erforderte. 

Gefahrvoll  gestaltete  sich  auch  der  Marsch  aal  dem  Gletscher  selbst 
wegen  der  zahlreichen  Spalten,  der  tückischen  Schneebrücken,  der  Schmels- 
wasserbäche  and  Löcher,  mit  welchen  das  ganze  Gletschergebiet  übersät  ist, 
and  bei  deren  Überqueren  ein  Schlitten  durch  Anprallen  gegen  eine  Biskante 
brach  und  repariert  werden  mußte.  Als  Schlitten  waren  die  von  Nansen 
benutzten  Modelle  im  Gebrauch.  Der  Vortragende  hatte  sie  noch  mit  Stahl- 
kufen versehen,  eine  Neuerung,  die  sich  auf  dem  Eise  vorzüglich  bewährt 
hat.  Als  Zelte  dienten  die  von  Sir  Emest  Shackleton  gebrauchten,  welche 
äußerst  praktisch  konstruiert^waren,  und  als  Proviantkisten  die  gleichen,  die 
auf  der  deutschen  Südpolar-Expedition  verwandt  werden  sollen. 

Ein  merkwürdiges  Phänomen  auf  den  spitzbergischen  Gletschern  bilden 
kleine  Stauseen  in  früher  vergletscherten  Seitentälern,  die  von  zurückge- 
gangenem Eise  freigegeben  wurden. 

Der  Weitermarsch  auf  dem  Eise  ließ  eine  starke  Abschmelzung  der 
Qletscheroberfläche  erkennen,  weshalb  auch  schwer  passierbare,  über  mehrere 
Kilometer  sich  erstreckende  Gletschersümpfe  gefunden  wurden  sowie  flache 
Wannen,  in  welchen  die  Schmelzwasser  sich  ansammeln  und  sich  mit  dem 
ab  und  zu  fallenden  Schnee  dann  zu  einem  breiigen  Schlamm  vermengen. 
Ebenso  bereiteten  schwammartige,  mit  großen  und  kleinen  Schmelzlöchem 
versehene  poröse  Schneehalden,  deren  Entstehung  in  dem  Einschmelzen  des  in 
Massen  vorkommenden  Staubes  zu  suchen  ist,  beim  Passieren  unendliche 
Schwierigkeiten. 

Auf  der  Wasserscheide,  wo  in  den  Post-Gletscher  von  Nordosten  her 
ein  ebenso  starker  Gletscher  einmündet,  in  den  wieder  mehrere  breite  Seiten- 
gletscher einströmen,  wurde  am  Scelheim-Berg  das  Zentrallager  aufgeschlagen. 

Während  zwei  Mitglieder  der  Expedition  zu  wissenschaftlichen  Spezial- 
arbeiten  hier  zurückblieben,  drangen  die  übrigen  vier  unter  Führung  des 
Vortragenden  in  einem  Gewaltvorstoß  von  53'/«  St.  mit  wenigen  Unter- 
brechungen, auf  Schneeschuhen,  ohne  Schlitten  über  den  neuen,  nach  dem 
Stor-Fjord  abfallenden  Gletscher,  welcher  den  Namen  „Prinzregent  Luitpold- 
Gletscher''  erhielt,  nach  der  Ostküste  vor.  Von  einem  eigentlichen  Inlandeis, 
wie  wir  es  in  Grönland  kennen,  wo  fast  das  ganze  Land  bis  auf  einen 
schmalen  Küstenstreifen  von  einem  gewaltigen  Eisschild  verhüllt  ist,  und 
wie  es  Conway  und  Garwood  1896/97  für  diesen  Teil  Spitzbergens  berichtet 
hatten,  ist  hier  nicht  die  Rede,  man  könnte  eher  von  einem  Eisstromnetz 
sprechen,  das  durch  die  ineinandergreifenden  Gletscherströme  gebildet  wird. 
Eigentliches  Inlandeis  in  größerer  Ausdehnung  scheint  nur  auf  Nordost- 
Spitzbergen  vorzukommen,  das  A.  E.  von  Nordenskjöld  1873  durchquert  hat. 
Glücklich  wurde  von  zwei  Herren  der  Stor-Fjord  erreicht,  in  welchen  der  Prins- 
regent  Luitpold-Gletschcr,  weit  in  ihn  vorspringend,  steil  abstürzt;  ringsum 
eine  erstorbene  Natur  und  Totenstille,  die  nur  von  kreischenden  Alken  unter- 
brochen wird.  Über  zahlreiche  Schmelzwasserbäche,  die  auch  hier  Zeugnis 
ablegen  von  der  starken  Ablation  in   den   Sommermonaten,   ging   es  sodann 


_     47     — 

in  gefahrvollem  und  anstrengendem  Marsche,  der  dadurch  erschwert  wurde, 
daß  einer  der  Herren  sich  unterwegs  eine  ernsthafte  Verletzung  am  Fuße 
zugezogen  hatte,  wieder  nach  dem  Zentrallager  zurück,  von  wo  aus  über  den 
Post-Gletscher  die  Tempel-Bai  glücklich  erreicht  wurde. 

Auf  dem  Wege  nach  der  Advent-Bai  erlitt  das  Boot,  das  man  an 
seinem  Platze  angetroffen  hatte,  am  Kap  Diabas  zuguterletzt  noch  Schiff- 
bruch, weshalb  die  Expedition  gezwungen  wurde,  einen  mühseligen  Marsch 
von  25  km  nach  der  Advent-Bai  anzutreten.  Unterwegs  traf  man  auf  eine 
verlassene  englische  Kohlenmine,  in  der  sich  Lebensmittel  vorfanden,  und 
erreichte  von  da  aus  auf  einem  provisorisch  hergestellten  Fahrzeuge  ein 
amerikanisches  Kohlenbergwerk  auf  dem  gegenüberliegenden  Ufer,  wo  die 
Expedition  die  liebenswürdigste  Aufnahme  fand. 

(Vgl.  Filchner,  W.  und  Seelheim,  H. :  Quer  durch  Spitzbergen.  Eine 
deutsche  Übungsexpedition  im  Zentralgebiet  östlich  des  Eisfjords.  Berlin. 
E.  S.  Mittler  &  Sohn,  1911.) 

Nach  seinen  Ausführungen  über  die  Spitzbergen-Expedition,  die  in 
erster  Linie  den  Zweck  hatte,  Menschen  und  Material  für  die  Deutsche 
Antarktische  Expedition  zu  erproben,  schilderte  der  Redner  noch  kurz  die  Auf- 
gaben und  Ziele  der  letzteren,  sowie  den  augenblicklichen  Stand  der  Vorarbeiten. 

(Vgl.  den  Vortrag  des  Redners:  Einige  Bemerkungen  über  die 
Deutsche  Antarktische  Expedition,  enthalten  in  den  Verhandlungen  der  Gesell- 
Schaft  Deutscher  Naturforscher  und  Arzte,  82.  Versammlung  zu  Königs- 
berg, 18—24.  September  1910,  I.Teil,  Seite  115-122;  sowie  Denkschrift 
über  die  Deutsche  Antarktische  Expedition.  Allgemeiner  Plan,  Einzelheiten 
des  wissenschaftlichen  Programms,  Teilnehmer,  Ausrüstung,  Kostenvoranschlag. 
Berlin,  E.  S.  Mittler  &  Sohn.  1911.) 

Mittwoch,  den  4.  Januar  1911. 

Herr  Professor  Dr.  Wilhelm  Sievers-Gießen:  Reisen 
im  (jnellgebiet  des  Auiazonas-Maranon.     (Lichtbilder.) 

Nach  Lima  gelangt  man  jetzt  am  schnellsten  über  New  York  und 
Panama,  nämlich,  wenn  die  Anschlüsse  in  beiden  Städten  erreicht  werden, 
in  etwa  3  Wochen.  Ein  zweiter  nicht  viel  kürzerer  Weg  führt  über  Genua— 
Buenos  Aires— Valparaiso.  Man  kann  mit  den  neuen  italienischen  Schnell- 
dampfern von  Genua  aus  in  15— IB  Tagen  in  Buenos  Aires  sein,  überquert 
dann  auf  der  transandincn  Bahn  in  36  Stunden  die  Cordillere  und  findet  in 
Valparaiso  einen  Dampfer  der  Pacific  Steam  Navigation-Company,  der  einen 
jetzt  in  4Va  Tagen  nach  dem  Callao  bringt.  Der  dritte  mögliche  Weg  über 
Parä  und  den  Amazonas  erfordert  über  2  Monate,  da  die  Fahrt  von  Hamburg 
nach  Parä  allein  4  Wochen  dauert,  und  die  Ersteigung  der  Cordillere  von 
Osten  aus  schwierig  und  zeitraubend  ist,  da  noch  keine  Eisenbahn  die  peruanische 
Cordillere  vollständig  überschritten  hat.  Ich  wählte  den  an  zweiter  Stelle 
genannten  Weg  und  traf  auf  diesem  am  30.  März  1909  in  Lima  ein.  Als- 
dann bereiste  ich  den  ganzen  Norden  des  Landes,  sowie  Süd-Ecuador,  schiffte 
mich  am  29.  Oktober  in  Guayaquil,  dem  Hafen  von  Ecuador,  wieder  ein  und 
kehrte  über  Panama  und  New  York  nach  Deutschland  zurück. 


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Perti  zerfällt  nach  seiner  Oberflächenbeschaffenheit  in  zwei  Hauptteile, 
das  östliche  Tiefland  und  das  westliche  Gebirgsland.  firsteres  wird 
La  Montaöa,  der  Wald,  letzteres  La  Sierra,  das  Gebirge,  genannt. 
Meistens  wird  aber  noch  eine  dritte  Abteilang  onterschieden,  La  Costa, 
das  Küstenland.  Diese  Abtrennung  erfolgt  deshalb  mit  Recht,  weil  das 
Küstenland  in  wirtschaftlicher  Hinsicht  ganz  besondere  Eigenschaften  hat, 
die  anf  die  klimatischen  Verhältnisse  zurückzuführen  sind. 

Das  Küstenland  ist  orographisch  der  Abhang  der  Cordillere  nach 
dem  Großen  Ozean.  Die  auf  diesem  von  Süden  nach  Norden  dahinziehende 
Oberflächenströmung  ist  ungewöhnlich  kühl.  Welches  auch  die  Gründe  für 
diese  auffallende  Temperatur  sein  mögen,  jedenfalls  ist  das  Meer  in  den 
Breiten  von  18—4^  um  eine  Reihe  von  Graden  kühler  als  es  die  Regel  ist, 
so  daß  die  Seebäder  bei  Lima  schon  im  Mai  geschlossen  werden.  Da  nun 
aber  über  dieser  Küstenströmung  so  gut  wie  keine  Gelegenheit  zur  Konden- 
sation des  Wasserdampfes  vorhanden  ist,  so  fällt  an  der  Küste  nur  selten 
Regen.  Die  Feuchtigkeit  beschränkt  sich  auf  die  Garuas-Nebel,  die  in  geringen 
Höhen  während  der  Monate  Mai  bis  Oktober  auf  den  Küstenbergen  lagern. 
Die  Vegetation  ist  demgemäß  äußerst  gering,  das  Land  ist  eine  Wüste.  Wo 
aber  Flüsse  ans  dem  Gebirge  diese  Wüste  durchfließen,  da  vermag  die  Vege- 
tation üppig  zu  sein  und  der  Anbau  von  Zucker,  Baumwolle,  Reis,  Mais 
sowie  einer  großen  Menge  von  Fruchtbäumen  wird  ermöglicht;  dazu  kommt 
im  Süden  bei  Ica  und  Pisco  die  Rebe,  aus  der  ein  brauchbarer  Wein  gekeltert 
wird.  An  den  Ufern  dieser  Flüsse  liegen  die  hauptsächlichen  Küstenstädte, 
Lima  selbst  und  seine  Hafenstadt  ErCallao,  femer  im  Süden  Moquegua,  Ica, 
Pisco,  im  Norden  Trujillo,  Lambayeque,  Chiclayo,  Piura  und  Paita.  Erst 
bei  Tumbez  beginnt  größerer  Niederschlagsreichtum  und  damit  üppige 
Vegetation  im  ganzen  Küstenland.  An  Bodenschätzen  gewinnt  man  an  der 
trockenen  Küste  Guano  und  Salz,  während  die  Salpeterbezirke  1880  an  Chile 
verloren  gingen;  femer  liegen  im  Norden  reiche  Petroleumquellen,  die  sich 
auch  Über  den  feuchten,  äußersten  Norden  bis  Tumbez  fortsetzen. 

Von  der  Küste  führen  die  T  ä  1  e  r  hinauf  nach  der  S  i  e  r  r  a.  Sie  sind  tief 
eingeschnitten  und  daher  sehr  heiß,  oft  heißer  als  die  Küste  selbst  und  erlauben 
daher  den  Anbau  tropischer  Pflanzen  bis  zu  großen  Höhen ;  der  Kaffee  kommt 
noch  über  2000  m  in  einigen  Exemplaren  vor,  das  Zuckerrohr  steigt  bis  2500, 
der  Mais  bis  3500  m,  ja  sogar  der  Cacao  bis  etwa  1800  m  im  Tale  des  Maraiion. 
Da  aber  manche  Täler  schwer  passierbar  sind,  so  führen  auch  andere  Wege 
nach  der  Sierra  hinauf;  sie  übersteigen  die  Cordilleren  in  zum  Teil  sehr 
hohen  Pässen  und  treten  dann  ins  Innere  des  Gebirges  ein. 

Die  Sierra,  das  Gebirge,  erstreckt  sich  an  der  Küste  bis  zum 
größten  Quellflusse  des  Amazonas,  dem  Ucayaii.  Die  höchste  Kette  verläuft 
in  etwa  100  km  Entfemung  am  Meere ;  deshalb  entspringen  die  Quellflüsse 
des  Amazonas  ziemlich  nahe  dem  Großen  Ozean  und  schließen  fast  die  ganze 
pemanische  Sierra  dem  System  des  Amazonas  an,  so  daß  nach  Westen  nur 
Küstenflüsse  hinabrinnen.  Der  größte  unter  diesen  ist  der  Rio  Santa  in  Nord- 
perü,  der  zwei  Tagereisen  südlich  von  Huaraz  entspringt  und  ein  langes,  der 
Cordillerenrichtung  folgendes  Tal  bildet;  durch  dieses  Tal  wird  die  Haupt- 
cordillere  in  zwei  Äste,  die  Cordillera  Negra  näher  der  Küste,   und  die  Cor- 


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dillera  Bianca,  weiter  nach  dem  Innern  zu,  geteilt.  Erstere  ist  4800  m  hoch 
und  meist  schneefrei,  letztere  erreicht  in  Huaskarän  6700  m,  die  größte  Höhe, 
und  trägt  auf  mehr  als  100  km  Enfernung  eine  nahezu  ununterbrochene  Decke 
von  Firn,  aus  dem  sich  kleine  Eisflüsse  nach  beiden  Seiten  hinabsenken. 
Um  etwa  3500  m  aufwärts  ist  das  Gebirge  kahl,  das  Land  führt  den  Namen 
Puna.  Auch  liegen  nicht  blos  in  den  Tälern,  sondern  auch  noch  au!  der 
Puna  einzelne  größere  Ortschaften,  darunter  die  berühmte  Silberbergwerkstadt 
El  Cerro  de  Pasco  (4300  m).  Einzelne  Bäume,  wie  der  Kinuär  (Polylepis 
racemosa)  und  der  Kisuar  (Budleya  Incana)  erreichen,  zum  Teil  noch  in 
größeren  Beständen,  in  Schluchten  und  auch  an  offenen  Gehängen  diese 
Höhe,  der  Kinuär  sogar  4600  m. 

Das  höchste  Gebirge  ist  der  Sitz  der  Bergwerke;  diese  fördern  in 
Höhen  von  4000  bis  oft  über  5000  m  namentlich  Silber,  Kupfer,  Blei  und 
der  Kreideformation  zugehörige  Kohlen,  aber  auch  gelegentlich  Gold  und 
Quecksilber.  Die  Erze  werden  in  Schmelzhütten,  meist  nach  dem  Verfahren 
der  Lixiviation,  und  in  Höhen  zwischen  3300  und  4000  m  verhüttet.  Diese 
Anlagen  wurden  bis  vor  kurzem  meist  mit  englischem  und  französischem, 
neuerdings  auch  mit  deutschem  und  namentlich,  wie  der  „Smelter'^  vom  Cerro 
de  Pasco,  mit  amerikanischem  Kapital  betrieben  und  ergeben  einen  Ausfuhr- 
wert von  ungefähr  40  Millionen  Mark  im  Jahre. 

Die  Bevölkerung  besteht  in  der  Sierra  fast  ausschließlich  aus  den 
Cholos,  nicht  mehr  ganz  ungemischten  Indianern  von  den  alten,  bereits  zur 
Zeit  der  Inkas  hier  sitzenden  Stämmen,  im  Süden  namentlich  den  K^tschua. 
Teils  iirbeiteu  sie  in  den  Minen,  teils  hüten  sie  Schafe,  Rinder  und  von 
Oajatanibo  an  südwärts  Llamas,  teils  endlich  bauen  sie  die  Nutzpflanzen  der 
alten  Zeit,  Quinoa  (Chenopodium,  Quinua),  Oca  (Oxalis  tuberosa),  Ulluco 
(Ullucus  tubcrosus)  und  die  Kartoffel,  sowie  den  von  den  Spaniern  einge- 
führten Weizen,  die  Gerste,  ein  wenig  Hafer  und  die  überall  als  Viehfutter 
angebaute  Luzerne  (Alfalfa).  Völlig  rein  erhaltene  Indianer  finden  sich  nur 
noch  im  Süden  des  Landes,  in  der  Montaüa,  an  einzelnen  Stellen  der  Küste, 
z.  B.  nördlich  von  Trujillo,  und  endlich  in  Süd  Ecuador.  Über  dieser  Grund- 
bevölkerung liegt  eine  Schicht  der  Nachkommen  der  spanischen  Einwanderer 
als  herrschende  Klasse,  aber  sehr  dünn  gesäet,  als  Beamte,  Kaufleute,  Guts- 
besitzer; an  der  Küste  sind  sie  zahlreicher.  Neger  finden  sich  in  der  Sierra 
so  gut  wie  nicht,  an  der  Küste  häufig ;  Chinesen  bilden  überall  eine  äußerst 
unangenehm  empfundene  Landplage.  Unter  den  Europäern  nehmen  die 
Deutschen  jetzt  in  der  Sierra  eine  hervorragende  Stelle  ein,  mehr  noch  die 
Nordamerikaner,  seit  sie  die  Minen  vom  Cerro  de  Pasco  in  Besitz  bekommen 
haben,  ferner  die  Engländer  wegen  der  mächtigen  Peruvian-Corporation.  Unter 
den  Eisenbahnen  befindet  sich  die  wichtigste,  die  berühmte  Oroya-Bahn  von 
Lima  nach  dem  Cerro  de  Pasco  und  nach  Huancayo,  in  den  Händen  der 
Nordamerikaner.  Auch  Italiener  sind  vorhanden,  aber  sie  spielen  bei  weitem 
nicht  die  Rolle  wie  in  Argentina,  Uruguay  und  Brasilien. 

Die  Schneecordillere  zeigt  überall  Spuren  früherer  stärkerer  Verglet* 
scherung  bis  zu  Höhen  von  3500  m  abwärts.  In  den  Fels  gebettete  kleine 
Lagunen,  alte  und  junge  Moränen,  Gletscherschliffe,  von  Gletschern  ausge- 
furchte Täler  in  der  Form  eines  lateinischen  U,  Rundhöcker  sind   überall 


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sichtbar,  aber  seit  etwa  40  Jahren  ist  ein  Rückgang  der  Gletscher-  und  Fim- 
massen  nm  etwa  50  m  erkennbar,  überhaupt  ein  neuerer  Rückgang  von 
150  m  vertikaler  Richtung.  Immerhin  ist  die  Zone  der  heutigen  Yergletscherung 
noch  bedeutend,  sowohl  in  der  westlichen  Abteilung  der  Sierra,  in  den  Cor- 
dilleren  von  Huaraz  und  Huayhuasch  sowie  bei  Lima,  (weniger  im  Süden), 
als  auch  im  Osten  des  Gesamtgebirges,  aber  hier  gerade  mehr  in  den  Ge- 
birgen östlich  von  Cuzco,  als  in  denjenigen  östlich  des  Maradon. 

Der  Marafion  entspringt  nach  meinen  Untersuchungen  nicht,  wie  bisher 
allgemein  angenommen  wurde,  in  der  Lagune  Lauricocha,  sondern  etwa 
25  km  südlich  davon  auf  dem  Schneeberge  San  Lorenzo,  über  der  Mine  Raura, 
die  ihr  Kupfer  zum  Schmelzwerk  des  Engländers  Dunstan  in  der  Hazienda 
Quichas  sendet.  Er  durchfließt  zuerst  die  Laguna  von  Santa  Ana,  in  die  ein 
Gletscher  sein  Eis  wirft,  dann  die  Lagunen  Caballo  Cocha  mit  dem  Hinter- 
see Anca  Cocha,  der  wieder  von  einem  Gletscher  gespeist  wird,  weiter  die 
Doppellagune  Tinki  Cocha,  endlich  den  Huaskar  Cocha,  lauter  glaziale 
Seen,  bevor  er  in  den  Lauricocha  eintritt.  Dann  zieht  er  in  einem  tief  ein- 
geschnittenen Tale  mit  rascher  Strömung  nordwärts.  Im  Osten  des  Maradon 
steigt  das  Gebirge  noch  einmal  zu  etwa  5000  m  auf,  und  hier  liegt  in  dem 
Nevado  de  Acrotambo  bei  Huacrachuco  (8^  s.  Br.)  zum  letzten  Male  dauernd 
Schnee,  aber  auch  doch  wieder  zeigen  sich  deutliche  Spuren  früherer  Ver- 
gletscherung. Dann  senkt  es  sich  zu  der  fruchtbaren  MontaÜa,  in  der  je 
nach  der  Höhenlage  alle  Nutzpflanzen  gedeihen  können,  da  der  große  Nieder- 
Bchlagsreichtum  eine  reichliche  Bewässerung  gewährt.  Hier  sind  als  eigen- 
tümliche Landeserzeugnisse  die  Coca  am  Gebirgsabhange,  auf  deren  Kultur 
sich  Kokainfabriken  gegründet  haben,  und  der  Kautschuk  im  Tieflande  zu 
erwähnen,  dessen  Ausfuhrwert  1907  19  Millionen  Mark,  die  Hälfte  des  Wertes 
der  Erzausfuhr,  erreicht  hat. 

Mittwoch,  den  11.  Januar  1911. 

Herr  Professor  Dr.  Wilhelm  Volz-Breslau:  Quer  durch 
Nord-Sumatra.     (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  schilderte  zunächst  in  kurzen  Zügen  die  politische 
Lage  von  Nord-Sumatra,  wie  alles  hier  unter  dem  Zeichen  des  Atjeh-Krieges 
steht;  mehr  denn  35  Jahre  währt  er  bereits;  nach  anfänglichen  Erfolgen  und 
darauf  folgender  tiefster  Depression  hat  sich  jetzt  unter  der  Leitung  des 
Generals  v.  Heutsz  ein  befriedigender  Zustand  entwickelt.  Der  Kleinkrieg 
dauert  zwar  noch  an,  aber  die  Holländer  sind  doch  nunmehr  Herren  im 
Lande.  Nichtsdestoweniger  war  es  für  den  Vortragenden  unmöglich,  ohne 
militärische  Eskorte  das  Innere  Nord-Sumatras,  die  Cajo-Länder  zu  betreten ; 
aber  bereitwilligst  wurde  sie  ihm  zur  Verfügung  gestellt. 

Seine  zweite  Gajo- Expedition  unternahm  der  Vortragende  im  Jahre 
1905.  Mitte  Oktober  verließ  er  mit  seiner  Kolonne,  begleitet  von  etwa  40 
Mann  Kolonialmilitär,  die  Nordküste  und  erreichte  nach  mehrtägigem  Marsch 
durch  den  breiten  Urwaldgürtel,  welcher  das  Gajo-Land  rings  umgibt,  den 
Sockel  des  Cörödong-Massives  und  den  noch  tätigen  Telong-Vulkan,  den  er 
als  erster  ersteigen  konnte.    Das  nördliche  Gajo-Land,  das  Gebiel  des  Radja 


—    51     — 

Bukit,  bildet  ein  O.-W.-streichendes  Hochgebirgssystem ;  in  ein  gewaltiges 
Hochtal  ist  der  große  Tawar-See  eingebettet,  nnd  an  seinen  Uferfl&chen  liegen 
die  zahlreichen  Dörfer  des  nördlichen  Gajo-Landes. 

Die  Gajoer  sind  ein  sympathischer,  kräftiger  und  wohl  auch  ent- 
wickelungsfähiger  Menschenschlag,  der  auch  körperlich  den  Batakem  recht 
nahe  verwandt  ist ;  daneben  macht  sich  besonders  in  den  südlichen  Provinzen 
eine  beträchtliche  Beimengung  primitiver  Elemente  (ähnlich  z.  B.  den  Enbus) 
geltend ;  hierzu  gesellen  sich  noch  andere  Beimischungen,  unter  denen  atjehisches 
Blut  die  größte  Rolle  spielt. 

Der  weitere  Marsch  führte  in  das  Döröt-Gebiet,  welches  dem  Nord- 
Gajo-Gebirge  südlich  angelagert  ist,  eine  tiefe,  breite  Senke,  aus  tertiären 
Schichten  aufgebaut;  eine  besondere  Yegetationsform  kennzeichnet  dieses 
unfruchtbare  Land,  lichte  Kiefernhochwälder,  ein  seltsamer  Anblick  inmitten 
der  Tropen.  Tiefe  Flußschluchten  machen  das  öde  Gebiet  schwer  passierbar. 
Im  Süden  zieht  wieder  Hochgebirge  dahin,  die  Intem-Intem-Kette,  welche 
Dörüt  vom  Groß-Gajolande,  Gajo  Luos,  scheidet.  Ein  mühseliger  ürwald- 
marsch  brachte  die  Kolonne  dorthin.  Es  ist  eine  ähnliche  breite  tiefe  Senke, 
wie  Döröt;  aber  lag  jenes  3— 400  m  hoch,  so  dieses  ca.  800  m  über  dem 
Meere.  Gewaltige  Hochgebirge  trennen  es  in  mehrfacher  Kette  von  der  West- 
küste Sumatras.  Gajo  Luos  ist  das  reichstbesiedelte  der  Gajo-Länder ;  so  hat 
es  sich  am  schwersten  unterworfen,  und  noch  immer  gährt  es.  Schon  der 
Zustand  der  Dörfer  lehrt,  daß  hier  eine  wehrhafte  Bevölkerung  lebt ;  er  zeigt 
uns  aber  auch,  daß  die  Gajoer  zwar  zu  den  alten  Bevölkerungsschichten 
gehören,  daß  sie  zwar  den  Batakem  nahe  stehen,  aber  doch  mehr  sind,  als 
islaniisierte  Bataker,  daß  sie  völkische  Eigenart  besitzen  und  stets  besessen 
haben.  Viel  eher  kann  man  die  Alasser,  welche  eine  breite  Talsenke  im  Süd- 
osten des  Großgajo-Landes  bewohnen,  malaiisierte  Bataker  nennen. 

Das  Alasland  bildet  eine  breite  Senke,  ähnlich  dem  Großgajo-Land,  aber 
von  jugendlichem  Alter ;  im  Norden  wie  im  Süden  begleiten  es  gewaltige  Hoch- 
gebirgszüge, die  von  Vulkanen  gekrönt  werden.  Um  Anschluß  an  seine 
Batak-Expeditionen  zu  gewinnen,  beschloß  der  Vortragende,  nicht  die  natür- 
liche Wasserstraße,  den  Alas-Fluß,  hinabzugehen,  sondern  über  das  Hoch- 
gebirge im  Norden,  die  Serbölangit-Kette,  sich  der  Ostküste  zuzuwenden.  Ein 
mühseliger  nnd  gefahrvoller  Marsch  brachte  die  Kolonne  glücklich  über  die 
hohe  Kette,  durch  die  enge  Schlucht  des  Tambong-Flusses  in  die  Küsten- 
ebene, und  nach  zweieinhalbmonatlicher  Reise  traf  sie  zu  Weihnachten  wieder 
daheim  ein. 

(Vgl.  das  Werk  des  Redners  über  Nord-Sumatra.  Band  1 :  Die  Batak- 
liinder.     Berlin,  Dietrich  Reimer,  1909.) 

Mittwoch,  den  18.  Januar  1911. 

Herr  Professor  Dr.  Gustav  W.von  Zahn-München,  jetzt 
Jena:    Schilderungen  aus  der  Bretagne.    (Lichtbilder.) 

Charakteristischer  Weise  werden  vorspringende  Kaps  oder  Halbinseln 
öfters  mit  dem  Namen  „Ende  des  Landes*  —  Finisterre,  Landsend  —  bezeichnet. 
Es  sind  Stellen,  die  dadurch  besonders  für  den  Geographen  interessant  sind, 

4* 


—    52    — 

weil  sie  den  Einfluß  des  umgebenden  Meeres  auf  die  Formen,  das  Klima, 
die  Vegetation  und  den  Menschen  am  reinsten  erkennen  lassen.  Als  Beispiel 
dafür  soll  die  nordwestlichste  Halbinsel  Frankreichs,  die  Bretagne,   dienen. 

Eine  aus  einem  Hochgebirg  entstandene  Rumpffläche  ist  durch  eine 
Hebung  erneut  nach  der  Widerstandsfähigkeit  der  Gesteine  zerschnitten 
worden  und  dann  zum  Teil  gesenkt,  so  daß  das  Meer  an  ihren  Rändern  in 
Landformen  eindringen  konnte.  Damit  begann  zugleich  die  Arbeit  des 
Meeres,  und  zwar  sowohl  zerstörend  als  auch  aufbauend.  Durch  den  Stoß 
der  Kliflbrandung  wird  eine  Hohlkehle  eingearbeitet,  der  überhängende  Teil 
des  Felsens  stürzt  nach,  und  so  weicht  nach  und  nach  das  Land  zurück. 
Daneben  dringt  die  Brandung  an  schwachen  Stellen  des  Klifi's  rasch  vor 
und  arbeitet  Höhlen  aus,  die  zu  Klifftunnels  sich  vereinigen  können.  Durch 
ihre  Zerstörung  werden  Schluchten  gebildet,  die,  wenn  sie  zusammenwachsen 
oder  an  schmalen  Vorsprüngen  durchgreifen,  Liseln  und  Klippen  abtrennen 
können.  Dieser  Art  der  Meeresarbeit  sind  vor  allem  die  zahlreichen  kleineren 
Inseln  und  Klippen  zu  verdanken,  welche  die  Küste  begleiten.  Mit  dem 
gewonnenen  Zerstörungsmaterial  werden  Buchten  abgeschnürt,  Inseln  durch 
Isthmen  landfest  gemacht  und  bei  günstigen  Verhältnissen,  wie  in  der  Bai 
du  Mont  St.  Michel,  weite  Strecken  dem  Meere  entzogen. 

Das  Klima  wird  ozeanisch,  die  Sommer  abgekühlt,  die  Winter  gemildert, 
der  Niederschlag  und  der  Nebelreichtum  vermehrt.  Darin  liegt  eine  Gunst 
und  Ungunst  für  die  Vegetation,  der  milde  Winter  erlaubt  den  Anbau  süd- 
licher Gewächse,  der  kühle  Sommer  läßt  andere  aber  nicht  zur  Reife  kommen. 

Während  das  Land  arm  ist,  bietet  die  Küste  und  das  Meer  reichen 
Ertrag;  so  ist  eine  Verdichtung  der  Bevölkerung  an  der  Küste  entstanden, 
und  deren  Natur  erzog  seit  den  ältesten  Zeiten  bis  heute  eine  tüchtige 
Fischer-  und  Seemannsbevölkerung.  Von  Natur  aus  ist  die  bretonnische 
Küste  reich  an  guten  Häfen,  die  Lage  aber  der  Bretagne  und  die  Armut 
des  direkten  Hinterlandes  haben  es  nicht  zum  Emporwachsen  eines  größeren 
Handelshafens  kommen  lassen. 

Schwer  ist  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  ein  Einfluß  auf  den  Charakter 
der  Bewohner  durch  das  umgebende  Meer  zu  erkennen  ist.  Aus  dem  Ver- 
gleich mit  den  Eigenschaften  anderer  Küstenbewohner  und  den  scharfen 
Unterschieden  gegenüber  den  angrenzenden  französischen  Stämmen  scheint 
er  aber  doch  hervorzugehen.  So  hat  an  diesem  Ende  des  Landes  das  Meer 
einem  großen  Teil  der  geographischen  Verhältnisse  einen  besonderen  Stempel 
aufgedrückt. 

Mittwoch,  den  25.  Januar  1911. 

Herr  Professor  Dr.  Carl  Heinrich  Becker-Hamburg: 
Auf  den  Spuren  der  Araber  in  Spanien.     i^Lichtbilder.) 

Wenn  Goethe  sagt,  Orient  und  Occident  sind  nicht  mehr  zu  trennen, 
so  hat  er  das  im  Sinne  seines  persischen  Vorbildes  mystisch  gemeint  Für 
den  nüchternen  Beurteiler  der  Wirklichkeit  ist  der  Unterschied  zwischen  Ost 
und  West  solange  unüberbrückbar,  als  nicht  eine  räumliche  und  ethnische 
Mischung  zwischen  den  Völkern  des  Abend-  und  Morgenlandes  eingetreten 


—    53    — 

ist.  Solche  Mischungen  sind  einige  Male  im  Laufe  der  Weltgeschichte  ein- 
getreten, so  zur  Zeit  des  Hellenismus  au!  orientalischem  Boden  und  später 
auf  europäischem  Boden,  als  die  islamische  Zivilisation  sich  auf  Sizilien  und 
Spanien  ausdehnte.    Spanien  zeugt  noch  heute  von  dieser  Mischkultur. 

Was  lebt  noch  heute  in  Spanien  aus  arabischer  Zeit? 

Nicht  das  wirtschaftlich  aufstrebende  Katalonien,  sondern  Kastilien 
und  Andalusien  ziehen  den  Fremden  nach  Spanien,  jene  Landschaften,  über 
die  man  das  Motto  setzen  könnte :  „Es  war  einmal''.  Im  Stiergefecht  lebt 
die  Antike;  in  den  Museen,  ja  noch  in  der  Person  des  Kastiliers  lebt  die 
spanisch-amerikanische  Glanzzeit,  in  den  Domen  und  Klöstern  die  Reconquista 
und  die  Gegenreformation.  In  dem  Bau  von  Städten  wie  Toledo,  in  dem 
Mudejar-Stil  und  in  der  eigentümlichen  Stiibildung  der  spanischen  Gothik 
verrät  sich  der  islamische  Einfluß  schon  in  Mittelspanien.  Der  reine  Orient 
begegnet  uns  dagegen  erst  im  Süden.  Die  Landschaft  ist  idealisierter  Orient 
und  Sevilla  die  weiße  Stadt  des  orientalischen  Märchens.  Auch  die  Bewohner 
Andalusiens  können  die  arabische  Blutmischung  nicht  verleugnen.  Hier  ragen 
auch  noch  Bauten  aus  arabischer  Zeit,  die  große  Moschee  von  Gordova,  die 
Giralda  von  Sevilla  und  die  Alhambra  von  Granada. 

Wie  war  der  historische  Verlauf  dieser  Episode? 

Die  Ausbreitung  des  Islam  ist  der  arabischen  Völkerwanderung  zuzu- 
schreiben. Der  westliche  Zweig  dieser  Bewegung  hat  von  Nordafrika  auf 
Spanien  übergegriffen,  nachdem  sich  die  Araber  mit  den  Berbern  verbündet, 
weshalb  man  diese  westliche  islamische  Zivilisation  auch  die  maurische  nennt. 
Müsa  Ihn  Nusair  und  sein  ünterfeldherr  Tärik  haben  Spanien  vom  Jahre  711 
ab  erobert.  Die  Schlacht  von  Xeres  de  la  Frontera  fand  im  Wadi  Bckka 
am  Flüßchen  Salado  statt.  Schnell  war  Spanien  erobert,  und  die  Bewegung 
ging  nach  Frankreich  über,  wo  sie  im  Jahre  732  bei  Tours  und  Poitiers  zum 
Stehen  kam.  Gründe  dafür  waren  der  Gegensatz  zwischen  Arabern  und 
Berbern,  die  Unmöglichkeit,  das  große  Kalifenreich  zusammenzuhalten, 
nachdem  die  Residenz  von  Bagdad  nach  Damaskus  verlegt  war,  endlich  das 
Erstarken  Frankreichs  und  das  Aufkommen  von  Asturien  Leon.  Im  Jahre 
75G  gewann  das  islamische  Spanien  unter  einem  omaiyadischen  Prinzen  Selb- 
ständigkeit. Abdurrahman  wurde  der  Begründer  des  westlichen  Kalifats 
(756—1031).  Eine  vorzügliche  Schilderung  der  spanischen  Kultur  verdanken 
wir  dem  Grafen  Schack.  Der  Ruhm  von  Gordova  drang  damals  bis  nach 
Deutschland,  wo  die  junge  herrliche  Stadt  als  helle  Zierde  der  Welt  von 
Roswitha  von  Gandersheim  besungen  wurde.  Das  Charakteristische  der  hier 
geschaffenen  Kultur  war  einmal  ihr  religiöser  Charakter,  der  eine  weltgehende 
Toleranz,  wie  sie  im  damaligen  Abendlande  ganz  undenkbar  gewesen  wäre, 
nicht  ausschloß.  Sie  hatte  zweitens  den  Charakter  der  Mischkultur.  Man 
nennt  sie  mit  Unrecht  häufig  die  arabische,  nur  im  Recht  hat  sich  ein  stark 
arabischer  Einschlag  erhalten.  Sonst  knüpft  sie  zunächst  überall  an  das 
Vorgefundene,  läßt  sich  dann  später  von  Persien  beeinflussen,  um  endlich 
auch  Formen  der  zentralasiatisch-türkischen  Kultur  in  sich  aufzunehmen. 
Trotz  dieser  Züge,  die  die  spanische  Zivilisation  des  Islam  mit  ihrer  öst- 
lichen Schwester  gemeinsam  hat,  kommt  in  ihr  vor  allem  auf  dem  Gebiete 
der  Poesie  ein  deutlicher  abendländischer  Einschlag  zum  Dorchbruch.    Aach 


=-    54    — 

die  Wissenschaft  blühte  in  Spanien  mindestens  ebenso  wie  im  Osten ;  sofern 
sie  nicht  religiös  war,  war  sie  naturwissenschaftlich  orientiert  und  von  dem 
Geiste  der  Antike  durchdrungen.  In  großen  Bibliotheken  wurden  die  Schätze 
des  Morgen-  und  Abendlandes  angesammelt,  doch  hatten  die  katholischen 
Könige  Ferdinand  und  Isabella  nach  dem  Fall  von  Granada  nichts  Eiligeres 
XU  tun,  als  diese  unschätzbaren  wissenschaftlichen  Kleinodien  alsbald  dem 
Feuer  lu  überantworten. 

Die  Auflösung  des  starken  Omaiyaden-Staates  erfolgte  durch  den 
gleichen  Entwicklungsprozeß,  der  auch  das  große  Kalifenreich  des  Ostens 
zerfallen  ließ.  Der  aristokratische  Staat  der  Araber  wurde  allmählich  durch 
den  orientalischen  Absolutismus  ersetzt,  die  Prätorianer-Garden  bekamen  bald 
die  Fürsten  in  ihre  Hände,  und  außerdem  zeigte  sich  auf  die  Dauer  immer 
mehr  die  physische  und  geistige  Überlegenheit  der  Landeskinder.  So  zerfällt 
der  Kalifenstaat  von  Cordora  immer  mehr,  aber  noch  einmal  hält  sich  in 
Sevilla  für  kurze  Zeit  ein  glanzvolles  Kulturzentrum,  das  Reich  der  Abba- 
diden  (1023 — 1091).  Dann  greifen  erneut  berberische  Völkerscharen  aus 
Afrika  nach  Spanien  hinüber,  und  die  iberische  Halbinsel  bildet  für  einige 
Zeit  einen  Teil  der  Reiche  der  Almoraviden  und  Almohaden.  Dann  erstarkt 
immer  mehr  der  christliche  Norden,  Kastilien  und  Aragonien  stoßen  gegen 
Süden  vor  und  schließlich  bleibt  nur  noch  als  letzter  Rest  der  islamischen 
Herrlichkeit  Spaniens  der  selbständige  Kleinstaat  Granada,  der  erst  im  Jahre 
1492  von  den  katholischen  Königen  erobert  wird.  Im  Lager  von  Granada 
wurde  Columbus  vor  seiner  Ausreise  empfangen.  So  berührt  sich  hier  die 
alte  und  die  neue  Welt. 

Nach  diesen  einleitenden  Bemerkungen  zeigte  der  Vortragende  fünfzig 
Lichtbilder  von  Toledo,  Cordova,  Sevilla,  Granada  und  Ronda  und  schloß 
mit  Ansichten  des  Escurials  und  Gibraltars,  welche  die  neue  Welt  illustrieren, 
die  nach  der  arabischen  Herrschaft  in  Spanien  erstand. 

Mittwoch,  den  1.  Februar  1911. 

Herr  Dr.  August  Stolberg-Straßbiirgi.E.:  Die  Deutsche 
und  Schweizerische  Grönland-Expedition  1909.    (Lichtbilder.) 

Die  von  dem  stellvertretenden  Direktor  der  meteorologischen  Zentral- 
Anstalt  in  Zürich  Dr.  Alfred  de  Quervain  und  dem  Vortragenden  ontei^ 
nommene  Expedition,  der  sich  der  Zoologe  Dr.  E.  Baebler  aus  Glams  anschloß, 
hielt  sich  vom  Frühjahr  bis  zum  Beginn  des  Herbstes  1909  in  Grönland  auf. 
Nach  stürmischer  Überfahrt  auf  eisüberzogenem  Schiff  traf  sie  bereits  Mitte 
April,  also  noch  im  arktischen  Winter,  in  Grönland  ein,  wo  sie  sofort  mit 
den  acrologischen  Arbeiten  nach  der  de  Qnervainschen  Pilotanvisierongs- 
Methode  begann  und  ihre  Stationen  dann  im  Laufe  des  Mai  and  Juni  immer 
weiter  nördlich  bis  zur  BafTin-Bai  vorschob.  Die  durch  67  Pilotballons 
zur  Bestimmung  der  Verhältnisse  der  höheren  Athmosphärenschichten  aus- 
geführten Aufstiege  erschüttern  die  theoretisch  gebildete  Vorstellang  yon 
dem  Vorhandensein  eines  sogenannten  permanenten  Polarwirbels.  Neben 
den  meteorologischen  Arbeiten,  die  materiell  von  Graf  Zeppelin  unterstAtEfc 


—    55    — 

worden  waren,  und  Baeblers  Stadien  auf  dem  Gebiet  der  nivalen  Fauna 
wurden  auch  hydrographische  Messungen  im  Auftrag  des  Instituts  für  Meeres- 
kunde in  Berlin  und  der  deutschen  Seewarte  in  Hamburg  ausgeführt. 

An  diese  Arbeiten  anschließend,  wurden  im  Bereich  des  mächtigen 
Karajak-Gletschers,  eines  der  Hauptproduzenten  der  an  Westgrönlands  KtLste 
triftenden  Eisberge,  photogrammetrische  Randvermessungen  ausgeführt.  Die 
Gegend  eignete  sich  auch  darum  besonders  für  diese  Arbeiten,  weil  hier, 
zwischen  dem  70.  und  71.  Breitegrad,  Anfang  der  neunziger  Jahre  bereits 
Erich  von  Drygalski  die  randlichen  Eisverhältnisse  zum  Gegenstand  einer 
Spezialuntersuchung  gemacht  hatte,  eine  Basis  für  vergleichende  Aufnahmen 
also  gegeben  war.  Von  ganz  besonderem  Interesse  erschien  es  auch,  das 
außerordentlich  schwer  zugängliche  rückwärtige  Gebiet  dieser  von  Dry- 
galski nur  am  Absturz  untersuchten  Eisströme  kennen  zu  lernen,  und  so 
kam  eine  26tägige,  strapaziöse  Schlittenreise  ohne  Hilfe  der  Eingeborenen 
zustande.  Mit  den  nötigen  Instrumenten  und  Lebensmitteln  für  40  Tage 
versehen  drangen  die  Forscher,  von  18  Eskimos  begleitet,  unter  denen  sich 
auch  ein  junges  Mädchen  befand,  von  ümanak  aus  Ende  Juni  und  Anfang 
Juli  durch  die  noch  stark  mit  Eis  bedeckten  Fjorde  zum  Rand  des  Inland- 
eises in  2  Walfängerboten  vor,  wobei  ein  heftiger  Föhnsturm  auf  dem 
Sermitlet-Fjord  zu  bestehen  war.  Beim  Beginn  des  Inlandeises  verließen  die 
Eskimos,  wie  zu  erwarten  war,  aus  Aberglauben  die  3  Europäer,  welche  nun 
einer  völlig  unbekannten  Welt  gegenüber  auf  ihre  eigenen  Kräfte  angewiesen 
waren  und  die  Schlitten  (die  auf  der  Sportausstellung  in  Frankfurt  1910 
ausgestellt  waren)  von  vornherein  selbst  ziehen  mußten.  Das  Vordringen 
gestaltete  sich  recht  schwierig.  Erst  am  21.  Tage  der  Schlittenreise  gelangte 
man  auf  1700  Meter  Seehöhe.  Wegen  Proviantmangels  und  mit  Rücksicht 
auf  die  Abfahrtzeit  des  letzten  Schiffes  von  der  fernen  Küste  nach  Europa 
mußte  die  Expedition  am  21.  Tage  der  Eiswanderung,  gerade  als  die  Ver- 
hältnisse günstiger  wurden,  auf  einer  nördlicheren  Route  den  Rückweg  an- 
treten. Teilweise  mit  den  Schlitten  segelnd,  erreichten  die  drei  am  31.  Juli 
das  beim  Hinaufmarsch  im  Eise  errichtete  Lebensmitteldepot  und  einige 
Tage  später  auch  den  Ausgangspunkt  am  Sermitlet-Fjord  nnd  damit  nach 
vielen  Fährlichkeiten  das  zweite  Depot  glücklich  wieder.  26  Tage  waren 
sie  ausschließlich  auf  Eis  gewesen  (Nansen  28  Tage).  Die  Expedition  wurde 
dann  von  den  Eskimos  angetroffen  und  in  Boten  nach  der  Niederlassung 
Ikerasak  gebracht.  Der  größte  seit  Nansen  im  Binneneis  Grönlands  unter- 
nommene Marsch  —  etwas  über  250  Kilometer  —  war  damit  zu  Ende. 
Auf  der  Disko-Insel  traf  die  Expedition  später  den  ominösen  Nordpool- 
entdecker Dr.  Cook,  mit  dem  sie  dann  bis  nach  Kopenhagen  zusammen 
reiste,  wo  der  Kronprinz  von  Dänemark  sie  ebenfalls  persönlich  am  Bord 
des  Dampfers  begrüßte. 

Es  war  der  Expedition  gelungen,  ihrem  Programm  in  allen  Haupt- 
punkten gerecht  zu  werden,  sehr  oft  freilich  nur,  indem  der  24  stündige  helle 
arktische  Sommertag  bis  auf  die  letzte  Stunde  zur  Arbeit  herangezogen  wurde. 
Außer  den  schon  erwähnten  meteorologischen  Erfahrungen  ergaben  sich  durch 
die  Schlittenreise  besonders  in  morphologischer  Hinsicht  interessante  Ergeb- 
nisse.   Nicht  nur  Flüsse  und  Seen,  auch  förmliche  Talsysteme,  wie  letztere 


<•/» 


o6     — 

bisher  noch  unbekannt  waren,  wurden  im  Inlandeis  entdeckt.  Besonders 
interessant  ist  nach  den  Brfahmngen  der  Expedition  die  Feststellung  der 
einige  60  Kilometer  in  das  Eis  hineinreichenden,  in  einer  bestimmten  Be- 
ziehung zur  Orientierung  der  Fjorde  bestehenden  Bodenform,  die  trotz  der 
Eisbedeckung  noch  die  Züge  der  Landschaft  im  Einzuggebiet  des  Karajak 
verraten.  Von  dieser  Wiederspiegelung  des  Untergrundes  und  der  Beein- 
flussung des  Obcrflächenreliefs  im  Inlandeise,  von  diesem  deutlich  entwickelten 
System  von  Hügeln  und  Tälern,  die  dem  sonst  alles  nivellierenden  Eis  hier 
seine  Form,  wenn  auch  nur  in  sanften  Konturen  vorschreiben  und  davon, 
daß  die  Schneegrenze  in  diesem  Teil  Gröulands  erst  zwischen  1000  und  1 100 
Meter  eintritt,  wußte  man  bisher  noch  nichts.  Nicht  das  geringste  tierische 
oder  pflanzliche  Leben  wurde  während  der  26  Tage  auf  dem  Inlandeis 
angetrofifen. 

Die  Bedeutung  der  Schlittenreise  wird  sich  aus  der  mit  Unterstützung 
der  Karl  Ritter-Stiftung  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Berlin  und  der 
Tunitz-Kommission  der  Universität  Straßburg  begonnenen  Verarbeitung  der 
Messungen  zu  einer  Karte  ergeben. 

Es  sei  noch  bemerkt,  daß  die  Kosten  der  Expedition  zum  kleineren 
Teil  außer  durch  Graf  Zeppelin  noch  vom  Statthalter  von  Elsaß-Lothringen 
und  den  Hochschulen  zu  Zürich  und  Straßburg,  zum  griißeren  aber  von  den 
Teilnehmern  aus  eigenen  Mittc^ln  bestritten  wurden. 

(Vgl.  A.  de  Quervain  und  A.  Stolberg:  Durch  Grönlands  Eiswilste. 
Reise  der  Deutsch-Schweizerischen  Grönlandexpedition  1909  auf  das  Inlandeis. 
Straßburg  i.  E.  und  Leipzig,  Josef  Singer,  1911.) 

Mittwoch,  den  8.  Februar  1911. 

Herr  Kunstmaler  EnivSt  L.  Ostermayer-München: 
Erlebnisse  und  Beobaclitangen  in  Britisch-Indien.  (Licht- 
bilder.) 

Der  Redner,  welcher  eingangs  seiner  Ausführungen  hervorhob,  daß 
nicht  geographische,  sondern  rein  künstlerische  Zwecke  ihn  nach  Indien 
geführt  hätten,  landete  im  Hafen  von  Rarachi,  der  den  Eingang  von  Belnd- 
schistan  und  Sind  bildet. 

„Gleich  in  Karachi",  so  erzählte  der  Vortragende,  «erlebte  ich  die 
angenehme  Überraschung,  daÜ  mich  ein  dort  ansässiger  mohamedaniscber 
Kaufmann,  ein  Geschäftsfreund  meines  Bniders.  an  Bord  abholte,  um  mir 
die  Honneurs  von  Stadt  und  Land  zu  machen.  Das  echt  orientalische  Bild 
schon  beim  Anlegen  am  Hafendamm  ließ  frr>hliche  Buntheit  erwarten,  und 
als  ich  wenige  Stunden  später,  nach  kurzer  Fahrt  durch  die  malerischen 
engen  BazarstraÜen,  hoch  oben  auf  einem  festlich  geputzten  Kamel  saß,  um 
bei  flimmernder  Hitze  durch  stundenlange  Wüstenflächen  nach  der  Oase 
„Magar  Pir"  zu  reiten,  die  dann  ihre  märchenhafte  Schönheit  um  schneeweiße 
Maniiorgräber  mohamedaniscber  Heiliger  in  üppigster  Vegetation  zeigte, 
wo  schöne  Tänzerinnen  in  rhythmischen  Bewegungen  unter  seltsamer  Musik- 
begleitung auf  eigenartigen  Instrumenten  das  Entzücken  des  Künstlers  her- 


—    57     — 

vorriefen,  wo  großmächtige  Alligatoren  in  stumpfsinniger  Trägheit  regungslos 
im  warmen  Schlamm  der  heiligen  Quelle  sich  sonnten,  da  war  ich  mitten 
drin  im  Zauher  des  orientalischen  Wunderlandes. 

Von  Karachi  gings  nach  Bombay,  wo  ich  auf  Malabar  Hill  in  dem 
behaglichen  Bangelo  meines  Bruders  wochenlang  verweilte  und  von  wo  ich 
Studienfahrten  in  die  nähere   und  weitere   Umgebung   der  Stadt  unternahm. 

Surat,  Baroda,  Ahmadabad,  besonders  aber  dann  Adschmir  boten  mir 
eine  Unzahl  reizvoller  Bilder.  Die  alten  Stadtmauern,  Tore,  eine  groß- 
mächtige Tempelanlage,  paritätisch  sowohl  dem  Hindu  wie  dem  Mohamedaner, 
den  sonst  religiös  so  feindlichen  Brüdern  gleich  heilig,  das  Leben  und  Treiben 
im  Innern,  die  merkwürdigen  verschiedenen  Fuhrwerke,  militärische  Übungen 
eingeborener  Truppen  unter  europäischen  und  indischen  Offizieren,  das  war 
der  Reiz  von  Adschmir.  In  Dschehpur  (Jaipore)  waren  es  die  Pfauen  mit 
ihrem  nachtruhestörenden  Geschrei,  der  Fürstenpalast,  die  Elefanten,  der 
Zoologische  Garten  und  die  alte  Stadt  Amber  mit  ihren  Sehenswürdigkeiten, 
ganz  besonders  aber  das  „Afifentar,  der  alte  befestigte  Engpaß  Galta  mit 
seinen  Tausenden  von  heiligen  Affen,  die  mein  Interesse  erregten.  Hier  hatte 
ich  ein  merkwürdiges  Abenteuer  mit  den  langgeschwänzten  Herren.  Anscheinend 
aus  Ärger  über  unterlassene  Fütterung  hatte  mich  ein  alter  Affenhäuptling 
bösartig  angegriffen,  und  nur  durch  energische  Verteidigung  und  Dazukommen 
eines  „heiligen  Mannes"  war  es  mir  möglich,  mit  meinem  Diener  der  gefähr- 
lichen Situation  zu  entkommen. 

In  Bikamir  aber  bei  dem  liebenswürdigen  Maharadscha,  dessen  Gast 
ich  vier  volle  Wochen  lang  war,  waren  der  Eindrücke  so  viel,  daß  hier  nur 
das  Wichtigste  anzudeuten  möglich  ist.  Zunächst  die  merkwürdige  alte  Stadt 
selbst,  die  ihre  Entstehung  und  ihr  Sein  einigen  Quellen  verdankt,  die  hier 
in  der  Wüste  „Thar"  entspringen,  das  nicht  minder  merkwürdige  wunder- 
volle Schloß  oder  Fort,  ein  Kamelreiterkorps  von  500  Reitern  und  Kamelen, 
ganz  besonders  aber  ein  zwei  Tage  dauerndes  religiöses  Fest  zu  Ehren  der 
Schutz-  und  Quellenheiligen  der  Stadt  mit  allen  Wundem  von  1001  Nacht, 
alles  dies  gehört  zu  den  schönsten  Erinnerungen  meines  Lebens.' 

Der  überall  mit  offenen  Augen  beobachtende  Künstler  zeigte  herrliche 
Bilder  von  dem  Mohorrumfest  der  Mohamedaner,  das  er  in  einer  Straße  des 
Eingeborenenviertels  von  Bombay  mitmachte ;  prächtige  Aufnahmen  von  dem 
Villen-  und  Fischerdorf  Bandra,  und  die  üppigen  Szenen  aus  der  alten  Portu- 
giesenfcste  Bassein  oder  der  Felsentempelanlage  in  Kanhari  begleitete  er  in 
humorvoller  Darstellung  mit  lebenswahren  Schilderungen,  die  im  Verein  mit 
den  bunten  Bildern  immer  wieder  den  Beifall  und  oft  genug  die  Heiterkeit 
der  Anwesenden  auslösten.  Die  mit  unendlicher  Mühe  und  künstlerischem 
Feingefühl  von  dem  Vortragenden  selbst  bunt  gemalten  Bilder  sind  wohl 
das  Vollkommenste,  was  bis  jetzt  auf  diesem  Gebiet  gezeigt  wurde. 

Zum  Schluß  spendete  der  Redner  der  englisch-indischen  Regierung 
warmes  Lob  und  Dank.  Wenn  sie  auch  im  Lauf  der  Zeiten  viel  aus  dem 
Lande  herausgeholt  hat,  so  verwaltet  sie  doch  in  mustergültiger  Weise  das 
Riesenreich  und  tut  außerordentlich  viel  für  Kultur  und  Fortschritt.  Unter 
ihrem  Schutz  kann  der  Reisende  in  Sicherheit  alle  diese  Herrlichkeiten 
genießen,  wie  der  Vortragende  sie  im  Bilde  gezeigt  hat. 


—    58    — 

Mittwoch,  den  15.  Februar  1911. 

Herr  Ingenieur  Franz  Moldenhaucr-Frankf  iirt  a.  M. : 
England  in  Ägypten  und  im  Sudan.     (Liclitbilder). 

Seit  dem  berühmten  Zuge  Bonapartes  1798  haben  die  Franzosen 
Ägjrpten  nie  aus  den  Augen  verloren,  ja  unter  dem  Ghedive  Ismael  konnten 
sie  sich  geradezu  als  die  Herren  des  Landes  betrachten.  Um  aber  zu  ver- 
stehen, wie  die  Engländer  in  kaum  30  Jahren  den  französischen  Einfluß  voll- 
ständig  verdrängen  und  sich  in  Ägypten  so  festsetzen  konnten,  wie  es  tat- 
sächlich der  Fall  ist,  muß  man  bis  auf  Ismael  zurückgreifen,  welcher  1863 
den  Thron  der  Pharaonen  bestieg.  Er  hatte  seine  Erziehung  in  Paris  genossen 
und  hatte  das  Beste  seines  Landes  vor  Augen.  Er  verbesserte  das  Gerichts- 
wesen, gründete  Schulen,  baute  Fabriken  und  Eisenbahnen,  und  unter  ihm 
wurde  durch  Lesseps  nach  den  Plänen  des  österreichischen  Ingenieurs  Negrelli 
1869  der  Suez-Kanal  eröffnet.  Durch  glückliche  Feldzüge  eroberte  er  Kor- 
dofan  und  Darfur  und  dehnte  sein  Reich  bis  zu  den  großen  Seen  aus.  Aber 
seine  maßlose  Prachtliebe  und  Verschwendungssucht  trieben  den  Staat  dem 
Bankerott  entgegen  und  veranlaßte  die  europäischen  Mächte  zum  Einschreiten. 
Eine  europäische  Qerichtskommission  wurde  eingesetzt,  die  Staatsschulden 
wurden  unter  Kontrolle  gestellt,  er  mußte  einen  Franzosen  und  einen  Eng- 
länder in  sein  Ministerium  aufnehmen  und  seine  Privatgüter,  welche  V&  des 
ganzen  bebaubaren  Landes  umfaßten,  zum  Staatseigentum  erklären.  Auch 
seine  Suezkanal- Aktien  war  er  zu  verkaufen  genötigt,  welche  Lord  Beacons- 
field,  der  damalige  englische  Premierminister,  für  4  Millionen  £  in  aller  Stille 
für  England  mit  Hülfe  Rothschilds  erwarb.  Das  gab  dem  französischen  Ein- 
fluß einen  argen  Stoß,  denn  England  hatte  jetzt  das  Übergewicht  über  den 
Suezkanal. 

Als  Ismael  1879  eigenmächtig  die  europäischen  Beamten  entließ,  setzten 
ihn  die  Mächte  ab  und  verbannten  ihn  nach  Konstantinopel.  Sein  Sohn 
Tewfik  kam  auf  den  Thron.  Die  europäischen  Institutionen  wurden  wieder 
ins  Leben  gerufen,  und  das  Land  begann  aufzublühen. 

Aber  die  um  ihren  verderblichen  Einfluß  gebrachten  Paschas  und  Bankiers 
zettelten  hinter  dem  Rücken  des  Chedive  mit  dem  Kriegsminister  Arabi-Pascha 
an  der  Spitze  eine  Verschwörung  zur  Vertreibung  der  Europäer  an,  und  Juni 
1882  erfolgte  der  blutige  Aufstand  in  Alexandria.  England  und  Frankreich 
schickten  Flotten  vor  die  Stadt,  aber  die  französischen  Kriegsschiffe  zogen 
sich  unerwartet  zurück;  die  Engländer  beschossen  Alexandria  allein  und 
besetzten  die  Stadt.  Arabi  floh  nach  Tel-el-Kebir  am  Süßwasserkanal  zwischen 
Nil  und  Suezkanal  und  errichtete  ein  befestigtes  Lager.  Die  Engländer, 
welche  von  Malta  Verstärkungen  erhalten  hatten,  erstürmten  dieses  unter 
Lord  Wolseley  und  waren  jetzt  die  alleinigen  Herren  von  Ägypten.  Das 
war  der  zweite,  Frankreich  versetzte  Schlag. 

Mit  der  den  Engländern  eigenen  Anpassungsfähigkeit  begannen  sie 
sofort  sich  häuslich  einzurichten.  Die  Mächte  erhoben  keinen  Wiedersprach, 
denn  England  erklärte  das  Land  wieder  zu  räumen,  „sobald  es  sich  selbst 
regieren  könne."  Der  Chedive  behielt  Stellung  und  Einkünfte,  aber  England 
setzte  überall  seine  Beamten  an  die  Spitze ;  die  Gerichtshöfe  sowie  die  ganse 


—     59    — 

Administration  des  Landes  wurde  nach  englischem  Muster  reformiert,  eine 
vorzüglich  organisierte  Polizei  stellte  Ruhe  und  Sicherheit  her,  das  Heer 
wurde  reorganisiert,  der  Staatskredit  wurde  hergestellt  und  ein  hervorragender 
Staatsmann,  Lord  Cromer  (von  deutscher  Abkunft  mit  dem  Familiennamen 
Baring),  wurde  General-Gouverneur  von  Ägypten. 

Eine  seiner  ersten  Verordnungen  war  die  Befreiung  der  Fellachen,  der 
armen  Bauern,  von  dem  auf  ihnen  lastenden  unmenschlichen  Druck,  und  dann 
richtete  er  sein  Hauptaugenmerk  auf  die  Kardinalfrage  des  Landes,  auf  die 
Bewässerung.  Das  von  Franzosen  erbaute  große  Stauwerk  bei  Kaliut  unter- 
halb Kairo,  welches  durch  schlechte  Fundamentierung  unbrauchbar  geworden 
war,  wurde  durch  den  Ingenieur  Sir  Colin  Moncrieff  seiner  Bestimmung  wieder- 
gegeben, bei  Assuan,  oberhalb  des  ersten  Katarakt,  wurde  die  bis  jetzt  größte 
Barrage  der  Welt  durch  die  Ingenieure  Garstin  und  Willcocks  errichtet, 
welche  mehr  als  200,000  Hektar  Wtistenland  in  blühende  Felder  verwandelte 
und  eine  Regulierung  des  Wasserstandes  bei  Kairo  bewirkte.  Gleichzeitig 
wurde  bei  Assiut  ein  anderes  großes  Stauwerk  gebaut.  Leider  wurden  durch 
den  erstgenannten  Staudamm  die  berühmten  Tempel  von  Philae  dem  Unter- 
gang entgegengeführt. 

Wie  schon  erwähnt,  hatte  Ismael  den  ganzen  Sudan  mit  Ägypten  ver- 
einigt, aber  die  bestechlichen  Beamten  übten  arge  Bedrückungen  aus.  Als 
daher  1888  der  mohamedanische  Geistliche  Mohamed  Ahmed  sich  für  den 
Mahdi,  den  rechtmäßigen  Nachfolger  des  Propheten,  ausgab  und  den  Abfall 
von  Ägypten  predigte,  strömten  ihm  ungezählte  Scharen  von  Bewaffneten  zu. 
Die  schwach  besetzten  ägyptischen  Militärposten  wurden  überrumpelt  und 
die  Garnisonen  wurden  teils  niedergemacht,  teils  gefangen,  u.  a.  der  berühmte 
Slatin-Pascha,  ehemaliger  österreichischer  Artillerieoffizier.  Zwei  englische 
Heere  unter  Baker-Pascha  und  Hicks-Pascha  wurden  nacheinander  aufge- 
rieben und  die  Abessinier  unter  König  Johannes  geschlagen,  Khartum  wurde 
belagert  und  erstürmt,  wobei  der  damalige  General-Gouverneur  des  Sudans, 
der  große  Gordon-Pascha,  am  26.  Januar  1885  ermordet  wurde.  Khartum 
wurde  von  Grund  aus  zerstört  und  Omdurman  am  weißen  Nil,  unterhalb 
Khartum  wurde  die  Hauptstadt  der  Derwische. 

Der  Mahdi  starb  bald  darauf,  und  der  blutdürstige  Chalifa  AbduUay 
wurde  sein  Nachfolger.  Immer  neue  Scharen  strömten  ihm  zu,  und  die  Eng- 
länder sahen  bald  ein,  daß  man  mit  Aussicht  auf  Erfolg  gegen  eine  so 
große,  aus  todesmutigen  Fanatikern  bestehende  Macht  keine  Armee  über 
den  Nilbogen  schicken  könne.  Sie  verschoben  daher  die  Wiedereroberung 
des  Sudan. 

1892  starb  der  Chedive  Tewfik,  und  sein  Sohn  Abbas  II.  Hilmi  folgte 
ihm  nach.  Er  war  in  Wien  erzogen.  In  seinem  Verhältnis  zu  England 
änderte  sich  gegen  früher  nichts. 

Als  1896  Lord  Kitchener  zum  Befehlshaber  des  englisch-ägyptischen 
Heeres  ernannt  wurde,  baute  er  unter  ungeheueren  Schwierigkeiten  die 
Wüstenbahn  zwischen  Wadi-Halfa  und  Abu-Hamed  und  setzte  sie  gegen 
Khartum  fort.  Nach  ihrer  Vollendung  1898  waggonicrte  er  seine  aus  22,000 
Mann  bestehende  Armee  nebst  5  zerlegten  Kanonenboten  und  3  Schrauben- 
dampfern darauf  ein  und  vernichtete  in  der  blutigen  Schlacht  bei  Kereri  am 


—    60    — 

2.  Sept.  1898  unterhalb  Omdorman  das  über  40,000  Mann  starke  Heer  der 
Derwische.  16,000  tote  oder  verwundete  Derwische  sowie  Tansende  von 
Pferden  bedeckten  das  Schlachtfeld.  Das  Mahdi-Reich  war  vernichtet.  Abdnllay 
selbst  fiel  in  einem  Rückzugsgefecht 

Kitchener  verfuhr  gegen  die  halbverhungerten  Einwohner  von  Omdnrman 
.mit  großer  Menschlichkeit,  schaffte  Lebensmittel  herbei  und  hielt  strenge 
Manneszucht  unter  seinen  Soldaten,  so  daß  die  geflüchteten  Einwohner  bald 
zurückkehrten. 

Da  trafen  kurz  danach  die  Franzosen  unter  Oberst  Marchand  am 
oberen  Nil  ein  und  verschanzten  sich  bei  Faschoda.  Kitchener  zog  ihnen 
mit  3000  Mann  entgegen,  verständigte  sich  aber  mit  Marchand  dahin,  daß 
man,  statt  sich  zu  bekämpfen,  abwarten  wolle,  was  die  beiderseitigen 
Regierungen  in  Europa  beschließen  würden.  Die  französischen  Truppen 
wurden  auch  einige  Monate  später  abberufen  und  nach  Frankreich  zurück- 
gebracht. 

Damit  hatten  die  Franzosen  den  letzten  Einfluß  in  Ägypten  verloren. 

Khartum  wurde  nun  als  Europäerstadt  größer  und  schöner  aufgebaut, 
als  es  früher  war.  Omdurman  blieb  Araberstadt.  England  zieht  aus  dem 
Innern  des  Landes  mehr  und  mehr  Eingeborene  heran,  um  die  durch  die 
Madhisten  ausgemordeten  Gegenden  neu  zu  bevölkern.  Vor  dem  Auf- 
stand zählte  der  Sudan  ca.  10  Millionen  Einwohner,  nach  der  Rückeroberung 
noch  2  Millionen.  Eine  neue  Wüstenbahn  wurde  von  Port  Sudan  am  Roten 
Meer  nach  Abu-Hamed  zum  Anschluß  an  die  Bahn  nach  Khartum  gebaut, 
und  letztere  wird  den  weißen  Nil  entlang  bis  Darfur  verlängert.  Volle 
Religionsfreiheit  ist  gewährleistet,  wenn  aber  die  christlichen  Missionäre  gegen 
einander  oder  gegen  den  Islam  hetzen,  werden  sie  sofort  des  Landes  ver- 
wiesen. Die  Verwaltung  des  englisch-ägyptischen  Sudan  von  Wadi-Halfa 
bis  Uganda  ist  von  der  ägyptischen  getrennt. 

In  Ägypten  selbst  ist  eine  weitere  Nil-Barrage  bei  Esneh  und  bei  Korn- 
Ombo  eine  große  Irrigationsanlage  mit  künstlicher  Hebung  des  Wassers 
entstanden.  Ein  Deutscher  von  Geburt,  Sir  Ernest  Cassel,  hat  sich  hervor- 
ragende Verdienste  durch  Gründung  von  industriellen  und  anderen  Unter- 
nehmungen erworben.  Kurz,  Sicherheit  und  Fortschritt  herrschen  in  dem 
ganzen  ungeheueren  Gebiet  vom  Delta  bis  Britisch-Ostafrika. 

Trotzdem  sind  die  Engländer  nicht  beliebt.  Die  oberen  Beamten 
werden  zwar  als  zuvorkommend  gerühmt,  aber  das  Gros  der  Engländer, 
welches  in  untergeordneten  Stellungen  nach  Ägypten  kommt,  ist  brutal  und 
herrisch  gegen  die  Eingeborenen. 

Allein  die  englische  Herrschaft  ist  noch  auf  viele  Jahrzehnte  eine  Not- 
wendigkeit und  ist  heute  ein  Segen  für  das  ganze  Nilland. 

Mittwoch,  den  22.  Februar  1911. 

Herr  Professor  Dr.  Pritz  Regel-Würzburg:  Der  Panama- 
Kanal.    (Lichtbilder.) 

Bereits  das  Entdeckungszeitalter  hat  sich  mit  der  Frage  einer  Durch* 
stechung   der  Landenge  von   Mittelamerika  beschäftigt,   namentlich   Cortex 


—    61    — 

gab  sich  nach  der  Eroberung  von  Mexiko  große  Mühe,  eine  geignete  Stelle 
ausfindig  zu  machen,  nachdem  sich  herausgestellt  hatte,  daß  keine  natürliche 
Wasserverbindung  vorhanden  war.  Jene  Zeit  war  indes  einem  solchen  Riesen- 
unternehmen weder  finanziell  noch  technisch  gewachsen ;  ja  Philipp  II  verbot 
sogar  strengstens,  diesen  Plänen  weiter  nachzugehen.  Erst  gegen  das  Ende 
der  spanischen  Kolonialzeit  tauchten  dieselben  wieder  auf,  ohne  jedoch  zu- 
nächst zu  irgend  welchen  praktischen  Ergebnissen  zu  führen,  doch  wurden 
von  Alexander  von  Humboldt  die  für  einen  Durchstich  geeignet  erscheinenden 
Stellen  kritisch  beleuchtet. 

Nachdem  die  spanischen  Kolonien  in  den  ersten  Jahrzehnten  des 
19.  Jahrhunderts  ihre  Unabhängigkeit  erkämpft  hatten,  interessierten  sich 
zunächst  Engländer,  Nordamerikaner  und  Franzosen  für  die  Verbindung  des 
Atlantischen  und  Pazifischen  Ozeans  durch  einen  Kanal;  nächst  der  Union, 
die  schon  1823  die  Monroe-Doctrine  aussprach,  war  es  vor  allem  England, 
welches  dem  Kanalbau  seine  Aufmerksamkeit  zuwandte.  Es  besaß  Jamaica 
und  wollte  an  der  Moskitoküste  ein  Protektorat  gewinnen,  um  auch  in 
Mittelamerika  festen  Fuß  zu  fassen.  Die  Vereinigten  Staaten  waren  um  die 
Mitte  des  19.  Jahrhunderts  noch  nicht  stark  genug,  um  der  Seemacht  Eng- 
lands Widerpart  zu  halten,  und  so  kam  es  1850,  am  9.  April,  zum  Sayton- 
Bulwer- Vertrag.  Nach  ihm  sollte  der  Panama-Kanal  ein  zum  Besten  der 
ganzen  Menschheit  und  zu  gleichem  Hecht  für  alle  dienender  Seeweg  werden; 
beide  Mächte  verpflichteten  sich,  die  Sicherheit  und  Neutralität  des  künftigen 
Kanals  zu  garantieren,  ja  sie  dehnten  diesen  Schutz  auch  auf  eine  Eisen- 
bahn über  den  Isthmus  aus.  Letztere  wurde  von  1850 — 1855  gebaut,  als 
kurz  nach  der  Erwerbung  der  Weststaaten  seitens  der  Union  und  der  Ent- 
deckung von  Edelmetallen  in  Kalifornien  der  Verkehr  zwischen  Colon  und 
Panama  rasch  anwuchs. 

Bald  nach  der  Fertigstellung  des  Kanals  von  Suez,  im  Jahre  1869 
durch  F.  von  Lesseps,  ergriffen  nunmehr  die  Franzosen  begierig  den  Plan 
eines  Kanaldurchstichs,  um  das  im  Krieg  mit  Deutschland  gesunkene  An- 
sehen wieder  zu  heben.  So  kam  die  ,Soci6t6  Universelle  du  Canal  Inte- 
roc(5anique''  unter  Leitung  von  Lesseps  zustande  und  arbeitete  von  1882—1889 
an  der  Herstellung  eines  Niveaukanals,  dessen  Vollendung  jedoch  die  Kräfte 
einer  Privatgesellschaft  weit  überstieg. 

Nach  dem  berüchtigten  Panamakrach  von  1889  wurde  sodann  1894 
mit  sehr  bescheidenen  Mitteln  (65  Millionen  Francs)  die  ,Nouvelle  Compagnie* 
ins  Leben  gerufen,  die  das  Geleistete  langsam  und  ihren  Mitteln  entsprechend 
weiterführte,  bis  sich  eine  Gelegenheit  zum  Verkauf  bot,  den  die  Union 
1904  mit  ihr  abschloß. 

Während  des  Burenkrieges  wurde  der  Vertrag  von  1850  durch  den 
Hay-Pauncefote- Vertrag  ersetzt.  Nunmehr  erhielten  die  Vereinigten  Staaten 
das  Recht,  den  Kanal  '^under  own  auspices"  zu  bauen.  Das  Departamento 
Panama  wurde  Ende  1903  ein  selbständiger  Staat,  dem  die  Union  die  so- 
genannte a  Kanalzone**  abkaufte.  Nach  der  glücklichen  Sanierung  derselben, 
sowie  der  Städte  Panama  und  Colon  durch  Oberst  Gorgas  machten  nunmehr 
die  Amerikaner  etwa  seit  1906  riesige  Fortschritte,  die  der  Vortragende 
durch   über  50  Lichtbilder   veranschaulichte,   sodaß   in  etwa  3  Jahren  der 


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zanächst  in  Angriff  genommene  Schiensenkana]  dem  Verkehr  übergeben 
werden  kann. 

Am  1.  Janaar  1915  soll  derselbe  feierlich  eingeweiht  werden.  Colon 
erhält  einen  neuen  großen,  durch  Wellenbrecher  geschützten  Hafen  am  Golf 
von  Mindi.  Bis  Gatun  führt  der  Kanal  im  Meeresniveau;  hier  ist  ein  riesiger 
Damm  von  2350  m  Länge,  1250  m  Breite  und  41  m  zur  Aufstauung  des  Rio 
Chagres  errichtet;  der  gewaltige  Stausee  bringt  die  durch  8  Doppelschleusen 
um  85  feet  (=  25,9  m)  gehobenen  Schiffe  37  englische  Meilen  weiter  ins  Land 
zum  „Culebra  Cut",  dem  über  70  m  tiefen  Einschnitt  durch  die  wasser- 
scheidende Kordillere  bis  , Pedro  Miguel".  Hier  bringt  eine  Schleuse  die 
Schiffe  auf  17  m  Meereshöhe;  ein  kleiner  Stausee  im  Bereich  des  Rio  Grande 
reicht  bis  Miraflores,  wo  dem  stauenden  Wall  Doppelschleusen  eingebaut 
sind,  um  die  Schiffe  bis  auf  das  Meeresniveau  hinabgleiten  zu  lassen.  Vor 
La  Boca,  etwa  2  km  westlich  von  Panama,  bis  zu  der  im  Pazifischen  Ozean 
liegenden  Inselgruppe  ist  eine  tiefe  Fahrrinne  ausgebaggert.  Später  soll 
ohne  Unterbrechung  des  Verkehrs  der  jetzige  Schleusenkanal  in  einen  Niveau- 
kanal umgewandelt  werden. 

Redner  geht  dann  noch  auf  die  Bedeutung  des  Panamakanals  etwas 
näher  ein,  der  hauptsächlich  den  militärischen  und  wirtschaftlichen  Interessen 
der  Vereinigten  Staaten  zugute  kommen  wird.  Bereits  am  21.  Februar  1827 
sagte  Goethe  zu  Eckermann:  „Es  ist  für  die  Vereinigten  Staaten  durchaus 
unerläßlich,  daß  sie  sich  eine  Durchfahrt  aus  dem  mexikanischen  Meerbasen 
in  den  Stillen  Ozean  bewerkstelligen,  und  ich  bin  gewiß,  daß  sie  es  erreichen.^ 
In  unseren  Tagen  geht  diese  größte  technische  Unternehmung  aller  Zeiten 
ihrer  Vollendung  mit  raschen  Schritten  entgegen,  die  Frankfurts  größter 
Sohn  1827  mit  so  prophetischem  Blicke  verkündete! 

(Vgl. :  Angewandte  Geographie.  Hefte  zur  Verbreitung  geographischer 
Kenntnisse  in  ihrer  Beziehung  zum  Kultur-  und  Wirtschaftsleben.  III.  Serie. 
6.  Heft :  Fritz  Regel,  Der  Panama-Kanal.  Halle  a.  S.,  Gebauer-Schwetschke,  1909.) 

Mittwoch,  den  1.  März  1911. 

Herr  Legationsrat  Dr.  Franz  Olshausen-Berlin: 
Paraguay  unter  besonderer  Berficksichtigung  seiner  Expori- 
produkte.     (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende,  der  in  den  Jahren  1908/09  als  Kaiserl.  Deutscher 
Geschäftsträger  und  Konsul  in  Paraguay  tätig  war,  erinnerte  einleitend 
daran,  daß  die  Zentenarf eiern  verschiedener  süd-  und  mittelamerikanischer 
Republiken  im  verflossenen  Jahre  die  Aufmerksamkeit  Europas  in  besonderem 
Maße  auf  die  lateinischen  Länder  jenseits  des  Atlantischen  Ozeans  gelenkt 
haben.  Im  laufenden  Jahre  trete  nun  auch  Paraguay,  dessen  Unabhängigkeits- 
erklärung am  14.  Mai  1811  erfolgte,  in  die  Reihe  der  seit  einem  Säkulum 
autonomen  Staaten  ein.  Wenn  es  auch  noch  eine  bescheidene  Stellung  unter 
den  Nationen  einnimmt,  so  scheint  es  doch  dank  seiner  eigenartigen,  nament- 
lich für  den  künftigen  kontinentalen  Durchgangsverkehr  wichtigen  Lage  und 
seiner  Fruchtbarkeit  dazu  bestininit,  künftig  nicht  mehr  bloß  als  „historisches 
Kuriosum"   zu   gelten,    sondern   auch   eine   wirtschaftliche  Rolle   zu  spielen. 


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Redner  geht  dann  kurz  auf  die  merkwürdige  Geschichte  Para- 
guays ein,  würdigt  die  derzeitige  politische  Lage  und  bezeichnet  als 
wichtigste  Aufgabe  der  jetzigen  Regierung,  die  Verwaltung  auf  eine  gcsun  de 
finanzielle  Basis  zu  stellen.  Dies  kann  aber  nicht  durch  die  Aufnahme 
einer  Anleihe  geschehen,  an  die  man  dort  immer  zuerst  denkt.  Da  den 
geborgten  Geldern  keine  produktive  Verwendung  gesichert  ist,  helfen  Anleihen 
nur  für  kurze  Zeit.  Radikale  Hilfe  kann  allein  die  Schaffung  neuer  Werte 
im  Lande  selbst  bringen :  Paraguay  muß  seine  natürlichen  Reichtümer  heben, 
die  Erzeugung  seiner  exportfähigen  Produkte  durch  intensive 
Arbeit  fördern,  deren  Erlös  den  Nationalreichtum  hebt,  die  Mittel  zur  Be- 
zahlung des  Imports  herbeischafft  und  in  weiterer  Folge  die  Staatsfinanzen 
durch  erhöhte  Zolleinnahmen  stärkt;  denn  die  Zölle  bilden  die  bei  weitem 
wichtigste  Einnahmequelle  des  Staates,  dessen  ganze  Struktur  noch  nicht 
die  Erhebung  direkter,  persönlicher  Steuern  gestattet,  der  auch  keine  eigenen 
gewinnbringenden  Betriebe  und  kaum  noch  erhebliche  Staatsländereien  besitzt. 

In  abgerandeten  Zahlen  betrug  die  Ausfuhr  Paraguays  im  Jahre  1908 : 
4  Millionen  Pesos  Gold  (=  ca.  16  Millionen  Mark).  Davon  entfallen  auf 
Quebracho- Extrakt  1  Million  Pesos  (also  V4  der  Gesamtausfuhr !),  etwa  ^U  Million 
Pesos  auf  Mate  (Paraguay-Tee),  '/*  Million  Pesos  auf  Häute,  V«  Million  Pesos 
auf  Holz,  über  V4  Million  Pesos  auf  Tabak. 

Der  Vortragende  beschäftigte  sich  nun  mit  den  einzelnen  Produkten 
und  entwarf,  indem  er  die  Hörer  in  die  verschiedenen  Produktionsgebiete 
führte,  in  großen  Zügen  ein  Bild  des  Landes  und  seiner  Bewohner. 

Der  besiedeiste  Teil  des  Landes  liegt  an  der  einzigen  existierenden 
Bahnlinie  von  Asunciön  bis  fast  nach  Encarnaciön  am  Paranä.  Dort 
gewinnt  in  kleinbäuerlichem  Betriebe  auf  seiner  Chacra  der  paraguayische 
Landmann  außer  den  wichtigsten  Lebensmitteln  vor  allem  Tabak.  Die 
stärkeren  Sorten  gehen  nach  Argentinien  und  Uruguay,  die  schwächeren 
nach  Europa  (Bremen).  Doch  wird  auch  sehr  viel  im  Land  konsumiert, 
besonders  auch  von  den  Frauen,  von  welchen  Redner  bei  dieser  Gelegenheit 
eine  kurze  Schilderung  gibt. 

Die  Ufer  der  beiden  großen  Ströme  Paraguay  und  Paranä  stellen  dann 
das  Gebiet  der  Holzgewinnung  dar.  Am  Paranä  gewinnt  man  besonders 
Bau-  und  Tischlerhölzer,  während  am  Paraguay  der  Quebrachobaum  die  größte 
Rolle  spielt,  dessen  Tannin  reichtum  eine  ausgedehnte  Quebracho- 
Extrakt  Industrie  ins  Leben  gerufen  hat.  Nach  Erörterung  einiger  Probleme 
des  Holzhandels  geht  der  Redner  auf  die  Verhältnisse  im  Innern,  das 
weite  Gebiet  zwischen  den  beiden  Strömen  ein. 

Das  westliche  Innere  charakterisiert  sich  als  die  Gegend  der  großen 
Estancien  mit  Rinder-  und  Pferdezucht.  Diese  Estancien  liefern  Vieh 
an  die  Schlachtanstalten,  wo  für  den  Exporthandel  vor  allem  das  in  Kuba 
und  Nord-Brasilien  in  großer  Menge  genossene  Tasajo  (Dörr-  oder  Salz- 
fleisch) hergestellt  wird.  Auch  die  daher  stammenden  Häute  bilden  einen 
wichtigen  Exportartikel;  sie  erfreuen  sich  eines  leidlichen  Rufes  auf  dem 
europäischen  Markte. 

Das  waldreiche  östliche  Innere  ist  das  Zentrum  der  Mate-  Gewinnung. 
Die  Hex  Paraguayensis,   aus   deren  getrockneten  und  geräucherten  Blättern 


—    64    — 

jenes  für  den  Südamerikaner  so  unentbehrliche  Getränk  hergestellt  wird, 
wächst  dort  in  den  Urwäldern.  Die  ganze  Zone  bietet  übrigens  dem  ReiBenden 
so  mannigfache  landschaftliche  Heize,  dem  Jäger  und  Naturliebhaber  so  Tiel 
interessante  Ausbeute,  daß  ein  Kitt  durch  die  Yerbales  (d.  s.  die  Uex- 
Waldungen)  trotz  mancher  Beschwerden  immer  zu  den  herrlichsten  Er- 
innerungen des  Südamerika-Reisenden  gehören  wird. 

Zu  den  bedeutenderen  Ausfuhrwaren  zählen  schließlich  noch  die  im 
ganzen  Lande  wachsenden  Apfelsinen.  Femer  kommen  Reiherfedem, 
Wildfelle  und  Nebenprodukte  der  Schlachtanstalten,  wie  Homer,  Knochen, 
Talg  usw.  in  Betracht. 

Der  Vortragende  illustrierte  seine  Ausführungen  durch  Lichtbilder 
nach  eigenen  Aufnahmen  von  der  Hauptstadt  AsuDciön,  von  Volkstypen, 
Landschaften  und  Szenen  am  Fluß  und  im  Innern. 

Mittwoch,  den  8.  März  1911. 

Herr  Dr.  Richard  Thurnwald -Berlin:  Bericht  über 
ineiue  Reise  nach  dem  Bismarck-Archipel  und  den  Salomo- 
Inseln,  1906 — 1909.  (Lichtbilder  und  phonographische  Vor- 
führungen.) 

Die  Reise,  die  im  Auftrage  des  Berliner  Museums  für  Völkerkunde 
ausgeführt  wurde,  zerfiel  in  zwei  Perioden.  In  der  ersten  trachtete  ich 
einen  allgemeinen  Überblick  über  die  Inseln  des  deutschen  Südseeschutzgebietes 
zu  bekommen  und  besuchte  von  der  Gazelle-Halbinsel  aus,  wo  ich  in  Toma 
am  Varzin-Berg  (Vunakokor)  mein  Standquartier  errichtet  hatte,  Neu- 
Mecklcnburg,  die  Admiralitäts-  und  die  westlichen  Inseln  und  auf  zwei 
längeren  Fahrten  an  den  Küsten  von  Neu-Qninea  eine  Zahl  der  vielen  Eilande 
des  Karolinen-  und  Marshall-Archipels.  Anfang  1907  verlegte  ich  mein 
Standquartier  nach  Buin  auf  Bougainville  und  unternahm  hier  zahlreiche 
Wanderungen  in  das  Innere,  namentlich  in  die  Berge  des  Kronprinzen- 
Gebirges,  sowohl  von  der  Ost-  wie  von  der  Westseite  der  Insel  aus.  Den 
Aufenthalt  in  Buin,  wo  ich  meine  hauptsächlichen  Studien  machte,  unterbrach 
ein  Ausflug  nach  den  benachbarten  Salomo-Inseln  des  britischen  Protektorats. 
Dabei  lernte  ich  die  Shortland-Inseln  und  Vellalavella  kennen,  hielt  mich 
aber  die  längste  Zeit  in  Bambatana  an  der  Westküste  von  Ohoiseul  auf. 
Hierauf  kehrte  ich  wieder  nach  Buin  und  dann  nach  der  Gazelle-Halbinsel 
zurück,  wo  ich  vor  meiner  Abreise  noch  einen  Monat  in  den  Baining-Bergen 
zubrachte. 

Im  Varzin-Berggebiet  auf  der  Gazelle-Halbinsel  widmete  ich  mich 
hauptsächlich  dem  Studium  des  Geheimbundes  der  Ingniet.  Ingniet  ist 
ebensowenig  wie  Duk-duk  Repräsentant  eines  Totengeistes  und  hat  mit  dem 
Totenkult  nichts  zu  tun.  Vielmehr  ist  Ingniet  Geheimname  für  den  Fregatt- 
vogel, dessen  Figur  in  besonderen  Häusern  verborgen  aufgehängt  wird.  Die 
Mitglieder  des  Geheimbundes  werden  feierlich  aufgenommen  und  erhalten  bei 
ihrer  Aufnahme  Steine  in  Gestalt  von  Menschen  oder  eßbaren  Tieren. 
Außerdem  kennt  man  noch  Zauberobjekte  in  Menschengestalt. 


—  So- 
was BougainTille  betrifft,  so  ist  die  Bevölkerang  der  Insel  offenbar 
aus  Miscbongen  eingesessener,  kleingewachsener  Bergstämme  hervorgegangen, 
deren  Sprache  sich  zumeist  noch  erhalten  hat.  An  der  Küste  setzten  sich 
im  Laufe  der  Zeit  Einwanderer,  die  von  Süden  kamen  und  deren  Weg  bis 
auf  Rubiana  zurückweist,  fest.  Diese  Einwanderer,  deren  jüngere  Reste  nur 
noch  ihre  melanesische  Sprache  bewahrt  haben  und  die  auch  heute  im  Begriffe 
stehen,  sie  mehr  und  mehr  in  der  heranwachsenden  Generation  zu  verlieren, 
haben  sich  mit  den  eingesessenen  Frauen  vermischt  und  zur  Verbreitung 
ihres  Kulturbesitzes  unter  den  Bergstämmen  beigetragen.  Die  Vermischung 
war  hier  nach  der  verhältnismäßig  ähnlichen  Kultur  der  Berg-  und  Küsten- 
stämme zu  schließen,  intensiver  als  auf  der  Gazelle-Halbinsel,  vielleicht  dank 
der  erheblich  überlegenen  Bogenbewaffnung  der  Einwanderer. 

Auf  Buin  gelangte  die  Salomonicr-Kultur  auf  einem  verhältnismäßig 
weiten  ebenen  Gebiet  mit  guter  Kommunikation  zu  einer  eigenartigen  binnen- 
ländischen Entfaltung.  Bergstämme  wurden  hier  offenbar  in  großem  Maß- 
stabe unterworfen  und  eine  starke  Vermischung  mit  diesen  herbeigeführt, 
worauf  auch  die  Herrschaft  der  Sprache  dieser  Völker  deutet.  Auf  die 
ehemaligen  Eroberer  weisen  nicht  nur  heiliggehaltene  Steine,  offenbar  Grab- 
steine, sondern  auch  eine  Aristokratie  von  Häuptlingsfamilien,  die  durch 
Blutrache  verbände  untereinander  zusammengeschlossen  sind  und  zu  denen 
eine  Schicht  von  Hörigen  in  einer  Art  Lehensverhältnis  steht.  Besonders 
charakteristisch  für  die  Salomonier-Kultur  wie  sie  auch  in  Buin  Eingang 
gefunden  hat,  ist  der  Besitz  von  großen  Häuptlingshallen  und  die  Kopfjägerei, 
ferner  Pfeil  und  Bogen  und  das  Plankenkanu.  Letzteres  kam  für  Buin  in 
Wegfall,  weil  die  Eroberer  von  dem  sumpfigen,  unbewohnbaren  Küstenstreifen 
in  das  trockene,  gesunde  Hochplateau  zogen. 

Während  die  Welle  der  schwarzen  Stämme  vom  Süden  längs  der 
Küste  von  Bougainville  über  Buka  bis  Nissan  zog  und  Punkte  an  der  Küste 
von  Neu-Mecklenburg  bis  nach  Neu-Hannover  besetzte,  wohin  sie  vor  allem 
ihr  Plankenkanu  brachten,  scheint  eine  Welle  in  entgegengesetzter  Richtung 
den  Kannibalismus  verbreitet  zu  haben,  der  aber  bloß  bis  zur  Mitte  von 
Bougainville  reicht,  bis  Numanuma. 

Südlich  davon  beginnt  die  Kopfjägerei.  Spuren  von  Kannibalismus 
finden  sich  auf  Choiseul,  wo  aber  nur  die  Zunge,  die  Ohren  und  die  Nase 
gegessen  werden. 

Auf  Bougainville  wird  die  Verwandtschaftsberechnung  für  die  Zulassung 
zur  Heirat  auf  Grund  eines  Klassensystems  vorgenommen,  das  nach  soge- 
nannten Totemtieren  bezeichnet  wird.  Auf  Choiseul  fehlt  die  Aufrichtung 
solcher  Ehehindernisse  auf  Grund  der  Verwandtschaft,  nur  die  Bewohner  der- 
selben Siedlung  dürfen  untereinander  nicht  heiraten. 

Wie  schon  angedeutet,  werden  in  Buin  Blutrachenbündnisse  abge- 
schlossen, und  zwar  geschieht  das  mit  Eintritt  der  Mannbarkeit  der  Jüng- 
linge unter  großen  Zeremonien  von  selten  ihres  Vaters  oder  Oheims  und 
unter  Verwendung  von  Kokosnuß,  Schwein,  Mandelbaum  und  Muschelgold 
zu  den  rituellen  Handlungen.  Die  Frauen  werden  gekauft  und  unter  Fest-- 
lichkciten  und  Formalitäten  von  dem  einen  Totem  nach  dem  anderen  über- 
führt.   Dem  Vater  des  Bräutigams  scheint  ein  jus  primae  noctis  zuzustehen. 


—    66     — 

Die  Toten  werden  in  Boin  und  in  den  benachbarten  Distrikten  Ter- 
brannt,  während  an!  Choiseul  wie  auf  Vellalavella  die  Toten  aaf  besonderen 
Plätzen  festlich  geschmückt  aasgestellt  werden.  Sind  sie  vermodert,  so  bestattet 
man  den  Schädel  mit  den  Amuletten  des  Toten  in  besonderen  Totenhäa sehen. 
Wird  der  Tote  verbrannt,  so  opfert  man  ihm  durch  Verbrennen;  wo  man 
ihn  vermodern  läßt,   wirft  man  die  Opfer  weg,  um  sie  verfaulen  zu  lassen. 

Die  Liedertexte,  die  ich  sammelte,  werfen  ein  interessantes  Licht  auf 
das  geistige-  und  Gefühlsleben.  Was  sie  den  Sagen  voraushaben,  ist,  daß 
während  letztere  häufig  das  übernommene  Produkt  aus  anderen  Kulturen 
sind  und  darum  nicht  eigentlich  als  voller  Ausdruck  des  Denkens  derjenigen 
gelten  können,  bei  denen  sie  gesammelt  sind,  die  Lieder  zumeist  als  rezente 
Produkte  den  unmittelbaren  Ausdruck  des  Empiindungslebens  darstellen  und 
die  Form  zeigen,  in  welche  dieses  von  den  Eingeborenen  gekleidet  wird.  Wir 
müssen  uns  allerdings  erst  in  das  Milieu  des  Lebens  hineindenken,  wenn 
wir  sie  würdigen  und  über  Sonderbarkeiten  nicht  stolpern  wollen.  Nach  den 
Liedertexten  scheint  die  Admiralitätspoesie  am  höchsten  zu  stehen,  dann 
kämen  die  Buin-  und  die  Choiseul-Gesänge,  die  noch  immer  längere  Gedanken- 
reihen auszudrücken  vermögen.  Erheblich  tiefer  und  gedankenarmer  erscheinen 
die  Lieder  der  Küstenstämme  der  Gazellen-Halbinsel  und  am  ärmsten,  sich 
in  der  Wiederholung  eines  einzigen  Gedankenblitzes  erschöpfend,  die  Gesänge 
aus  den  Baining-Bergen,  deren  Stämme  ja  auch  sonst  den  tiefsten  Typ 
repräsentieren. 

Mittwoch,  den  25.  (3ktober  1911. 

Herr  Professor  Dr.  Georg  Wegen  er- Berlin:  Mit  deiu 
Deutschen  Kronprinzen  durch  Indien.  (Lichtbilder  und  kine- 
matographische  Vorführungen.) 

Redner  führte  aus,  daß  der  Abhruch  der  Kronprinzenreise  mit  Indien 
zwar  bedauerlich  gewesen,  daß  der  deutsche  Thronerbe  jedoch  in  Indien  eines 
der  an  Interesse  und  Belehrung  reichsten  Länder  der  Erde  gesehen  habe. 
Besonders  wertvoll  sei  der  umstand  gewesen,  daß  hier  zugleich  die  groß- 
artigste koloniale  Schöpfung  der  in  diesen  Dingen  vorbildlichen  Engländer 
studiert  werden  konnte.  Die  Art,  in  der  von  Seite  der  englischen  Gastfreundc 
die  Reise  in  jeder  Weise  vorbereitet  war,  machte  sie  für  den  Kronprinzen 
in  hohem  Qrade  instruktiv. 

Einen  Extrakt  des  in  Indien  Beobachteten  zu  geben,  verzichtete  der 
Redner  im  Hinblick  auf  den  eingehenden  sachlichen  Vortrag  über  dieses  Land, 
den  er  im  vorigen  Jahre  vor  der  Gesellschaft  gehalten,  und  an  dem  er  zu 
seiner  Freude  durch  die  Belehrungen  der  diesmaligen  Reise  nichts  Wesent- 
liches zu  ändern  genötigt  sei.  Er  gab  daher  heute  in  erzählender  und  durch 
Lichtbilder  illustrierter  Darstellung  eine  Vorstellung  der  Formen,  in  denen 
sich  die  Kronprinzenreise  in  Indien  abspielte,  der  Uauptgegenden,  die  bereist 
wurden,  und  der  Art  der  Eindrücke,  die  dabei  dem  hohen  Reisenden  entgegen- 
traten, indem  er  bat,  seinen  früheren  Vortrag  gleichsam  als  den  Teppich- 
grund anzusehen,  in  den  er  die  bunten  Arabesken  seiner  heutigen  Aus- 
führungen einsticken  wolle. 


—     67     — 

Die  Darstellung  begann  mit  der  Landang  des  Kronprinzen  in  Bombay, 
dessen  glanzvolle  moderne  Bauten,  ein  Ausdruck  des  großartigen  englischen 
Schaffens  in  Indien,  ebenso  wie  dessen  buntes  malerisches  Volksleben  durch 
Beispiele  des  Gesehenen  charakterisiert  wurden. 

Hieran  schloß  sich  der  Besuch  zweier  indischer  Vasallenfürsten,  des 
Nizams  von  Uaidarabad  und  des  Maharajas  von  Jaipur,  und  eine  Schilderung 
ihrer  altertümlichen  Sitten,  ihrer  Paläste,  ihrer  Residenzen,  der  Feste  und 
Jagden  und  des  Volkslebens  usw.  Auch  der  Stellung  und  des  Wirkens  der 
britisch-politischen  Agenten  an  diesen  Höfen  wurde  dabei  gedacht. 

Eine  längere  Ausführung  beschäftigte  sich  dann  mit  den  großartigen 
historischen  Hinterlassenschaften  und  künstlerischen  Werken  der  mnha- 
medanischen  Großmogul-Dynastie  in  Agra  und  Delhi,  deren  politische  Erb- 
schaft ja  eigentlich  das  heutige  „Kaiserreich  Indien''  ist. 

Hierauf  folgte  die  Schilderung  des  auf  die  eigenste  Initiative  des 
Kronprinzen  zurückgehenden  Ausflugs  zum  äußersten  Nordwesten  Indiens, 
nach  Peschawar  und  zum  Khaibar-Paß,  dessen  militärisch-politisches  Interesse 
schon  in  dem  früheren  Vortrage  eingehend  begründet  wurde.  —  Von  den 
auf  der  Rück-  und  Weiterreise  von  hier  nach  dem  Osten  berührten  Orten 
wurde  dann  das  für  den  heutigen  Hinduismus  so  charakteristische  Benares 
näher  geschildert. 

Den  Schluß  machte  eine  Schilderung  Kalkuttas,  der  glänzenden  Haupt- 
stadt Britisch-Indicns,  die  den  Sitz  des  Vizekönigs,  den  Sammelpunkt  der 
englisch-indischen  Gesellschaft,  eine  Stätte  großartigen  Handels  und  empor- 
blühender Industrie  bildet.  Auch  über  den  Sport  in  Indien  und  seine  Wich- 
tigkeit für  die  Erhaltung  der  Lebenskraft  des  weißen  Mannes  in  Indien  wurde 
hierbei  gesprochen.  Betont  wurde  das  ausgezeichnete  Verhältnis  zwischen 
Deutschen  und  Engländern,  das  überall  unterwegs  sich  herausbildete. 

Eine  Reihe  kinematographischer  Vorführungen  nach  Aufnahmen  des 
Leibarztes  des  Kronprinzen,  Oberstabsarzt  Prof.  Dr.  Wiedemann :  Volksleben, 
öffentliche  Einrichtungen,  herrliche  Badeszenen,  Paraden  der  britisch-indischen 
Armee,  Gebirgsmanöver  u.  a.  mehr  bildeten  den  Beschluß. 

Mittwoch,  den  1.  November  1911. 

Herr  Professor  Dr.  Erich  von  Drygalski- München:  Die 
Zeppelin-Studienfahrt  nach  Spitzbergen  und  in's  nördliche 
Eismeer  im  Sommer  1910.    (Lichtbilder.) 

Die  Fahrt  hatte  den  Zweck,  an  Ort  und  Stelle  Erfahrungen  zu  sammeln, 
ob  und  unter  welchen  Bedingungen  Zeppelin-Luftschifife  zu  Forschungen  im 
nördlichen  Eismeer  von  Spitzbergen  her  verwendbar  wären.  Sie  stand 
unter  der  Leitung  des  Prinzen  Heinrich  von  Preußen.  Teilnehmer  waren 
unter  anderen  Graf  Zeppelin,  Prof.  Hergesell-Straßburg,  Prof.  Miethe-Char- 
lottenburg,  Prof.  von  Drygalski-München  und  Graf  von  Zedlitz-Trütschler  als 
Zoologe.  Staatliche  Mittel  standen  nicht  zur  Verfügung,  vielmehr  wurden 
die  ganzen  Kosten  von  privater  Seite  bestritten.  Auch  hat  der  Norddeutsche 
Lloyd  durch  Hergabe  und  liberale  Ausstattung  seines  Dampfers  „Mainz** 
die  Arbeiten  der  Fahrt  aufs  wirksamste  gefördert.    Von  Tromsö  her  folgte 

5* 


—    68    — 

noch  der  Fangdampfer  ,,Fönix''  za  Fahrten  und  Arbeiten  im  Eise,  da  die 
aMainz"  zu  Eisfahrten  nicht  verwendbar  war. 

Neben  dem  genannten  Hauptziel  der  Expedition  verfolgte  sie  wissen- 
schaftliche Aufgaben  verschiedener  Art,  z.  B.  ozeanographische  Studien,  Eis- 
forschungen, aerologische  Untersuchungen  mit  Pilotballons,  zoologische  Samm- 
lungen, spektroskopische  Studien  und  anderes.  Die  Ergebnisse  dieser  ver- 
schiedenen Studien  haben  befriedigt;  sie  sind  zum  Teil  schon  veröffentlicht 
worden  an  verschiedenen  Stellen,  z.  B.  in  den  „Abhandlungen  der  K. 
Bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften"  zu  München. 

Für  den  Hauptzweck  waren  im  besonderen  Ballon  -  Verankenings- 
versuche  von  Wert,  die  auf  Eisschollen  und  auf  Spitzbergen  angestellt  wurden. 
Die  eingesetzten  Anker  wurden  mit  den  starken  Schiffswinden  Zugproben 
unterworfen  und  ergaben  eine  Haltbarkeit,  die  für  einen  2^ppelinballon  in 
einem  Sturm  von  10—11  m  pro  Sekunde  genügt.  Dabei  ließen  sich  solche 
Verankerungen  in  kurzer  Zeit  und  mit  geringen  Hilfskräften  anbringen. 
Man  hat  hiermit  eine  wesentliche  Unterlage  gefunden,  auf  welcher  eine  Luft- 
schiff-Expedition im  Polargebiet  fußen  kann,  denn  es  kommt  für  eine  solche 
vor  allem  darauf  an,  daß  sie  sich  zur  Vornahme  wissenschaftlicher  Arbeiten 
auf  dem  Eis  niederlassen  und  dort  verweilen  kann.  Auch  in  anderer  Hin- 
sicht, durch  Messung  von  Nebelhöhen  und  Nebelbelastungen,  durch  Auskund- 
schaftung  von  Liegeplätzen  und  Fahrtwegen  für  den  Ballon  durch  die  Gebirge 
Spitzbergens  u.  a.  wurden  wichtige  Grundlagen  gefunden,  an  welche  eine 
Polar-Expedition  mit  Luftschiffen  anknüpfen  kann  und  muß,  wenn  die  Ent- 
wicklung des  lenkbaren  Luftschiffs,  insbesondere  seiner  Motoren,  soweit 
gediehen  sein  wird,  daß  eine  solche  Fahrt  sich  aus  technischen  Gründen  aus- 
führen läßt.  Dieser  Zustand  der  Luftschiffahrt  soll  und  muß  abgewartet 
werden,  ehe  man  an  die  Ausführung  einer  solchen  Expedition  herantritt. 

(Vergl.  über  die  Zeppelin-Studienfahrt :  Mit  Zeppelin  nach  Spitzbergen. 
Bilder  von  der  Studienreise  der  deutschen  arktischen  Zeppelin-Expedition. 
Mit  einem  Vorwort  S.  K.  H.  des  Prinzen  Heinrich  von  Preußen.  Heraus- 
gegeben von  A.  Miethe  und  H.  Hergesell.  Berlin,  Leipzig,  Wien  und  Stutt- 
gart 1911.) 

Mittwoch,  8.  November  1911. 

Herr  Kapitän  A.  Spring-Berlin:  Auf  dem  Zambesi 
und  bei  den  Goldwäschem  im  bibliselieii  Ophir.    (Lichtbilder.) 

Im  Mai  1909  verließ  ich  Neapel  an  Bord  des  Reichspostdampfers 
„Prinzessin*'  und  erreichte  nach  der  Fahrt  durch  den  Suez-Kanal  und  an  der 
Küste  Deutsch-Ostafrikas  vorbei  am  18.  Mai  den  Hafen  von  Kilindini. 

Von  dort  aus  berührte  ich  nach  kurzem  Aufenthalt  Tanga,  Zansibar 
und  Dar-es-salaam  und  traf  in  Mozambique  am  3.  Juni  ein. 

Die  „Prinzessin"  ging  mehrere  Seemeilen  von  der  Küste  entfernt  auf 
der  Höhe  von  Chinde  zu  Anker.  Von  hier  ging  es  mit  einem  Heckraddampfer 
den  Zambesi  aufwärts  nach  Tete,  das  ich  nach  14tägiger  Fahrt  erreichte. 
Tete  ist  einstmals  die  bedeutendste  Stadt  im  Innern  der  portugiesischen 
Kolonie  gewesen.    Ihre  Blütezeit   liegt  aber  schon  300  Jahre  zurück.    Das 


-    6Ö    - 

gesamte  portugiesische  Kolonialgebiet  in  Ostafrika  steht  nicht  unter  staat- 
licher Verwaltung,  sondern  ist  an  drei  große  Handelsgesellschaften  verpachtet. 
Zwei  dieser  Gesellschaften,  die  Compagnie  de  Niassa  und  die  Compagnie  de 
Mozambique,  sind  mit  allen  Hoheitsrechten  ausgestattet:  Sie  haben  Polizei- 
und  Militärgewalt  und  erheben  Steuern  nach  eigenem  Gutdünken.  In  Tete 
erhielt  ich  meine  Träger  und  trat,  abseits  von  dem  gewöhnlichen  Karawanen- 
weg, meinen  Marsch  ins  Innere  am  8.  August  1909  in  nordöstlicher  Richtung 
an.  Auf  Verfügung  des  Gouverneurs  begleitete  mich  der  Leutnant  Och5a 
auf  dem  ganzen  Wege. 

Im  Gebiet  des  Rebugue-Flusses,  den  wir  zunächst  passierten,  ist  das 
Land  fruchtbar  und  reich  bevölkert.  Von  da  ab  führte  uns  ein  8tägiger 
anstrengender  Marsch  durch  weite  Strecken  mehrere  Meter  hohen  Grases  und 
Urwald  bergan,  in  die  Nähe  des  Tessitta-Gebirges. 

Viele  Flußbetten,  die  zur  Regenzeit  größere  Ströme  führen,  jetzt  aber 
ausgetrocknet  waren,  wurden  überquert.  An  dem  breiten  Nkondezi-Fluß  geht 
die  bisher  beobachtete  Sandsteinformation  in  Granitformation  über.  Das  Land 
ist  auch  hier  sehr  fruchtbar  und  weist  zahlreiche  Negeransiedelungen  auf. 

Beim  Weitermarsch  an  den  Ufern  des  Flusses  trafen  wir  viel  Wild. 
Nach  der  Vereinigung  des  Nkondezi  mit  dem  Meruzi-Flusse  überstiegen  wir 
das  Kapirisanjo-Gebirge.  Es  war  auf  unwegsamen  Pfaden  ein  um  so  beschwer- 
licherer Marsch,  als  die  Temperatur  bei  Tage  bis  30  ^  im  Schatten  stieg  und 
bei  Nacht  bis  auf  2  ^  zurückging.  Ich  habe  auf  diesem  Wege  wiederholt  alte 
Steinbauten  und  Ruinen  aufgefunden,  deren  Ursprung  in  die  graueste  Ver- 
gangenheit zu  verlegen  sein  dürfte.  Da  wir  allmählich  etwas  zu  weit  nach 
Norden  abgewichen  waren,  änderte  ich  nunmehr  meine  Marschrichtung  nach 
Westen. 

In  dem  Nyniesi-Gebirge  eröffneten  sich  mir  Szenerien  voll  wildester 
Romantik.  Nach  dem  Abstieg  hatten  wir  in  dem  unwegsamen  Gebiet  des 
Muozi-Flusses  ungeheure  Schwierigkeiten  zu  überwinden.  Erst  nach  mehreren 
Wochen  anstrengendsten  Marsches  trafen  wir  wieder  menschliche  Ansiedelungen 
auf  fruchtbarem  Boden. 

Drei  Monate  nach  dem  Ausmarsch  aus  Tete  erreichten  wir  den  Luuiu- 
Fhiß  und  wenige  Tage  später  den  goldreichen  Vubue,  dessen  Lauf  ich  folgte. 
Es  veranlaßte  mich  dazu  die  Vermutung,  daß  in  diesem  Teile  Afrikas  das 
salomonische  Goldland  Ophir  zu  suchen  sei. 

Es  ist  Tatsache,  daß  die  Portugiesen  in  diesem  um  die  Mitte  des 
17.  Jahrhunderts  vom  Sultan  Monomotapa  erkauften  Lande  unermeßliche 
Reichtümer  gesammelt  haben.  Fast  in  allen  Nebenflüssen  des  Zambesi  wurde 
Gold  gefunden,  auch  eine  reiche  Silbern^ine  existierte  der  Überlieferung  nach 
am  rechten  Ufer  des  Zambesi.  Auch  heute  noch  sind  meiner  Überzeugung 
nach  noch  viele  abbauwürdige  Goldlager  vorhanden.  Auch  im  Flußsand  des 
Vubue  wird  viel  Gold  gefunden. 

Nach  kurzem  Besuch  der  Goldminen  in  Chifumbazic  und  Missale  machte 
ich  mich  nach  Manu  und  von  da  nach  Tschipeta  auf  den  Weg,  um  nach 
alten  Felseninschriften  zu  suchen  und  Ausgrabungen  vorzunehmen.  Beides 
ist  mir  gelungen.  Von  den  Inschriften  habe  ich  Aufnahmen  gemacht,  um 
Schriftforschem  Gelegenheit  zur  Feststellung  ihres  Inhalts  zu  geben. 


—    70    - 

Besonders  bemerkenswert  ist  die  Auffindung  uralter  Steinbauten  und 
umfangreicher  Sklavenkasemen  aus  fernster  Zeit,  die  mich  in  der  Ansicht 
bestärkten,  daß  man  es  hier  tatsächlich  mit  dem  sagenhaften  Ophir  zu  tun  hat 

Mittwoch,  den  15.  November  1911. 

Herr  Professor  Dr.  Günther  K.  Anton-Jena:  Leopold  11. 
and  die  Entwicklang  des  Kongostaates.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  gab  einleitend  dem  Gedanken  Ausdruck,  daß  die 
Angliederung  des  wertvollsten  Teiles  von  Afrika  an  das  achtzigmal  kleinere 
Belgien  eines  der  reizvollsten  Kapitel  der  politischen  Geographie  wie  unserer 
Zeitgeschichte  bilde,  von  der  die  meisten  wohl  einige  allgemeine  Kenntnisse 
besitzen,  aber  nichts  Genaueres  im  Zusammenhang  wissen. 

Er  zeigte  sodann  an  der  Hand  guter  Lichtbildkarten  die  geographische 
Lage  und  territoriale  Entwicklung  des  Kongostaates  und  erinnerte  an  die 
Thronbesteigung  Leopolds  II.  im  Jahre  186ö,  bei  der  bereits  der  König  die 
charakteristischen  Worte :  ,,Ich  will  Belgien  schöner  und  größer  machen"  an 
sein  Volk  richtete.  Beide  Ziele  wurden  zu  den  Leitsternen  seiner  Politik, 
die  er  nie  aus  den  Augen  verlor. 

Da  für  das  „Größermachen  seines  Landes^^  in  Europa  keine  Aussichten 
bestanden,  hier  vielmehr,  umgekehrt  Belgien  noch  in  den  sechziger  Jahren 
sich  durch  französische  Vergrößerungsgelüste  bedroht  gefühlt  hatte,  so  wandte 
sich  das  Interesse  des  Königs  dem  damals  noch  unbekannten  Innern  des 
dunkeln  Erdteils  zu.  Um  die  bisher  isolierten  Bestrebungen  zu  seiner 
Erschließung  zu  vereinigen  und  unter  seine  Kontrolle  zu  bekommen,  ließ  er 
1876  in  Brüssel  eine  internationale  geographische  Konferenz  abhalten.  Auf 
seinen  Vorschlag  beschloß  sie  die  Gründung  einer  internationalen  Assoziation 
zur  Erforschung  Zentralafrikas  und  Unterdrückung  des  Sklavenhandels  und 
legte  so  den  Keim,  aus  dem  der  Kongostaat  hervorwachsen  sollte. 

Redner  erwähnte  dann  die  Taten  des  Amerikaners  Stanley  und  ihren 
Einfluß  auf  Leopold  IL,  die  Gründung  des  Komitees  zum  Studium  des  oberen 
Kongo,  in  Wahrheit  zur  Verwirklichung  seiner  politischen  Absichten  und 
deren  kluge  Verschleierung  durch  den  König,  der  wiederholt  betonte,  daß  er 
keine  belgische  Kolonie  ins  Leben  rufen  wolle.  Der  Vortragende  erläuterte 
weiter,  wie  der  werdende  Kongostaat  durch  das  Einschreiten  Bismarcks 
gegen  den  Widerstand  des  von  England  unterstützten  Portugal  Zugang  zum 
Meere  erhielt,  und  erörterte  die  Bedeutung  der  Berliner  Konferenz,  mit  der 
die  Gründung  des  Staates  1885  zum  Abschluß  gelangte. 

Seine  Verfassung  machte  Leopold  IL  zum  absoluten  Herrscher  über 
ihn,  nur  gebunden  durch  die  Berliner  Festsetzungen,  an  die  er  sich  aber  seit 
1891  nicht  mehr  hielt.  Der  Redner  erklärte  es  durch  die  ägyptische  Politik 
des  Königs,  die  den  Sudan  dem  Kongostaate  angliedern  und  mit  Frankreichs 
Hilfe  England  aus  Ägypten  verdrängen  wollte,  sowie  durch  seine  späteren 
Ankäufe  und  Projekte  zur  Verschönerung  Belgiens.  Beide  Zwecke  erforderten 
ungeheure  Mittel,  die  aus  dem  Elfenbein  und  Kautschuk  nur  zu  beschaffen 
waren,  wenn  der  Staat  ihre  Ausbeutung  monopolisierte.  Der  Berliner  Akte, 
die  den  Freihandel  und  die  humane  Behandlung  der  Eingeborenen  vorschrieb, 


—    71     — 

widersprach  dieses  Verhalten  ebenso  wie  die  brutale  Ausbeutung  der  Ein- 
geborenen, die  seine  Folge  war.  Schließlich  führte  die  Mißwirtschaft  zur 
Kongoreformbewegung,  Protesten  des  Auslandes,  insbesondere  Englands,  und 
nach  mancherlei  Zwistigkeiten  zwischen  dem  belgischen  Parlament  und 
seinem  König  zur  Annexion  des  Kongostaates,  durch  welche  Belgien  1908 
in  die  Reihe  der  Kolonialmächte  einrückte. 

Die  auf  eingehenden  Quellenstudien  beruhenden  Darlegungen  würdigten 
unbefangen  die  großen  Verdienste  Leopold  IL  um  die  Schaffung  des  gewal- 
tigen belgischen  Kolonialreiches,  das  den  vierfachen  Umfang  des  Deutschen 
Reiches  besitzt.  Die  niemals,  auch  nicht  in  den  verzwei feisten  Verhältnissen 
erlahmende  Energie  des  Königs,  die  Klugheit  und  Beharrlichkeit,  mit  der  er 
seine  Pläne  gegen  eine  Welt  von  Hindernissen  und  Schwierigkeiten  durch- 
zusetzen wußte,  wurden  ebenso  anerkannt,  wie  die  skrupellose  Hinwegsetzung 
über  völkerrechtliche  Verpflichtungen  und  die  unmenschliche  Behandlung  der 
Eingeborenen  beklagt  wurden.  An  die  Licht  und  Schatten  gerecht  ver- 
teilenden Ausführungen  schloß  sich  die  Vorführung  malerischer  Lichtbilder, 
die  von  Land  und  Leuten  sowie  den  Leistungen  belgischer  Tatkraft  in  einigen 
Teilen  des  kolossalen  Kongogebietes  gute  Vorstellung  gaben.  Die  belgische 
Kolonialpolitik  seit  der  Annexion  mußte  unberücksichtigt  bleiben.  Für  sie 
und  für  das,  was  bei  der  beschränkten  Zeit  nur  angedeutet  aber  nicht  aus- 
geführt werden  konnte,  verwies  der  Redner  auf  die  Broschüre:  ,,Kongostaat 
und  Kongoreform"  (Leipzig,  Duncker  &  Humblot),  die  eine  Abhandlung  von 
ihm  und  eine  von  C.  v  Bornhaupt  enthält. 

Mittwoch,  den  29.  November  1911. 

Herr  Koiirad  Beiswanger-Nürnberg:  Eldorado- 
Fahrten.   (Reisebilder  aus  der  Republik  Kolumbien.  Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  trat  im  Mai  1910  über  Genua  seine  Reise  an,  um 
dann  von  der  kolumbianischen  Hafenstadt  Barranquilla  aus  die  Fahrt  land- 
einwärts au!  dem  Magdalenenstrome  fortzusetzen.  Hunderte  von  Kilometer 
weit  sah  man  zu  beiden  Seiten  des  Stromes  nur  sumpfige  Niederungen,  bis 
endlich  die  Ausläufer  der  Zentral-  und  Ostkordillere  an  den  Strom  herantraten. 
Von  dem  Orte  Girardot  aus,  etwa  1200  Kilometer  von  der  Strommündung 
entfernt,  führt  eine  neuangelegte  Bahnlinie  hinauf  ins  Gebirge  zur  Haupt- 
stadt Bogota.  Die  Stadt  liegt  auf  einem  gewaltigen  Plateau,  der  „Sabana 
von  Bogota**,  die  sich  2500  Meter  über  dem  Meeresspiegel  ausdehnt.  Hier 
oben  hat  in  früheren  Jahrhunderten  ein  kulturell  sehr  entwickeltes  Indianer- 
volk, die  Chibchas,  gelebt,  dessen  heutige  Nachkommen  die  Erinnerung  an 
ihre  Vorfahren  gänzlich  verloren  haben.  Die  religiösen  Zeremonien  der 
Chibchas  gaben  seinerzeit  den  Anlaß  zu  den  abenteuerlichen  Erzählungen 
vom  Eldorado  (dem  vergoldeten  Manne),  der  im  Hochlande  leben  und  über 
ungeheure  Reichtümer  verfügen  soll.  Zahlreiche  Hochgebirgsseen  galten 
diesen  Indianern  als  heilig,  da  sie  in  ihren  Tiefen  ihre  Ahnen  verborgen 
glaubten.  Sie  opferten  deshalb  an  diesen  Seen,  indem  sie  den  Geistern  Ge- 
schenke aus  Gold  und  Smaragden  darbrachten  Einer  dieser  heiligen  Seen, 
der  See  von   Guatavitä,   wurde   vor   einigen   Jahren   von   einer   englischen 


—    72     — 

Gesellschaft  abgelassen,  um  den  Seegrund  nach  Werten  durchsachen  m 
können.  Der  Vortragende  besuchte  den  ehemaligen  See,  und  der  Leiter  der 
Ausgrabungsarbeiten  gab  ihm  bereitwilligst  Auskunft  über  die  bisherigen 
Funde,  welche  ganz  bedeutend  waren  und  sich  noch  steigern  dürften.  Auch 
eine  Reihe  weiterer  Seen,  die  teilweise  in  Höhen  bis  zu  S500  Metern  lagen, 
konnte  er  besuchen  und  photographische  Aufnahmen  davon  machen.  Die 
Reiseroute  ging  sodann  über  das  Gebiet  der  Smaragdminen  von  Mozo  nach 
Yölez,  einem  Städtchen  inmitten  eines  eigenartigen  Karstgebietes,  das  sehr 
viel  Ähnlichkeit  mit  der  Karstlandschaft  Ton  Istrien  hat.  Gewaltige  Kalk- 
plateaus erheben  sich  auf  einem  Untergrund  von  schwarzem  Schiefer,  und 
riesige  Höhlen  durchlöchern  die  Kalkfelsen.  Diese  Höhlen  dienten  den  alten 
Indianern  als  Begräbnisplätze,  doch  sind  sie  später  durch  Schatassucher 
gründlich  durchwühlt  und  die  Knochen  der  dort  bestatteten  Indianer  piet&tlos 
umhergestreut  worden.  Spärliche  Überreste  aus  alter  Zeit  fand  der  Vor- 
tragende auch  bei  dem  Städtchen  Lcyva,  woselbst  eine  Anzahl  roh  zubehaaener 
Steinpfeiler  auf  einem  Getreidefelde  liegt,  welche  noch  aus  der  yorkolnmbi- 
anischen  Zeit  stammen  und  jedenfalls  für  ein  altindianisches  Tempelgebäude 
bestimmt  waren.  Auch  einige  Tagreisen  südlich  der  Hauptstadt,  bei  dem 
Dörfchen  Pandi,  fand  der  Vortragende  mächtige  Felspartien,  die  durch  die 
Bergwasser  ausgewaschen  worden  waren  und  an  deren  glatten  Wänden 
Spuren  altindianischer  Zeichnungen  zu  entdecken  waren,  die  allerdings  durch 
Witterungseinflüsse  und  menschliche  Zerstörungswut  stark  gelitten  hatten. 
Ein  Abstecher  nach  den  Llanos,  jenen  gewaltigen  Wald-  und  Grasebenen 
am  östlichen  Abhang  der  Kordilleren,  zwang  den  Vortragenden,  tagelang  an 
steilen  Felsabhängen  entlangzureiten,  wie  überhaupt  die  Wege  in  Kolumbien 
jeder  Beschreibung  spotten.  Verschiedene  Lichtbilder  ließen  den  schlechten 
Zustand  der  Verkehrswege  recht  deutlich  erkennen.  Eine  Reihe  von  Bildern 
aus  dem  Leben  der  Indianer  und  dem  sonntäglichen  Markttreiben  erg&nste 
die  Darbietungen.  Der  Vortragende  schloß  seinen  Vortrag  mit  dem  Hinweis, 
daß  die  das  Land  beherrschenden  Nachkömmlinge  der  Spanier  nicht  in  der 
Lage  seien,  dasselbe  industriell  und  kulturell  vorwärts  zu  bringen,  sondern 
daß  dies  nur  einem  tatkräftigeren  Volke,  etwa  den  Nordamerikanem,  möglich 
sein  wird,  die  auch  tatsächlich  der  Unabhängigkeit  Kolumbiens  noch  ein 
Ende  bereiten  dürften. 

(Vgl.  Konrad  Beiswanger:  Im  Lande  der  heiligen  Seen.  Reisebilder 
aus  der  Heimat  der  Chibcha-Indianer  (Kolumbien).  12  Lieferungen.  Nürnberg, 
K.  Beiswanger  1911.) 

Mittwoch,  den  6.  Dezember  1911. 

Herr    Dr.    Hugo    Grothe-Leipzig:     Tripolltanien. 

(Lichtbilder.) 

Der  Redner,  welcher  Tripolltanien  während  eines  zweijährigen  Aufent- 
haltes genau  kennen  gelernt  hat,  besprach  zunächst  die  geographische  Lage 
und  die  Natur  des  Landes,  das  durch  die  Kriegsereignisse  der  letzten  Zeit 
in  den  Vordergrund  des  allgemeinen  Interesses  gerückt  ist.  Seine  Qrö6e 
ttbertrifit   diejenige  Italiens  um  das  Fünffache,   und   sein   im    allgemeinen 


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sandiges  und  niedriges  Küstengebiet  dehnt  sich  2000  km  in  die  Länge  aus. 
Stellenweise  reicht  die  tripolitanische  Wüste  bis  zur  Küste,  doch  ist  das 
Land  im  Innern  durchsetzt  von  einer  Reihe  großer  und  kleiner  fruchtbarer 
Oasen,  und  bei  dem  tripolitanischen  Wüstenland  handelt  es  sich  um  Gebiete, 
die  in  den  letzten  600  Jahren  der  Verödung  anheimgefallen  sind.  Die  Stadt 
Tripolis,  die  auf  dem  Grund  einer  ehemaligen  römischen  Kolonie  erbaut  ist, 
von  der  noch  Trümmer  vorhanden  sind,  und  ihre  Umgebung  zeigen,  wie  der 
Redner  durch  eine  Reihe  charakteristischer  Bilder  näher  erläuterte,  den 
vollen  Charakter  Nordafrikas,  weit  mehr  als  Tunis  und  Algier.  Die  nächste 
Hauptaufgabe  der  Italiener  dürfte  sein,  den  Hafen  gründlich  auszubaggern 
und  Molen  zum  Zweck  besserer  Landnngsmöglichkeiten  zu  errichten.  Die 
Türken,  die  bisherigen  Beherrscher,  haben  in  kultureller  Hinsicht  für  Tripolis 
fast  vollständig  versagt,  und  unter  Sultan  Abdul  Hamid  galt  das  Land  als 
eine  Art  Verbrecher-Kolonie  und  verfiel  der  Ausbeutung  seitens  eines  rück- 
sichtslosen und  nicht  aus  den  besten  Elementen  bestehenden  Beamtentums. 
Erst  in  jüngster  Zeit  unter  jungtürkischer  Verwaltung  machten  sich  Spuren 
einer  langsamen  Besserung  bemerkbar. 

Zu  der  Bevölkerung  übergehend,  unterscheidet  der  Redner  zwischen 
den  ältesten  Bewohnern  des  Landes,  den  kriegerischen  hamitischen  Berbern 
mit  ihren  höchst  schätzenswerten  kulturellen  Eigenschaften,  den  arabischen 
Beduinenstämmen,  die  in  ihrer  Stammesreinheit  nur  noch  in  den  Steppen 
anzutreffen  sind,  aber  an  Zähigkeit  den  Berbern  nachstehen,  und  der 
maurischen  Bevölkerung  in  den  Städten.  Alle  die  genannten  Stämme  haben 
sich  mehr  oder  minder  mit  Negern  vermischt,  die  mit  den  Karawanenzügen 
aus  dem  Süden  kommen  und  in  den  üblichen  Strohhütten  wohnen.  Außer 
diesen  hauptsächlichsten  Bestandteilen  gibt  es  noch  an  20  000  Israeliten, 
von  ihnen  12  000  allein  in  der  Stadt  Tripolis,  die  sowohl  in  geschäftlicher 
Hinsicht  als  auch  auf  den  Gebieten  des  Wissens  und  des  Handwerks  rege 
Intelligenz  zeigen.  Sie  besuchen  die  italienischen  Schulen,  die  von  Italien 
aus  mit  ansehnlichen  Summen  subventioniert  werden,  wie  Italien  überhaupt 
für  seine  Schulen  im  Ausland  ganz  außerordentliche  Mittel  aufbringt,  mit 
denen  die  von  Deutschland  für  gleiche  Zwecke  aufgewendeten  in  keinem 
Verhältnis  stehen.  Der  Tripolitaner  ist  berüchtigt  wegen  seiner  Schlauheit, 
auch  neigt  er  im  geschäftlichen  Verkehr  leicht  zum  Betrug. 

Hauptbeschäftigung  der  Bewohner  sind  Viehzucht  und  Handel,  meist 
Karawanenhandel ;  von  geringerer  Bedeutung  ist  der  Ackerbau,  trotzdem  das 
Land  große  Gebiete  enthält,  die  sich  besonders  für  Getreide-,  Obst-  und 
Gemüsebau  sowie  für  Blumenzucht  eignen.  Industrie  und  Gewerbe  fehlen 
fast  gänzlich.  Besser  als  in  dem  Wilajet  Tripolis  liegen  die  Verhältnisse 
in  dem  Wilajet  Benghasi. 

Der  Besitz  von  Tripolis  bedeutet  für  Italien  eine  Notwendigkeit,  weil 
in  seinem  Hinterland  die  Handels-  und  Karawanenstraßen  aus  dem  Sudan 
zusammenlaufen,  deren  Verkehr  die  Engländer  und  Franzosen  nach  ihren 
Gebieten  zu  lenken  bestrebt  sind,  wodurch  der  tripolitanische  Handel  in  den 
letzten  Jahren  bedeutende  Einbuße  erlitten  hat.  Doch  werden  die  Italiener, 
gerade  wie  die  Franzosen,  noch  viele  Jahre  lang  bedeutende  Opfer  bringen 
müssen,    bis    sich    ihre    Herrschaft   in   Nordafrika    befestigt  hat.    Wissen- 


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schaftlicben  Studien  wird  das  neue  Regime  sehr  zu  statten  kommen,  denn 
unter  der  Türkenherrschaft  waren  sie  sehr  erschwert,  wie  der  Redner  öfter 
selbst  erfahren  mußte.  Unsere  deutschafrikanische  Forschung  hat  Tripolis 
mehrfach  zum  Ausgangspunkt  ihrer  Arbeiten  gemacht. 

Mittwoch,  den  3.  Januar  1912. 

Herr  Professor  Dr.  Ludwig  Plate- Je  na:  Die  Bahama- 
Inseln.     (Lichtbilder  und  Ausstellung.) 

Der  Vortragende  berichtete  über  seine  Reise  nach  dem  Bahama- Archipel, 
welche  er  im  Winter  1904/05  mit  seiner  Gattin  zusammen  ausführte. 

Die  englische  Kronkolonie  der  Bahamas  umfaßt  eine  ganze  Welt  von 
großen  und  kleinen  Inseln,  die  sich  zwischen  2V  42'  und  27®  SC  nördl. 
Breite,  also  ungefähr  über  6  Breitengrade,  sowie  zwischen  72**  40'  und  79"  H4' 
westl.  Länge  erstrecken.  Ein  früherer  Gouverneur,  RaVson,  hat  sich  die 
Mühe  gegeben,  ihre  Zahl  festzustellen.  Er  rechnete  29  größere  Inseln, 
f>61  Inselchen  und  2387  Felsen  heraus,  die  zusammen  etwa  14500  qkm 
bedecken.  Die  meisten  Inseln  sind  lang  und  schmal  und  erstrecken  sich 
in  nordsüdlicher  Richtung.  Nur  bei  Great  Bahama,  New  Providence  und 
Inagua  verläuft  der  Hauptdurchmesser  von  West  nach  Ost.  Die  größte 
Insel  ist  Andros  mit  einer  Länge  von  176  und  einer  durchschnittlichen 
Breite  von  40  km.  In  Wirklichkeit  stellt  auch  diese  Insel  einen  Archipel 
dar  mit  3  großen,  durch  schmale  Kanäle  von  einander  getrennten  Haupt- 
inseln und  146  »Gays*^  (kleinen  Inseln).  Alle  Bahama-Inseln  sind  niedrig, 
und  nur  auf  einigen  wenigen  kommen  Erhebungen  bis  etwa  100  m  vor. 
Aus  diesem  Grunde  fehlen  die  großartigen  Landschaft«bilder  der  Antillen, 
die  von  üppigster  Tropenvegetation  bedeckten  Berge  mit  ihren  bis  ins  Reich 
der  Wolken  emporragenden  Gipfeln,  die  schönen,  tief  eingeschnittenen,  von 
malerischen  alten  Forts  eingerahmten  Häfen  von  Kuba  und  Porto  Rico,  und 
die  grotesken  Felswände  und  Berglinien,  welche  auf  Martinique  und  anderen 
Inseln  vulkanischen  Ursprungs  das  Auge  des  Reisenden  erfreuen.  Eine 
gewisse  prosaische  Nüchternheit  und  Monotonie  klebt  allen  diesen  flachen, 
nur  mit  niedrigem  Gestrüpp  bedeckten  Erhebungen  an,  und  lägen  sie  nicht 
in  einem  äußerst  gesunden  Klima  und  wäre  nicht  das  Meer  überreich  an 
den  verschiedensten  Produkten,  so  würden  die  praktischen  Engländer  sie 
schwerlich  für  begehrenswert  gehalten  haben.  Der  ganze  Archipel  liegt  auf 
einer  submarinen  Bank  von  geringer  Wassertiefe,  welche  steil  nach  allen 
Seiten  zu  großen  Meerestiefen  abfällt.  Im  Westen  trennt  ein  solcher  Kanal 
von  500—900  m  die  Bank  von  der  Florida-Halbinsel,  und  ein  ähnlicher, 
aber  noch  seichterer,  scheidet  sie  im  Süden  von  Kuba  Durch  den  ersteren 
fließt  der  Golfstrom  zwischen  dem  Festland  und  der  Bahamabank  nach 
Norden  und  erreicht  längs  der  Südküste  von  Florida  eine  Maximalgeschwin- 
digkeit von  4  Vt  Seemeilen  in  der  Stunde.  Daß  die  nur  37  km  lange  nnd 
15  km  breite  Insel  New  Providence  zum  Zentrum  der  ganzen  Inselgruppe 
mit  der  größten  Einwohnerzahl  (13500)  und  dem  Sitz  der  Regierang 
werden  konnte,  verdanlrt  sie  erstens  ihrer  Lage  am  Südrandc  eines 
tiefen    Querkanals    und    zweitens    dem   Umstände,    daß   die    dem    Nordufer 


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vorgelagerte  Hog-Insel  dem  Hafen  von  Nassau  einen  natürlichen  Schutz 
gewährt.  Auch  die  größten  Schiffe  können  ohne  Gefahr  hierhin  gelangen 
und  dann  ihren  Weg  nach  Havanna  fortsetzen,  während  zwischen  den  übrigen 
Inseln  die  Schiffahrt  meist  überall  wegen  der  vielen  Korallenriffe,  Felsen  und 
Untiefen  sehr  gefährlich  und  nur  bei  geringem  Tiefgange  möglich  ist. 

Der  geologische  Aufbau  ist  stets  derselbe.  Ein  nicht  sehr  fester, 
feinkörniger  Kalkstein,  der  aus  zertrümmerten  Korallen  hervorgegangen  und 
im  Bruch  von  weißer  Farbe  ist,  bildet  den  Grundstock  und  steht  an  den 
Küsten  überall  frei  an,  mit  Ausnahme  derjenigen  Stellen,  wo  er  in  weißen 
Sand  zerfallen  ist.  In  der  Höhe  der  Flutgrenze  und  noch  1—2  m  darüber 
nimmt  er  eine  schwarze  Farbe  auf  seiner  Oberfläche  an  und  wird  dabei 
wunderbar  zerrissen  und  zerfressen,  so  daß  man  ein  Feld  von  Lavaspitzen 
und  -Zacken  vor  sich  zu  haben  glaubt  und  die  besten  Stiefel  nach  kurzer  Zeit 
ruiniert  sind,  wenn  man  auf  derartigem  Terrain  viel  umher  klettert.  Ist  eine 
solche  Küste  nicht  durch  ein  Korallenriff  geschützt,  sondern  der  vollen  Gewalt 
der  Brandung  und  Strömung  ausgesetzt,  so  wird  im  Bereiche  der  Gezeiten- 
zone eine  tiefe  Hohlkehle  ausgewaschen,  in  der  das  Wasser  sich  donnernd 
bricht.  Draußen  vor  der  Insel,  meist  in  1  km  Entfernung,  geht  das  hell- 
grüne Küstenwasser  ziemlich  rasch  in  das  satte  Blau  des  tiefen  Ozeans  über. 
Mit  Ausnahme  besonders  ruhiger  Tage  steht  hier  eine  wilde  Brandung  und 
bezeichnet  die  Region  der  Korallenriffe.  Millionen  von  kleinen  Polypen, 
d.  h.  winzigen,  mit  sechs  Fangarmen  ausgerüsteten  Tierchen,  sind  hier  Tag 
nnd  Nacht  bei  emsiger  Arbeit  und  ergreifen  alles,  was  von  Algen,  Infusorien 
und  ähnlichen  Organismen  in  ihre  Nähe  kommt.  Aus  dieser  Nahrung  und 
dem  gleichzeitig  aufgenommenen  Wasser  extrahieren  sie  nun  die  darin  ent- 
haltenen äußerst  geringen  Mengen  von  kohlensaurem  Kalk  nnd  scheiden 
denselben  an  der  Fußplatte  des  zylindrischen  Körpers  wieder  aus.  So  ent- 
stehen die  festen  Korallenskelette  von  baumförmiger  oder  kompakt-rundlicher 
Form,  welche  in  unscrn  Museen  ausgestellt  werden.  Zwischen  diesen  Korallen- 
riffen gibt  es  einen  unerschöpflichen  Reichtum  der  verschiedensten  anderen 
Tierarten,  und  es  war  eine  Hauptaufgabe  des  Vortragenden,  die  marine  Tier- 
welt dieser  Gebiete  zu  studieren. 

Der  Hauptreicbtum  der  Bahama-Inseln  in  merkantiler  Hinsicht  besteht 
in  seinen  Schwämmen,  die  Jahr  für  Jahr  in  erstaunlicher  Menge  gefischt 
werden  und  von  denen  etwas  mehr  als  die  Hälfte  nach  den  Vereinigten 
Staaten,  die  übrigen  vorzugsweise  nach  England  und  in  noch  geringerem 
Betrage  nach  Deutschland,  Holland,  Frankreich  exportiert  werden.  Im  Jahre 
1902  betrug  die  Gesamtausfuhr  an  Schwämmen  1308270  Pfund  im  Werte 
von  fast  2  Millionen  Mark.  Deutschland  erhielt  hiervon  132710  Pfund  im 
Werte  von  223680  M.  Im  folgenden  Jahre  ist  die  Ausfuhr  auf 
1515  026  Pfund  im  Werte  von  2087  880  J^  gestiegen.  Es  gibt  keinen 
Platz  in  der  Welt,  wo  man  sich  so  leicht  einen  leidlichen  Badeschwamm 
verschaffen  kann,  wie  in  Nassau,  denn  in  allen  Straßen  liegen  sie  umher. 
Freilich  können  sich  die  Bahamasorten  in  keiner  Weise  mit  den  Mittelmeer- 
produkten messen,  da  sie  hart  und  spröde  sind.  Es  kommen  hier  7  ver- 
schiedene Arten  vor,  die  als  Wool,  Velvet,  Reef,  Hardhead,  Yellow,  Glove 
und  Grass  bezeichnet  werden,  wobei  die  erste  Sorte  die  wertvollste,  die  beiden 


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letzten  die  minderwertigsten  sind.  Frisch  ans  dem  Wasser  gezogen  sehen 
sie  alle  ziemlich  gleich  aus,  nämlich  wie  schwarze,  etwas  schleimige  Fleisch- 
klampen  von  unregelmäßiger  rundlicher  Form  und  von  der  Größe  einer 
Faust  an  bis  zu  3  Fuß  Durchmesser  und  mehr.  Sie  leben  im  Flachwasser 
in  einer  Tiefe  von  3—10  m,  und  werden  mit  langen  Stangen,  welche  an 
ihrer  Spitze  dreizinkige  Haken  tragen,  gefischt.  Von  anderen  Meeres- 
produkten exportieren  die  Bahamas  namentlich  Muscheln  und  Schnecken- 
schalen und  Schildpatt.  Schier  unerschöpflich  ist  der  Reichtum  dieser  Ge- 
wässer an  „Conchs'',  jenen  großen  Schnecken  (Strombus  gigas),  deren  an 
der  Mündung  prächtig  rosenrot  überlaufenes  Gehäuse  bei  uns  so  häufig  zum 
Einfassen  von  Gartenbeeten  benutzt  wird.  Die  ausgewachsenen,  oft  über 
einen  Fuß  langen  Geschöpfe  leben  im  Flachwasser  von  3 — 10  m  und  müssen 
mittels  eines  Schwammhakens  heraufgeholt  werden.  Das  Fleisch  dieser 
Schnecken  ist  schmackhaft  und  wird  viel  gegessen,  außerdem  als  Köder  für 
Angelhaken  und  Fischkörbe  verwendet.  Die  Schnecken  haben  für  den 
Sammler  noch  insofern  einen  besonderen  Reiz,  als  einzelne  von  ihnen  rote 
Perlen  enthalten,  freilich  kommt  nur  auf  je  10000  Schnecken  etwa  eine, 
welche  in  ihrem  Fleisch  eine  schöne  rosarote  Perle  enthält,  für  die  der 
Juwelier  in  Nassau  bereitwilligst  je  nach  ihrer  Qualität  5,  10  and  mehr 
Dollar  zahlt.  Die  Bevölkerung  besteht  hauptsächlich  aus  Negern  und  Mulatten. 
Nur  die  Großkaufleute  und  die  Beamten  der  englischen  Regierung  sind  Weiße, 
ganz  überwiegend  Engländer.  Die  vom  Vortragenden  angelegten  zoologischen 
Sammlungen  befinden  sich  im  Besitze  des  Museums  für  Meereskunde  in 
Berlin.  Wegen  ihres  milden  Klimas  sind  die  Bahamas  als  Win terauf enthalt 
bei  den  Amerikanern  sehr  beliebt,  und  da  eine  Reise  dorthin  von  New  York 
aus  in  drei  Tagen  zu  bewerkstelligen  ist,  so  kann  sie  auch  deutschen 
Reisenden  warm  empfohlen  werden. 

Mittwoch,  den  10.  Januar  1912. 

Herr  Professor  Dr.  Augustin  Krämer-Stuttgart: 
Eigene  Studien  in  den  Karolinen.     (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  war  mit  seiner  Gattin  schon  1907  in  den  Karolinen 
gewesen,  insbesondere  au!  Truk  und  Palau.  Im  Herbst  1907  nach  Hause 
zurückgekehrt,  wurde  ihm  die  Leitung  der  Hamburger  Expedition  nach  den 
Karolinen  1909—1910  angeboten.  Ehe  die  Übernahme  dieser  Expedition  erfolgte, 
mußte  Prof.  Krämer  wiederum  in  Begleitung  seiner  Frau  im  Herbst  1908 
nach  Neu-Mecklenburg  in  der  Südsee  reisen,  um  die  durch  den  Tod  Stephans 
führerlos  gewordene  Marine-Expedition  zu  Ende  zu  führen. 

Im  Mai  1909  erfolgte  die  Übersiedelung  von  Neu-Mecklenburg  nach 
Palau,  wo  Anfang  August  das  Hamburger  Expeditionschiff,  der  Dampfer 
„Peiho",  Kapitän  Vahsel  (jetzt  Führer  der  „Deutschland"  am  Südpol),  eintraf. 
Die  Fahrt  ging  mit  allen  Expeditionsteilnehmem  an  Bord  (der  wissenschaftliche 
Stab  bestand  aus  5  Köpfen)  durch  die  gesamten  Karolinen,  wobei  keine 
bewohnte  Insel,  trotz  der  oft  sehr  schwierigen  und  namentlich  bei  schlechtem 
Wetter  gefährlichen  Passagen  durch  die  Korallenriffe,  ausgelassen  wurde. 
So  besuchte  die  Expedition  nach  Palau  die  kleinen  Inseln  Sonserol,   Meiil, 


—     77     — 

Pul,  Tobi,  Ngnlu,  dann  die  hohe  Insel  Yap.  Von  hier  gings  nach  Osten, 
nach  Mogemog,  Feis,  Sorol,  Aurepik,  Yoleai,  Ifaluk,  Faraniep,  Elato,  Lamotrek, 
S&towan  usw.,  bis  die  hohen  Inseln  von  Truk  erreicht  wurden.  Von  hier 
erfolgte  ein  Abstecher  nach  den  selten  besuchten  Südinseln  Nukuör  und 
Kapingamarangi,  dann  Ponape,  wo  gerade  der  neue,  bald  darauf  ermordete 
Gouverneur  Böder  eingetroffen  war  und  wo  Kaisers  Geburtstag  gefeiert  wurde. 

Auf  der  östlichsten  Karolineninsel  Kusaie  entdeckte  man  große  Mauer- 
werke in  einer  Ausdehnung,  wie  sie  bis  dahin  nur  von  Metalanim  auf  Ponape 
bekannt  waren.  Indes  ging  der  Vortragende  darauf  nicht  weiter  ein.  Die 
Hauptschilderung  galt  den  West-Karolinen,  insbesondere  Palau,  das  bei  den 
Eingeborenen  Pelau  heißt,  und  Yap,  das  mit  erstercm  verwandt,  eine  eigen- 
artige Stellung  einnimmt,  namentlich  durch  den  starken  Einfluß,  den  es  auf 
die  Zentralkarolinen  ausgeübt  hat,  die  ihm  jährlich  seit  Alters  auf  ihren 
Seebooten  Tribut  brachten.  Dies  wurde  deutlich  mittelst  zahlreicher  Licht- 
bilder an  der  Hausform  gezeigt,  und  an  zahlreichen  anderen  Beispielen,  wie 
der  Weberei,  den  Überlieferungen  usw.  Ostlich  von  Lamotrek  beginnt  aber 
sichtlich  der  stärkere  Einfluß  von  Truk,  das  trotz  seiner  ärmlichen  und 
schmutzigen  Hütten,  die  mit  denen  von  Palau  und  Yap  nicht  zu  vergleichen 
sind,  für  sich  ein  Kulturzentrum  ist.  Östlich  bilden  dann  Ponape  und  Kusaie 
zusammen  für  sich  wieder  einen  Teil. 

Wirtschaftlich  sind  die  Karolinen  durch  Aufstände,  besonders  aber 
durch  die  Taifune  der  letzten  Jahre  schwer  geschädigt  worden.  Auch  die 
Phosphatinsel  Angaur  im  Süden  von  Pelau  hat  die  erwarteten  Hoffnungen 
bis  heute  nicht  erfüllt.  Auf  Yap  und  Palau  hat  eine  Milbenkrankheit  die 
Cocosbestände  schwer  geschädigt.  Wegen  Mangel  an  Nahrung  mußten  große 
Teile  der  Bevölkerung  mehrerer  niedriger  Inseln  auf  hohen  angesiedelt 
werden,  was  der  Regierung  Kosten  verursacht  hat.  Trotzdem  ist  der  Aus- 
blick in  die  Zukunft  nicht  ungünstig,  und  da  die  Schicksalsschläge  in  naher 
Zukunft  schon  überwunden  sein  können,  ist  eine  baldige  günstige  Geschäfts- 
lage möglich. 

Mittwoch,  den  17.  Januar  1912. 

Herr  Dr.  Fritz  Wertheimer-Berlin:  Die  japanische 
Kolonialpolitilt.     (Lichtbilder.) 

Die  Revolution  in  China  hat,  mag  sie  auch  jetzt  mit  einer  neuen 
Absplitterung  mancher  Außenländer  endigen,  ursprünglich  ihren  Grund  darin, 
daß  China  unter  den  letzten  Mandschu-Kaisem  ständig  in  Kriegen  und 
diplomatischen  Kämpfen  Prestige  und  Landbesitz  verloren  hat,  und  ihr  Ziel 
war,  diesem  Zustand  ein  Ende  zu  machen.  Sie  richtete  sich  also  in  der 
Hauptsache  gegen  Japan,  dessen  zielbewußte,  starke  und  emsige  Politik 
China  in  den  letzten  Jahrzehnten  Land  auf  Land  abgenommen  hat.  Diese 
japanische  Machtpolitik  ist  das  Gleiche  wie  die  japanische  Kolonialpolitik, 
die  sich  von  der  Kolonialpolitik  anderer  Länder  dadurch  unterscheidet,  daß 
sie  nicht  fremde,  weit  entlegene,  wesensungleiche  Länder  beherrschen  und 
als  Absatzgebiete  oder  zur  Rohstoffgewinnung  verwerten  will,  sondern  daß 
sie  die  Kolonien  mit  dem  Mutterlande   zu   einem  einzigen  großen  territorial 


—     78     — 

geschlossenen  Reiche  zusammenfassen  will,  das  dem  ursprünglich  so  kleinen 
Japan  gestattet,  seinen  Traum,  ein  England  des  Ostens  zu  sein,  die  Führung 
im  Osten  zu  bekommen,  in  die  Wirklichkeit  umzusetzen.  Die  japanische 
Kolonialpolitik  studieren  heißt  also,  die  ostasiatische  Qesamtpolitik  behandeln. 
Glühender  Patriotismus,  starkes  Selbstbewußtsein,  ausgesprochener  Macht- 
hunger des  Volkes,  asiatische  Rücksichtslosigkeit  und  starke  Anpassungs- 
fähigkeit setzen  das  japanische  Volk  in  Stand,  die  politische  Theorie  in 
politische  Praxis  umzuformen.  Es  unterstützte  diese  Ziele,  daß  die  zu 
kolonisierenden  Länder  ganz  nahe  dem  Mutterlande  lagen,  daß  ein  rasches 
Fluktuieren  von  Militär-  und  Zivilbeamten  zwischen  Heimat  und  Kolonien, 
und  so  eine  ziemlich  genaue  Kenntnis  der  Kolonien  sich  ermöglichen  ließ, 
daß  geographisch  und  klimatisch  große  unterschiede  zwischen  Japan  und 
den  Kolonien  nicht  bestanden.  Allerdings  ist  Formosa  etwas  subtropischer, 
der  Hokkaido  im  Winter  etwas  kälter  als  Japan,  der  Rassenhaß  der  süd- 
lichen Chinesen  erschwerte  manche  Arbeit  ebenso  wie  die  Tätigkeit  der 
Wilden  auf  Formosa,  aber  das  sind  Kleinigkeiten,  die  die  große  Entwickelung 
nicht  störten. 

Der  Vortragende  warf  einen  kurzen  Blick  auf  die  einzelnen  Kolonien, 
auf  Sachalin,  Hokkaido,  Korea,  Formosa  und  auch  auf  die  Zukunftskolonie 
Mandschurei  und  schilderte  in  knappen  Zügen  das  wirtschaftliche  und  politische 
Leben  dort,  die  Lage  der  Japaner  und  ihre  speziellen  Pläne.  Dann  erklärte 
er,  wie  geschickt  es  die  Japaner  verstehen,  die  hervorragend  politischen 
Pläne,  die  sie  mit  ihrer  Kolonialpolitik  verfolgen,  durch  wirtschaftliche  Ziele 
zu  maskieren,  wie  ihre  Militär- Gouverneure  überall  den  wirtschaftlichen 
Erschließungsplänen  ihrer  Zivil-Unterbeamten  keine  Hindemisse  in  den  Weg 
legen,  wie  nirgends  schematisiert  und  schabionisiert  wird,  sondern  wie  die 
einzelnen  Kolonien  unt^r  sehr  selbständigen  Gouverneuren  jahrelang  individuell 
entwickelt  wurden,  um  erst  im  letzten  Jahre  unter  ein  einheitliches  Kolonialamt 
gestellt  und  zentralistisch  zusammengefaßt  zu  werden.  Das  hinwiederum 
war  nur  möglich  mit  einem  vorzüglichen  Beamtenmaterial,  das,  größtenteils 
in  Europa,  speziell  in  England  und  Deutschland,  ausgebildet,  sich  vom 
japanischen  Herdenmenschentum  freigemacht  hat  und  eigenen  Willen  und 
Tatkraft  entwickelte.  Die  Beamten  werden  auf  lange  Jahre  in  den  Kolonien 
belassen,  um  dann,  wenn  sie  sich  bewährt  haben,  aussichtsreiche  Posten  in 
der  Gesamtverwaltung  zu  übernehmen.  Den  politischen,  schon  besprochenen 
Zielen  der  japanischen  Kolonialpolitik  stehen  wirtschaftliche  gegenüber. 
Japan  sucht  als  junge  Großmacht  zunächst  in  seiner  Produktion  selbständig 
zu  werden,  es  will  als  Inselreich  in  der  Ernährung  seiner  Bevölkerung  auf 
eigenen  Füßen  stehen.  Den  Norden  Japans  und  die  Hokkaido-Insel  für  den 
immer  stärker  wachsenden  Getreideverbrauch  nutzbar  zu  machen,  Biittel- 
und  Süd-Japan  mit  Korea  als  große  Reiskammer  des  großjapanischen  Reiches 
zu  verwenden,  Formosa  dagegen  als  Produzenten  des  Salz-  und  Zucker- 
verbrauches heranzuziehen,  das  ist  das  großagrarischc  Kolonialprogramm,  das 
allerdings  in  industrieller  Hinsicht  vorderhand  wenig  Ergänzung  findet,  da 
zwar  der  Holz-  und  Kolilenreichtum  des  Hokkaido  und  der  Kampferreichtum 
Formosas  Japan  wichtige  Exportmaterialien  liefern,  da  man  aber  Eisenerze 
zur  Entwickelung  einer  eigenen  Industrie  noch  nicht  gefunden  hat. 


—     79     — 

Der  Vortragende  erläaterte  dann  seine  Ausführangen  an  Hand  zahl- 
reicher Lichtbilder  nach  eigenen  Aufnahmen.  Er  erklärte  besonders  die 
Kolonisation  des  waldreichen  Uokkaido,  die  Kampfer-  and  Zackerproduktion 
Formosas,  brachte  Bilder  vom  Eingeborenenleben  and  den  Verkehrsgelegen- 
lieiten,  führte  dann  in  das  zerschossene  und  in  Friedhofsruhe  liegende  Port 
Arthur,  nach  dem  Stammlande  der  Mandschudynastie  und  schließlich  nach 
Korea  und  dem  bunten  Leben  und  Treiben  in  der  Hauptstadt  Seoul. 

Mittwoch,  den  24.  Januar  1912. 

Herr  Dr.  Paul  Hambruch -Hamburg:  Pooape.  (Licht- 
bilder.) 

Nach  dem  Arbeitsprogramm  der  Südsee- Expedition*)  wurde  mir  im  März 
lUlO  Ponape  als  Arbeitsgebiet  zugewiesen.  Am  22.  März  setzte  der  „Peiho" 
mich  in  Kitti  an  Land,  worauf  die  folgende  Zeit  bis  zum  2L  September  dem 
Studium  der  Insel,  vornehmlich  in  ethnographischer  Hinsicht,  gewidmet  wurde. 
Am  Anfang  boten  sich  viele  Schwierigkeiten,  da  es  an  Dolmetschern  mangelte. 
Im  April  aber  ging  ich  zu  einem  System  über,  das  sich  nachher  vorzüglich 
bewährte.  Von  Eingeborenen  ließ  ich  mir  Texte  diktieren,  die  dann  wort- 
getreu übersetzt  wurden;  daneben  bemühte  ich  mich,  in  der  täglichen 
ümgangsprache  nur  den  Ponape-Dialekt  zu  gebrauchen.  Diese  Weise,  mit 
den  Eingeborenen  in  ihrer  Sprache  zu  verkehren,  hatte  das  Gute,  daß  sie  ein 
wenig  mehr  Vertrauen  zu  mir  gewannen,  zugleich  wurde  grobes  Anlügen,  vor 
dem  niemand  bei  einem  Dolmetscher  sicher  ist,  einigermaßen  vermieden. 
Zwei  Dolmetscher,  ein  älterer  Mann  aus  Matolenim,  Ettekar,  der  früher  auf 
Missionsschiffen  fuhr  und  in  Ponape  als  der  Generalissimus  gegen  die  Spanier 
gilt,  dann  ein  Deutsch-Halbblut  aus  Matolenim,  Wilhelm  und  zwei  Neu-Guinea- 
jungen waren  meine  Begleiter  während  meines  sechsmonatlichen  Aufenthaltes. 

Die  große  ünzugänglichkeit  der  Insel,  die  mißvergnügten,  mürrischen, 
verschlossenen  Eingeborenen,  die  seit  Ende  April  vorigen  Jahres  herrschende 
Aufstandsbewegung,  die  dann  am  18.  Oktober  zum  Ausbruch  kam,  erleich- 
terten die  Arbeit  nicht  gerade.  Der  wirksamen  Hilfe  des  verstorbenen 
Regierungsrats  Boeder,  weiter  der  Jaluit-Gesellschaft  und  der  Unterstützung 
der  Katholischen  Kapuziner-Mission  ist  es  zu  danken,  daß  noch  ein  gutes 
Stück  Volksleben  aus  den  Karolinen  bekannt  wird.  Namentlich  erhalten  wir 
dadurch  interessante  Aufschlüsse  über  die  Besiedelung  und  die  Völker- 
wanderungen in  der  Südsee  überhaupt. 

Unter  den  Karolinen-Inseln  ist  Ponape,  wenn  nicht  die  größte,  so  doch 
die  höchste.  Ihr  Gesamtflächeninhalt  beträgt  ca.  400  qkm,  sie  ist  damit 
fast  so  groß,  wie  das  Hamburger  Staatgebiet.  Ponape  ist  keine  ein- 
heitliche Insel;  es  besteht  aus  der  großen  Insel  Ponape,  der  die  Insel 
Jokasch  angelagert  ist;  durch  tiefe  Kanäle  von  der  Hauptinsel  getrennt, 
erheben  sich  2—3  km  entfernt  Langer,  Parram,  Mant,  Tepäk  und  Takaiu, 
Samuin   und   Mutok.     Dieser  Inselkranz   wird    von   einem   weit  in   die  See 


*)  Vgl.  den  Vortrag  von  Prof  Dr.  Augustin  Krämer-Stuttgart:  Eigene 
Studien  in  den  Karolinen,  S.  76  des  vorliegenden  Jahresberichtes. 


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hinausreichenden,  nur  wenig  brauchbare  Einlasse  gewährenden  Riffe  umgeben, 
dem  eine  Reihe  kleiner  Schattinseln  aufgelagert  ist.  Alle  diese  Inseln  vul- 
kanischen Ursprungs  sind  bewohnt,  meist  nur  am  Ufer.  Die  Riff-Inseln 
haben  z.  T.  feste  Wohnplätze ;  in  der  Mehrzahl  dienen  sie  als  Fischfang- 
stationen. 

Kommt  man  von  See  aus  an  die  Insel  heran,  so  wird  Ponape  auf 
50  Seemeilen  etwa  deutlich  sichtbar,  nachdem  schon  lange  vorher  eine 
Wolkenbank  seine  Lage  verraten  hat.  Wie  eine  lange,  umgestürzte,  flache 
Schüssel  in  grauen  Farben  erscheint  sie,  und  je  näher  man  herankommt, 
löst  das  einförmige  Grau  sich  auf,  die  geraden  Konturen  gehen  in  leichte 
Wellenlinien  über,  dann  in  scharfe  Spitzen,  doch  noch  vom  Riffkranze  aus 
scheinen  sich  die  hohen  steilen  Berge  direkt  aus  dem  Wasser  zu  erheben. 
Die  gleichförmige  Vegetation,  das  dunkle  Grün  heben  Vor-  und  Bergland 
nicht  von  einander  ab. 

Vortrefflich  ist  der  Name  der  Insel  gewählt.  Auf  den  niederen  Karo- 
linen-Inseln spielt  Ponape  eine  wichtige,  z.  T.  geheimnisvolle  Rolle.  Doch 
ist  dieser  Name  dort  nicht  gebräuchlich.  Fanupe  heißt  hier  die  Insel.  Und 
"Fanu  ist  Land,  pe  ist  der  Steinhaufen,  und  zwar  die  zu  Kultzwecken  meist 
aufgeführte  Steinsetzung.  Ponape  bedeutet  daher  etwa  „auf  den  heiligen  Stein- 
Setzungen^'.    Auf  diese  Steinsetzungen  wird  später  zurückzukommen  sein. 

Hohe  Bergzüge  durchziehen  die  Insel.  Unter  ihnen  zeichnen  sich  drei 
durch  ihre  relativ  gleiche  Höhe,  doch  verschiedene  Richtung  ans.  Alle  drei 
haben  dabei  den  gleichen  Ausgangspunkt.  Der  ca.  300  m  hoch  gelegene 
versumpfte  See  Nipitj,  im  SO.  der  Insel,  in  der  Landschaft  Nan  Üonna,  hart 
an  der  Grenze  von  Matolenim  gelegen,  ist  als  solcher  anzusehen.  Von  hier 
strahlen  nach  SW.,  NNO.  und  NW.  die  drei  Leitlinien  des  Ponape  erfüllenden 
Gebirges  aus.  Der  nach  SW.  sich  erstreckende  Zug  ist  kurz,  ca.  6  km  lang, 
nach  Süden  fällt  er  sanft  ab,  nach  Norden  hin  steil ;  ein  tiefes  Tal,  das  vom 
Kap  en  pil  lap  en  Kitti  durchflössen  wird,  trennt  ihn  von  dem  nach 
NW.  verlaufenden  Zug,  der  sich  nach  Jokasch  und  Palikir  hinzieht  und  hier 
am  Tamatamensak'r  zum  Meere  abfällt.  —  Der  nach  NO.  verlaufende  Gebirgs- 
kamm  grenzt  Matolenim  gegen  Jokasch  und  Neott  ab.  Vielfach  eingeschnitten, 
auf  zwei  Seiten  sich  auf  halbe  Kammhöhe  zum  Meeresniveau  herabsenkend, 
um  hier  auf  längere  Strecken  die  gleiche  Höhe  zu  behalten,  hat  er  in  U 
seine  höchsten  Erhebungen  und  fällt  hier  steil  zum  Berge  ab.  Alle  drei 
Bergzüge  haben  die  gleiche  mittlere  Höhe  von  ca.  400  m  und  ungefähr  gleich- 
hohe höchste  Aufragungen.  Eine  Besteigung  wurde  mehrmals  versucht, 
scheiterte  jedoch  an  den  durch  den  Taifun  1905  verursachten  Gelände- 
schwierigkeiten. Der  Südwest-Zug  hat  seinen  Gipfel  im  Tolotom,  der 
Nordwest-Zug  im  Nanekap,  der  Nordost-Zug  im  Kupuriso.  Sie  sind  alle 
ca.  650  m  hoch. 

Von  allen  drei  Gcbirgskämmen  gehen  Seitenarme  aus,  die  dem  K&rten- 
bild  der  Insel  ein  stemartiges  Aussehen  verleihen.  Vom  Tolotom-Zug  geht 
nach  SO.  das  Bergland  von  Lot ;  der  Nankap-Zug  entsendet  die  Gebirgskämme 
von  Jalapug  und  Tamorolang,  den  Zug  der  Palikir-Berge  und  von  Nanponmall, 
der  in  der  Insel  Jokasch  seine  Fortsetzung  findet;  der  Kupuriso-Zug  entsendet 
die  Nebenzüge:  das  Bergland  von  Sennipen,  von  Lätau  und  Matup,  Mesiso,  Neott. 


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Die  Inseln  Mant,  Parram,  Langer,  Tepäk  and  Takaienu  sind  Teile 
von  heute  z.  T.  versunkenen  Nebenzügen  des  Nordost-Gebirgskammes.  Den 
von  den  Nordwest-  und  Nordost-Zügen  gebildeten  Talzirkas  füllen  kleinere 
Erhebungen  aas.     Unter  ihnen  ist  der  Toi  en  Eireka  die  höchste. 

Die  hohen  Berge  üben  eine  starke  Anziehungskraft  aal  die  Wolken 
aus.  Selten  ist  der  Himmel  über  der  Insel  klar,  und  eine  Wolkenbank 
lagert  fast  stets  über  Ponape.  Niederschläge  fallen  täglich.  Bei  ihrem  Vorüber- 
gange  an  der  Insel  sondern  sie  ihre  Wassermengen  ab,  die  im  Jahre  zu  dem 
erheblichen  Betrage  von  5500  mm  (9  mal  soviel  wie  im  Hamburg)  anwachsen. 
Es  ist  so  verständlich,  daß  ein  reiches  Netz  von  Wasseradern  sich  über  die 
Inseln  spannt,  das  im  Laufe  der  Zeit  ein  Gewirr  von  großen  and  kleinen 
Tälern  in  die  Gebirgszüge  eingeschnitten  hat. 

Die  Talbildung  zeigt  nun,  daß  Ponape  ein  recht  junges  Land  ist. 
Nirgendwo  ein  ausgereiftes  Tal,  überall  mehr  oder  minder  tiefe  Erosions- 
rinnen. Kein  Bach,  kein  Fluß  gelangt,  ohne  starke  Gefälle,  Wasserfälle  und 
Stromschnellen  zu  bilden,  zum  Meere.  Während  der  Regenfälle  und  einige 
Zeit  nachher  sind  Flüsse  und  Bäche  reißende  Gewässer  und  unpassierbar  für 
jedermann.  Ein  Wasserlauf  von  der  gewöhnlichen  Tiefe  von  40  cm  wurde 
einmal  nach  einem  halbstündigen  Regenfall  zu  einem  Wasser  von  2—3  m 
Tiefe,  Steine,  Erdreich,  Wurzelwerk,  Gräser  und  Baumstämme  mit  sich  fort- 
wälzend. Ein  weiches  Flußbett,  rein  von  Steinen,  gibt  es  nicht;  überall  ist 
Geröll  von  kleinen  bis  viele  Zentner  schweren  Blöcken.  An  den  Mündungen 
in  das  Riffwasser  hinaus  liegen  Barren,  die  nur  bei  Hochwasser  passierbar 
sind;  den  Pilap  en  Lätau  und  Tau  en  Sokola  ausgenommen  ist  auch 
kein  Flußgewässer  auf  weitere  Strecken  befahrbar. 

Vulkanische  Kräfte  erzeugten  das  Land,  deren  Wirkung  bis  in  die 
jüngste  Zeit  zu  verspüren  ist.  Erdbeben  treten  selten,  aber  doch  auf.  Und 
die  Eingeborenen  wissen  sehr  wohl  vom  Feuer  zu  erzählen,  das  aus  den 
Bergen  quoll  und  Ponape  fast  vernichtete. 

Stürmische  Eruptionen  mit  Aschen-  und  Bombenauswarf  fanden  nicht 
statt,  wie  man  auch  auf  Ponape  vergeblich  nach  Kratern  suchen  wird.  Aus 
Erdspalten  quollen  Lavaströme  hervor,  die  langsam  erstarrten.  Nach  dem 
Aussehen  und  der  Zusammensetzung  der  Gesteine  ist  dies  in  mehreren  durch 
lange  Zwischenräume  getrennten  Ausflußperioden  geschehen. 

Im  Süden  der  Insel  sind  die  Gebirgsmassen  anders  geartet  als  im 
Norden.  Hier  sind  die  Basaltmassen,  denn  aus  diesem  Gestein  setzt  Ponape 
sich  vornehmlich  zusammen,  reiner  erstarrt  in  sechsseitigen  Prismen  and 
sind  nephelin-olivinhaltiger,  eisenärmer  als  die  gleichfalls  sechsseitigen,  gröber 
gearteten  Basaltmassen  des  Nordens,  die  stark  eisenhaltig  (Magneteisen, 
Titan)  und  quarzreich,  doch  nephelin-  und  olivinarm  sind. 

Diese  Massen  haben  durch  Gebirgsdruck  teilweise  schiefrige  Struktur 
bekommen,  teilweise  sind  die  Säulen  geneigt  und  haben  ihre  normale,  vertikale 
Säulcnstruktur  verloren. 

Die  Basaltstruktur  verleiht  den  Bergen  Ponapes  die  eigentümliche 
Form,  der  beim  ersten  Anblick  wie  Tafeln  erscheinenden  Gebirgskämme,  die 
meist  nur  wenige  Meter  breit  sind,  und  dann  in  Stufen,  zunächst  durch  die 
anwachsenden  Schutthalden  alsdann  ein  geringeres  Gefälle    erhaltend,   zum 


—    82    — 

Meere  hin  sich  absenken.    In  der  Aufsicht  erscheinen  die  gleichen  Berge 
vielfach  als  Pyramidenberge  (Toi  en  Eireka). 

Die  jüngsten,  meist  niedrigen  Berge  charakterisieren  sich  als  Kuppen- 
nnd  Kettenberge  (Palikir). 

Ich  wage  nicht  zu  entscheiden,  ob  Ponape  eine  sich  hebende  oder 
senkende  Insel  ist.  In  Palikir  fand  ich  Basaltgestein  weit  draußen  auf  dem 
Riff  Yon  Korallen  umwachsen,  dann  auch  in  einer  Höhe  Ton  ca.  40  m  Basalt 
mit  Koralleneinschluß ;  in  U  auch  Conglomerate  in  scheinbar  marinen  (?)  Ton 
eingebettet  und  zwischen  Basaltdecken  gelagert. 

An  das  Festland  gliedert  sich  das  Innenriff,  das  stets  an  den  Süd- 
wasser-Ausflüssen unterbrochen  ist  und  so  wenig  Wasser  über  sich  tragt, 
daß  es  nur  bei  Hochwasser  überall  passierbar  ist.  Seine  Breite  schwankt 
sehr,  und  von  ihm  strahlen  wiederum  Seitenriffe  radial  aus  in  einen  breiten 
tiefen  Kanal,  der  Ponape  zu  '/t  umzieht  und  nur  an  der  Ostseite  fehlt, 
wo  Außen-  und  Innenriff  eins  bilden.  Auch  dieser  Kanal  ist  nicht  rein, 
und  zahlreiche  Rundriffe  erschweren  die  Fahrt  in  ihm.  Doch  herrlich  ist 
zum  Teil  der  Anblick  dieser  Riffe,  die  mit  ihrer  Korallenpracht  und  den 
bunten  Fischen  herrliche  Blumenwiesen  im  Meere  vortäuschen. 

Ponape  wäre  nicht  genau  gezeichnet,  wollte  man  die  Mangroven  ver- 
gessen, die  gleich  einem  hellgrünen  Bande  die  Insel,  die  Flußnfer,  die  Neben- 
inseln einsäumen.  Leider  hat  der  Taifun  von  1905  arg  in  ihnen  gewüstet, 
so  daß  nur  wenige  Bestände  in  alter  Schönheit  erhalten  bUeben.  In  ihrem 
knorrigen  Bau  ähneln  sie  im  frischen  hellen  Grün  den  Erlen  im  Frühling. 

Ponapes  Vegetation  ist  in  dem  feuchtwarmen  Klima  üppig ;  alle  Berge 
sind  dicht  mit  Bäumen,  Palmen  und  Fambäumen  aller  Arten  bestanden, 
deren  Schönheit  erst  langsam  wiederkommen  wird,  wenn  die  Hochstämme  das 
niedrige,  wuchernde  Hibiscus-Qebüsch  überwunden  haben,  das  heute  das 
Gehen  im  Busch  so  unendlich  schwer  macht. 

Auch  Heiden  fehlen  nicht.  Meist  ist  die  jüngste  Lava  von  ihnen  be- 
standen, und  diese  harten  Farne  und  Gräser  arbeiten  den  Boden  langsam 
für  eine  bessere  Vegetation  vor.  Als  helle  gelbgrüne  Flecke  bringen  sie  eine 
angenehme  Abwechslung  in  das  gleichmäßige  Blattgrüji  des  Busches. 

Die  Fauna  ist  arm,  größere  Tiere  fehlen  völlig ;  Hund,  Katse,  Schwein 
und  Rind  sind  eingeführt,  und  heimisch  ist  nur  die  Ratte. 

Auch  an  Vögeln  mangelt  es;  bemerkenswert  ist  da  nur  eine  Nach- 
tigallenart; sowie  ein  Zwergpapagei,  die  beide  mit  den  Tauben  einheimisch 
sind.  Daneben  kommen  Scorpione,  Ameisen,  Schnecken,  Eidechsen  und 
Schmetterlinge  vor. 

Werfen  wir  einen  kurzen  Blick  auf  die  Geschichte  Ponapes. 
Fragt  man  die  Eingeborenen  über  die  ersten  Weißen  aus,  die  nach  Ponape 
kamen,  so  erzählen  die  Leute  von  Kitti  die  Geschichte  von  den  „eisernen 
Menschen''.  Auch  später  mögen  die  mexikanischen  Silberschiffe  gelegentlich 
an  die  Insel  verschlagen  worden  sein.  Positive  Kunde  erhält  man  in  Europa 
erst  wieder  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts,  wo  Lütke  1828  mit  dem  Senjawin 
die  Insel  neu  entdeckte  und  über  sie  berichtete.  Bald  wurde  Ponape  dann 
bekannter  und  Aufliegestation  für  die  Walfänger  aller  Nationen  im  Winter. 
Sie  versorgten  sich  mit  Proviant  und  lebten  mit  den  Eingeborenen  und  deren 


—    83    — 

Weiblichkeit  ein  wüstes  Leben.  Ein  Veteran  ans  dieser  Zeit,  ein  Engländer, 
der  seit  1850  anf  der  Insel  ist,  konnte  mir  genügend  Aufschlüsse  über  das 
damalige  Treiben  geben.  Es  waren  die  besten  Elemente  nicht,  die  den 
Ponape-Lenten  einen  Begriff  vom  weißen  Mann  geben  sollten.  Tronkenheiti 
Krankheiten  aller  Art  and  Laster  fanden  ihren  Eingang  nnd  der  Ponapemann 
lernte  die  Weißen  verachten.  Und  diese  Verachtung  der  weißen  Elemente 
ist  bis  heute  noch  im  Schwünge.  In  den  70  er  Jahren  kam  die  deutsche 
Handelsstation  von  Capelle  nach  Ponape,  die  dann  später  von  der  Jaluit- 
Station  übernommen  wurde.  Seit  1862  waren  die  amerikanischen  Missionare 
an  der  Arbeit,  das  Christentum  zu  predigen  und  namentlich  die  alten  Denk- 
mäler aus  Ponapes  Vorzeit  zu  vernichten,  zerstören  und  auszulöschen.  1886 
wurde  dann  die  spanische  Flagge  nach  dem  Schiedsspruch  des  Papstes  gehißt, 
und  im  Frühjahr  1887  begannen  die  Arbeiten  zur  Schaffung  der  heutigen 
Kolonie.  Im  Anfang  friedlich  und  willig  (alle  Ponape-Leute  lieferten  z.  B. 
freiwillig  ihre  Waffen  aus),  brachten  3  nichtsnutzige  Elemente  Unfrieden 
hinein.  Sie  unterschlugen  die  Löhne  der  Ponape-Leute,  und  als  diese  nicht 
mehr  arbeiten  wollten,  gab  ein  Mißverständnis  und  ein  voreilig  abgefeuerter 
Schuß  den  Anlaß  zum  Aufruhr. 

Die  Strafe  war  sehr  milde.  Man  vertrug  sich  und  ließ  die  Mörder 
des  Gouverneurs  nach  Manila  bringen.  Friedliche  Zeiten  folgten.  Die 
Spanier  legten  große,  trefflich  gepflasterte  Wege  an,  und  alles  schien  gut, 
wenn  nicht  die  katholischen  und  amerikanisch-protestantischen  Missions- 
bestrebungen bald  Zwiespalt  hervorgerufen  hätten.  Übergriffe  geschahen 
von  beiden  Seiten,  und  auf  Anstiften  der  amerikanischen  Mission  bezw.  ihres 
Vertreters  Nanpe  in  Kritti  begannen  dann  1890  die  Metzeleien  des  Wegbau- 
kommandos in  Oa  bei  Matolenim.  Ein  regelrechter  Krieg  folgte,  eine  Be- 
schießung von  Matolenim,  doch  richteten  alle  Spanier  nichts  in  den  unzugäng- 
lichen Terrains  Ponapes  aus.  Unheimliche  Verluste  erlitt  man,  namentlich 
bei  der  Erstürmung  von  Kitam  im  November  1890.  Man  mußte  wieder 
Frieden  geben,  und  die  Ponape-Leute  waren  mehr  denn  je  obenauf.  Im  ganzen 
hatten  die  Spanier  150  Tote  und  ca.  100  Verwundete,  die  Ponape-Leute  im 
ganzen  8  Individuen  verloren.  Ponape  blieb  im  bewaffneten  Frieden ;  1897 
waren  die  letzten  Unruhen.  Nanpe  hatte  auch  hier  seine  Hände  in  den 
Missionsstreitigkeiten  zwischen  Auak  und  U-Matolenim.  Es  geschah  gerade 
zu  der  Zeit,  als  die  spanischen  Schlappen  in  den  Philippinen  bekannt  wurden. 
Nachweisen  ließ  sich  Nanpe  nichts,  und  man  mußte  ihn  freilassen.  Doch 
mit  dem  Ansehen  der  Spanier  war  es  nun  für  immer  vorbei. 

1899  gingen  die  Inseln  in  deutschen  Besitz  über.  Hahl  war  der  erste 
Vizegouvemcur,  dem  auch  die  Paziflkation  der  Insel  gelang.  Die  Tore  der 
Festung  blieben  stets  für  jedermann  geöffnet  und  die  Eingeborenen  gewannen 
Zutrauen  zu  den  Deutschen.  Leider  war  Hahl  nur  kurze  Zeit  in  Ponape. 
Sein  Nachfolger  Berg  blieb  anf  den  von  Hahl  eingeschlagenen  Regierungs- 
wegen. Doch  unter  Berg  begannen  schon  leise  Gärungen,  die  glücklicher- 
weise nie  zum  Ausbruch  kamen.  Nanpe  soll  damals  einen  Aufstand  vor- 
bereitet haben,  der  während  seiner  Amerika-  und  Europareise  dann  ausgeführt 
werden  sollte.  Der  Taifun  von  1906  machte  den  Ponape-Leuten  jedoch  einen 
Strich  durch  ihre  Rechnung.    In  der  kurzen  Zeit  von  ca.  6  Stunden  zerstörte 

6* 


—     84     — 

er  die  Insel  völlig,  vernichtete  die  Fmchtbäome,  daß  bald  eine  Hungersnot 
eintrat.  Da  erwarb  sich  Berg  das  große  Verdienst,  die  Entwaffnung  der 
Eingeborenen  vorznnehmen.  Qegen  Abgabe  von  Waffen,  die  bislang  ver- 
gebens gefordert  war,  wurden  Nahrungsmittel  verabreicht.  Damals  wurden 
die  meisten  Waffen  abgeliefert  bis  auf  diejenigen,  welche  den  Jokasch-Leuten 
gegen  uns  dienten.  Bergs  plötzlicher  Tod,  ein  Schlaganfall,  machte  seinem 
Leben  und  damit  der  Waffenauslieferung  ein  Ende.  Fritz  folgte  ihm,  blieb 
aber  nur  kurze  Zeit  in  Ponape.  Unter  ihm  fanden  1908  die  internen  Land- 
streitigkeiten in  Kitti  statt,  die  durch  gegenseitiges  Hetzen  zwischen  katho- 
lischen und  evangelischen  Eingeborenen  sich  so  verschärften,  daß  man  an 
einen  Aufstand  glauben  mochte,  doch  machte  die  gütige  Aussprache,  die 
Fritz  mit  den  Eingeborenen  hatte,  den  Unruhen  ein  Ende.  Er  hatte  aber 
die  unangenehme  Aufgabe,  die  bisher  bestehende,  von  altersher  überkommene 
Verfassung  zu  vernichten,  die  Fronden  aufzuheben,  den  Besitz  der  einzelnen 
festzulegen  und  Steuern  einzuführen. 

Gerade  die  übereilte  Einführung  der  neuen  Landesverfassung,  welche 
den  Häuptlingen  und  dem  Adel  ihren  Besitz  nahm  und  ihnen  nur  geringen 
Ersatz  dafür  verschaffte,  führte  den  Aufstand  herbei,  der  seit  1899  von  einem 
Geheimbund  in  Ponape  vorbereitet  war.  Als  im  Oktober  1910  die  letzten 
Waffen  abgegeben  werden  mußten,  war  der  Augenblick  zum  Losschlagen 
gekommen.   Die  weiteren  Ereignisse  sind  aus  den  Zeitungen  genügend  bekannt 

Die  Bevölkerung  Ponapes  zerfällt  in  22  verschiedene  Stämme,  die 
in  allen  5  Staaten  (Matolenim,  Kitti,  Jokasch  und  Palikir,  Neott,  U.)  durch- 
einander leben.  Jeder  Stamm  hat  sein  besonderes  Totem  und  seine  Schutz- 
gottheit. Jeder  tip  zerfällt  in  verschiedene  Zweige,  kainak,  deren  jeder 
einen  besonderen  Namen  führt.  Heiraten  im  selben  tip  und  kainak  sind 
verboten ;  das  Mutterrecht  herrscht.  In  jedem  Staate  gibt  es  zwei  Familien, 
die  den  Adel  ausmachen.  Die  beiden  ältesten  Männer  sind  die  Familien- 
und  Staatsoberhäupter.  Beide  Familien  heiraten  stets  untereinander,  die 
Frau  der  einen  den  Mann  der  anderen  und  umgekehrt.  Die  Familien- 
angehörigen der  Staatsoberhäuptlinge  (nanamariki)  heißen  joupeiti,  die  An- 
gehörigen des  Kriegshäuptlings  (naneken)  heißen  seriso  (Königskinder).  So 
findet  man  die  altpolynesischen  Staatsoberhäupter  hier  wieder.  Darunter 
stehen  die  aramas,   das  Volk,   und  unter  diesen  die  Unfreien,  aramas  mual. 

Den  joupeitis  gehört  das  Land,  das  sie  gegen  Tribut  an  die  aramas 
verpachten,  als  Lehen  vergeben,  das  sie  aber  zu  jeder  Zeit  kündigen  können. 

Jeder  Staat  hat  Kronland  (nanue),  das  übrige  wird  in  Gaue  (kanjap) 
eingeteilt,  an  deren  Spitze  jeweilig  ein  Adeliger  steht.  Ausgeprägt  ist  das 
Titelwesen,  jeder  Titel  kann  erworben  werden.  Die  Frauen  der  Vornehmen 
führen  gleichfalls  Titel.  Nur  mit  diesen  dürfen  sie  angesprochen  werden, 
ein  Name  aber  darf  nie  genannt  werden.  Ein  ausgedehnter  Sitten-  und 
Anstandskodex  regelt  den  Verkehr  der  Eingeborenen  untereinander. 

Die  Frau  hat  eine  hohe  Stellung  im  Lande ;  sie  sorgt  für  die  Ordnung 
im  Hause,  während  die  Zubereitung  des  Essens  dem  Manne  obliegt,  der  auch 
die  täglichen  Nahrungsmittel  herbeizuschaffen  hat.  Nur  etwas  Fischerei 
wird  auch  von  den  Frauen  betrieben.  —  Feldmäßig  gebaut  werden  nur 
Kawa  und  Bananen  (Plantanen);  alles  andere  ist  Sammelwirtschaft. 


-    85    - 

Der  Kultus  pflegt  den  Animismus;  die  Götter  der  Zentralkarolinen 
sind  wohl  bekannt,  genießen  jedoch  kein  Ansehen.  Der  Donnergott  Nan 
Japue  und  Regengott  Tau  Katau  sind  die  gefurchtesten.  Zu  ihnen  tritt  eine 
Anzahl  von  Feld-,  Wald-,  Luft-  und  Wasser-Gottheiten,  ani,  z.  T.  ehemals 
mächtige  Häuptlinge,  die  Verehrung  genießen,  und  denen  Kawa,  Bananen 
und  Hunde  geopfert  werden.  Jeder  Staat  besaß  ein  Staatsheiligtum,  das  als 
ein  Steingehege,  pung  saraui,  gehalten  wurde  und  zu  dem  nur  der  Adel  und 
die  Priesterkaste  der  Schamoro  Zutritt  hatten. 

Die  Eingeborenen  wohnen  in  Höfen  und  zwar  in  auf  Steinwurften 
erbauten  Rahmenhäusem,  deren  Wände  aus  gebundenem  Röhricht  bestehen; 
Dörfer  sind  ihnen  unbekannt.  Die  großen  Versammlungshäuser  einer  Gau- 
schaft sind  an  einer  Giebelseite  offen;  der  Adel  hat  hier  erhöhte  Plätze, 
während  das  Volk  den  Platz  zur  ebenen  Erde  einnimmt.  Jeder  Titelhaber 
hat  einen  ihm  bestimmten  Sitzplatz. 

Die  Toten  werden  wahllos  bestattet,  im  Busch  oder  im  Klubhause; 
nur  die  Landschaft  Nan  Uonna  besitzt  einen  regelrechten  Friedhof.  Nach 
dem  Tode  erhält  jeder  einen  besonderen  Namen,  der  frühere  Titel,  auch  der 
Name  des  Toten  darf  nicht  genannt  werden. 

Eingehende  Studien  hat  der  Vortragende  den  Ruinen  von  Ponape 
gewidmet.  Sie  bestehen  aus  92  Bauwerken,  die  künstlich  auf  dem  Riffe  in 
Matolenim  im  Osten  der  Insel  errichtet  wurden.  Sie  bedecken  eine 
Fläche  von  1  \'s  qkm  und  bestehen  aus  Korallensteinplattformen,  die  mit 
Basaltmauern  eingefaßt  sind :  Bei  den  bedeutenderen  Bauten  sind  die  Mauern 
bis  zu  10  m  hoch ;  im  Durchschnitt  beträgt  ihre  Höhe  3—4  m.  Die  Anlage 
ist  eine  heilige  Stadt,  die  nur  vom  Adel  und  den  Priestern  betreten  werden 
durfte.  Allen  übrigen  war  der  Eintritt  bei  Todesstrafe  verboten.  Nur  zu 
gewissen  Zeiten  wurde  das  tabu  aufgehoben. 

Die  Stadt  zerfällt  in  drei  Hauptteile:  1.  die  Königsstadt,  in  der  der 
Oberhäuptling  mit  seiner  Sippe  wohnte,  2.  die  Priesterstadt,  in  der  sich  der 
Friedhof,  das  vielbeschriebene  Nau  Tauasch  befindet,  und  3.  die  Stadt-  und 
Mausoleumsmauem,  welche  die  Gesamtanlage  einfaßt,  in  der  sich  die  Grab- 
kammern und  Opferplätze  ausgezeichneter  Häuptlinge  und  Priester  befinden. 

Diese  Kanim,  die  Stadt  von  Nan  Matol,  war  heilig.  Nur  der  Vor- 
nehme und  die  Priester  hatten  hier  Zutritt.  Anderen  war  die  Anlage  tabu, 
und  wer  sie  betrat,  hatte  das  Leben  verwirkt.  Ausnahmen  fanden  nur 
gelegentlich  der  großen  Feste  statt,  der  Opferfeste  der  Erstlingsfrüchte,  der 
Bootsbaufeste,  Spiele  usw. 

Und  eine  gleich  ähnliche,  gewaltige  Anlage  war,  hart  am  Außenriff  an 
die  Brecher  des  Ozeans  herangebaut,  in  Ausführung  begriffen.  Die  Mission 
verhinderte  den  Bau. 

Wer  hat  die  Bauten  errichtet? 

Man  vermutete  ehemals,  spanische  Seeräuber  hätten  sich  hier  eine 
Zufluchtstätte  gebaut  und  begründete  das  mit  einigen  Fanden ,  die  von 
gestrandeten  Schiffen  stammten.  Das  ist  verkehrt.  Die  Eingeborenen  erzählen 
es  anders.  Und  wenn  diese  Anfänge  auch  heute  in  Sagen  eingekleidet  sind, 
—  und  Sagen  entstehen  dort  unten  in  der  kürzesten  Zeit  —  so  haben  sie 
doch  wenigstens  das  für  sich,  daß  sie  bekannte  Namen  enthalten. 


—    86    — 

Denn  die  sagenhaften  Götter,  denen  ähnliche  Leistungen  wie  den 
Leuten  von  Matolenim  zugeschrieben  werden,  sind  auch  in  den  Marquesas 
vorhanden.    Und  man  erzählte  mir  dies: 

,In  alten  Zeiten,  als  die  Stämme  Ponapes  noch  nicht  geschieden  waren, 
lebten  in  Jokasch  zwei  nachdenkliche  junge  Leute,  die  darüber  nachsannen, 
wie  sie  die  Geister  ihrer  Verstorbenen  und  den  mächtigen  Gott  Nan  Japne 
ehren  sollten,  und  die  Plätze  auszeichneten,  an  denen  sie  ihnen  Opfer  bringen 
konnten.  Und  so  bauten  sie  auf  dem  Riffe  aus  Steinen  ein  Heiligtum  Nar 
son  sap;  doch  die  Leute  besuchten  dies  Heiligtum  nicht  gern,  da  es  Wind 
und  Wellen  stark  ausgesetzt,  schwer  ohne  Kentern  der  Kanus  zu  erreichen 
war.  So  suchten  Sipe  und  Saupe,  so  hießen  die  beiden,  nach  einem  andern 
Platz.  Sie  glaubten  auf  dem  Riff  bei  Neott  einen  geeigneten  Platz  gefunden 
zu  haben  und  bauten  bei  Jauntin  ein  Heiligtum,  ein  pei,  ein  pun  saraui, 
wie  man  solche  vier  Steinmauern  nennt. 

Aber  auch  dieses  war  für  ihre  Ansprüche  nicht  genügend,  und  so 
begaben  sie  sich  nach  dem  Riffe  in  U,  aber  auch  hier  genügte  ihnen  der 
Bau  nicht,  da  das  Riff  zu  klein  war. 

Dann  kamen  sie  nach  Matolenim,  das  damals  den  Namen  nicht  hatte, 
sondern  Saunalan  hieß.  Hier  auf  dem  breiten  großen  Riff  errichteten  sie 
nun  die  Steinbauten,  die  wir  heute  vorfinden.  Sie  riefen  die  Steine  von 
Jokäs  herbei,  die  flogen  durch  die  Luft  nach  Saunalan,  und  aus  ihnen  bauten 
Sipe  und  Saupa  50  Bauwerke/ 

Soweit  ein  Teil  der  Sage.  Matolenim  wurde  der  neue  Name  und 
durch  den  Besitz  der  heiligen  Stadt  der  erste  und  größte  Staat  in  Ponape, 
der  auch  auf  der  Insel  die  Hegemonie  ausübt. 

Die  Bauwerke  des  Sipe  und  Saupa  sind  zum  Teil  heute  noch  zu 
sehen.  Das  Wahre  an  dem  Herfliegen  der  Steine  ist,  daß  sie  von  weither 
kamen;  Kaim  en  Jokäs  heißt  heute  noch  ein  Teil  von  Pankatra.  Und 
an  der  Bucht  von  Auak  und  U  sieht  man  noch  jetzt  die  ehemaligen,  ge- 
waltigen Steinbrüche,  die  das  Material  zu  einem  großen  Teil  der  Bauwerke 
lieferten. 

Das  Beispiel  von  Matolenim  wurde  ausschlaggebend  für  Kitti  und  U, 
die  sich  in  ihrer  Weise  für  ihre  Oberhäuptlinge  in  Roi  en  Kitti  und  in 
Sellatag  in  U  gleich  peis  aus  Steinen  bauten  und  mit  dem  gleichen  Namen  ver- 
sahen. Auch  hier  weiß  die  Sage  für  Kitti  einen  Helden,  den  Lampoi  sapall, 
der  Sipe  und  Saupa  ihr  Baugeheimnis  ablauschte  und  in  seinem  Lande  ein 
Miniaturmatolenim  errichtete. 

In  der  Nähe  dieser  Ruinen  wurden  bei  Kitam  die  rätselhaften  Bild- 
steine freigelegt,  deren  Bedeutung  erst  in  jüngster  Zeit  bekannt  geworden 
und  deren  Alter  auf  600  Jahre  zu  schätzen  ist. 

Zum  Schlüsse  sprach  der  Vortragende  die  Hoffnung  aus,  daß  dies  stolze 
kleine  Völkchen,  in  dem  ein  guter  Kern  steckt,  zum  Nutzen  und  Frommen 
einer  guten  wirtschaftlichen  Entwicklung  der  Insel  wieder  aufleben  möchte. 
Das  wird  um  so  eher  eintreten,  wenn  eine  sachgemäße  Verwaltung  auf 
Grund  von  Kenntnissen  der  ethnischen  Verhältnisse  gehandbabt  wird,  gegen 
die  man  seit  1907  so  sehr  verstoßen  und  dadurch  das  Ehrgefühl  der  Ein- 
geborenen gereizt  und  verletzt  hat. 


—    87     — 

Mittwoch,  den  31.  Januar  1912. 

Herr  Hauptmann  a.  D.  Franz  Hutter-Burghausen 
i.  Oberbayern:    Alt-   und   Neu -Kamerun    einst    und    jetzt. 

(Lichtbilder.) 

Einleitend  bemerkt  der  Vortragende,  daß  die  Zeit  großer  Entdeckungs- 
reisen in  Afrika  mit  dem  Vorstoß  Dr.  Zintgraffs  yon  der  Kamenin-Küste  bis  zum 
Banne  zu  Ende  gegangen  ist.  Kurze  Bemerkungen  über  die  unvermeidliche 
relative  Ungenauigkeit  afrikanischer  Karten  folgten  sodann,  sowie  flüchtige 
Streiflichter  auf  germanisch-afrikanische  Kolonisation  bis  zur  Erwerbung 
Kameruns  als  erste  deutsche  Kolonie. 

Bei  der  Besitzergreifung  war  dieses  Gebiet  fast  gänzlich  unbekannt. 
Wohl  setzte  anfänglich  lebhafte  Forschungstätigkeit  ein,  aber  bald  stockte 
dieselbe  infolge  Aufgabe  energischer  zielbewußter  Arbeit  an  amtlicher  Stelle. 
Endlich  ging  von  der  Jahrhundertwende  an  wieder  frischerer  Wind.  Die 
neu  einsetzende  Erschließung  skizziert  der  Redner  bis  zur  Erwerbung  Neu- 
Kameruns  1911.  In  diesem  haben  bisher  ausschließlich  französische  Forscher 
gearbeitet ;  und  als  R^sum^  ihrer  Berichte  schildert  der  Vortragende  die  neu- 
erworbenen Landschaften  als  ungefähr  gleichwertig  mit  den  korrespondierenden 
westlichen  Gebietsteilen  Alt-Kameruns. 

Bevor  Redner  auf  die  geographisch-ethnographischen  Verhältnisse  ein- 
geht, gibt  er  eine  Schilderung  des  Negers  in  anthropologischer  und  ethischer 
Hinsicht,  wobei  er  der,  seiner  Ansicht  nach  zu  Unrecht  bestehenden  Unter- 
schätzung der  Schwarzen  in  beiden  Richtungen  scharf  entgegentritt. 

Die  nun  folgende  geographische  Überschau  gliedert  der  Vortragende 
in  einen  allgemeinen  Überblick,  unter  Betonung  der  schroffen  morphologischen 
und  anderen  Kontraste  gerade  in  diesem  Stück  Westafrikas,  und  in  kurz- 
gefaßten Beschreibungen  der  einzelnen  „natürlichen  Landschaften''  Kameruns 
in  orographischer,  hydrographischer  und  wirtschaftlicher  Hinsicht.  Er  kommt 
dabei  n.  a.  zu  dem  geographisch  interessanten  Ergebnis  überraschender 
Ähnlichkeit  des  Tsad-Logone-  und  Kongo-Ssanga-Gebietes,  indem  er  beide 
Landschaften  als  erst  noch  im  Werden   begriffene  Landteile  charakterisiert. 

Ein  kurzer  Überblick  Über  die  klimatischen  Verhältnisse  schließt  die 
geographische  Beschreibung  der  Kolonie. 

Zu  den  ethnographischen  Verhältnissen  übergehend,  werden  3  große 
volkliche  Gruppen  konstatiert:  Bantu-  und  Sudan-Neger  sowie  Nicht-Neger 
semitischen  Ursprungs.  Die  rein  ethnographischen  Momente,  so  nativische 
und  kulturelle  Verschiedenheiten,  veranschaulicht  der  Vortragende  weniger 
durch  Wortschilderung  als  durch  Vorführung  zahlreicher  typischer  Licht- 
bilder. 

Auch  hier  geht  Redner  bald  über  auf  die  ethischen  Verhältnisse  und 
Verschiedenheiten,  auf  die  er  überhaupt  das  Schwergewicht  seines  Vortrags  legt. 

Das  letzte  Kapitel  führt  zur  kolonialen  Nutzanwendung. 

Hier  wendet  sich  der  Vortragende  gegen  die  Unwahrheit,  mit  der  wir 
die  nur  unserem  Vorteil  dienende  koloniale  Arbeit  bemänteln,  zieht  das 
kolonial-wirtschaftliche  Fazit  aus  den  vorgetragenen  Forschungsergebnissen 
und  schließt  mit  Darlegung  seiner  Anschauungen  über  richtige  Eingeborenen- 


—    88    — 

Politik  und  -behandlung,   unbedingt  das  inhumane  brutale  Verhalten   vieler 
weißer  Elemente  gegen  den  Neger  verurteilend. 

(Vgl.  das  Werk  des  Redners :  Wanderungen  und  Forschungen  im  Nord- 
Hinterland  von  Kamerun.    Braunschweig,  F.  Vieweg  &  Sohn  1902.) 

Mittwoch,  den  7.  Februar  1912. 

Herr  Realgyninasialdirektor  Dr.  phil.  hon.  c.  Max  Walter- 
Frankfurt  a.  M. :  Der  Yellowstone  National-Park.  (Licht- 
bilder.) 

Der  Yellowstone  National-Park  liegt  in  dem  nordamerikanischen  Staate 
Wyoming  und  greift  noch  in  die  Staaten  Montana  und  Idaho  über:  er 
hat  die  ungefähre  Größe  des  Eönigsreichs  Sachsen  und  bildet  die  Form 
eines  Rechtecks  (88  X  94  km).  Zuerst  hörte  man  von  ihm  durch  fabelhafte 
Gerüchte,  die  von  Trappers  und  Jägern,  die  in  diese  Gegend  geraten  waren, 
ausgingen,  aber  keinen  Glauben  beim  Publikum  fanden.  Insbesondere  gilt  dies 
▼on  John  Golter,  der  auf  der  Rückkehr  von  der  nach  dem  Stillen  Ozean 
gerichteten  Lewis  und  Clark-Expedition  im  Jahre  1806  das  bisher 
unbekannte  Gebiet  betrat  und  von  Seen  voll  brennenden  Pechs,  heißen  Quellen 
und  aufspritzenden  Springbrunnen  berichtete.  Erst  1834  erschien  ein 
geschriebener  Bericht  über  diese  Geyser-Gegend  durch  W.  A.  Ferris,  der  die 
oberen  und  unteren  Geyser-Becken  kennen  gelernt  hatte.  Zehn  Jahre 
später  gab  der  berühmte  Rocky-Mountain  Führer  James  Bridge,  eine 
äußerst  romantische  Beschreibung  der  empfangenen  Eindrücke,  und  1860 
gelangte  die  Expedition  des  Oberst  Raynold  bei  topographischen  Aulnahmen 
im  Felsengebirge  in  diese  Gegend,  konnte  wegen  der  großen  Schneemassen 
aber  nicht  weiter  vordringen,  hörte  jedoch  allerlei  sonderbare  Gerüchte  über 
das  Quellgebiet  des  Yellowstone-Flusses.  Nachdem  nun  die  Goldsucher 
Cook  und  Folsom  1869  den  oberen  Yellowstone  besucht  und  eingehende 
Mitteilungen  über  seine  Naturwunder  gegeben  hatten,  wurde  General 
Washburn  1870  mit  einer  Expedition  beauftragt,  die  alle  yorausgegangenen 
seltsamen  Gerüchte  als  Tatsachen  bezeichnete  und  1871  Veranlassung  cur 
Untersuchung  des  Gebiets  durch  Professor  Hayden,  den  Direktor  der 
geologischen  und  geographischen  Landesvermessung,  gab.  Das  Ergebnis 
dieser  Expedition  übertraf  alle  Erwartungen  und  führte  dazu,  daß  am  1 .  März 
1872  durch  Kongreßakte  das  Wunderland  am  Ycllowstone-Fluß  als  Staats- 
eigentum   erklärt   und   der  Öffentlichkeit   als  Naturpark   übergeben  ¥rurde. 

Der  Yellowstone-Park  stellt  ein  Hochplateau  von  der  durchschnittlichen 
Höhe  von  2400  m  dar  und  wird  umgeben  von  Bergketten,  deren  teils  mit 
ewigem  Schnee  bedeckte  Gipfel  3—4000  m  überragen.  Er  ist  geologisch  jung, 
aber  doch  so  alt,  daß  die  langsam  wirkende  Erosionskraft  des  fließenden 
Wassers  300  und  noch  mehr  Meter  tiefe  Furchen  in  den  harten  Felsen 
gegraben  hat.  Die  Berge  haben  vulkanischen  Charakter,  und  überraU  im 
Park  tindet  man  Spuren  heftiger  vulkanischer  Eruptionen,  besonders  in  Form 
ausgedehnter  Lavaüächen.  Außerdem  erblickt  man  häufig  Obsidian-Felsen, 
große  regelmäßig  gestaltete  Blöcke,  Versteinerungen  und  Kristalldrusen, 
ferner  auch  Abdrücke  von  Blättern  in  Gestein,  wo  ganze  Wälder  der  fließenden 


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geschmolzenen  Lava  zum  Opfer  gefallen  sind.  Die  wunderbarste  Ablagerung 
ist  die  Formation  bei  Mammoth  Hot  Springs.  Sie  besteht  aus  reinem 
kohlensaurem  Kalk  aus  den  darunter  liegenden  Schichten,  der  durch  heißes 
Wasser  gelöst  und  an  die  Oberfläche  gebracht  worden  ist.  Sie  ist  durch 
allmähliche  Ablagerung  verschiedener  Schichten  entstanden,  die  sich  da,  wo 
das  Wasser  fließt,  weiter  ansetzen  uud  an  trockenen  Stellen  zu  Kalkstanb 
verwittern. 

Das  Wasser  wird  darch  große  Felsenmassen  erhitzt,  die  unterhalb  der 
Zone  des  durchsickernden  Wassers  noch  nicht  abgekühlt  sind.  Dasselbe 
finden  wir  heute  noch  in  Neu-Seeland  und  Island. 

Das  Schönste  an  diesen  Ablagerungen  ist  die  wandervolle  Farbe. 
Schattierungen  von  gelb  und  braun,  hier  und  da  mit  dunkelgrünen  und  roten 
Streifen,  die  prächtig  zu  einander  passen,  kennzeichnen  die  Bildung  da,  wo 
das  heißeste  Wasser  fließt;  in  einiger  Entfernung  von  den  heißen  Quellen 
herrscht  rostbraun  vor.  Die  trockenen  Stellen  der  Ablagerangen  sind 
blendend  weiß,  und  Farben  treten  nur  bei  fließendem  heißen  Wasser  hervor, 
während  im  Winter  bei  kühlerer  Temperatur  des  Wassers  die  Farben  ver- 
schwinden. Der  Grund  für  die  intensiven  Farben  liegt  im  Wachstum  der 
Algen,  die  sich  dicht  an  die  Felsen  wie  eine  Sammetdecke  anschmiegen  und 
nur  in  heißem  Wasser  gedeihen. 

Auch  die  prächtigen  Farben  in  den  Wasserbecken  rühren  nicht  von 
Mineralien  her,  vielmehr  daher,  daß  die  Lichtstrahlen,  beeinflußt  durch  die 
Beschaffenheit  und  Farbe  der  Beckenränder  und  ihrer  Umgebung,  verschieden 
gebrochen  und  zurückgeworfen  werden,  ebenso  wie  die  Tiefe  der  Becken  auf 
die  Intensität  der  Farben  einwirkt. 

Über  die  Entstehung  der  Geyser,  die  in  großer  Zahl  auf  dem  Gebiet 
des  oberen  Yellowstone-Flusses  in  Erscheinung  treten,  sagt  die  Bunsensche 
Theorie  folgendes  :  Die  erste  Vorbedingung  für  die  Entstehung  eines  Geysers  ist 
ein  annähernd  senkrecht  nach  unten  gehender  Spalt  oder  Gang,  der  sich  all- 
mählich mit  Wasser  aus  dem  umliegenden  Gestein  füllt.  Dieses  Wasser 
wird  durch  die  Hitze  aus  dem  Erdinnern  und  vom  heißen  vulkanischen  Ge- 
stein ringsum  bis  zum  Sieden  erhitzt,  kann  sich  aber  anfangs  nicht  in  Dampf 
verwandeln,  weil  der  Druck  der  darauf  lastenden  Wassersäule  zu  groß  ist. 
Mit  dem  wachsenden  Drucke  steigt  aber  auch  die  Temperatur  des  Wassers 
cndlicli  soweit,  daß  sich  doch  die  untersten  Schichten  des  Wassers  in  dem 
Gang  oder  Spalt  explosionsartig  in  Dampf  verwandeln  und  dann  infolge  des 
weit  größeren  Raumes,  den  sie  im  Verhältnis  zum  flüssigen  Wasser,  aus  dem 
sie  entstanden  sind,  einnehmen,  die  gesamte  darüber  befindliche  Wassermasse 
nach  oben  herausschleudern.  Den  Wassermassen  folgt  Wasserdampf;  damit 
ist  der  Gang  oder  Spalt  leer;  er  füllt  sich  mehr  oder  minder  rasch  wieder 
mit  Wasser,  und  das  Spiel  beginnt  wieder  von  neuem,  oft  mit  überraschender 
Regelmäßigkeit. 

Der  Redner  führt  nun  die  Zuhörer  an  der  Hand  wundervoller  farbiger 
Diapositive,  die  ihm  die  Direktion  der  Northern  Pacific  Railway  und 
Herr  Bruno  Karl  Henrich-Frankfurt  in  dankenswerter  Weise  überlassen 
haben,  in  dieses  Wunderland  ein,  indem  er  sie  auffordert,  mit  ihm  die  sechs- 
tägige Reise  in  einer  4spännigen  Staye-Goach  zurückzulegen.     So  gelangen 


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wir  durch  den  stattlichen,  vom  Präsidenten  Roosevelt  eingeweihten,  aus  Lava- 
blöcken  erbaaten  Eingangs torbogen  am  Gardinerfluß  entlang  nach  dem 
Mammoth-Hotel,  von  wo  wir  die  oben  schon  geschilderten,  durch  ihre 
Farbenpracht  und  ihren  eigenartigen  Aufbau  berühmten  heißen  Wasser-Terrassen 
kennen  lernen.  Bei  der  Besichtigung  der  Mammoth  Hot  Springs  gelangen 
wir  an  eine  Weide,  auf  der  eine  Herde  Büffel  friedlich  grast,  eine  der 
wenigen  Stellen,  an  denen  noch  Büfifelherden  zu  finden  sind,  die  ebenso  wie 
die  im  Yellowstone-Park  vorkommenden  Antilopen,  Elche,  Bären  usw.  durch 
das  Gesetz  vor  der  Vernichtung  geschützt  sind.  Vom  Mammoth-Hotel  fahren 
wir  durch  die  eigentümlichen  Formationen  der  Silver  Gate  auf  gut  gepflegter 
Straße  in  kurzer  Zeit  ca.  300  m  empor  und  gelangen  alsdann  an  das  Golden 
Gate,  das  von  70—100  m  über  der  Straße  und  dem  Viadukt  emporragenden, 
mit  gelbem  Moos  bedeckten  steilen  Felsen  eingerahmt  wird,  über  die  der 
nach  Forscher  Bunsen  genannte  Bunsen-Peak  stolz  hinausragt.  Weiter 
gelangen  wir  an  die  Obsidian  Cliff,  an  deren  Fuße  die  Straße  sich  dem 
Beaver  Lake  entlang  hinzieht  —  eine  berühmte  Stelle,  an  der  die  Indianer- 
stämme sich  ihre  Pfeilspitzen  aus  dem  dafür  geeigneten  Mineralglase  herzu- 
stellen pflegten.  Die  Straße  —  vielleicht  die  einzige  Glasstrafie 
der  Welt  —  ist  mit  großer  Mühe  hergestellt  worden.  Nach  weiterer  Fahrt 
kommen  wir  an  das  Norris  Geys er- Becken,  eine  rings  von  Wald  um- 
rahmte, mit  weißem  Kieselsinter  bedeckte  Einsenkung.  Gespensterhaft  steigen 
große  und  weiße  Dampfsäulen  in  fast  unzählbaren  Mengen  empor.  Von  der 
„Norris  LunchStation"  betreten  wir  das  Geyser-Gebiet  und  hören  über- 
all das  unheimliche  Brodeln  und  Zischen  und  schauen  hinein  in  die  eigen- 
artigen Bildungen  der  Krater,  die  ihre  glühenden  Wassermassen  soeben 
herausgeschleudert  haben. 

Nach  dieser  ersten  Einführung  in  die  Geyserwelt  gelangen  wir  am 
Gibbon-Flusse  entlang  durch  den  steilen  GibbonCanyonan  den  schäumenden 
Gibbon-Fällen  vorüber  in  das  Tal  des  unteren  kristallklaren  Firehole-Fiusses, 
an  dessen  Ufern  heiße  schwefelhaltige  Quellen  heraussprudeln,  deren  dampfendes 
Wasser  sich  hinab  in  den  Fluß  ergießt 

Nach  längerer  Fahrt  kommen  wir  an  das  Untere  Geyser-Becken, 
das  wir  vom  Fountain  Hotel  aus  durchwandern.  Der  Fountain  Geyser 
und  der  Great  Fountain  Geyser,  deren  Ausbrüchen  wir  zufällig  beiwohnen, 
geben  uns  ein  großartiges  Bild  der  Tätigkeit  der  Geyser,  die  über  das  weit- 
hin ausgedehnte  Gebiet  in  großen  Mengen  zerstreut  liegen,  und  zeigen  uns 
die  wunderbare  Farbenpracht  der  heißen  Wasserbecken  mit  ihren  vielfarbigen 
Einfassungen  und  Ablagerungen  von  Schwefel,  Eisen  und  Kieselsinter. 
Besonders  eindrucksvoll  mitten  in  diesem  umfangreichen  Gteyser-Becken  ist 
der  P  r  i  s  m  a  t  i  c  Lake,  der  durch  sein  zauberhaftes  Farbenspiel  die  Blicke 
der  Wanderer  fest  zu  bannen  weiß,  und  der,  unübertroffen  im  Farbenwechsel 
als  die  größte  und  schönste  heiße  Quelle  der  Welt  angesehen  wird  (250  X 
400  Fuß).  Eigenartig  wirken  die  „Farben topfe«  (Paint  Pots),  die 
an  verschiedenen  Teilen  des  Parkes  wiederkehren  und  zu  den  Schlammvulkanen 
gehören.  Die  eine  Hälfte  des  zähen  Breies  feinster  Porzellanerde  ist  schnee- 
weiß, die  andere  durch  einen  schwachen  Zusatz  von  Eisen  und  Kupfer  rosen- 
rot gefärbt. 


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Wir  gelangen  nun  in  das  Obere  Geyser-Becken  mit  dem  regel- 
mäßig alle  65  Minuten  40—45  m  hoch  emporspringenden  Old  Faithfnl- 
G  e  y  s  e  r  im  Mittelpunkt.  Von  dem  nach  ihm  genannten  geschmackvoll  aus 
Naturholz  gebauten  Gasthaus  haben  wir  eine  Übersicht  über  das  ganze 
Becken  und  betrachten  von  hier  aus  der  Feme  die  Ausbrüche  des  Grand, 
Giant,  Riverside,  Splendid,  während  wir  in  der  Nähe  neben  dem 
Old  Faithful  den  Beehivc,  Lion,Lioness,  Castle  u.  a.  Geyser  springen 
sehen  können.  Zwischen  dem  Oberen  Geyser-Becken  und  dem 
Yellowstone  Lake  erhebt  sich  die  Continental  Divide,  die  Wasserscheide 
zwischen  dem  Atlantischen  und  dem  Stillen  Ozean,  die  wir  zweimal  in  der  Uöhe 
von  rund  2700  m  überschreiten  und  zwar  unter  starkem  Schneefall,  der  der 
kalifornischen  Reisegesellschaft  zu  dem  sie  sehr  belustigenden,  ihr  ungewohnten 
Schneeballen  Anlaß  bot.  Bei  derThumbay  Lunch  Station  erreichen 
wir  den  stattlichen  Yellowstone  Lake,  den  größten  aller  Hochgebirgsseen 
Nordamerikas,  240  qkm,  2400  m  über  dem  Meere,  umgeben  von  mächtigen 
Bergketten  und  durchflössen  vom  Yellowstone  Fluß.  In  seiner  Nähe  finden 
sich  mehrere  schöne  „Paint  Pots*',  viele  heiße  Quellen  und  einige  Geyser, 
vor  allem  aber  dicht  am  See  der  bekannte  „Fishing  Cone'*,  in  dessen 
siedendem  Wasser  die  Fischer  die  im  See  gefangenen  Forellen  sofort  abkochen 
können.  Nach  kurzer  Fahrt  erreichen  wir  das  am  Ufer  des  Sees  gelegene 
stattliche  Colonial-Hotel,  von  wo  aus  wir  nach  dem  Nachtessen  den  in 
der  Nachbarschaft  die  Abfälle  verzehrenden  Bären  einen  Besuch  abstatten. 
Am  nächsten  Morgen  fahren  wir  durch  das  Yellowstone-Tal  am  schäumenden 
Flusse  entlang,  an  dem  wir  noch  den  aufrührerischen,  tobenden  Schlamm- 
Geyser  und  die  einen  lebhaften  Gegensatz  zu  ihm  bildende  farbenreiche, 
liebliche  Grüne  Giebel-Quelle  (Green  Gable  Spring)  besichtigen,  um 
dann  die  Stromschnellen  des  Yellowstone  mit  der  Grand  Canyon  Brücke 
und  die  oberen  und  unteren  Fälle  zu  bewundem,  die  mit  ihren  Wassermassen 
35  bzw.  115  m  in  die  Tiefe  des  Yellowstone  Canyon  stürzen  und  einen  groß- 
artigen Eindruck  hervorrafen.  Aber  besonders  erstaunen  wir  über  den 
Grand  Canyon  selbst,  von  dessen  Höhe  wir  hinabschauen  in  die  vom 
Yellowstone  durchbrauste  450  m  tiefe  Schlucht.  Welch  unendlicher  Farben- 
reichtum nimmt  uns  hier  gefangen!  Die  fantastischen  Formationen  der  in 
verschiedenem  Grade  verwitterten  hohen  Bergzinnen,  Steinschlösser  und 
Nadeln  erglänzen  in  schwefelgelber,  orangefarbiger  und  ziegelroter  Farbe, 
während  unten  im  Abgrunde  die  die  Felsen  bedeckenden  Moose  eine  lebhaft 
grilne  Farbe  hinzumischen.  Das  Gestein  besteht  aus  Trachyt,  Rhyolith  und 
Basalt,  die,  von  Mangan,  Eisen  und  Chrom  durchsetzt,  diese  wunderbare 
Färbung  herbeiführen.  Im  Grand  Canyon-Hotel,  dem  großartigsten 
des  ganzen  Parks,  das  noch  nicht  vollendet  ist,  lassen  wir  noch  einmal  die 
überwältigenden  Eindrücke  auf  uns  wirken  and  fahren  am  nächsten  Morgen 
durch  einen  herrlichen  Kiefernwald  vorüber  an  den  „Wedded  Trees"  und 
den  rauschenden  Virginia  Kaskaden  nach  dem  Norris  Geyser- 
Becken,  von  wo  wir  die  erste  Wanderang  bis  zum  Mammoth  Hotel  noch- 
mals zurücklegen.  Dort  löst  sich  nach  gemeinsamem  Mahle  die  Reisegesell- 
schaft auf,  voll  von  den  einzigartigen  Eindrücken  des  Wunderlandes,  dessen 
farbige  Terrassen,  heiße  dampfende  Quellen  und  glühende  Geyser  ans  eine 


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der  schönsten  Lebenserinnerongen  sein  und  bleiben  werden.  Die  Begleitung 
jeder  Reisekarawane  darch  die  im  Fort  Yellowstone  und  an  einzelnen  Teilen 
des  Parks  kantonierten  Kayalleristen  schließt  jeden  Überfall,  wie  sie  frfiher 
gelegentlich  noch  stattfanden,  aus  und  erhöht  das  Gefühl  der  Sicherheit  und 
Annehmlichkeit  der  Wanderung  in  hohem  Grade. 

Donnerstag,  den  15.  Februar  1912. 

Seine  Hoheit  Herzog  Adolf  Friedrich  zu  Mecklen- 
burg: Meine  Iiiner-Afrika-Expedition  1910—1911.  (Licht- 
bilder.) 

Seine  Hoheit  nahm  eingangs  seiner  Ausführungen  Bezug  auf  seine 
große  Expedition  aus  den  Jahren  1907/1908,  welche  in  der  Hauptsache  in 
der  Erforschung  zentralafrikanischer  Gebiete  vom  ostafrikanischen  Graben 
bis  zu  den  Kautschuk-Gebieten  am  Uelle  und  Aruwimi,  den  beiden  großen 
Nebenflüssen  des  Kongo,  bestand,  und  Afrika  von  Ost  nach  West  bis  zur 
Kongomündung  durchquerte.  Die  letzte  Reise  galt  vor  allem  der  Erforschung 
des  französischen  Hinterlandes  von  Deutsch-Kamerun,  des  französischen  und 
deutschen  Tschadsee-Gebietes,  der  Gebiete  zwischen  Tschadsee  und  dem  oberen 
Nil,  sowie  schließlich  der  im  Golf  von  Guinea  vorgelagerten  spanischen  und 
portugiesischen  Inseln.  Begleitet  war  der  Vortragende  auch  diesmal  wieder 
zum  großen  Teil  von  dem  wissenschaftlichen  Stabe  der  vorhergehenden 
Expedition;  als  Leiter  der  Herzog  selbst,  als  Ethnograph  und  Expeditions- 
führer Oberleutnant  und  persönlicher  Adjutant  von  Wiese  und  Kaiserswaldau, 
als  Botaniker  Dr.  Mildbread,  als  Expeditionsarzt  und  Bakteriologe  Dr.  Haberer, 
welcher  schon  im-  Süden  Kameruns  lange  als  Arzt  geweilt  hatte,  femer  als 
Geograph  Dr.  Schnitze,  als  Zoologe  Dr.  Schubotz,  alles  Herren,  welche  den 
schwarzen  Erdteil  aus  eigener  Erfahrung  genau  kannten;  als  Maler  war 
Herr  Heims  tätig.  Die  Expedition  stand  unter  dem  Protektorat  der  wissen- 
schaftlichen Stiftungen  des  Senats  der  Stadt  Hamburg,  der  ein  Komitee  in 
Frankfurt  a.  M.  zur  Seite  stand.  Sie  hatte  sich  der  Unterstützung  Sr.  Majestät 
des  Kaisers  und  der  Deutschen  Kolonial-Gesellschaft  zu  erfreuen  und  war 
von  einem  Kreise  patriotisch  gesinnter  Herren  aus  Hamburg  und  Frankfurt 
mit  Geldmitteln  ausgestattet  worden. 

Ihren  Ausgangspunkt  nahm  die  Expedition,  die  am  9.  Juli  1910  mit 
dem  Dampfer  „Eleonore  Woermann'^  von  Hamburg  aus  die  Reise  angetreten 
hatte,  von  Kinshassa  aus  am  Kongo.  Hier  trennten  sich  Dr.  Schnitze  and 
Dr.  Mildbread  von  der  Expedition,  um  besondere  topographische  und  botanische 
Studien  in  Süd-Kamerun  zu  erfüllen.  Sie  erhielten  den  Auftrag,  dieses  Gebiet 
nach  Westen  hin  zu  durchqueren  und  sich  nach  Erreichung  der  Kfiste  der 
Erforschung  der  im  Golf  von  Guinea  liegenden  spanischen  und  portugiesischen 
Inseln  Fernando  Po,  St.  Thom6,  Principe  und  Annobon  zu  widmen,  eine 
Aufgabe,  die  von  den  beiden  Herren  in  vollem  Umfange  durchgeführt  wurde. 

Die  Hauptexpedition  brach  Ende  August  auf  und  fuhr  den  Kongo  und 
später  den  Ubangi  aufwärts  bis  dahin,  wo  nach  der  neueston  Vereinbarang 
mit  Frankreich  das  deutsche  Gebiet  jetzt  an  den  UbangL  heranreicht.     Hier 


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waren  der  Herzog,  Dr.  Schubotz  nnd  Prof.  Haberer  einige  Wochen  an  der 
Urwaldgrenze  mit  zoologischen  Stadien  beschäftigt,  um  später  nördlich  von 
Bangai,  dem  Sitz  der  französischen  Verwaltung,  in  die  Flußgebiete  des 
Gribengui  und  Shari  vorzurücken,  wohin  Oberleutnant  v.  Wiese  bereits  vor- 
gedrungen war.  Der  Herzog  selbst  beabsichtigte,  von  Bangui  und  Fort  de  Possei 
nordwärts  über  Ft.  Crampel  und  Ft.  i^rchambault  den  Shari  abwärts  durch 
Bagirmi  den  Tschadsee  zu  erreichen  und  dann  östlich  vom  Shari  und  Gribengui 
zum  Nil  durchzustoßen,  ein  Weg,  der  reiche  wissenschaftliche  Beute  versprach 
und  von  einem  Europäer  in  einheitlicher  Richtung  noch  nicht  zurückgelegt 
worden  ist.  Alle  Anzeichen  waren  günstig,  da  erreichte  die  Expedition  in 
Ft.  Lamy  die  Nachricht  von  der  Niederlage  des  französischen  Oberst- 
kommandierenden im  Tschadsee-Qebiet,  Oberst  Moll,  der  mit  einer  starken 
Kolonne  den  wilden  Angriffen  der  Wadai  und  Massaliths  zum  Opfer  gefallen 
war.  Diese  Niederlage  war  für  die  Expedition  insofern  von  einschneidender 
Bedeutung,  als  die  ganze  Gegend  in  Aufruhr  geriet  und  tausende  von  Kriegern 
jeder  Karawane  den  Durchzug  sperrten,  so  daß  das  französische  Gouvernement 
es  für  unmöglich  erklärte,  durch  die  Gebiete  der  Sara  Kabba  und  das  Sultanat 
Dar  Kuti  östlich  vom  Shari  und  Gribengui  nach  Faschoda  und  den  oberen 
Nil  durchzukommen.  Schweren  Herzens  ließ  darauf  der  Herzog  seinen 
ursprünglichen  Plan  fallen,  beschloß  vielmehr,  der  veränderten  Sachlage 
Rechnung  tragend,  zur  genaueren  Erforschung  des  Tschadsee-Gebietes  von 
Bagirmi  und  Nord-Kamerun  dort  zu  bleiben  und  später  westwärts  über  den 
Benue  und  den  Niger  den  Rückmarsch  anzutreten.  Oberleutnant  v.  Wiese 
und  Dr.  Schubotz,  die  sich  lange  Zeit  infolge  schlechter  Postverbindung 
verfehlt  hatten  und  erst  im  Oktober  wieder  zusammentrafen,  erhielten  die 
Genehmigung,  zum  Ubangui  zurückzukehren  und  seinem  Laufe  aufwärts 
folgend  sich  zum  Bahr-el-Ghazal  durchzuschlagen.  Weihnachten  feierte  die 
Expedition  in  der  deutschen  Grenzstation  Kusseri,  die  Ft.  Lamy  gegenüber 
am  Logone  kurz  vor  dessen  Einmündung  in  den  Shari  gelegen  ist.  Kusseri 
ist  eine  saubere  Station,  gut  befestigt,  und  macht  einen  vorzüglichen  Ein- 
druck. Die  großen  Niveau- Unterschiede  in  der  Regen-  und  Trockenzeit 
machen  eine  starke  Abdämmung  der  Ufer  mit  Palmstämmen  notwendig,  um 
das  Abbröckeln  zu  vermeiden.  Alle  Anwohner  des  Logone  sind  vorzügliche 
Fischer,  die  für  den  Fang  sich  großer  Boote  bedienen,  die  hauptsächlich  in 
Mauschaf a  gebaut  werden  und  20  bis  30  Personen  fassen  können.  Sie  sind 
aus  Holzlatten  gefertigt,  notdürftig  mit  Gras  verbunden  und  verdichtet, 
so  daß  das  fortwährend  einströmende  Wasser  ständig  ausgeschöpft  werden 
muß,  um  das  Boot  am  Sinken  zu  verhindern.  Der  Logone  ist  sehr  fischreich. 
In  getrocknetem  Zustande  bilden  die  Fische,  von  denen  die  größten  (die 
Kapitäne)  eine  Länge  von  weit  über  einem  Meter  erreichen  können,  einen 
geschätzten  Handelsartikel. 

Kusseri  diente  als  Ausgangspunkt  für  einen  Abstecher  in  das  Gebiet 
der  Musgum,  die  zwischen  Shari  und  Logone  wohnen,  in  dem  sogenannten 
Entenschnabel,  der  neuerdings  an  Frankreich  abgetreten  wurde.  Die  Musgum 
sind  wenig  bekannt,  aber  unstreitig  die  interessanteste  Völkerschaft  von  ganz 
Kamerun,  insonderheit  in  Bezug  auf  ihre  Bauten.  Die  Bauten  der  Musgum- 
stämme,  die  am  Logone  selbst  wohnen,  sind  von   denen,   die   weiter   abseits 


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Yom  Flaß  entfernt  im  Busch  ihre  Dörfer  banen,  weit  Terschieden.  Am  Logone 
haben  die  Häuser  ein  tempelartiges,  bienenkorbförmiges  Aussehen,  besonders 
fällt  die  reiche  Ornamentik  auf,  welche  die  Innen-  und  Außenwände  schmückt. 
„Auf  dem  Lande''  trifft  man  stets  einzelne  Gehöfte  an,  welche  weit  voneinan- 
der entfernt,  inmitten  der  großen  Durrahfelder  gelegen  sind.  Diese 
(Gehöfte  sind  meist  auf  Erderhöhungen  gebaut,  um  sie  vor  den  großen  Über- 
schwemmungen, welche  die  größten  Teile  des  Musgum-Gtebiets  in  der  Regen- 
zeit durch  Übertreten  des  Logone  und  Shari  unter  Wasser  setzen,  zu  schütsen. 
—  Die  Inneneinrichtung  der  Hütten  ist  eine  recht  komplizierte,  man  findet 
Schlafräume,  femer  solche  für  die  Zubereitung  des  Mehls,  Yorratskammem 
etc.  In  vielen  Hütten  stehen  Betten,  die  einem  Sarkophag  nicht  un- 
ähnlich sind,  mit  heizbaren  Innenräumen ;  diese  Betten  sind  vielfach  reich 
ornamentiert.  —  Die  Häuser  sind  ganz  aus  Lehm  gebaut,  ohne  Lot  oder 
Fachwerk  errichtet.  Eine  Öffnung  an  der  Spitze  der  Hütte  dient  gleichzeitig 
zur  Durchführung  der  Luft  und  wird  während  des  Regens  mit  einem  Korbe 
verschlossen.  —  Die  Hütten  der  Inlandbewohner  zeigen  nichts  von  diesem 
Kunstsinn.  Wir  finden  hier  die  Rundhütte  vor,  mit  Strohdach  und  -Wänden, 
die  aus  senkrecht  stehenden  Baumstämmen  bestehen  und  mit  Lehm  verkleidet 
sind.    Nur  die  spitzbogenförmige  Tür  ähnelt  der  Bauart  am  Logone-Flnß. 

Die  Musgum  gehen  fast  unbekleidet,  der  Mann  trägt  nur  einen  Schurz 
über  das  Qesäß.  Die  Bewaffnung  der  Krieger  besteht  aus  Lanzen,  von  denen 
manche  Eisenspitzen  haben;  oft  sieht  man  aber  auch  nur  einen  vom  zu- 
gespitzten abgeschälten  Ast,  der  mit  dem  Messer  roh  verziert  ist.  Als  Helm 
dient  eine  aus  Fasem  dichtgeflochtene  Mütze  mit  schneckenartigen  Qebilden 
an  den  Ohren;  die  Dichte  der  Mütze  gewährleistet  Sicherheit  gegen  jeden 
Hieb.  Von  abschreckender  Häßlichkeit  sind  die  Frauen,  die  sich  durch  Zinn- 
oder Holzteller,  die  in  der  Ober-  und  Unterlippe  getragen  werden,  noch  mehr 
verunstalten.  Ebenso  findet  man  vielfach  die  Ohrläppchen  durchbohrt  und 
erweitert.  Sicherlich  ist  es  in  hohem  Grade  bedauerlich,  daß  diese  Gegenden 
mit  ihrem  Vieh-  und  Pferdebestand  und  ihren  großen  Wildmengen  an  Frank- 
reich abgetreten  worden  sind,  aber  die  dafür  in  Tausch  genommenen  Gebiete, 
hauptsächlich  im  Süden  der  Kolonie,  bieten  mehr  als  ein  Äquivalent.  Wirt- 
schaftlich ist  „die  Abtretung  des  Entenschnabels"  wohl  zu  rechtfertigen,  da 
keine  Gebietsstriche  abgetreten  wurden,  die  einen  besonderen  wirtschaftlichen 
Wert  repräsentieren. 

Von  Musgum  nach  Kusseri  zurückgekehrt,  konnte  die  Expedition  einer 
großen  militärischen  Veranstaltung  zur  Feier  von  Kaisers  Geburtstag  bei- 
wohnen. Die  fünf  größten  Sultane  Nord-Kamemns  und  in  ihrer  Begleitung 
12  000  Mann,  darunter  die  Hälfte  Reiterei,  waren  auf  den  Ruf  des  deutschen 
Residenten  erschienen.  Die  Pracht  der  Kostüme,  die  blitzenden  Panzer  und 
Helme  der  Reiter,  die  kostbaren  Behänge  und  der  Deckenschmuck  der  Pferde, 
welche  das  Tier  vom  Hals  bis  zur  Fessel  umhüllten,  erinnerten  die  Zuschauer 
an  die  Zeit  der  mittelalterlichen  Turniere.  Ein  derartiger  Helm,  den  der 
Herzog  für  schweres  Geld  erstand,  entpuppte  sich  bei  näherer  Betrachtung 
als  eine  alte,  von  Europäern  fortgeworfene  Konservenbüchse. 

Eingehend  berichtete  Seine  Hoheit  über  den  Besuch  des  Tschadsees 
und  seiner  Inseln,  die  vom  Shari  aus  Mitte  Febmar  erreicht  wurden.     Der 


—    95    — 

Tscb&dsec  gehört  heate  noch  za  einem  der  interessantesten  geographischen 
Probleme,  bedonders,  da  die  Frage  des  gewaltigen  Wasserverbleibs  zur  Trocken- 
zeit noch  nicht  einwandfrei  geklärt  ist.  Als  die  Expedition  den  Tschad  er- 
reichte, führte  er  noch  viel  Wasser,  so  daß  die  ersten  Inseln,  die  nach 
3  stündiger  Dampferfahrt  von  der  Mündung  des  Shari  aus  erreicht  wurden, 
unter  Wasser  standen.  Die  ersten  trockenen  Inseln  wurden  in  einer  weiteren 
Stunde  nördlich  gesichtet.  Der  gesamte  Norden  des  Sees  beherbergt  eine 
große  Menge  von  Inseln ;  von  ihnen  wurden  fünf  betreten  und  gründlich  ab- 
gesucht. 

Ihre  Oberfläche  besteht  aus  feinem  Flugsand,  ihre  Vegetation  ist 
typisch  für  die  weitere  Umgebung  des  Sees  bis  hinauf  nach  Tripolis  und  die 
Sahara  und  besteht  in  der  Hauptsache  aus  Tamarinde,  einem  Besenpfriem 
und  einer  Blattpflanze  (Kalotropis  procera),  arabisch  Oschar,  aus  deren  Stamm 
eine  Faser  gewonnen  wird,  die  zu  allerhand  Flechtwerk  dient.  Die  Bewohner 
scheiden  sich  in  Buduma  und  Kuri,  sie  bekennen  sich  zum  Islam.  Die  an- 
fängliche Scheu  wurde  bald  durch  das  allmächtige  Zaubermittel,  den  Maria 
Theresien  -  Taler,  überwunden.  Vor  wenigen  Jahren  noch  leisteten  die 
Insulaner  allen  Annäherungsversuchen  der  Franzosen  hartnäckigen  Wider- 
stand, bis  eine  gründliche  Unterwerfung  sie  gefügig  machte.  —  Der  Typ  er- 
innert lebhaft  an  die  Völkerschaften  des  Sudans.  Der  Hüttenbau  ist  recht 
primitiv  und  kunstlos,  die  Hütten  bestehen  aus  Holzgestellen,  die  lose  mit 
Qras  überdeckt  sind,  oder  aus  besser  gearbeiteten  Häusern,  deren  Wände 
aus  Knüppel  werk  bestehen,  mit  gut  geflochtenem  Strohdach.  Stark  ist  die 
Plage  der  Moskitos,  gegen  die  man  sich  durch  ein  eng  aus  Fasern  geflochtenes 
Netz  schützt.  Die  Insulaner  sind  vorzügliche  Viehhalter.  Auffallend  ist 
die  weiße  Farbe  bei  allem  Vieh,  seltener  findet  man  gesprenkelte  oder  bunte 
Exemplare.  Die  großen  Homer  des  Rindes  weisen  auf  die  Verwandtschaft 
mit  dem  Kanem-Vieh  hin,  daß  wohl  mit  Sicherheit  als  das  Stammvieh  an- 
zusehen ist.  Ein  lebhafter  Viehhandel  entwickelt  sich  mit  den  westlichen 
Seestaaten.  Große  Viehtransporte  werden  auf  Ambadschbooten,  die  hier  all- 
gemein üblich  sind,  nach  Kekua  gebracht  und  zwar  hauptsächlich  zur  Zeit 
der  größten  Wassertiefe. 

Nach  Rückkehr  vom  See  wurde  Anfang  März  in  Fußmärschen  Abilela 
erreicht,  ein  überaus  waldreiches  Gebiet,  aus  dem  u.  a.  einige  Giraffen  als 
erste  Vertreter  ihrer  Form  nach  Deutschland  gesandt  werden  konnten.  Dann 
ging  es  nach  kurzem  Aufenthalt  über  die  französische  Hauptstadt  Ft.  Lamy 
und  der  ihr  gegenüberliegenden  deutschen  Station  Eusseri  nach  Bagirmi. 
Die  Route  ging  über  Massenja,  Tscheckna  nach  Melfi.  Der  Sultan  von 
Bagirmi,  Garuang,  unterhielt  früher  rege  Beziehungen  zu  Konstantinopel,  und 
auch  jetzt  noch  scheinen  diese  nicht  ganz  abgebrochen  zu  sein.  Garuang 
spielte  in  den  90  er  Jahren,  in  den  Rabeh'schen  Kämpfen,  eine  bedeutsame 
Rolle.  Er  war  einer  der  wenigen,  die  das  Ende  des  ungleichen  Kampfes 
der  Franzosen  mit  Rabeh  voraussahen  und  sich  klüglich  auf  die  Seite  der 
letzteren  stellte.  Dies  rettete  ihm  Leben  und  seine  Herrschaft.  Zur  Zeit 
dieser  Kämpfe,  die  Rabeh  ein  Reich  vom  Tschadsee  bis  zum  Ubangui  schufen, 
wurde  auch  die  damalige  Hauptstadt  Massenja,  deren  Namensklang  heute 
noch  jenseits  des   Bosporus  wohlbekannt  ist,  zerstört.      Von  Rabehs  Tod 


—    96    — 

und  Auflösung  seines  Reiches  datiert  die  Gründang  Tschecknas,  eines  Riesen- 
dorfes, dessen  Häuser,  wie  überall  in  Bagirmi,  aus  einfachen  Hütten  mit  ge- 
flochtenen Wänden  und  geflochtenen  Hofumzäunungen  besteht.  Massenja 
zeigt  heute  noch  die  Überreste  der  alten  Lehmmauer,  welche  zur  Zeit  der 
Sklavenkämpfe  als  Schutzwall  errichtet  wurde. 

Je  weiter  die  Expedition  nach  Westen  vorging,  desto  mehr  steigerte 
sich  die  Hitze.  Das  Schleuderthermometer  registrierte  bald  45^  und  ging 
des  Nachts  etwa  auf  38^  herunter,  weshalb,  sobald  der  Mond  schien,  des 
Nachts  marschiert  wurde. 

Am  Tschadsee  bedient  man  sich  statt  des  sonst  üblichen  Trägermaterials 
Tragochsen,  die  den  Vorteil  haben,  daß  sie  zwei  Lasten  schleppen,  aber 
bedeutend  langsamer  als  die  Menschen  marschieren.  Der  Kämpfe  um  Abescha 
wegen,  wohin  alles  gute  Tiermaterial  hingezogen  war,  mußte  sich  die 
Expedition  anfangs  mit  sehr  mangelhaften  Tieren  begnügen,  die  oft  versagten 
oder  wild  wurden  und  entliefen,  so  daß  das  Weiterkommen  ungemein  erschwert 
wurde.  Dazu  gesellte  sich  empfindlicher  Wassermangel.  Manche  Wasser- 
stellen lagen  50  bis  70  km  auseinander  und  waren  nur  durch  anhaltende 
Märsche  von  manchmal  über  20  Stunden  zu  erreichen.  Die  Wasserstellen 
bestehen  häufig  aus  kreisförmigen  Reservoiren,  die  von  einem  etwa  10  cm 
hohen  Lehmrand  umschlossen  sind,  und  führen  nur  wenig  Wasser.  Das 
verdunstete  oder  vom  Vieh  ausgetrunkene  Wasser  wurde  aus  Ziehbrunnen 
ergänzt,  welche  oftmals  tiefer  als  10  Meter  sind  und  in  fast  jedem  Dorfe 
Bagirmis  angetroffen  werden. 

Die  Flußläufe  (Bahr),  die  zur  Trockenzeit  noch  Wasser  haben,  und  an 
denen  zu  lagern  das  Angenehmste  ist,  bilden  den  Tummelplatz  allen  Wildes. 
Man  sieht  hier  Pferde-Antilopen,  Leier-  und  Kuh- Antilopen,  Wasserböcke 
und  Gazellen  fast  ohne  Scheu  ihr  Durstgefühl  löschen,  während  Enten,  Reiher, 
Gänse  und  Wassergeflügel  aller  Art  zu  Tausenden  sich  tummeln.  Aach 
beobachtete  die  Expedition  große  Heuschreckenschwärme,  die  sich  in  un- 
absehbaren Scharen  auf  den  Uferbäumen  niederließen.  Diese  Schwärme  worden 
meist  des  Nachts  beobachtet  und  dehnten  sich  im  Vorbeiflug  über  20  Minuten 
lang  in  unabsehbarer  Breite  aus.  Ein  solcher  Schwann  ist  imstande  die 
Ernte  eines  ganzen  Jahres  einer  Dorfschaft  zu  vernichten. 

In  Bagirmi  gelang  es  der  Expedition,  außer  reichen  zoologischen  and 
ethnographischen  Sammlungen  wertvolle  Aufzeichnungen  über  den  Islam,  sein 
Erscheinen  und  seine  Bedeutung,  sowie  zahlreiche  Sprachaufnahmen  zu  machen, 
die  späterhin  in  den  westlichen  Gebieten  am  Shari  ihre  Ergänzung  fanden. 
An  den  Ufern  der  Bahrs  sieht  man  zur  Trockenzeit  femer  große  Mengen 
von  Arabern,  welche  ihren  Herden  hier  Weide  geben.  Die  Araber-  und 
Fullah-Stämme  sind  die  einzig  viehhaltenden  und  versorgen  die  Ureinwohner 
Bagirmis  mit  Milch  und  Fleisch.  Sie  sind  über  ganz  Bagirmi  weit  verzweigt. 
Der  bedeutendste  Stamm  ist  der  der  Dahahere;  dieser  große  Stamm  besteht 
aus  12  Unterstämmen,  die  sich  wiederum  aus  8  bis  B  kleinen  Unterabteilungen 
zusammensetzen,  so  daß  dieser  eine  Stamm  viel  tausend  Köpfe  zählt.  Die 
Araber  Bagirmis  haben  mit  den  nordafrikanischen  Stämmen  sehr  wenig 
gemein.  Die  Hautfarbe  hier  ist  eine  viel  dunklere,  und  selbst  die  Sprache 
weicht  erheblich  von  dem  nordafrikanischen  Dialekt  ab.    Interessant  ist  der 


—    97    — 

Typ  der  Fullah,  die  yon  wesentlich  hellerer  Hautfarbe  Bindernd  die  klassisch- 
Bchönen  Semiten  repräsentieren. 

Der  Ton  Norden  her  eingedrungene  und  langsam  nach  Süden  Yor- 
dringende  Islam  dürfte  in  Bagirmi  kaum  300  Jahre  alt  sein  und  hat  eine 
Linie  erreicht,  die  sich,  von  Osten  kommend,  südlich  von  Melfi  bis  an  den 
Shari  hinanzieht,  sich  dann  bis  nördlich  des  Masgom-Qebiets  auf  dessen 
rechter  Seite  hält  und  nach  Westen  hin  sich  in  das  Grebiet  der  Fulbe  südlich 
des  Entenschnabels  und  der  Bornu  yerliert.  Am  Tschadsee  selber  ist  der 
Islam  tief  eingewurzelt  und  man  findet  hier  auch  geschlossene  Moscheen,  die 
schmucklos  aus  Lehm  errichtet  sind.  Weiter  südlich,  wie  bei  Busso,  wo  er 
weiter  nichts  als  Firnis  bedeutet,  sieht  man  den  Qebetplatz  häufig  nur  von 
einer  offenen  Lehmwand  umschlossen.  In  Busso  soll  der  Islam  vor  kaum 
50  Jahren  eingezogen  sein. 

Der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  ist  in  der  Trockenzeit  sehr  niedrig 
und  hält  sich  in  den  Waldsteppengebieten,  in  welchen  hauptsächlich  Gummi 
arabicum,  Guttapercha,  Akazienarten  usw.  gefunden  werden,  auf  15%, 
in  der  Gegend  von  Melfi,  um  welches  sich  das  Sokoro-Gebirge  aufbaut,  stieg  er 
auf  40  bis  60  ^/o.  In  diesen  Gebirgsgegenden  fanden  sich  andere  meteorologische 
Verhältnisse  vor  als  im  Steppengebiet,  denn  während  hier  noch  Tolle  Trocken- 
heit herrschte,  wies  das  Gebirge  eine  ganz  in  sich  abgeschlossene  Regenzeit 
auf,  die  alles  grünen  ließ  und  angenehmste  klimatische  Abwechslung  brachte. 
Nur  unangenehm  waren  in  der  Nacht  die  Sandstürme,  die  den  Schläfer,  der 
gezwungen  war,  der  Hitze  wegen  das  Feldbett  unter  freiem  Himmel  aufzu- 
stellen, häufig  mit  einer  dichten  Sandschicht  bedeckten.  Das  Gebirge  be- 
steht aus  Inselbergen  mit  einem  größeren  Stock,  der  etwa  900  m  hoch  ist. 
Granit  und  Quarzite  bilden  den  Hauptbestandteil.  Die  Vegetation  ist  am 
Fuß  eine  leicht  passierbare ;  auf  dem  Kamm  der  Berge  stehen  Bambuspartien. 
Das  Gebirge  wird  von  einer  großen  Anzahl  yon  Stämmen  bewohnt,  die  einen 
regen  Handelsyerkehr  mit  Inlandprodukten  unterhalten  (Baumwolle,  Indigo, 
Hülsenfrüchte,  Durrah,  etc.)  und  diese  auf  den  allwöchentlich  zweimal  statt- 
findenden Markt  nach  Melfi  bringen,  wo  leider  auch  schon  die  schlechten 
europäischen  Tauschartikel  anfangen  sich  einzuschleichen.  Interessant  war  die 
Beobachtung,  daß  der  Maria  Theresien-Taler  hier  seine  Kaufkraft  yollkommen 
yerlor ;  als  Zahlungsmittel  gelten  Baumwollstreifen  von  6  cm  Breite  und 
100  m  Länge,  die  yon  Männern  gewebt  und  den  Wert  eines  Talers  (3  frs) 
darstellen.  Der  bedauernswerte  französische  Postenführer  war  genötigt  ge- 
wesen, im  yerflossenen  Jahre  24  000  fr  Steuern  in  diesem  unbequemen 
Zahlungsmittel  anzunehmen,  die  mehrere  Häuser  bis  zum  Dach  füllten. 
Außer  der  Weberei  verdankt  auch  die  Färberei  dem  Eroberer  Rabeh  ihre 
Einführung,  hierzu  liefert  die  Indigostaude  die  Farbe. 

Bei  den  Kirdi  (Heidenstämmen)  herrschen  noch  viel  Unsitten,  da  hier 
der  Enropäereinfluß  noch  ein  ganz  minimaler  ist.  Die  Sitte,  einem  toten 
Häuptling  lebende  Sklaven  zur  Seite  zu  legen,  herrscht  im  Geheimen  noch 
überall.  Die  Expedition  marschierte  nun  auf  einem  nur  einmal  von  Europäern 
betretenen  Wege  an  den  Shari  zurück,  den  sie  am  1.  Mai  1911  erreichte. 
Es  war  dies  der  erste  Regentag,  der  die  große  Regenzeit  1911  einleitete, 
der  Shari  befand  sich  infolgedessen  noch  auf  seinem  tiefsten  Niveau.     Die 


—    98    — 

beiden  Ueckraddampfer,  die  etwa  20  t  fassen,  ^Li^on  Bloo'  and  .Jaqnes  Dos^ic' 
genannt,  die  bereits  seit  12  Jahren  unter  schwarzer  Führung  den  Floß  be- 
fahren, lagen  um  diese  Zeit  trocken.  Stahlboote  müssen  während  der  regen- 
losen Zeit  die  gesamten  Bedürfnisse  und  Lasten  der  Europäer  und  diese 
selbst  nach  Ft.  Lamy  und  Grampel  befördern.  Eine  solche  Reise  in  der 
Trockenzeit,  bei  welcher  die  Boote  oftmals  festsitzen,  dauert  Yom  Tschadsee 
bis  nach  Grampel  62  Tage,  während  sie  bei  Hochwasser  und  stromabwärts 
in  11  Tagen  erledigt  wird. 

Der  Weitermarsch  führte  von  Busse  nach  Lai  und  am  Logone  entlang 
durch  enorme,  fast  baumlose  Savannen  nach  Ham,  der  damaligen  Grenzstation, 
und  Bongor,  die  Gebiete  der  Bana.  —  Der  Posten  Lai  ist  unstreitig  der 
bedeutendste  und  der  bestangelegteste  in  diesem  Gebiet.  Er  zählt  ungefähr 
3000  Einwohner.  Neun  Volksstämme  vereinigen  sich  hier,  von  denen  der 
Stamm  der  Kaba  der  bedeutendste  ist.  Die  Männer  sind  Hünen  von  Gestalt 
und  tragen  als  Kleidung  lediglich  eine  dunkle  Ziegenhaut  nach  Art  der 
Mgama.  Der  Lieblingsschmuck  der  Weiblichkeit  besteht  in  Perlen,  die  zu 
dicht  geflochtenen  Schnüren  um  Hals  und  Leib  getragen  werden  und  oftmals 
den  Kopf  in  Kappenform  umschließen. 

Die  Bana  und  die  im  Lai-Gebiet  wohnenden  Kaba  und  Massa  sind 
prächtige  Volksstämme,  die  Alänner  von  kräftigem  Körperbau,  von  denen  uns 
manche  zur  Urbarmachung  unserer  neuen  Landstriche  noch  gute  Dienste 
leisten  werden,  sobald  sie  sich  an  die  unbedingt  notwendige  straffere  deutsche 
Disziplin  gewöhnt  haben  werden.  Sie  sind  auch  vortreflfliche  Fischer,  die, 
mit  lanzettförmigen  Handnetzen  von  der  Größe  eines  Mannes  ausgerüstet, 
große  Geschicklichkeit  beim  Fischfang  an  den  Tag  legen.  —  Die  Gehöfte 
ähneln  in  der  Anlage  denen  der  Musgum.  Sie  liegen  inmitten  der  Felder 
und  stehen  auf  Erdaufschüttungen,  die  sie  vor  den  großen  Überschwemmungen 
zur  Regenzeit,  welche  die  gesamten  Uferländer  des  Shan  auf  100  km  hinaus 
unter  Wasser  setzen,  schützen  sollen.  Die  Häuserform  aber  ist  trotz  der 
Nachbarschaft  der  merkwürdigen  Musgumhütten  eine  ganz  andere  und  ent- 
spricht mehr  dem  Häuserbau  der  Kotoko.  —  Bei  Palla  südlich  des  Tuburi 
befinden  sich  große  Eisenlager,  die  von  den  Eingeborenen  verwertet  werden. 
Dies  hat  zur  Folge,  daß  Eisen  billig  ist  und  allgemein  als  Zahlungsmittel 
gilt.  Im  besonderen  werden  hierzu  die  Wurfmesser  verwendet  und  Eisen- 
barren von  etwa  öO  cm  Länge,  die  einen  Wert  von  20  Gentimes  repräsentieren. 

Die  Expedition  marschierte  am  ganzen  Tuburi-Flußsystem  entlang, 
dessen  nähere  Beschreibung  den  Rahmen  des  Vortrages  überschritten  haben 
würde,  hinein  in  die  Gebiete  der  FuUah,  die  einer  Enklave  gleich  sich  von 
Norden  hier  einschiebt  und  enge  Fühlung  mit  Binder  unterhält.  Weiter 
westlich  ziehend  gelangte  die  Expedition  nach  Lere,  dem  Hauptsitz  der 
französischen  Verwaltung  im  Mundang-Gebiete.  Lere  befindet  sich  heute  in 
deutschem  Besitz  und  wird  sicherlich  eine  unserer  wertvollsten  und  bedeutendsten 
Stationen  werden.  Freilich  müßte  auch  hier  die  deutsche  Verwaltung  für 
Ordnung  und  Disziplin  sorgen,  ehe  mit  der  überaus  furchtsamen  Bevölkerung, 
die  heute  noch  bei  der  Annäherung  jedes  Weißen  das  Weite  sucht,  als  Hilfs- 
kraft bei  der  Kultivierung  des  Landes  und  der  Gestellung  als  Trägermaterial 
zu  rechnen  sein  wird.    Namentlich  wird  der  Sultan  Ganthiome  eine  wertvolle 


—     99    — 

Stütze  werden.  Selbst  die  Franzosen  haben  es  verstanden,  diesen  Häuptling 
zur  Natzang  des  Landes  heranzuziehen,  indem  sie  ihn  in  geschickter  Weise 
an  ihren  Unternehmungen  (hauptsächlich  Baumwollpflanzungen)  finanziell 
beteiligten.  Die  Macht  dieses  Mannes  ist  weit  größer  als  die  der  kleinen 
Sultane  des  Tuburi-Bezirks,  die  in  ganz  losem  Zusammenhang  mit  ihren 
Untertanen  stehen  und  sich  kaum  irgendwelcher  Autorität  erfreuen. 

Die  Bauart  der  Mundang  ist  überaus  bemerkenswert;  wir  finden  hier 
das  Strohdach  vorherrschend,  und  die  Qehöfte  machen  mit  ihren  aus  Lehm 
gebauten  turmartigen  Aufbauten,  die  meist  ein  mit  Lehm  überklebtes  Reisig- 
dach ziert,  den  Eindruck  kleiner  Kastelle.  Der  Innenraum  des  Palastes  ist 
ein  wahres  Labyrinth.  Außer  den  Wohnräumen  für  den  Sultan,  Vorrats- 
kammern und  Ställen  für  die  Leibpferde,  den  Wohnungen  für  die  Kinder, 
finden  wir  um  den  Kern  der  Anlage  eine  Ringstraße  noch  innerhalb  der 
Mauern  von  etwa  5  m  Breite.  Diese  dient  zum  Aufenthalt  der  zahlreichen 
Frauen,  von  denen  jede  mehrere  Räume  zur  Verfügung  hat.  In  diese  Räume, 
deren  Innenwände  glatt  „poliert''  sind,  führen  oftmals  mehrere  kunstvoll 
gebaute  Stufen  hinauf.  Gegenüber  jeder  Wohnung  befindet  sich  eine  Vorrats- 
kammer in  Form  eines  Turmes ;  die  Öffnung  hierzu  ist  oben  an  der  Mündung, 
eine  Leiter  führt  zu  ihr  hinauf.  —  Während  die  Frauen  in  ihrer  Häuslich- 
keit äußerst  primitiv  gekleidet  sind,  schmücken  sie  sich,  wenn  sie  zum  Tanze 
gehen,  in  ganz  absonderlicher  Weise.  Vom  Halse  bis  zu  den  Füßen  sind 
sie  eingehüllt  in  allerlei  bunte  Tücher,  reicher  Perlenschmuck  umgibt  den 
Hals  und  die  Brust,  während  den  Kopf  ganz  eigentümliche  Gebilde  zieren. 

Zum  Weitermarsch  nach  Westen  wurde  die  Etappenstraße  benutzt, 
die  damals  durch  französische  Offiziere  in  Stand  gesetzt  wurde.  Diese  In- 
standsetzung ging  nur  sehr  langsam  vor  sich,  besonders  ließ  die  Schnellig- 
keit und  Güte  beim  Brückenbau  sehr  viel  zu  wünschen  übrig.  Der  Trans- 
port der  zahlreichen  Lasten,  welche  die  Franzosen  infolge  der  Truppen  Vermehrung 
in  Wadai  gebrauchen,  erfordert  neue  Anfahrtstraßen,  das  ganze  Menschen- 
material am  Shari,  der  jetzt  gebräuchlichen,  reicht  zur  Beförderung  nicht 
mehr  aus.  Daher  hat  die  Regierung  als  neue  Zufahrtstraße  den  Niger-Benue 
in  Aussicht  genommen,  aber  auch  hier  stößt  die  Beförderung  der  Lasten  auf 
große  Schwierigkeiten.  Bei  der  Anwesenheit  der  Expedition  in  Fianga  am 
Tuburi  waren  500  t  zur  Beförderung  für  die  nächsten  Monate  angemeldet, 
eine  unmöglich  scheinende  Forderung,  wenn  man  bedenkt,  daß  für  die  Be- 
schaffung von  50  Trägem  vier  Tage  benötigt  wurden.  —  Die  in  Frage 
kommenden  Firmen  haben  nun,  um  sich  von  dem  Trägermaterial  unabhängig 
zu  machen,  außerdem  zweirädrige  Karren  eingeführt,  die  von  aus  Wadai 
importierten  Pferden  gezogen  werden  und  deren  jeder  etwa  vier  Lasten  trägt. 
Der  Zustand  der  Etappenstraße  in  der  Regenzeit  behindert  diesen  Transport 
aber  außerordentlich,  weil  die  Wagen  tief  einsinken,  außerdem  geht  der 
größte  Teil  der  Pferde  durch  die  Tsetse  zu  Grunde.  Die  Franzosen,  denen 
ja  der  Durchmarsch  auf  der  Etappenstraße  unter  gewissen  Bedingungen  ge- 
stattet worden  ist,  werden  daher  für  die  nächste  Zeit  immer  noch  gezwungen 
sein,  auf  das  nun  deutsch  gewordene  Trägermaterial  zurückzugreifen,  was 
auf  die  Steuerkraft  des  Landes  einen  nicht  unwesentlichen  Einfluß  ausüben 
dürfte. 


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Sobald  die  Expedition  die  deutsche  Qrenze  erreicht  hatte,  waren  aDe 
Schwierigkeiten  behoben.  In  beliebiger  Anzahl  standen  Träger  snr  Verfflgang, 
während  alle  Sultane  der  FuUah,  mohamedanische  Völkerschaften,  mit  ihren 
Unterhäaptlingen  und  ihrem  Anhang  bis  Garua,  fünf  Tage  lang,  das  Qeleite 
gaben.  —  Garua  ist  unzweifelhaft  nicht  nur  die  schönste,  sondern  auch  die  be- 
deutendste Station  aller  hier  oben  in  Frage  kommenden  Gebiete,  immer  mehr 
sieht  sich  der  Handel  aus  dem  englischen  (Gebiet  Tola  hierher.  Garua  würde 
noch  mehr  an  Bedeutung  gewinnen,  wenn  die  Zufahrtstraßen  Ton  der  atlantischen 
Küste  bessere  wären.  Der  Benue,  der  an  den  Mauern  der  Stadt  Torbeiflieftt, 
ist  nur  in  den  Monaten  August-September  für  kleine  Dampfer  befahrbar. 
Während  der  Zeit  des  fallenden  und  tiefen  Wassers  ist  man  auf  die  unge- 
nügende Anzahl  von  Stahlbooten,  ja  sogar  auf  Eingeborenenboote  angewiesen. 
Aber  diese  sind  sehr  klein  und  äußerst  zerbrechlich;  mehr  als  einmal  hat 
die  Station  durch  Kentern  dieser  Boote  den  Verlust  der  Heima^ost  beklagen 
müssen;  wertrolle,  zum  Lebensunterhalt  der  Station  unbedingt  notwendige 
Sachen  gingen  auf  diese  Weise  Terloren.  Dazu  kommt,  daß  die  Fahrt  Ton 
Lokodja  bis  Garua  nicht  weniger  als  52  Tage  in  Anspruch  nimmt.  Diese 
Fahrt  ist  äußerst  ermüdend  und  anstrengend.  Die  Beamten,  die  nach  dieser 
mühsamen  Reise  in  Garua  eintreffen,  sind  von  ihr  so  mitgenommen,  daß  sie 
oftmals  unflkhig  zur  Arbeit  sind.  Die  Verbesserung  der  Verkehrswege  tut 
daher  bitter  not.  Die  Weiterführung  einer  Wegstrecke  von  der  Westküste 
bis  hier  hinauf  ist  daher  ein  Qebot  absoluter  Notwendigk^t.  Für  die 
Weiterbeförderung  der  Post  Ton  (}arua  nach  den  Nordstationen  Dikua,  dem 
neu  anzulegenden  Mora  und  Kusseri,  käme  die  Verwendung  Yon  Flugzeugen 
in  Frage. 

Diese  Frage  ist  bereits  Ton  nahmhaften  Ariatikem  geprüft,  und  eine 
Denkschrift,  die  auch  schon  das  Interesse  der  höchsten  Kreise  gefunden  hat, 
liegt  Tor.  Es  ist  höchste  Zeit,  daß  Deutschland  endlich  die  Verwendung 
Ton  Flugzeugen  in  seinen  Kolonien  emergisch  betreibt.  Die  Kosten  hierfür 
sind  Terhältnismäßig  gering  und  belaufen  sich  bei  einem  regelmäßigen  Ver- 
kehr Ton  vier  Flugzeugen,  Ton  denen  zwei  im  Gebrauch  und  zwei  in  der 
Reserre  zu  halten  wären,  bei  einer  Entfernung  Ton  800  km  auf  nur 
Ji  260000.  —  Wir  haben  in  allen  deutschen  Kolonien  für  die  Verwendung 
des  modernsten  Verkehrsmittels  sehr  geeignete  (Gebiete,  deren  zweite  Au^^abe 
dann  auch  die  Landesaufnahme  wäre.  Durch  das  photogrammetrische  Ver- 
fahren Yon  der  Luft  aus  würden  sich  Aufnahmen  schneller,  besser  und  billiger 
machen  lassen,  als  dies  von  der  Erde  möglich  ist. 

Zum  Schluß  betonte  der  Herzog,  daß  wir  Deutschen  das  Z«ug  zu 
ausgezeichneten  Kolonisatoren  haben,  freilich  könnten  wir  Ton  unseren 
französischen,  belgischen  und  englischen  Nachbarn  in  der  Großzügigkeit  der 
Durchführung  verkehrspolitischer  Fragen  eminent  viel  lernen,  auf  dem  Wege 
der  inneren  Verwaltung  aber  und  der  Gleichmäßigkeit  der  Eingeborenen* 
behandlung  würden  wir  Ton  keiner  Nation  mehr  überholt,  und  mit  dieser 
günstigen  Gesinnung  stehe  er  nicht  allein  da,  sondern  befände  sich  in  Über- 
einstimmung mit  denen,  die  in  langen  Reisen  Gelegenheit  gehabt  hatten^ 
fremde  Kolonien  mit  deutschen  zu  Tergleichen,  und  wahrlich  nidit  zn  Un- 
gunsten der  letzteren. 


—     101    — 

Mittwoch,  den  21.  Februar  1912. 

Herr  Professor  Dr.  Richard  Linde-Hamburg:  Die 
Niederelbe.    (Lichtbilder.) 

Der  Vortragende  ging  von  dem  Namen  .Elbe*  aus,  der  .Wasserlauf* 
bedeutet,  und  wies  darauf  bin,  daß  der  letzte  Stromabscbnitt  seit  alters 
„Niederelbe"  gebeißen  babe,  nicbt  etwa  „ünterelbe".  Diese  Bezeicbnung 
sei  erst  mit  der  zablreicben  binnendeutschen  Zuwanderung  aufgekommen.  Jetzt 
dringt  allmählich  überall  die  alte  Bezeichnung  „Niederelbe"  wieder  durch.  Für 
die  Seeschiffahrt  kommt  das  Wasser  der  oberen  Elbe  kaum  in  Betracht. 
Es  ist  das  Flutwasser  Tom  Meere,  das  die  großen  Schiffe  hinauf-  und  hinab- 
trägt.   Besonders  merkwürdig  ist  der  große  Salzreichtum  der  Elbe. 

Sodann  ging  der  Redner  auf  die  Entstehung  der  Niederelbe  ein  und 
den  geologischen  Bau  der  Geesthügel  an  beiden  Seiten  des  Stromes,  wies  auf 
die  freiliegenden  Grundmoränen  der  Eiszeit  hin,  die  Massen  groben  diluvialen 
Sandes  in  der  Tiefe  der  Eibniederung  und  die  starke  Schlickbildung,  die  in 
den  neuen  Häfen  Guxhafens  an  manchen  Stellen  vier  bis  fünf  Meter  jährlich 
beträgt,  auf  die  Dünenbildungen,  Schlamminseln  mit  ihrer  eigentümlichen 
Vegetation  im  Süß-,  Brak-  und  Salzwassergebiet  der  Niederelbe,  auf  die 
natürliche  Erhöhung  des  üf  errandes  der  alten  „Fleete"  und  auf  die  Moorbildungen 
zu  beiden  Seiten  des  Stromes.  Marschbilder  aus  der  Gegend  von  Haseldorf 
zeigten  die  Marsch  noch  in  der  Wildnis  der  Vorzeit.  Besonders  wichtig  für 
die  Ausbildung  des  Stromes  war  der  Durchbruch  der  Felsriegel  zwischen 
England  und  Frankreich.  Der  Vortragende  erzählte  von  der  Besiedlung 
des  niederelbischen  Gebietes,  wies  auf  die  besondere  Art  der  Besiedlung  hin, 
den  Wurtbau,  die  Deiche,  die  Grabenführungen  der  altsächsischen  und 
späteren  holländischen  Siedler  und  zeigte,  wie  das  ganze  Gebiet  infolge 
der  Bedeichung  in  zahlreiche  kleine  Einzelterritorien  sich  sondern  mußte, 
die  auch  noch  heute  in  Tracht,  Hausbau  und  Sitte  yielfache  Unterschiede 
zeigen.  Zahlreiche,  von  dem  Vortragenden  aufgenonunene  Bilder  aus  den 
Vierlanden,  dem  Alten  Lande,  Wilster,  Kehdingen,  Hadeln,  Fleethbilder, 
Hafenbilder,  Geestbilder,  Wattenbilder  von  Neuwerk,  Scharhörn  und  Süderidth- 
marschen  illustrierten  den  Vortrag.  Eine  Betrachtung  und  Würdigung  der 
eigentümlichen  und  noch  kaum  bekannten  landschaftlichen  Schönheit  dieses 
Wasserlandes  bildete  den  Schluß  des  Vortrages. 

(Vgl.  das  Werk  des  Vortragenden:  Die  Niederelbe,  Berlin,  Bielefeld 
und  Leipzig,  Velhagen  &  Klasing,  1908.) 

Mittwoch,  den  28.  Februar  1912. 

Herr  Oberleutnant  Jasper  von  Oertzen-Berlin:  Ans 
Urwald  ond  Steppe  Afrikas.    (Lichtbilder.) 

Der  Redner  stellte  in  seinen  Ausführungen  die  beiden  Hauptlandschafts- 
charaktere unserer  Kolonie  Kamerun,  Urwald  und  Steppe,  gegenüber.  Bei 
Schilderung  des  Urwaldes  und  seiner  Verkehrswege,  schmaler,  kaum  manns- 


—     102    — 

breiter  Pfade,  legte  er  die  Einflüsse  dar,  welche  der  Wald  auf  die  Eigenart 
seiner  Bewohner  austiht.  In  Familien  oder  Sippen  zusammenlebend,  sind  sie 
nur  mit  der  nächsten  Umgebung  der  Dörfer  vertraut  und  schon  anf  wenige 
Standen  Entfernung  dünkt  ihnen  alles  Land  fremd  und  feindlich.  Wie 
schwierig  unter  solchen  umständen  die  dienstlichen  Funktionen  des  Leiters 
eines  im  Urwald  liegenden  Postens  sind,  liegt  auf  der  Hand,  zumal  bei  Auf- 
sässigkeit der  umwohnenden  Bevölkerung  die  Kriegführung  eine  sehr  schwierige 
ist.  Nur  die  vorzüglichen  Leistungen  der  eingeborenen  Soldaten  vermögen 
hier  Erfolge  zu  gewährleisten.  Sodann  erzählte  der  Vortragende  vom  fried- 
lichen Stationsleben,  von  dem  gerichtlichen  Austrag  von  Steitigkeiten  (Palavern), 
schilderte  Sitten  und  Gebräuche  der  Eingeborenen,  wobei  er  unter  anderem 
der  Moden  bei  den  Urwaldstämmen,  auch  der  kunstvollen  Frisuren  der  ein- 
heimischen Damen  gedachte,  zu  deren  Herstellung  die  schwarzen  Friseusen 
außer  viel  Zeit  auch  viele  Kosmetica  verwenden :  Harz,  Butter,  Palmöl,  Rot- 
Räucherholz,  feuchten  Lehm  und  dergleichen.  Die  Bulu,  Bakoko  und  Jaunde- 
Schönen  tragen  unterhalb  des  Rückens  den  mit  Recht  so  beliebten  „Ebui" 
eine  Art  Schweif,  der  den  koketten  Hüftbewegungen  anmutig  folgt. 

Redner  gedachte  sodann  des  Kanibalismus,  den  man  manchmal  trifft 
ebenso  der  Sekte  der  „man  tiger'^  Der  Europäer  schreitet  natürlich  gegen 
derartiges  Barbarentum  energisch  ein,  und  es  steht  zu  erwarten,  daß  die 
grausamen  Sitten,  wenn  erst  mehr  Freizügigkeit  herrscht,  sich  von  selber 
ausrotten.  Es  folgte  die  Schilderung  einiger  religöser  Bräuche,  auch  des 
Aberglaubens  und  schließlich  des  Tanzes  und  der  Musik,  worauf  Redner  zur 
Betrachtung  der  Grasländer  überging.  In  der  Hauptsache  besprach  er  das 
südlich  des  Tschad-Sees  liegende  Sultanat  Bomu,  in  welchem  der  Vortragende 
während  seines  letzten  Kameruner  Aufenthaltes  stationiert  war.  Dem  Sultan 
Cheu  Sanda  ist  nur  noch  ein  Restchen  seiner  einstigen  Macht  geblieben,  denn 
in  dem  unter  die  europäischen  Mächte  aufgeteilten  Afrika  ist  kein  Platz 
mehr  für  heimische  Despoten.  Sanda  hält  jeden  Freitag  die  farbenpriUshtige 
„Summa"  das  heißt  Parade  ab.  Die  Reiterscharen  in  stählernem  Netzhemd 
auf  wattegepanzerten  Pferden  und  das  bunte  Menschengewimmel  erwecken 
Bilder  aus  Tausend  und  eine  Nacht.  Im  übrigen  wurde  eingehender  des 
Landes  und  seiner  Bewohner  gedacht,  wobei  natürlich  die  hehrsten  aller 
Frauengestalten,  die  Schnabel damen,  besondere  Erwähnung  fanden.  Die 
heidnischen  Musgoms  spalten  Ober-  und  Unterlippe  ihrer  Frauen  und  befestigen 
in  den  Löchern  handtellergroße  Platten  aus  Kürbisschalen.  Der  Mund  fplt 
ihnen  nur  schön  und  vollkommen,  wenn  er  wie  ein  Entenschnabel  nach  vorne 
steht  und  ebenso  emsig  und  geräuschvoll  wie  dieser  bewegt  wird. 

Besonders  wurde  der  Wildstand  des  Landes  geschildert  und  auf  die 
Dezimierung  vieler  Wildarten,  namentlich  der  Elefanten,  durch  unverständiges, 
herzloses  und  gieriges  Schießen  hingewiesen.  Das  Raubwild  Übt  nach  Ansicht 
des  Vortragenden  eine  Art  Zuchtpolizei  aus. 

In  einem  Schlußwort  bat  der  Redner,  unseren  Kolonialpionieren  ihre 
harte  Arbeit  nicht  durch  kleinliche  Kritik  zu  erschweren  und  er  betonte,  daß 
allein  schon  der  Besitz  einer  Kolonie,  und  läge  sie  inmitten  der  Wüste, 
hohen  Wert  habe.  Die  Beackerung  des  alten  Bodens  ist  nichts  für  den 
Germanen,  er  mufi  Neuland  haben,  in  das  er  seinen  Pflug  graben  kann. 


—    103    — 

Mittwoch,  den  6.  März  1912. 

Herr  Professor  Dr.  Leonhard  Schultze-Kiel:  Strom- 
fahrten und  Gebirgswandernngen  im  Innern  Ton  Neuguinea. 

(Lichtbilder.) 

Dem  Vortragenden  bot  sich  als  Führer  der  deutschen  Grenzezpedition 
in  das  Kaiser-Wilhelm-Land  auf  Neuguinea  (1910)  gute  Gelegenheit,  die 
Daseinsbedingungen  der  Eingeborenen  im  Wechsel  der  durchwanderten  Land- 
schaften vergleichend  zu  studieren.  Zwischen  der  Humboldt-Bai  im  Westen 
und  dem  Kap  Germaniahuc  im  Osten  hatte  die  deutsche  Grenzexpedition  am 
Tami-Flüßchen  ihr  Standlager  errichtet.  Von  da  drang  sie  südwärts  ins  Innere 
vor,  in  der  Hoffnung,  auf  den  Kaiserin-Augusta-Strom  zu  treffen,  dessen 
Oberlauf  die  Vermutungen  der  Kartographen  in  nicht  allzugroße  Entfernung 
von  der  Küste  gelegt  hatten.  Nach  Überschreitung  der  Gebirgszüge  aber, 
die  als  Wasserscheide  des  Augusta-Stromes  und  des  Küsten wassergebietes  zu- 
nächst angetroffen  wurden,  öffnete  sich  eine  Ebene  mit  einer  Wasserader,  die 
in  immer  entschiedener  westwärts  gerichtetem  Verlaufe  bald  jede  Hoffnung,  auf 
ihrem  Wege  weiter  südwärts  in  den  Urwald  eindringen  zu  können,  abschnitt. 
Die  Expedition  kehrte  deshalb  zur  Küste  zurück  und  gelangte  auf  dem  Wege  des 
Augusta-Stromes  selbst  von  der  Mündung  weit  in  die  bisher  unerforschten 
Gebiete  des  Oberlaufes. 

Ein  Vergleich  der  Daseinsbedingungen  der  Stämme  längs  der  Küste 
zwischen  Germaniahuc  und  der  Humboldt-Bai  mit  denen  des  gebirgigen 
Innern  einerseits,  des  Augusta-Stromgebietes  andrerseits  bildete  die  Grund- 
lage für  die  Schilderung  der  Volkstypen,  mit  denen  die  Expedition  in  Berührung 
kam.  Eine  ausführliche  Darstellung  bleibt  der  Berichterstattung  nach 
erfolgter  Bearbeitung  der  Sammlungen  vorbehalten. 

(Der  erste  Gesamtbericht  über  die  Forschungsreise  des  Redners  ist  in 
den  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Leipzig  für  das  Jahr  1911, 
Seite  23  ff.,  Leipzig,  Duncker  &  Humblot  1912,  zum  Abdruck  gelangt.) 


Geschäftliche  Mitteilnngen. 


Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins 

iD  den  Jahren  1910—11  und  1911—12. 

(Abgeschlossen  am  15.  August  1912.) 


Der  Zeitraum,  über  welchen  die  gegenwärtige  Bericht- 
erstattung sich  erstreckt,  gehört  zu  den  bedeutungsvollsten  in 
der  Geschichte  unseres  Vereins.  War  es  uns  doch  vergönnt,  am 
17.  Dezember  1911  unser  75.  Stiftungsfest  in  feierlichster  Weise 
zu  begehen  und  bei  dieser  Gelegenheit  die  Ergebnisse  unserer 
Sunda-Expedition  der  Öffentlichkeit  zu  unterbreiten,  indem  der 
I.  Band  unseres  Sunda -Werkes  dank  der  hingebenden  Tätigkeit 
seines  Verfassers,  unseres  Expeditionsleiters  Herrn  Dr.  E 1  b  e  r  t, 
rechtzeitig  an  unserem  Feste  als  Festschrift  vorgelegt  werden 
konnte. 

Da  unsere  Expedition  sich  in  ihrem  Verlaufe  wesentlich  über 
das  ursprünglich  geplante  Gebiet  hinaus  ausgedehnt  hat  und  mit 
unerwartet  reichhaltigen  Forschungsresultaten  zurückgekehrt  ist, 
so  ergab  sich,  um  sowohl  den  äußeren  Verlauf  der  Expedition 
als  auch  die  gewonnenen  Ergebnisse  genügend  zur  Darstellung 
zu  bringen,  die  Notwendigkeit,  die  Festschrift  erheblich  umfang- 
reiclier  zu  gestalten  und  statt  des  einen  beabsichtigten  Bandes 
deren  zwei  erscheinen  zu  lassen.  Daß  diese  Erweiterung  die 
Mittel  des  Vereins  in  weit  höherem  Maße  in  Anspruch  nehmen 
mußte,  als  anfänglich  vorgesehen  war,  bedarf  keines  weiteren 
Hinweises,  doch  glaubte  sich  der  Vorstand  im  Hinblick  auf  die 
durch  die  Ergebnisse  der  Expedition  veränderte  Sachlage  im 
Interesse  der  Wissenschaft  der  Forderung  einer  erschöpfenden 
Darstellung  nicht  entziehen  zu  dürfen.  Durch  Vertrag  vom 
7.  März  1911  wurde  der  Druck  der  hiesigen  Firma  Hermann 
Minjon  übertragen,  welche  auch  den  Verlag  des  Werkes  über- 
nahm. Wie  bereits  erwähnt,  erschien  Band  I  rechtzeitig  zum 
75.  Stiftungsfest;  Band  II  wird  in  kurzer  Zeit  zur  Ausgabe 
gelangen. 


—     108    — 

Was  die  mitgebrachten  Sammlungen  angeht,  so  sind  sie 
größtenteils  bearbeitet.  Um  einen  kurzen  Begriff  von  ihrer 
Reichhaltigkeit  zu  geben,  sei  bemerkt,  daß  es  sich  z.  B.  um 
16314  Pflanzen  handelt;  die  Gesteinsproben  umfassen,  die  Fossilien 
nicht  gerechnet,  581  große  Handstücke,  vorwiegend  von  Vulkan- 
bildungen,  und  an  Süßwasserfischen  sind  fast  2600  vorhanden, 
eine  für  den  ostmalayischen  Archipel  wegen  seiner  Armut  an 
Arten  und  Individuen  ganz  bedeutende  Anzahl;  den  Aufgaben 
der  Expedition  entsprechend,  mußte  das  Hauptgewicht  auf  diese 
3  Abteilungen  gelegt  werden.  Vorhanden  sind  außerdem  noch 
viele  Vogelbälge,  Amphibien  und  Reptilien,  die  beiden  letzten  in 
40  Arten  (von  den  59  bekannten  selteneren),  sowie  einige  neue 
Spezies,  eine  Menge  von  Süßwassermollusken  in  zum  größten 
Teile  neuen  Arten,  wertvolle  Nacktschnecken  und  wichtige  sehr 
interessante  Diplopoden-Krebse.  Auf  Lombok  wurden  ca.  10  000 
Insekten  gesammelt,  Säugetiere  hingegen  nur  wenige,  da  die 
besuchten  G^egenden  hierin  außerordentlich  arm  sind,  jedoch  zwei 
neue  Arten.  An  Ethnographicis  zählt  die  Ausbeute  weit  über 
1000  Nummern,  welche  im  Völkermuseum  Aufstellung  gefunden 
haben  und  an  unserem  Stiftungsfest  vom  Verein  der  Stadt  Frank- 
furt zum  Geschenk  gemacht  wurden.  Auf  gleiche  Weise  gingen 
an  demselben  Tage  die  zoologisch-botanischen  Sammlungen  in 
den  Besitz  des  Senckenbergischen  Naturhistorischen  Museums 
über,  während  2  Dublettensammlungen  kontraktgemäß  sowohl 
an  die  holländische  Regierung  wie  an  das  Gouvernement  von 
Niederländisch-Indien  nach  erfolgter  Bearbeitung  gegeben  werden 
bezw.  bereits  gesandt  wurden. 

Der  Vorstand  empfindet  es  als  eine  angenehme  Pflicht, 
allen  denjenigen  Gelehrten  und  wissenschaftlichen  Instituten, 
die  sich  der  Bearbeitung  unserer  Sammlungen  in  so  liebens- 
würdiger Weise  und  mit  so  viel  Hingebung  und  Eifer  unter- 
zogen haben,  auch  an  dieser  Stelle  seinen  wärmsten  Dank  zum 
Ausdruck  zu  bringen. 

Unser  herzlichster  Dank  gebührt  aber  nicht  minder  allen 
denjenigen  Vereinsmitgliedem,  welche  durch  freiwillige  und  z.  T. 
recht  beträchtliche  Geldzuwendungen  uns  in  den  Stand  gesetzt 
haben,  die  Expedition  in  vollem  Umfange  durchzuführen  und 
ihre  wissenschaftlichen  Ergebnisse  in  einer  würdigen  Pestschrift 
niederzulegen. 


—    109    — 

Es  sei  dem  Berichterstatter  erlaubt,  nach  diesen  wenigen 
Bemerkungen  über  unsere  Expedition  zunächst  die  gewöhnliche 
Greschäftsübersicht  zu  geben,  um  zuletzt  ausführlich  auf  den 
Verlauf  unseres  Stiftungsfestes  einzugehen. 

Im  Vereinsvorstand  und  in  der  Ämterverteilung  innerhalb 
desselben  trat  in  den  beiden  abgelaufenen  Geschäftsjahren  zunächst 
insofern  eine  Veränderung  ein,  als  der  bisherige  stellvertretende 
Vorsitzende  Herr  Geh.  Justizrat  Dr.  Adolf  von  Harnier  für 
das  Jahr  1910/11  das  Amt  des  Vorsitzenden  übernahm  und  Herr 
Hof  rat  Dr.  Hagen  dasjenige  des  Vorsitzenden  mit  dem  des 
stellvertretenden  Vorsitzenden  vertauschte.  In  dem  folgenden 
Jahre  1911/12  bekleidete  Herr  Hofrat  Dr.  Hagen  das  Amt  des 
Vorsitzenden,  Herr  Prof.  Dr.  Deck  er  t,  der  bisher  das  Amt 
eines  Beisitzers  inne  gehabt  hatte,  das  des  stellvertretenden 
Vorsitzenden.  Mit  großem  Bedauern  nahm  der  Vorstand  zu 
Beginn  des  Jahres  1911/12  von  dem  Entschlüsse  des  Herrn 
Geheimrats  Dr.  v.  Harnier,  mit  Rücksicht  auf  sein  vorgerücktes 
Alter  eine  Wiederwahl  nicht  mehr  annehmen  zu  können,  Kenntnis. 
Obwohl  wir  uns  dem  Gewichte  der  Gründe  unseres  hochver- 
ehrten Freundes  nicht  verschließen  durften,  so  hegten  wir  doch 
den  dringenden  Wunsch,  auf  seine  bewährte  Mitwirkung  nicht 
gänzlich  verzichten  zu  müssen.  In  unserer  Vorstandssitzung 
vom  18.  Oktober  1911  haben  wir  daher  Herrn  Geheimrat  von 
Harnier  zum  Ehrenvorsitzenden  mit  dem  Rechte  der  Teil- 
nahme an  den  Vorstandssitzungen  ernannt  und  dadurch  zugleich 
unseren  Dank  für  seine  jahrzehntelange  erfolgreiche  Mitarbeit 
zum  Ausdruck  bringen  wollen  in  der  Hoffnung,  es  möge  uns 
noch  lange  vergönnt  sein,  Herrn  Geheimrat  von  Harnier  den 
Unsrigen  zu  nennen.  Einen  harten  Verlust  erlitt  der  Vorstand 
durch  das  Hinscheiden  seines  Mitgliedes  Herrn  Wilhelm  Rehmer, 
der  uns  am  28.  Februar  1912  in  Meran,  wo  er  Heilung  von 
längerem  schweren  Leiden  suchte,  durch  einen  unerwarteten 
Tod  entrissen  wurde.  Wir  empfinden  den  Verlust  um  so  schmerz- 
licher, als  der  Entschlafene  seit  1905  unserem  Vorstand  als 
Mitglied  angehörte  und  an  der  schnellen  Ermöglichung  unserer 
Sunda-Expedition  tätig  mitgewirkt  hat.  Den  Hinterbliebenen 
sprachen  wir  unsere  herzliche  Teilnahme  aus  und  legten  an 
der  Bahre  des  dahingeschiedenen  Freundes  und  Kollegen  als 
Zeichen  unserer  Dankbarkeit  eine  Kranzspende  nieder. 


—    110    — 

In  den  beiden  Wintern  1910/11  und  1911/12  wurden  34  Vor- 
trägegehalten, deren  erster  am  26.  Oktober  1910  und  deren  letzter 
am  6.  März  1912  stattfand  und  die  sich  sämtlich  wie  in  den 
Vorjahren  zahlreichen  Besuches  zu  erfreuen  hatten.  Ein  über 
das  gewöhnliche  Maß  hinausgehendes  allgemeines  Interesse  nahm 
der  Vortrag  unseres  Ehrenmitgliedes  und  Inhabers  unserer  gol- 
denen Rüppell-Medaille  Seiner  Hoheit  des  Herzogs  Adolf  Frie- 
drich zu  Mecklenburg  in  Anspruch,  welcher  am  15.  Februar 
1912  über  seine  Inner- Afrika-Expedition  1910/11  berichtete. 
Der  Vortrag,  zu  welchem  unser  Verein  in  Gemeinschaft  mit  der 
Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft  und  der  Deut- 
schen Kolonial-Gesellschaft,  Abteilung  Prankfurt  a.  M.,  die  Ein- 
ladungen hatte  ergehen  lassen,  fand  im  Albert  Schumann-Theater 
statt,  unter  Teilnahme  der  Spitzen  der  staatlichen  und  städtischen 
Behörden  und  einer  vieltausendköpfigen  Zuhörermenge,  die  den 
gewaltigen  Raum  bis  auf  den  letzten  Platz  besetzt  hielt.  Auch 
Ihre  Königlichen  Hoheiten  Großherzog  und  Großherzogin 
von  Hessen,  Prinzessin  Friedrich  Karl  von  Hessen, 
sowie  andere  fürstliche  Gäste  wohnten  dem  Vortrage  bei.  Herr 
Bürgermeister  a.  D^  Geh.  Regierungsrat  Dr.  Varrentrapp 
begrüßte  als  Vertreter  der  Kolonial-Gesellschaft  im  Namen  der 
drei  Gesellschaften  den  erlauchten  Gast  zu  Beginn  seines  Vortrags, 
nach  dessen  Schluß  der  I.  Direktor  der  Senckenbergischen  Natur- 
forschenden Gesellschaft  Herr  Prof.  Dr.  Knoblauch  Seiner 
Hoheit  das  Ehrendiplom  als  außerordentliches  Ehrenmitglied 
der  Senckenbergischen  Gesellschaft  überreichte.  Unserem  Verein 
war  die  Aufgabe  zugefallen,  durch  seinen  Vorsitzenden  Herrn 
Hof  rat  Dr.  Hagen  Seine  Hoheit  bei  dem  an  den  Vortrag  sich 
anschließenden  gemeinsamen  Festmahl  im  Frankfurter  Hof  ehr- 
erbietigst willkommen  zu  heißen. 

Die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder,  die  bei  Abschluß 
des  letzten  Jahresberichts  640  betragen  hatte,  verminderte  sich 
durch  Tod  und  Austritt  um  122,  dafür  traten  120  neue  Mit- 
glieder ein,  so  daß  sie  sich  gegenwärtig  auf  638  beläuft. 
Korrespondierende  Mitglieder  zählt  der  Verein  19  (gegen  11  im 
Vorjahre),  Ehrenmitglieder  57  (43),  so  daß  die  Gesamtzahl  aller 
seiner  Mitglieder  714  beträgt. 

Durch  den  Tod  verlor  der  Verein  die  korrespondierenden 
Mitglieder  Professor  Anton  Goering,  dessen  am  7.  Dezember 


—   111   — 

1905  in  Leipzig  erfolgter  Tod  erst  jetzt  zn  unserer  Kenntnis 
gelangte,  und  Dr.  Alexander  von  Peez,  Ehrenpräsident  des 
Industriellen  Club  in  Wien,  Mitglied  des  Herrenhauses,  gestorben 
am  12.  Januar  1912  in  Weidling  bei  Klosterneuburg  (N.-ö.). 

Von  den  Ehrenmitgliedern  haben  wir  vor  allem  das  Hin- 
scheiden des  Geh.  Regierungsrats  Prof.  Dr.  Theobald  Fischer, 
gestorben  zu  Marburg  am  17.  September  1910,  zu  beklagen. 
Der  Tod  dieses  ausgezeichneten  Mannes  bedeutet  für  unsere 
Gesellschaft  einen  besonders  schmerzlichen  Verlust,  in  ihm  hat 
sie  einen  treuen  Freund  und  Berater  verloren.  Seit  35  Jahren 
mit  der  Geschichte  unseres  Vereins  aufs  innigste  verwachsen, 
seit  24  Jaliren  unser  Ehrenmitglied,  hat  Theobald  Fischer  an 
unseren  Bestrebungen  mit  Rat  und  Tat  den  innigsten  Anteil 
genommen  und  uns  so  t\x  lebhaftestem  Danke  verpflichtet,  dem 
der  Verein  1906  durch  Verleihung  der  Goldenen  Rüppell-Medaille 
Ausdnick  gegeben  hat.  So  hat  er  uns  auch  zuletzt  noch  mit 
seinem  Rate  bei  unserer  Sunda-Expedition  treu  zur  Seite  ge- 
standen. Wir  betrauern  in  dem  Verblichenen  nicht  nur  den 
glänzenden  Vertreter  seiner  Wissenschaft,  sondern  zugleich  einen 
in  langen  Jahren  erprobten  Freund,  der  zudem  durch  die  wieder- 
holten Besuche  an  der  Spitze  seiner  Schüler  in  Frankfurt  die 
freundnachbarlichen  Beziehungen  der  Marburger  Universität  und 
ihrer  wissenschaftlichen  Institute  zu  unserer  Stadt  in  wirksamster 
Weise  gepflegt  hat.  Im  Namen  des  Vorstandes  legte  der  General- 
sekretär des  Vereins  Herr  Dr.  Traut  eine  Kranzspende  an 
der  Bahre  des  dahingegangenen  Freundes  als  letzten  Gruß  nieder. 
Noch  folgende  Ehrenmitglieder  wurden  uns  durch  den  Tod 
entrissen :  Der  frühere  Gouverneur  von  Deutsch-Ostafrika,  Major 
ä  la  suite  der  Armee  Adolf  Graf  von  Goetzen,  kgl.  Gesandter 
für  Hamburg,  Bremen  und  Lübeck  und  beide  Mecklenburg  in 
Hamburg,  gestorben  am  1.  Dezember  1910  zu  Berlin,  Seine 
Exzellenz  Georg  Freiherr  von  Schleinitz,  Vizeadmiral  und 
Landeshauptmann  a.  D.,  gestorben  am  12.  Dezember  1910  in 
Hohenborn  bei  Lüdge  (Westfalen),  femer  der  Chefdirektor  des 
Kgl.  Schwedischen  Statistischen  Handelsbureaus  a.  D.,  Karl 
Sidenbladh,  gestorben  am  18.  September  1911  und  schließlich 
der  Wirkliche  Geheime  Oberregierungsrat  und  Präsident  des 
Kgl.  Preußischen  Statistischen  Landesamts  a.  D.,  Dr.  Emil 
Blenck,  gestorben  am  6.  Oktober  1911  in  Groß-Lichterfelde. 


—     112    — 

Den  Hinterbliebenen  dieser  Herren  sprachen  wir  unsere 
herzliche  Teilnahme  aus. 

Allen  Dahingeschiedenen  bewahren  wir  ein  dankbares  und 
ehrendes  Andenken! 

Unserem  Ehrenmitgliede  Herrn  Geh.  Regierungsrat  Prof. 
Dr.  Friedrich  Delitzsch  in  Berlin,  der  am  3.  September  1910 
den  60.  und  unserem  korrespondierenden  Mitgliede  Herrn  Prof. 
Dr.  Hermann  Vamb^ry  in  Budapest,  der  am  19.  März  1912 
seinen  80.  Geburtstag  feierte,  sandte  der  Verein  die  herzlichsten 
Glückwünsche. 

Durch  Vertrag  vom  28.  Januar  1910  mit  der  Sencken- 
bergischen  Stiftung,  der  Senckenbergischen  Naturforschenden 
Gesellschaft,  dem  Physikalischen  Verein  und  dem  Ärztlichen 
Verein  wurde  das  Verhältnis  unseres  Vereins  zu  der  Sencken- 
bergischen Bibliothek  neugeregelt. 

Da  der  seitherige  Vertreter  des  Vereins  in  der  gemeinsamen 
Kommission  für  die  Senckenbergische  Bibliothek  Herr  Geh. 
Konsistorialrat  Professor  Dr.  E  b  r  a  r  d ,  der  Direktor  der  Stadt- 
bibliothek, vom  Magistrat  zu  einem  der  beiden  Vertreter  der 
Stadtgemeinde  in  dieser  Kommission  ernannt  worden  war,  trat 
an  seine  Stelle  auf  Vorstandsbeschluß  der  Generalsekretär  des 
Vereins  Herr  Dr.  Traut. 

Einladung  erhielten  wir  von  der  Gesellschaft  für  Erdkunde 
zu  Leipzig  zur  Teilnahme  an  ihrem  50  jährigen  Stiftungsfeste 
am  1.  März  1911.  Da  unser  zu  dieser  Feier  angemeldete  Ver- 
treter in  letzter  Stunde  erkrankte,  übermittelten  wir  auf  tele- 
graphischem Wege  der  Schwestergesellschaft  unsere  Glück- 
wünsche. An  dem  zehnjährigen  Stiftungsfest  der  Frankfurter 
Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  am 
22.  Oktober  1911  nahm  der  Verein  durch  seinen  Vorsitzenden 
Herrn  Hof  rat  Dr.  Hagen  teil. 

Am  7.  Mai  1911  sandte  der  Verein  aus  Anlaß  der  Abfahrt 
der  Deutschen  Antarktischen  Expedition  des  Oberleutnants 
Dr.  Filchner  den  kühnen  Pionieren  deutscher  Forschung 
beste  Abschiedsgrüße  und  Wünsche  für  gutes  Gelingen  nach 
Bremerhaven  in  die  Lloydhalle. 

Zum  Andenken  an  ihren  verstorbenen  Gatten,  unser  Vor- 
standsmitglied Herrn  Wilhelm  Rohm  er,  machte  Frau  Helena 
Rohmer   geb.  de  Chapeaurouge   unserem  Verein  als  Legat  eine 


—     113    — 

namhafte  Zuwendung,  wofür  der  gfütigen  Spenderin  auch  an 
dieser  Stelle  der  herzlichste  Dank  ausgesprochen  sei. 

Auf  dem  XVni.  deutschen  Geographentag,  der  in  der 
Pfingstwoche  1912  in  Innsbruck  stattfand,  war  der  Verein  durch 
seinen  Generalsekretär  Herrn  Prof.  Dr.  Traut  vertreten. 

Zum  Versand  an  die  mit  uns  in  regelmäßigem  Tausch- 
verkehr stehenden  Behörden  und  Gesellschaften  gelangten  in  den 
beiden  verflossenen  Geschäftsjahren  folgende  Veröffentlichungen: 

Beiträge  zur  Statistik  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.     Im  Auftrage 
des  Magistrats  herausgegeben  durch  das  Statistische  Amt. 
Neue  Folge. 
Heft   7 :  Untersuchung  über  den  Stand  der  Lohn-  und 
Arbeitsverhältnisse  der  Arbeiter  und  Unteran- 
gestellten der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  im  Juli  1907. 
Frankfurt  a.  M.  1909. 
Heft   8:  Tabellarische  Übersichten  betreffend  den  Zivil- 
stand der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  in  den  Jahren 
1901—1910.     Frankfurt  a.  M.  1911. 
Heft   9 :  Die  Versorgung  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  mit 

Milch  und  Fleisch.  Frankfurt  a.  M.  1911. 
Heft  10:  Die  Preisbewegung  auf  dem  Lebensmittelmarkt 
zu  Frankfurt  a.  M.  und  deren  Einfluß  auf  die 
Haushaltsführung  der  Bevölkerung.  Bearb.  von 
dem  Direktor  des  Statistischen  Amtes  Dr.  A. 
Busch  Frankfurt  a.  M.  1912. 
Femer : 

Statistische  Jahresübersichten  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.,  Aus- 
gabe für  1909/10  und  1910/11  (4.  und  5.  Ergänzungsheft 
zum  Statistischen  Handbuch  der  Stadt  Frankfurt  a.  M., 
erste  Ausgabe).    Frankfurt  a.  M.  1910/1911. 

Neuer  Tauschverkehr  wurde  angebahnt  mit  der  Michigan 
Academy  of  Science  in  Ann  Arbor,  Michigan,  der  Serbischen 
Geogi-aphischen  Gesellschaft  in  Belgrad,  der  Kgl.  Geologischen 
Landesanstalt  in  Berlin,  der  Deutschen  Seewarte  in  Hamburg, 
dem  Ministerio  das  relacöes  exteriores  in  Rio  de  Janeiro,  der 
Geographischen  Gesellschaft  in  Rostock  und  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde  und  Kolonialwesen  in  Straßburg  i.  Eis.  Eingestellt 
wurde  der  Tauschverkehr  mit  der  Soci(5te  d'etudes  coloniales 

8 


—     114    — 

in  Brüssel,  sowie  dem  in  die  internationale  Handels-Ünion 
aufgegangenen  Deutsch  -  österreichischen  Orientklub  in  Berlin. 
Die  Gesamtzahl  der  Tausch  Verbindungen  beträgt  zur  Zeit  250 
(gegen  245). 

Zum  Schluß  möge  über  das  75.  Stiftungsfest  berichtet 
werden,  welches  der  Verein  Sonntag  den  17.  Dezember  1911 
beging  und  auf  dessen  würdigen  Verlauf  wir  mit  Befriedigung 
zurückblicken  dürfen. 

Das  Fest  zerfiel  in  eine  akademische  Feier  und  in  ein 
Festmahl.  Am  Samstag  war  ihr  eine  zwanglose  Zusammen- 
kunft der  Teilnehmer  im  Restaurant  Kaiserhof  vorangegangen. 

Zur  akademischen  Sitzung,  die  vormittags  11  Uhr  in  dem 
festlich  geschmückten  großen  Saale  des  Kaufmännischen  Vereins 
unter  Teilnahme  zahlreicher  Vereinsmitglieder  stattfand,  hatten 
sich  auf  unsere  Einladung  hin  folgende  Herren  als  Ehrengäste 
zum  Teil  mit  ihren  Gemahlinnen  eingefunden: 

Unser  Ehrenmitglied  Seine  Hoheit  Adolf  Friedrich 
Herzog  zu  Mecklenburg,  Seine  Exzellenz  der  Kommandierende 
General  des  XVDI.  Armeekorps,  General  der  Infanterie  von 
Eichhorn,  Seine  Exzellenz  der  Oberpräsident  der  Provinz 
Hessen-Nassau  Hengstenberg,  Seine  Exzellenz  der  Komman- 
deur der  21.  Division  Generalleutnant  Scholtz,  Oberlandes- 
gerichtspräsident Wirkl.  Geh.  Oberjustizrat  Dr.  Spahn,  Regie- 
rungs-Präsident Dr.  von  Meister,  Präsident  des  Konsistoriums 
Dr .  E  r  n  s  t ,  Polizei-Präsident  Kammerherr  RießvonScheurn- 
schloß  und  Oberregierungsrat  Mahrenholz,  Oberbürgermeister 
Dr.  A dickes,  Bürgermeister  Geh.  Regierungsrat  Grimm,  sowie 
die  Stadträte  Dr.  Ziehen  und  Prof.  Dr.  Bleicher,  der  Vor- 
sitzende der  Stadtverordneten -Versammlung  Geh.  Justizrat  Dr. 
Friedleben,  Oberstaatsanwalt  Geh.  Ober  justizrat  Dr.  Hupertz, 
Eisenbahndirektions-Präsident  Reuleaux,  der  Rektor  der  Aka- 
demie Prof.  Dr.  Panzer,  der  Präsident  der  Handelskammer  Geh. 
Kommerzienrat  Andreae-Passavant,  sowie  der  Vizepräsident 
der  Handelskammer  Geh.  Kommerzienrat  von  Passavant,  der 
Direktor  des  Statistischen  Amts  der  Stadt  Dr.  Busch  und  andere 
hervorragende  Frankfurter  Persönlichkeiten. 

Als  Vertreter  der  Kgl.  Niederländischen  Staatsregierung 
wohnte  Herr  Generalkonsul  Jonkheer  van  Panhuys  der 
Feier  bei. 


—     115     — 

Von  hiesigen  Ehrenmitgliedern  des  Vereins  waren  erschienen 
die  Herren  Kartograph  Ludwig  Ravenstein,  Geh.  Konsi- 
storialrat  Prof.  Dr.  Ebrard  und  Prof.  Dr.  Petersen. 

Von  auswärtigen  Schwestergesellschaften  waren  durch 
Delegierte  vertreten: 

Die  Königliche  Niederländische  Geographische  Gesellschaft 
zu  Amsterdam  durch  Herrn  Prof.  Dr.  Oestreich  aus  Utrecht, 
die  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin  durch  Herrn  Prof.  Dr. 
Wegener,  die  Geographische  Gesellschaft  von  Darmstadt  durch 
die  Herren  Geh.  Oberbergrat  Prof .  Dr.  Lepsius  und  Prof.  Dr. 
Greim,  die  Gesellschaft  für  Erd-  und  Völkerkunde  zu  Gießen 
durch  Herrn  Prof.  Dr.  Sievers,  die  Geographische  Gesellschaft 
zu  Leipzig  durch  Herrn  Geh.  Hof  rat  Prof.  Dr.  Hans  Meyer, 
die  Geographische  Gesellschaft  von  München  durch  die  Herren 
Prof.  Dr.  von  Drygalski  und  Prof.  Dr.  Merzbacher. 

Von  auswärtigen  Fachgenossen,  die  unserem  Verein  ebenso 
wie  die  vorhergenannten  Herren  zum  großen  Teil  als  Ehren- 
mitglieder und  korrespondierende  Mitglieder  angehören,  waren 
als  Ehrengäste  erschienen: 

Die  Herren  Geh.  Regierungsrat  Prof.  Dr.  Euting-Straß- 
burg,  Prof.  Dr.  Hettner-Heidelberg,  Geh.  Regierungsrat  Prof. 
Dr.  Krtimmel-  Marburg ,  Dr.  Hugo  M  e  r  t  o  n  -  Heidelberg , 
KammerherrDr.  Joachim  Graf  von  Pfeil  undKlein-Ellguth 
auf  Schloß  Friedersdorf,  Prof.  Dr.  Regel- Würzburg  und  Geh. 
Regierungsrat  Prof.  Dr.  Rein-Bonn. 

Von  Frankfurter  befreundeten  Korporationen  und  Vereinen 
waren,  unserer  Einladung  folgend,  vertreten: 

Die  Administration  der  Dr,  Senckenhergischen  Stiftung  durch 
Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Roediger,  die  Senckenbergische  Natur- 
forschende  Gesellschaft  durch  Herrn  Prof.  Dr.  Knoblauch,  der 
Physikalische  Verein  durch  Herrn  Prof.  Dr.  Ing.  Hartmann,  der 
Ärztliche  Verein  durch  Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Baerwindt,  die  Dr. 
Senckenbergische  Bibliothek  durch  Herrn  Bibliothekar  Dr.  Wahl, 
der  Verein  für  GeschicJUe  und  Altertumskunde  durch  Herrn  Archiv- 
direktor Prof.  Dr.  Jung,  das  Freie  Deutsche  Hochstift  durch  die 
Herren  Realgymnasialdirektor  Dr.  Liermann  und  Geh.  Sanitäts- 
rat Dr.  R  e  h  n ,  der  Verein  für  Naturivissenschaftliche  Unterhaltung 
durch  Herrn  Dr.  Guide,  der  DeutscJie  und  Österreichische  Alpen- 
verein,  Sektion  Frankfurt  a.  M.,  durch  Herrn  Prof.  Dr.  Petersen, 

8* 


—     116    — 

der  Kaufmännische  Verein  durch  Herrn  Schuenemann,  der 
Taunus-Klub  durch  Herrn  Kittel,  der  Verein  für  das  Historische 
Museum  durch  Herrn  Prof.  Dr.  Wolf,  die  Deutsche  Kolonial' 
geseUschaft,  Abteilung  Frankfurt  a.  M.  durch  Herrn  Geh.  Sanitäts- 
rat Dr.  Cohn,  die  Frankfurter  Gesellschaft  für  Anthropologie, 
Ethnologie  und  UrgeschicMc  durch  Herrn  Landgerichtsdirektor 
G  a  e  b  1  e  r ,  der  Verein  für  das  Völkermuseum  durch  Herrn  Bürger- 
meister a.  D.  Geh.  Regierungsrat  Dr.  Varrentrapp,  die  Frank- 
furt-Loge durch  die  Herren  Dreyfuß  und  Dr.  Kauffmann, 
die  Sektion  Frankfurt  der  Deutschen  Orientgesellschaft  durch  Herrn 
Justizrat  Dr.  Burghold. 

Nachdem  der  Sängerchor  des  Lehrervereins,  der  in  dankens- 
werter Weise  durch  seine  liebenswürdige  Mitwirkung  unsere 
Feier  verschönte,  unter  Leitung  von  Herrn  K.  Schwarz  den 
wirkungsvollen  Liszt'schen  Chor:  Gottes  ist  der  Orient,  von 
Goethe,  in  bekannter  Meisterschaft  vorgetragen  hatte,  begrüßte 
der  Vorsitzende  des  Vereins  Herr  Hof  rat  Dr.  Hagen  die  Fest- 
versammlung mit  folgender  Ansprache: 

Enere  Hoheit!    Exzellenzen! 
Hochansehnliche  Festversammlang! 

Ein  seltenes  Fest  ist  es,  das  uns  heute  zusammengefährt  hat.  Am 
9.  Dezember  1836,  vor  75  Jahren,  wurde  der  Frankfurter  Geographische 
Verein,  wie  er  damals  hieß,  gegründet.  Als  er  ins  Leben  trat,  ward  er 
nicht  festlich  von  einem  blühenden  Kranz  deutscher  SchwestergeseUschaften 
empfangen,  denn  —  es  gab  keine.  Nur  Berlin  konnte  seine  Grüße  über- 
senden; dort  allein  in  ganz  Deutschland  hatte  bis  dahin  ein  geographischer 
Verein,  die  Gesellschaft  für  Erdkunde,  existiert  Frankfurt  hat  den  Ruhm, 
die  Zweitälteste  geographische  Gesellschaft  Deutschlands  zu  sein.  Und  wenn 
man  über  Deutschland  hinausblickte,  so  gab  es  außerdem  nur  noch  in  Paris 
und  in  London  eine  solche.  Dieses  trifolium  Paris-Berlin-London  hat  sich 
also  im  Jahre  1836  durch  den  Hinzutritt  Frankfurts  zu  einem  glflckyer» 
heißenden  quadrifolium  erweitert.  Frankfurt  ist  somit  auch  die  viertalteste 
geographische  Gesellschaft  der  Erde  überhaupt. 

Es  ist  traditionell,  daß  bei  solch  bedeutsamen  Zeitabschnitten,  wie  der 
heutige  es  ist,  der  Vorsitzende  einen  kürzeren  oder  längeren  geschichtlichen 
Überblick  des  Werdeganges  seines  Vereins  zu  geben  hat.  Ich  nehme  Ihre 
Nachsicht  in  Anspruch,  wenn  ich  diesem  löblichen  und  nützlichen  Brauch  nur 
in  sehr  unvollständiger  Weise  nachkomme ;  ich  kann  das  um  so  eher  wagen, 
als  dieser  Überblick  bereits  gelegentlich  unseres  50  jährigen  Stiftungsfestes 
im  Jahre  1886  in  einer  so  gründlichen  und  formvollendeten  Weise  von  einem 
viel  besseren  Mann  und  Kenner  Frankfurts,  unserm  hochverdienten  Senator 
Dr.  von  Oven,  gegeben  worden  ist,  daß  für  mich  höchstens  die  Periode  der 


—     117     — 

letzten  25  Jahre  zu  behandeln  bliebe.  Und  da  würde  ich  mich  sehr  kurz 
fassen  und  auf  die  Bemerkung  beschränken  können:  Unter  der  geistigen 
Ägide  unseres  allverehrten  Ehrenmitgliedes  des  Geh.  Konsistorialrats  Prof. 
Dr.  E  b  r  a  r  d  blühte  und  wuchs  unser  Verein  stetig  heran  zu  seiner  heutigen 
Größe  und  Bedeutung.  Da  aber  diese  schöne  und  erfreuliche  Entwicklung 
von  uns  allen  miterlebt  worden  ist,  so  lassen  Sie  mich  heute  aus  der  Grün- 
dungsgeschichte eine  Seite  herausgreifen,  die  mich  besonders  interessiert  und 
der  man  neben  dem  rein  Geschichtlichen  etwas  weniger  Beachtung  geschenkt 
hat,  das  ist  nämlich  mehr  die  psychologische  Seite. 

Wie  kam  es,  daß  in  dem  verhältnismäßig  —  d.  h.  im  Vergleich  zu 
Paris,  Berlin  und  London  doch  immerhin  kleinen  Frankfurt  das  geographische 
Bedürfnis  so  stark  war,  daß  es  zur  Gründung  eines  eigenen  Vereins  führte  ? 
Und  welches  sind  die  Grundlagen,  auf  denen  er  emporwuchs?  Die  Grün- 
dungsakten, die  vielleicht  näheren  Aufschluß  hätten  geben  können,  sind  ver- 
loren gegangen ;  ich  glaube  aber,  daß  es  auch  ohne  dieselben  gelingen  kann, 
einige  Klarheit  zu  gewinnen.  Hier  an  dieser  Stelle  kann  ich  natürlich  nur 
andeutungsweise  die  allgemeinsten  Umrisse  geben. 

Den  Aufschwung,  den  das  geistige  Leben  Deutschlands  nach  Befreiung 
von  den  napoleonischen  Fesseln  nahm,  darf  ich  als  bekannt  voraussetzen. 
Auch  Frankfurt  nahm  daran  lebhaften  Anteil,  wie  uns  die  Geschichte  seiner 
meisten  großen  Gesellschaften  beweist,  deren  Gründungszeit,  mit  Ausnahme 
von  zwei  älteren,  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung  und  der  Museums- 
gesellschaft, alle  in  die  Zeit  zwischen  1816  und  1837  fallen.  Das  war 
gewissermaßen  die  geistige  Renaissanceperiode  Frankfurts.  Und  in  dieser 
Periode  lassen  sich  wieder  drei  Phasen  unterscheiden,  je  nachdem  wissenschaft- 
liche oder  künstlerische  Bestrebungen  vorherrschen.  Zuerst  überwog  die 
Wissenschaft :  1816  wurde  die  Polytechnische  Gesellschaft,  1817  die  Sencken- 
bergische  Naturforschende  Gesellschaft  und  der  Frankfurtische  Gelehrten- 
Verein  für  die  deutsche  Sprache,  1824  der  Physikalische  Verein  gegründet. 
Von  künstlerischen  Gründungen  fällt  in  diese  Phase  nur  eine  einzige:  der 
Cäcilien- Verein  1818.  Nun  folgen  in  der  zweiten  Phase  lauter  künstlerische 
Gesellschaften  und  Vereine:  1828  der  Liederkranz,  1829  der  Kunstverein, 
1834  der  Verein  für  Instrumentalmusik.  1836  schlägt  die  Witterung  wieder 
um  und  es  werden  nacheinander  gegründet :  1836  der  Verein  für  Geographie, 
1837  der  Ärztliche  Verein  (zunächst  als  freie  Vereinigung  oder  Kränzchen) 
und  1857  der  Altertumsverein,  zuerst  ebenfalls  unter  anderem  Namen  als 
Gesellschaft  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst. 

Ich  kehre  wieder  zu  meiner  Frage  zurück :  Was  mag  innerhalb  dieses 
regen  geistigen  Lebens  den  Anlaß  geboten  haben,  sich  ausgerechnet  mit  der 
kaum  erst  am  wissenschaftlichen  Horizont  aufgetauchten  und  in  den  weiteren 
Volksschichten  so  gut  wie  unbekannten  Geographie  so  intensiv  zu  beschäf- 
tigen, daß  sich  eine  eigene  Gesellschaft  dafür  bildete? 

Das  strahlende  Licht,  das  Alezander  v.  Humboldt  1827/28  mit 
seinen  berühmten  61  Vorlesungen  in  der  Singakademie  von  Berlin  her  ver- 
breitete, genügt  nicht  zur  Erklärung ;  denn  dieses  Licht  leuchtete  über  ganz 
Deutschland,  gezündet  hat  es  aber  nur  in  Frankfurt.  Warum  ?  Hier  müssen 
geheime  Fäden  liegen  zwischen  Berlin   und  Frankfurt,  hier  muß  der  Boden 


—    118    - 

schon  lange  vorbereitet  gewesen  sein,  denn  ein  lebensfähiger  Verein  gründet 
sich  nicht  so  leicht  und  schnell,  sozusagen  im  Handumdrehen,  selbst  wenn  ein 
Mann  wie  der  Kartograph  Ravenstein  den  Aufruf  zur  Gründung  yerfaßt 
und  ein  Gelehrter  wie  Kriegk  das  Referat  in  der  konstituierenden  General- 
versammlung übernimmt,  in  der  Senator  B  ö  h  m  e  r  die  Statuten  entwirft. 

Diese  Vorbereitung  des  Bodens  von  langer  Hand  her  ist  nach  meiner 
Überzeugung  durch  keinen  Geringeren  besorgt  worden,  als  durch  den  unsterb- 
lichen Vater  und  Begründer  der  wissenschaftlichen  Geographie  selbst,  durdi 
KarlRitter.  Als  junger,  kaum  20  jähriger  Mann  war  er  um  die  Wende  des 
vorigen  Jahrhunderts  als  Hauslehrer  in  die  Bethmann  Hollweg'sche 
Familie  nach  Frankfurt  gekommen,  wo  er  längere  Jahre  verweilte.  Hier  gab 
er  auch  von  1804—1807  sein  zweibändiges  Werk:  „Europa,  ein  geographisch- 
historisch-statistisches  Gemälde^  heraus  und  war  bereits  mit  den  Vorarbeiten 
zu  seinem  bertlhmten  Hauptwerk  beschäftigt:  „Die  Brdkunde  im  Verhältnis 
zur  Natur  und  Geschichte  des  Menschen^.  Es  wäre  ein  Wunder,  wenn  ein 
solch  jugendlich-feuriger,  von  seinem  Beruf  durch  und  durch  erfüllter  Mann, 
der  später  auf  seinem  Lehrstuhl  in  Berlin  Tausende  begeisterter  Zuhörer  um 
sich  versammelte,  nicht  auch  in  Frankfurt  schon  seine  Anziehungskraft  aus- 
geübt hätte.  Wie  intensiv  Ritters  Wirken  hier  gewesen  sein  muß,  schließe 
ich  daraus,  daß  man  ihn  1819  wieder  von  Göttingen  nach  Frankfurt  holte 
und  zwar  als  Geschichtsprofessor  am  Gymnasium  —  eine  Professur  für  Geo- 
graphie gabs  ja  damals  noch  nicht  —  bis  er  1820  definitiv  nach  Berlin  über- 
siedelte.  Hier  haben  wir  also  den  Faden,  der  von  Frankfurt  nach  Berlin  führte. 
Der  Zusammenhang  Ritters  mit  den  Frankfurter  Gleichgesinnten  blieb  so 
innig,  daß  er  der  Erste  war,  der  den  neuen  Verein  mit  besonderem  Interesse, 
wie  er  schrieb,  begrüßte  und  für  dessen  Entwickelung  in  dem  ihm  so  lieben 
Frankfurt  einen  günstigen  Boden  voraussagte.  Er  mußte  es  ja  wissen,  denn 
er  hatte  denselben  selbst  vorbereitet. 

Obwohl  also  Karl  Ritter  bereits  16  Jahre. von  Frankfurt  weggezogen 
war,  als  der  Verein  gegründet  wurde,  dürfen,  ja  müssen  wir  die  ersten 
Keime  desselben  auf  ihn  und  seine  Wirksamkeit  dahier  zurückftlhren,  und  er 
ist  mit  Recht  unser  erstes  und  lange  Jahre  hindurch  auch  einziges  Ehren- 
mitglied gewesen.  Auch  daß  Ritter  zuerst  in  dem  Hause  des  Bankiers  Beth- 
mann tätig  war,  halte  ich  nicht  für  unwichtig.  Denn  dort  hatte  er  vielfach 
Gelegenheit,  mit  den  Vertretern  des  Großhandels  und  der  Großindustrie  in 
Berührung  zu  kommen,  und  der  begeisterte  junge  Gelehrte  streute  da  gewiß 
manches  Samenkorn  aus,  das  später  bei  Gründung  des  Vereins  gute  Früchte 
zeitigte  und  mit  dazu  beitrug,  demselben  jene,  wie  Ritter  in  seinem  Glück- 
wunschschreiben sich  ausdrückte,  ihm  eigentümliche  praktische  Richtung  zu 
geben.  Im  §  1  der  alten  Statuten  wird  nämlich  ausdrücklich  die  Rücksicht 
auf  die  Bedürfnisse  des  Handelsstandes  als  zweite  Hauptaufgabe  hervor- 
gehoben, und  das  Thema  des  ersten  Vortrags,  der  in  unserm  Verein  gehalten 
wurde,  lautete :  Über  die  Beziehungen  geographischer  Verhältnisse  zu  Handel 
und  Fabrikation.  Auf  den  Welthandel  und  die  Weltstellung  Frankfurts  dürfen 
wir  eine  andere  Reihe  von  Wurzeln  unseres  Vereins  zurückführen,  Wurzeln, 
für  die  ich  wenig  schriftliche  Dokumente,  wohl  aber  in  unserm  Völkermuseum 
die  handgreiflichen  Belege  vorführen  kann.    Als   ich  nämlich  bei  der  Bin- 


—     119    — 

richtung  dieses  Institats  vom  Historischen  Museum  die  alten  ethnographischen 
Bestände  übernahm,  da  entdeckte  ich  zu  meinem  großen  und  freudigen  Er- 
staunen eine  größere  Reihe  von  Gegenständen,  die  aus  den  dreißiger  und 
yierziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  stammten.  Wie  kamen  diese 
Dinge  nach  Frankfurt,  zu  einer  Zeit,  wo  fast  kein  Mensch  an  das  syste- 
matische Sammeln  und  Aufbewahren  solchen  Plunders  dachte?  Die  Spuren, 
denen  ich,  so  gut  es  sich  tun  ließ,  nachging  und  noch  nachgehe,  deuten  auf 
eine  Vielseitigkeit  der  Beziehungen  Frankfurts  zu  den  Trägem  großer  geo- 
graphischer Entdeckungen,  die  geradezu  in  Erstaunen  setzt.  Das  Archiv  des 
Senckenbergischen  Museums  wird  hierüber  noch  besseren  Aufschluß  geben 
können,  dort  müssen  sich  die  Belege  finden.  Wir  dürfen  hiebei  nicht  ver- 
gessen, daß  wir  uns  zur  Zeit  der  Gründung  unseres  Vereins  in  dem  Zeit- 
alter des  Ausklingens  der  großen  klassischen  Entdeckungsfahrten,  besonders 
in  der  Südsee  befinden,  die  Cook  mit  seinen  berühmten  3  Reisen  wieder  neu 
belebt  hatte.  Teilnehmer  an  Cooks  zweiter  Reise  waren  die  beiden  Forsters, 
Vater  und  Sohn,  von  denen  der  letztere,  Johann  Georg,  der  Herausgeber  von 
Cooks  Reisen  und  der  fruchtbare  klassische  naturwissenschaftliche  Schrift- 
steller war,  dessen  Arbeiten  nicht  nur  anregend  auf  Alexander  v.  Humboldt 
wirkten,  sondern  ihm  auch  den  Namen  , Naturforscher  des  Volkes'  eintrugen. 
Georg  Forster  nun  lebte  fünf  Jahre  seiner  besten,  reifsten  Zeit  1788 — 1793 
in  Mainz  und  hat  manche  enge  und  direkte  Beziehungen  zu  hiesigen  Kreisen 
gehabt,  z.B.  zu  Sömmerring,  sodaß  vielleicht  manche  von  den  älteren 
Gründern  unseres  Vereins  in  ihren  Jugendjahren  noch  persönlich  von  ihm  mögen 
Anregung  empfangen  haben ;  von  seinen  viel  gelesenen  Schriften  ganz  gewiß. 
In  Mainz  lebte  femer  Friedrich  Heinrich  v.  Kittlitz,  der  als  Natur- 
forscher die  Lütke'sche  Weltumseglung  1826 — 29  mitgemacht  hatte,  und  in 
Gießen  der  Professor  Dieffenbach,  der  Erforscher  Neu-Seelands.  Von  Beider 
Reisen  befinden  sich  Gegenstände  im  Völkermuseum  als  lebendiger  Beweis 
ihrer  Beziehungen  zu  Frankfurt.  In  einer  besondem,  wenn  auch  nur  indirekten 
Beziehung  stand  Frankfurt  auch  zu  dem  letzten  der  klassischen  Südsee-Ent- 
deckungsfahrer, zu  dem  französischen  Admiral  Dumont  d*ürville  und  zwar 
durch  den  hier  ansässigeu  Dr.  Caroö  (1822—46),  der  ohne  Zweifel  angeregt 
durch  das  intensive  geographisch-ethnographische  Interesse  in  Frankfurt, 
durch  seinen  mit  Dumont  d'LTrville  befreundeten  Brader  es  veranlaßte,  daß 
der  Admiral  einen  Teil  seiner  mitgebrachten  Sachen  hierher  schenkte.  Auch 
von  einer  andem  klassischen  Entdeckungsreise  besitzt  das  Völkermuseum 
kostbare  Stücke,  nämlich  von  den  Expeditionen  des  rassischen  Admirals 
Wrangel,  namentlich  von  seiner  zweiten  Weltreise  1825—27.  Vermittelt 
wurde  diese  Schenkung  durch  den  Schwiegervater  Wrangels,  den  Baron 
R  0  s  s  i  1 1 0  n.  Sodann  lebte  in  Frankfurt  in  den  zwanziger  Jahren  des  vorigen 
Jahrhunderts  die  Frau  Generalin  vanPanhuys,  der  wir  ebenfalls  eine  Reihe 
wertvoller  Ethnographica  aus  Surinam  und  Guyana  verdanken.  Den  Mann 
aber,  auf  den  seine  Vaterstadt  Frankfurt  ganz  besonders  stolz  ist,  Eduard 
R  ü  p  p  e  1 1 ,  habe  ich  Ihnen  noch  gar  nicht  genannt.  Er  hat  zweifellos  durch 
seine  klassischen  Reisen  nach  Nubien,  Kordofan  und  Abessynien  den  bedeutend- 
sten Anteil  an  dem  Interesse  der  Frankfurter  für  die  Geographie.  Natürlich 
figuriert  sein  Name  auch  unter  den  Gründern  unseres  Vereins,  aber  er  hat 


—    120    — 

niemals  ein  aktiTes  Amt  darin  übernommen,  wohl  aus  dem  Grande,  weil  er 
seine  ganze  Arbeitskraft  auf  die  Herausgabe  seiner  Reisewerke  und  die  Ana- 
gestaltong  des  Senckenbergischen  Museums  verwenden  mußte.  Die  eigentlich 
treibende  Kraft  des  neuen  Vereins  war  und  blieb  Professor  K  riegk,  der  auch 
der  erste  Vorsitzende  war  und  dessen  wir  heute  besonders  dankbar  gedenken 
wollen.  Das  sind  die  Wurzeln,  das  ist  der  Boden,  meine  Damen  und  Herren,  aus 
dem  in  Frankfurt  ein  Verein  für  Geographie  emporsprossen  und  sich  zur  üppigen 
Blüte  entfalten  konnte,  zu  einer  Zeit,  wo  draußen  im  Reich,  mit  Ausnahme  yon 
Göttingen,  wo  der  alte  Wappäus  lehrte  und  wirkte,  die  Geographie  noch  30  Jahre 
lang  keinen  festen  Fuß  fassen  konnte,  kaum  ein  neuer  Verein  sich  gründete  und 
die  Universitäten  hartnäckig  ihre  Pforten  der  neuen  Wissenschaft  verschlossen. 
Die  Lebenskraft  unseres  Vereins  zeigte  sich  auch  darin,  daß  er  es 
verstand,  mit  der  Zeit  fortzuschreiten  und  sich  ihren  Bedürfnissen  anzupassen. 
So  hat  er  namentlich  im  Jahr  1854  eine  große  Wandlung  durchgemacht, 
als  er  das  durch  das  Ausklingen  der  klassischen  Entdeckongsperiode  erlahmte 
Interesse  an  fremden  Ländern  und  Völkern  in  den  Hintergrund  schob  und 
dafür  unter  Führung  unseres  unvergeßlichen  Georg  Varrentrapp  sich  mit 
frischem  Mut  einem  neuen  verheißungsvollen  Gebiet,  der  Statistik,  zuwandte, 
es  zu  eigener  Abteilung  erhob  und  sich  fortan  den  Namen  Verein  für  Geo- 
graphie und  Statistik  beilegte,  den  er  heute  noch  führt.  Fünf  stattliche 
Bände  solcher  statistischen  Arbeiten  sind  neben  den  regelmäßigen  Jahres- 
berichten veröffentlicht  worden,  und  diese  Seite  unserer  Vereinstätigkeit  gab 
den  direkten  Anlaß  für  den  Entschluß  unserer  städtischen  Behörden  zur 
Gründung  eines  Statistischen  Amts  im  Jahre  1865.  Wenn  schon  vorher  der 
Tauschverkehr  mit  den  einschlägigen  Gesellschaften  und  Behörden  des  In- 
und  Auslandes  ein  sehr  reger  war,  so  geschah  das  nunmehr  in  großem  Stil, 
so  daß  wir  heute  mit  250  Instituten  im  Tauschverkehr  stehen  und  ungefähr 
20  000  Einzelpublikationen  unsem  heimischen  Bibliotheken  zuführen  konnten. 
Und  als  in  den  60  er  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  sich  plötzlich  das 
Ezpansionsbedürfnis  des  deutschen  Volkes  zu  regen  begann,  das  zwei  Jahrzehnte 
später  zur  Erwerbung  unserer  Kolonien  führte,  als  in  den  70  er  Jahren  nicht 
weniger  als  10  und  in  den  80  er  ebensoviel  neue  Geographische  Gesell- 
schaften das  Licht  der  Welt  erblickten  und  in  der  Zeit  von  1870 — 1880  nenn 
Hochschulen  zugleich  Lehrstühle  für  Geographie  errichteten,  da  nahm  auch 
unser  Verein  wieder  lebhaft  Teil  an  dem  Aufschwung ;  äußerlich  kennzeichnet 
sich  dies  schon  dadurch,  daß  das  Format  unserer  Jahresberichte  sich  ver- 
größert und  die  Seitenzahl  zunimmt.  Die  Mitgliederzahl,  welche  in  den 
ersten  25  Jahren  zwischen  101  und  130  geschwankt  hat,  steigt  plötzlich  auf 
das  Dreifache  und  hat  sich  von  da  bis  heute  wiederum  fast  verdoppelt,  so 
daß  wir  trotz  der  Überfüllung  unserer  Stadt  mit  Vereinen  mit  der  stattlichen 
Zahl  von  640  Mitgliedern  vor  Sie  hintreten  können,  von  denen  die  meisten 
regelmäßig  unsere  Mittwochsvorträge  besuchen.  Aber  die  Grundlagen  unseres 
Vereins  haben  sich  in  diesem  letzten  Abschnitt  wiederum  verschoben.  Dadurch, 
daß  die  Stadt  ihr  eigenes  Statistisches  Amt  gründete,  ist  die  statistische 
Hälfte  naturgemäß  wieder  in  den  Hintergrund  getreten,  und  der  Erwerb 
unserer  Kolonien  hat  andrerseits  bewirkt,  daß  die  Völkerkunde  wieder  mehr 
zu  ihrem  alten  Rechte  gelangt  ist.    Aus  dieser  Verschiebung  erklärt  es  nch 


—     121     — 

auch,  daß  der  Verein  nicht  eine  statistische  Aufgabe  stellte,  als  er  beschloß, 
das  76  jährige  Jnbiläum  durch  eine  wissenschaftliche  Tat  zu  verherrlichen, 
sondern  eine  solche,  bei  welcher  der  Völkerkunde  eine  nicht  unbeträchtliche 
Rolle  zufiel.  Er  hatte  nämlich  beschlossen,  die  immer  noch  strittige  Frage 
des  einstigen  Zusammenhangs  der  beiden  Kontinente  Asien  und  Australien 
einer  erneuten  Prüfung  zu  unterziehen  und  hat  zu  diesem  Zweck  eine  fix- 
pedition  nach  dem  malayischen  Archipel  entsandt  unter  Leitung  von  Dr. 
Job.  Eiber t.  Mit  reichen  Resultaten  ist  dieselbe  zurückgekehrt,  und  es 
gereicht  uns  zu  stolzer  Freude,  die  umfangreichen  und  wichtigen  Sammlungen 
den  Museen  unserer  Vaterstadt  als  Geschenk  überweisen  zu  dürfen,  die  ethno- 
graphischen Sammlungen  dem  Städtischen  Völkermuseum,  die  naturwissen- 
schaftlichen dem  Museum  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesell- 
schaft. Auch  den  Reichsmuscen  in  Holland  und  in  Niederländisch-Indien 
freuen  wir  uns  aus  den  Dubletten  ebenfalls  je  eine  Sammlung  zuwenden 
zu  dürfen  als  Ausdruck  unseres  Dankes  für  die  der  Expedition  gewährte 
weitgehende  und  liberale  Unterstützung.  Mitten  im  blühendsten  Leben 
stehend,  darf  somit  unser  Verein  mit  Befriedigung  in  die  Vergangenheit  und 
trotz  seiner  75  Jahre  frohen  Blickes  in  die  Zukunft  schauen. 

Indem  ich  nunmehr  die  Ehre  und  Freude  habe,  die  Herren  Vertreter 
der  staatlichen  und  städtischen  Behörden,  den  Herrn  Generalkonsul  der  Nieder- 
lande, den  Herrn  Rektor  der  Akademie,  die  Herren  Professoren  der  Geo- 
graphie unserer  Nachbaruniversitäten,  die  Herren  Delegierten  der  mit  uns 
befreundeten  auswärtigen  und  Frankfurter  Institute  und  Gesellschaften,  die 
Herren  Inhaber  unserer  goldenen  Rüppell-Medaille,  femer  unsere  Herren  Ehren- 
und  korrespondierenden  Mitglieder,  sowie  unsere  ordentlichen  Mitglieder  und 
lieben  Freunde  von  Nah  und  Fem  zu  begrüßen  und  ihnen  für  Ihr  Erscheinen 
unsera  verbindlichsten  Dank  zu  sagen,  heiße  ich  Sie  Alle  in  unserer  Mitte 
herzlich  willkommen! 

Den  Festvortrag  hielt  darauf  der  Leiter  unserer  Sunda- 
Expedition  Herr  Dr.  Elbert  über  die  wissenschaftlichen  Ergeb- 
nisse der  von  dem  Redner  geleiteten  Expedition  des  Vereins 
nach  den  Sunda-Inseln  1909/10.  Der  Vortrag  ist  im  vorliegenden 
Jahresbericht  Seite  5 — 35  zum  Abdruck  gelangt. 

Die  Reihe  der  Gratulanten  eröffnete  Seine  Exzellenz  der 
Herr  Oberpräsident  der  Provinz  Hessen-Nassau  Hengstenberg 
mit  folgender  Ansprache: 

Hochgeehrte  Fe  stv  er  Sammlung! 

Es  ist  mir  eine  Freude  und  Ehre,  dem  Verein  für  Geographie  und 
Statistik  auläßUch  seiner  heutigen  Jubelfeier  namens  der  Staatsbehörde  der 
Provinz  die  herzlichsten  Qlückwünsche  darbringen  zu  können.  Es  ist,  wie 
bereits  betont  wurde,  wohl  kein  Zweifel,  daß  in  dem  alten  Handelsemporium 
am  Main,  das  schon  seit  Jahrhunderten  für  die  deutschen  Staaten  ein  Ver- 
kehrszentrum bildete,  das  mit  allen  Weltteilen  in  kommerziellen  Beziehungen 


—     122    — 

stand,  früher  als  anderwärts  in  wissenschaftlich  angeregten  Kreisen  der 
Wunsch  entstand,  neben  den  verschiedenen  Zweigen  der  Naturwissenschaft, 
die  durch  das  Senckenbergische  Institut  ein  reiches  Arbeitsfeld  gefunden 
hatte,  auch  der  Erdkunde  und  ihren  verwandten  Wissensgebieten  eine  Pflege- 
stätte in  einem  besonderen  Verein  zu  errichten.  Gerade  auf  diesem  Boden 
mußte  die  Vermittlung  der  Kenntnis  von  den  geographischen  und  ethno- 
graphischen Verhältnissen  bisher  wenig  erforschter  Teile  des  Erdballes,  die 
Sammlung  des  statistischen  Zahlenmaterials  der  Kulturstaaten  auf  ein  be- 
sonders lebhaftes  Interesse  und  auf  eine  lebendige  Förderung  der  Bestrebungen 
des  Vereins  rechnen.  Auf  75  Jahre  seines  Bestehens  blickt  dieser  heute 
zurück,  und  in  der  Rückschau  darf  er  sich  der  freudigen  Überzeugung  hin- 
geben, daß  das  von  seinen  Gründern  auf  Anregung  Karl  Ritters  einst  auf- 
gestellte Programm  zielbewußt  von  ihm  innegehalten  und  den  gewaltigen 
Fortschritten  der  Wissenschaft  entsprechend  ausgebaut  worden  ist.  Seine 
Mitarbeit  bei  der  Errichtung  des  hiesigen  Völkermuseums,  die  Ausrüstung 
einer  eigenen  wissenschaftlichen  Expedition,  über  die  wir  soeben  so  interes- 
sante Mitteilungen  erhalten  haben,  legt  von  seiner  wachsenden  Bedeutung 
als  Bildungs-  und  Kulturträger  ein  vollgültiges  Zeugnis  ab.  Aber  mit  seiner 
Arbeit  hat  er  nicht  nur  der  Wissenschaft  wertvolle  Dienste  geleistet,  sondern 
er  hat  sich  auch  nationalen  Aufgaben  dienstbar  gemadit.  Nachdem  die 
Schranken,  die  zur  Zeit  der  Gründung  des  Vereins  zwischen  den  deutschen 
Staaten  und  Stämmen  vorhanden  waren,  gefallen,  nachdem  das  geeinigte 
Deutsche  Reich  in  die  Weltpolitik  eingetreten  und  zur  Erwerbung  über- 
seeischen Besitzes  übergegangen  ist,  wurden  auch  der  deutschen  geographi- 
schen Wissenschaft  neue  Aufgaben  gestellt;  sie  hatte  auch  ihrerseits  mitzu- 
arbeiten an  den  Grundlagen,  auf  denen  sich  die  wirtschaftlichen  und  politischen 
Aufgaben  unserer  überseeischen  Erwerbungen  vollziehen  konnten.  Zu  dieson 
Werke  auch  seinerseits  die  Bausteine  herbeigeschafft,  durch  seine  Veran- 
staltungen das  Interesse  für  unsere  kolonialen  Unternehmungen  wachgerufen, 
die  Kenntnis  der  unserem  Machtbereich  unterworfenen  Völker  und  unserer 
internationalen  Beziehungen  erweitert  zu  haben,  das  ist  ein  vaterländisches 
Verdienst  des  geographischen  Vereins  und  dafür  sollen  wir  ihm  dankbar  sein. 
Und  so  gebe  ich  denn  dem  Wunsche  Ausdruck,  daß  der  Verein,  wie  in  den 
letzten  75  Jahren,  so  auch  in  alle  Zukunft  blühen  und  immer  reicher  wirken 
möge  zur  Förderung  der  Wissenschaft,  zum  Nutzen  des  Vaterlandes  und  zur 
Ehre  dieser  Stadt! 

Die  Glückwünsche  der  Stadt  Frankfurt  überbrachte  Herr 
Oberbürgermeister  Dr.  A  dick  es: 

Hochansehnliche  Festversammlung! 

Gestatten  Sie  mir,  namens  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  und  namens  der 
Verwaltung  des  Instituts,  welches  speziell  mit  dem  Geographischen  VeieiB 
in  nähere  Beziehungen  getreten  ist,  des  Völkermuseums,  meine  herzlichsten 
Glückwünsche  darzubringen.  Wenn  die  Frage  aufgeworfen  wird,  wie  oft 
Vereine  große  Jubiläen  zu  halten  berechtigt  sind,  ob  nur  alle  öO  oder  100  Jahre 
oder  auch  darüber  hinaus,  so  hat  die  große  Versammlung,   die  ich  hier  tot 


—     123    — 

mir  sehe,  diese  Fn^  schon  zu  Qnnsten  der  75  jährigen  Feier  beantwortet, 
and  ich  glaobe  mit  Recht.  Ich  denke,  daß  das  Ooethe'sche  Wort:  ,Nar  der 
yerdient  sich  Freiheit  wie  das  Leben,  der  t&glich  sie  erobern  mnß'  auch 
für  Vereine  zutrifft,  nnd  daß  ein  Verein,  der  za  Beginn  des  achten  Jahr- 
zehntes seiner  Wirksamkeit  eine  Expedition  fem  hinaasgeschickt  hat,  die 
so  bedeutende  Resultate  zurückbrachte,  daß  ein  Verein  mit  solcher  Lebens- 
kraft wohl  das  Recht  hat,  das  75.  Jahresfest  zu  begehen.  Herzlich  sind 
darnm  die  Glückwünsche,  die  ich  entgegenbringe.  Wir  Älteren,  wir  können 
ja  nur  an  dieser  Feier  den  innigsten  Anteil  nehmen,  die  Jüngeren  aber  unter 
Ihnen  werden  sich  gegenseitig  zurufen:  Auf  Wiedersehen  in  25  Jahren! 

Namens  der  Kgl.  Niederländischen  Staatsregierung  sprach 
Herr  Generalkonsul  Jonkheer  van  Panhuys: 

Verehrte   Damen   und  Herren! 

Als  im  vorigen  Jahre  Herr  Dr.  Elbert  seinen  ersten  Vortrag  hielt, 
war  er  so  liebenswürdig  und  freundlich,  sowohl  mündlich,  als  auch  später 
in  seinem  Werke  der  holländischen  Regierung  zu  gedenken,  die  in  jeder 
Weise  Ihre  Sache  unterstützt  hat.  Es  ist  eigentlich  selbstverständlich,  daß 
eine  Regierung  eine  Expedition  unterstützt,  die  nicht  allein  wissenschaftlichen 
Wert  hat,  sondern  durch  die  auch  ihr  eigenes  Land  selbst  erforscht  wird. 
Die  holländische  Regierung  hat  sich  bemüht,  Herrn  Dr.  Elbert  zu  unter- 
stützen, aber  der  Verein  für  Geographie  und  Statistik  hat  dabei  ein  viel 
größeres  Verdienst  gehabt,  denn  er  hat  die  Expedition  aus  eigenen  Mitteln 
völlig  bestritten,  hat  die  Initiative  dazu  ergri£fen  und  sie  zu  diesem  wunder- 
baren Resultat  und  Abschluß  geführt.  Er  war  so  liebenswtirdig  und  auf- 
merksam, der  holländischen  Regierung  Duplikate  der  erforschten  Sammlung 
zu  überweisen.  Das  Buch,  das  über  diese  Reise  erschienen  ist,  hat  er  der 
Regierung  bereits  zur  Verfügung  gestellt  und  es  wird  gewiß  großes  Interesse 
erregen.  Ich  bin  beauftragt  von  meiner  hohen  Regierung,  dem  Geographischen 
Verein  herzlichen  Dank  zu  sagen  für  die  vielen  Bemühungen  der  Expedition 
und  das  erreichte  Resultat  und  herzliche  Glückwünsche  zum  Jubiläum  von 
heute  darzubringen. 

Geh.  Regierungsrat  Prof.  Dr.  Krümmel-Marburg  gratu- 
lierte namens  der  erschienenen  Vertreter  der  geographischen 
Wissenschaft  und  der  auswärtigen  geographischen  Gesellschaften : 

Hochansehnliche  Festversammlnng! 

Es  ist  mir  der  ehrenvolle  Auftrag  geworden,  namens  der  hier  er- 
schienenen Vertreter  der  geographischen  Wissenschaft  und  der  auswärtigen 
geographischen  Gesellschaften  ein  Wort  der  Begrüßung  und  des  Glückwunsches 
an  den  Frankfurter  Verein  für  Geographie  und  Statistik  zu  richten.  Dieser 
Ihr  Verein  ist,  wie  Sie  gehört  haben,  der  Zweitälteste  seiner  Art  auf  deutschem 
Boden;  nur  in  der  Berliner  Gesellschaft  für  Erdkunde  hat  er  seine  ältere 
Schwester  anzuerkennen,  und  diese  Gesellschaft  hat  es  sich  auch  nicht  nehmen 


—     124    — 

lassen,  einen  offiziellen  Vertreter  aus  ihrem  Vorstande  zur  heatigen  Festfeier 
zu  entsenden.  Wir  alle,  die  Vertreter  auswärtiger  Gesellschaften  und  aka- 
demischen Lehrer  der  Geographie,  bringen  Ihrem  Verein  unsere  herzlichsten 
Glückwünsche  dar,  mit  dem  Ausdruck  der  Anerkennung  für  die  bisher  er- 
zielten Erfolge  und  der  Zuversicht,  daß  diese  in  Zukunft  sich  noch  mehren 
und  steigern  werden. 

Die  geographischen  Gesellschaften  haben  in  der  Entwicklong  der 
modernen  Wissenschaft  von  der  Erde  eine  sehr  bedeutsame  Stelle  sich  er- 
rungen. Es  sind  nicht  nur  Vereinigungen  von  Persönlichkeiten,  die  sich 
durch  ausgedehnte  Reisen  in  unerforschte  Erdstriche,  durch  mntvoUes  Ein- 
setzen von  Leben  und  Gesundheit  hervorgetan  oder  durch  Forschungen  auf 
den  wissenschaftlichen  Gebieten  der  Geographie  Verdienste  erworben  haben, 
—  beide  Kategorien  können  an  Kopfzahl  nicht  eben  sehr  groß  sein  —  sondern 
vor  allem  auch  Vereinigungen  von  Freunden  dieser  Wissenschaft,  die  an  einer 
werktätigen  Förderung  der  geographischen  Forschung  jeder  Art  ihre  Freude 
haben  und  die  auch  bereit  sind,  Opfer  dafür  zu  bringen.  Mit  Hilfe  dieser 
Freunde  und  Gönner  der  Geographie  wird  es  dann  möglich,  Unternehmungen 
ins  Werk  zu  setzen,  deren  die  Geschichte  der  geographischen  Gesellschaften 
eine  stolze  Reihe  aufzuweisen  hat.  Die  Erforschung  des  Innern  Afrikas,  der 
Polar-Regionen  stehen  an  der  Spitze.  Der  heutige  Festvortrag  hat  gezeigt, 
was  der  Frankfurter  Verein  selbst  auf  diesem  Gebiete  zu  leisten  verstanden 
hat  und  dafür  muß  ihm  die  Wissenschaft  danken.  Indem  Sie  die  Berichte 
der  Forschungsreisenden  in  Wort  und  Bild  entgegennehmen  oder  sich  von 
den  gelehrten  Vertretern  der  Geographie  in  die  Werkstatt  wissenschaftlicher 
Arbeit  führen  lassen,  genießen  Sie  nicht  nur  die  Freude  des  Nachschauens 
und  Nachschaffens,  sondern  sie  tragen  so  wesentlich  dazu  bei,  der  Geographie 
die  ihr  zukommende  wichtige  Stellung  im  modernen  Leben,  in  unserer  Zeit 
einer  die  ganze  Erde  umspannenden  Weltpolitik  erringen  zu  helfen.  Das 
ist  doch  eine  sehr  wichtige  und  lohnende  Aufgabe,  die  den  geographischen 
Gesellschaften  obliegt  und  die  sie  auch  in  Zukunft  erfolgreich  betätigen 
werden.  Der  Frankfurter  Verein  für  Geographie  und  Statistik  wird  in  dieser 
Hinsicht  nicht  zurückstehen,  solange  er  sich  einer  so  ausgezeichneten  Leitung 
erfreut,  wie  sie  ihm  in  der  Person  Ihres  derzeitigen  Herrn  Vorsitzenden  ge- 
geben ist.  Das  ist  mir  der  Anlaß,  mich  noch  eines  zweiten  Auftrages  hier 
zu  dieser  festlichen  Stunde  zu  entledigen: 

Die  geehrte  Festversammlung  möge  gütigst  gestatten,  daß  ich  meine 
Worte  nunmehr  besonders  an  den  Herrn  Vorsitzenden  richte.  Herr  Hofrat 
Hagen !  Sie  haben,  seit  Sie  in  Frankfurt  a.  M.  Ihren  Wohnsitz  nahmen,  sich 
nicht  darauf  beschränkt,  in  dieser  Stadt  geographische  und  völkerkundliche 
Bestrebungen  jeder  Art  zu  unterstützen.  Sie  sind  in  amtliche  Beziehungen 
zur  Universität  Heidelberg  getreten.  Aber  .ein  besonders  freundliches  Ver- 
hältnis hat  Sie  an  die  Universität  Marburg  geknüpft.  Eine  innige  Freund- 
schaft verband  Sie  mit  meinem  Amtsvorgänger  Theobald  Fischer;  sie  beruhte 
auf  gegenseitiger  hoher  Wertschätzung.  War  es  doch  insbesondere  Theobald 
Fischer,  der  Ihre  wissenschaftliche  Bedeutung  sclir  früh  erkannte  und  Sie  zu 
würdigen  verstand.  Sie  haben  es  sich  dann  nicht  nehmen  lassen,  das  geo- 
graphische Seminar,  als  es  von  Marburg  herüberkam,  um  die  SammlitngeB 


—     125     — 

des  Völkermaseams  zu  besnchen,  in  mehrstandigen  Vorträgen  in  belehren, 
wie  es  den  Studierenden  anderwärts  nicht  so  geboten  worden  wäre.  Es  war 
nun  der  Herzenswunsch  unseres  verewigten  Freundes  Fischer,  dem  heutigen 
Festtag  Ihres  Vereins  dadurch  eine  besondere  Weihe  zu  verleihen,  daß  er 
die  philosophische  Fakultät  der  Universität  Marburg  veranlassen  wollte, 
seinem  verehrten  Herrn  Vorsitzenden  die  Würde  eines  Ehrendoktors  der 
Philosophie  zu  verleihen.  Theobald  Fischer  war  es  nicht  vergönnt,  diesen 
Tag  zu  erleben,  aber  sein  Vermächtnis  hat  Erfüllung  gefunden :  Im  Auftrage 
der  philosophischen  Fakultät  der  Universität  Marburg  habe  ich  die  Ehre, 
Herjr  Hofrat  Hagen,  Ihnen  hiermit  das  Diplom  eines  DoctorPhilosophiae 
honoris  causa  zu  überreichen,  und  entbiete  Ihnen  dazu  unsre  herzlichsten 
Glückwünsche ! 

Im  Namen  der  Frankfurter  Akademie  für  Sozial-  und 
Handelswissenschaften  sprach  ihr  derzeitiger  Rektor  Herr  Prof. 
Dr.  Panzer: 

Hochansehnliche  Versammlung! 

„Frankfurt  stickt  voller  Merkwürdigkeiten.'  So  schrieb  (Goethe  in 
einem  Briefe  an  seine  Gattin  Christiane  aus  jenen  gesegneten  Herbsttagen 
des  Jahres  1815,  da  er  hier  noch  einmal  erquickungsreiche  Einkehr  hielt  in 
seiner  Heimat,  in  seiner  Jugend.  Frankfurt  stickt  voller  Merkwürdigkeiten. 
Ich  rechne  zu  diesen  Merkwürdigkeiten,  meine  verehrten  Damen  und  Herren, 
den  Frankfurter  Verein  für  Geographie  und  Statistik,  Ihren  Verein,  ebenso 
wie  die  Hochschule,  in  deren  Namen  und  Auftrag  ich  Sie  zu  Ihrem  heutigen 
Jubeltag  aufs  herzlichste  beglückwünsche. 

Unsere  Stadt  hat  es  von  Anfang  an  verstanden,  den  Reichtum,  den 
eine  glückliche  Lage,  den  ein  mit  Intelligenz  und  Betriebsamkeit  geführter 
Handel  ihr  gaben,  auch  auf  die  Pflege  geistiger  Güter  zu  verwenden;  sie 
hat  der  Kunst  und  Wissenschaft  früh  und  mit  sicherer  Morgenwitterung 
eine  Heimstätte  bereitet  in  ihren  Mauern.  Ihr  Verein  wurde  gegründet  zu 
einer  Zeit,  als  sich  die  Geographie  durch  die  Bemühungen  Karl  Ritters  eben 
erst  entwickeln  konnte  zu  einer  wirklichen  Wissenschaft  mit  strenger  Methode, 
mit  einem  nach  außen  abgegrenzten,  nach  innen  reichen,  ja  kaum  überseh- 
baren Inhalt,  ward  gegründet  zu  einer  Zeit,  in  der,  wie  wir  gehört  haben, 
erst  drei  geographische  Gesellschaften,  Paris,  London,  Berlin,  bestanden. 
Sie  aber  haben  es  verstanden,  durch  75  Jahre  hindurch  Ihrem  Verein  eine 
gedeihliche  und  erfolgreiche  Wirksamkeit  zu  sichern.  Es  mag  Ihnen,  meine 
Damen  und  Herren,  allerdings  der  Charakter  der  Wissenschaft  entgegen- 
gekommen sein,  die  Sie  in  erster  Linie  pflegen.  Ich  darf  das  freilich  aus- 
sprechen :  alle  echte  Wissenschaft  will  erlebt  sein,  kann  nicht  gemacht  werden. 
Aber  in  keiner  anderen  Wissenschaft  wird  das  Erlebnis  so  sinnlich,  so  an- 
schaulich, so  äußerlich  persönlich,  wie  in  der  Geographie.  Die  Forschungs- 
reisenden, die  Sie  herbeiriefen,  damit  sie  hier  von  ihren  Arbeiten  und  Reisen 
berichteten,  sie  mögen  es  leicht  gehabt  haben,  das  Interesse  ihrer  Zuhörer  zu 
fesseln,  mit  ihren  Erzählungen  von  märchenhaften,  sehnsüchtigen  Femen. 
Aber  Sie  haben  damit  nicht  allein  etwa  einer  müßigen  oder  auch  berechtigten 


—     126     — 

Neugier  des  PabliknmB  gedient,  sondern  Sie  haben,  wie  mein  verehrter  Herr 
Vorredner  ansdrttcklich  aasgesprochen  hat,  zugleich  der  Wissenschaft  als 
solcher  wesentliche  Dienste  geleistet.  In  der  Tat,  es  wird  immer  die  eigent- 
liche und  erste  Aufgabe  des  (belehrten  sein,  im  stillen  Heiligtum  die  heilige 
Flamme  zu  nähren  und  zu  pflegen,  deren  Hut  ihm  anvertraut  ist.  Aber  auch 
für  ihn  selbst  ist  es  nützlich  und  förderlich,  dafi  ihm  öfter  Gelegenheit  ge- 
boten wird,  seine  Fakel  hinauszutragen,  damit  sich  zeige,  ob  sie  auch  draußen 
im  frischen  Wind  der  Öffentlichkeit  ihr  Licht  behält,  ob  sie  auch  da  noch  su 
glänzen  und  Wärme  zu  verbreiten  vermag.  Und  Sie,  meine  Damen  und  Herren, 
haben  mit  den  wissenschaftlichen  Vereinen  der  Stadt  das  Verdienst  erworben, 
den  wissenschaftlichen  Sinn  unter  den  Bewohnern  dieser  Stadt  zu  erhalten, 
Sie  haben  den  Boden  bearbeitet,  auf  dem  auch  unsere  Hochschule  aufgegangen 
ist,  Sie  haben  mit  an  den  Fundamenten  gemauert,  auf  denen  unser  Gebäude 
sich  erhebt.  Es  ist  in  ihm  ein  großer  Teil  der  wissenschaftlichen  Arbeiten 
Frankfurts  organisiert  worden.  Es  wird  dort  von  ständig  angestellten  und 
tätigen  Gelehrten  die  Wissenschaft  in  einem  regelmäßigen  Unterricht  ver- 
breitet, einem  Unterricht,  der  doch  noch  in  innerem  Zusammenhang  mit  den 
althergebrachten  wissenschaftlichen  Bestrebungen  Frankfurts  steht,  einem 
Unterricht,  der  zwar  auf  strengstem  wissenschaftlichen  Boden  steht,  es  dabei 
aber  doch  nicht  verschmäht,  beständig  Fühlung  zwischen  Wissenschaft  und 
Leben  zu  suchen,  der  nicht  verschmäht,  den  berechtigten  Forderungen  des 
Tages  gerecht  zu  werden.  Ihre  Tätigkeit,  meine  verehrten  Damen  und 
Herren,  behält  daneben  Berechtigung  und  Verdienst  und  wird  sie  behalten, 
auch  wenn,  wie  ich  hoffe,  eine  nahe  Zukunft  uns  den  weiteren  Ausbau  unserer 
Hochschule  zu  einer  wahren  Universitas  literarum  beschert.  Ich  bin  über- 
zeugt, es  wird  Ihnen  zu  Ihrem  100jährigen  Jubiläum  der  Rektor  der  künf- 
tigen Universität  Frankfurt  ebenso  dankbar  und  ebenso  aufrichtig  seine 
Glückwünsche  aussprechen,  wie  ich  es  heute  im  Namen  der  Frankfurter 
Akademie  Urnen  tun  durfte. 

Die  Grüße  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin  über- 
brachte Herr  Professor  Dr.  We gener,  der  Schriftführer  der 
Gesellschaft : 

Hochansehnliche  Festversammlung! 

Die  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Berlin  hat  mir  den  ehrenvollen  Auf- 
trag erteilt,  sie  heute  an  Ihrem  Ehrentage  hier  zu  vertreten.  Wir  Geographen 
pflegen  mit  besonderer  Genugtuung  festzustellen,  wie  die  große  Mannig- 
faltigkeit der  landschaftlichen  Formen  unseres  deutschen  Bodens  sich  in  der 
großen  Vielgestaltigkeit  des  ganzen  Lebens  unseres  Volkes  wiederspiegelt; 
ganz  besonders  ist  dies  der  FaU  auf  geistigem  Grebiete.  Niemals  hat  in 
Deutschland  eine  derartige  Konzentration  geistigen  Lebens  in  einer  einzelnen 
Hauptstadt  stattgefunden,  wie  das  bei  verschiedenen  anderen  Völkern  der 
Fall  ist,  sondern  eine  Fülle  von  geistigen  Zentren  ist  über  das  Land  aus- 
gestreut, von  denen  Ströme  geistigen  Lebens  jeder  Art  über  unser  Volk 
hinausgehen,  und  oft  ist  mit  Recht  betont  worden,  welch  ein  Segen  darin 
für  das  deutsche  Volk  liegt!    Gewiß,  es  ist  denkbar,  daß  bei  einem  Kon- 


—     127     — 

zentrieren  geistigen  Lebens  hier  nnd  da  eine  einzelne  bedeutsamere  Leistung 
zutage  gefördert  werden  wird,  als  es  bei  uns  möglich  ist,  aber  zweifellos 
ist  die  Gesamtsumme  der  geistigen  Leistungen,  das  Gesamtniveau  der  Kultur, 
bei  uns  in  Deutschland  dadurch  höher  geworden,  als  es  anderswo  der  Kall 
ist.  Auch  in  bezug  auf  die  Geographischen  Gesellschaften  sehen  wir  die- 
selbe Erscheinung.  Die  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Berlin,  wenngleich  sie 
die  älteste  der  deutschen  geographischen  Gesellschaften  ist,  hat  niemals  eine 
derartige  dominierende  Stellung  eingenommen  und  beansprucht,  wie  das 
beispielsweise  in  England  oder  Frankreich  der  Fall  ist,  sondern  sie  hat  stets 
im  Interesse  der  Allgemeinheit  mit  herzlicher  Freude  das  kraftvolle,  selb- 
ständige Leben  anderer  Gesellschaften  neben  ihr  begrüßt  und  verfolgt.  Das 
Gleiche  ist  auch  ganz  besonders  Ihnen  gegenüber  der  Fall,  und  in  diesem  Sinne 
bin  ich  beauftragt,  Ihnen,  der  Zweitältesten  Schwestergesellschaft,  unsere  herz- 
lichsten Glückwünsche  zu  überbringen.  Zu  meiner  großen  Freude  hat  Ihr 
Vorsitzender  schon  zu  Beginn  seiner  ganzen  Darlegungen  von  den  innigen 
Beziehungen  gesprochen,  die  gerade  zwischen  der  Berliner  und  der  Frankfurter 
Gesellschaft  bestehen,  hat  darauf  hingewiesen,  daß  der  geniale  Gründer 
unserer  Gesellschaft  auch  der  geistige  Vater  der  Ihrigen  gewesen  ist.  Es 
überhebt  mich  dies  der  Notwendigkeit,  auf  die  ganz  besonders  innigen  Be- 
ziehungen, die  zwischen  unseren  beiden  Gesellschaften  bestehen,  noch  weiter 
hinzuweisen.  Wenn  man  sonst  jemandem  zu  seinem  76.  Geburtstage  gratu- 
liert, dann  pflegt  das  doch  immer  nur  mit  Rücksicht  auf  die  Taten  zu  ge- 
schehen, die  geleistet  worden  sind,  und  die  Wünsche  nach  vorwärts  pflegen 
sich  zu  konzentrieren  auf  einen  sonnigen  Lebensabend.  Hier  aber  liegt  die 
Sache  anders.  Sie  sind  den  Jahren  nach,  ebenso  wie  die  Berliner  Gesell- 
schaft ein  Greis,  der  Kraft  nach  ein  Jtlngling,  der  mutig  und  stürmisch 
vorwärtsdringt.  Wie  sehr  dies  bei  Ihnen  der  Fall  ist,  das  beweisen  Sie 
nach  außen  hin  durch  die  glänzende  Expedition,  über  deren  erstaunliche 
Menge  von  Gesichtspunkten  wir  alle  voll  von  Bewunderung  sind,  und  wie 
sehr  das  auch  nach  innen  der  Fall  ist,  davon  können  wenige  so  gut  Zeugnis 
ablegen  wie  ich,  der  ich  so  oft  hierhergekommen  bin  und  genau  weiß,  welche 
Fülle  wissenschaftlichen  und  wirtschaftlichen  Lebens  in  Ihnen  pulsiert.  Und 
deshalb  gestatte  ich  mir,  den  offiziellen  Grüßen  und  Glückwünschen  noch 
meine  eigenen,  persönlichen  aufs  herzlichste  hinzuzufügen  und  Ihnen  in 
diesem  Sinne  zuzurufen:  Glückauf  zu  den  nächsten  25  Jahren,  und  hoffent- 
lich bin  ich  bei  Ihrem  JOO.  Jubiläum  auch  wieder  dabei! 

Seitens  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesell- 
schaft begrüßte  uns  der  erste  Direktor  der  Gesellschaft  Herr 
Prof.  Dr.  Knoblauch: 

Meine  verehrten  Damen  und  Herren! 

Wenn  die  Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft  am  heutigen 
Tage  den  Verein  für  Geographie  und  Statistik  zur  Feier  seines  75  jährigen 
Bestehens  begrüßt  und  beglückwünscht,  so  geschieht  es  vor  allem,  um  den 
engen    Beziehungen   aufrichtiger  und   herzlicher    Freundschaft 


—     128    — 

Aosdrack  zu  geben,  die  unsere  Gesellschaft  mit  Ihrem  Verein  seit  dessen 
Gründung  verbindet.  Es  geschieht  auch  in  voller  Würdigung  dessen,  was 
Ihr  Verein  in  treuer,  emsiger  Arbeit  auf  den  weiten  Gebieten  seiner  Tätig- 
keit in  drei  Vierteljahrhunderten  geleistet  hat,  auf  den  Gebieten  der  Geo- 
graphie, der  Statistik  im  weitesten  Sinn  und  der  Völkerkunde,  und  es  geschieht 
nicht  zuletzt,  um  Dmen  Dank  zu  sagen  für  die  reichen  Zuwendungen,  die 
unserem  Museum  aus  der  Ausbeute  Ihrer  Sunda-Expedition  geworden  sind, 
Zuwendungen,  über  deren  hohen  wissenschaftlichen  Wert  in  tier-  und  pflanzen- 
geographischer Hinsicht  schon  berichtet  worden  ist.  Zum  Ausdruck  dessen 
hat  unsere  Verwaltung  beschlossen,  Ihren  beiden  Vorsitzenden,  den  Herren 
Hofrat  Dr.  Hagen  und  Geh.  Justizrat  Dr.  von  Harnier,  sowie  Ihrem 
früheren  Vorsitzenden  Herrn  Geh.  Konsistorialrat  Prof.  Dr.  Bbrard,  dem 
verdienten  Mitglied  unserer  Bibliothekskommission,  dem  wir  zu  besonderem 
Danke  verpflichtet  sind,  die  außerordentliche  Ehrenmitglied- 
schaft anzubieten.  Ich  habe  die  Ehre,  Ihnen  die  Diplome  zu  überreichen. 
Möge  der  Geographische  Verein  das  erste  Jahrhundert  seines  Bestehens 
ruhmvoll  vollenden;  möge  er  weiter  blühen  in  die  Jahrhunderte  hinein,  in 
treuer  Pflege  der  Wissenschaft,  zum  Ruhme  Frankfurts  und  zur  Ehre  des 
deutschen  Namens! 

Die  Glückwünsche  einer  Gruppe  befreundeter  hiesiger 
Vereine  übermittelte  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Roediger,  der  Vor- 
sitzende der  S^nckenbergischen  Stiftungsadministration: 

Meine  Damen  und  Herren! 
Die  Vorstände  des  Physikalisehen  Vereins,  des  Ärztlichen  Vereins,  der 
Gesellschaft  für  Naturwissenschaftliche  Unterhaltung,  des  Taunus-Klubs,  der 
Sektion  Frankfurt  des   Deutsch-Österreichischen  Alpenvereins  und  die  Ver- 
waltung der  Senckenbergischen  Bibliothek  haben  sich  mit  der  Administration 
der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung  vereinigt,  um  Ihnen  gemeinsam  unsere 
aufrichtigen  und   herzlichsten    Glückwünsche  zu  Ihrem  heutigen  Jubelfest 
auszusprechen  mit  dem  Ausdruck  wärmster  Anerkennung  für  die  großen  Ver- 
dienste, die  sich  Ihr  Verein  in  den  abgelaufenen  76  Jahren  seines  Bestehens 
durch  seine  hervorragende  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Erd-  und  Staaten- 
kunde und   der  Statistik  erworben  hat.    Namentlich  aber  beglückwünschen 
wir  Sie  zu  dem  wissenschaftlich  hochbedeutsamen  Erfolg  Ihrer  Jubil&ums- 
Expedition.    Auch  Ihre  Wiege  hat  auf  dem  klassischen  Boden  am  Eschen- 
heimer Turm  gestanden,  und  auch  Sie  haben  mit  anderen  gleichgesinnten 
hiesigen    Vereinen    und    Gesellschaften    an    der    Verwirklichung     der    Idee 
Scnckenbergs   gearbeitet,   der   der  Wissenschaft  hier  einen   Tempel   baute. 
Die  Stiftungsadministration   bewahrt  aus   gemeinsamer  Tätigkeit   von  alten 
Zeiten  her  einen  reichen  Schatz  von  wertvollen  und  bedeutsamen  Erinnerungen 
an   das   gemeinsame  Streben  gleichgesinnter  Männer,  von  denen  eine  wohl 
verdient,  an  dem  heutigen  Tage  bei  der  Jubelfeier  Ihres  Vereins  erwähnt  zu 
werden.    Vor  gerade  30  Jahren  fiel  ihrem  Verein  das  Vermächtnis  Hei  nr ich 
G 1 0  g  a  u  *  s  zu,   dessen  Verwaltung   der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung  an- 
vertraut wurde.     Das  Schreiben,  welches  uns  dies   mitteilte   und    das  Dur 


—    129    — 

damaliger  erster  Vorsitzender,  einer  der  besten  nnd  tatkräftigsten  Mitbürger 
unserer  Stadt,  der  große  Hygieniker  Georg  Yarrentrapp  an  uns  rieh« 
tete,  schließt  mit  den  Worten:  ,Wir  begrüßen  alle  Maßnahmen  mit  Freuden, 
welche  das  Band  zwischen  der  Administration  des  Medizinischen  Institutes 
und  den  verschiedenen  hiesigen  naturwissenschaftlichen  Gesellschaften  fester 
schnüren  und  somit  dazu  beitragen,  eine  unter  der  Aegide  jenes  Instituts 
gestellte  naturwissenschaftliche  Akademie  mehr  und  mehr  zu  entwickeln.' 
Diese  prophetischen  Worte  werden  in  weiter  Ausdehnung,  so  hoffen  wir,  in 
unseren  Tagen  in  Erfüllung  gehen,  und  es  wird  die  Frucht  eines  gemeinsamen, 
zielbewußten  Strebens  in  der  Erfüllung  hoher  Kulturaufgaben  reifen,  ein 
Streben,  das  uns  auch  dauernd  weiter  verbunden  halten  wird. 

Für  eine  weitere  Anzahl  uns  nahestehender  Frankfurter 
Vereine  ergriff  Herr  Realgymnasialdirektor  Dr.  Liermann, 
der  Vertreter  des  Freien  Deutschen  Hochstifts,  das  Wort : 

Meine  Damen  und  Herren! 

Dem  75 jährigen  Jubilar,  der  uns  heute  so  besonders  schaffensfroh 
und  geistesfrisch  erscheint,  möchten  auch  das  Freie  Deutsche  Hochstift  und 
mit  ihm  sieben  andere  Vereinigungen,  die  durch  ihre  verwandten  wissen- 
schaftlichen und  Bildungs-Bestrebungen  ihm  nahestehen,  herzlichen  Geburts- 
tagsgruß bringen  mit  den  besten  Geleitwünschen  für  fernere  Tage.  Die 
Gratulanten,  die  ich  zu  vertreten  die  Ehre  habe,  sind  außer  dem  Hochstift 
der  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde,  der  Kaufmännische  Verein, 
der  Verein  für  das  Historische  Museum,  die  Deutsche  Kolonial-Gesellschaft, 
Abteilung  Frankfurt,  die  Anthropologische  Gesellschaft,  der  Verein  für  dag 
Völkerrouseum  und  die  Sektion  Frankfurt  der  Orientgesellschaft.  Nach  allem, 
was  wir  in  dieser  festlichen  Stunde  über  das  Lebenswerk  des  Jubilars  in  Gegen- 
wart und  Vergangenheit  gehört  haben,  dürfen  wir  wohl  auf  ihn  ein  Wort 
Goethe's  anwenden:  „es  ist  in  ihm  viel  Zukunft  vorhanden,  und  es  ist  gar 
nicht  abzusehen,  was  er  alles  leisten  und  wirken  wird".  Möge  seine  Zukunfts- 
arbeit unter  günstige  Vorbedingungen  gestellt  sein,  möge  er  seine  wissenschaft- 
liche, seine  pädagogische,  seine  weltwirtschaftliche  Mission  in  der  großzügigen 
Auffassung  erfüllen,  die  vor  hundert  Jahren  der  bei  der  heutigen  Feier  mit 
Recht  zu  Ehren  gekommene  Karl  Ritter,  der  schöpferische  Erneuerer  einer 
wissenschaftlichen  Geographie,  in  unserer  Vaterstadt  bekundete,  der  hier  als 
„Großberzoglich  Frankfurterischer  Gymnasialadjunkt*'  seine  bahnbrechenden 
Studien  trieb.  Möge  der  universale  Geist  Karl  Ritters  in  Frankfurt,  das 
sich  durch  ihn  gewissermaßen  als  die  Geburtsstadt  der  modernen  vergleichen- 
den Erdkunde  bezeichnen  darf,  und  im  Frankfurter  Geographischen  Verein, 
der  Ritter'sches  Erbgut  hütet,  lebendig  bleiben,  wie  bisher,  so  auf  immerdar ! 
Das  ist  der  Segenswunsch,  den  ich  im  Namen  aller  Vereinigungen,  die  das 
Hochstift  mit  ihrer  Vertretung  beauftragten,  auszusprechen  habe;  ich  will 
schließen  mit  dem  Gedanken  Platens : 

„Ein  jedes  Band,   das  noch  so  leise  /  Die  Geister  aneinander  reiht, 
Wirkt  fort  auf  seine  stille  Weise      /  Durch  unberechenbare  Zeit.*' 


—     130    — 

Für  die  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Leipzig  sprach  ihr 
Vorsitzender  Herr  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Hans  Meyer: 

Verehrte  Damen  und  Herren! 

Als  Yorsitxender  der  GeseUschaft  fftr  Erdkunde  zu  Leipsig  habe  ich 
die  ehrenyoUe  Mission  übernommen,  dem  Verein  für  Geographie  nnd  Statistik 
SU  Frankfurt  a.  M.  zu  seinem  75.  Geburtstag  die  w&rmsten  Glückwünsche 
seiner  mm  2b  Jahre  jüngeren  Leipziger  Schwestergesellschaft  za  überbringen. 
Als  im  März  dieses  Jahres  die  Leipziger  Gesellschaft  den  50.  Jahrestag  ihres 
Bestehens  festlich  beging,  hatten  wir  die  Frende,  Ton  Ihrer  Gesellschaft 
herzlichst  begrüßt  zn  werden,  and  wir  hoffen,  daß  Ton  diesem  Fest  der 
Eindruck  geblieben  ist,  daß  Leipzig  der  Frankfurter  Schwestergesellschaft 
die  vollste  Sympathie  entgegenbringt.  Zu  dieser  Sympathie  gesellt  sich  heute, 
wo  der  Frankfurter  Verein  auf  ein  75  jähriges  arbeitsreiches  Leben  zurück- 
blickt, unsere  bewundernde  Anerkennung  seiner  Leistungen.  Für  den  Geo- 
graphen, der  gewohnt  ist,  sich  bei  allen  Kulturerscheinungen  die  Frage  nadi 
dem  geographischen  Milieu  zu  stellen,  ist  es  selbstyerständlich,  daß  gerade 
hier  in  Frankfurt  a.  M.  eine  geographische  Gesellschaft  sich  zu  fruchtieidier 
Blüte  entwickeln  mußte,  wenn  nur  die  richtigen  Männer  an  seiner  Spitze 
standen.  Die  glückliche  geographische  Lage,  die  nach  allen  Seiten  weltweite 
Verkehrsbesiehungen  geschaffen  und  den  Blick  nach  aller  Herren  Länder 
richtete,  der  freie  Gteist  der  alten  immer  zu  neuer  Blüte  sich  entfaltenden 
Handelsstadt,  der  yon  jeher  den  Sinn  für  Wissenschaftlichkeit  schärfte,  das 
Mäoenatentum  hochdenkender  Bürger,  das  der  die  Erde  umspannenden  jungen 
geographischen  Wissenschaft  eine  breite  materieUe  Arbeitsbasis  schaffte,  das 
Vorhandensein  vieler  an  wissenschaftlichen  Schätzen  reicher  Sammlungen  und 
Bibliotheken,  und  manches  andere  mehr,  das  bildete  zusammen  einen  Nähr- 
und Lebensboden  für  eine  geographische  Gesellschaft,  wie  er  günstiger  kaum 
gedacht  werden  kann,  und  dazu  kam  dann  eine  lange  Reihe  hervorragender 
führender  Männer,  die  an  die  Tradition  illustrer  Vorbilder,  wie  das  eines  Rüppell, 
anknüpfen  konnten  und  den  Verein  immer  höheren  Zielen  entgegen  führten. 
Was  der  Verein  durch  seine  langjährigen  Publikationen,  durch  seine  in  weiteste 
Kreise  dringenden  Vorträge,  durch  seine  eigenen  Forschungsuntemehmungen 
zur  Hebung  der  geographischen  Wissenschaft  in  Deutschland  beigetragen  hat, 
sichert  ihm  einen  Ehrenplatz  in  der  Geschichte  der  deutschen  Wissenschaftspflege 
für  alle  Zeiten.  Daß  der  nun  75  jährige  in  gleicher  Jugendkraft  auch  seinen 
100.  Geburtstag  vollende,  das  wünscht  ihm  von  ganzem  Herzen  die  jüngere  geo- 
graphische Gesellschaft  in  Leipzig,  und  mit  diesem  Wunsche  habe  ich  die  Ehre, 
eine  Tabula  gratulatoria  der  Gesellschaft  Ihrem  Vorsitzenden  zu  überreichen. 

Den  Besclduß  der  Begrüßungen  machte  Herr  Prof.  Dr. 
Oestreich  aus  Utrecht  namens  der  Kgl.  Niederländischen 
Geographischen  Gesellschaft  zu  Amsterdam: 

Hochverehrte  Anwesende! 

Nicht  als  Frankfurter,  der  von  Kindheit  an  den  von  Dinen  veran- 
stalteten Vorträgen  folgen  konnte,  der  die  Liebe  zu  seiner  Wissenschaft 


—     131     — 

nicht  Kum  geringsten  Teil  Ihrem  Verein  und  dem  nahen  Verkehr  mit  den 
Mitgliedern  seines  Vorstandes  verdankt,  sondern  als  Vertreter  einer  aus- 
ländischen geographischen  Gesellschaft  wage  ich  es,  einen  Augenblick  noch 
Ihre  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  zu  nehmen.  Die  Niederländische  Geo- 
graphische Gesellschaft  zu  Amsterdam  ist  bedeutend  jünger  als  die  Ihrige; 
es  ist  in  den  Niederlanden  schwerer  geworden  als  hier  in  Deutschland,  eine 
Heimstätte  für  die  Pflege  der  Geographie  zu  finden,  aber  dafür  kann  man 
wohl  sagen,  daß  die  Geographische  Gesellschaft  zu  Amsterdam  alle  geo- 
graphischen Interessen  des  Landes  und  der  Kolonien  zusammenfaßt.  So 
fühlt  sie  sich  auch  Ihrem  Herrn  Vorsitzenden,  dem  neuen  Doktor  der  Uni- 
yersität  Marburg,  zu  besonderer  Dankbarkeit  yerpflichtet  für  den  tätigen 
Anteil,  den  er  als  Forscher  und  Anreger  an  der  wissenschaftlichen  Erschließung 
des  indischen  Archipels  bewiesen  hat  und  weiter  beweist. 

Seien  Sie  überzeugt,  daß  die  Festschrift,  die  zu  diesem  Tage  heraus- 
gegeben worden  ist,  in  den  Kreisen  der  Niederländischen  Geographischen 
Gesellschaft  zu  Amsterdam  der  Ausgang  neuer  Studien  und  neuer  Vertiefung 
in  die  wissenschaftlichen  Probleme  ihres  Kolonialgebietes  sein  wird.  Die 
Gesellschaft,  deren  weiterem  Vorstande  ich  anzugehören  die  Ehre  habe,  hat  mich 
beauftragt,  Ihnen  die  herzlichsten  und  wärmsten  Glückwünsche  zu  überbringen. 

Den  Dank  des  Vereins  brachte  Herr  Hofrat  Dr.  Hagen 
zum  Ausdruck: 

Die  freundlichen  und  wohlwollenden  Worte  der  Anerkennung,  die 
hohen  wissenschaftlichen  Ehrungen  und  Auszeichnungen,  die  uns  soeben  zu 
teil  geworden,  sind  uns  ein  Beweis,  daß  unser  Verein  sich  auf  dem  rechten 
Wege  befindet.  Wir  sind  uns  stets  bewußt  geblieben,  daß  wir  neben  der 
wissenschaftlichen  auch  eine  hohe  soziale  Aufgabe  zu  erfüllen  haben,  indem 
wir  die  Ergebnisse  der  Geographie  popularisieren  und  in  weitere  Kreise 
hineintragen,  als  es  yon  den  streng  wissenschaftlichen  akademischen  Lehr- 
stühlen aus  geschehen  kann.  Und  darum  können  auch  beide  Einrichtungen 
sehr  gut  nebeneinander  bestehen,  indem  sie  sich  gegenseitig  ergänzen.  Aus 
der  Geographie  blüht  hinwiederum  das  Interesse  an  unsem  Kolonien  und  ihren 
Völkern  empor,  die  ja  auch  einen  lebenswichtigen  Teil  unseres  Vaterlandes  bilden. 

Es  sei  mir  gestattet,  zunächst  dem  Vertreter  der  Staatsregierung,  Seiner 
Exzellenz  dem  Herrn  Oberpräsidenten,  unsern  tiefgefühltesten  Dank  zu 
sagen  für  seine  uns  hoch  ehrenden  Worte  der  Anerkennung.  Nicht  minder 
dem  Kgl.  Niederländischen  Generalkonsul  Jonkheer  yan  Panhuys  als 
Überbringer  der  Glückwünsche  der  Kgl.  Niederländischen  Staatsregierung, 
welche  uns  zu  besonderer  Genugtuung  gereichen  hinsichtlich  unserer  Jubi- 
läums-Expedition. Innigen  Dank  sodann  unserem  allverehrten  Herrn  Ober- 
bürger meiste  r  für  die  warmherzige  Würdigung  der  Tätigkeit  unseres 
Vereins,  der  gerade  unter  seiner  weitausblickenden  und  großzügigen  Ägide 
das  rechte  Feld  für  seine  Entfaltung  gefunden  hat  und  nach  Verwirklichung 
der  UnlYersitätspläne  noch  weiter  finden  wird.  Unsern  allerverbindlichsten 
Dank  femer  Herrn  Geheimrat  Prof.  Dr.  Krümmel,  sowohl  als  Sprecher 
dev  Hochschul- Geographen,   wie  der  auswärtigen  wissenschaftlichen  Gesell- 

9* 


—    132    — 

Schäften.  Ich  darf  unverhohlen  meiner  Freude  Ansdnick  geben,  daß  das 
Band  langjähriger  Freundschaft,  welches  uns  mit  der  Universität  Marburg 
verband,  auch  nach  dem  Tüde  unseres  unvergeßlichen  Theobald  Fischer 
fortdauern  soll,  und  nehme  in  diesem  Sinne  die  hohe  akademische  Würde, 
die  er  mir  als  Vorsitzendem  Namens  der  Universität  überbracht  hat,  mit 
tiefgefühltem  Dank  an.  Sodann  danke  ich  unserem  lieben  Freunde,  Herrn 
Prof.  Dr.  W  e  g  e  n  e  r ,  der  so  liebenswürdig  war,  die  Qrüße  der  älteren  Ber- 
liner Gesellschaft  zu  überbringen,  was  uns  mit  ganz  besonderer  Freude  erfüllt 
hat.  Ich  hoffe,  daß  die  beiderseitigen  guten  Beziehungen  der  vergangenen 
75  Jahre  nicht  nur  bis  zum  100.,  sondern  150.  und  200.  Jahre  dauern.  Auch 
Herrn  Prof.  Dr.  P an  z e  r  als  derzeitigem  Rektor  der  Akademie  möchte  ich  nicht 
verfehlen,  unsem  verbindlichsten  Dank  auszudrücken  in  der  Hoffnung,  daß 
die  Akademie  wie  bisher  so  auch  in  Zukunft  ihre  Sympathie  und  ihr  Wohl- 
wollen uns  bewahren  möge  nicht  blos  als  Akademie,  sondern  auch  als  Uni- 
versität Die  außerordentliche  Ehrung,  mit  welcher  uns  durch  den  Mund 
von  Herrn  Prof.  Dr.  K  n  o  b  l  a  u  c  h  die  Senckenbergische  Naturforschende  Gesell- 
schaft ausgezeichnet  hat,  erfüllt  uns  mit  freudigem  Stolz  als  Zeichen  des 
innigen  Hand-in-Hand-Gehens  mit  unserer  berühmten  älteren  Schwester,  mit 
der  uns  jetzt  schon  so  lange  Jahre  hindurch  engere  Bande  verknüpfen.  Auch 
ihr  unsern  wärmsten  Dank !  Aufrichtigen  und  herzlichen  Dank  femer  Herrn 
Sanitätsrat  Dr.  Rödiger  und  Herrn  Direktor  Dr.  Liermann,  welche  so 
liebenswürdig  waren,  uns  die  Grüße  und  Glückwünsche  einer  so  großen  An- 
zahl von  hiesigen  Gfesellschaften  und  Vereinen  zu  überbringen.  Wir  empfinden 
dieselben  freudig  als  Zeichen  treuer  Freundschaft  und  einträchtigen  Zusammen- 
arbeitens,  jeder  an  seinem  Teil;  streben  wir  doch  Alle  einem  Ziele  zu,  dem 
Wachsen,  Blühen  und  Gedeihen  unserer  lieben  Stadt  Frankfurt.  Ebenso 
danke  ich  unserem  hochverehrten  Freunde  Herrn  Geheimrat  Prof.  Dr.  Hans 
Meyer  für  die  liebenswürdigen  und  warmen  Worte,  die  er  namens  der 
Leipziger  Geographischen  Gesellschaft  unseren  Bestrebungen  gewidmet  hat, 
sowie  für  die  Tabula  gratulatoria,  deren  Überbringung  am  heutigen  Tage 
uns  zu  großer  Ehre  gereicht.  Wir  sind  überzeugt,  daß  die  langjährigen 
freundschaftlichen  Beziehungen,  welche  uns  mit  der  Leipziger  Schwester- 
gesellschaft und  ihrem  ausgezeichneten  Vorsitzenden  verbinden,  in  Zukunft 
in  ihrer  Herzlichkeit  stets  die  gleichen  sein  werden.  Herzlichen  Dank 
schließlich  Herrn  Prof.  Dr.  Oestreich- Utrecht  für  seine  und  die  im  Namen 
der  Kon.  Nederlandsch  Aardrijkskundig  Genootschap  zu  Amsterdam  dar- 
gebrachte freundliche  Begrüßung.  Seine  Worte  geben  uns  die  Gewißheit, 
daß  sich  in  den  Zielen,  welche  wir  verfolgt  und  zuletzt  durch  unsere  Ex- 
pedition zum  Ausdruck  gebracht  haben,  die  beiden  Gesellschaften  einander 
begegnen  und  einander  näher  gebracht  haben. 

Die  vom  Verein  beschlossenen  Ehrungen  verkündete 
hierauf  Herr  Generalsekretär  Dr.  Traut,  dem  vor  der  Sitzung 
von  Seiner  Exzellenz  dem  Herrn  Oberpräsidenten  die  ihm  anläß- 
lich des  Jubiläums  zuteil  gewordene  Ernennung  zum  Professor 
mitgeteilt  worden  war. 


—     133    — 

Hochansehnliche  Festversammlnng! 

unser  Verein  hat  in  seiner  75jährigen  Lebensdauer  viel  Gelegenheit 
gehabt,  die  geistigen  Gaben  hervorragender  Forscher  und  Lehrer  auf  den 
Gebieten  der  von  uns  gepflegten  beiden  Wissenschaften  dankbar  aufzu- 
nehmen. Umso  tiefer  und  freudiger  hat  er  bei  wichtigen  Abschnitten  in 
seiner  Geschichte  die  Verpflichtung  gefühlt,  soweit  es  in  seinen  bescheidenen 
Kräften  stand,  durch  Ehrungen  einen  Teil  dieser  Schuld  abzutragen.  Dabei 
empfanden  wir  es  aber  selbst  als  eine  noch  größere  Ehre,  daß  wir  die  so 
Ausgezeichneten  die  unsrigen  nennen  und  ihre  stolzen  Namen  in  unseren 
Mitgliederlisten  führen  durften.  Wenn  wir  die  Namen  unserer  verstorbenen 
und  noch  lebenden  Ehrenmitglieder  durchgehen,  so  fehlt  in  ihnen  kaum  einer 
von  den  Großen,  die  in  den  Tafeln  der  Geographie  oder  der  Statistik  mit 
ehernen  Lettern  eingetragen  stehen,  und  wir  dürfen  es  mit  Stolz  sagen,  bei 
vielen  von  ihnen  hatten  die  gemeinsamen  Bestrebungen  auch  zu  persönlicher 
Beziehung,  ja  enger  Freundschaft  geführt.  Freilich  hat  auch  die  jüngste 
Zeit  wieder,  seitdem  wir  uns  vor  5  Jahren  in  größerem  festlichem  Kreise 
zusammenfanden,  schmerzliche  Lücken  in  die  Reihe  unserer  Ehrenmitglieder 
gerissen;  ich  nenne  Alfred  Kirchhoff,  Richard  Boeckh,  Karl  Koldewey, 
Wilhelm  Reiß,  Reinhold  von  Werner,  Georg  von  Neumayer,  Graf 
Adolf  von  Goetzen,  Georg  Freiherm  von  Schleinitz,  Karl  Siden- 
bladh,  Emil  Blenck,  zuletzt  noch  Theobald  Fischer,  dessen  Tod  hier 
wie  ein  ganz  persönlicher  Verlust  gefühlt  wird,  da  uns  ein  Menschenalter 
hindurch  treueste  Freundschaft  verband. 

Es  ist  mir  nun  wieder  der  ehrenvolle  Auftrag  zuteil  geworden,  Ihnen 
die  Ehrungen  zu  verkünden,  welche  der  Vorstand  aus  Anlaß  des  75.  Stiftungs- 
festes des  Vereins  mit  Einstimmigkeit  beschlossen  hat.  Er  hat  folgenden 
Herren  die  Ehrenmitgliedschaft  des  Vereins  verliehen: 

Voran  stehe  ein  Name,  der  jeden  echten  Frankfurter  mit  Stolz  erfüllt  : 

Oberbürgermeister  Dr.  Franz  Adickes,  der  mit  unermüdeter 
Rastlosigkeit  für  das  Aufblühen  der  Wissenschaften  in  Frankfurt  Sorge 
trägt,  insbesondere  auch  den  Bestrebungen  unseres  Vereins  durch  die 
Begründung  eines  Lehrstuhls  für  Geographie  und  die  reiche  Ausstattung 
eines  geographischen  Instituts  an  der  Akademie  einen  starken  und  will- 
kommenen Rückhalt  gegeben  hat,  der  in  unseren  Tagen  mit  dem  sieg- 
haften Mute  der  Zuversicht  am  Werke  ist,  das  wissenschaftliche  Leben 
Frankfurts  zusammenfassend  durch  Begründung  einer  Universität  glänzend 
zu  krönen,  ein  Mann,  der  die  natürlichen  geographischen  Vorzüge  unserer 
Mainstadt  mit  weitem  und  schöpferischem  Blicke  erkennt  und  ausnutzt, 
um  unsere  Stadt  zu  einem  Mittelpunkt  moderner  Großindustrie  und  Welt- 
wirtschaft zu  erheben. 

Des  Weiteren  seien  von  hervorragenden  Lehrern  der  Geographie  an 
deutschen  und  ausländischen  Hochschulen  oder  Forschungsreisenden  und  Ge- 
lehrten genannt: 

Dr.  Eduard  Brückner,  Professor  an  der  Universität  Wien,  der 
ausgezeichnete   Klimatologe  und  Alpenlorscher,   dessen  Untenachungen 


—    134    — 

über  die  Vergletscherung  der  Alpen  in  dem  gemeinBam  mit  unserem 
Ehrenmitglied  Albrecht  Penck  herausgegebenen  monumentalen  Werke 
,Die  Alpen  im  Eiszeitalter"  niedergelegt  sind. 

Dr.  William  Morris  Davis,  Professor  an  der  Harvard  Universität 
in  Cambridge,  Mass.,  der  erfolgreiche  Begründer  der  amerikanischen  Geo- 
graphen-Schule und  der  rastlose  Pfleger  geomorphologischer,  auch  für  die 
deutsche  Forschung  bedeutungsvoll  gewordener  Studien. 

Dr.  Alfred  Hettner,  Professor  an  der  Universität  Heidelberg, 
der  hochverdiente  Erforscher  der  südamerikanischen  Kordilleren,  der  treff- 
liche Methodologe  der  Erd-  insbesondere  der  europäischen  Länderkunde, 
der  Begründer  und  Herausgeber  der  „Geographischen  Zeitschrift',  die  er 
zu  einem  unentbehrlichen  Organ  unserer  Wissenschaft  erhoben  hat. 

Dr.  Lucas  vonHeyden,  Kgl.  Major  a.  D.  und  Professor,  der  älteste 
Sektionär  der  mit  uns  seit  Anbeginn  eng  verbundenen  Senckenbergischen 
Naturforschenden  Gesellschaft  und  zugleich  seit  1867  Mitglied  unseres 
Vereins,  in  Würdigung  seiner  großen  Verdienste  um  die  Tiergeographie 
und  um  das  naturwissenschaftliche  Leben  unserer  Stadt  überhaupt. 

Geh.  Regierungsrat  Dr.  Otto  Krümmel,  Professor  an  der  Uni- 
versität Marburg,  der  anerkannt  führende  (belehrte  auf  dem  Gesamtgehiet 
der  Meereskunde  und  weitbekannte  Verfasser  des  grundlegenden  Hand- 
buchs der  Ozeanographie. 

Dr.  Otto  Nordenskjöld,  Professor  an  der  Universität  (Rothen- 
burg, der  energische  Leiter  und  Darsteller  der  schwedischen  Sfldpolar- 
Expedition,  der  wir  eine  wesentliche  Erweiterung  unserer  Kenntnis  der 
West-Antarktis  verdanken. 

Dr.  Eugen  Oberhummer,  Professor  an  der  Universität  Wien, 
der  bedeutende  Historiker  der  Geographie,  insbesondere  der  Elartenkunde, 
und  treffliche  Kenner  der  Kulturländer  des  östlichen  Mittelmeeres  und 
der  Siedelungen  des  klassischen  Altertums. 

Geh.  Hofrat  Dr.  Joseph  Part  seh,  Professor  an  der  Universität 
Leipzig,  der  ausgezeichnete  Kenner  der  Mittelmeerländer  und  ihrer  alten 
Kulturstätten,  Verfasser  der  bedeutsamen  Landeskunde  von  Schlesien 
und  von  Mitteleuropa. 

Dr.  Siegfried  Passarge,  Professor  am  Kolonialinstitat  in  Ham- 
burg, als  Verfasser  des  großen  Kalahari- Werkes  und  grundlegender  Arbeiten 
über  die  Morphologie  des  afrikanischen  Erdteils,  ein  hervorragender  Ver- 
treter der  deutschen  Kolonialgeographie. 

Dr.  Alfred  Philippson,  Professor  an  der  Universität  Bonn,  ein 
Gelehrter  von  wohlverdientem  Rufe  auf  dem  Gebiete  der  physikalischen 
Erdkunde  und  der  Geographie  von  Griechenland,  Kleinasien  und  Qesamt- 
Europa. 

Dr.  Fritz  Regel,  Professor  an  der  Universität  Wflrzburg,  in 
Würdigung  seiner  gründlichen  landeskundlichen  Arbeiten  über  Thüringen 
und  seiner  Forscherleistungen  in  Südamerika,  insbesondere  in  den  Anden 
von  Kolumbien. 

Dr.  Wilhelm  S  i  e  v  e  r  s ,  Professor  an  der  Universität  Gießen,  der 
tceifliohe  Kenner  Südamerikas,  vor  allem  der  Länder  Venesuela  und  Peru, 


—    185    — 

sowie  der  yerdienstYolle  Herausgeber  der  allbekannten  ,  Allgemeinen 
Länderkunde''. 

Dr.  Marc-Aurel  Stein  in  Oxford,  Qeneralinspektor  des  indischen 
archäologischen  Departements,  im  Hinblick  auf  seine  in  gefahrvollen 
Expeditionen  gewonnenen  epochemachenden  Entdeckungen  anf  archäo- 
logischem nnd  geographischem  Gebiete  in  Osttnrkestan  und  Westtibet. 

Dr.  Alexander  Supan,  Professor  an  der  Universität  Breslau,  der 
langjährige  frühere  Herausgeber  von  „Petermanns  Mitteilungen'  und  der 
Begründer  des  darin  enthaltenen  Jahresberichts,  der  Verfasser  einer  vor- 
trefflichen Charakteristik  Österreich-Ungarns  und  des  europäischen  Kolonial- 
gebietes sowie  eines  meisterhaften,  seine  zahlreichen  hochbedeutsamen  Ar- 
beiten auf  dem  Gebiete  der  physikalischen  Geographie  krönenden  Lehrbuchs. 

Diesen  Koryphäen  der  Geographie  schließt  sich  eine  Reihe  ausgezeichneter 
Statistiker  an,  zum  Teil  Vorstände  statistischer  Ämter,  welche  mit  uns  seit 
vielen  Jahren  im  Schriftenaustausch  stehen: 

Dr.  Richard  vanderBorght,  Pi^sident  des  Kaiserl.  Statistischen 
Amts  in  Berlin,  der  schon  in  seinen  früheren  Stellungen  als  Professor 
der  Nationalökonomie  und  als  Vortragender  Rat  im  Reichsamt  des  Innern 
sich  durch  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  wirtschaftlichen,  insbesondere  der 
Produktionsverhältnisse  Deutschlands  wesentliche  Verdienste  erworben  hat. 

Georg  Evert,  Wirkl.  Geh.  Oberregierungsrat  und  PiÜ^ident  des 
Kgl.  Preußischen  Statistischen  Landesamtes  in  Berlin,  in  Würdigung  seiner 
wirtschaftspolitischen  Forschungen  sowie  seiner  zahlreichen  Arbeiten  auf 
dem  Gebiete  der  inneren  Verwaltnngs-  und  Sozialstatistik. 

Dr.  Georg  v  o  n  M ay  r ,  Professor  der  Nationalökonomie  und  Statistik 
an  der  Universität  München,  Unterstaatssekretär  z.  D.  und  ehemaliger 
Vorstand  des  Kgl.  Bayerischen  Statistischen  Landesamts,  der  durch  seine 
Studien  über  die  Gesetzmäßigkeit  im  Gesellscbaftsleben  den  Ausbau  der 
Statistik  zu  einer  selbständigen  Wissenschaft  als  Teil  der  Gesellschafts- 
lehre erfolgreich  anstrebt  und  theoretisch,  wie  praktisch  eine  führende 
Stellung  in  der  Statistik  einnimmt. 

Prof.  Dr.  Ernst  Mi  seh  1er,  der  Präsident  der  K.  K.  Statistischen 
Zentralkommission  in  Wien,  der  jetzige  Chef  der  stets  in  hoher  Blüte 
stehenden  österreichischen  Statistik,  gleich  hervorragend  in  Wissenschaft 
und  Praxis,  mit  dessen  Namen  die  Begründung  der  provinzialständigen 
Statistischen  Bureaus  in  Österreich  eng  verknüpft  ist. 

Prof.  Dr.  Moritz  N  e  e  f  e ,  Direktor  des  Statistischen  Amts  der  Stadt 
Breslau,  der  vielseitige  tätige  Forscher  auf  dem  Gebiete  der  kommunalen 
Statistik  und  Begründer  und  Herausgeber  des  allgemein  bekannten 
^Statistischen  Jahrbuchs  deutscher  Städte". 

Zu  korrespondierenden  Mitgliedern  wurden  ernannt: 

Dr.  Hendrik  Blink  im  Haag,  Privatdozent  der  Geographie  an  der 
Universität  Leiden,  in  Würdigung  seiner  Verdienste  um  die  Pflege  der 
Landeskunde  der  Niederlande  und  ihrer  Kolonien  und  die  phjrsikalische 
Geographie  des  Rheinstroms. 


—     136    — 

Dr.  Georg  Greim,  Professor  und  Dozent  der  Geogn^hie  an  der 
Technischen  Hochschule  in  Darmstadt,  ständiges  Mitglied  des  Großhersogl.- 
Hydrographischen  Bureaus,  im  Hinblick  auf  seine  yortrefflichen  Arbeiten 
auf  dem  Gebiete  der  Landeskunde  von  Hessen  und  der  Alpengletscherkunde. 

Dr.  Fritz  Jäger,  Professor  für  Kolonialgeogpraphie  an  der  Uni- 
yersität  Berlin  und 

Dr.  Karl  ühlig,  Professor  der  Geographie  an  der  üniyersität 
Tübingen,  beide  wegen  ihrer  Verdienste  um  die  Erschließung  Ostafrikas, 
insbesondere  der  Untersuchungen  des  ostafrikanischen  Grabens  und  der 
Riesenkrater,  der  Erforschung  der  Gletschenrerhältnisse  am  Kilimandscharo 
und  der  wirtschaftlichen  Fähigkeiten  des  ostafrikanischen  Sohutsgebietes. 

Dr.  Hugo  M ertön  in  Heidelberg,  ein  Sohn  unserer  Stadt,  in 
Anerkennung  seiner. mit  großem  Erfolg  durchgeführten  Expedition  nach 
den  Aroe-  und  Kei-Inseln. 

Schließlich  noch  vier  um  unsere  Sunda-Expedition  wesentlich  rerdiente 
Forscher: 

Dr.  W.  yan  Bemmelen,  Direktor  des  Kgl.  Magnetischen  und 
Meteorologischen  Obseryatoriums  in  Batayia  wegen  der  Bearbeitung  der 
meteorologischen  Beobachtungen  der  Expedition, 

Dr.  Hans  Hallier,  Konseryator  am  Reichsherbarium  in  Leiden, 
im  Hinblick  auf  die  Bearbeitung  der  Pflanzen, 

Fräulein  Dr.  G.  M.  L.  Popta,  Gonsenratrice  am  Reichsnatur- 
historischen  Museum  in  Leiden  wegen  der  Bearbeitung  der  Ausbeute  der 
Sunda-Expedition  an  Süßwasserfischen, 

Dr.  Joseph  T  i  1  m  a  n  n  s ,  Abteilungsyorsteher  am  hiesigen  Städtischen 
Hygienischen  Institut,  wegen  der  zahlreichen  (Gestein-  und  Wasser-Analysen. 

Sodann  habe  ich  Ihnen  noch  yon  einigen  Verleihungen  derRüppell- 
Medaille  des  Vereins,  die  für  besonders  heryorragende  Verdienste  um  die 
yon  ihm  gepflegten  Wissenschaften  gestiftet  ist,  Mitteilung  zu  machen, 
zunächst  der  Rüppell-Medaille  in  Silber. 

Der  Vorstand  war  sich  nicht  lange  im  Unklaren^  wem  er  diese  Aus- 
zeichnung in  erster  Linie  zuerkennen  sollte.  Er  hat  sie  zunächst  dem  Manne 
yerliehen,  welcher  die  yon  unserem  Verein,  dank  der  opferwilligen  Mithülfe 
aus  den  Kreisen  seiner  Mitglieder,  ausgerüstete  Sunda-Expedition  geleitet  und, 
wie  wir  heute  wohl  mit  freudigem  Stolze  sagen  dürfen,  mit  gutem  Gelingen 
ausgeführt  hat,  zum  Nutzen  für  die  Wissenschaft  und  zur  Bereicherung 
unserer  heimischen  Museen.  Es  gereicht  dem  Vorstand  zur  lebhaften  Be- 
friedigung, durch  die  Verleihung  der  silbernen  Rüppell-Medaille  an  Herrn  Dr. 
Johannes  E  l  b  e  r  t  und  seine  gleichzeitige  Ernennung  zum  korrespondierenden 
Mitgliede  des  Vereins  unseren  Dank  und  unsere  Anerkennung  zum  Ausdruck 
zu  bringen. 

Zugleich  ergreift  der  Vorstand  heute  die  Gelegenheit,  der  tapferen 
Gattin  und  Begleiterin  Dr.  Elberts  für  die  Verdienste,  welche  sie  sieh  um 
das  gute  Gelingen  der  Expedition  erworben  hat,  auch  an  dieser  Stelle  herz- 
lichsten Dank  zu  sagen.   Ihre  eifrige  Mitarbeiterschaft  auf  den  yersohiedensten 


—     137    — 

Qehieten,  wovon  unser  Jnbilänmswerk  hinreichend  Kunde  gibt,  hat  den  Leiter 
der  Expedition  in  den  Stand  gesetzt,  seinen  speziellen  wissenschaftlichen 
Aufgaben  in  weiterem  Umfange  obzuliegen,  als  ihm  sonst  Zeit  und  Umstände 
gestattet  hätten.  Unsere  aufrichtige  Anerkennung  der  verdienstvollen  Tätigkeit 
von  Frau  Dr.  Elbert  hier  öffentlich  auszusprechen,  empfindet  der  Vorstand 
als  eine  angenehme  Pflicht. 

Eine  zweite  Rttppell-Medaille  in  Silber  haben  wir  dem  Kustos  des 
Geographischen  Instituts  der  Universität  Berlin  Prof.  Otto  B aschin  zuer- 
kannt, einem  eifrigen  Arbeiter  auf  dem  Qebiete  der  Geophysik  und  der 
Polarforschung,  ganz  besonders  aber  in  Würdigung  der  wichtigen  Dienste, 
die  er  den  Vertretern  der  wissenschaftlichen  Erdkunde  durch  die  Herausgabe 
der  großen,  jedem  Forscher  unentbehrlichen  Bibliotheca  geographica,  von  der 
bis  jetzt  15  Bände  erschienen  sind,  geleistet  hat. 

Wir  haben  des  weiteren  eine  RUppell-Medaille  in  Silber  verliehen 
einem  Manne,  der  uns  ganz  besonders  nahe  steht,  dem  Mitglied  unseres 
Vorstandes,  langjährigen  früheren  Direktor  des  Statistischen  Amtes  der  Stadt 
Frankfurt,  jetzigem  Stadtrat  und  Dozenten  an  der  Akademie  für  Sozial-  und 
Handelswissenschaften,  Prof.  Dr  Heinrich  Bleicher.  Wie  hoch  und  all- 
gemein er  im  Kreise  seiner  Fachgenossen  geschätzt  wird,  hat  sich  bereits 
durch  die  Ernennung  zum  ehrenamtlichen  Versicherungsbeirat  des  Kaiserl. 
Aufsichtsamts  für  Privatversicherung  und  zum  Mitglied  des  Internationalen 
Statistischen  Instituts  gezeigt.  Wir  schlössen  uns  diesen  Ehrungen  an  im 
Hinblick  auf  seine  hervorragenden  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Ver- 
sicherungs-  und  Verwaltungsstatistik,  insbesondere  auf  seine  mustergültige 
Organisation  einer  wissenschaftlichen  Statistik  der  Stadt  Frankfurt  und  ihrer 
näheren  Umgebung,  wobei  er  entsprechend  den  starken  sozialpolitischen 
Interessen  unserer  Stadt,  den  Fragen  der  Sozialversicherung  und  der  Arbeits- 
vermittlung eine  eingehende  Pflege  gewidmet  hat. 

Und  nun  zum  Schluß  zu  der  höchsten  Auszeichnung,  welche  unser 
Verein  zu  vergeben  hat,  nämlich  der  Eduard  Rüppell-Medaille  in  Gold. 
Auf  einstimmigen  Beschluß  des  Vorstandes  haben  wir  sie  einem  Manne  zu- 
erkannt, der  seit  20  Jahren  zu  unseren  Ehrenmitgliedern  zählt  und  stets  mit 
uns  die  freundschaftlichsten  Beziehungen  unterhalten  hat,  Geh.  Hofrat  Prof. 
Dr.  Hans  Meyer  in  Leipzig.  Geheimrat  Meyer  hat  nicht  nur  durch  seine 
wiederholten  Expeditionen  in  Deutsch- Ostafrika,  von  deren  letzter  er  vor 
14  Tagen  erst  heimgekehrt  ist,  sowie .  durch  vortreffliche  Darstellungen 
des  bereisten  Gebietes  sich  um  die  geographische  Erschließung  unserer 
Kolonie  große  und  bleibende  Verdienste  erworben,  sondern  auch  durch  seine 
eingehenden  Studien  der  Gletscherverhältnisse  am  Kilimandscharo,  dessen 
Bezwingung  ihm  als  Ersten  gelungen  ist,  sich  als  hervorragenden  Forscher 
erwiesen.  Von  nicht  geringerer  Bedeutung  sind  seine  ergebnisreichen  Unter- 
suchungen der  tektonischen  und  glazialen  Verhältnisse  der  ecuadorianischen 
Riesenvulkane,  welche  in  ihm  den  ausgezeichneten  Gelehrten  auf  dem  Gebiete 
der  physikalischen  Geographie  haben  erkennen  lassen.  Zugleich  hat  er  das 
unter  seiner  Leitung  stehende  Bibliographische  Institut  zu  einer  Hauptstätte 
der  Pflege  wissenschaftlicher  Landes-  und  Völkerkunde  erhoben.  Zu  diesen 
rein  geographischen  Arbeiten  gesellen  sich  in  zweiter  Linie  die  außerordent- 


—    138    — 

liehen  Verdienste,  welche  sich  Hans  Meyer  in  den  leisten  Jahren  und  besonders 
in  seiner  Eigenschaft  als  Vorsitzender  der  Landeskundlichen  Kommission  des 
Kolonialrates  am  die  Entwicklung  unserer  Kolonien  erworben  hat.  Zuletit 
aber,  und  dieses  war  auch  ein  uns  bestimmendes  Moment,  hat  Geheimrat 
Meyer  durch  die  hochherzige  Stiftung  einer  Kolonial-Professur  an  der  Uniyersität 
Berlin  alle  Freunde  der  Geographie  zu  dem  wärmsten  Danke  yerpflichtet. 
Auch  wir  haben  an  unserem  bescheidenen  Teile  nicht  yers&umen  wollen, 
diesem  Gefühl  durch  unseren  Beschluß  lauten  und  herzlichen  Ausdruck  lu  geben. 
Alle  die  genannten  Herren,  von  denen  wir  zu  unserer  Freude  die 
Herren:  Adickes,  Bleicher,  Elbert,  Greim,  Hettner,  yon  Heyden, 
Krümmel,  Merton,  Hans  Meyer,  Passarge,  Regel  und  Sieyers 
in  unserer  Mitte  heute  begrüßen  dürfen,  heiße  ich  im  Namen  des  Vorstandes 
herzlich  willkommen. 

Im  Namen  der  von  dem  Verein  ausgezeichneten  Gelehrten 
sprach  Herr  Geh.  Hof  rat  Prof.  Dr.  Hans  Meyer  hierauf  die 
folgenden  Dankesworte: 

Meine  yerehrten  Damen  und  Herren! 

Es  ist  eine  sehr  stattliche  Reihe  yon  Männern  der  geographischen 
Wissenschaft  und  yon  solchen,  die  sich  um  die  Statistik  yerdient  gemacht 
haben,  welche  heute  yon  dem  Verein  für  Geographie  und  Statistik  be- 
sonderer Ehrungen  für  würdig  befunden  wurden,  und  in  dieser  aller  Namen 
darf  ich  unseren  herzlichsten  Dank  aussprechen  dafür,  daß  wir  gerade  heute 
bei  einer  so  außerordentlichen  Gelegenheit  yon  dem  Verein  für  Geographie 
und  Statistik  ausgezeichnet  worden  sind.  Persönlich  möchte  ich  noch  meinen 
ganz  besonderen  Dank  für  die  Verleihung  der  Eduard  RüppeU-MedaiUe  in 
Gold  aussprechen.  Ich  weiß  selbst  am  besten,  inwieweit  meine  Leistungen 
hinter  dem  guten  Willen  zurückgeblieben  sind ;  das  habe  ich  gefühlt  aU  die 
24  Jahre,  in  denen  ich  mit  an  der  Entschleierung  unseres  Kolonialgebietes 
mitarbeite,  das  fühle  ich  besonders  jetzt,  wo  ich  eben  yor  wenigen  Tagen 
yon  meiner  fünften  Ostafrika-Reise  zurückgekommen  bin,  die  mich  diesmal 
in  die  entlegensten  Teile  unseres  Schutzgebietes  geführt  hat  Ich  darf 
wohl  die  Hoffnung  und  den  Wunsch  aussprechen,  in  Ihrer  Gesellschaft  im 
Laufe  dieses  Winters  etwas  eingehender  hierüber  Bericht  erstatten  zu  dürfen. 
Im  Namen  all  dieser  Herren  danke  ich  dem  Verein  für  Geographie  und 
Statistik,  und  ich  danke  besonders  im  Hinblick  darauf,  daß  diese  Medaille 
das  Bildnis  eines  Mannes  trägt,  der  mir  yon  jeher  durch  seine  unermüdlichen 
Forschungen  im  afrikanischen  Kontinent,  durch  seine  wunderyollen  Samm- 
lungen, die  er  methodisch  angelegt  hat,  und  seine  prachtyollen  gediegenen 
Publikationen  immer  ein  Vorbild  gewesen  ist. 

Mit  dem  frischen  Vortrag  des  Mendelssohn'schen  Chores: 
„Wem  Gott  will  rechte  Gunst  erweisen**  fand  die  Festsitzung 
ihren  würdigen  Abschluß. 


—    139    — 

Die  typographisch  hervorragend  schön  ausgeführte  Tabula 
gratulatoria  der  Leipziger  Schwestergesellschaft  hat 
folgenden  Wortlaut: 

Dem  Verein  für  Geographie  und  Statistik 
zu  Frankfurt  a.  M. 

der  während  der  dreiviertel  Jahrhunderte  seines  Bestehens 
in  vorbildlicher  unermüdlicher  Tätigkeit  an  der  glänzenden 
Entwicklung  der  geographischen  Wissenschaft  durch  eigene 
Forschungsunternehmungen,  durch  wertvolle  wissenschaftliche 
Veröffentlichungen  und  durch  eine  unabsehbare  Reihe  ge- 
diegener mündlicher  Vorträge  erfolgreich  mitgearbeitet  hat, 
entbietet  zu  seinem 

75.  Geburtstag 
die  wärmsten  Glückwünsche  und  freudigen  Chruß 

Die  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Leipzig. 

Hans  Meyer  H.  Reishauer 

Vorsitzender.  Schriftführer. 

Leipzig,  den  17,  Dezember  1911. 

Das  Festmahl,  das  abends  7  Uhr  im  festlich  geschmückten 
großen  Saale  des  Frankfurter  Hofs  stattfand  und  zu  dem  sich 
außer  einer  großen  Anzahl  von  Vereinsmitgliedern  mit  ihren 
Damen  unsere  Ehrengäste  fast  ausnahmslos  eingefunden  hatten, 
nahm  einen  angeregten  und  stimmungsvollen  Verlauf.  Wiederum 
hatten  wir  die  Ehre,  Seine  Hoheit  Herzog  Adolf  Friedrich  zu 
Mecklenburg  in  unserer  Mitte  begrüßen  zu  dürfen. 

Den  ersten  Trinkspruch  brachte  der  Vorsitzende  Herr 
Hofrat  Dr.  Hagen  auf  Seine  Majestät  den  Kaiser  und  König  aus : 

Euere  Hoheit!   Exzellenzen! 
Meine  Damen  und  Herren! 

Als  ich  im  Jahre  1879  hinausging  in  die  Welt,  da  mußte  ich  mit 
einem  französischen  Schiff  nach  einem  englischen  Hafen  fahren,  um  in  einer 
holländischen  Kolonie  ein  Feld  für  meine  Tätigkeit  zu  finden.  Ich  war  ja 
nur  ein  Deutscher,  und  kein  Mensch  draußen  kannte  die  deutsche  Flagge 
oder  schenkte  ihr  große  Beachtung.  Als  ich  aber  1886  zum  erstenmal  wieder 
nach  Hause  ging,  da  war  es  ein  großes  deutsches  Schiff,  das  nuch  heimwärts 
trug,  und  von  seinem  Heck  wehten  stolz  die  schwarz-weiß-roten  Farben. 
Heutzutage,  meine  Damen  und  Herren,  weiß  selbst  der  geringste  Eingebome 
an  den  Ktlsten  alier  Meere,  was  diese  Farben  bedeuten.  Wir  werden  nicht 
mehr  in  die  Ecke  geschoben,  wenn  wir  uns  draußen  in  der  Welt  sehen 
lassen;   wir  haben  unser  Plätzchen,  an  der  Sonne   erobert.     Wir  brauchen 


—    140    — 

ancb  nicht  mehr  in  fremde  Dienste  zu  treten,  wenn  ans  der  Forscherdrang 
hinanstreibt ;  wir  können  unsere  Studien,  unsere  Forschungen  auf  eigenem 
Grund  und  Boden  anstellen,  in  unseren  eigenen  Kolonien.  Den  größten 
Vorteil  von  dieser  Wandlung  hat  wohl  die  Geographie  gehabt.  Und  darum, 
meine  Damen  und  Herren,  ist  es  unsere  freudige  Pflicht,  heute  in  erster 
Linie  dessen  zu  gedenken,  der  mit  kraftvoller  Hand,  friedlichem  Sinn  und  ziel- 
bewußtem Blick  dieses  Aufblühen  unseres  Vaterlandes  geleitet  hat,  unseres 
Kaisers.  Meine  Damen  und  Herren,  Seine  Majestät  Wilhelm  II.,  unser  ge- 
liebter Kaiser  und  König  lebe  hoch! 

Herr  Geh.  Konsistorialrat  Prof.  Dr.  Ebrard  hieß  darauf 
die  Ehrengäste  mit  folgender  Ansprache  willkommen: 

Euere  Hoheit!    Exzellenzen! 
Hochansehnliche  Versammlung! 

Es  ist  mir  der  ehrenvolle  Auftrag  zuteil  geworden,  die  Ehrengäste 
unseres  Vereins  bei  diesem  festlichen  Mahle  namens  des  Vorstandes  will- 
kommen zu  heißen. 

Ehrerbietig  begrüße  ich  die  Herren  Vertreter  der  hohen  staatlichen 
Behörden,  die  die  Liebenswürdigkeit  gehabt  haben,  uns  durch  ihre  Anwesen- 
heit ihre  Anteilnahme  an  dem  heutigen  Erinnerungstag  des  Vereins  und 
ihre  Würdigung  seiner  wissenschaftlichen  und  gemeinnützigen  Bestrebungen 
kundzugeben. 

Ich  heiße  femer  die  Herren  Vertreter  der  städtischen  Behörden  unserer 
lieben  Stadt  Frankfurt  von  Herzen  willkommen.  Wir  freuen  uns,  es  heute 
einmal  laut  aussprechen  zu  können,  wie  lebhaften  Dank  wir  für  ihre  stete 
verständnisTolle  Förderung  empfinden  und  wie  tief  wir  durchdrungen  sind 
Yon  der  Wichtigkeit  der  Beziehungen,  die  unseren  Verein  seit  dreiTiertel 
Jahrhunderten  mit  unserer  Stadt  und  mit  ihren  Bewohnern  Terknflpfen. 
Gedacht  und  gegründet  zunächst  als  eine  Vereinigung  gleichstrebender 
Männer  zur  Pflege  der  erdkundlichen  Wissenschaft,  hat  sich  unser  Verein 
in  den  langen  Jahren  seines  Bestehens  immer  mehr  und  zielbewußt  zu  einer 
großen  Veranstaltung  entwickelt,  die  die  Kenntnis  der  Großtaten  der  For- 
schungsreisenden in  allen  Ländern  der  Erde,  wie  die  Ergebnisse  der  stillen 
Arbeit  der  Gelehrten  den  weitesten  Kreisen  der  Bürgerschaft  durch  Vor- 
träge zu  Termitteln  sich  bemüht.  Und  noch  einer  besonderen  Besiehung  des 
Vereins  zu  unserer  Stadt  und  speziell  zu  ihrer  Verwaltung  muß  ich  hier 
gedenken.  Seit  der  Verein,  wie  Sie  schon  heute  morgen  hörten,  auf  Veran- 
lassung unseres  unyergeßlichen  Georg  Varrentrapp  auch  die  Statistik 
in  sein  Programm  aufgenommen  hat,  ist  er  unablässig  bestrebt  gewesen, 
seine  Tätigkeit  auch  auf  diesem  Gebiet  für  die  Stadt  nutzbar  sn  machen: 
in  einer  eigenen  statistischen  Abteilung  hat  er  ein  Jahrzehnt  lang  die 
Statistik  der  Stadt  Frankfurt  selbständig  bearbeitet,  er  hat  dann  die  Anregung 
zur  Errichtung  des  im  Jahre  1865  ins  Leben  getretenen  Statistischen  Amtes 
der  Stadt  gegeben  und  unterhält  seitdem  zu  diesem,  dessen  früheren  und 
gegenwärtigen  Leiter  wir  heute  in  unsrer  Mitte  zu  sehen  die  Freude  haben, 
die  engsten  und  fruchtbarsten  Beziehungen.    Und  so  gereicht  et  uns  denn 


—     141     — 

aach  ZQ  besonderer  Genagtanng,  die  wissenschaftliche  Ausbeute  anserer 
Jabil&omB-Snndaexpedition  den  Museen  anserer  Stadt,  dem  Senckenbergischen 
und  dem  Völkermuseom  als  (beschenk  haben  überweisen  zu  dflrfen. 

Die  Erwähnung  unserer  Expedition  gibt  mir  willkommenen  Anlaß, 
in  der  Reihe  unserer  Ehrengäste  auch  ihres  verdienstTollen  Leiters,  des 
Herrn  Dr.  Johannes  Elbert  und  seiner  mutigen  Frau  Gemahlin,  sowie 
des  Herrn  Königlich  Niederländischen  Generalkonsuls  Jonkheers  yan  Pan- 
huys  dankbar  zu  gedenken,  dessen  tätiger  Verwendung  bei  der  König- 
lich Niederländischen  Staatsregierung  die  Expedition  ein  gutes  Teil  ihres 
Gelingens  schuldet. 

Wenn  ich  vorhin  als  eine  Hauptaufgabe  unseres  Vereins  die  Ver- 
mittelung  erdkundlicher  Erkenntnis  an  seine  Mitglieder  bezeichnete,  so  hat 
er  doch  yon  Anfang  an  dahin  gestrebt,  auch  an  seinem  eigenen  bescheidenen 
Teile  die  Wissenschaft  zu  fördern,  nicht  nur  in  der  langen  Reihe  seiner 
Jahresberichte,  sondern  auch  durch  stete  Fühlungnahme  mit  den  zahlreichen 
geographischen  Gesellschaften  des  In-  und  Auslandes,  die  im  Laufe  der  Zeit 
nach  und  neben  ihm  entstanden,  und  mit  den  Lehrern  der  Geographie  an 
den  deutschen  Hochschulen.  Es  gereicht  uns  daher  zu  großer  Freude,  unter 
den  Ehrengästen  des  heutigen  Tages  auch  eine  stattliche  Zahl  yon  Vertretern 
befreundeter  auswärtiger  Vereine  und  yon  Inhabern  geographischer  Lehr- 
stühle begrüßen  zu  dürfen,  deren  einer  unserem  Herrn  Vorsitzenden  und 
damit  auch  dem  Verein  heute  eine  so  hohe  Ehrung  ttberbracht  hat,  und  ich 
darf  wohl  in  diesem  Zusammenhang  mit  besonderer  Genugtuung  den  Herrn 
Rektor  unserer  Akademie  für  Sozial-  und  Handelswissenschaften  begrüßen, 
an  welcher  auch  unsere  geographische  Wissenschaft  durch  die  Errichtung 
eines  vortrefflich  ausgestatteten  Geographischen  Instituts  unter  der  bewährten 
Leitung  unseres  Herrn  zweiten  Vorsitzenden  eine  hervorragende  Vertretung 
gefunden  hat. 

Wissenschaftliche  und  zugleich  freundschaftliche  Beziehungen  sind  es 
auch,  die  uns  mit  einer  großen  Anzahl  von  Frankfurter  Anstalten  und  Ver- 
einen verbinden,  deren  Vertretern  ich  ebenfalls  namens  des  Vorstandes  für 
ihr  Erscheinen  und  für  ihre  uns  heute  dargebrachten  Glückwünsche  herzlich 
zu  danken  habe,  an  ihrer  Spitze  den  Repräsentanten  der  vier  seit  mehr 
als  einem  halben  Jahrhundert  mit  uns  zu  gemeinsamer  Tätigkeit  für  die 
Senckenbergische  Bibliothek  vereinigten  Körperschaften,  der  Senckenbergischen 
Stiftungsadministration,  der  altehrwürdigen  Senckenbergischen  Naturforschen- 
den Gesellschaft,  die  uns  heute  einen  neuen  und  unseren  Verein  so  hoch 
ehrenden  Beweis  ihrer  Freundschaft  gegeben  hat,  des  Physikalischen  und 
des  Ärztlichen  Vereins,  aber  auch  air  den  anderen  befreundeten  Frankfurter 
Gesellschaften:  ihnen  allen  sind  wir  zu  lebhaftestem  Dank  verpflichtet! 

Wende  ich  mich  nunmehr  schließlich  den  Ehrengästen  aus  dem  engeren 
Kreise  unseres  Vereins  zu,  ich  meine  seinen  Ehren-  und  korrespondierenden 
Mitgliedern,  sowie  den  Inhabern  der  höchsten  Vereinsauszeichnung,  der 
Eduard  Rüppell-Medaille,  so  überkommt  mich  freilich  zunächst  ein  Gefühl 
schmerzlicher  Trauer.  Wie  viele  der  ausgezeichneten  Männer,  deren  glänzende 
Leistungen  auch  unser  Verein  zu  ehren  sich  erlaubt  hatte,  sind  in  den 
siebenundzwanzig  Jahren,  seit  es  mir  vergönnt  wurde,   in  die  Leitung  des 


—     142     — 

Vereins  einzatreten,  dahingegangen !  Und  unter  ihnen  wie  viele,  deren  Ehrung 
ich  selbst  hente  Tor  fünfandzwanzig  Jahren  bei  dem  fünfzigjährigen  Yereins- 
jabilänm  verktlnden  durfte!  Ich  nenne  nor  einige  Namen,  deren  Tr&ger  in 
der  allerengsten  Beziehung  zu  uns  gestanden  haben:  Georg  Yar ren- 
trapp, Senator  Emil  von  Oven,  Hermann  Wißmann,  Friedrich  Ton 
Hellwald,  Heinrich  Brugsch,  Alfred  Kirchhoff,  Friedrich  Ratzel 
und  vor  allem  unseren  so  schmerzlich  beklagten  Theobald  Fischer!  Ihnen 
allen  weihen  wir  einen  stillen  Augenblick  piet&tvollen  Gedenkens!  Wir 
freuen  uns  dann  aber  auch,  daß  stets  neue  M&nner,  neue  Freunde  in 
die  Lücken  eingetreten  sind,  und  daß  wir  auch  heute,  wie  ehedem,  die 
besten,  die  angesehensten  Vertreter  der  beiden  von  uns  gepflegten  Wissen- 
schaften auch  die  Unsrigen  nennen  dürfen.  Viele  von  ihnen  weilen  zu 
unsrer  Freude  heute  unter  uns,  und  unter  ihnen  drei  Inhaber  unserer 
goldenen  Rüppell-Medaille :  Seine  Hoheit  Herzog  Adolf  Friedrich  zu 
Mecklenburg,  den  wir  nach  der  Rückkehr  von  seiner  an  Erfolgen  reichen 
zweiten  Afrika-Expedition  ehrerbietigst  begrüßen,  sodann  unser  alter  lieber 
Freund  Geheimrat  Julius  Euting,  der  erste  deutsche  Erforscher  Inner- 
arabiens, und  Geheimrat  Hans  Meyer,  der,  kaum  aus  Afrika  heimgekehrt, 
mit  dem  er  seinen  ruhmvollen  Namen  für  alle  Zeiten  verknüpft  hat,  es  sich 
nicht  hat  nehmen  lassen,  unseren  Ehrentag  mit  uns  zu  begehen.  Mit  ihnen 
begrüße  ich  zahlreiche  Ehren-  und  korrespondierende  Bfitglieder,  die  von  Nord 
und  Süd,  von  Deutschland  und  dem  Ausland  heute  zu  uns  gekommen  sind. 
Und  so  heiße  ich  Sie  denn  alle,  alle,  auch  den  Herrn  Vorsitzenden 
unseres  trefflichen  Frankfurter  Lehrervereins,  dessen  Mitglieder  unsere  Fest- 
sitzung mit  weihevollen  Klängen  zu  verschonen  so  freundlich  waren,  herzlich 
willkommen!  Ihnen  allen,  verehrte  Festgäste,  gilt  der  aufrichtige  Dank 
und  Gruß  des  Vereins,  Ihnen  allen  der  Ruf,  in  dem  ich  jetzt  unsere  Mit- 
glieder einzustimmen  bitte:  Unsere  hochverehrten  Ehrengäste  leben  hoch! 
hoch!  hoch! 

Den  Dank  der  Ehrengäste  brachte  Herr  Geh.  Regierungsrat 
Prof.  Dr.  Euting  zum  Ausdruck: 

Gestatten  Sie  mir  im  Namen  der  Ehrengäste  dem  Verein  für  Geographie 
und  Statistik  unseren  allerverbindlichsten  Dank  auszusprechen  für  die  freund- 
liche Einladung,  die  uns  in  die  angenehme  Lage  versetzt  hat,  demselben  zu 
seinem  heutigen  75.  Geburtstagsfest  die  besten  Glückwünsche  darzubringen. 
Es  kann  einem  im  gewöhnlichen  Leben  passieren,  daß  man  einem  70-,  80 
oder  mehrjährigen  verehrten  Manne  seine  Gratulation  darbringen  will  und 
zu  seinem  größten  Erstaunen  mit  einem  widerwärtigen  verdrießlichen  Glicht 
empfange  wird,  als  ob  man  den  zu  Verehrenden  auf  diese  zarte  Weise  an 
sein  zu  hohes  Alter  und  an  seinen  demnächstigen  baldigen  Abgang  erinnern 
wollte.  Solche  unfreund  liehe  Gesichter  habe  ich  übrigens  heute  nicht  be- 
merkt —  haben  Sie  vielleicht  ?  —  und  woher  kommt  das  ?  Das  kommt  daher, 
weil  das  Geburtstagskind  von  heute  eben  kein  Greis  von  75  Jahren  ist, 
sondern  noch  derselbe  Jüngling  voll  strotzender  Schaffenskraft,  wie  er  sich 
vor  75  Jahren  selbst  in  die  Welt  gesetzt  und  seine  Tatkraft  mit  der  Zeit 


—    143    — 

noch  befestigt  hat.  Ich  kann  hier  nicht  noch  einmal  anf  die  Verdienste  des 
Vereins  eingehen,  dieselben  sind,  glaube  ich,  hente  genügend  herrorgehoben 
worden  (Heiterkeit).  Wer  aber  daheim  im  stillen  Kämmerlein  die  lange 
Reihe  der  Jahresberichte  der  Gesellschaft  dorchliest  oder  besser  dnrchstiidiert, 
der  wird  mit  steigender  Bewondening  empfinden,  welche  Menge  Ton  Arbeit 
der  Verein  selbst  geleistet  nnd  darch  Andere  zur  Krönung  gebracht  hat. 
Nnn  kann  man  in  allen  Vereinen  eigentlich  die  Erfahrung  machen,  daß 
sowohl  ihr  Aufleben  und  ihr  Gedeihen,  als  auch  unter  umständen  ihr  Ver- 
schwinden und  Niedergang  oft  an  wenigen  Personen,  ja  manchmal  an  einer 
einzigen  Person  des  Vorstandes  hängt.  Und  dahin  setze  ich  auch  das  Haupt- 
Terdienst  und  das  Geheimnis  der  Art  und  Weise,  wie  der  Verein  sich  seinen 
Platz  erobert  hat.  Er  hat  es  verstanden,  in  den  Vorstand  immer  die  richtigen 
Leute  zu  wählen,  die  in  unverdrossener  Mtlhe  und  Arbeit  alles  darangesetzt 
haben,  ihre  eigenen  Arbeiten  zur  Vollendung  zu  bringen,  andere  zu  ermuntern 
oder  auch  materiell  zu  unterstützen  und  die  Resultate  der  wissenschaftlichen 
Forschung  nicht  allein  den  Fachleuten  engerer  Gattung,  sondern  auch  einem 
—  sozusagen  —  humanitären  Publikum  näherzubringen.  Ich  will  nun  nicht 
die  Hoffnung  aussprechen,  daß  wir  noch  beim  100.,  oder  sogar,  wie  heute 
Vormittag  gesagt  wurde,  beim  200.  Geburtstag  anwesend  sein  könnten,  aber 
der  Verein,  der  wird  den  100.  und  200.  Geburtstag  erleben,  dafür  wird  er 
selbst  sorgen.  Das  übrige,  das  kann  uns  kalt  lassen,  denn  wir  sind  bis 
dahin  nicht  mehr  nötig.  Ich  bitte  jetzt  die  verehrten  Ehrengäste,  sich  mit 
einem  Glas  zu  versehen  und  dasselbe  auf  das  Blühen  und  Gedeihen  unseres 
Vereins  zu  leeren. 

Auf  die  neuernannten  Ehrenmitglieder  sprach  Herr  Prof. 

Dr.  Deckert: 

Verehrte  Festgenossen! 

Wenn  der  Verein  für  Geographie  und  Statistik  an  seinem  75.  Ge- 
burtstag in  der  Blüte  und  in  der  wissenschaftlichen  Aktionsfähigkeit  vor 
Ihnen  steht,  wie  Sie  es  heute  morgen  beobachtet  haben,  so  verdankt  er  das, 
wie  mein  verehrter  Herr  Vorredner  schon  betont  hat,  ohne  Zweifel  in  erster 
Linie  den  Männern,  die  hier  am  Ort  in  treuer  Hingabe,  mit  weitem  Blick 
und  großzügigem  Sinn  von  Kriegk  bis  auf  Ebrard  und  Hagen  auf  die  Pflege 
des  Vereins  bedacht  gewesen  sind.  In  zweiter  Linie  verdankt  er  aber  sein 
Blühen  und  Gedeihen  und  seine  wissenschaftliche  Leistungsfähigkeit  jenen 
unerschrockenen  Pionieren,  die  an  den  Bergzinnen  des  Thianschan  und 
Himalaya,  der  europäischen  Alpen,  der  Anden  und  des  Kilimandscharo  ebenso 
wie  in  den  tropenschwülen  Wäldern  Afrikas,  Südamerikas  und  Indonesiens 
und  in  den  Treib-  und  Packeismassen  am  Nord-  und  Südpol  wissenschaft- 
lichen Problemen  der  Erdkunde  nachgegangen  sind.  Diese  Pioniere  haben, 
wenn  sie  bei  uns  hier  berichteten,  jene  Zugkraft  ausgeübt,  die  zu  der  be- 
kannten großen  Wallfahrt  an  jedem  Mittwoch  abend,  auch  in  Sturm  und 
Regen,  nach  der  Eschersheimer  Landstraße  geführt  hat.  Aber  auch  den 
streng  fachmännischen  Vertretern  der  wissenschaftlichen  Erdkunde  und  Länder- 
und Völkerkunde  ist  der  Verein  für  sein  Blühen  und  Gedeihen  zu  Dank  ver- 


—     144    — 

pflichtet,  den  Männern,  die  die  Bausteine,  welche  von  den  Pionieren  herbei- 
getragen worden  und  welche  sie  mit  eigener  Hand  dranßen  gesammelt  haben, 
za  jenem  stattlichen  Ban  zusammenfügten,  als  welcher  die  wissenschaftliche 
Erdkunde  heute  dasteht.  Sie  haben  allgemach  eine  recht  stattliche  Nische 
in  den  allgemeinen  Tempel  der  Wissenschaft  hineingebaut,  wenn  vielleicht 
auch  dieser  oder  jener,  der  in  einer  anderen  Nische  sitzt,  oder  an  einer 
anderen  Nische  baut,  das  bis  jetzt  noch  nicht  vollerkannt  und  gewürdigt  hat. 
Die  fachmännischen  Vertreter  der  Erdkunde  haben  dafür  gesorgt,  daß  den 
Mitgliedern  des  Vereins  nicht  blos  süße  Speise  aufgetragen  wurde,  sondern 
auch  manches,  was  Mark  und  Knochen  hatte.  Und  so  haben  wir  im  Vor- 
stande des  Vereins  für  Geographie  und  Statistik  immer  darauf  Bedacht  ge- 
nommen, jene  Pioniere  und  jene  Männer  der  Wissenschaft  zu  den  unsrigen 
zu  zählen,  und  wir  haben  eine  stattliche  Zahl  davon  zu  unseren  Ehrenmit- 
gliedern ernannt.  Sie  lesen  auf  diese  Weise  in  unserem  Mitgliederveneichnis 
Namen,  wie  sie  heute  vormittag  an  ihre  Ohren  geklungen  sind:  Karl  Ritter, 
Eduard  Rüppell,  Ferdinand  von  Richthof en,  Heiniich  Kiepert, 
Prjevalsky,  Vivien  de  Saint-Martin  und  zahlreiche  andere,  und  wenn 
Sie  die  Liste  der  lebenden  Ehrenmitglieder  überblicken,  so  finden  Sie  auch 
in  ihr  noch  zahlreiche  glänzende  Namen.  Heute  morgen  haben  wir  diese 
Liste  weiter  ergänzt  durch  eine  lange  Reihe  von  Namen,  die  ebenfalls 
einen  hohen  und  hellen  Klang  haben,  weit  über  die  Grenzen  des  deutschen 
Landes  hinaus.  Meine  verehrten  Festgenossen,  ich  fordere  Sie  auf,  mit  mir 
anzustoßen  auf  das  Wohl  unserer  Ehrenmitglieder,  der  alten  ebenso  wie  der 
neu  ernannten:  Unsere  Ehrenmitglieder,  sie  leben  hoch! 

Auf  das  Forscherpaar  Dr.  Elbert  toastete  Herr  Hofrat 
Dr.  Hagen: 

Als  Dr.  Kriegk  in  der  konstituierenden  Versammlung  unseres  Vereins 
am  9.  Dezember  1836  seinen  ersten  Vortrag  über  die  Ziele  und  Zwecke  des 
Vereins  hielt,  da  betonte  er,  daß  die  Geographie  in  Frankfurt  a.  M.  zwar 
festen  Fuß  fassen  könne,  indem  alle  Vorbedingungen  dazu  gegeben  seien,  er 
glaubte  aber,  daß  es  dem  neuen  Verein  wahrscheinlich  niemals  gelingen 
werde,  eine  Expedition  hinauszuschioken,  gleichwie  die  britische  Qeographical 
Society,  und  daß  er  sich  deshalb  auf  sein  engeres  Vaterland  beschränken 
müsse.  —  Diese  Worte  Kriegks  klangen  mir  stets  wie  eine  Mahnung,  ein 
Vermächtnis  gewissermaßen,  das  die  Qründer  uns,  den  Epigonen,  hinterlassen 
haben !  Ich  freue  mich,  daß  wir  zu  unserem  75.  Stiftungsfest  in  der  Lage 
waren,  dieses  Vermächtnis  einzulösen !  Wir  haben  es,  mit  Stolz  darf  ich  es 
sagen,  fertiggebracht,  wirklich  eine  Expedition  größeren  Stiles  zur  Lösung 
einer  bedeutsamen,  wissenschaftlich-geographischen  Frage  hinauszusenden.  — 
Wir  haben  uns  gesagt :  wenn  die  Geographische  Gesellschaften  von  Hamburg, 
Berlin  und  Leipzig  das  zu  tun  imstande  sind,  warum  sollen  wir,  die  Zweitälteste 
Geographische  Gesellschaft,  es  nicht  auch  tun  können?  Da  haben  wir  uns 
denn  zusammengesetzt  und  ausgerechnet,  daß,  wenn  wir  recht  vorsichtig  sind 
und  uns  etwas  vom  Munde  absparen  (Heiterkeit),  wir  dann  in  der  Lage  sein 
würden,  nach  und  nach  die  nötigen  Mittel  zusammen  zu  bekommen.  —  und 


—     145    — 

siehe  da,  nachdem  wir  eine  Reihe  von  Jahren  gespart  hatten,  nachdem  gate 
Freunde  und  Gönner  unserer  Qesellschaft  mit  uns  im  Frankfurter  Uof  (Heiterkeit) 
gedarbt  hatten,  war  das  Ziel  erreicht!  Auch  die  Aufgabe  stand  von  vorn- 
herein fest.  Es  war  wahrlich  keine  kleine,  und  sie  schien  im  Verhältnis  zu 
den  vorhandenen  Mitteln  fast  zu  groß.  —  Monatelang  haben  wir  dann  wieder 
zusammen  beraten,  erwogen,  geprüft  und  verglichen,  bis  wir  schließlich  Alles 
in  Übereinstimmung  gebracht  hatten.  —  Es  handelte  sich  jetzt  darum,  den 
Mann  zu  finden,  welchem  eine  solche  Aufgabe  übertragen  werden  konnte.  Wir 
brauchten  glücklicherweise  nicht  lange  zu  suchen.  Herr  Dr.  Elbert,  der 
verehrte  Inhaber  unserer  Rüppell-Medaille,  bot  uns  nach  allen  Richtungen 
hin  die  besten  Garantien  für  gutes  Gelingen.  Ausgerüstet  mit  all  den 
Kenntnissen,  die  nötig  waren,  um  eine  solche  Expedition  durchzuführen,  voll 
Jugendkraft  und  Jugendmut  ist  er  dann  auch  hinausgegangen,  und  wir 
können  mit  Stolz  sagen,  und  Sie  werden  es  in  unserer  Festschrift  auch  lesen, 
daß  er  nach  jeder  Richtung  hin  seine  vollen  Kräfte  darangesetzt  und  eine 
tüchtige  Arbeit  geleistet  hat,  um  gute  Resultate  mit  nach  Hause  zu  bringen.  — 
Meine  Damen  und  Herren,  es  ist  wirklich  keine  Kleinigkeit  in  einem  wilden 
Lande  wissenschaftlich  zu  arbeiten!  Wer  es  selbst  mitgemacht  hat,  weiß, 
welch  enorme  Energie  dazu  gehört,  wenn  man  tagsüber  nicht  aus  den  nassen 
Kleidern  herausgekommen  ist,  Hunger  und  Durst  leiden  muß,  von  Feinden 
und  wilden  Tieren  umlauert,  nach  der  Ankunft  im  Biwak  den  totmüden 
Körper  nicht  vom  Schlafe  überwältigen  zu  lassen,  sondern  sich  noch  stunden- 
lang hinzusetzen  und  Alles  schriftlich  niederzulegen,  was  man  gesehen  und 
erforscht  hat.  Und  noch  mehr  Entsagung  und  Willenskraft  gehört  dazu, 
dem  tückischen  Zufall  beherzt  die  Stirn  zu  bieten,  wenn  man  an  dem  be- 
stimmten Platze  das  Zelt  nicht  vorfindet,  wenn  man  im  strömenden  Regen 
stundenlang  warten  muß,  bis  endlich  die  Spitze  der  Trägerkarawane  aus 
dem  Dunkel  des  Urwaldes  auftaucht ;  —  wenn  man  sich  hungrig  und  durstig 
auf  die  Eßkiste  stürzt,  die  sich  schließlich  als  eine  Kiste  mit  Reservestiefeln 
und  Dynamit-Patronen  entpuppt,  während  die  wirkliche  Proviantkiste  erst 
nach  weiterem  stundenlangen  Warten  auftaucht !  Das  sind  Dinge,  von  denen 
man  keine  Ahnung  hat,  wenn  man  alle  die  schönen  Sachen  in  den  Museen 
betrachtet;  sie  verraten  uns  nicht,  unter  welch  unendlichen  Mühen  und 
Gefahren  sie  manchmal  erworben  worden  sind.  Und  da  muß  ich  sagen: 
Herr  Dr.  Elbert  hat  hier  sein  Bestes  getan  und  die  Erwartungen,  die  wir 
in  ihn  gesetzt  hatten,  noch  übertrofien.  Aber  soviel  wir  ihm  auch  zutrauten, 
ich  glaube,  er  wäre  nicht  imstande  gewesen,  das  Alles  zu  leisten,  wenn  er 
nicht  einen  besonderen  Schutzgeist  zur  Seite  gehabt  hätte!  Und  dieser 
Schutzgeist  war  seine  verehrte  Gattin.  Sie  hat  ihn  auf  der  ganzen  Reise 
begleitet,  hat  alle  Strapazen  mitgemacht;  sie  ist  durch  den  Urwald  und 
durch  Flüsse  hindurchgeritten,  hat  mit  den  Eingeborenen  gehaust  und  sie 
ausgefragt  und  sich  dann  im  Zelt  noch  hingesetzt  und  bis  tief  in  die  Nacht 
hinein  die  wahrlich  nicht  kleinen  schriftlichen  Arbeiten  erledigt,  mit  Bienen- 
fleiß. Das  ist  Seelengröße!  —  Meine  Damen  und  Herren,  wenn  man  von 
unserer  Expedition  und  ihren  prächtigen,  hervorragenden  Resultaten  spricht, 
so  sind  die  Beiden,  Herr  Dr.  Elbert  und  seine  tapfere  junge  Gattin,  un- 
trennbar voneinander.  —  Und  wenn  ich  Sie  nun  bitte,  mit  mir  auf  das  Wohl 

10 


—     146    — 

unseres  erfolgreichcD  Expeditionsführers  za  trinken,  so  kann  ich  Frau  Dr. 
Elbert  nicht  davon  ausnehmen.  Darum  bitte  ich  Sie,  mit  mir  einzustimmen 
in  den  Ruf:    Das  Forscherehepaar  Elbert,  es  lebe  hoch! 

Der  Stadt  Frankfurt  galt  das  Hoch  von  Herrn  Professor 
Dr.  Regel: 

Hochgeehrte  Festgenossen! 

Es  würde  ungerecht  sein,  wenn  nicht  einer  von  den  neuen  Ehrenmit- 
gliedern in  dieser  erlauchten  Gesellschaft  das  Wort  ergreifen  wollte,  um  den 
Gefühlen  des  Dankes  Ausdruck  zu  geben  für  die  große  Auszeichnung,  die 
uns  heute  zuteil  geworden  ist!  Verehrte  Anwesende,  ich  habe  diese  Stadt 
bereits  vor  40  Jahren  als  Gymnasiast  kennen  gelernt,  bin  dann  in  nähere 
Beziehungen  zu  ihr  durch  den  3.  Deutschen  Geographentag  im  Jahre  1883 
getreten,  eine  der  schönsten  Tagungen,  die  wir  erlebt  haben,  später  habe 
ich  dreimal  Gelegenheit  gehabt,  in  diesem  Vereine  über  meine  engere  Heimat 
Thüringen  wie  über  das  nordwestliche  Kolumbien  und  über  den 
Panama-Kanal  vorzutragen.  Heute  drängt  es  mich,  diesem  Verein  herz- 
lichen Dank  auszusprechen  für  die  große  Ehrung,  die  er  uns  erwiesen 
hat!  Das  Frankfurt  von  1871  und  das  Frankfurt  von  1911,  verehrte  An- 
wesende, welch  gewaltiger  Aufschwung!  Wir  haben  heute  vieles  davon 
gehört,  wir  haben  die  Entwicklung  der  Stadt  an  uns  vorüberrauschen  lassen ! 
Manche  von  uns  Auswärtigen  haben  im  vorigen  Jahre  Gelegenheit  gehabt,  die 
große  Entwicklung  der  Stadt  besonders  durch  den  neuen  Osthafen  zu  verfolgen 
und  ihren  großen  Aufschwung  zu  sehen ;  alle  die  Vereine,  die  hier  tätig 
sind,  können  in  harmonischer  Zusammenarbeit  ihre  Kräfte  vereinigen,  um 
diese  herrliche  Stadt  immer  mehr  zur  Geltung  zu  bringen!  Und  so  lassen 
Sie  mich,  verehrte  Anwesende,  neben  dem  tiefgefühlten  Danke  für  die  uns 
heute  von  selten  des  „Frankfurter  Vereins  für  Geographie  und  Statistik'*  zu 
teil  gewordene  Ernennung  zu  Ehrenmitgliedern  vor  allen  Dingen  auch  der 
lebhaften  Freude  über  Frankfurts  Aufblühen  als  Stadt  Ausdruck  verleihen 
in  dem  Wunsche :  Frankfurt  wachse  und  gedeihe !  Die  Stadt  Frankfurt  a.  M 
lebe  hoch! 

Zum  Schluß  ließ  Herr  Stadtrat  Prof.  Dr.  Bleicher  die 
tätigen  Mitglieder  des  Vorstandes  leben: 

Hochansehnlichc  Versammlung! 

Wenn  ich  die  Absicht  des  Festkomitees  recht  verstanden  habe,  so 
haben  wir  außer  der  akademischen  Feier,  in  der  wir  heute  morgen  repräsentativ 
aufgetreten  sind,  heute  abend  in  erster  Linie  auch  das  Festmahl  arrangiert, 
um  die  Ehrengäste  zu  sehen,  dann  aber  in  zweiter  Linie,  um  ein  Familien- 
fest zu  feiern.  Ich  bitte  unsere  illustren  Gäste,  mir  zu  gestatten,  gegen 
Schluß  dieses  Festes  ein  paar  Worte  zu  sagen,  die  teils  geschäftlicher  Natur 
sind,  wenn  ich  so  sagen  darf,  teils  dem  Ausdruck  geben  sollen,  daß  die  Hit- 
glieder des  Vereins  und  der  Vorstand  hier  in  Kollegialität  und  Freundschaft 
zusammen  sind.    Ich  habe  zwei  Punkte,  die  hier  ganz  .kurz  zu  streifen  sind. 


—     147     — 

Ich  werde  jedoch  Ihre  Aufmerksamkeit  nicht  lange  in  Ansprach  nehmen. 
Zunächst  eine  persönliche  Angelegenheit,  indem  ich  meinen  lieben  Kollegen 
and  Freunden  im  Vorstand  herzlichen  Dank  sage,  daß  sie  mich  heute  so 
überrascht  haben.  Meine  Bescheidenheit  verbietet  es  mir  eigentlich,  über 
meine  Person  zu  sprechen,  aber  daß  ich  davon  sprechen  muß,  das  werden 
Sie  einsehen,  denn  die  mir  zuteil  gewordene  Ehrung  ist  nach  meinem  Urteil 
etwas  zu  weitgehend,  und  ich  kann  nur  glauben,  daß  sie  mir  in  der  Form 
geworden  ist,  weil  der  Geographische  Verein  der  Stadt  sowohl  wie  der  Aka- 
demie, in  welchen  Institutionen  ich  mitwirke,  zu  Dank  verpflichtet  ist  und 
diesen  Dank  nun  auf  mich  übertragen  hat.  Und  nun  zum  geschäftlichen 
Teile  dabei :  Ich  bin  der  einzige,  der  illegitim  mit  einer  Ehrung  ausgezeichnet 
worden  ist,  denn  ich  als  Vorstandsmitglied  wußte  von  der  Sache  tatsächlich 
nichts.  Nach  unseren  Satzungen  ist  aber  zu  jeder  Ehrung  ein  einstimmiger 
Beschlaß  des  Vorstandes  erforderlich  Ich  habe  doch  bisher  meine  Absicht,  aus 
dem  Vorstande  auszutreten  und  auf  meine  Stimme  zu  verzichten,  nicht  bekannt 
gegeben,  also  hätte  ich  eigentlich  abzustimmen  gehabt.  Wenn  ich  nun  auch 
glaube,  daß  Sie  in  der  Ehrung  zu  weitgegangen  sind,  so  gebe  ich  nachträglich 
aber  dazu  doch  meine  Zustimmung  (große  Heiterkeit),  denn  es  würde  für  beide 
Teile  höchst  peinlich  sein,  wenn  ich  die  schöne  Medaille  nicht  behalten  wollte. 
Zweitens,  meine  verehrten  Damen  und  Herren,  darf  ich  noch  das  Wort 
nehmen  aus  einem  anderen  Grunde.  Ich  bin  das  untätigste  Mitglied  im 
Vorstande,  darüber  herrscht  kein  Zweifel,  und  ich  habe  mir  deshalb  schon  oft 
gesagt,  ob  es  nicht  richtig  wäre,  aus  demselben  auszutreten.  Aber  die  Herren 
haben  mir  das  immer  verboten,  und  wenn  ich  mir  die  Rede  des  Herrn  Hofrat 
Hagen  vergegenwärtige,  so  sage  ich  mir,  ich  hätte  vielleicht  doch  Unrecht 
mit  meinem  Vorschlage,  daß  man  eigentlich  aus  dem  Verein  für  Geographie 
und  Statistik  die  Statistik  ausscheiden  und  nur  eine  geographische  Gesellschaft 
behalten  sollte.  Den  großzügigen  Überblick,  den  Herr  Hofrat  Hagen  uns 
heute  gegeben  hat,  habe  ich  wohl  verstanden.  Er  hat  der  Idee  Ausdruck 
gegeben,  daß  unser  Verein  zu  verschiedenen  Zeiten  den  verschiedenen 
Strömungen  und  Bedürfnissen  Rechnung  zu  tragen  verstanden  hat.  Er  hatte 
auch  eine  Periode,  wo  die  Statistik  ganz  oben  war.  Auf  Anregung  des 
Vereins  ist  das  Statistische  Amt  geschaffen  worden.  Dessen  erinnern  wir 
uns  ganz  speziell  und  nun  glaube  ich  voraussagen  zu  können,  daß  die  Zeit 
wieder  kommt,  wo  die  „Tabellenknechte'',  wie  man  späterhin  die  Statistiker 
nannte,  wieder  Universitäts-Statistiker  im  alten  Sinne  werden  und  mit  den 
Geographen  einig  zusammenarbeiten.  Ich  sagte,  ich  sei  das  untätigste  Mit- 
glied im  Vorstande  und  deswegen  habe  ich  das  Recht  zu  sprechen,  indem 
ich  die  vielen  Glückwünsche,  die  dem  Verein  heute  mit  auf  den  Weg  gegeben 
worden  sind,  umwandle  in  einen  Dank  an  den  Vorstand,  trotzdem  ich  selbst 
dem  Vorstande  angehöre.  Denn  ich  möchte  zum  Schlüsse  unserer  Feier  dem 
Ausdruck  geben  dürfen,  daß  wir  außerordentlich  dankbar  sind  für  die  ganz 
hervorragenden  Leistungen  der  tätigen  Herren  unseres  Vorstandes.  Es  hat 
heute  wieder  alles  „geklappt"  (große  Heiterkeit)  —  bis  auf  die  Rede,  die  ich 
eben  halte.  Ich  glaube  berechtigt  zu  sein,  den  Herren,  die  an  der  Spitze 
des  Vereins  stehen,  die  teils  hinter  den  Kulissen,  teils  vor  den  Kulissen,  ich 
möchte  beinahe  sagen,  die  Sache  deichseln,  die  ganze  Sache  gemanaget  haben 

lO* 


—     148    — 

(Heiterkeit),  den  herzlichsten  Dank  für  ihre  ersprießliche  Tätigkeit  ansza- 
sprechen.  Ich  muß  dabei  erwähnen,  daß  wir  nicht  nur  einen  1 .  Yorsitsenden 
und  einen  2.  Vorsitzenden,  sondern  auch  einen  zweiten  1.  Vorsitzenden  haben. 
Sie  wissen,  wen  ich  meine,  ohne  einen  Namen  za  nennen.  Der  Betreffende 
hat  auch  heute  wieder  gezeigt,  daß  er  es  versteht,  den  Verein  fOr  Geographie 
und  Statistik  nicht  nur  in  wissenschaftlicher  Beziehung  zu  vertreten,  sondern 
auch  dafür  zu  sorgen,  daß  der  Verein  in  der  Frankfurter  Gesellschaft  eine 
Rolle  spielt,  und  ich  glaube,  das  ist  ein  Moment,  dessen  uns  zu  freuen  wir 
alle  Ursache  haben.  Femer  haben  wir  einen  vortrefflichen  Schriftführer,  der 
die  Rednerliste  aufstellt,  die  schwierigen  Verhandlungen  führt  und  dann 
einen  hervorragenden  Kassierer,  dem  herzlicher  Dank  gebührt  (große  Heiterkeit), 
aber  außerdem  noch,  meine  Damen  und  Herren,  haben  wir  einen  Mann,  dem 
wir  zu  ganz  besonderem  Danke  verpflichtet  sind,  das  ist  unser  verehrter 
Generalsekretär.  Ich  möchte  der  Persönlichkeit  unseres  lieben  Herrn  Traut 
auch  um  deswillen  gedenken,  weil  ihm  —  wie  ich  höre  —  eine  Auszeichnung 
zuteil  geworden  ist,  von  der  wir  eigentlich  noch  nichts  gehört  haben  (Heiterkeit). 
Ich  weiß  nicht,  soll  ich  nun  sagen:  Herrn  Dr.  Traut  oder  Herrn  Professor 
Traut  herzlichen  Dank  für  seine  Bemühungen  im  Interesse  des  Vereins! 
Sollte  es  wahr  sein,  daß  er  Professor  geworden  ist,  dann  möchte  ich  ihm 
zugleich  hierzu  herzlichst  namens  des  Vereins  gratulieren  (lebhaftes  Bravo). 
Meine  verehrten  Damen  und  Herren,  ich  schließe,  indem  ich  Sie  bitte,  die 
tätigen   Mitglieder  des  Vorstandes  hochleben  zu  lassen.    Hoch,  hoch,  hoch! 

Bis  Mitternacht  blieben  die  Festgäste  in  angeregtester 
Stimmung  beisammen. 

Zu  den  zahlreichen  herzlichen  Glückwünschen,  welche  uns 
im  Laufe  des  Tages  in  so  ehrender  Weise  dargebracht  wurden, 
hatte  sich  eine  Reihe  von  Grüßen  gesellt,  teils  in  Briefform, 
teils  telegraphisch. 

Begrüßungen  waren  eingelaufen  von  den  Geographischen 
Gesellschaften  zu  Bern,  Bremen,  Genf,  Greifswald, 
Halle,  Hamburg,  Hannover,  Jena,  Köln,  Lübeck, 
Stuttgart  und  Wien,  sowie  von  dem  Bureau  der  Deutschen 
Antarktischen  Expedition  im  Auftrage  unseres  Freundes 
Herrn  Oberleutnant  Dr.  Filchner  und  von  der  Sencken- 
bergischen  Bibliothek. 

Es  gratulierten  ferner: 

Seine  Königl.  Hoheit  der  Landgraf  von  Hessen,  welcher 
unserem  Verein  als  Mitglied  angehört,  Senator  Luigi  Bodio- 
Rom,  Geheimrat  Prof.  Dr.  Karl  Buch  er- Leipzig,  Geheimrat 
Frhr.  von  Danckelm  an -Berlin,  Geh.  Regierungsrat  Prof. 
Dr.  Delitzsch-Berlin,  Prof.  Dr.  Diener-Wien,  Frau  Geh. 


—     149    — 

Regierungsrat  Prof.  Dr.  Theobald  Fi  scher- Marburg,  Prof.  Dr. 
Friederichsen- Greifswald,  Prof.  Dr.  Gerl and- Straßburg, 
Dr.  Sven  von  Hed in- Stockholm,  Geh.  Regierungsrat  Prof .  Dr. 
Launhardt-Hannover,  Geh.  Regierungsrat  Prof.  Dr.  von 
Lu  seh  an -Berlin,  Prof.  Dr.  Fridtjof  Nansen  in  Christiania, 
Dr.  Alexander  von  Peez-Wien  (f),  Geh.  Regierungsrat  Prof. 
Dr.  Penck-Berlin,  Prof.  Dr.  Pechuel-Loesche-Erlangen, 
Prof.  Dr.  Philippson-Bonn,  Ernst  Georg  Ravenstein-London, 
Hauptmann  Schloifer-Berlin,  Sir  Emest  Shackleton-London, 
Frau  Julia  Olga  Wegen  er- Berlin. 

Es  sei  gestattet,  von  den  vielen  schriftlichen  Glückwünschen 
nur  einen  hervorzuheben,  den  unser  hochverehrtes  Ehren- 
mitglied Herr  Geh.  Regierungsrat  Prof.  Dr.  Hermann  Wagner- 
Göttingen  gesandt  hat.    Nach  einigen  Eingangsworten  lautet  er : 

„Indem  ich  daher  auf  die  Teilnahme  leider  verzichten  mnß,  verfehle 
ich  nicht)  dem  Verein  für  sein  ferneres  segensreiches  Wirken  meine  hesten 
Wünsche  auszusprechen.  Wenn  ein  solches  den  geographischen  Gesellschaften 
in  den  verschiedenen  Städten  Deutschlands  bei  der  inzwischen  entstandenen 
Fülle  von  Vereinen  ähnlicher  Tendenz  oder  wenigstens  ähnlichen  Interessen- 
kreises nicht  unwesentlich  erschwert  wird,  so  werden  die  deutschen  Geographen 
niemals  vergessen  dürfen,  daß  es  sich  bei  Ihrem  Verein  um  die  Zweitälteste 
deutsche  geographische  Gesellschaft  handelt,  die  bereits  auf  25  Jahre  reger 
Tätigkeit  für  die  geographische  Forschung  und  Verbreitung  geographischen 
Interesses  zurückblicken  konnte,  ehe  die  sechsziger  Jahre  die  allgemeine 
Dezentralisation  erdkundlicher  Studien  und  Bestrebungen  in  Deutschland 
mit  sich  brachten''. 

Allen  den  genannten  Körperschaften  und  Personen,  welche 
unserer  in  so  liebenswürdiger  Weise  gedachten  und  deren  Namen 
Herr  Prof.  Dr.  Traut  während  des  Festessens  zur  Verlesung 
brachte,  sei  auch  an  dieser  Stelle  in  herzlichster  Weise 
gedankt. 

Schließlich  wurden  uns  noch  zwei  besonders  freudige  Über- 
raschungen zu  Teil: 

Unser  Ehrenmitglied  Herr  Hauptmann  a.  D.  Schloifer 
übersandte  uns  als  Festgabe  ein  mit  mehreren  100  wohlgelungenen 
Ansichten  geschmücktes  Album.  Sämtliche  Bilder  dieses  Albums 
sind  von  dem  hochverdienten  Forscher  während  seiner  Afrika- 
reisen in  den  Jahren  1902 — 1909  selbst  aufgenommen  worden 
und  erregten  in  dieser  schönen  Fassung  die  allgemeine  Be- 
wunderung. 


—     150    — 

Sodann  erfreute  uns  die  Direktion  des  Städtischen 
Völkermuseums  durch  die  Widmung  eines  besonderen  Heftes 
ihrer  vortrefflichen  „Veröffentlichungen".  In  diesem  hat  der 
Assistent  am  Museum  Herr  Dr.  Johannes  Lehmann  in  einer 
inhalt-  und  lehrreichen  und  mit  einer  Fülle  trefflicher  Abbildungen 
versehenen  Abhandlung  die  auf  der  Expedition  gesammelten 
zahlreichen  Flechtwerke  einer  eingehenden  Untersuchung  auf 
ihre  Geflechtsart  unterzogen,  wobei  er  zu  interessanten  Er- 
gebnissen über  die  Flechttechnik  im  indoaustralischen  Archipel 
gelangt  ist. 

Den  gütigen  Spendern  dieser  wertvollen  Gaben  sei  auch 
hier  noch  einmal  der  herzlichste  Dank  des  Vereins  zum  Aus- 
druck gebracht. 


Vorstand  und  Amteryerteilung. 

(Nach  dem  Stand  vom  1.  September  1912.) 


Vorstand. 

Ehrenvorsitzender : 
Dr.  Adolf  von  Harnier,  Geh.  Jiistizrat  und  Rechtsanwalt. 

Vorsitzender: 
Dr.  med.  et  phil.  hon.  c.  Bernhard  Hagen,    Hof  rat  und  Leiter 
des  Städtischen  Völkermiiseums. 

Stellvertretender  Vorsitzender: 
Dr.  Emil  Deckert,  Professor  und  Dozent  an  der  Akademie  für 
Sozial-  und  Handelswissenschaften. 

Generalsekretär : 
Dr.  Hermann  Traut,  Professor  und  Bibliothekar  an  der  Stadt- 
bibliotliek. 

Erster  Schriftführer: 

Dr.  Alfred  Fritsch,  Amtsgerichtsrat. 

Zweiter  Schriftführer : 
Rudolf  Stern,  Privatier. 

Kassenführer : 
August  Rasor,  Kaufmann. 

Beisitzer : 
Dr.  Heinrich  Bleicher,  Professor  und  Stadtrat. 
Dr.  Theodor  Dem m er,  Sanitätsrat  und  praktisclier  Arzt. 
Eugen  (i  r  u  m  b  a  c  h  -  M  a  1 1  e  b  r  e  i  n ,  Pri vatier. 
Friedrich  Willielm  Lejeune,  Kaufmann. 


—     152    — 

Vertreter  des  Yereins  in  der  gemeinsamen  Kommission  fBr 

die  Dr.  Senclienbergisclie  Bibliotlielc 

Dr.  Hermann  Traut,  Professor  und  Bibliothekar  an  der  Stadt- 
bibliothek. 


Revisoren : 

Albert  Flersheim,  Kaufmann. 

Rudolf  Heerdt,    Direktor  der  Frankfurter  Sparkasse. 

Dr.  Moritz  Steinthal,  Rechtsanwalt. 


Mi  tgl  ieder-  Verzeichnis. 

(Nach  dem  Stand  vom  1.  Septemher  1918.) 


I.    Ordentliche  Mitglieder. 

Emilie  Abresch,  Rentnerin.     1906. 

Anton  Ahrens,  Bankbeamter.    1906. 

August  Albert,  Architekt.     1897. 

Alexander  Friedrich  Landgraf  von  Hessen,  Egl.  Hoheit.     1910. 

Heinrich  Alten,  Privatier.     1903. 

Dr.  E.  Altschüler,  praktischer  Arzt.     1911. 

Dr.  Jakob  Amberger,  Direktor  der  chirurgischen  Abteilung  des  Hospitals 
zum  Heiligen  Geist.    1911. 

Ferdinand  Andreae,  Kaufmann.     1908. 

Frau  Philipp  Andreae-Engelhard,  Privatiere.     1907. 

Alhard  Andreae-von  Grunelius,  Kaufmann.    1898. 

Victor  Andreae-Majer,  Bankier.    1904. 

.Tean  Andreae-Passavant,  Geh.  Kommerzienrat,  Präsident  der  Handels- 
kammer, Direktor  der  Filiale  der  Bank  für  Handel  und  Industrie 
und  Rumänischer  Generalkonsul.     1898. 

Richard  Andreae-Petsch,  Bankier.     1874. 

Gottfried  Andreas,  Kaufmann.     1906. 

Adolf  Anthes-Glock,  Kaufmann.     1910. 

Alexander  Askenasy,  Ingenieur.     1902. 

Erich  Aue,  Ober-Stadtassistent.     1909. 

Franz  Anffarth,  Verlagsbuchhändler.     1909. 

Julius  Aurnhammer,  Kaufmann.     1904. 

Frau  Mary  Band  eil,  geb.  Rußmann,  Privatiere.     1910. 

Frau  Marie  Bansa  geb.  Winckler,  Privatiere.     1880. 

Hermann  Baer,  Metzgermeister.    1911. 

Joseph  Baer,  Stadtrat.     1897. 

Max  Baer,  Bankier  und  Generalkonsul  von  Schweden.    1908. 

Simon  Leopold  Baer,   Buchhändler.     1882. 

Dr.  Karl  Bardorff,  praktischer  Arzt.     1864. 

Karl  Th.  B  a  r  t  h  e  1 ,  Kaufmann.     1900. 

Fräulein  Auguste  de  Bary,  Privatiere.     1911. 

Karl  de  Bary,  Privatier.     1889. 


—     154     — 

Heinrich  de  Bary-Jeanrenaud,  Bankier.    1888. 

Heinrich  de  Bary-Osterrieth,  Kaufmann.     1907. 

Karl  de  Bary-Sabarly,  Landwirt.     1910. 

Rudolf  Bauer,  Kaufmann.    1907. 

Friedrich  Bauer- Web  er,  Ingenieur.     1910. 

Robert  Bau  nach,  Fabrikant.     1907. 

Frau  Greta  Bayer,  Privatiere.     1910. 

Dr.  Beckmann,  Geh.  Regiernngsrat  und  Landrat  in  Usingen.  HHK). 

Fritz  Beckmann,  Kaufmann.     1909. 

Alfred  Behr,  Landwirt.     1910. 

Frau  Konsul  Carl  Behrends.     1906. 

Robert  Behrends,  Ingenieur.     1898. 

Eduard  Beit  von  Speyer,  Kommerzienrar,  Bankier  und  Großbritannischer 

Generalkonsul.     1903. 
Dr.  Alexander  Berg,  Rechtsanwalt.     1904. 
Heinrich  Bernhard,   Professor  und  Oberlehrer  am  Reform-Realgymnasium 

Musterschule.    1911. 
Freifrau  Helene  von  Bethmannn,  geb.  Freiin  von  Wendland.     1909. 
Gustav  Beyerbach,  Fabrikant  in  Hattersheim.     1887. 
Emil  Bieber,  Stadtbaumeister.     1908. 
Konrad  Bin  ding,  Stadtrat.     1903. 
Frau  Joseph  Binge,  Justizrats witwe.     1910. 
Frau  C.  Blascheck,  geb.  Schwalb,  Privatiere.     1900. 
Dr.  Heinrich  Bleicher,  Professor  und  Stadtrat.     18iK). 
Adolf  Blumenthal,  Kaufmann.     1910. 
Heinrich  Blut  he,  Kaufmann.     1908. 
Ferdinand  Bodesheim,  Kaufmann.     1906. 
Adolf  Bon  er,  Kaufmann.     1910. 
Frau  Amelie  Bonn,  Privatiere.     1886. 
Karl  Borgnis,  Bankier.     1901. 
Friedrich  Braun,  Opernsänger.     1908. 

Otto  Braunfels,  Geh.  Kommerzienrat,  Bankier  und  Spanischer  Konsul.   1904. 
Frl.  (Uara  Bremme.     1908. 
Otto  Brock  mann,  Landmesser.     1906. 
Dr.  Siegfried  Brodnitz,  praktischer  Arzt.     1909. 
Meynick  Browne.     1911. 

Richard  Brück,  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1906. 
Dr.  Julius  Burghold,  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1899. 
Franz  Burkhard,  Architekt.     1909. 

Dr.  August  Busch,  Direktor  des  Statistischen  Amts  der  Stadt.     1910 
Heinrich  ('ahn-Blumenthal,  Bankier.     1903. 
Carl  Clemm,  Privatier.     1906. 
Albert  Cornill,  Kaufmann.     1910. 

Charles  Correvon,  Pfarrer  der  französisch-reformierten  Gemeinde.    1910. 
Dr.  Eduard  Coester,  Amtsgerichtsrat.     1911. 
Fräulein  Lina  Creß.     IJMMK 
Hermann  Creutzer,  Inspektor  der  Providentia.     1903. 


—     155     — 

Dr.  Hugo  Cners,  Professor.     1903. 

Dr.  Dietrich  Ganze,  Fabrikbesitzer. 

Theodor  Curti,  Direktor  der  Frankfurter  Zeitung.    1904. 

Gottfried  Daube,  Kaufmann.    1893. 

Dr.  Kurt  Daube,   Geh.  Sanitätsrat  und  Direktor  am  Städtischen  Kranken- 
hans Bockenheim.     1889. 

Dr.  Emil  Decker t,   Professor  an   der  Akademie   für  Sozial-  und  Handels- 
wissenschaften.    1906. 

Christian  Demuth,  Prokurist  der  Frankfurter  Bank.     1910. 

Clemens  Delkeskamp,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Robert  D  e  1  o  s  e  a ,  praktischer  Arzt.     1877. 

Dr.  Theodor  D  e  m  m  e  r ,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     18%. 

Richard  Diener,  Rentner  und  Vizekonsul  von  Mexiko.     1904. 

Friedrich  Dieter ichs,  Apotheker.     1900. 

Hermann  D  i  e  t  z  e  ,  Privatier.    1899. 

Frau  Elise  Dilger,  Privatiere.     1908. 

Frau  Emma  Doctor,  Privatiere.    1911. 

Karl  Philipp  Donner,  Kaufmann.    1871. 

William  W.  Drory,  Direktor  der  Frankfurter  Gasgesellschaft.     1874. 

Frau  August  Du  Bois,  Privatiere.     1888. 

Dr.  Friedrich  Ebenau,   praktischer  Arzt   und   Chefarzt   der   chirurgischen 
Abteilung  des  Bürgerhospitals.     1893. 

Friedrich  Eckhard,  Privatier.     1902. 

Georg  Egly-Manskopf,  Kaufmann.     1903. 

Frau  Julie  Ehrmann  geb.  Wertheim,  Privatiere.     1908. 

Hermann   von   Eichhorn,   General   der  Infanterie   und  Kommandierender 
General  des  XVIII.  Armeekorps,  Exzellenz.     IIKM. 

Frl.  Ida  Eiffert,  Lehrerin.    Höchst  am  Main.     1910. 

Fritz  Eisele,  Architekt  und  Maler.     19aS. 

Leo  EUinger,  Kaufmann.    1893. 

Frau  Alice  E Hissen  geb.  Heß,  Privatiere.     1911. 

Frau  Johanna  Engelhard-Fay,  Privatiere.     1899. 

Frau  Bernhard  Engelhard-Hauck,  Privatiere.     1909. 

Jakob  Hermann  Epstein,  Kaufmann.     1879. 

Viktor  Erlanger,  Fabrikant.     1910. 

Frau  Josefine  Etienne  geb.  Willemer,  Privatiere.     1897. 

Frau  Elise  Eyssen  geb.  Schottenstein,  Privatiere.     1875. 

Frau  Emma  Eyssen,  Privatiere.     1906. 

Frau  Alexandrine  Eyssen-Du  Bois,  Privatiere.     1885. 

Waldemar  v.  Fahl  and,   Hauptmann   und  Batteriechef   im  2.  Nassauischen 
Feldartillerie-Regiment  No.  63  Frankfurt.     1908. 

Moritz  F  e  i  b  e  1 ,  Kaufmann.     1908. 

Dr.  Hans  Fester,  Rechtsanwalt.     1909. 

Adolf  Ficus,  Kaufmann.     1910. 

Fräulein  Johanna  Ficus,  Privatiere.     1910. 

Frau  Fides  Fiedler-Kalb,  Privatiere.     1903. 

Robert  Fl  au  aus,  Privatier  und  Stadtverordneter.     189Ö. 


—     156    — 

Albert  Flersheim,  Kaufmann.     1878. 

Robert  Flersheim,  Kaufmann.    1871. 

Wilhelm  Fl  in  seh,  Kommerzienrat.    1890. 

Gustav  Flörsheim,  Kaufmann.     1906. 

Freiherr  Theodor  y.  Flo  tow ,  Kammerherr  und  Hofcbef  ^r.  Hoheit  des  Prinzen 
Friedrich  Karl  von  Hessen.     1909. 

S.  Valentin  F  r  a  n  q  u  e ,  Kaufmann.    1907. 

Wilhelm  Franz,  Privaüer.     1908. 

Albert  Frech,  Kaufmann.     1906. 

Dr.  Ferdinand  Fresenius,  Chemiker.     1910. 

Dr.  Martin  Freund,  Professor  an  der  Akademie  fllr  Sozial-  und  Handels- 
wissenschaften und  Direktor  des  chemischen  Instituts  des  Physi- 
kalischen Vereins.    1909. 

Dr.  Peter  Frey,  Zahnarzt.    1900. 

Heinrich  Friedmann.  Kaufmann.    1896. 

Johannes  Frischmann,  Rentner.     1911. 

Dr.  Alfred  Fritsch,  Amtsgerichtsrat.     1893. 

Dr.  Theodor  von  Fritzsche,  Fabrikbesitzer.     1874. 

Franz  Fuchs-Siesmayer,  Kaufmann.     1906. 

Paul  Fulda,  Privatier.     1909. 

Karl  Ludwig  Funck,  Kaufmann  u.  Mitglied  des  Hauses  der  Abgeordneren.  1896. 

Bruno  Gabler,  Landgerichtsdirektor.     1908. 

Adolf  Gans,  Kaufmann.     1897. 

Friedrich  Gans,  Fabrikbesitzer.     1888. 

Dr.  Leo  Ludwig  Gans,  Geh.  Kommerzienrat  und  Fabrikbesitzer.    1886. 

Charles  F.  Gardner,  Großbritannischer  Vizekonsul.     1910. 

Dr.  Richard  Gast,  Chemiker  in  Fechenheim.     1911. 

Max  Geller,  Kaufmann.     1911. 

Charles  Gemmer,  Privatier.     1904. 

Dr.  Eduard  Gent  seh,  Professor  und  Oberlehrer  am  Wöhler- Realgymnasium. 
1903. 

Dr.  Carl  Ger  lach,  praktischer  Arzt.     1906. 

Dr.  Richard  Gesing,  Chemiker  in  Offenbach.     1910. 

Moritz  Getz,  Privatier.     1899. 

Fritz  V.  Goldammer,  Hauptmann  a.D.  und  Rittergutsbesitzer.     1908. 

Harry  Goldschmidt,  beeidigter  Wechselsensal.     1888. 

Maximilian  Freiherr   von  Goldschmidt-Rothschild,  Österreichisch- 
Ungarischer  Generalkonsul.     1901. 

Constantin  Gravenkamp,  Ober- Stadtsekretär.     1909. 

Louis  Greb,  Architekt.     1903. 

Dr.  Otto  Groß,  praktischer  Arzt.     1904. 

Dr.  Friedrich  Großmann,  Professor  und  Oberlehrer  an  der  Klinger-Ober- 
realschule.   1900. 

Dr.  Emil  Großmann- de  Chapeaurouge,  praktischer  Arzt.     1906. 

Eugen  Grumbach-Mallebrein,  Privatier.     1902. 

Frau  Panline  Grumbach-Petsch,  Privatiers.     1903.    (f) 

Adolf  von  Grunelius,  Bankier.     1871. 


—     157     — 

Eduard  von  Granelias,  Bankier.     1871. 

Max  von  Grunelius,  Bankier.     1904. 

Ernst  Grunewald,  Kaufmann.     1912. 

Alfred  Günther,  Architekt.     1901. 

Karl  Haack,  Kaufmann.     1904. 

Dr.  Hermann  Haag,  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Direktor  der  Frankfurter 
Hypothekenbank.    1883. 

Frau  Emilie  Haas-Bandell,  Privatiere.     1909. 

Dr.  jur.  et  phil.  hon.  c.  Justus  Haeberlin,  Justizrat  und  Rechtsanwalt. 
1870. 

Dr.  med.  et  phil.  hon.  c.  Bernhard  Hagen,  Hof  rat  und  Leiter  des  Städtischen 
Yölkermuseums.     1900. 

Dr.  Fritz  Hallgarten,  Chemiker.     1908. 

Karl  Hamburg,  Privatier.     1900. 

Dr.  Karl  Hamburger,  Geh.  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.     1871. 

Philipp   H  an  hart,  Kaufmann.     1897. 

Fritz  Happel,  Privatier.     1902. 

Dr.  Adolf  von  Harnier,  Geh.  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1882. 

Dr.  Eduard  vonHarnier,  Geh.  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1871. 

Georg  Hartmann,  Fabrikant.     1910. 

Wilhelm  Hartmann,  Stadtgeometer.     1909. 

Dr.  Ing.  Eugen  Hartmann-Kempf,  Professor  und  Ingenieur.     1898. 

Dr.  Wilhelm  Härtung  in  Obernrsel.     1911. 

Franz  Hasslacher.  Patentanwalt.     1880. 

Alexander  Hauck,  Bankier.    1881. 

Max  Hauck,  Bankier.     1901. 

Otto  Hauck-yon  Metzler,  Bankier.     1893. 

Robert  Haurand,  Kaufmann.     1907. 

Frau  Johanna  Hechte  1  geb.  Schmidt,  Privatiere.     1899. 

Rudolf  He  er  dt,  Direktor  der  Frankfurter  Sparkasse.     1893. 

Dr.  Paul  H ei d rieh,  Professor  und  Oberlehrer  an  der  Sachsenhäuser  Ober- 
realschule. 1909. 

August  Heimpel-Manskopf,  Kaufmann.     1892. 

Frl.  F.  Heineken.    1911. 

Salomon  Heinemann,  Reallehrer.    1909. 

Frau  Mina  Held  geb.  Hausser,  Privatiere.     1875. 

Dr.  Eduard  Helgers,  Geologe.     1910. 

Heinrich  H  e  m  m  e  r  i  c  h ,  Major  a.  D.     1911.    (t) 

Wilhelm  Hemmerich,  Hauptmann  a.  D.     1902. 

Carl  Henrich,  Technischer  Betriebsleiter.    1909. 

Karl  Herrmann,  Steuersekretär.     1903. 

Georg  Hertzog,  Privatier.     1902. 

Karl  Herzberg,  Bankdirektor  und  Konsul  der  Mexikanischen  Republik.  1904 

Frau  L.  Herzfeld.     1906. 

Philipp  Herz-Mills,  Fabrikdirektor.    1911. 

August  Heß,  Apotheker.     1904. 

Dr.  Jakob  Heinrich  Heß,  Chemiker  in  Griesheim.    1911. 


—     158     — 

Dr.  Wilhelm  Heuer.     1911. 

Georg  von  Heyder,  Privatier.     1891. 

Otto  Hirsch,  Kaufmann.     1906. 

Ernst  Hirschhorn.     1911. 

Felix  Hirschhorn,  Privatier.     1910. 

Erau  Elisabeth  Hobrecht  geb.  Schaffner,  Privatiere.     1882. 

Zachary  Hochschild,  Rommerzienrat  und  Direktor  der  lietallgescllschaft. 

1893. 
Willy  Heinrich  Hof  er,  Kaufmann.     1906. 
Adolf  Hoff,  Kaufmann  und  Handelsrichter.     1903. 
Alfred  Hoff,  Kaufmann  und  Serbischer  Vizekonsul.     1905. 
Paul  Hoffmann-Ebner,  Fabrikant.     1884. 
Dr.  Moritz  Hof  mann,  Rechtsanwalt.     1902. 
Otto  Hofmann,  Rentier.     1906. 
Richard  Hof  mann,  Kaufmann.     1891. 
Moritz  Wilhelm  Hohenemser,  Bankier.     1901 
Frau  von  Holbach,  Majorsgattin.     1906. 
Georg  Holtzwart,  Kaufmann.     1903. 
Hermann  Holz,  Kaufmann.     1903. 
Richard  Holz,  Kaufmann.     1909. 
Wilhelm  Holz,  Kaufmann.     1903. 
Leo  Holzmann,  Kursmakler.     1906. 
Eugen  Hoerle,  Gutsbesitzer.     1908. 
Philipp  Alexander  Julius  Hoerle,  Kaufmann.     1903. 
Frau  Elise  Horstmann  geb.  Hoffmaun,  Privatiere.     1908. 
Georg  Horstmann,  Zeitungsverleger.     1897. 
Franz  von  Hoven,  Baurat.     1906. 
Dr.  Gustav    Adolf   Humser,    Geh.   Justizrat,    Rechtsanwalt    und     Notar. 

1871. 
Frau  Marie  Ihm  geb.  Rittner,  Privatiere.     1898. 
Hans  Illig,  Fabrikdirektor.     1910. 
Frau  Sophie  Jacobi  geb.  Borle,  Privatiere.     1907. 
Gustav  Jaff6,  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1903. 
Dr.  Theophil  Jaff6,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1898. 
Fritz  Jäger-Manskopf,  Kaufmann.     1892. 
Ernst  Jaernecke,  Prokurist.     1911. 
Louis  Jay,  Rentner.     1901. 

Frau  Luise  Amalie  Jordan  de  Rouville,  Bankierswitwe.     1904. 
Dr.  Fritz  Jucho,  Kaufmann.     1903. 
Dr.  Heinrich  Jucho,  Notar.     1906. 
Ludwig  Jung,  Kaufmann.     1910. 

Dr.  Rudolf  Jung,  Professor  und  Direktor  des  Stadtarchivs.     1904. 
Otto  Junghanss,  Fabrikbesitzer  in  Johannisberg  im  Rheingau.     18119. 
Gustav  Junker,  Direktor  der  Martins-Missionsanstalt.     11K)6. 
Johann  E.  J  u  r  e  i  t ,  Kommissionsrat.     1910. 
Frau  Eminy  Jürries  geb.  Fritsch.     1912. 
Emil  Kahle,  Kaufmann.     1911. 


—     159     — 

Richard  Kahn-Freund,  Fabrikant.     1900. 

Julius  Kahnweiler,  Privatier.     1908. 

Frau  Klara  Kalb   geb   Faust,  Privatiere.     1875. 

Leonhard  Kalb,  Privatier.     1897. 

Moritz  Kalb,  Privatier.     1902. 

Bernhard  Kamel,  Kaufmann.     1894. 

Dr.  Rudolf  Kasprzik,  Sanitftterat  und  praktischer  Arzt.     1908. 

Dr.  Albert  Katzenellenbogen,  Rechtsanwalt  und  Direktor  der  Mittel- 
deutschen Kreditbank.     1909. 

Max  K  a  y  s  e  r ,  Landgerichtsrat.     1909. 

Eduard  Kayser-Mönch,  Fabrikant  in  Offenbach.     1912. 

Ferdinand  Keil,  Apotheker.     1910. 

August  Keller,  Buchhändler.     1901. 

Wilhelm  Keller,  Direktor  der  Frankfurter  Gewerbekasse.     1911. 

Frau  Emma  Kirchberg   geb.  Neubtirger,  Privatiere.     190H. 

Raphael  M.Kirch  he  im,  Privatier.     1903. 

Dr.  Simon  Kirchheim,  praktischer  Arzt,  Chefarzt  des  israelitischen  Ge- 
meindehospitals und  Stadtrat.     1875. 

Willi  A.  Klein,  Kaufmann.     1904. 

Jakob  Klein -Hoff,  Privatier.     1908. 

Otto  Kleinschmidt,  Apotheker  in  Bonames.     1911. 

Eugen  Klimsch,  Kaufmann.     1910. 

Karl  Klimsch,  Kunstmaler.     1904. 

Jakob  Kloos,  Kaufmann.    11X)7. 

Jean  Knauer,  Buchdruckereibesitzer.     188«. 

Dr.  Paul  Knoblauch,  praktischer  Arzt.     1909. 

Louis  Koch,  Hofjuwelier.     1904. 

Hermann  Köhler,  Kommerzienrat  und  Bankier.     1897. 

Karl  Kohn,  Direktor  a.  D.  bei  der  Frankfurter  Gasgesellschaft.     1908. 

Adolf  Kolligs,  Kaufmann.     1906. 

Heinrich  Freiherr  von   Königswarter,   Rentier.     1897. 

Heinrich  Königswerther,  Kaufmann.     1907. 

Oskar  Könitzer,  Privatier.     1902. 

Frau  Franziska  Koerber  geb.  Dietz,  Privatiere.     1911. 

Heinrich  Koßmann,  Privatier.     1908. 

Jakob  Kothe,  Schreinereibesitzer.     1891. 

Karl  Kotzenberg,  Kaufmann  und  Norwegischer  Konsul.     1903. 

Frau  Pauline  Kowarzik  geb.  Fellner,  Privatiere.     1897. 

Frau  Carl  von  Kramer,  Privatiere  in  Homburg  v.  d.  Höhe.     1911. 

Georg  Kranz,  Privatier.     1906. 

Dr.  Alois  Kraus,  Professor,  Oberlehrer  an  der  Stadt.  Handelslehranstalt 
und  Privatdozent  an  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handelswissen- 
schaften.    1903. 

Eduard  Küchler  jun.,  Fabrikbesitzer  in  Rödelheim.     1903. 

Eduard  Küchler  sen.,  Privatier.     1888. 

Karl  Küchler,  Kaufmann.     1893. 

Konrad  Adolf  Kugler,  Kaufmann      1906. 


—     160     — 

Karl  Kunkel e,  Kaufmann.     1901. 

Friedrich  Wilhelm  Knnter,  Reichshankheamter.     1911. 

Dr.  Friedrich  Kurtz,  praktischer  Arzt.     1901. 

Frau  Emma  Kyritz  geb.  Hagen,  Privatiere.    1899. 

Alfred  Kyritz-Drexel,   Kaufmann.     1897. 

Angust  Ladenburg,  Bankier.    1902. 

Ernst  Ladenburg,   Kommerzienrat,  Bankier  und  Stadtverordneter.     1897. 

Karl  Langenbach,  Kaufmann.    1904. 

Frau  Elise  Lauth-Becker,  Privatiere.     1903. 

Dr.  Johannes  Lehmann,  Assistent  am  Städtischen  Völkermuseum.    1909. 

Leo  Lehmann,  Rentner.    1908. 

Alfred  Lejeune,  Kaufmann.     1885. 

Friedrich  Wilhelm  Lejeune,  Kaufmann.     1906. 

Georg  Leschhorn,  Privatier.    1890. 

Dr.  £.  Leser,  Geh.  Sanitätsrat,  Professor  und  praktischer  Arzt.     1906. 

Dr.  jur.  Maximilian  Leuchs-Mack.     1907. 

Adolf  Levi,  Kaufmann.     1906. 

Leopold  Levi,  Kaufmann.     1907. 

K.  Leydhecker,  Pfarrer  in  Auerbach.     1909. 

Dr.  Franz  Lies  au,  Oberlehrer  an   der  Sachsenhäuser  Oberrealschule.  1908. 

Wilhelm  Lindheimer,  Domänenpächter.     1902. 

Nachum  H.  Loeb^  Kursmakler.     1910. 

Freiherr  von  L  o  e  n ,  Major  a.  D.     1912. 

Dr.  Hugo  L  0 1  z ,  Amtsrichter  in  Kirchen  a.  d.  Sieg.     1903. 

Adam  Ludwig,  Privatier.     1903. 

Frau  Richard  Ludwig.     1904. 

Ferdinand  Maas,  Privatier.     1875. 

Robert  Mack,  Kaufmann.     1894. 

John  M.  Mackenzie,  Kaufmann.     1902. 

Alexander  Majer,  Bankier.     1906. 

Frau  Helene  Manskopf  geb.  Keßler,  Rentnerin.     1874. 

Heinrich   Mappes,   Sächsischer  Generalkonsul    und   Konsul   von 

BrasUien.    1888. 
Gustav  Marburg,  Kaufmann.     1903. 
Dr.  Arthur  M  a  r  u  m ,  .praktischer  Arzt.     1910. 
Dr.  Karl  Marx,  praktischer  Arzt.     1906. 
Dr.  Otto  Maul.     1912. 
Adam  May,  Fabrikant.     1890. 
Dr.  Franz  May,  Fabrikant.     1895. 
Martin  May,  Fabrikant.     1884. 
Robert  May,  Kaufmann.     1893. 
Jacob  Mayer,  Kaufmann.     1910. 

Ludo  Mayer,  Geh.  Kommerzienrat  und  Fabrikbesitzer.    1904. 
Frau  Meister   geb.  Hauswald,  Privatiere.     1904. 
Joseph  Meister,  C'bemiker.     1910. 
J.  F.  M  e  i  X  n  e  r ,  Architekt.     1906. 
Dr.  hon.  c.  Wühelm  Morton,  Privatier.    1888. 


—     161    — 

Frl.  Auguste  Mertz,  Lehrerin.    1911. 

Julius  Wilhelm  Merz,  Professor.    1899. 

Theodor  Mettenheimer-Breul,  Kaufmann.     1901. 

Hugo  Metzler,  Bankier.    1900. 

Albert  von  Metzler,   Bankier,    Stadtrat   und    Bayrischer   Generalkonsul, 

Mitglied  des  Herrenhauses.    1893. 
Franz  Meyer,  Kaufmann.     1910. 
Dr.  Paul  Meyer,  Oberregierungsrat  a.  D.    1903. 
Paul  Meyer,  Beniner  in  Darmstadt.     1911. 

Dr.  Edward  von  Meyer,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1907. 
Franz  Carl  Michel-Qellert,  Kaufmann.    1909. 
Emil  Michel-Speltz,  Privatier.     1906. 
Dr.  Ernst  Michels,  Kandidat  des  höheren  Lehramts.     1909. 
Hermann  Minjon,  Verlagsbuchhändler.    1910. 
Heinrich  J.  F.  Minoprio,  Bankier.     1903. 
Frau  Christine  Mohr  geb.  Weingärtner,  Privatiere.    1908. 
Franz  Moldenhauer,  Ingenieur.     1902. 
Rudolf  MoUik,  Ingenieur  in  Cronberg  i.  T.    1909. 
Fritz  Mönch,  Kaufmann  in  Offenbach.    1892. 
Frl.  Sophie  Moos.     1910. 
Wilhelm  Mössinger,  Kaufmann.    1906. 
Adalbert  Müller,  Brauereidirektor.     19  LO. 
Wilhelm  Müller,  Kaufmann.     1899. 

F.  George  Müller-Beeck,  Kaiserlich  Deutscher  Generalkonsul  a.  D.   1907. 
Frau  Enmia  Mumm  von  Schwarzenstein  geb.  Passavant.    1876. 
Hugo  Nathan,  Kaufmann.     1909. 
Dr.  Edmund  Naumann,  Geologe.     1899. 
Ludwig  Neher,  Baurat.    1893. 
Dr.  Max  Neißer,   Professor   und    Direktor   des    Städtischen    Hygienischen 

Instituts.    1903. 
Richard  Nestle  jun.,  Kaufmann.     1893. 
Frau  Emily  Netto-Nothwang,  Professorswitwe.     1903. 
Dr.  Otto  Neubürger,  praktischer  Arzt.     1906. 
Robert  de  Neufville,  Kommerzienrat.     1897. 
Adolf  von  Neufville,  Bankier.     1895. 
Gustav  Adolf  von  Neufville,  Bankier.    1909. 
Karl  von  Neufville,  Kommerzienrat,  Bankier  und  Generalkonsul  a.  D. 

1904. 
Wilhelm  Neuse,  Kaufmann.    1910. 
Hermann  Ochs,  Privatier.     1884. 

Dr.  Hermann  Oelsner,  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar.    1903. 
Frau  Juliette  Oplin  geb.  Godchaux,  Privatiere.    1875. 
Bernhard  Oppenheim,  Kaufmann.    1911. 
Moritz  Oppenheim,  Kaufmann.    1887. 

Sir  Francis  Oppenheimer,  Großbritannischer  Botschaftsrat.    1900. 
Frau  Leontine  Oppenheimer  geb.  Livingston,  Privatiere.    1909. 
Frl.  Adele  Osterrieth,  Privatiere.    1904. 

11 


—     162     — 

Robert  Osterrieth,  Kaufmann.     1907. 

Frau  Maria  Oestreich  geb.  Creizenacb,  Lehrerswitwe.    1869. 

Dr.  Henry  Oswalt,  Geb.  Justizrat  und  Becbtsanwalt.     1871. 

Dr.  Ferdinand  P  a  c  b  t  e  n ,  Justizrat  und  Recbtsanwalt.     1909. 

Jobann  Friedrieb  Pabl,  Kaufmann.     1904. 

Dr.  Alfred  Parrisius,  Bankdirektor.     1903. 

Eduard  Parrot,  Privatier.     1909. 

Pbilipp  Passavant,  Kaufmann.     1901. 

Hermann  von  Passavant,  Kaufmann  und  Japaniscber  Konsul.     1901. 

Riebard  von  Passavant,  Geb.  Kommerzienrat.    1889. 

Dr  Eduard  Pelissier,  Professor  und  Oberlebrer  am  Lessing -Gymnasium. 
1882. 

Eduard  Petscb-Manskopf,  Privatier.     1900. 

Dr.  Ferdinand  Pfannmüller,  praktischer  Arzt  in  Hausen.     1909. 

Frau  Bertba  Pfefferkorn  geb.  Kessler,  Doktorswitwe  u.  Privatiere.  1854. 

Christian  Wilhelm  Pfeiffer-Belli,  Rentner.     1883. 

Dr.  Arthur  Pfungst,  Chemiker  und  Fabrikant     1889. 

Lucien  Picard,  Bankier.    1906. 

Dr.  Hermann  Pieper,  Rechtsanwalt.     1909. 

Theodor  Plieninger,  Generaldirektor  der  chemiseben  Fabrik  Griesbeim- 
Elektron.     1906. 

Siegfried  Pohl,  KaufmaDU.     1909. 

Frau  Emmy  Poblmann  geb.  Poblmann,  Privatiere.     1897. 

Friedrich  Gustav  Po r eher,  Architekt.     1909. 

Dr.  Eduard  Posen,  Fabrikant.     1894. 

Sidney  Posen,  Fabrikant.     1888. 

Frau  F.  P  tibi  er  geb.  Schneider,  Privatiere.     1911. 

Frau  Alma  Banft,  Privatiere.     1911. 

August  Rasor,  Kaufmann.     1890. 

Walther  vom  Rath,  Rentner,  Mitglied  des  Herrenhauses.     1897. 

Emil  Rau,  Kaufmann.     1901. 

Frau  Sonia  Rau  geb.  Vetter,  Privatiere.     1911. 

Louis  Rauch,  Kaufmann.     1911. 

Dr.  Friedlieb  Rausch,  Direktor.     1909. 

HaDS  Ravenstein,  Lithograph.     1911. 

Simon  Ravenstein,  Architekt.     1871 . 

Dr.  Ludwig  Rehn,  Gob.  Medizinalrat,  Professor  und  Direktor  der  chirurgi- 
schen Abteilung?  des  Städtischen  Krankenhauses.     19CK). 

Frl.  Anna  Reichard,  Verwalterin.     1901. 

Franz  Reichard,  Kaufmann.     1911. 

Fritz  Reichard,  Kaufmann.     1906. 

Frl.  Mina  Reichard,  Privatiere.     1903. 

Gottlob  Reichard -Frey,  Kaufmann.  1900.  (fi 

August  Keichard -Marburg,  Kaufmann.     1877. 

Frau  Jenny  Reichenbacb.     1908. 

Daniel  Reinhardt,  Architekt.     1911. 

Dr.  Paul  Reiss,  Justizrat  und  Recbtsanwalt.     188G. 


—    163    — 

Otto  Renner,  Kaafmann.    1906. 

FraDz  Lorenz  Realeanx,  Eisenbahn-Direktions-Präsident.    1910. 

Dr.  Heinz  Richartz,  praktischer  Arzt.    1909. 

Frau  Louise  de  Ridder  geb.  May,  Rentiere.    1908. 

Dr.  Alexander   Riese,    Professor.     1897. 

Hermann  Ritter,  Baurat.     1910. 

Johannes  Robe,  Rentner.    1909. 

Frl.  Kathinka  Rode,  Lehrerin.     1898. 

Dr.  Ernst  R  o  e  d  i  g  e  r ,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1910. 

Dr.  Paul  Roediger,  Justizrat  und  Direktor  der  Metallgesellschaft.    1893. 

Karl  Roger,  Direktor  der  Filiale  der  Bank  für  Handel  und  Industrie.  1890. 

Karl  Heinrich  Roger,  Landrichter.     1911. 

Frau  Helena  Rehmer  geb.  de  Chapeaurouge,  Privatiere.     1900. 

Heinrich  Römheld,  Kaufmann.     1900. 

Carl  Adolf  Ronnefeldt,  Privatier.     1911. 

Alfred  Rosenthal,  Kaufmann.     1903. 

Dr.  Rudolf  Rosenthal,  Justizrat  und  Rechtsanwalt.     1904. 

Dr.  Wilhelm  Roser,  Professor  und  Chemiker.     1910. 

August  Rother,  Kaufmann.     1910. 

Georg  Kothgeb,  Kunst-  und  Dekorationsmaler.     1908. 

Ernst  Rübsamen,  Apotheker.     1904. 

Dr.  Georg  R  u  o  f  f ,  Chemiker.     1908. 

Willy  Rytz,  Kabel-Ingenieur.     1907. 

Moritz  Sachs-Hellmann,  Privatier.     1910. 

Alfred  Salin,  Kaufmann.     1902. 

Fritz  Schaeffer-Stuckert,  D.  D.  S.,  praktischer  Zahnarzt  u.  Direktor  des 

zahnärztlichen  Instituts  „Carolinum"  am  Stadt.  Krankenhause.  1906. 
Frau  Carrie  Scharff  geb.  Ott.     1890. 
Dr.  Wilhelm  ScheUens,  I.  Assistent  am  Kgl.  Chemischen  Untersnchungs- 

amt.     1911. 
Heinrich  Theodor  Schenck,  Kaufmann.     1875. 
Hermann  Schepeler,  Kaufmann.     1906. 
Remi  Schepeler,  Kaufmann.     1909. 
Freiherr  Philipp  Schey  von  Koromla.     1910. 
Carl  Schick,  Kaufmann.     1911. 

Ludwig  Schiele,  Direktor  der  Frankfurter  Gasgesellschaft.     1910. 
Ludwig  Schiff,  Kaufmann.     1878. 
Philipp  Schiff,  Privatier.     1903. 
Gustav  Schlesicky,  Kaufmann.     1895. 
Frau  Heinrich  Schlesicky,  Privatiere.     1902. 
Friedrich  Schleusen  er,  Fabrikdirektor.     1903. 
Dr.  Karl  Schleussner,  Fabrikdirektor.     1897. 
Georg  Schlund,  Juwelier.    1888. 

Frau  Maria  Schlund  geb.  Leuchs-Mack,  Juwelierswitwe.     1901. 
Carl  Schmidt,  Prokurist  der  Brauerei  Binding.     1909. 
Frau  Emma  Schmidt  geb.  Wolf,  Professors witwe.     1907. 
Wilhehn  Schmidt-Diehler,  Architekt.     1899. 


—     164    — 

Frau  Anna  Schmidt-Knatz,  Priyatiere.     1910. 

Dr.  Wolf  gang  Schmidt-Scharff,  Rechtsanwalt.     1893. 

Albert  Schmitt,  Professor  und  stellvertretender  Inspektor  der  Selekten- 
schnle.    1911. 

Peter  Schmölder,  Privatier.    1872. 

Jnlias  Ferdinand  Schnatter,  Architekt.    1908. 

Alexander  Schneider,  Direktor  der  Deutschen  Gold-  und  Silber-Scheide- 
anstalt.    1875. 

Karl  Schneider,  Kaufmann.    1911. 

Frl.  Marie  Schneider.    1907. 

Heinrich  Schnell,  Privatier.    1875. 

Emanuel  Schnurmann,  Kaufmann.     1911. 

Friedrich  Scholtz,  Generalleutnant  und  Kommandeur  der  XXI.  Division, 
Exzellenz.     1909. 

Paul  Schonknecht,  Fabrikant.    1911. 

Frau  Elisabeth  Schott,  geb.  Bruchhäuser,  Sanitätsratswii \ve.     1908. 

Heinrich  Schreiber  sen.,  Privatier.    1904. 

Adolf  Schroeder,  Privatier.    1906. 

Bernhard  Schuchmann,  Kaufmann.     1910. 

Bernhard  Schuster,  Bentier.    1874. 

Dr.  Erich  Schwartze,  Oberlehrer  am  Ober-Lyceum.    1907. 

Albert  Schwarz,  Bechnungsrat  am  Landgericht.    1906. 

Lic.  Dr.  Karl  Schwarzlose,   Pfarrer  der  St.  Katharinengemeinde.     1903. 

Moses  Martin  Schwarzschild,  Privatier.    1888. 

Dr.  Eugen  Scriba-Schmidt-Polex,  praktischer  Arzt.    1901. 

Frau  Heinrich  Seckel.    1911. 

Frau  Mathilde  S  e  e  f  r  i  d  geb.  Btthler,  Privatiere.    1888. 

Frau  Anna  S  e  e  g  e  r.    1901. 

Christian  Seeger.    1911. 

Frau  Jennie  Seeger  geb.  Gravelius,  Privatiere.    1909. 

Georg  Seitz,  Finanzrat  a.  D.     1899. 

Hermann  Seitz.    1904. 

Oskar  Selb  ach,  Kaufmann.    1907. 

Frau  Tina  Seum-Keller,  Privatiere.    1908. 

Arthur  Siebert-Mttller,  Direktor  der  Mitteldeutschen  Kreditbank  und 
Wttrttembergischer  Konsul.    1901. 

Dr.  Friedrich  Sieger,  Justizrat,  Bechtsanwalt  und  Notar.     1903. 

Walter  Simmer  er.     1911. 

Oskar  Simon-Buss,  Kaufmann.    1897. 

Hans  Simonis,  Kaufmann.    1903. 

Dr.  Emil  Sioli,  Professor  und  Direktor  der  Irrenanstalt.     1889. 

Dr.  Bichard  So  Im,  Augenarzt  und  Direktor  der  Frankfurter  Augenheil- 
anstalt.    1904. 

Friedrich  Sommerlad,  Kaufmann.     1904. 

Frau  Karl  Sömmerring  geb.  Kretzer,  Privatiere.    1865. 

Frl.  P.  Sopp.     1910. 

Alfred  Speyer.     1903. 


—    166    — 

Jalins  Stadermann,  Kaufmann.    1911. 

Karl  Stanffer,  Direktor  der  Bockenheimer  Volksbank.    1898. 

Frau  Baronin  Karoline  von  Stein,   Pröbstin  des    adeligen  von  Cronstett- 

und  von  Hynspergischen  evangelischen  Damenstifts.    1884. 
Dr.  Johannes  Moritz  Steinthal,  Bechtsanwalt.    1893. 
Frau  Anna  Stern  geb.  Kalb,  Privatiere.    1897. 
Rudolf  Stern,  Privatier.    1890. 
Frau  Theodor  Stern,  Privatiere.    1871. 
August  Stern-Wiedebusch,  Kaufmann.     1903. 
Paul  Sternberg,  Fabrikant.    1908. 
Karl  Stiebel,  Privatier.    1897. 
Emilie  Stiefel  geb.  Mayer,  Privatiere.    1906. 
Otto  Still.    1911. 

Wilhelm  Stock-de  Neufville,  Bankier.    1882. 
Dr.  Otto  zur  Strassen,   Professor  und  Direktor    des  Senckenbergischen 

Naturhistorischen  Museums.    1910. 
Otto  S  t  r  a  ß  f  e  1  d ,  Kaufmann.    1903. 
Ernst  Strauß,  Kaufmann.    1906. 
Isaak  Strauß,  Privatier.     1906. 
Hans  Streck  eisen,  Architekt.    1903. 

Dr.  phil.  hon.  c.  und  Dr.  Ing.  hon.  c.  Ignaz  Stroof ,  Direktor.    1904. 
Bruno  S  t  r  u  b  e  1 1 ,  Kaufmann.    1903. 
Alfred  von  Stryemieczny,  Oberstleutnant  a.  D.,  Villenkolonie  Buchschlag. 

1907. 
Georg  Sturm f eis,  Lehrer.    1909. 
Emil  Sulzbach,  Privatier.    1900. 
Dr.  Karl  S  u  1  z  b  a  c  h ,  Bankier.     1890. 

Walter  Taeschner,  Dipl.-Ing.  und  technischer  Bauleiter.     1911. 
Dr.  L.  T  h  e  b  e  s  i  u  s ,   Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Serbischer  Generalkonsul. 

1906. 
Dr.  Hermann  Traut,  Professor  und  Bibliothekar  an  der  Stadtbibliothek.   1893. 
Paul  Trebst,  Apotheker.    1910. 
Dr.  Gustav  Treupel,  Professor  und  Chefarzt  der  medizinischen  Abteilung 

des  Hospitals  zum  Heiligen  Geist.    1903. 
Jakob  Ivan  Ueberfeld,  Kaufmann.    1906. 
Hermann  Uhlfelder,  Magistrats- Baurat.    1904. 

Albert  Julius  U 1 1  m  a  n  n ,  Direktor  der  Farbenfabrik  L.  Casella  &  Cie.     1901. 
Otto  Ulrich,  Bankdirektor  a.  D.     1903. 

Dr.  Franz  Vaconius,  Pfarrer  der  Dreikönigs-Gemeinde.     1906. 
Dr.  Victor  von  Varendorff,  praktischer  Arzt.    1911. 
Hans  Voigt.    1910. 
Louis  Volk,  Ober-SUdtsekretär.    1909. 
Dr.  Paul  Wagner,  Augenarzt.    1906. 
Karl  Wagner-Nurick,  Ingenieur.    1903. 
Frau  Anna  Wagner-Schaller,  Privatiere.    1901. 
Dr.  Gustav  Wahl,  Bibliothekar  der  Senckenbergischen  Bibliothek.    1908. 
Otto  Walb,  Kaufmann.    1910. 


—     166    — 

Dr.  phil.  hon.  c.  Max  Walter,  Direktor  des  Reform-RealgymDasinins  Master- 
schule.    1912. 

Dr.  Heinrich  Weber,  praktischer  Arzt.     1902. 

Karl  Weber,  Verwalter  der  Irrenanstalt.     1885. 

Otto  Weidenmüller,  Apotheker.     1911. 

Frl.  Else  Weigel.     1911. 

Frl.  Emilie  Weigel,  Privatiere.     1902. 

Martin  Weigel,  Verlagsbuchhändler.     1902. 

Jakob  Hennann  Weiller,  Bankier.    1871. 

Karl  von  Weinberg,  Fabrikbesitzer  nnd  Griechischer  Generalkonsul.    1903. 

Alfred  Weinschenk,  Bankier.     1903. 

Philipp  Weinsperger,  Maler  nnd  Weißbindermeister.     1907. 

Albrecht  Weis,  Kassierer  der  Englischen  Gasfabrik  a.  D.     1874. 

Martin  Weis,  Kaufmann.    1910. 

Richard  Weise,  Major  a.  D.     1902. 

Wilhelm  Daniel  Weis  mann,  Bankier.    1902. 

Adolf  Well  ach,  Apotheker.     1910. 

Dr.  Albert  Weller,  Direktor  der  Vereinigten  Chininfabriken,  Zimmer  &  Co. 
1907. 

Dr.  Wilhelm  Wense,  Chemiker  in  Griesheim.    1911. 

Joseph  Werner,  Kaufmann.    1892. 

Dr.  Oskar  Werner,   Professor  und  Oberlehrer  an  der  Sachsenhäuser  Ober- 
Realschule.    1910. 

Frau  Rosalie  Wertheim  geb.  Ballin,  Privatiere.     1884. 

Dr.  Eugen  Wertheimber,  Bankier.     1909. 

Emil  Wetzlar,  Bankier.     1900. 

Adolf  Wiechmann.  Fabrikant.     1909. 

Wilhelm  Wiederhold,  Privatier.     1908. 

Fritz  Christoph  Wiemer,   Mühlenbesitzer  in  Bonames.     1898. 

Georg  Wilhelm,  Gärtner.     1910. 

Dr.  Ludwig  Wilhelm,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1911. 

Dr.  Karl  Willemer,  Augenarzt.     1903. 

Ludwig  Willemer-Rücker,  Subdirektor  der  Providentia.     1893. 

Fritz  Winckelmann,  Kaufmann.     1911. 

Adolf  Winkler,  stud.  rer.  math.  in  Nieder-Erlenbach.     1911. 

Fritz  Winter,  Dr.  phil.  hon.  c,  Fabrikant,  Villenkolonie  Bnchscbla^.     1903. 

Ludwig  Wirth,  Privatier.     1911. 

Karl  Wolf,  Pfarrer  der  St.  Petersgemeinde.     1903. 

Dr.  Ludwig  Wolff,  Sanitätsrat  und  praktischer  Arzt.     1907. 

Frau  Emma  Wolfskehl  geb.  Feist,  Kommerzienratswitwe.     1874. 

August  Wolschendorff,  Kaufmann.     1904. 

Dr.  Georg  Worgitzky,  Professor.     1911. 

Hermann  Wronker,  Kaufmann.     1909. 

Julius  Wurmbach,  Ingenieur.     1883. 

Ernst  Wüsthoff,  Kaufmann.     1906. 

Louis  Zeiß-Bender,   Fabrikant   und   Konsul  der  Freistaaten    Guatemala 
und  Costa-Rica.     1906. 


—     167     — 

Theodor  Zeltmann,  Privatier.     1896. 

Frau  Jobanna  Ziegler  geb.  Kleyer,  Professorswitwe.     1902. 

.T.  Zier  vo gel ,  Oberingenieur  des  Dampfkessel-Uberwachungsvereins.    1904. 

Frl.  Bertha  Zimmermann,  Privatiere.     1907. 

Geo  Zink,  Kaufmann.     1911. 


II.    Korrespondierende  Mitglieder. 

Dr.  Hermann  Vamb6ry,  Professor  in  Budapest,   ernannt  am  11.  Mai  1876. 
Dr.  Felix  von  Luschan,   Geh.  Regierungsrat,   Professor  und  Direktor  am 

Museum   für  Völkerkunde  in  Berlin,  ernannt  am  10.  Oktober  1887. 
Dr.  Karl   Diener,   Professor    und   Präsident    des    Österreichischen   Alpen- 
klubs in  Wien,  ernannt  am  20.  Januar  1888. 
Dr.  Alexander  Freiherr  von  Danckelman,  Geh.  Regierungsrat  u.  Professor 

in  Berlin,  ernannt  am  28.  Juli  1890. 
Dr.  Paul  Müller-Simonis,     Ehrendomherr    in   Straßburg,    ernannt    am 

29.  Juni  1892. 
Dr.  Wilhelm  H  a  a  c  k  e  in  Otterndorf,  ernannt  am  8.  März  1893. 
Dr.  Max  Friederichsen,  Professor  in  Greifswald,  ernannt  am  12.  Dezember 

1906. 
Dr.  Karl  0 estreich,  Professor  in  Utrecht,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 
Dr.  Georg  We gener,   Professor  und  Dozent  an  der  Handels-Hochschule  in 

Berlin,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 
Dr.  W.  van   Bemmelen,   Direktor  des   Kgl.  Magnetischen   und   Meteoro- 
logischen Observatoriums   in   Batavia,    ernannt  am  17.  Dezember 

1911. 
Dr.   Hendrick   Blink    im   Haag,    Privatdozent   in    Leiden ,   ernannt   am 

17.  Dezember  1911. 
Dr.  Johannes  Elbert,  Forschungsreisender  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt 

am  17.  Dezember  1911. 
Dr.  Georg  Greim,   Professor  und   Dozent  an   der  Technischen  Hochschule, 

ständiges  Mitglied  des  Großherzoglich-Hydrographischen  Bureaus  in 

Darmstadt,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 
Dr.  Hans  H  a  1 1  i  e  r ,   Konservator   am   Reichsnatnrhistorischen   Museum   in 

Leiden,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 
Dr.  Fritz  Jaeger,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 
Dr.  Hugo  M ertön.  Privatgelehrter  in  Heidelberg,  ernannt  am  17.  Dezember 

1911. 
Frl.  Dr.  0.  M.  L.  P  o  p  t  a ,   Conservatrice  am  Reichsnaturhistorischen  Museum 

in  Leiden,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 
Dr.  Joseph  Tilmanns,  Abteilungsvorsteher  am  Städtischen   Hygienischen 

Institut,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 
Dr.  Karl  Uhlig,  Professor  in  Tübingen,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 


—    168    — 


III.   Ehrenmitglieder. 

Dr.  Julius  Ritter  von  Payer,  E.  und  K.  Österreichisch-Ungarischer  Haupt- 
mann a.  D.  in  Wien,  ernannt  am  14.  Oktober  1874. 

Dr.  Max  Buchner,  Professor  und  Direktor  des  Egl.  Bayrischen  Ethnologi- 
schen Museums  a.  D.  in  München,  ernannt  am  17.  Februar  1886. 

Lulgi  Bodio,  Italienischer  Staatsrat,  Senator  und  Generaldirektor  der 
Statistik  im  Egl.  Italienischen  Ministerium  fttr  Ackerbau  und  Handel 
und  Vizepräsident  der  Societä  geografica  Italiana  in  Rom,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Julius  E  u  t  i  n  g ,  Qeh.  Regierungsrat,  Professor  und  Direktor  der  Eaiser- 
liehen  Universitäts-  und  Landesbibliothek  a.  D.,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886. 

Dr.  Georg  Gerl and,  Professor  a.  D.  in  Straßburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Wilhelm  Eobelt,  Professor  und  praktischer  Arzt  in  Schwanheim,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Earl  von  Obernberg,  Vorsteher  des  Statistischen  Amts  der  Stadt  a.  D., 
in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Eduard  Pechuel-Loesche,  Professor  in  Erlangen,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886. 

Baron  Max  du  P r e  1 ,  Egl.  Bayrischer  Eammerherr,  Eaiserlicher  Ministerialrat 
in  Straßburg  a.  D.,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Ernst  Georg  Ravenstein,  Eartograph  in  London,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Ludwig  Ravenstein,  Eartograph  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886. 

Paul  Reichard,  Forschungsreisender,  z.  Zt.  im  Ausland,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886. 

Dr.  Johannes  Rein,  Geh.  Regierungsrat  und  Professor  a.  D.  in  Bonn,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Georg  Schweinfurth,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Hermann  Wagner,  Geh.  Regierungsrat  und  Professor  in  Göttingen, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886. 

Dr.  Earl  von  den  Steinen,  Professor  und  Abteilungsdirektor  am  Egl. 
Museum  für  Völkerkunde  in  Berlin  (Charlottenburg),  ernannt  am 
20.  Februar  1889. 

Dr.  Hans  Meyer,  Geh.  Hof  rat,  Professor  und  erster  Vorsitzender  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Leipzig,  ernannt  am  25.  Februar 
1891. 

Dr.  Siegmund  Günther,  Geh.  Hofrat  und  Professor  in  München,  ernannt  am 
2.  März  1892. 

Commendatore  Dr.  Guido  Cora,  Professor  und  Herausgeber  des  „CosmoB'' 
in  Rom,  ernannt  am  20.  Dezember  1894. 

Dr.  ing.  Wilhelm  Launhardt,  Geh.  Regierungsrat  und  Professor  in  Hannover, 
Mitglied  des  Herrenhauses,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Fridtjof  Nansen,  Professor  in  Christiania  und  Egl.  Norwegischer  Ge- 
sandter a.  D.,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 


—     169    — 

Dr.  Albrecht  Penck,  Geh.  Begiemngsrat  and  Professor,  K.  K.  Hofrat, 
Direktor  des  Instituts  für  Meereskunde  und  Vorsitzender  der  Ge- 
sellschaft für  Erdkunde  in  Berlin,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Joachim  Graf  von  Pfeil  undElein-Ellguth  in  Schloß  Friedersdorf, 
König].  Kammerherr,  ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Peter  Petrowitsch  yonSsemenow,  Russischer  Wirklicher  Geh.  Rat,  Senator, 
Mitglied  des  Reichsrats  und  Vizepräsident  der  Kaiserlich  Russischen 
Geographischen  Gesellschaft,  Hohe  Exzellenz,  in  St.  Petersburg 
ernannt  am  9.  Dezember  1896. 

Dr.  Sven  von  Hedin,  Professor  in  Stockholm,  ernannt  am  16. November  1897. 

Dr.  Friedrich  Clemens  E  b  r  a  r  d ,  Geh.  Konsistorialrat,  Professor  und  Direktor 
der  Stadtbibliothek  in  Frankfurt  a.  M.,  ernannt  am  17.  Oktober  1900. 

Otto  Schleifer,  Hauptmann  a.  D.  und  Forschnngsreisender,  Charlottenburg, 
ernannt  am  18.  Dezember  1901. 

Otto  Neumann  Sverdrup,  Kapitän  in  Chris tiania,  ernannt  am  22.  Oktober  1902. 

Dr.  Fritz  Sarasin  in  Basel,  ernannt  am  28.  Oktober  1908. 

Dr.  Paul  Sarasin  in  Basel,  ernannt  am  28.  Oktober  1903. 

Dr.  Erich  von  Drygalski,  Professor  und  Vorsitzender  der  Geographischen 
Gesellschaft  in  München,  ernannt  am  2.  März  1904. 

Dr.  Karl  Bücher,  Geh.  Hofrat  und  Professor  in  Leipzig,  ernannt  am  12.  De- 
zember 1906. 

Dr.  Friedrich  Delitzsch,  Geh.  Regierungsrat  und  Professor,  Direktor  der 
Vorderasiatischen  Abteilung  der  Königlichen  Museen  in  Berlin,  er- 
nannt am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Gottfried  Merzbacher,  Professor  und  Forschungsreisender  in  München, 
ernannt  am  12.  Dezember  1906. 

Dr.  Theodor  Petersen,  Professor  und  erster  Vorsitzender  der  Sektion 
Frankfurt  am  Main  des  Deutschen  und  Österreichischen  Alpen- 
vereins,  ernannt  am  12.  Dezember  1906. 

Seine  Hoheit  Adolf  Friedrich  Herzog  zu  Mecklenburg,  Major  ä  la 
suite  des  2.  Garde -Dragoner -Regiments  Kaiserin  Alexandra  von 
Rußland,  Kaiserl.  Gouverneur  von  Togo,  ernannt  am  15.  März  1909. 

Sir  Ernest  H.  Shackleton,  Leutnant  der  Reserve  der  Kgl.  Marine  in 
London,  ernannt  am  20.  Januar  1910. 

Dr.  jur.  hon.  c.  et  med.  hon.  c.  Franz  A dickes,  Oberbürgermeister  der  Stadt 
Frankfurt  am  Main  und  Mitglied  des  Herrenhausei,  in  Frankfurt 
am  Main,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Richard  van  der  Borght,  Präsident  des  Kaiserl.  Statistischen  Amts 
a.  D.,  in  Berlin,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Eduard  Brückner,  Professor  und  Vizepräsident  der  Kaiserl.  Königl. 
Geographischen  Geselhichaft  in  Wien,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  William  Morris  Davis,  Professor  in  Cambridge,  Mass,  ernannt  am 
17.  Dezember  1911. 

Georg  Evert,  Wirkl.  Geh.  Oberregierungsrat  und  Präsident  des  Kgl.  Preußi- 
schen Statistischen  Landesamts  in  Berlin,  ernannt  am  17.  Dezember 
1911. 

Dr.  Alfred  Hettner,  Professor  in  Heidelberg,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 


—     170    — 

Dr.  Lncas  vonHeyden,  Major  a.  D.  und  Professor  in  Frankfurt  am  Main, 
ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Otto  Krümmel,  Geh.  Regierangsrat  nnd  Professor  in  Marburg,  ernannt 
am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Georg  von  Mayr,  Professor,  Unterstaatssekretär  a.  D.,  und  ehemaliger 
Vorstand  des  EgI.  Bayerischen  Statistischen  Landesamts  in  Mttnchen, 
ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Prof.  Dr.  Ernst  Mischler,  Präsident  der  K.  K.  Sutistischen  Zentral- 
kommission und  Chef  der  österreichischen  Statistik  in  Wien,  ernannt 
am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Moritz  Neefe,  Professor  nnd  Direktor  des  Statistischen  Amts  der  Stadt 
Breslau,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Otto  Nordenskjöld,  Professor  in Gothenburg,  ernannt  am  17. Dezember 
1911. 

Dr.  Eugen  Oberhummer,  Professor  und  Präsident  der  Kais.  König!.  Geo- 
graphischen Gesellschaft  in  Wien,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Joseph  Part  seh.  Geh.  Hofrat  und  Professor  in  Leipzig,  ernannt  am 
17.  Dezember  1911. 

Dr.  Siegfried  Passarge  in  Wandsbek,  Professor  in  Hamburg,  ernannt  am 
17.  Dezember  1911. 

Dr.  Alfred  Philippson,  Professor  in  Bonn,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Fritz  Regel,   Professor  in  Würzburg,   ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Wilhelm  Sievers,  Professor  in  Gießen,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Marc-Aurel  Stein,  General -Inspektor  des  indischen  archäologischen 
Departements  in  Oxford,  ernannt  am  17.  Dezember  1911. 

Dr.  Alexander  Supan,  Professor  in  Breslau,  ernannt  am  17. Dezember  1911. 


Verstorbene  Ehrenmitglieder. 

Dr.  Karl  Ritter,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  29.  August  1838,  ge- 
storben daselbst  am  28.  September  1859. 

Dr.  Friedrich  Tiedemann,  Großherzogl.  Badischer  Geheimer  Rat  nnd 
Professor  a.  D.  in  Frankfurt  am  Uain,  ernannt  am  22.  Mai  1851, 
gestorben  in  München  am  22.  Januar  1861. 

Karl  Weyp  recht,  K.  u.  K.  Österreichisch-Ungarischer  Linienschiffsleutnant 
in  Tricst,  ernannt  am  14.  Oktober  1874,  gestorben  in  Michelstadt 
am  29.  März  1881. 

Dr.  Eduard  R  ü  p  p  e  1 1  in  Frankfurt  am  Main ,  ernannt  am  20.  November 
1874,  gestorben  daselbst  am  10.  Dezember  1884. 

Dr.  Gustav  Nachtigal,  Kaiserl.  Generalkonsul  in  Tunis,  ernannt  am 
2.  Juni  1875,  gestorben  an  Bord  Sr.  Maj.  Kreuzers  ^Möve**  am 
20.  April  1885. 

Dr.  Ferdinand  Freiherr  von  Richthofen,  Geh.  Regierungsrat,  Professor, 
Vorsitzender  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  und  zweiter  Präsident 
des  Deutschen  und  Österreichischen  Alpen  Vereins  in  Berlin,  ernannt 
am  11.  Juni  187ö,  gestorben  daselbst  am  6.  Oktober  1905. 


-^     171     — 

Dr.  Gerbard  Rahlf  s,  Egl.  Hofrat,  Kaiserlicher  Generalkonsul  a.  D.  in  Weimar, 
ernannt  am  9.  Jannar  1877,  gestorben  in  Küngsdorf  bei  Bonn  am 
2.  Juni  1896. 

Dr.  Georg  Varrentrapp,  Geb.  Sanitätsrat  nnd  Ehrenpräsident  des  Vereins 
für  Geographie  und  Statistik  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
24.  September  1881,  gestorben  daselbst  am  15.  März  1886. 

Dr.  Emil  Hol  üb  in  Wien,  ernannt  am  1.  März  1882,  gestorben  daselbst  am 
21.  Februar  1902. 

Dr.  Ferdinand  von  Hochstetter,E.  u.  K.  Österreichischer  Hofrat  und  Pro- 
fessor in  Wien,  ernannt  am  27.  Dezember  1882,  gestorben  daselbst 
am  18.  Juli  1884. 

Dr.  Hermann  von  Wissmann,  Major  ä  la  suite  der  Armee  und  Kaiserlicher 
Gouverneur  z.  D.,  ernannt  am  31.  März  1883,  gestorben  in  Sting  bei 
Weißenbach  (Obersteiermark]  am  15.  Juni  1905. 

Henry  M.  Stanley,  Parlamentsmitglied  in  London,   ernannt  am  S.Januar 

1885,  gestorben  daselbst  am  10.  Mai  1904. 

Dr.  Adolf  Bastian,  Geh.  Hegierungsrat,  Direktor  der  ethnologischen  Samm- 
lung des  Museums  für  Völkerkunde  und  Ehrenpräsident  der  Gesell- 
schaft für  Erdkunde  in  Berlin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  ge- 
storben in  Port-of-Spain  (Trinidad)  am  3.  Februar  1905. 

Dr.  Karl  Becker,  Wirkl.  Geb.  Oberregierungsrat  und  Direktor  des  Statis- 
tischen Amts  des  Deutschen  Beichs  in  Berlin,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886,  gestorben  in  Charlotten  bürg  am  20.  Juni  1896. 

Dr.  Hermann  Berghaus,  Professor  in  Gotha,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  3.  Dezember  1890. 

Dr.  Emil  Blenck,  Wirkl.  Geh.  Oberregierungsrat  und  Präsident  des  Kgl. 
Preußischen  Statistischen  Landesamts  a.  D.  in  Berlin,  ernannt  am 
S.Dezember  1886,  gestorben  in  Groß-Lichterfelde  am  4.  Oktober  1911. 

Dr.  Heinrich  Brugsch,  Legationsrat  und  Professor  in  Berlin,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  9.  September  1896. 

Francisco  Coello  de  Portugal  y  Qnesada,  Spanischer  Ingenieur- 
Oberst  a.  D.,  Ehrenpräsident  der  Sociedad  geogräfica  und  Präsident 
der  Sociedad  espanola  de  geografia  comercial,  Exzellenz,  in  Madrid, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  30.  Sep- 
tember 1898. 

Dr.  Ernst  Engel,  Geb.  Oberregierungsrat  und  Direktor  des  Kgl.  Statistischen 
Bureaus  a.  D.  in  Oberlössnitz  bei  Dresden,  ernannt  am  8.  Dezember 

1886,  gestorben  daselbst  am  8.  Dezember  1896. 

Dr.  Friedrich  August  Finger,  Oberlehrer  a.  D.  in  Frankfurt  am  Main,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  31.  Dezember  1888. 

Dr.  Theobald  Fischer,  Geh.  Regierungsrat  und  Professor  in  Marburg,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  17.  September 
1910. 

Friedrich  Anton  Heller  von  Hellwald  in  Stuttgart,  ernannt  am  8.  De- 
zember 1886,  gestorben  in  Tölz,  am  1.  November  1892. 

Dr.  Heinrich  Kiepert,  Professor  in  Berlin,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  21.  April  1899. 


—    172    — 

Dr.  Alfred  Kirchhoff,  Geh.  RegiemngBrat  und  Professor  a.  D.,  Ehrenyor- 
sitzender  des  VereiDS  für  Erdkunde  in  Halle,  in  Mockan  bei  Leipzig, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  8.  Febmar  1907. 

Karl  Eoldewey,  Admiralitätsrat  nnd  Abteiinngsyorstand  der  Deutschen 
Seewarte  in  Hamburg ,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben 
daselbst  am  18.  Mai  1908. 

Charles  M  aunoir,  Generalsekretär  der  Soci^t^  de  g^ographie  in  Paris,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  22.  Dezember 
1901. 

Baron  Cristoforo  Negri,'  Italienischer  Außerordentlicher  Gesandter  und  Be- 
yollmächtigter  Minister  a.  D.,  Senator  des  Königreichs  und  Primo 
presidente  fondatore  der  Societä  geografica  Italiana  in  Turin,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Florenz  am  18.  Februar  1896. 

Dr.  Georg  Bitter  yon  Neumayer,  Wirklicher  Geheimer  Rat,  Professor 
und  Direktor  der  Seewarte  a.  D.,  Exzellenz,  in  Neustadt  a.  d.  Haardt, 
ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  24.  Mai  1909. 

Dr.  Adolf  Erik  Freiherr  yon  Nordenskjöld,  Professor  in  Stockholm,  er- 
nannt am  8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  28.  August  1901. 

John  Wesley  Powell,  Major  und  Direktor  des  Bureau  of  Eihnology  und 
des  United  States  geological  Suryey  in  Washington,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Hayen  (Maine)  am  23.  September  1902. 

Nikolai  Michailowitsch  yon  Prjeyalsky,  Russischer  Generalmajor  in 
St.  Petersburg,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben  in  Karakol 
im  Gebiet  Ssemiretschensk  am  1.  Noyember  1888. 

Dr.  Wilhelm  Reiss,  Geh.  Regierungsrat  in  Könitz  (Thtlringen),  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  29.  September  1908. 

Dr.  Friedrich  Ratze  1,  Sächsischer  Geheimer  Hofrat,  Professor  und  Vorsitzender 
des  Vereins  für  Erdkunde  in  Leipzig,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  in  Ammerland  am  Stamberger  See  am  9.  August  1904. 

Dr.  Gustay  yonRümelin,  Wtirttembergiscber  Geheimer  Rat  und  Kanzler  der 
Eberhard-Karls-Uniyersität,  Exzellenz,  in  Tübingen,  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  28.  Oktober  1889. 

Georg  Freiherr  yon  Schleinitz,  Vizeadmiral  und  Landeshauptmann  a.  D., 
Exzellenz,  in  Hohenborn  bei  Lügde  (Westfalen),  ernannt  am 
8.  Dezember  1886,  gestorben  daselbst  am  12.  Dezember  1910. 

Karl  Sidenbladh,  Chef direktor  des  Kgl. Schwedischen  Statistischen  Central- 
bnreaus  a.  D.  in  Stockholm,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben 
daselbst  am  13.  September  1911. 

Dr.  Wilhelm  Stricker,  praktischer  Arzt  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt 
am  8.  Dezember  1886,  gestorben  am  4.  März  1891. 

Dr.  Bernhard  S  tu  der,  Professor  a.  D.  in  Bern,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  2.  Mai  1887. 

Dr.  Pieter  Jan  V  e  th ,  Professor  a.  D.  in  Arnhem,  ernannt  am  8.  Dezember  1886, 
gestorben  daselbst  am  14.  April  1895. 

Louis  Viyien  de  Saint-Martin,  Ehrenpräsident  der  SodM  de  g^ographie 
de  Paris  in  Versailles,  ernannt  am  8.  Dezember  1886,  gestorben 
daselbst  am  3.  Januar  1897. 


—     173     — 

Henry  T  n  1  e ,  QroßbritanniBcher  Ing^niear-Oberst  a.  D.  in  London,  ernannt 
am  8.  Dexember  1886,  gestorben  daselbst  am  30.  Deiember  1889. 

Beinbold  von  Werner,  Vizeadmiral  a.  D. ,  Exzellenjc,  in  Cbarlottenbnrg, 
ernannt  am  10.  Oktober  1887,  gestorben  daselbst  am  26.  Febrnar  1909. 

Dr.  Emil  von  Oven,  Senator  nnd  Ehrenvorsitzender  des  Vereins  ftlr  Geo- 
graphie und  Statistik  in  Frankfurt  a.  M.,  ernannt  am  26.  Oktober 
1887,  gestorben  daselbst  am  27.  November  1903. 

Friedrich  Jakob  Kessler,  Senator  in  Frankfurt  am  Main,  ernannt  am 
26.  November  1888,  gestorben  daselbst  am  3.  Mai  1889. 

Dr.  Wilhelm  Junker,  in  Wien,  ernannt  am  25.  Februar  1891,  gestorben  in 
St.  Petersburg  am  13.  Februar  1892. 

Dr.  Richard  B  o  e  c  k  h ,  Geh.  Begierungsrat,  Professor  und  Direktor  a.  D.  des 
Statistischen  Amts  der  Stadt  Berlin,  in  Grunewald  bei  Berlin,  er- 
nannt am  20.  Oktober  1896,  gestorben  daselbst  am  5.  Dezember  1907. 

Adolf  Graf  vonGötzen,  Major  ä  la  suite  der  Armee,  Kaiserl.  Gouverneur 
von  Deutsch-Ostafrika  und  Kommandeur  der  Schutztruppe  für 
Deutsch-Ostafrika  a.  D.,  Kgl.  Gesandter  für  Hamburg,  Bremen 
Lübeck  und  beide  Mecklenburg  in  Hamburg,  ernannt  am  9.  De- 
zember 1896,  gestorben  in  Berlin  am  1.  Dezember  1910. 

Dr.  Hans  von  Scheel,  Geh.  Oberregienugsrat  und  Direktor  des  Statistischen 
Amts  des  Deutschen  Reichs  in  Berlin,  ernannt  am  9.  Dezember  1896» 
gestorben  daselbst  am  27.  September  1901. 

Dr.  Eugen  Zintgraff,  ernannt  am  9.  Dezember  1896,  gestorben  in  Tene- 
rife  am  4.  Dezember  1897. 

Dr.  Carlo  Freiherr  von  Erlanger,  in  Niederingclheim,  ernannt  am  18.  De- 
zember 1901,  gestorben  in  Salzburg  am  4.  September  1904. 


—     174    — 


Vom 
Terein  fttr  Geographie  und  Statistik  yerliehene 

Anszeichnnngen. 


I.    Die  Nordenskjöld-Medaille: 

(in  Gemeinschaft  mit  den  geographischen  Gesellschaften  von  Berlin,  Bremen,  Dresden, 

Halle,  Hambnrg,  Hannover,  Leipzig  und  München): 

1885.   Adolf  Erik  Freiherr  von  Nordenskjöld  in  Stockholm,  (f) 


II.   Die  Rflppell-Medaille  in  Gold: 

1894.  Hermann   von   Wissmann   in   Gut  Weißenbach    bei 

Lietzen  (Obersteiermark),  (f) 

1896.  Julius  Eutin g  in  Straßburg. 

1903.  Sven  von  Hedin  in  Stockholm. 

1906.  Theobald  Fischer  in  Marburg,  (f) 

1909.  Adolf  Friedrich  Herzog  zu  Mecklenburg  in  Lome. 

1910.  Ernest  H.  Shackleton  in  London. 

1911.  Hans  Meyer  in  Leipzig. 


III.    Die  Rappell-Medaille  in  Silber: 

1904.  Karl  G.  Schillings  in  Düren. 

1905.  Bernhard  Hagen  in  Frankfurt  am  Main. 

1906.  Wilhelm  Filchner,   z.  Zt.  Antarktis. 
1911.  Otto  Baschin  in  Berlin. 

1911.  Heinrich  Bleicher  in  Frankfurt  am  Main. 

1911.  Johannes  Elbert  in  Frankfurt  am  Main. 


Yerzeichnis 
der 

Behörden,  Gesellschaften  nnd  Redaktionen, 

mit  welchen  der  Verein  in  regelmäßigem 
Schriftenaustauseh  steht. 

(Nach  d«m  Stand  vom  1.  Oktober  1912.) 

Aar  au:  Mittelschweizerische  geograph.-commercielle  Gesellschaft. 

Statistisches  Bureau  des  Kantons  Aargau. 
Albany:  Bureau   o!   statistics  of  labor  of  the  State  of  New  York. 

New  York  State  library,  serials  section. 
Altenburg:  Herzogliches  statistisches  Bureau. 

Amsterdam:         De  Indische  Mereuur. 

Koninklijk  Nederlandsch  aardrijkskundig  genootschap. 
Ann  Arbor:  Michigan  academy  of  science. 

Antwerpen:  Soci(?te  royale  de  goographie  d'Anvers. 

Baltimore:  Maryland  geological  survey. 

Basel:  Evangelisches  ^lissionsmagazin. 

B  a  t  a  V  i  a :  Bataviaasch  genootschap  van  kunsten  en  wetenschappen. 

Koninklijke  natuurkundige  vereeniging  van  Nederlandsch- 
Indiö. 
Belgrad:  Societö  serbe  de  goographie. 

Berlin:  Bureau  des  Hauses  der  Abgeordneten. 

Bureau  des  Reichstages. 

Deutsche  Kolonialgesellschaft. 

Evangelischer  Afrika  -Verein. 

(lesellschaft  für  Erdkunde. 

Kaiserliches  Reichsamt  des  Innern. 

Kaiserliches  Reichsmarineamt,  nautische  Abteilung. 

Kaiserliches  statistisches  Amt. 

Königliche  Bibliothek. 

Königliche  geologische  Anstalt, 

Königliches  ^linisterium  der  geistlichen  und  Unterrichts- 
angelegenheiten. 

Königliches  Ministerium  für  Handel  und  Gewerbe. 

Königliches  statistisches  Landesamt. 

Statistisches  Amt  der  Stadt. 


—    176    — 

Bern:  Eidgenöniaches  sutmisches  Bureaa. 

GeogT^hiflche  Gesellsduh  toh  Bern. 

Schweizerisdie  scaüsusdie  Gesellschaft. 

Scbweiserisches  Fuuuu-  und  ZoUdepartement :   Alkol 
Tenrmltnng. 

Statistiscbes  Boremn  des  Kantons  Bern. 
Bordeaux:  Soci^^  de  g^ognphie  commerciale. 

Boston:  American  acadenij  of  arts  and  sciences. 

American  Statistical  association. 

Massachnsetu  borean  of  statistics  of  labor. 
Brannsckweig:  Verein  für  Xaiorwissenschaft. 
Bremen:  Bremisches  stadstiscbes  Amt. 

Geofraphische  Gesellsehaft. 
Breslau:  Magistrat  der  kgL  Hanpt-  und  Residenastadt. 

Brisbane:  Rojal  geographica!  societj  of  Aostralasia,  Qaeensliad. 

Brflnn:  Mihrische  Museumsgesellschaft  .  Landesbibliothek;. 

Brflssel:  Commission  centrale  de  statistique. 

Inspecteur  en  chef  du  serrice  dlijgiene  de  la  Tille. 

Minist^re  de  Tintirieur:  Administration  de  la  Statistik 
gfn^rale. 

Minist^re  des  sdenees  et  des  arts:    Administration  < 
renseignessent  supMeur  des  seienoea  et  des  letliea 

Soci^t^  rojale  beige  de  g^ographie. 

UniTersiti  nouTelle,  institut  g^ographiqne. 
Budapest:  Statistisches    Bureau    der    Hanpt-    und    Besidenata 

Budapest. 

Ungarische  geographische  Gesellschaft. 
Buenos  Aires:    Departamento  nacionil  de  estadistica. 

Deutscher  wissenschaftlicher  Verein. 

Direction  g^n^rale  de  statistique  municipale. 

Instituto  gcogrifico  Argentino. 

Museo  nadonaL 

Oficina  dessogrifica  nadonal    Ministerio  del  interne). 

Superintendencia  administratiTa  de  la  comiaion  nadoi 
de  educaci6n. 
Bukarest:  Societatea  geographica  Bomina. 

Caricas:  Ministerio  de  fomento:  Direcciön  de  estadistica  e  ias 

graciön. 
Chicago:  Bureau  of  labor  statistics. 

Christiania:       Königlich  norwegische  Unirenitätsbibliothek. 

Statistisches    Centralburean    ün    königlich    norwcgiscl 
Ministerium  des  Innern. 
C  ö  1  n :  Gesellschaft  ffir  Erdkunde. 

Darmstadt:         Grofthenoglich   hessische  Centralstelle    für    die    Lani 

Statistik. 

Verein  für  Erdkunde  und  rerwandte  Wiasenscbaftcn. 
Douai:  Union  g^ographique  du  nord  de  la  France. 


—     177     — 

Dresden:  Königlich  sächsisches  statistisches  Landesanit. 

Verein  für  Erdkunde. 
Duhlin:  Statistical  and  social  inquiry  society  o!  Ireland. 

Dunkerque:  Soci6t6  de  g^ographie. 

Frankfurt  a.M.:  Administration  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung. 

Bürgerverein. 

Finanzherold. 

Frankfurter  allgemeine  Lehrerversammlung. 

Frankfurter  Bezirksverein  deutscher  Ingenieure. 

Frankfurter  Nachrichten. 

Frankfurter  Kudergesellschaft  ,,Germania''. 

Frankfurter  Turnverein. 

Frankfurter  Zeitung. 

Freies  Deutsches  Hochstift. 

General-Anzeiger. 

Gesellschaft  zur  Beförderung  nützlicher  Künste  und  deren 
Hilfswissenschaften  (Polytechnische  Gesellschaft). 

Handelskammer. 

Kaufmännischer  Verein. 

Kleine  Presse. 

Physikalischer  Verein. 

Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft. 

Stadtbibliothek. 

Stadtkanzlei. 

Stadtverordnetenversammlung. 

Statistisches  Amt  der  Stadt. 

Taunusclub. 

Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Freiberg  i.  S. :      Geographischer  Verein. 

St.  Gallen:  Ostschweizerische  geographisch-commercielle  Gesellschaft. 

Genf:  Soci6t6  de  g^ographie  de  Geneve. 

Gießen:  Gesellschaft  für  Erd-  und  Völkerkunde. 

Großherzoglich  hessische  Universitätsbibliothek. 
Glasgow:  Sanitary  department  (Medical  officer  of  health). 

Gotha:  Herzogliches  statistisches  Bureau. 

Justus  Perthes'  geographische  Anstalt. 
S'Gravenhage:    Indisch  genootschap. 

Institut  international  dp  statistique. 

Koninklijk  instituut  voor  de  taal—  land—  en  volkenkunde 
van  Nederlandsch-Indie. 

Ministerie  van  binnenlandsche  zaken. 
Greifswald:         Geographische  Gesellschaft. 
Guatemala:  DirecciOn  general  de  estadistica. 

Halle  a.  S.  Kaiserliche  Leopoldinisch-Carolinische  Deutsche  Akademie 

der  Naturforscher. 

Sächsisch-Thüringischer  Verein  für  Erdkunde. 
Hamburg:  Deutsche  Seewarte. 

12 


—     178    — 

Hamburg:  Qeographische  Gesellschaft. 

Handelsstatistisches  Amt. 

Medicinal-Inspektorat  über  die  medicinische  Statistik  des 
hamborgiscben  Staates. 

Statistisches  Bnreaa  der  Stenerdepatation. 
Hanau:  Geschichtsverein. 

Hannover:  Geographische  Gesellschaft. 

Heidelberg:         Großherzoglich  badische  Universitätsbibliothek. 
Helsingfors:       Geografiska  föreningen  i  Finland. 

Sällskapet  för  Finlands  geografi. 
Hermannstadt:  Siebenbürgischer  Karpathenverein. 

Verein  für  siebenbürgische  Landeskunde. 
Iglö:  Ungarischer  Karpathenverein. 

Jena:  Geographische  Gesellschaft  (für  Thüringen). 

Karlsruhe:  Großherzoglich  badisches  statistisches  Landesamt. 

Kasan:  Naturforscher-Gesellschaft. 

Königsberg^ Pr.:  Physikalisch-ökonomische  Gesellschaft. 
Kopenhagen:      Statens  statistiske  bureau. 
L  an  sing:  Department  of  State. 

La  P 1  a t a :  Direcciön  general de  Esta^tica  de  la  Provincia  de  Buenos 

Aires. 
Le  Havre:  Soci6t6  de  g^ographie  commerdale  du  Havre. 

Leipzig:  Geographisches  Seminar  der  Universität. 

Gesellschaft  für  Erdkunde. 
Lima:  Sociedad  geogräfica. 

Lissabon:  Sociedade  de  geographia. 

London:  Cliamber  of  commerce. 

Royal  geographical  society. 

Royal  Statistical  society. 

Academy  of  science. 
Lübeck:  Geographische  Gesellschaft. 

Statistisches  Amt. 
Lyon:  Soci4t6  de  g^ographie. 

Madrid:  Sociedad  espaüola  de  geografia  comercial  (äntes  de  afri- 

canistas  y  colonistas). 

Real  sociedad  geogräüca. 
Mailand:  Societä  Italiana  di  esplorazioni  geografiche  e  commerciali. 

Mainz:  Großherzoglich  hessische  Handelskammer. 

Manchester:        Manchester  geographical  society. 
Manila:  Ethnological  survey  for  the  Philippine  Islands. 

Marseille:  Soci^t^  de  g^ographie. 

Melbourne:  Department  of  mines. 

Metz:  Gesellschaft  für  lothringische  Geschichte  u.  Altertumskunde . 

Verein  für  Erdkunde. 
Mexico:  Sociedad  de  geografia  y  estadistica  de  la  repüblica  Mexicana. 

Montevideo:        Direcciön  general  de  estadistica  del  Uruguay. 
Montpellier:       Soci^t^  languedocienne  de  göographie. 


—     179     — 

Moskau:  Section  g6ographiqne   de  la  societ^  imperiale  des  arois 

des  Sciences  naturelles. 
München:  Geographische  Gesellschaft. 

Königlich  bayrisches  statistisches  Landesamt. 
Nancy:  Soci^t^  de  g6ographi6  de  TEst. 

Neapel:  SocieUi  Africana  dltalia. 

Ncuchätel:  Soci6t^  neuchateloise  de  g^ographie. 

New  Haven:         Connecticut  academy  of  arts  and  sciences. 
New  York:  American  geographica!  Society. 

Secretary  of  State. 
Offenbach:  Großherzoglich  hessische  Handelskammer. 

Oldenburg:  Großherzogliches  statistisches  Bureau. 

Paris:  Comit^  de  T Afrique  fran^aise. 

Ministere  du  commerce,  de  Tindustrie,  des  postes  et  des 
t^l6graphes :  Office  du  travail.  Bureau  de  la  statistique 
g^n^rale  de  la  France. 

Soci^te  acad^mique  indo-chinoise  de  France. 

Societ6  de  g6ographie. 

Soci6t6  de  g^ographie  commerciale. 
St.  Petersburg:  Acad6mie  imperiale  des  sciences. 

Kaiserlich  russische  geographische  Gesellschaft. 
Philadelphia:     American  philosophical  society. 

Geographica!  society. 
P  0 1  a  :  Kaiserliches    und   Königliches  marinetechnisches  Comit6 

(l^farine-Bibliothek). 
Port-of-Spain:  Government  Statist  of  the  colony  of  Trinidad. 
Posen:  K  aiser- Wilhelm-Bibliothek. 

Prag:  Statistische  Kommission  der  königlichen  Hauptstadt  Prag. 

Providence:         City  registrar. 

Rio  de  Janeiro:  Ministerio  da  indnstria,  via^äo  e  obras  publicas:   Obser- 

vatorio. 

Ministerio  das  relaQÖes  exteriores. 

Sociedade  de  geographia. 
Rom:  Direzione  di  statistica  e  stato  civile  del  comune  di  Roma. 

Institut  international  de  statistique. 

Istituto  cartografico  Italiano. 

Ministero  dei  lavori  publici. 

Ministero  delP  interno. 

Ministero  della  publica  istruzione. 

Ministero  delle  finanze:  Direzione  generale  delle  gabelle. 

Ministero  di  agricoltura,  industria  e  commercio :  Direzione 
generale  della  statistica. 

Society  geografica  Italiana. 

Specula  Vaticana. 
Rostock:  Geographische  Gesellschaft. 

Ronen:  Soci6t6  normande  de  g6ographie. 

San  Francisco:  Geographica!  society  of  California. 

12* 


—     180     — 

San  Francisco:  Health  department  of  the  city  and  county  o! San  Francisco. 
San  3os('  d.  C.  K.:  Instituto  fisico-geogräfico  nacional  de  Costa  Rica. 

Oficina  de  depösito  y  c&nje  de  pnblicaciones  de  la  republica 
de  Costa  Rica. 
Santiago:  Deutscher  wissenschaftlicher  Verein. 

Sarajevo:  Statistisches  Departement  der  Landesregierung  für  Bosnien 

und  die  Herzegowina. 
Schwerin:  Qroßherzogliches  statistisches  Amt. 

Springfield:        Bureau  of  labor  statistics  of  Illinois. 
Stettin:  Gesellschaft  für  Völker-  und  Erdkunde. 

Verein  zur  Förderung  überseeischer  Handelsbcziehunt^en. 
St.  Louis:  Academy  of  science. 

Stockholm:  Rungl.  statistiska  centralbyr&n. 

Svenska  turistföreningen. 
Straßburg  i.  E.:  Gesellschaft  für  Erdkunde  und  Kolonialwescn. 

Kaiserliche  Universitäts-  und  Landesbibliothek. 

Statistisches   Bureau   des   kaiserlichen   Ministeriums    für 
Elsaß-Lothringen. 

Vogesenklnb. 
Stuttgart:  Deutscher  Lehrer -Verein  für  Naturkunde. 

Königlich  württerobergische  Zentralstelle  für  Handel  und 
Gewerbe. 

Königlich  württembergisches  statistisches  Landesamt. 

Statistisches   Amt    der  kgl.  Haupt-   und    Residenzstadt 
Stuttgart. 

Württembergischer  Verein  für  Handelsgeographie. 
Tacubaya:  Observatorio  astronömico  nacional. 

T  i  f  1  i  6 :  Kaukasische  Sektion  der  kaiserlich  russischen  geographischen 

Gesellschaft. 
Tokio:  Bureau   de   la   statistiqne   g6n6rale   an   cabinet    imperial 

du  Japon. 

Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens. 
Toronto:  Universitätsbibliothek. 

Toulouse:  Biblioth^ue  de  Tuniversit^. 

Soci6t6  acad6mique  franco-hispano-portugaise. 
T  o  u  r  8 :  Societe  de  gfeographie. 

T  ü  b  i  n  j^  e  n  :  Königlich  württembergische  Universitätsbibliothek. 

Tunis:  Soci6t6    de    g^ographie    commerciale    de   Paris    (Section 

tunisienne). 
Upsala:  Königliche  Universitätsbibliothek. 

Washington:       American  historial  association. 

Bureau  of  American  ethnology. 

Department  of  labor. 

Department  of  the  interior:  Bureau  of  education. 

Department  of  the  interior:  CensuB  office. 

Department  of  the  interior :  United  States  geological  snrvey. 

National  geographic  Society. 


~     181     — 

Washington:       Smithsonian  institution. 

Treasnry  department:  Bnreaa  of  statistics. 

Treasury  department :  Office  of  comptroller  of  the  currency. 

United  States  board  on  geographic  names. 
Weimar:  Statistisches  Bureau  vereinigter  thüringischer  Staaten. 

Wien:  Deutsch-österreichischer  Orientklub. 

Industrieller  Club. 

Kaiserlich  königliche  geographische  Gesellschaft. 

Kaiserlich  königliche  Universitätsbibliothek. 

Kaiserlich  königliches  naturhistorisches  Hofmusenm. 

Kaiserlichesund  königliches  militärgeographisches  Institut. 

Statistische  Abteilung  des  Magistrats. 

Verein  der  Geographen  an  der  Universität  Wien. 
W  ü  r  z  b  u  r  g :  Königlich  bayrische  Universitätsbibliothek. 

Z  ü  r  i  c  h  :  Geographisch-ethnographische  Gesellschaft. 

Kantonales  statistisches  Bureau. 


—     182    — 


Übersicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben 

im  Jahre  1910/1911. 


Einnahmen: 

Saldo  des  Jahres  1909/1910 Jk  127.65 

Zinsen       „  337.30 

Beiträge  von  621  Mitgliedern „  9280.— 

Verkauf  von  Beikarten ^  285.— 

Ärarialbeitrag ^  600.— 

Verkauf  von  Jahresberichten „  5.25 

Verkaufte  Effekten ,  3684.50 

Entnahme  aus  der  Vereinsbank       ,  283.55 

Für  die  Elbert-Sunda-Ezpedition „  1046.30 

M  15  648.55 

Ausgaben: 

Honorare       M  2540.— 

Saalmiete ,  1305.— 

Lichtbilder  und  Ausstellungen „  244.50 

Inserate „  282. — 

Bibliothekariatbeitrag „  837.76 

Gehalt  des  Vereinsdieners „  400.— 

Auslagen  für  Porti,  Depeschen  usw „  162.75 

Auslagen  bei  Anwesenheit  der  Redner     .     .  ,,  396.05 

Beitrag  zum  Gerhard  Rohlfs-Denkmal      ....  ,  30.— 

Vereinsregister „  21.60 

Drucksachen,  Bücher  und  Buchbinder „  401.70 

Kleinere  Ausgaben „  93.72 

Für  die  Elbert-Sunda-Expedition „  8876.19 

Saldo  auf  neue  Rechnung „  57.78 

M  15  648.55 


—     183    — 


Inhaltsübersicht. 


A.  Wissenschaftliche  Mitteilungeii.  ^«^^ 

I.  Elbert,  J. :    Die   wissenschaftlichen    Ergebnisse   der  Sanda- 

Expedition ^ 

IL  Aus  den  Vorträgen: 

Adolf    Friedrich    Herzog    zu   Mecklenburg:    Meine 

Inner-Afrika-Expedition  1910—1911 92 

Anton,  G.  K. :    Leopold  IL   und  die  Entwicklung  des  Kongo- 
staates      "^0 

Becker,  C.  H. :    Auf  den  Spuren  der  Araber  in  Spanien    .     .      52 

Beiswanger,  K. :   Eldorado-Fahrten 71 

Czekanowski,J. :   In   Emin-Paschas  Provinz  und  bei  den 

Zwergen 41 

Drygalski,  E.  von:   Die  Zeppelin-Studienfahrt  nach  Spitz- 
bergen und  in's  nördliche  Eismeer  im  Sommer  1910   ...      67 
Ehrenreich,  P. :    Altamerikanische  Kulturstätten  in  Mexiko 

und  Yukatan 40 

Elbert,  J. :   Die   Sunda-Expedition    des  Frankfurter  Vereins 

für  Geographie  und  Statistik 37 

Fil ebner,  W. :   Meine  Spitzbergen-Expedition   als  Vorläufer 
der  Deutschen  Antarktischen  Expedition  und  die  Aufgaben 

der  letzteren 45 

Grothe,  H. :   Tripolitanien 72 

Hambruch,  P. :   Ponape 79 

Butter,  F.:    Alt-  und  Neu-Kamerun  einst  und  jetzt     ...      87 

Krämer,  A. :    Eigene  Studien  in  den  Karolinen 76 

Lehmann-Haupt,  C.  F. :   Aus  dem  Quellgebiet  des  Euphrat 

und  des  Tigris 43 

Linde,  R  :    Die  Niederelbe 101 

Moldenhauer,  F. :    England  in  Ägypten  und  im  Sudan  .    .      88 
Olshausen,  F. :   Paraguay  unter  besonderer  Berücksichtigung 

seiner  Exportprodukte 62 

Oertzen,  J.  von:    Aus  Urwald  und  Steppe  Afrikas      .     .    .     101 
Ostermayer,  E.  L.:  Erlebnissen  Beobachtungen  in  Britisch- 
indien   56 

P  i  n  n  0  w  ,  H. :    Kaiser  Menelik  und  sein  Land 40 

P 1  a  t  e ,  L. :    Die  Bahama-Inseln 74 

Regel,  F.:    Der  Panama-Kanal 60 

Schnitze,    L. :    Stromfahrten    und    Gebirgswanderungen    im 
Innern  von  Neuguinea 103 


—     184    — 

Seite 

Sievers,  W. :   Reisen  im  Qnellgebiet  des  Amazonas-Maranon  47 
Spring,  A. :    Auf  dem  Zambesi  und  bei  den  Goldwäschem  im 

biblischen  Ophir 68 

Stolberg,  A. :    Die  Deutsche  and  Schweizerische  Grönland- 
Expedition  1909 54 

Tharnwald,K. :  Bericht  über  meine  Reise  nach  dem  Bismarck- 

Archipel  und  den  Salomo-Inseln  1906—1909 64 

Volz,  W. :    Quer  durch  Nord-Sumatra 50 

Walter,  M.:   Der  Yellowstone  National-Park 88 

Wegcncr,  G. :    Britisch-Indien  und  das  indische  Problem  37 

—  — :   Mit  dem  Deutschen  Kronprinzen  durch  Indien     ...  66 

Wertheimer,  F.:    Die  japanische  Kolonialpolitik    ....  77 

Zahn,  G.  von:   Schilderungen  aus  der  Bretagne 51 

B.  Geschäftliche  Mitteilungen. 

Bericht    über    die    Tätigkeit    des    Vereins    in    der    Zeit    vom 

1.  Oktober  1910  bis  30.  §eptember  1912 107 

Vorstand  und  Ämteryerteilung 151 

Mitgliederverzeichnis 153 

Vom    Verein    für    Geographie    und    Statistik    verliehene    Aus- 
zeichnungen        174 

Verzeichnis  der  Behörden,  Gesellschaften  und  Redaktionen,  mit 

welchen  der  Verein  in  regelmäßigem  Schriftenaustausch  steht  175 

Übersicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben  im  Jahre  1910/11  .     .  182 


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